tiologische Grippeproblem

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(Aus dem Institu$ fiir Infektionskrankheiten ,,Rober~ Koch" in Berlin.)
Morphologische Studien an Influenzabaefllen und das
~tiologische firippeproblem 9.
Von
W a l t e r L e v i n t h a l und Hans F e r n b a e h ,
Assistenten am Institut.
Mit 6 Textabbildungen.
Wenn unter den aktuellen Fragen der zeitgen6ssisehen Medizin
das InfluenzaTroblem, vielseitig bearbeitet und jahrelang diskutiert,
noch i m m e r seinen Platz im u
des allgemeinen Interesses
behauptet, so wirken daffir offenbar zwei Griinde: einmal ist die Grippe
in i h r e r pandemischen F o r m die einzige, sagen wir kfihn, die letzte
akute Seuehe yon weltumspannenden AusmaBen in neuer Zeit, moderner
Erbe mittelalterlicher V61kerpl~gen, gleieh jenen, gleich der Pest oder
Lepra, die L~nder der Erde verwfistend und mehr Opfer fordernd als
Weltkrieg und ttungerkatastrophen; so erfiillt sic stets yon neuem
die J~-rztewelt mit Serge .und weckt in Wissenschaft und Praxis die
Initiative aller Berufenen zum Abwehrkampfe, eine Aufg~be, zu der
unter vielen anderen Simon Flexner 2) auf dem 10. _~rrztekongrel~ in
New York mit eindringlichem Ernste aufrief und F. 2Veu]eld3) zu wiederholten Malen das Wort ergriff. Zweitens aber birgt die Influenza in
ihren epidemiologisehen Ablaufgesetzen, in J~tiologie und Kasuistik
so viel des R ~ s e l h a f t e n , Umstrittenen, Problematischen, das den l~eiz,
den sic allenthalben auf die Wissenschaft ausfibt, leicht begreiflich
macht.
Es wird notwendig sein, zuerst einmal die Grundlagen der heutigen
Grippeforsehung, das, was als gesicherter Boden gelten daft, lest1) Aus dieser Arbeit wurdcn Teile auf der 9. Tagung der Freien Vereinigung
fiir Mikrobiologie in Wqirzburg dutch den einen yon uns (L.) am 9. VI. 1922 vorgetragen. Das Manuskript ist am 1. VI. 1922 abgeschlossen worden; bis auf geringe
stilistisehe Kom'ekturen wurden _~mderungen nicht mehr vorgenommen.
2) Simon Flexner (New York), Epidcmiology and recent epidemics. Journ. oI
~he Americ. reed. assoc. 73, 949. 1919.
s) a) F. Neu]eld und P. Paloa~narku (Berlin), Zur ~tiologie und Epidemiologie
dcr Grippe. Berl. klin. Wochenschr. 1919, l~r. 1. - - b) Neu[eld, Zur Frage des
Influenzaerregers. Dtsch. reed. Wochenschr. 1920, Nr. 35. - - c) Neu]eld, Zum
]e~zigen Stand der Influenzafrage. Med. Klinik 1921, Nr. 19.
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien usw.
457
zustellen, um yon hier aus zu pr~ziser Fragestellung zu gelangen, sieh
Schritt ffir Sehritt welter vorzutasten.
So seien an die Spitze dieser Mitteflung und Betrachtung zwei
Thesen gestellt, yon denen wir bei unseren Studien ausgegangen sind.
Wie in einem ausffihrlichen kritischen Re]erat 1) gezeigt werden konnte,
ist die Influenza eine in allen Erdteilen mit gem~Bigtem Klima endemische Infektionskrankheit yon periodischem Charakter, die nur in
Abst~nden yon einigen Jahrzehnten weite epidemisehe oder gar panetemisehe Ausbreitung gewinnt. "Und welter sehen wir den greifbarsten
Ertrag der ganzen internationalen Untersuchung seit 1918 in der Erkenntnis des regelm~l]igen Vorkommens der P]ei]]erschen :Bacillen
bei der Grippe. Auch hierfiber gibt die ebenzitierte Abhandlung die
ganze :Fiille des yon Forschern aller Sprachen zusammengetragenen
Materials. Ob diese Erkenntnis ffir die Frage der ~tiologie und Epidemiologie der Seuche ausreieht, oder ob ffir das Verst~ndnis noeh
weitere Momente herangezogen werden mfissen, bleibe vorerst dahingestellt.
Zun~ichst sei uns gestattet, fiber das in dem erw~hnten Referat gesammelte und kritisch gesiehtete Material hinaus zuerst eigene Ergebnisse diagnostischer Untersuehungen aus den Jahren 1918--1922
zusammengefal~t zu berichten und in diesem Zusammenhange fiber die
Methodik des Naehweises, N~hrbSden und Teehnik einiges zu sagen.
I. Eigene Befunde yon Influenzabaeillen bei Grippefiillen in den Jahren
1 9 1 8 his 1922.
Die allm~hliche Zunahme yon Influenzaf~llen in den verschiedensten Teilen des deutschen und 5sterreiehischen Heeresgebietes in
den letzten Jahren vor 1918, wic sie yon vielen Seiten 2) geschildert
worden ist, ffihrte im flandrisehen Etappengebiet der 4. Armee bereits
im Frilhling 1916 und dann wieder im folgenden Herbst und Winter
zu typischen Endemien. An dem Material dieser zahlreichen Fiille
konnte der eine yon uns (L.) als Assistent des Armeehygienikers Riemer,
beraten und gefSrdert durch seinen Chef, unterstfitzt yon den Klinikern,
Erfahrung und Technik der bakteriologischen Influenzadiagnose
sehulen. Nachdem aus diesen Studien sehliel~lich noch die Darstellung
eines optimalen Influenzan~hrbodens, des Kochblutagars, hervorgegangen, fanden bereits die allerersten Krankheitsfalle der grol3en
1) Walter Levinthal (Berlin), Epidemiologie und Bakteriologic der Influenzapandemie yon 1918. Lubarsch-Ostertag 1921, Jahrg. 19, Abt. 2, S. 848. --Dasselbe: W. Levinthal, M. H. Kuczynski und E. Wol[/, Die Grippepandemie von
1918, als ]~uch bei Bergmann, Miinchen 1921.
3) Auf die Angabe der Literatur bis 1920 wird in dieser Mitteilung im allgemeinen verzichtet, vielmehr erneut auf das erwahnte Referat yon Levinthal verwiesen, das die gesamte Grippepublikation beibringt und bespricht.
458
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
t
Pandemie Ende April 1918 in unserem Laboratorium im Hygienischen
Institut der Universit~t Gent mit der Untersuehung yon Grippesputen
wohlvertraute Untersueher. So konnte bereits am ersten Tage, als die
explosionsartig in einem Rekrutendepot ausbrechende Epidemie neben
dem I-Iygieniker aueh den beratenden ilmeren lViediziner StintzingJ e n a alarmierte, der kulturelle Naehweis der Grippest~bchen in 4 yon
6 Sputen gefi:lhrt werden. I m m e r wieder sei betont: Also yon ahem
Anfang der Seuehe an waren die Bacillen in unserem Untersuehungsgebiet nachweisbar, nur selten sp~rlich, meist in zahlreichen Kolonien,
oft fast in Reinkulturen bei zweckm~l~iger Technik, auf die noeh
kurz zuriiekzukommen sein wird. Der Verlauf dieser ganzen Seuehenwelle braehte uns dann yore 1. Mai bis 31. August 1918 zur Diagnose
348 Sputa, auf die damals noeh die bakteriologisehe Untersuehung
beschriinkt blieb. Die Ausbeute an positiven Befunden in diesem
Material ~iir die ganze zeit und die einzelnen ]Vlonate gibt die Tabelle I
wieder. Wie es die Aufgaben einer zentralen UntersuchungssteUe mit
sich brachten, handelte es sich bier nieht u m wissenschaftlieh gesichtetes Material, sondern u m die ganze bunte Menge aller verd~chtigen
und differenzialdiagnostisch in ]3etracht kommenden :Fi~lle, unter denen
sich weiterhin oft genug Tuberkulosen, P a r a t y p h e n und a~nderes entpuppten.
Tabelle L
Kultureller Nachweis yon Influenzabacillen im Sputum,
Sommer 1918 in Gent (Belgien).
1918
Gesamtzahl ]
der unterD a v o n I.-B.
sucht. Sputen
poslf;iv
Mai . . . . . . .
Juni . . . . . .
Juli . . . . . . .
August . . . . .
58
81
121
88
1. ]~lai bis 31. Aug.
848
I
In
Prozentcn
20
20
42
39
34,5
24,7
34,7
44,3
121
84,8
Wie sehr diese positive Gesamtausbeute yon nur 35~ yon
der 1Ylannigffaltlgkeit des Krankenmaterials abh~ingt, konnte sofort an einem bestimmten Tell der untersuchten Sputen demonstriert werden. I)er eine der Einsender, W. Hildebrandt-Freiburg,
wurde gebeten, seine 31 F ~ l l e v o m Juni bis Juli anamnestiseh auf
ihren Z u s a m m e n h a n g mit der ,,spanischen Grippe" zu analysieren,
lind stellte mit hebenswiirdiger und versti~ndnisvoller Bereitwitligkeit lest :
Von den 31 Patienten war der Zusammenhang mat der Epidemie
nachweisbar bei 17; ohne naehweisbaren Zusammenhang blieben
Mso 14. Der bakteriologisehe Befund war positiv:
an Influenzabacillen und das Ittiologische Grippeproblem.
459
yon den 31 Sputen insgesamt bei 13
= 42,0%
yon den 14 sporadiseh erkrankten bei 3 = 21,4~/o
yon den 17 epidemiseh erkrankten bei 10 = 58,8%
Und n o e h giinstiger stellten sich die Ergebnisse in einem Lager
englischer Kriegsgefangener, das bis zum Hochsommer seuchefrei
geblieben war und erst im August pl5tzlieh in erhebliehem Umfange
yon der Epidemie ergriffen wurde. Da die Erkrankung bei der grol3en
Mehrzahl der Patienten i~uSerst leieht verlief, muBten nur etwa 50
yon ihnen in Lazarettbehandlung genommen werden. Unter diesen
wurde der Auswurf yon 40 Mann zur Untersuehung eingesandt, ausnahmslos yon Erkrankungen ohne jede Komplikation, also reinen
Influenzaf~llen. Diese erste Untersuchung ergab 20 positive Fiille, also
50%. Von den 20 negativen Einsendungen konnten wenigstens 5 noch
einmal wiederholt werden und erlaubten den Nachweis noch in zwei
F~llen. So waren also yon 40 Patienten 22 positiv = 55%. Alle posiriven Proben enthielten Eiter, bestanden also wirklieh aus Lungenund Bronchialsputum. Dagegen enthielten von den 18 negativen
Proben nicht weniger als 8 ausschliel31ieh Speiehel, 3 weitere Speiehel
und Sehleim ohne jede Beimengung eitriger Teile, wie in allen Fhllen
sorgfhltig beim Eingang des Materials, also vor der Untersuchung,
notiert wurde. So gewinnt das Gesamtresultat ein ganz anderes Aussehen: von den 40 eingesandten Untersuehungsproben waren also
nur 29 wirklich Sputen. Und diese ergaben ein positives Resultat in
22 Fi~llen, d. h. in 75,9%.
Dies bakteriologisehe Material aus der ersten Periode der Pandemie
beweist also zweierlei: es zeigt, da$ schon die Untersuchung des Sputums
allein, ohne Zuhilfenahme anderer erg~nzender Methoden, wie der
Hustenplatte und des Abstriches aus dem hinteren Nasenrachenraum,
in klinisch und epidemiologisch reinen F~]len den Nachweis der Influenzabacillen in 59--76% erlaubt. Ein allgemeineres, nicht gesiehtetes Material oder die Untersuchung yon grippeverdiichtigen, sporadischen Fallen dagegen driickt diese Ziffer sofor~ auf 3 5 - - 2 1 % herab,
ein Beweis, wie eng das Vorkommen der Erreger in jener Anfangsperiode der Epidemie an den Weg der Seuehe gebunden war und keineswegs als ubiquit~r angesehen werden kann.
Die wiehtigen FeststeUungen, die unser Genter Laboratorium in
den Jahren 1916 und 1917 mit dem Naehweis agglutinierender Antik6rper im Serum Influenzakranker bei geeigneter Auswahl des Antigens
gemaeht hatte [Levinthall)], fanden aueh im Sommer 1918 am Material
der groflen Epidemie ihre Best~tigung, wobei die starke Zunahme
1) W. Zev/ntha/ (Gent), Bakteriologisehe und serologische Influenzastudien.
Diese Zeitschr. 86, 1. 1918.
460
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
der positiven F~lle innerhalb yon zwei Untersuehungsmonaten bemerkenswert ist. Der Widal wurde angestell$:
1. his 30. Juni . .
1. bis 15. J u l i . . .
......
15
14
Jl
8
12
1
t
:0
I
53,3
85,7
Als positiv wurden stark~ Agglutinationen in den Verdfinnungen
1 : 2 5 und dartiber gereehnet.
Unter diesen FMIen befand sich ~ Pa~., der wegen einer genuinen Pneumonie
am 9. VII. in Lazarettbehandlung gekommen war. Am 17. VII. zeigte sein Sputum
eine Reinkultur yon Pneumokokken; der Influenzawidal war am gleichen Tag~
vollst~indig negativ. Offenbar wurde der Kranke w~hrend seines Lazarettaufenthaltes mit Influenza infiziert, die zu einer lange dauernden eitrigen Bronchitis mit
~ieber fiihrte. So zeigte denn eine zweite Sputumuntersuchung am 29. VII. fast
eine Reinkultur yon InfluenzabaciUen; der Grippewidal aber war am 1.VIII. stark
positiv geworden.
W~hrend in diesem FaUe die heftige und lange dauernde Erkrankung,
der hart~ K a m p f des Organismus mit dem Virus, unter den Augen
der Untersucher zu der Entstehung starker Agglutinine geftihrt hart~
w a r yon von~herein bei der hoch akuten und sehnell abklingenden
F o r m des einmaligen Influenzaanfalles eine kr~iftige Reaktion viel
weniger zu erwarten, eine Vermutung, der z. ]3. auch Oeller ~) yon den
gleichen Erw~gungen her Ausdruek gegeben hat. Und dieser Erwartung
entsprachen l%esultate, wie sic an den erw~ihnten Engl~ndern erhoben
werden konnten. Eingesandt wurden in den ersten Tagen der Erk r a n k u n g Blutproben yon 44 Pa~ienten (daxunter 4 unbrauchbare),
und zwar einerseits yon den 40 Kranken, deren Auswurf in 55~/o 10osiriven Bazillenbefund zeigte, und andererseits yon 4 weiteren vOllig
sputumfreien. Der grSBere Teil dieser serologischen Untersuehungen
wurde 2 - - 3 Wochen spi~ter wiederholt. Tabelle I I gibt Auskunft fiber
die Sti~rke des Widals mit dem zugehSrigen ]3akterienbefund des
S p u t u m s nnd dem Ausfall der Reaktion nach der Genesung.
Es sei ausdrtieklieh darauf hingewiesen, d a b auch under den 22
serologiseh negativen F~llen sich 9----41% bacillenpositive befinden;
das spricht gegen den Einwand, der mehrfaeh gegen die Bedeutung
des Widals erhoben worden ist, dab sehon das Vorhundensein der
Bacillen auch ohne ihre pathogene RoUe die serologische Reaktion
erwarten lieBe, und ihr daher jede Beweiskraft im Sinne der P/ei//erschen Lehre abgehe. Anderersei~s konnte die Diagnose noch in 7 bakteriologisch negativ gebliebenen F~tllen serologisch gesichert, also rein
x) Hans OeUer (Leipzig), Kritische Studien zum Influenzaproblem. Miinch.
reed. Wochenschr. 1918, l~r. 44.
an
461
Influenzabacillen und das 'htiologische Grippeproblem.
Tabell~ H.
Widal bei 44 hochakut und leicht erkrankten englischen Kriegsgefangenen im
August 1918 in Belgien.
8t~rke des Widals
§
.
.
.
.
.
§ his §
+
- -
o
.
.
. .
.
.
.
Unbrauchbar .
+ +
+
(+)
•
-
Zahl
2
2
7
7
22
4
Davon L-B. im
Sputum
2 -
2=
4=
3=
9=
2
100%
100%
57,1~o
42,9%
40,9%
Widalw i e d e r h o l t
nach 21/2Wochen
Resultat des
1
2
++
~ , (+)
3
6
18
2. Widals
2~, 4-alle--
stark positiv 1 : 25 bis 1 : 100
p o s i t i v 1 : 25 bis 1 : 50
positiv 1 : 2 5
a n g e d e u t e t 1 : 25
n e g a t i v 1 : 25.
diagnostisch gesehen, yon 55 auf 66% gesteigert werden. Darin mu~te,
wie mehffach betont, in jencr Frfihzeit der Epidemie der Weft des
Widals gesehen werden, w~hrend frcilich heute seine diagnostische
Verwendbarkeit nach der maximalen Durchseuchung aller L~nder
erheblich einzuschrhnken scin diirftc.
I~ebenher sei erwi~hnt, dal~ auch einige Versuche der Komplementbindung zum Vergleich mit dem Widal im Sommer 1918 angestellt
wurden. Bei Verwendung geeigneter Bakteriensuspensionen als Antigen
konnte eine ~bereinstimmung beider Reaktionen, qualitativ und
quantitativ, in 43 von 54 Seren, davon 29 positiven und 14 negativen,
also in 80%, erwiesen werden, wiihrcnd 5real die Komplementbindung
den Widal, und 6mal der Widal den Bindungsversuch an Schi~rfe
iibertraf.
Die bakteriologisehen Untersuchungen an Patienten der sp~teren
Seuchenschtibe wurden in Berlin am Institut ,,Robert K o c h " unter
der J~gide yon 2'. ~Veufeld mit dem Material der Infektionsabteilung
des Rudolf Virchow-Krankenhauses (U. Friedemann) und an gelegentlichen F~llen aus der Stadt ~ortgesetzt. Und zwar wurde mehr und
mehr regelmiil~ig die Bearbeitung yon Sputum ergi~nzt durch die yon
Chievitz und Meyer 1) fiir die Keuchhustendiagnose inauguricrte I-Iustenplatte und sparer noch dutch Abstriche aus dem hinteren Nasenraehenraum.
Wi~hrend der gr61~te Tell des Jahres 1919 mit seinem unbestimmten
Epidemieverlauf wenig geeignetes Material zu wissenschaftlicher
Forschung an Influenzakranken bot und zum Studium des bakterio]ogischen Bildes bei Keuchhusten, Masern u . a . (s. unten) benutzt
"1) Ingeborg Chievitz und Adolph H. Meyer (Kopenhagen), Eine Methode zur
Friihdiagnose des Keuchhustens (die Hustenaussaatmethode). Miinch. med.
Wochenschr. 1918, Nr. 27, und Ann. Pasteur 30, 503. 1916.
462
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
wurde, braehte der J a n u a r 1920 jene pl6tzliche u n d heftige Seuehenw~lle, die Mitre M~rz ebenso u n v e r m i t t e l t abbraeh. I n dieser Zeit
k a m einmal klinisches Material, u n d zwar 30 Fitlle, zur U n t e r s u c h u n g ,
u n d ferner w u r d e n 9 Influenzasektionen genauer bakteriologischer Bearbeitung unterzogen. Das R e s u l t a t der ersten Gruppe gibt Tabelle I I I .
Tabelle 1II.
Kultureller lqachweis der Influenzabacillen in Sputum und tIustenplatte Anfang
Januar bis Mitre Marz 1920 in Berlin.
lqur Sputum . . .I 1121 [
Nut Hustenplatte .
2
Beides . . . . . .
] 17 ]
8~ 1
1
14
~
1
] 82,4 [
33
~
3
I
I
:- ]
9
9 I
1
--
Die t t i n z u n a h m e der I-Iustenplat~e k o n n t e also die A u s b e u t e auf
82,4% gegen 72,7% bei S p u t u m u n t e r s u e h u n g e n allein steigern. D e n n
y o n den 14 t~ositiven F~llen, die beide Methoden zur Diagnose heranzogen, w a r e n :
Sputum q-, Hustenplatte -k ~ 6,
,,
+,
,,
--~3,
,,
--,
,,
+ = 5.
Unter den 23 ~ositiven Fallen waren 3 v611ig unkomplizierte Grippen lm Stadium des frtthesten Krankbeitsbeginnes; 14 FSlle dagegen zeigten mehr oder weniger schwere Influcnza-Bronchopneumonien. Die 6 negativ~n Falle stellten dar:
1. ehle Bronc~hit~s, bei der die Diagnose Influenza yore IOiniker im Krankenblatt als zweifelhaft bezeichnct ist, mit iibex~viegendem.Pneumokokkenbefund;
2. und 3. ganz frische Grippen mit Sitz der Erkrankung im Halse ohne ldinische
Lungenbefunde;
4. eine Lobt~rpneumonie nach Grippe mit zahlreicheu Pneumokokken neben
Mikrococcus catarrhalis;
5. eine Streptolcoklcenpneumonie und
6. ein schweres Empyem mit i]aeher Atmung und minimaler Expektoration
eines leicht rostfarbenen Pneumokokkenauswuffs.
Der ]ra!llich gcbliebene Fall, bei dem eine einzige verd/ichtlge Kolonle auf der
I-Iustenplatte zu finden war, zeigte einen leichten G~ppeanfall ohne Auswurf und
frei yon jedem Brustbefund.
l~ber die ~engenverhaltnisse der gefundenen Influenzabacillen bei den 23 posiriven F/fllen gibt Tabelle I V Auskunft.
Tabelle IV.
Zahl der gefundenen Influenzabacillen bei den 23
Grol]e Menge I.-B . . . . . . . . . . .
in
Mittlere Menge I.-B . . . . . . . . . .
in
Geringe Menge oder vereinzelte Kolonien in
Summe
positiven r~llen.
10 l~allen
7
,,
6
,,
23 F~,lle.
W ~ h r e n d also die U n t e r s u e h u n g dieser 30 klinischen FMle den
:Nachweis der Influenzabacillen in 770/o erbraehte, waren die 9 Sektionen
an Influenzabacillen
und das
atiologische Grippeproblem.
463
derselben Epidemiewelle ohne Ausnahme positiv. Und zwar konnten
die Erreger in allen Fi~llen aus den Lungen, und nicht nur aus den
bronchopneum0nisch infiltrierten }terden, sondern auch, soweit untersuch~, aus den lufthaltigen Partien geztiehtet werden, ja selbst ein
septiseher Lungeninfarkt mit zahlreichen S~reptokokken zeigte noeh
zwei Influenzakolonien.
Von 7 untersuchten Bronehialdrfisen waren 6 positiv, yon 6 untersuchten Milzen 3.
T a b e l l e V zeig~ nicht nur die Beteiligung der untersuehten Organe,
sondern auch die Ver~eilung der Begleitkeime, der mischinfizierenden
Pneumokokken, Streptokokken, Staphylokokken.
Tabelle V.
Bakteriologische 0rganbefunde bei 9 Sektionen im Friihjahr 1920 in Berlin.
Mischinfektion
Organ
Zahl
I.-B. +
~n %
i
-~
~
mit
.5t
~
o o~
o
0
0
0
.~ o =%
?
=
o=
m
9
|Lufthaltige Partien /I 5
•[PneumonischeHerde
]Septischer Infarkt . 1
/
Bronchial-Driise
Milz
. . .! 7
........
P i a mater
......
Geaamtzahl der Sektionen
I 6
9
5
1
6
(2 Kol.)
3
/ 100,0 I -100,0
9
1
--
1
85,7[[
50,01 2
2
1
-1
(+++)
(rln)
2i
1
(rein)l (1
3 ] (1 steril)2 66,7 |
I1 9
9
100, 0 [
3
1
--
1
1
--
~
1
--
-3
rein)
2
I
Die Menge der Influenzakolonien aus Lunge und Bronchialdriise
war iiberall mehr oder minder reichlich, dagegen wuchsen die Erreger
aus den Milzaussaaben und dem Gehirn nur in geringen oder vcreinzelten
Kolonien. Das mikroskopische Priiparat der direkten Organausstriehe
liel3 die feinen Bacillen immer nur schwer erkennen, auch bei reichster
Kulturausbeute, ein Gegenstiick zu dem schwierigen mikroskopischen
Naehweis in Sputumpr~paraten. Es muB immer wieder, wie der eine
yon uns (L.) es mehrfaeh getan hat, betont werden, daI~ auch in F~llen,
in denen die St~bchen fast in Reinkultur aus sorgfi~ltig aufgeschlossenen
Flocken (s. unten) wachsen, der mikroskopische Ausstrieh oft im
S tiche l~13t. Gewil~ vefftigen auch wir fiber Praparate aus letzter Zeit,
die mit ihren zahllosen in Nestern, Fischzfigen und diffus zerstreut
erseheinenden, auch intraeellul~r gelagerten Bacillen die gleiehen
I
464
W. Levinthal und H. Fernbach: 1Vforphologische Studien
Bilder zeigen, wie sic P]ei//er sehon 1889--1892 gesehen und besehrieben
hat, und wie sie Neu/eld aus dem Azffang der 1918-Epidemie in seiner
Sammlung aufbewahrt. Das bleiben aber Seltenheiten; und Erw~gungen, wie sic v. Angerer i) jiingst wieder zum Ausdruck bringt, widerlegt die Praxis.
]Ehe wir die diagnostische Ausbeute der letzten Epidemiewelle aus
dem Januax des laufenden Jahres 1922 darstellen, sei fiber ein p a a r
bemerkenswerte Einzelfiille aus der interepidemischen Zeit yon 1920
bis 1922 beriehte$.
I m Hoehsommer 1920 k a m eine junge F r a u (Fall 68) zur Sektion,
die an akuter R u h r in wenigen Tagen zugrundegegangen war.
AuBer den charakteristisehen h~morrhagischen Blind- und Diekdarmver/iaderungen, aus denen die echten Ruhrbacillen (Shiga-Kruse) geziichtet wurden (Dr.
Elkeles), zeigten beide Lungen ncben frischen pleuritisehen Verwaehsungen in den
hyposta~ischen Unterlappen kleine, dunkelrote, ehronisch-indurative Herde.
Es bestanden also chronisch-gripp6se Prozesse, die in der anamnestischen Feststellung eines seit 2 Jahren bestehenden Hustens klinisehen Ausdruck gefunden
hatten.
I n simtliehen untersuehten Teilen der Lunge wie in der Bronchialdriise konnten reiehlieh In/Iuenzabacillen, zum Tefl neben griin wachsenden Streptokokken, nachgewiesen werden, w~hrend die Milzaussaat
nur banale Keime (Coil) ergab. Es sei an dieser Stelle zum erstenmal
auf einen Befund hingewiesen, der spi~ter im Zusammenhange mit
der morphologischen Darstellung seine Deutung linden sell. U n t e r
den Influenzabacillen lie6en sieh zwei Gruppen differenzieren, die
keinerlei Untersehied in Kolonieform and Wachsbum aufweisen, sich
vielmehr ausschlielMich im mikroskopisehen Bild unterseheiden. Der
eine T y p zeigt, auf der Kochblutplatte geziichtet, ganz gleiehmil]ige,
winzige Kokkobaeillen, vergleiehbar dem mikroskopisehen P r i p a r a t
einer Melitensiskultur. Wit sehen in dieser Forn~ den Haupttyp der
Pfei//erschen Stdibchen und bezeichnen ihn ale echten In/luenzabacillus
(Ty13 I). Der zweite Typ, wieder v o m optimalen ~ i h r b o d e n stammend,
f~ll~ sofort dutch einen hSheren Grad yon Pleomorphie auf; der Gesamthabitus ist deu~lieh bacillenartiger, und zwisehen den schlanken,
aber immer noch reeht kurzen S t i b c h e n k o m m e n vereinzelte Seheinf i d e n vor. Soviel mag einstweilen zur Charakterisierung dieses Typ IT,
/i~r den wir die alte Bezelchnung P/ei]]ers als Pseudoin]luenzabaciIlus
beibehalten, geniigen. Der geschilderte Ruhrfall mit seiner chronischen
Lungeninfluenza wies also nebeneinander beide T y p e n auf. Die Agglutination beider S t i m m e mi~ einem Influenzaimmunserum v o m Kaninehen zeigte ganz die gleichen Werte in ttShe und Intensiti~t der Reak-
i) Cart v. Angerer (Erlangen), Kritische Untersuehung tiber die ~tiologie
der Influenza. Arch. f. Hyg. 9[, 254. 1922.
465
an Influenzabacillen und das ~itiologische Grippeproblem.
tion. Tabellarisch geordnet k o m m t die bakteriologisehe Analyse mig
den Mengenverhi~ltnissen a m klarsten z u m Ausdruck.
Tabelle VI.
Sektion Fall 68. Akute Ruhr; chronische Influenza.
11.VL 1920
n - B i
,
o
o
Lunge r.
Lunge 1.u.
o.
Bronchialdrilse
Dickdarm
Milz
.
Pseudo-I.-B..
Grtine Streptokokken . . .
Banale (Coli) .
Shiga-Ruhr . ,
++
++++
++
++++
+++
++++
+
Fall 74 ist ein h o c h a k u t e r Grippeanfall eines 15ji~hrigen B u r s c h e n
mit allgemeiner Streptokokkenmischinfektion, die in den letzten T a g e n
vor d e m Tode zu einer h g m o r r h a g i s c h e n Pleuritis auf beiden Seiten,
Endokarditis und cerebralen Erscheinungen, wie B e n o m m e n h e i t und
KrampfanfMlen, gefiihrt hatte.
Die Sektion zeigte neben frischen pleuritisohen Adh~sionen an den Lungenspitzen h~morrhagisches Pleuraexsudat und fibrin0se Belage; faustgroBe bronchopneumonische ~Ierde im rechten Ober- und linken Unterlappen, hochrote Bronehialschleimhaut, eine frisehe Endocarditis verrucos~ und gro~e septische Milz.
Gehirn o. B.
Das bakteriologische Bild gibt Tabelle V I I .
Tabelle VII.
Sektion Fall 74. Grippe-Bronchopneumonie.
29. XL 1920
[o-B.
Lunger.o. Lunge 1. u. Bronchialdriise
Gehirn
Konvexit~it I HShlengrau
+
. . . .
Streptococcus
haemolyticus.
Staphylococcus
allrons 0 . .
Milz
/~/+
++++
++++
++++
++++
++++
+ (2 Kol.) ~-(20 Kol.
Die Mikroskopie beider A t r i o v e n t r i k u l a r k l a p p e n li~Bt in den fibrin6s
belegten K l a p p e n sowohl wie in tier H e r z m u s k u l a t u r die Streptokokken
erkennen.
Hier h a t also die Streptokokkenmischinfektion den primgren Erreger fast v611ig verdrgngt u n d n u r n o c h an einer Stelle den Nachweis
weniger Influenzabaeillen gestattet.
Eine K o m b i n a t i o n y o n auch kliniseh diagnostizierter akuter Grippeb r o n e h o p n e u m o n i e u n d Miliartuberkulose zeigte die Sektion eines
44j~hrigen Mannes (Fall 81) im J a n u a r 1921.
466
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphblogische Studien
Zwischen den zahllosen Tuberkeln der Lunge fandcn sieh, auch mikroskopiseh,
bronehopneumonische Herde; Trachea und Bronchien waren rot, geschwollen und
schleimbedeck~; dle Bronehialdrtisen welch und geschwoUen.
W~hrend beide Unterlappen der Lunge bei m a x i m a l e m Tuberkelbacillenbefund kulturell steril blieben, wurden in der Bronehialdriise
sp~rlieh und im Trachealschleim massenhaft In/luenzabaeillen neben
Pneumokokken kulturell naehgewiesen. Die Milzaussaat war steril.
Nur au~erordentlich sp~rlich sind die F~lle yon Encephalitis lethargica, die bakteriologiseh yon uns studiert werden konnten. Diese
Studien waren nieht atiologiseh orientiert; jede Stellungnahme zum
spezifischen Virus der Affektion bleibe hier ausgesehaltet. Uns lag
daran, auch bakteriologisch den auff~lligen Zusammenh~ngen der
Krankheit mit der Influenza, die Klinik und Epidemiologie feststellen,
nachzugehen. Der erste yon 3 Fallen (Fall 76) bot klinisch das charakteristisehe Bild der Schlafkrankheit, die mit hohem ]~ieber ohne jede
Komplikation yon seiten der Lungen in etwa 14 Tagen zum Tode ftihrte.
Die Sektion, die leider die his$ologische Untersuchung des Gehirns vermissen
l~t~t, ergab, abgesehen yon alten Pleuraaclh~sionen, nut starkes LungenSdem, schleimig-eiterige Entziindung der Bronchialsehleimhaut, Stauungen in Leber, Milz und
l~iere, R6~ung der Pia mater.
Tabelle V I I I zeigt das bakteriologisehe Sektionsprotok011.
Tabelle VIII.
Fall 76. Encephalitis lethargica.
18. XII. 1920
I,-Bt
.
.
.
.
.
Trachea
--
Streptococcus anhaemolyticus . + + +
Pneumokokkus .
++
Banale . . . .
++
Lungen
+++
BronchialdrUse
~Iilz
Gehirn
subaraehnoidcal
+
+
+
+++
+
++
Staphylococc. alb. +
, citreus+ +
Hier wurden also In]luenzabacillen in Lunge, Bronchialdrflse und
weicher Hirnhau~ nachgewiesen, an letzter Stelle, abgesehen vo.n saprophytischen Staphylokokken, rein, wenn auch sp~rlich.
/qicht so einwandfrei war die ldinische Diagnose der Encephalitis
in einem zweRen Sektionsfalle aus dem J a n u a r 1921, der auger starker
Hyper~mie des Gehirns eine Phthisis p u l m o n u m mit Tuberkeln, Knoten
und Kavernen zeigte. Wahrend aus der ~Milz nur hhmolytische Streptokokken geztichtet warden, wies die Lunge diese SSreptokokken und
In/luenzabacillen in grSl~ter Mange auf. Von den untersuchten Teflen
des Gehirns war die 0berfl~ehe subarachnoideal und die graue Substanz
a m Boden des 4. Ventrikels steril. Dagegen wuchsen aus dem Liquor
an Influenzabacillen und das ';ttiologische Grippeproblem.
467
~des 3. Ventrikels Streptokokken und aus dem Seitenventrikel wenige
Streptokokken neben einer einzigen Kolonie yon In]luenzabacillen.
Und schliel~lich wurde uns im April 1921 ein junger Mann zugeffihrt,
der veto 6. I. bis 20. II., zeitweise schwer somnolent, wegen Encephalitis im Krankenhause gelegen hatte. Sei~ seiner Entlassung lift
er an Husten mit Auswurf, und in der Tat lie~en sieh sowohl aus dem
Raehen wie mit der Hustenplatte, und besonders reichlieh aus dem
eitrigen Sputum, neben wenigen Pneumokokken und grtin wachsenden
S(~reptokokken die In]luenzabacillen naehweisen. Der langen Dauer
der Infektion entsprach hier ein stark positiver Influenzawidal; bemerkenswerterweise jedoch wurde der Eigenstamm des Patienten veto
Serum nicht beeinfluBt, wie auch die Priifung mit unserem agglutinierenden Immunserum vom Kaninehen die Inagglutinabiliti~t dieses
Stammes ergab.
Uber die Verwendung des Influenzawidals in unserem Laboratorium
zur Sicherung der Diagnose in einem der so iiberaus seltenen ~ l l e
yon Influenza-Myositis hat Vormann 1) jiingst beriehtet.
Dagegen war der Widal nur sehwach positiv in einem interessanten
Fall aus dem Dezembe r 1921, einer doppelseitigen schweren und langdauerndefl Lungentuberkulose eines Kindes, yon dem uns ein etwas
btutig verfi~rbter Empyemeiter zur Untersuchung eingesandt wurde.
In diesem Eiter fanden sieh in Reinkultur die echter~ P/ei[/ersehen
Sti~bchen, w~hrend das Sputum selbst ein paar Tage spi~ter nur Tuberkelbacillen enthielt. Im Verlaufe der Krankheit, in der hoehfieberhafte
Perioden mit v611ig fieberfreien Tagen abwechselten, wurde uns das
eitrige P u n k t a t noeh zweimal geschiekt, und immer liel~en sich in
Reinkultur grol~e Mengen yon Influenzabaeillen ziiehten. Wiihrend
diese abet das erstemal den echten T y p gezeigt hatten, trugen sio
mit ~ormvergrSberung und Scheini~den bei den sp~teren Zfiehtungen
die Merkmale des Typus II, der Pseudoform, die uns oben sehon einreal als Mutante des Grundtypus begegnet war.
Es kann nieht iiberrasehen, dal~ unsere Ansehauungen fiber die
Bedeutung der P/ei/[erbacillen aueh durch die Grippeepidemie des
letzten Friihjahrs 1922 ihre voile Besti~tigung fanden. I n 13 klinisehen
~ l l e n mil~lang der Nachweis des Mikroben nut ein einziges Mal, einem
14 Tage dauernden, abet leiehten Infekt ohne Organbefund. Dagegea
wax der Influenzawidal hier noch in ciner Konzentration yon 1 : 100 positiv.
I n einem zweiten Fall, einer l~ngere Zeit dauernden doppelseitigen
Lungentuberkulose mit linksseitigem ktinstlichen Pneumothorax, fiihr~e
zwar die Untersuchung am zwSlften Tage eines Influenzaanfalles nicht
zum Naehweis der charakteristischen Grippest~bchen, doch wurde aus
1) Vormann(Angermiinde), t3ber einen an mir selbst beobachteten serologisch
festgestellten Fall yon Influenza-Myositis. Miinch. med. Wochenschr. 1922, Nr. 5.
Zeitschr, f, Hygiene.
Bd. f.!6.
31
468
W, Levinthal uud H. Fernbach: Morphelogische Studien
dem hinteren Nasenraehenraum ein Bacillus in groBer Menge geziiehtet,
den wir als Typ I V unten ausfiikrlich zu besehreiben haben werden.
Der Influenzawidal war auch hier kraftig positiv.
Die anderen 11 Falle, davon 4 unkomplizierte Anfalle, 5 Grippea
mit Pneumonien und 2 Influenzen bei bestehender Tuberkulose, w a r e a
8dtmtlich positiv, also insgesamt zu 84,6~/o.
Dieser bakteriologische Befund steht i n striktem Gegensatz zt~
den Untersuehungsergebnissen, die Curschmannl)-Rostoek jiingst ver6ffentlicht hat. Naeh dieser Mitteilung konnten weder bei den reinen,
noch bei den pneumonisch komplizierten Fallen diesmal Influenzabaeillen gefunden werden, auch Streptokokken fehlten ganz, wahrend
die P n e m n o k o k k e n das Feld beherrschten. D e m entspricht das U b e r wiegen der lobaren F o r m (25 Falle) mit guter Prognose fiber die auBerordentlich infausten Bronehopneumonien (7 Fi~lle).
Auch unter unseren 5 Lungenentziindungen waren 3 Lob~rpneumonien mit P n e u m o k o k k e n neben den Influenzabaeillen, 1 Streptokokkenpneumonie als Herd im reehten Unterlappen, wahrend der letzte
Fall, zwar anfangs als einseitige Unterlappenbronehopneumonie diagnostiziert, naeh seinem Verlauf, dem Hinzutritt eines Pneumokokkenempyems, wohl doeh in die erste Gruppe einzureihen sein diix~e; auch
hier waren die Pneumokokken neben den Influenzabacillen schorL
frfihzeitig in S p u t u m und Hustenkultur, allerdings zusammen mi~
Streptokokken, nachzuweisen.
Bemerkenswerterweise land sieh in unseren 11 influenzapositiven
Fallen 6 mal aussehlieBlieh der T y p I, 3 real der T y p I I , wahrend 2 real
neben den echten Influenzabaeillen die Pseudoform nachgewiesen wurde.
Wir sind davon fiberzeugt, dab diese Zunahme yon Pseudoformen niche
zufallig ist, sondern in I m m u n i t a t s v o r g a n g e n mit dem Altern der
Epidemie begriindet liegt. Denn dab diese Pseudovarietat keine ,,Dauermodifikation", sondern n u r eine sehr labile Variante darstellt, werder~
wir sparer beweisen kSnnen.
Bei diesen 11 positiven Fallen wurde zur Untersuchung verwandt:
n u t Sputum . . . . . . . . . . . . . . .
4 real
nur Hustenplatte . . . . . . . . . . . . .
1 real
Raehenabstrleh mud Hustenp]atte . . . . . .
1 real
Sputum, l~chenabstrich und Hustenplatte.. 5 real
Und diese letzte Gruppe lieB die Bacillen gewinnen:
aus allen drei Kulturen in 3 Fallen,
nut aus Rachen und Husten in 1 Fall,
aus dem Raehen allein in 1 Fall.
Von Sektionen konnte in dieser Zeit 3 real Material zur Verwendung
gelangen, ~ d e d e r u m ohne Ausnahme mit positivem Befunde. D a s
1) Hans Curschmann (Restock), Klinisches fiber die derzeitige Grippe. MedKlinik 1922, Nr. 16.
469
an Influenzabacfllen und das atiologische Grippeproblem.
eine Mal handelte es sich u m eine doppelseitige Grippepneumonie,
links yon croupSsem, reehts yon eitrigem Charakter, bei einem 65 J a h r e
alten l~Ianne (~'all 2]22). Die stark hyper~mische Trachealschleimhaut
bedeckte schmieriger Eiter, die Milz war septisch.
t)as bakteriologische SektionsprotokoU gibt Tabelle I X .
Tabelle IX.
Fall 2/22. Grippepneumonie, links croupSs, reehts eitrig.
[I L u n g e 1. o. I L u n g e r . u .
4. L 1922
Pneumokokken.
Pneumococcus
IB~C0SUS
.
.
Streptococcus
haemolyticus.
Banale . . . .
II/ § f
/
/
++
E i t e r aus
+++
*§
Trachea
Bronchialdrlise
+
+
++
[
I
])Illz
+
§ (2 Kon)
t
§
I
9§
+ +
-
Es daft darauf hingewiesen werden, dab auch aus den lob~rpneumonisch affizierten, also hepa~isierten Lungenbezirken groBe Mengen
yon Grippest~behen zu zfichten waren.
I n dem zweiten Fall (10/22) war zu einem pl6tzlichen Influenzaanfall mit Bronchitis unter den Augen der Kliniker eine doppelseitige
Pneumonie getreten. Die Obduktion zeigte im linken Oberlappen
graue Hepatisation mit nekrotischen Herden, rechts oben das Bild der
Bronehopnemnonie. Daneben bestand Pericarditis exsudativa und
linksseitige Pleuritis sicca. Z u r Untersuchung k a m l~Iaterial aus einem
nekrotischen Herde des linken Oberlappens und ergab reichlich InfluenzabaciUen und Pneumokokken.
Die interessanteste Krankengeschichte h a t sehUel31ich ehl Fall aus
dem Hedwigs-Krankenhaus (930), yon dem uns ein Stfick der Hirnoberfl~che mit dickem, eitrigem Be]ag z u r Untersuchung geschiekt
Wurde
~
Der Einsender teilte mit: vor 4 Wochen Grippe, naeh 14 Tagen wieder arbeits-
f~hig. Abet sehon am n~tchstcn Tage erneute Krankmeldung wegen heftiger Brustsbiche, l~ach 14t~gigem Krankcnlager zu Hause Aufnahme im Krankenhause: Sensorlum lelch~ benommen, Temperatur subfebril. Keine Nackensteifigkeit, kein
Kernig. ~ber der ganzen rechten Lunge massenhaft pleuritische Reibegerausche.
Naeh 2 Tagen heftige Kopfsehmerzen, Nackensteifigkcit und Kernig positiv.
Liquor eerebrospinalis sehr triib, erh6htcr Druck. Exitus letalis 2 Tage darauf.
Sektionsbefund: Pleuritis sicca dextra aeuta; Bronchitis; beiderseits LungenSdem.
Eitrige .Meningitis an Gehirnbasis und Konvexitdt.
Aus den eitrigen Belagen der Hirnh~ute wuchsen sehr reichlich
die schon im direkten Ausstrichprgparat erkennbaren Pneumokokken,
daneben aber einige Kolonien von In/luenzabacitten.
"31
470
W. Leviathal und H. Fernbach: Morphologische Studien
Allen drei Sektionsf~llen gemeinsam ist also die Misehinfektion mit
Pneumokokken, die ganz offensichtlich aueh in Berlin in ~bereinstimmung mit den Rostoeker Beobaehtungen Curschman~s die Grippe:
komplikationen der. letzten Epidemie beherrsehten.
])as klinisehe und Sektionsmaterial der Epidemie yore Friihjahr
1922, zusammengezahlt unter Einrechnung des T y p I V (s. unten),
ergib~ also bei 16 Fallen 15 positive ~--93,75%.
Der In/luenzawidal wurde in dieser Zeit in 9 Fallen angesetzt; yon
diesen gehSrten 5 zu der Gruppe yon Patienten des u
hauses, bei denen auch bakteriologiseh die Diagnose yon uns gesichert
war; dazu k a m e n die beiden oben schon angeftihrten Paticnten, die
yon unseren 13 klinischen Fallen die einzigen ohne den typischen
Influenzabaeillenbefund darstellen; ferner eine foudroyant verlaufende,
in 3 Tagen zum Tode mit Pneumonie und Sepsis fiihrende, ,,galop:
pierende" Influenza (Fall 11/22), bei der in vivo nur Blur als Untersuehungsmaterial zu erhalten war. U n d schliel]lieh war .uns. ein Blur
zum Widal wegen der Differentialdiagnose Typhus oder Encephalitis
nach Grippe eingesandt worden, bei dem im Gegensatz zu der sehr
starken Influenzaagglutination die Reaktionen mit Typhus- und Paratyphusbaeillen v61lig negativ waren.
Alle diese 9 Falle ergaben m e h r odcr weniger stark positiven Influenzawidal, also zu 100%, und zwar war die Reaktion
positiv, d.i. 1 : 50 his 1 : 100, in 3 Fallen
stark positiv, d. i. 1 : 25 komplett, 1 : 100 bis 1 : 200 schwaeh, in 3 Fallen,
darunter die galoppierende Grippe (11/22), trod
sehr stark positiv, d. i. 1 : 25 bis 1 : 50 komplett, ] : 200 kr~ftig, 1 : 400
schwach, in 3 F~llen,
darunter der zuletzt aufgeftihrte differcntialdiagnostisehe Fall.
Zu diesem Material aus der letzten Epidemiewelle gehSrt nun endlich noch eine Gruppe yon E r k r a n k u n g e n bei Sauglingen und Kleinkindern, die yon Dr. Henschel-Liehterfelde beobachtet und uns generell
etwa folgendermaBen gesehildert wurde: Beginn der E r k r a n k u n g m i t
Fieber, Schnupfen, Bronchitis, akuter Laryngitis, aueh Pharyngitis.
D a n n Entziindung beider Con]unctiver~; m a n c h m a l auch sofort diese
Bindehautentzi~ndung, die eitrig ist und die Augenlider verklebt wie
bei einer Blennorrhoea neonatorum. Naeh Abklingen der akuten E n t ziindungserscheinungen tteilung. Von 9 solcher Falle wurden uns
Conjunotivalabstriche, yon einem Fall ein Rachenabstrich zttr Untersuehung eingesandt, und trotz der ungib~stigen Bedingungen durch Transport und Eintroeknung, deren bedenldiehen Einflul] auch Loewenhardt 1)
1) Felix E. B..Loewenhardt (Breslau), Bakteriologische Befunde bei Influenza.
Dtsch. me<]. Wochenschr. 1920, Nr. 29.
an Inf[uenzabacillen und das atiologische Grippeproblem.
471
an Rachenabstrichen i i b e r z e u g e n d dargetan hat, konnten noch
aus 4 der Bindehautabstriehe, darunter 2 m a l rein, Influenzabacillen
geziichtet werden. Ebenfalls sehr stark positiv war der Raehenabstrich
des zehnten Falles (Fall 42); hier wiesen die Mikroben den T y p der
cxtremen Pseudoform (s. nnten) auf.
Zum Unterschied yon den Influenzabacilten, wle sie als echte oder
als l%eudoform in den Grippefitllen bei Erwachsenen isoliert wurden,
und die alle, wenn auch in sehr verschiedenem Grade, durch Immunserum agglutiniert wurden, fanden sieh unter den Conjunctivalst~mmen
zwei vSllig inagglutinable. Die interessanten serologischen Beziehungen
des extremen Pseudostammes 42 aus dem I~achenabstrich werden
uns sp~ter noch zu beseh~ftigen haben.
AuBerdem fanden sich in den Conjunctivalkulturen 2 real Pseudodiphtheriebacillen rein, einmal avirulente Diphtheriebacillen neben den Grippest~bchen,
einmal Pneumokokken, einmal Streptokokken neben Friedl~nderbacillen, einmal
eine Reinkultur yon gelben Staphylokokken.
Endlich sei als Rarit~t und zu dem Kapitel des Influenzabacillus
als Eitererregers ein Fall chirurgiseher Grippe beriehtet (12122): Die
Krankengeschiehte enthi~lt die anamnestisehe Angabe eines kurz
dauernden Grippeanfalles Ende Dezember 1921. Anfang Mi~rz 1922
traten Schmerzen in der rechten Gesal3backe auf; erst am 17. III.
Uberweisung ins Krankenhaus, wo ein AbsceB diagnostiziert wird.
Es scheint sigh also um eine abscediereude i~Iuskelentztindung gehandelt
zu haben. Bei Incision am 18. III. entleerte sich reichlich Eiter, und aus
diesem wuchs eine Reinkultur echter, auch durch starke Agglutination
mit Immunserum identifizierter Influenzabaeillen.
Wie also unsere bakteriologische Ausbeute im Verlauf und im
Anschlusse an die letzte Friihjahrsepidemie eindeutiges Material im
Simle der _P]ei]]ersehen Lehre sowohl aus wissensehaftlich gesichteten
und studierten wie auch aus rein diagnostischen Fgllen darsteUt, so
lieB sich die ungeheure Zunahme von Influenzabacillen in dieser Zeit
auch in Sputumausstriehen erkennen, die wegen Tuberkulose oder
Tuberkuloseverdachts zum mikroskopisehen Naehweise yon Tuberkelbaeillen eingesandt waren. Aueh unerfahreneren Hilfskrgften fiel in
unserem Untersuchungsamt die I-Iiiufung yon dicht mit Grippest~bchen
besaten Pr~paraten auf, Bilder, die mit einem Sehlage naeh dem Abklingen der Epidemie wieder versehwunden waren.
Als Schlufistein auf dem ganzen Geb~ude, das aus einem reichen,
vier Epidemiejahren entstammenden Material aufgefflhrt werden konnte,
sei ein letzter Grippefall aus unserer eigenen Umgebung mit seinem
schlagenden Untersuchungsergebnis hierher gestellt. Der 80ji~hrige
Professor Z. erkrankte am 28. IV. ganz pliitzlich aus vollem Wohlbefinden und seiner bewunderungswfirdigen Riistigkeit heraus mit
472
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
gro2er Abgesehlagenheit und Frostgefiihl an heftigem ttusten und
N a s e n k a t a r r h . :Die Temperatur war nnd blieb subfebril, nur gelegentlich 38 ~ erreiehend. Die gesamten Krankheitserscheinungen blieben
uuf Hase, Rachen, Kchlkopf und Trachea beschr~nkt. Die H a s e n nebenhShlen waren offenbar frei. Auswuff sehr gering, dagegen wurde
ein paarmal am Tage aus der Hase ein fast rein eitriges, dem Rhinop h a r y n x entstammendes Sekret entleer~, das am fiinften Krankheitsrage zur bakteriologisehen Untersuehung gelangte. Schon das direkte
Ausstrichprhparat wimmelte yon den feinen, ganz gleichmi~Bigen
Grippest~bchen, die in Haufen und Zfigen zwischen den Eiterzellen,
nicht selten auch intracellul~r, gelagert erschienen. Die K u l t u r ergab
In/luenzabaciUen in diehtem Rasen und absolut rein1).
Wir glauben iiberzeugend dargetan zu haben, wie uns yon allem
Anfang der Pandemie an bis zum letzten Seuehensehub der vergangenen
~ o n a t e in versehiedenen Untersuchungsgebieten der regelmi~i3ige Hachweis der P]ei/]ersehen Influenzabacillen gegliickt ist, und sehen in
diesem Ergebnis die ~ruchr langji~hriger spezieller Schulung und zweekmi~Biger Teehnik bei Verwendung optimaler HahrbSden. Es sei daher
erlaubt, yon diesen N~hrbSden und der Zfichtungsmethode noeh einmal
die Grundzfige hervorzuheben.
H. Influenzan~ihrb~den und Untersuehungstechnik.
Wenn es aueh gar keinem Zweifel unterliegt, dab zur Ziiehtung
yon Influenzabaeillen die gewShnliche Blutmisehplatte in der H a n d
des Effahrenen ausreiehende Dienste zu leisten vermag, so besteht
heute kein Streit mehr fiber die Uberlegenheit moderner Speziahl~hrb6den~ auf denen die Grippesti~bchen in groBen Kolonien und iippigem
Rasen, statg tier klassischen TautrSpfchenform, gedeihen. Wenn wir
gleichwohl eine Besprechung der Mischblutplatte hier an den Anfang
stellen, so deshalb, weft fiir die Di][erenzierung der verschiedenen
Irffluenzabacillenty-pen, vor allem des vierten hi~molysierenden (s. unten),
ihre Verwendung unentbehrlich ist. So wird yon uns jeder auf den
optimalen Spezialplatten isolierte Stamm in Reinkultur auf seine mikroskopischen und Waehstumsmerkmale auch auf dcr 5proz. :Blutmisehplatte gepriift.
Die Verwendbarkeit dieses Blutagars ist an eine Reihe yon Vorbedingungen gekniipft ; nicht jede Blutart eignet sich fiir unsere Zwecke ;
~Senschen- und Kaninchenblut erweiscn bei jeder ~aehpriifung immer
wieder ihre Uberlegenheit; weir zurtiek steht Pferdeblut; Ziegenblut
1) Nachtraff bel der Korrektur: Eino Untersuchung des eitrigen Nasensekretes
nach dor Genesung am 20. VI. zeigte iibereinstimmend im mikroskopischen Ausstrich wio kulturell m~il3ig viel Micrococeus cagarrhalis, fast s~imflich phagocytiert, und wenige Pseudodiphtheriebaefllen, dagegen keine Influenzabacillen mehr.
an Influenzabacilleu und das atiologisehe Grippeproblem.
4:73
is~ vollends ungeeignet. Wie Olsen 1) es neuerdings wieder betont hat,
ist nicht nur die Konzentration des Agars, die 2% nicht iiberschreiten
soll, sondern aueh sorgfMtigste Einstellung des Alkaleseenzgrades yon
grSBter Bedeutung. Leichte Bl~uung yon Lackmuspapier (Merck)
wird verlangt; modern ausgedriickt, die Wasserstoffionenkonzentra~ion
sou 2H 7,3--7,5 betragen. Blutplatten, die mit frisehem Blur hergestellt werden, miissen vor Yerwendung ein bis mehrere Tage lagern,
gleiehsam reifen, d a die frischen Platten kein Wachstum der h~moglobinophflen Bakterien gestatten. Der Grund dafor ist der, dab der
Blutfarbstoff noch nicht in geniigender ~Ienge in den Agar diffundiert
ist; er steckt, den Bakterien unerreichbar, in den intakten BlutkSrperr
eingeschlossen. "Diese Wartezeit wird daher iiberfltissig, wenn
das Btut defibriniert, also mit Glasperlen kr~ftig geschfittelt, dem
Agar zugesetzt wird. Noeh besseres, wahrhafb iippiges Wachstum, selbst
bei Verwendung yon Pferdeblut, wird erreicht, wenn man das Blur
vor seiner Mischung mit dem Agar in destilliertem Wasser - - e t w a z u
gleichen Mengen -- hamolysiert, wie wir jtingst feststellen k0nnten.
Freilich ist dieser ausgezeichnete Influenzan~hrboden -- hgmolysierter
Btutagar -- nicht mehr zur Differenzierung der vier Typen z u verwenden. So lautet also die Vorschrift fOr den gewShnlichen Blutmlschag~?" :
Griindlich defibriniertes Kaninchenblut wird verfliissigtem, auf
ca. 50 ~ abgekfihltem 2proz. N~hragar yon 2H 7,3--7,5 in einer ~r
yon 5% zugesetzt, gleichm~l~ig vermischt und ausgegossen.
Von den im Verlaufe der modernen Influenzaforschung angegebenen
Spezialn~hrbSden haben sich im wesentlichen nur drei durchgesetzt
und Btirgerrecht in bakteriologischen Laboratorien erworben: der
Kochblutagar yon Levin~hal, der Oleathgmoglobinagar yon Avery und
.der ,,Schokotadenblutagar" der Amerikaner.
Wie Olsen (1. e.) hervorhebt, ist im Gegensa~z zu den Verh~Ibnissen
~uf der gew6hnlichen Blutplatte die Toleranz der Influenzabaeillen
gegen Alkalescenzschwankungen auf Kochblutagar~) eine viel gr6flere;
wir konnten neuerdings feststellen, daI~ ers~ bei / ~ 7,9 un4 dariiber
~geringe Beeintr~chtigung des maximalen Wachs~ums bemerkbar wird,
andererseits schon bei :p~ 7,0--7,1 iippiges C-edeihen zu erzielen ist.
Doeh empfieM~ sich aueh hier die Einstellung des Ausgangsagars auf
~H 7,3--7,5. So sei noeh einmal die mehrfach publizierte Vorsehrift
na~h unserer eigenen jahrelang erprobten NIethode wiederholt:
1) Otto Olsen (Freiburg i. Br.), Untersuehungen fiber den Pfeiffersehen Influenzabaeillus wahrend der Grippep~ndemie 1918--1920. Zentralbl: f. Bakteriol.,
:Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I. Orig., 84, 497 u. 85, 12. 1920.
2) W. Levinthal (Gent, Belgien), a) Diese Zeitschr. vgl. Ful~note S. 459 und
b) Neue bakteriologisehe und serologische Untersuchungsmethoden bei Influenza:
Berl. klin. Wochenschr. 1918, Nr. 30.
474
~N. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
2proz. l~hragar, TH 7,3--7,5, verflfisslg~ und auf etwa 60~ abgekfihlt, wird im Kolben langsam und unter Schtitteln zu etwa 50/o
mit Blur versetzt und gut gemisch~. Man verwendet frisches oder
defibriniertes Blur yore Mensehen oder jeder beliebigen Tierart, am
bequemsten defibriniertes Pferdeblut, nattirlich steril en~nommen. Das
Gemisch wird im Dampftopf gekocht ; diese Prozedur darf unter keinen
Umst~,nden die Dauer yon 5 Minuten bei ca. I 1, yon 8--10 Minuten
bei 21 fiberschreiten, da ,,iiberkochter" Agar (Pringsheim) unbrauchbar wird. I)as so erhitzte Blutagargemisch enthMt Serum und
~I~moglobin in groben schokoladebraunen Gerinnseln zusammengeballt
und wird nun durch Wattefilter a~ff Glastrichtern, die vorher im Hei6luftsehrank sorgf~ltig sterilisiert worden, unter aseptischen Kautelen
hn 60~
filtrier~. Der vSllig klare und farblose Agar wird ohne
weiteres in hochgefiillte Reagensgli~ser verteilt und bei Zimmertemperatur aufbewahr~. Erst bei Bedarf stellt man die RShrchen zur Yerfliissigung h5chstens 2 ~inuten lang in ein bereits vorher kochendes
Wasserbad und giel~t sofort noch heiB zu Sehr~grShrehen oder in Petri~
schalen aus.
Die :~berlegenheit dieses N~hrbodens beruht nicht allein darauf,
,,dab aus der Menge der verschiedensten Bakterienarten die fippigen
Influenzakolonien leicht herausgefunden werden k6nnen, sondern vor
ahem in den quantitativen Verh~ltnissen; da die Influenzabacillen
etwa die gleiche KoloniegrSBe wie Staphylokokken (oder Colibaeillen)
erreichen, Streptokokken und Pneumokokken jedoch dasselbe beseheidene Waehstum wie auf Blutplatten aufweisen, so wiirde aus
einem Bakteriengemiseh, das die Grippesti~behen nut in geringer ]~Ienge
enth~lt, die Wachstumschance auch dieser sp~rliehen Keime eine
ungleieh hShere sein als auf den alten N~hrb6den, auf denen sic yon
der Begleitflora verdrgngr wiirden" [JLevinthal, Referat]. Die Influenzabacillen wachsen auf dem Koehblutagar in gro~en farblosen,
transparenten, stark erhabenen Kolonien, die nur mit hhnlich, abet
etwas opaker erseheinenden Meningokokken verweehselt werden
kfnnenl). Bei einiger Ubung wird der Untersueher auch die ldeinen,
triiben, runden und konvexen Kolonien der Strcptokokken und die
flachen oder gedellt wachsenden Pneumokokken mit Sieherhei~ schon
makroskopisch diagnostizieren.
i~ach ganz dem gleichen Rezept wird eine I~ochblutbouillon bereitet,
fiir die nach der ~iltration eine Sterilisation durch einmaliges ganz
kurzes Aufkochen fiber der ~lamme oder im Wasserbad (1--2 Minuten)
1) ~ber das Wachstum yon Gonokokken, Diphtheriebacillen usw. vgl.:
B. Galli-Valer~o et .M. Bornand (Lausanne),L'agar de Levinthal commemilieu de
culture de diff4rentes bact6ries e~ surtou~ du hiicrococcus Gonorrhoeae. "Sehweiz..
reed. Woehenschr. 1920, Nr. 52.
an Influenzabacillen und das /itiologische Grippeproblem.
475
unerl/~l]lich ist. In ihr wachsen Influenzabacillen als fippiger Bodensatz und lassen die iiberstehende Fliissigkeit vollkommen klar. Nur
bei sehr hochgefiillten R6hrchcn kann anfangs ein zartes Kahmh~utchen,
das sparer ebenfalls zu Boden sinkt, wachsen, ein Ausdruck fiir das
hohe Sauerstoffbedtirfnis der Mikroben.
Wahrend die Uberlegenheit des Kochblutagars nur auf den geschflderten quantitativen Verh~ltnissen beruht, stellt der in Deutschland leider noch viel zu unbekannt gebliebene Avery-Agar 1) einen ausgesproehen elektiv wirkenden Iqahrboden dar. Die Verwendung von
oleinsaurem Na~rium unterdrtickt gewisse grampositive Kokken, vor
allem Streptokokken und Pneumokokken, vollst~ndig, wahrend Katarr h a l i s , Staphylokokken und Diphtheroide, besonders iippig aber die
Baeillen der Influenzagruppe gedeihen; ]Keningokokken wieder bleiben
gehemmt. Die Originalvorschrif~ fiir die Herstellung lautet : Ben6tigt
wird :
1. 2proz. N~hragar yon 10H 7,3--7,5.
2. 2proz. L6sung yon neutralem Natrium oleinieum (z. B. Kahlbaum) in destilliertem Wasser, autoklaviert als Standardl6sung. l~ach
unseren Erfahrungen ist die L6sung nur beschrankte Zeit haltbar, wird
daher am besten frisch bereitet und noch heft] dem gleiehfalls heil]en
Agar zugesetzt. :Nur dann bleibt das Gemiseh v611ig ungetriibt. Der
Zusatz betr~gt 5,0 ecru auf je 100,0 ccm Agar, so dab also eine Konzentration yon 1 : 1000 resultiert.
3. Aufschwemmung yon retch Blutk6rperchen in Bouillon. Steriles
defibriniertes Menschen- oder Kaninchenblut wird zentrifugiert, das
iiberstehende Serum abpipettiert und durch Bouillon bis zum urspriinglichen Volumen ersetzt, da Serum ,,bekanntermaBen" die Wirkung
des Oleates aufhebt. Von dieser Aufschwemmung wird je 1,0 ccm auf
100,0 ecru des Oleatagars, und zwar wieder solange der Agar noch
heiB is~, und kurz vor Gebraueh gegeben, umgeschfittelt und in Plat~en
ausgegossen.
Also das Rezept hciBt:
2 proz. Nahragar . . . . . .
94,0 cem |
2proz. l~atriumoleatl6sung . . 5,0 cem i heiB gemischt.
Blutk6rperchenaufsehwemmung
1,0 ccm
Avery verlangt 48stiindige Bebrfitung der Platten.
Auch bier l~Bt sich nach demselben Rezept eine Oleath~moglobinbouillon herstellen,
Da die bemerkenswerte und frappante Elektivwirkung des AveryAgars interessant genug ersehien, hat der eine yon uns (F.) den Desinfektionseffekt des Natriumoleats auf Staphylokokken, Streptokokken,
x) O. T. Avery (New York), A selective medium for B. Influenzae. Oleatehemoglobin agar. Journ. of the Americ. reed. assoc. 71, 2050. 1918.
476
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
Pneumokokken und Influenzabacillen ohne und in GegenwaI~ yon
verschiedenen M e n g e n Serum in vitro geprtif~.
Die Versuche wurden in folgender ~Veise angestellt:
Es wurden zwei Reihen yon Reagensr6hrchen mit optimalen fltissigen l ~ h r b 6 d e n angesetzt und beiden Reihen Natriumoleat in fallenden Mengen hinzugefiigrb, s o dab das Desinfektionsmittel in den LSsungen in Konzentrationen yon 1 : 5 0 0 , 1 : 1000, 1 : 2 0 0 0 , 1 : 4 0 0 0
und 1 : 8000 e n t h a l t e n war; auBerdem kam zu jeder Reihe noch ein
Kontrollr6hrchen; der zweiten Reihe wurde aui3er dem Natriumoleat
noch Rinderserum zugesetzt in der 1Yfenge yon 10~
Nut im ersten
~Tersuch mit Staphylokokken wurden drei Reihen angesetzt, deren
erste kein Serum, die zweite einen Zusatz yon 50~/o, die dritte von
2 5 % Serum enthiel~. Alle Versuche wurden in einer Gesamtmenge
yon 2 ecru angesetzt.
Um eine m6gliehst gleiche Einsaat yon Keimen in jedes R6hrehen
zu gew~khrleisten, wurden die Kulturen nieh$ 5senweise, ~sondern als
diehte Aufsehwemmung in NaC1-LSsung in tHenge yon je einem Trolofen
zugesetzt; die Aufschwemmung wurde yon 24stiindigen auf optimalen
1~tlrbSden geziichteten Kulturen unmittelbar vor der Einsaat hergesteUt. u
der I-Iinzuftigung der Bakterien kamen die RShrchen zur
Sieherstellung der Sterilit~t auf 1/~.Stunde ins Wasserbad yon 58--60 o C.
Als Nghrfltissigkeit verwandten wir ftir den Staphylokokkenversueh
gew6hnliche Bouillon, fiir den Streptokokken- und Pneumokokkenversuch 2 - - 3 p r o z . Traubenzuckerbouillon und fiir den Versuch mit
Influenzabacillen Influenzabouillon.
Um die Desinfektionswirkung des Oleates einersei~s, die hemmende
Wirkung des Serums andererseits naehzuweisen, wurden in der iiblichen
Weise Abimpfungen auf Platten vorgenommen, u n d zwar naeh 15 Minuten, 1/2 Stunde, 1, 2, 4 und 24 Stunden.
:Bei der geringen bzw. v6llig fehlenden Wirkung auf Influenzabaeillen und Staphylokokken wurden fiir diese Bakterien noch erggnzendo
Versueho mit den Konzentrationen I : 100, 1 : 200 und 1 : 400 angesteUt bei sonst gleichen Versuehsbedingungen, sowie AbtStungsversuche in physiologiseher NaC1-L5sung mit Zusatz y o n 2 ~/o Natriumolea~.
Die Resultate der Versuche sind kurz zusammengefal3t folgende:
Staphylokokken werden in Nghrmedien selbst in Konzentrationen
yon 1 : 100 absolut nicht beeinflul~t, in ~TaC1-LSsung sterben sie bei
Zusatz yon 2~/o Natriumoleat schneller ab als ohne diesen, und zwar so,
da6 nach 1 Stunde beginnendc Verminderung der Keime gegeniiber
der Kontrolle zu beobachten ist, naeh 24 Stunden eine vSllige AbtStung
erfolgt, wghrend in der Kontrolle die Keime nut auf die Hi~lfte vermindert
sind.
aa Influenzabacillen und das ~ttiologische Grippeproblem.
477
Die Wirkung auf Pneumokokken ist am st~rksten ausgepr~gt.
I n der Verdfinnung 1 : 500 tritt eine fast augenblickliehe Verminderung
der Keime ein, nach 30 Minuten vSllig~ AbtStung, nach 1 Stunde erreicht die Konzentration 1 : 1000, nach 2 Stunden 1 " 4000 die gleiche
sterilisierende Wirkung.
tIi~molytisehe Streptokokken werden langsamer gehemmt bzw.
abgetStet, bei ihnen wird vSllige Abt6tung in der Verdiinnung 1 : 500
erst nach 1 Stunde, bei 1 : 1000 ers~ nach 2 Stunden erreieht, nach
24 Stunden jedozh wie bei Pneumokokken n o e l in tier Verdtinnung
1 : 8000.
Bei der Prtifung gegentiber Influenzabacillen wurden zwei St~mme
benutzt, ein seit vielen Monaten fortgeziichteter polyvalenter Stamm
(77) und ein frisch isolierter aus e i n e m Tbc-Sputum. Wiihrend dieser
letztere auf dem Averyagar typiseh gedieh, ging der Stamm 77 nieht
an, wie uns auch friiher schon gelegentlieh fiir einzelne Influenzasti~mme der Oleatni~hrboden versagt hatte (s. unten!). Trotzdem
zeigten beide St~mme keine oder kaum cine Beeinflussung durch des
Mittel.
Die Konzentration yon 1 : 1000 erwies sieh als v511ig, die yon 1 : 500
als fast wirkungslos, eine Verdiinnung yon 1 : 100 ergab nemh 30 Minuten
vSllige Sterilisation.
In allen diesen Versuchen hob der 10proz. Zusatz yon Rinder=,
in einigen Versuchen Menschenserum die Wirkung des oleinsauren
Natriums v611ig auf.
Bei der grol~en Differenz der yon uns gewi~hlten Serumkonzentration
und der im Avery-N~hrboden bei einem Blutzusatz von 1% tats~ehlieh vorhandenen stand noeh die :Feststellung der eben auf ~ a t r i u m oleat hemmend wirkenden Serummenge aus. Diese wurde in zwei
weiteren Versuchen gegeniiber Streptokokken und Pneumokokken ausgewertet.
Es wurde einer in allen R6hrehen gleiehen und dutch die obengesehilderten Versuche als sicher wirksam festgesteUten Konzentration
des ]qatriumoleats yon 1 : 5 0 0 Serum zu 10, 5, 1, 0,5 und 0,1% zugesetzt, dazu drei Kontrollen:
1. Die Bakterien in reiner 2 - - 3 p r o z . Traubenzuekerbouillon;
2. in Traubenzuekerbouillon mit Zusatz yon 10% Rinderserum,
um die Wirkung des Serums als wachstumfSrdernden Faktors auszuschlieBen; und
3. Traubenzuckerbouillon ohne Serum mit Zusatz yon Natriumoleat, in der Konzentration yon 1 : 500.
Wi~hrend nun Kontrolle 3 bei Streptokokken bereits nach 15 Minuten
starke Verminderung, naeh 1 Stunde vSllige AbtStung zeigte und bei
Pneumokokken bereits nach 15 Minuten vfllige Sterilisation erreieht
478
W. Levinthal und tL Fernbach" Morphologische Studien
wurd e, hemm~e die 8erumbeJgabe derar~ gering, da~ die Einwirkung
des Desinfektionsmittels noch bei 1,0% S e r u m n a e h 30 Minuten bis
1 Stunde eintrat. Nach 2 Stunde.n zeigten nur noeh 5~/o Serum hemmende
Wirkung, naeh 24 Stunden bestand diese auch bei 10% Serum nicht mehr.
Bei dem gleiehen Versuch mit Pneumokokken wax ein Serumzusatz bis 5 % yon gar keiner, yon 10% nur yon geringer hemmender
Wirkung auf das Desinfiziens.
Aus diesen Versuehen geht hervor: Natriumoleat ist fox Pneumokokken ein gutes Abt6tungsmittel in Konzentrationen yon 1 : 1000 bis
1 : 4000 ; die Verdfinnung 1 : 500 t6tet sie fast sofort. Etwas schwEcher
ist die Wirkung auf Strelglokokken, die durch die Verdiinnung 1 = 500
erst naeh 1 Stunde, durch 1 : 1000 erst naeh 2. Stunden, 1 : 2000 und
darunter erst naeh 24 Stund6n abgetStet werden. In]luenzabaeillen
dagegen bleiben durch das Mittel in einer Verdiinmmg yon 1 : 1000
vSllig, durch 1 : 500 fast v611ig unbeeinfluBt und werden erst durch
eine Konzentration yon 1 : 100 in 1/2 Stunde abget6tet. Den Staphylokokken sehadet nieht einmal diese hohe Konzentration innerhalb yon
24 Stunden. So ist in der Tat die yon Avery vorgesehriebene Konzentration yon 1 : 1000 das Optimum fOx die gewiinschte Elektivwirkung des NEhrbodens. :Dagegen mfil~te der Ersatz des Serums in
dem l proz. Blutzusatz dutch Bouillon unn6tig sein, da naeh den
Reagensglasversuehen bei Streptokokken ein Serumzusatz bis zu 1%,
bei Pneumokokken sogar bis zu 5 % die Oleatwirkung unbeeintr~chtigt
l~l]t.
Und diesem Resultat entspricht die Priifung eines mit Vollblut
hergestellten Oleath~moglobinagars vollkommen. Influenzabacillen und
Staphylokokken wachsen ungehemmt, Pneumokokken und Streptokokken werden in gleicher Weise wie auf dem naeh Averys Originalvorschrift angefertigten Agar v611ig unterdrfickt. Der Ersatz des
Serums durch Bouillon erweist sich demnach auch dutch d e n Plattenversuch mit Vollblutoleatagar als iiberfliissig.
Es blieb noch fibrig, neben den yon dem amerikanisehen Autor
vorgeschriebenen Blutarten einige andere auf ihre Verwendbarkeit
zu Oleatagax zu untersuchen. So wurde mit Kaninchenblut noeh
Ziegen- und :Pferdeblut als die in Laboratorien beliebtesten Hgmoglobinspender verglichen, and zwar wieder einmal unter Ersatz des
Serums durch Bouillon naeh der Originalvorsehrfft, und daneben als
Vollblut zugesetzt.
W~hrend auch hier wie fiir die gew6hnliehe Blutmisehplatte das
Ziegenblut sich als vSllig unbrauchbar erwies, da die h~moglobinophilen Baeillen kaum oder gar nieht angingen, tibertraf der Pferdeblutagar noeh den mit Kaninehenblut hergestellten im Wachstum der
Influenzabaeillen, besonders bei Verwendung yon Vollblut, da hier
an Influenzabacillen und das ~tiologische Grippeproblem.
479
bei v611iger Hemmung yon Pneumokokken und Streptokokken -fibrigens auch Meningokokken -- die Influenzabacillen, einsehlieBlich
des auf der Original-Avery-Platte nicht wachsenden Stammes 77, iippig
gediehen.
Danach w~re die u
Averys zu erg~nzen: Als Blutspender
eignet sich neben dem Kaninchen mindestens gleich gut das Pferd,
und zu empfehlen ist die Verwendung yon defibriniertem Vollblut -also ohne den umst~ndlichen und fiberilfissigen Ersatz des Serums
dutch Bouillon -- in der l~Ienge yon 1%.
Die Vorzfige dieses Oleath~moglobinagars bestehen in ungeheurer
Erleiehterung des Naehweises yon Influenzabaeillen, deren wiehtigste
Konkurrenten auf der Kulturplatte vSllig unterdrtiekt bleiben. Diese
Vorziige stecken aber aueh die Grenzen seiner Verwendbarkeit ab.
We die Untersuehung aussehlieBlieh attf den l~aehweis der hi~moglobinophilen Bakterien abgestellt ist, feiert der N~hrboden seine Triumphe. We aber der Untersucher mit seinen bakteriologisehen Studien
an Sputum oder Sektionsmaterial analytiseh ein Gesamtbild der tOlora
m i t ihren quantitativen Beziehungen, differenziert in Hauptbakterien
und Begleitkeime, gewinnen will, wie w i r e s uns zum Prinzip gemacht
haben, ist er fehl am Ort. Wir haben in einer grSBeren Versuehsreihe
parallel am gleiehen Material Koehblutagar und Oleath~moglobin~gar geprtift und die Gleiehwer~igkeit beider N~hrb6den festgestellt;
fast immer fiihrten beide Platten zu den gleiehen positiven oder negariven Resultaten; nur ausnahmsweise versagte eimnal die eine, einmal
die andere gegentiber dem positiven Rivalen. Doch fanden wir, wie
erwahnt, mehrmals St~mme, und besitzen auch zur Zeit in unserer
Sammlung den besonders gut agglutinierenden Widalteststamm 77,
die aueh bei grol~er Aussaat yon Reinkultur auf der Avery-Platte fast
v611ig gehemmt bleiben; solche Beobaehtungen sind ein Gegenstfick
zu Befunden yon Choleravibrionenst~mmen, die auf Dieudonn6-Agar
nieht waehsen, wie w~hrend des Krieges aueh im Institu~ gelegentlieh
festgestellt wurde. Noeh in zwei Punkten f~llt der Vergleieh der beiden
SpezialnEhrb6den zuungunsten des Oleatagars aus; w~hrend sich in
der obengesehilderten Weise yon I~oehblutagar Vorr~te ffir vide
Wochen, ja fiir Monate ohne Beeintr~chtigung der Qualit~t herstellen
lassen, kann der Oleatagar, der immer gleich fertig ausgegossen werden
muB, nur in kleinsten Mengen vorr~tig gehalten werden, um den seh~digenden EinfluB der Austroeknung zu vermeiden. Dazu stSrt veto
zweiten Tage an ein fettiger, in grauen ]~leeken auf der Oberfl~ohe
sieh bildender Belag, ofienbar yon Oleat, der bei der Aussaat yon der
0se zu einem schmierigen, oft reeht erheblichen Haufen zusammengekehrt wird. Und zweitens ist die Kultur der h~moglobinophilen
St~bchen auf dem Avery-Agar mehr oder weniger stark schleimig,
480
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
eine Verreibung zur Herstellung homogener Koehsalzaufsehwemmungen
daher unmSglieh. ])as mikroskopische Bild der eehten ][nfluenzabaefllen ist in diesen schleimigen Kolonien stets nicht unerheblich
grSber und pleomorpher als auf Koehblutagar.
Freilich werden for die Aussaatplatte bei der prim~ren Ztlehtung
aus Untersuehungsmaterial alle diese Nachteile und M~ngel hinter
der f r a p p a n t e n Elektivwirkung, die besonders dem Ungeiibteren den
Naehweis der gesuchten l~ikroben erheblieh erleiehtert, zurtieksteher~
dorfen.
Der dritte der modernen Influenzan~hrbSden ist das yon den Amerikanern zur For~ziieh~ung der Reinkultur viel verwandte ,,Chocolateblood"-Medium : Agar oder Bouillon yon p a 7,4--7,6, mit defibriniertem
Pferde- oder Kaninehenblut wie iiblich versetzt, wird im Wasserbad
kurze Zeit auf 70 ~ C erhitzt, bis Farbumsehlag in Sehokoladenbraun
erreicht ist, und ausgegossen. Auch dieser Schokoladenblutagar gibt
praehtvoll iippige Ausbeute der Kulturen, als Nachteil erscheint uns
einmal wieder die UnmSglichkeit, Vorris
zu halten, und zweitens
die Undurchsichtigkeit. Diesen Mil~stand zu bessern, haben wir das
Blur vor dem Zusatz zum Agar durch destilliertes Wasser lysiert, doeh
k a n n aueh so der I ~ h r b o d e n an Klarheit nieh~ mit filtriertem Kochblutagar konkurrieren.
Es ist begreiflich, dab das P h a n o m e n der Hamophilie die Forschung stets yon neuem anzieht. So haben aueh in den letzten J a h r e n
Untersueher das Problem von versehiedenen Seiten in Angriff genommen.
Zwar konnten, wie zu erwarten, die Angaben Tocunagasr), das ffir
hamoglobinophile Bakterien n0twendige N~hrsubstrat des Blutes
stecke nicht im eisenhaltigen H a m a t i n , sondern in der eisenfreien
Eiweigkomponente, dem Globin, yon Jacoby und $'rankenthal 2) nich~
bestatigt werden; doch fanden diese Autoren in gewissen Spaltprodukten
des Hamoglobins, in Histidin und Leucin, K6rper, die ein, wenn aueh
dorftiges, Waehstum von Influenzabacillen gestatten.
Erheblieh weiter in der Erforschung des interessanten Problems
sind amerikanisehe Untersueher unabhangig voneinander und gleiehzeitig gekommen. Sie konnten zwei Substanzen naehweisen, die beide
for sich allein Wachstum yon Influenzabacillen nieht erlauben, deren
gemeinsames Wirken jedoch tippiges Gedeihen zur l~olge hat. Davis')
i) H. Toounaga (Jamaguti, ffapan), ~ber die Biologie der Influenzabacillen.
Dtsch. recd. Wochenschr. 1920, Nr. 49.
~) ~lartin Jacoby und K~te Frankentha~ (Berlin), Die Bedeutung der tt~imoglobinaminos~uren fiir die Ziichtung der Influenzabacillen. Biochem. Zeitschr.
l~$, I00. 1921.
a) David J. Davis (Chicago), Food accessory factors in bacterial growth. IlL
Further observations on the growth of Pfciffer's bacillus (B. influenzae), ffoum, of
inf. diseas. 29, 171. 1921.
an Influenzabacillen und das atioloffische Grippeproblem.
481
land, dab kurzdauerndes Erhitzen yon Blu$ auf 60w100 ~ das dfirftigo
W a e h s t u m auf unerhitztem Blur verbesserb, hShere Temperaturen des
Autoklaven jedoeh in kiirzester Zeit die Wirksamkeit des Blutes restlos zerstSren. So zerst5rtes Blur kann aber durch vSllig hgmoglobinfreien E x t r a k t tierischer oder pflanzlicher Gewebe, Bakterien odor
deren ~iltraf~, die fiir sieh allein wirkungslos sind, vollst~ndig restauriert
werden. Autoklavieren solcher E x t r a k t e wiederum h e b t jede WachstumsmOglichkeit yon neuem auf. E r erschlie2b also aus diesen Versuchen erstens einen n u t im Blur vorkommenden, thermostabilen
KSrper - - v e r m u t l i c h H/~matin - - , und zweitens einen ebenfalls im
Blur, abet auch in anderen blutfreien tierischen und pflanzlichen
Zellen vorhandenen, thermolabileren, wasserlSslichen Kfirper yon vit~min6sen Eigensehaften. U n d in dieser selben Substanz konnte Davis 1)
weiterhin den Tr~ger jenes Ph~nomens, das in dem Auftreten yon
Riesenkolonien durch f6rdernde ,,Ammenbakterien" 0der Zellextrakte
als ,,Satellitismus" der Influenzabacillen seit langem bekannt ist, nach.
weisen.
Zu gleichen Ergebnissen wie Davis gelangten in mehreren Arbeiten
Th~ditta Und Avery~). Die bedeutungsvolle Rollo vitamin~hnlicher
Substanzen aus gewissen Bakterien - - Kapselbacillen und Proteus
hatte Thj6ttaa) schon in einer ersten Studio erkannt. Nun lieB sich
die gleiche Substanz mit den aueh yon Davis festgestellten Merkmalen
der Thermolabilit~t und WasserlSslichkeit aus He]e und anderen pflanzlichen und tierischen Geweben gewinnen. Die Autoren nennen diesen
KSrper V (yon Vitamin). Stets a b e t ist seine Wirksamkeit, such wenn
er in grol3er Menge vorhanden ist, gebunden an gleichzeltige Anwesenheir einer zweiten Substanz X , die in roten Blutzellen und krystallinischem H~moglobin hoehkonzentriert steekt, thermostabil ist und
noeh in minimalsten Mpngen (krystallinisches tt~moglobin 1 : 2 000 000)
ausreicht. Die Autoren schreiben diesem KSrper X daher katalytisehe
Wirkung zu. Sie konnten ihn sehliel31ich yon allen untersuchten Eiweiilund Lipoidsubstanzen nur noch in der Karto]]el auffinden und stellten
fest, dal3 seiner Wirksamkeit stets die Benzidinprobe parallel geht.
Diese FeststeUung bezfiglieh der Benzidinprobe und eine ~hnliche
Ans.chauung fiber die Wirkungsweise eines so nachweisbaren, aus Blu~
stammenden, ffir InfluenzabaciUen unerl~Blichen Substrates als K a t a ] y -
2) David J. Davis (Chicago), IV. ]:he ,,satellite" or symbiosis phenomenon of
Pfeiffer's bacillus (B. influenzae). Ebenda, S. 178.
3) Theodor Th]Stta and O. T. Avery (RoekeL Inst.), II. Growth accessory substances in the cultivation of hemophilio bacilli. Journ. of exp. reed. 34, 97. 1921.
Dieselben, III. Plan~ tissue, as a source of growth accessory substances, in the
cultivation of bao. influenzae. Ebenda S. 455.
~) Theod~ Th]6tta, Studies on bacterial nutrition. I. Growth of bacillus
influenzae in hemoglobin-free media. :Ebenda 33, 763. 1921.
~82
:W. Levinthal und H. Fe~ibach: Morphologlsche Studien
s~tors finder sieh schon bei Olsenl), den die amerikanisehen Forseher
zitieren.
Der Natur und Wirkungsweise des KSrpers X werden weitere
Studien gelten miissen.
Doeh liegt bereits in den gesehilderten :Feststellungen die Erkli~rung
ffir das Geheimnis des Koehblutagars; die Erhitzung des Blutes im Agar
~iihr~ einerseits zur Abspaltung aus den roten Blutzellen und offenbar
optimalen LSsung der Substanz X; fortgesetzte oder zu starke Erhitzung
andererseits zerstSrt den vitaminbsen KSrper V. Nach den Untersuchungen yon Thj6tta und Avery mfigte jedoeh solch iiberhitzter
N~hrboden durch erneute Zufuhr yon V, also etwa eines Hefenextraktes,
vollst~ndig wieder herzustellen sein.
Neben der Verwendung von Spezialn~hrb~den kann fiir den
kulturellen Naehweis der Influenzabacillen, vor allem aber ffir die
bakteriologische Analyse der gesamten, ffir den einzelnen KrankheitsprozeB eharakteristischen :Flora Auswahl und Bearbeitung des Untersuehungsmaterials yon entscheidender Bedeutung sein. H a t man bei
Sektionen Organe oder Org~nteile mit ihren anatomischen Ver~nderungen
selbst an der Hand, so wird Entziindungssekret, Eiter, Organsaft,
Schleim ohne Verunreinigung yon der Aul~enfli~ehe her stets leieht
mit der Platin6se zu entnehmen nnd direkt auszusaen sein. Wir verziehten ausnahmslos auf die Zuhilfenahme des Spatels und kommen
immer mit einer hinreichenden Zahl ganz gleichm~I3iger Striche zu
restloser Aufspaltung des Bakteriengehaltes in isolierten Kolonien.
Auswuff aber, der mit dem Schleim des Mundes oder mit Speiehel
vermengt ist, mug durch die klassische Wasehmethode Koch~ yon
allen Beimengungen befreit, gleiehsam aufgesehlossen werden. Dabei
hat es sich uns besonders bew~hrt, nach Abspfilung in Kochsalzl6sung
die Sputumfloeke noeh in einer trocknen Sehale auszubreiten und so
bis zum innersten Kern, reinem Lungensputum, vorzudringen. Erst
die sorgf~ltig ausgesuchte und so vorbehandelte eitrige Floeke, der
Kern eines Sputumballens, k o m m t in der angegebenen Weise zur
Aussaat.
Die Hustenplatte, deren Ausbeute an Kolonien im allgemeinen
hinter der Erwarmng zuriiekbleibt, mul~ daher mit einer ganzen Anzahl
krSftiger I-Iustenst6Be bei weir geSffnetem Munde in kleinstem Abstande yon den Lippen besehickt werden. Die l?achenabstriche wurden
fast ausnahmslos yon uns selbst aus dem hinteren Nascnraehenraum
der Untersuchungsperson entnommen; ehm leicht gebogene groBe
()se wird hinter den weichen Gaumen fiber u
und Hinterwand
des Rhinopharynx geffihrt und der so gefaBte Schleim direkt ausgcstriehen.
1) S. Ful3note 1 S. 473.
an Influeazabacillen und das atiologische Grippeproblem.
483
:Die 24 Stunden bebriiteten Platten werden durch Identifizierung
jeder Kolonieart restlos durchanalysiert, das numerische Verh~ltnis
der einzelnen :Bakterienarten zu einander durch 1--4 Kreuze festgelegt.
Dabei verzichten wir prinzipiell auf die Anfertigung yon Pr~paraten
tier Kolonien auf der Ausgangsplatte, sondern impfen stets erst auf
Subkulturen, hauptsachlich Blutplatten und Influenzaagar, ab und
mikroskopieren die gramgef~rbten Reinkulturen. Fiir die makro.
skopisch influenzaverd~chtigen Kolonien wird diese Abimpfung auf
Koehblut- und gew6hnlichem Agar in abweehselnden Strichen mit
dem g!eichen Material zum Nachweis der obligaten Hhmoglobinophflie
vorgenommen; die Reinkultur wird mit Immunserum agglutiniert.
Die Methodik dieser Agglutinatio~ sowohl wie des Widals ist stets
die folgende: Mit groBer 0se wird mSglichst viel Material yon 24stfindiger Pl~ttenkultur abgenommen und ,,sorgf~ltigst an der Glaswand
eines Kochsalzr6hrehens, zuerst mit geringsten Fliissigkeitsmengen,
dann unter vorsichtigstem allmahliehen Abspiilen verrieben" [LevinlhaP)], Die v611ig homogene Suspension wird zu gleiehen Teilen den
jeweiligen Serumverdiinnungen 2 : x zugesetzt, so dal~ die Verdiinnung
1 : x resultiert. Alle RShrehen kommen ffir 24 Stunden in den 37 o. Schrank;
a m n~tchsten Tage wird die Sedimentation beobaehtet und notiert, dann
~ach Aufsehiitteln mit sehwacher Lupe die Zusammenballung abge]esen.
Wenn auch im wesentlichen Sedimentation und Agglutination einan~ler entspreehen, die erstere nur etwas weiter zu gehen pflegt, seheint
uns doeh die Agglutination einwandfreier und liegt unseren Angaben
aussehlieBlich zugrunde.
IIL Eigeno Befunde yon Influenzabacillen bei Nicht-InIiuenzakranken
aus den Jahren 1919 bis 1922 in Berlin.
Fassen wir unsere oben mitgeteilten Untersuehungsergebnisse an
Influenzakranken in einem Satz zusammen, so diirfen wir sagen: ,,Wo
Influenza, da Influenzabacillen." Diese These ist die Umkehrung
des Wortes Wassermanns bus dem Jahre 1893, ,,wo In/luenzabacillen,
d a Influenza". Es ist seit langem bekannt, dab dieser Satz Wasser.
manns keino Gtiltigkeit mehr hat, nachdem bei einer ganzen Reiho
yon Krankheitsprozessen der A t e m w e g e die P/ei/]ersehen St~behen
oft genug gefunden werden konnten. So kennen wir seit Jahrzehnten
das Vorkommen des Mikroben bei Masern und Keuchhusten einerseits, bei Tuberkulose und ~hnliehem andererseits. Die alteren Befundo
bei akuten Infektionskrankheiten des Respirationstractus, besonders
im Kindesalter, fa~t folgender epidemiologischer Hinweis Levinthals
(Referat; dort Literaturnachweis) zusammen: ,,Ira Jahre 1900, also
zur Zeit einer ~andemlsche~ In/luenzaweUe, fanden Jochmann und
1) S. FuBnoto S. 459.
Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 96.
~
484
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
Krause, etwas sparer Jochmann und Moltrecht, in der Mehrzahl yon
Keuchhustenfallen ihren Bacillus pcrtussis Eppendorf, d . h . offenbar
das P[ei]]ersche St~bchen; im J a h r e 1901 stellte Sis
in fast 5 0 %
bei h[asern Influenzabacillen lest; im selben J a h r land Jehle bei Sektionen von Masern, Windpocken und Keuchhustcn in fast 100%, bei
Scharlach in ca. 45% Influenzabaci]len. I n den J a h r e n 1902 und 1903
beschricb Auerbach yon mehr als 700 Fallen auf den Tonsillen v o n
Diphtherie- und Scharlachkranken Influenzabacillen in 5,4%. Dagegen im J a h r e 1912 traf Odaira in Breslau im P/ei//ersehen Laboratorium die Influenzabacillen bei 42 Keuchhustenfallen nur noeh 4 real."
U n d ganz ahnlich h a t Scheller ffir das Auftreten yon Influenzabacillen bei TuberkulSsen und Gesunden die Abhangigkeit yon Grippeepidemien in seiner viel zitierten Statistik aus KSnigsberg aus dem
J a h r e n 1906/07 bis 1908/09 nachgewicsen.
Auch in dieser Beziehung durfte eine weitere Aufklarung yon der
neuen Pandemie erhofft werden. Wir haben an einer ganzen Reihe
yon Krankheiten und an Gesunden seit 1919 das Vorkommcn yon
Influenzabaeillen und ihre Rolle im Organismus der Infizierten studiert
und an dicsem Material unsere morphologischen Feststellungen und
Varietatsstudien m a c h e n kSnnen. Doch wird es hier unerlat31ich scin,
einige Arbeiten anderer Untersucher m i t heranzuziehen, wobei wir
uns auf die effahrensten Kenner der ~r
die m i t einwandfreien
Methoden gearbeitet haben, beschranken.
Aus dem Beginn der Pandemie besitzen wir das Zeugnis Uhlenhuth81), der j~ positive Befunde bei Influenzakranken als einer der
ersten gemeldet hat; er land die Bacillen in Rachenabstrichen bei 100
gesunden Soldaten nicht ein einziges Mal. Gleichfalls aus dem J a h r e
1918 s t a m m t die Untersuehung yon Neu/eld und Papamarku2), die
i n Tonsillenabstriehen yon 25 gesunden InstitutsangehSrigen die Stabchen in sparlicher Menge immerhin in 2 Fallen (yon denen der eine unmittelbar neben einem an typiseher Grippe E r k r a n k t e n arbeitete) fanden.
P/eif/er selbst h a t m i t Loewenhardt a) festgestellb, dal] yon 61 Gesunden nur die Rachenabstriche yon. zwei Personen Grippestabchen
aufwiesen, die beide am nachsten Tage an typischer Influenza er.
krankten. Seitdem ist P]eif/er, wie er in seiner letzten Publika~ion4}
mitteilt, mit seinen Mitarbeitern Loewenhardt, spater ]Preuss, der Verbreitung" der Influenzabacillen bei Nichtgrippekranken unablassig
nachgegangen ~nd hat seine Aufmerksamkeit besonders auf Tuberku-
1) Uldenhuth (StraBburg, ElsaB), Zur Bakteriologie der Influenz~ 1918. Med.
Klinik 1918, Nr. 32.
~) S. Fuilnote 3a) S, 456.
a) S. FuI~note S. 470.
~) R. P]ei]/er (Breslau), I)as Influenzaproblem. Weichardts Ergebn. d. I-Iyg.,
Bakteriol., Immunithtsforsch. u. exp. Therap. 5, 1. 1922.
an Influenzabacillen und das atiolo~ische Gl~ppcproblem.
485
l o s e n und andere Erkrankungen des Respirationstractus (Rachen.
abstriehe und Sputum) gerichtet. Whhrend in der Zeit der groSen
Epidemiewellen bis zum M~rz 1919 :Bacillentrager zu 26% festgestellt
wurden, sank diese Zahl in der Zeit yore April 1919 bis l~I~rz 1920
auf 7~/o. Die Untersuchung yore April 1920 bis zum M~rz 1921, jener
interepidemisehen l~eriode also, die sich an die heftige Frfihjahrseruption yon 1920 anschloB, ergab diese Befunde: erstes ttalbjahr
bei 116 Personen 7% positive, bei 108 friiher Grippekranken 15,7~/o;
zweites Halbjahr: bei 42 Personen 0 positive, bei 60 frfiher Grippekranken 5~/o. Von Scharlachfallen verffigt P]ei/]er nut fiber ein kleines
Material; bei 5 Kranken fund er niemals Influenzabaeillen. Seine
Masernfalle teilt er in zwei Gruppen; 24 Patienten eines Krankenhauses waren s a m t und sonders negativ, yon 13 Masernkranken der
UniversitStsklinik wiesen 3 die Bacillen auf.
Das gleiche vSllig negative Resultat bei 31 Scharlaehkranken aus
dem Sommer 1919, relativ grippefreier Zeit also, aber immerhin ,,ira
Streukegel der grol~en Epidemie", batten bei Verwendung yon Sputumaussaaten und Hustenplatten Seligmann und Georg Wol/]l); aueh 16 Gesunde waren bei ihnen in dieser Zeit ausnahmslos negativ, w~hrend
ihre Ergebnisse bei Tuberkulose und Tuberkuloseverdacht, bei
Diphtherie, M~sern und Keuchhusten die folgenden waren:
Tuberkulose:
yon 24 Fhllen 3 positive ~ 12,5% [
Tuberkuloseverdaeht: ,, 38 ,,
9
,,
23,7% J 19'3%
Diphtherie:
,, 21 ,,
2
,,
= 9,5%
Masern:
,, 57 ,, 22
,,
~ 38,6%
Keuehhusten
,, 44 ,, 20
,,
~ 45,5~o
W~hrend also fibereinstimmend yon diesen Untersuchern bei Gesunden aueh wahrend der Epidemie Influenzabaeillen nicht oder nur
selten gefuaden wurden, ist Stillman in New York mit seinen Mitarbeiterinnen zu ganz anderen Resultaten gelangt. Schon w~hrend der ersten
Seuchenwellen des Jahres 1918 stellte er mit Ida Pritchett2) Parallelit~t
zwischen dem u
von Influenzabaeillen im Rachen gesunden
Pflegepersonals und der Epidemiekurve lest; neben einer Ausbeute
yon 83 resp. 93% bei 49 unkomplizierten resp. 43 bronehopneumonisch
komplizierten Influenzen und 46% bei 54 Rekonvaleszenten fanden
die Autoren unter 177 Gesunden 42% Baeillentr~ger. Agnes Winchell
Und Stillman 3) konnten in Fortsetzung dieser Untersuehungen bei 150
gesunden Personen aus Laboratorium und Hospital des RockefellerInstituts in den Monaten November 1918 bis Mai 1919 Baeillentr~ger
1) E. Seligmann und Georg Wolff (Berlin), Influenzabacillen und Influenza.
Berl. l~lin. Woehensehr. 1920, Nr. 29.
~) Ida W. Pritchett and Ernest G. Stillma~ (New York), The occurrence of
bacillus influenzae in throats and salive. Journ. of exp. med. 29, 259. 1919.
3) AgneS, I. Winchell and E. G. Stillman, The occurrence of bacillus influeuzae
in the normal throat. Ebenda 3{}, 497. 1919.
32*
486
W. Levinthal und It. Fernbach: ihorphologische Studien
in wechselnder Menge, y o n 1 1 - - 4 3 % i m Mortar, nachweisen, w ~ h r e n d
P a t i e n t e n m i t a k u t e n K r a n k h e i t e n des R e s p i r a t i o n s t r a c t u s y o n :Feb r u a r bis A p r i l zu 7 0 % p o s i t i v waren. S e l b s t in einer A b t e i l u n g eines
Mi~dchcnpensionats m i t 20 I n s a s s i r m e n u n d in einem W a i s e n h a u s e ,
d i e y o n d e r E p i d e m i c v e r s c h o n t geblieben waren, t r a f e n sie 25 resp.
39~/o K e i m t r ~ g e r an. Die A u t o r e n z i t i e r e n U n t e r s u e h u n g e n a n s~mtlichen G e s u n d e n des C a m p F u n s t o n m i t einer A u s b e u t e v o n 35,1%.
N a c h F o r t f i i h r u n g dieser S t u d i e n b l i c k t Stillman 1) j e t z t a u f ein s t a t t liches M a t e r i a l y o n 1077 g e s u n d e n U n t e r s u c h u n g s p e r s o n e n m i t 3 1 %
Influenzabacillentri~gern, o h n e B e r i i c k s i c h t i g u n g des Bacillus X (siehe
u n t e n ) , zuriiek, u n d z w a r w u r d e n g e f u n d e n :
im Winter 1918/19 unter 717 Gesunden 35% Trs
....
1919/20 ,,
253
,,
17%
,,
....
1920/21 ,,
107
,,
29%
,,
Also insgesamt ,,
1077
,,
31%
,,
D i e s e r N a c h w e i s w u r d e s t e t s i m R a c h e n s c h l e i m geffihrt; N a s e n s e k r e t d a g e g e n w a r bei G e s u n d e n frei y o n d e n Bacillen. D a g e g e n
w u r d e n bei 35 L o b ~ r p n e u m o n i e n I n f l u e n z a b a c i l l e n n a c h g e w i e s e n : i m
R a c h e n zu 5 8 % , in d e r N a s e zu 2 3 % , in R a c h e n , N a s e u n d S p u t u m
z u s a m m c n in 8 5 % d e r F~lle2).
I n t e r e s s a n t e S t u d i e n b e i K i n d e r n h a b e n l e t z t h i n Pilot u n d Pearlm a n 3) a u s Chicago p u b l i z i e r t . N a c h e i n e m I-Iinweis auf Martha Wollstein u n d Spence (Amerie. J o u r n . of dis. of childr. 19, 459. 1920), d i e
bei 266 g e s u n d e n K l e i n k i n d e r n i m R a c h e n P/ei]/erst~bchen zu 1 0 %
nachwicsen, teilen sic ihre B e f u n d e i m R h i n o p h a r y n x y o n 25 K i n d e r n
m i t 4 0 % p o s i t i v e r A u s b e u t e u n d a n j e 115 e x s t h ' p i e r t e n R a e h e n m a n d e l n
und Tonsillen mit:
Adenoide 40,9%,
Tonsillen 53,9%.
A u c h wir sind seit A n f a n g 1919 d e r V e r b r e i t u n g d e r I n f l u e n z a bacillen b e i E r k r a n k u n g e n d e r A t e m o r g a n e a n d bei G e s u n d e n n a e h gegangen. U n d z w a r v e r t e i l e n sich u n s e r e U n t e r s u e h u n g e n d e r ver1) Ernest G. Stiltman, The frequency of bacillus influenzae in the nose and
throat in acute lobar pneumonia. Ebenda 35, 7. 1922.
~) Nachtrag bei der Korrektur: Ganz /ihnl.iche Werte teilt soeben Scott-London (Reports on publ. health a. reed. subj. Nr. 113, 76, 1922) mit, der dureh
Raehenabstriehe unter 186 Gesunden aus dem November 1918, 19 und 20 etwa
40% und dutch Nasenabstriehe unter 120 gesunden Schulkindera im Januar
1922 etwa 36% Tr~ger feststel|te, wiihrend er 1920--21 im Sputum der Lunge
bei Lop~rpneumonie die BacilIen zu 60~o, bei einfaeher Bronehopneumonie und
Bronchitis zu 88~o, bei Influenza und Influenzapneumonie w~hrend der Januarepidemie yon 1922 dagegen nut zu 65%, wie er selbst betont, aus technischen
Griinden in zu geringer Ausbeute, naehwies.
3) I. Pilot and S. J. Pearlman (Chicago), Bacteriologic studies of the upper
respiratory passages. III. The influenza bacilli (Pfeiffer) of the adenoids and tonsils. Journ. of inf. diseas. 29, 55. 1921.
an Influenzabacillen und das ittiologische Grippeproblem.
487
schiedenen Infektionskrankheiten folgendermaBen auf die einzelnen
Perioden, wobei wieder unser Material grSl3tenteils der Infektionsabteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses (U. Friedemann), ein
kleiner Tell d e r NIasernf~lle und die 10 Kontrolluntersuchungen an
Conjunetiven bei Kindern dem Kaiser und Kaiserin Friedrich-Kinderkrankenhaus (Finkelstein) entstammen; yon Gesunden wurden dagegen fast ausschlieBlieh AngehSrige unseres Instituts oder daselbst
ti~tige Kursisten herangezogen:
Masern: 1919 im ganzen 17 Fi~lle, darunter 3 Sektionen; 1920 nur
6 klinisehe F~lle und 1921 bis Ende Mai 6 Sektionen und 1,klinischer Fall.
Keuchhusten: 1919 im ganzen 12 Fitlle, darunter 2 Sektionen; 1920 nur
7 klinische Fi~lle und 1921 his Mitre Mi~rz 7 Sektionen und 1 klinischer Fall.
Hcharlach: 1919 nur 2 F~tlle ; dann erst Ende Mai bis Mitre Dezember
1921 18 klinische Fi~lle.
Diphtherie und diphtherieverdachtige Anginen: 1921 im M~rz 1 Sektion; dann Juni bis Oktober 20 klinisehe F~ille.
Tuberkulose: 1919 im Mai 13 Fi~lle einer Tuberkulosestation und
1922 yon derselben Station 12 F~lle.
Gesunde: 1921 Mai bis Juli 28 F~lle; im November Nachuntersuchung yon 5 Personen der ersten Gruppe und im April 1922 wieder
6 Nachuntersuchungen.
Masern.
Die schon an anderer Stelle [Levinthall), Referat] teilweise mitgeteilten Untersuchungen an Masernkranken wurden, soweit es sich
um rein klinisches ~IateriM handelte, dureh Hustenplatten, Ausstriche
yon den entzfindeten Bindeh~uten und v o m Rachen, seltener an Sputumaussaaten, angestellt.
Die Beobachtungen des Jahres 1919 an klinisehem Material verteilen sieh fiber das ganze J a h r derart, d~B ein Tell der F~lle zu Beginn,
ein zweiter etwa um die Mitte, der dritte in den letzten Monaten untersucht wurde. Dabei zeigt sieh, yore Beginn des Jahres his zum ]~nde"
hin, ein stetiges Absinken der positiven Influenzabaeillenbefunde. Von
den 3 Sektionen im Dezember des Jahres, pneumonischen Komplikationen, zeigten 2 die Baeillen in den Lungen, 1 war negativ. Insgesamt waren yon den 17 F~llen 8 positiv -----47,1%, yon den 14 klinischen also positiv 6 - ~ 42,9%.
Der positive Naehweis der Influenzabacillen wurde geftihrt:
yon 13 Hustenplatten 6real,
yon 14 Conjunctivalausstrichen 5 real,
yon 9 Raehenausstriehen 3real.
Die 6 klinischen F~lle des Jahres 1920 drfieken m i t 2 positiven Befunden den Prozentsatz auf 33,3 herab, und zwar war yon 4 Fallen
im Juli nur 1 posi'tiv (Sputum), yon 2 F~llen im I)ezember zeigte n u t
1) S. 1%Bnote 1 S. 457.
488
W. Levinthal und It. Fernbach: Morphologische Studien
der eine ausschlieBlich auf einer Conjunctive reichliche Influenzabacillen.
Wi~hrend in diesem J a h r e 1920 Sektionsmaterial nicht zur Ver
fiigung stand, brachte uns April und Mai 1921. neben 1 klinischen
Fall, der positiv war, 6 0 b d u k t i o n e n zur Untersuchung. II1 allen diesen
Fallen handelte es sich u m Bronchopneumonien, und des bakteriologische Ergebnis, des fiir die ~P]el]]erst~bchen nur bei einer Sektion
neg~tiv w~r, zeig~ in dem Influenz~bacillus den gef~hrlichst~n Infizien~en
bei Maselul. Wir werden bei Keuehhus~en ganz entspreehende Verhaltnisse antreffen und miissen uns vorstellen, dab die Masern- und
Keuehhus~eninlektion in den Organen des Respira~ionstraetus einen
bedenkliehen Locus minoris resistentiae fiir den zu Zeiten epid, emiseher
Influenza weites~ verbreiteten Grippebacillus setzt.
Die bakteriologisehe Analyse der 6 Masernsek~ionen gesta~tet ferner
Feststellungen, die ihr Gegenstfiek bei der Influenza selbst finden. Die
lJntersuchung wurde nicht auf die erkrankten Lungen und Atemwege beschrankt, sondern umfal~te aueh neben der Bronchialdriise die Milz und das
K n o c h e n m a r k der oft rhachitischen Rippen, einige Male auch des Femur.
Wie in dem I.-B.-negativen Falle m i t Ausnahme des sterilen I~ippenmarks aus ~llen Organen h~molytisehe Streptokokken in mehr oder
weniger groBen Mengen zu zfichten waren, erwies dieser K e i m auch
in der Mehrzahl der I.-B.-positiven F~lle seine beherrschende Rolle
ffir den t6dliehen Verlauf. I n 3 yon 5 F~]len wuehs er, in Milz und
K n o c h e n m a r k mehrmals rein, in ungeheuren ~iengen aus allen Organen,
w~hrend die Pneumokokken nur einmal zu einer Sepsis mit Infektion
des Rippenmarkes gefiihrt hatten. Dieser letzte Fall (K. 24) war
2 l~Ionate vor der ~r
als Keuchhustenpatient zur bakteriologischen Untersuchung gekommen, und schon darnels waren die
Ini]uenzabacillen fast rein aus S p u t u m gewachsen. Dagegen zeigte
eine gleiche Doppeluntersuchung eines anderen ]~[asernsektionsfalles
(K. 21) m i t Reinkultur massenhafter hamoly~ischer Streptokokken in
MiIz u n d K n o e h e n m a r k und Influenzabacillen neben den Streptokokken in Lungen und Trachea einen bemerkenswerten Gegensatz zu
der Untersuchung w~hrend des Keuehhustens 3 1VIonate vorher. Dereals waren im Sputum neben zahlreiehen Bordetbaeillen nur ein p e a r
Influenzabaeillen, aber veto T y p I I , der Pseudoform, gewachsen. Oftenbar haben diese sich w~hrend der Maserninfektion in den virulenten
echten T y p reaktiviert.
Der I.-B.-Befund bei den 5 positiven Sektionen w a r :
in den Lungen positiv 5real, negativ --real,
in Trachea oder Bronchien positiv 3real, negativ 2real,
in Bronchialdriisen positiv --mal, negativ 5mal,
in Milz positiv 1 real, negativ 4 real,
in Rippenmark positiv --maI, negativ 5 real.
an Influenzabacillen und das ittiologische Grippeproblem.
489
Das gesamte Ergebnis unseres Masernmaterials gibt Tabelle X.
Tabelle X .
Influenzabacillenbefunde bei Masern 1919" bis Mai 1921 in Berlin.
Klinisch
~ahr
1921
1919--1921
Zahl I
1
It 21
I.-~. +
].
I
I 9 = 42,9% I
Sekti~
.
Zahi I
.
.
6
9
.
.
.
.
.
I
I-B +
"_
-
.
.
.
.
Zusammen
I Z~hl I
.
5
I
7 = 77,8% I
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
I-B +
" _ ~ ~
_ _
.....
7
I 6 = 85,7%
30
116 = 63,30/o
Als Kontrolluntersuehung wurden im Juli 1919 die Conjunctiven
yon 10 Kindern auf ihren Keimgehalt gepriift, und zwar bei 6 akuten
Erkxankungen wie Angina, Pneumonie und 0titis media und 4 chronisehen Prozessen wie Aseites, Nephritis und Lungentuberkulose. N u t
bei einem S~ugling mit Cystitis, abgeheilter Augendiphtherie und
0titis media fanden sieh auf beiden Bindehauten neben Pseudodiphtheriebacillen sp~trliehe Mengen yon Influenzabacillen.
Sons~ wurden aus den Bindehguten geziiehtet: Pneumokokken
Katarrhahs 1 real; frei yon Krankhei~serregern waren 3 F~lle.
5real,
Keuchhusten.
Hier wurde die Untersuehung der klinischen Fi~lie auf Sputum und
Hustenplatte beschrgnkt.
Im gahre 1919 kamen 12 Fi~lle zur Untersuehung, darunter 3 Sektionen, yon denen die eine nur auf dem Obduktionstisch, die beiden
anderen naeh vorheriger klinischer Untersuchung studiert werden
konnten. Von diesen wieder war ein Fall mit Masern akut kompliziert
und zeigte eine Lob~rpneumonie mit reichlichen Pneumokokkenmengen
ohne Influenzabacillen und mit gleichfalls negativem Bordetbefund.
Der andere klinisch und bei der Sektion studierte Fall wies neben
grof~en h{engen yon Bordetbaeillen, die schon im Sputum gefunden
worden waren, in Lungen- und im Bronehialeiter nebeneinander, wie
gleichfalls bereits im Auswurf, echte und Pseudoinfiuenzabacillen auf.
Der nur obduziert studierte Fall endlieh, eine lob~rpneumonisehe
Komplikation, war fiir Influenzabacillen negativ, w~hrend bei steriler
Milz aus Trachea und Lunge neben Pneumokokken die .Bordetsehen
Keuchhustenbacillen Stellenweise in Reinkultur gezfiehtet wurden.
Von den 9 klinischen Fgllen waren 3 influenzapositiv, zwei mit
dem echten Typ fibereinstimmend in Sputum und auf der tIustenplatte, der dritte nur im Sputum m i t dem Pseudotyp.
So ergab das Jahr 1919 eine ffir Influenzabaeillen positive Ausbeute yon 33,3% bei 12 F/illen.
490
W. Levinthal und H. Fornbach: Morphologisehe Studien
I m Jahre 1920 wurden nur klinisch im April 5 Kinder m i t einem
einzigen positiven. Fall, im August zwei Gesehwister, beide m i t positfvem Sputum, beobachtet.
Viel hSher dagegen war die Ausbeute des Jahres 1921, in dem y o n
J a n u a r bis Marz 3 FMle klinisch und 5 auf dem Sektionstiseh studier~
wurden. Von diesen letzteren war der eine ldinisch negativ gewesen,
die Sektion dagegen 18 Tage sparer, naehdem das Kind nach Windpocken m i t einer Bronchopneumonie ad exitum gekommen war, ergab
neben zahlreiehen Bordetbaeillen in den bronehopneumonisehen Bezirken tier Lungen vereinzelte Irdluenzabacillen; mischinfizierende
hgmolytisehe Streptokokken wuchsen aus Bronchialdrfisen und Milz
in Reinkultur. Aueh die anderen 4 SektionsfMle waren positiv, und
zwar wurden die Influenzabaeillen gefunden: in den Lungen 4real,
in der Traehe~ 2real, in der Bronehialdriise 3real, in der Mi]z, die
3 real steril war, 1 real, im .Rippenmark vereinzelt ebenfalls 1 real.
Auch die 3 klinisehen FMle waren, wenn aueh zum Tell nur m i t 1 bis
2 Kolonien, positiv; der eine dieser Ft~lle, der bereits bei der Besprechung
der Masern Erwtthnung land, wies im S p u t u m einige Pseudoinfluenzabacilten auf, wahrend drei Monate sparer naeh einer Masernbronchopneumonie die Sektion den echten T y p linden liel3. Die im S p u t u m
in groBen Mengen gefundenen Bordetbacillen waren bei der Masernsektion, wie zu erwarten, versehwunden.
])as Ergebnis dieser 3 J a h r o zeigt Tabelte X I .
Tab, X L InfluenzabaciUenbefunde bei Keuchhusten 1919 bis M~trz 1921 in Berlin.
.
Jahr
Zahl
Kliniseh
I.-B. +
[
Zahl
ektionen
I.-B. +
Zahl
Zusammen
I
L-B. +
1919
1
12 4 =
33,3%
9(2) 3(1)
I 3
-7 ~!
42,9%
1920
7
3
I
5
8
100,0%
1921
3 (1)
3 (--)
5
6 = 75%
e7
-- 55,~%
1919--1921 I119
9 = 47,4% I 8
Die eingeldammerten Zahlen bedeuten die Untersuchung yon Sektionsfgller~
vor dem Tode.
So lgl3t sich also eine m i t den Grippeepidemiejahren immer steigend~
Mischi~ektion der Keuchhustenkinder m i t den P]ei]/erbacillen feststellen, eine Zunahme, die auch bei den Masern deutlich gewordert
war. Z u s a m m c n m i t den oben aus der Literatur beigebrachten :Ergebnissen der Keuehhustenforschung y o n 1900--1912 zeigt also auch
das Studium dieser Kinderkrankheit die Abhangigkeit der InkquenzabaeiUen-Mischinfektion von Grippeepidemien.
Gesunde.
Wenn hier die Schilderung unserer Untersuchungsergebnisse bei
Gesunden der Besprechung der fibrigen Infektionskrankheiten voran-
an Influenzabacillenund das litiologische Grippeproblem.
491
gestellt wird, so geschieht das nicht so sehr aus chronologischen Griinden, Ms weft an diesem Material zuerst das Studium der verschiedenen
morphologischen Typen auf breitere Basis gestellt werden konnte.
Die systematische Darstellung der vier Typen bleibe dem niichsten
Kapitel vorbehalten; unerl~81ich wird an dieser Stelle eine vorliiufige
erg~inzende :Besprechung der bereits mehrfach erwKhnten morphologischen Differenzen an der Hand des Untersuchungsmaterials sein.
In der Zeit :con Mitte Mai bis Ende Juli 1921 wurden 28 gesunde
AngehSrige des Instituts und Teilnehmer eines chemischen Nurses
mittels Abstrichen aus dem hinteren Nasenrachenraum untersucht.
Unter diesen waren nur 8 vollst~indig negativ. :Die echten, fast ausnahmslos gut agglutinierenden Influenzabacillen wurden 7 real gefunden, also zu 25%, ulld zwar iiberwiegend 3real, reichlich 3real, vereinzelt 1 mal. Dagegen konnte die Pseudoform nut 3 real nachgewiesen
werden, davon in einem Fall neben dem echten Typ. Die Pseudo]orm
(Typ II) unterscheidet sich nut dutch geringe Vergr6berung der Stabthen und mal3ige Scheinf~denbildung auf der Blutplatte yore Typ I,
wie oben schon geschfldert. Ausnahmslos gelingt es in meist wenigen
Generationen auf optimalen Ni~hrbfden den Typ II in die echte Grundform .umzuziichten. Diese Umziichtung oder Zuriickwandlung gelang
uns abet in gleicher Weise bei der niichsten Stufe der offenbar im
Organismus der Keimtr~ger im Sinne einer Degeneration erfolgten Variierung; diese schon 1916--1917 yon dem einen yon uns [Levinthall)]
beobachtete und abgebildete Form li~l~t die :Merkmale der Pseudobacillen ins Extreme, gleichsam ins Groteske gesteigert erscheinen; aus
dem kokkoiden Grundtyp sind ungeheuer pleomorphe Bacillen, ans den
bescheidenen und zarten Scheinfiiden phantastische Schleifen und Kn~uel
geworden. St~mme dieser Art sind wesentlich hinf~lliger als die echten
Kulturen, ihre :Fortztichtung verlangt daher h~ufige Abimpfung. Die
Schilderung dieser extremen Pseudoform, des Typs III, bleibe hier
auf diese Andeutungen beschr~nkt. Unter unsern 28 F&llen zeigten
nicht weniger als 7 Personen diesen Typ IIT, und wieder 1 Person
gleichzeitig neben dem Typ II.
Die geschilderten 3 Typen haben alle miteinander die wichtigsten
kulturellen Merkmale auf den Ni~hrb6den gemeinsam (s. unten). Dagegen unterscheidet den Typ I V yon allen anderen die F/ihigkeit,
Blutmischplatten zu h~imolysieren. ]:)as mikroskopische Bild dieser
h~molytischen Variante entspricht etwa dem der extremen Pseudoform. Aueh hier mul~ die detaillierte Beschreibung dem systematischen
n~chsten Kapitel vorbehalten bleiben. Diese merkwiirdigen Bacillen
sind zum erstenmal im Jahre 1918 yon Pritchett und Stillman 2) ebeni) Siehe Yul3note S. 459.
t) Siehe Fur]note 2 S. 485.
492
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
falls aus dem l~achen Gesunder~w~hrend der Grippeepidemie in New
York geztichtet und als Bacillus X bezeichnet worden. Wir fanden
diesen T y p bei unseren Untersuehungspersonen 6mal, wieder 1 real
in Kombination mi$ echten Grippest~behen.
Die Gesamtausbeute gibt Tabelle X I I wieder.
influenzabacillenbefunde ~us dem
Echte I.-B.
-----Typ l
I)seudo-l.-]3.
= ,, I I
Extreme Pseudo-I.-B. -~ ,, I I I
Bacillus X
---- ,, IV
~egativ . . . . . . . . . . . .
Tabelle XIL
l~achen Gesunder im Sommer 1921 in Berlin.
7~25~/o )
o }
}
3 --~ 10,7%t 9---32'1% 15=53,6% 20=71,4%
7 =
25%
6 -----21,4%
8 -- 28,6%
Summe 28 l~Mle.
Die interessanten Beziehungen dieser Vier T y p e n zueinander und
zu Grippeanfgllen werden a m tdarsten, vel~olgt m a n einige der untersuehten FMle lgngere Perioden hindurch.
Frl. B. K., bei der a m 9. V. 1921 die ,echten Influenzabacillen in
mgl]iger Menge im Rachen gefunden wurden, h a t t e etwa 2 Monate
vorher eine 14t~gige Grippe ohne H u s t e n durchgemachk Sie wgre
also nicht als Keimtrggerin, sondern als Dauerausseheiderin anzusehen.
Eine Nachuntersuchung im N o v e m b e r erwies sis frei yon den Mikroben.
I m F e b r u a r - - M g r z 1922 erkrankte sis auf einer geise wiederum an
leichtem Fieber, Conjunctivitis und heftigem Husten m i t eitrigem Auswurf. Naeh ihrer Riickkehr fanden sich am 20. IV. die Grippestgbchen
des Typus I Wieder in grol~en Mengen im Rachen.
Der sine yon uns (H. ~.) wies im Mai 1921 neben Pneumokold~en,
Streptokokken Und Meningokokken in reiehlicher Zahl den Bacillus X ,
unsern T y p IV, auf. F. h a t nie Grippe gehabt, leide~ aber den ganzen
Winter hindureh an K a t a r r h e n mit Husten. Die Naehuntersuchung im
November, bei der wieder die h[eningokokken gefunden wurden, zeigte
nichts mehr v o m T y p IV, an dessen 8te!le nun echte und _Pseudoin/lusnzabaeillen in Symbiose wuehsen. Schon yon der dritten Subkultur an
ersehienen anch die Pseudosthbehen in der echten Form. U n d dieser
T y p I war auch neuerdings im April 1922 wieder, diesmal aber neben
dem T y p IV, zu linden. Auch jetzt, also fast 1 J a h r hindurch konstant,
wuehsen Meningokokken in m ~ i g c r Mengel}.
~) Befunde yon Meningokokken im Rachen Gest~ncler k6rmen nach neueren
Untersuchungen, besonders yon englischen Autoren (Gordon), nicht mehr als ungew6hnlich bezeichnet werden. Die Identit~t dieser saprophytischen Rachenbewohner mit den Erregern der epidemischen Meningitis wurde yon den genannten
Beobachtem und in einem Teil unserer Fiille nicht nur dutch kulturelle und morphologische, sondern auch dtlrch serologische Untersuchungen erwiesen.
an Influenzabacillen und das /ttiologische Grippeproblcm.
493
Hier hatte also eine dreimalige Untersuchung in Abst:~nden yon
etwa 6 l~Ionaten drei verschiedene Typen tier _P/eil/erschen St~behen,
z u m Tefl in Kombination miteinander, nachweisen lassen, ohne dab
ausgesprochen grippSse Krankheitserscheinungen aufgetreten waren.
Doch f i e l d e r erstmalige Nachweis des echten Typs im November
gerade in die Zeit der wieder aufflaekernden Seuehe.
Der andere yon uns (W. 15.) hatte bereits im :November 1916 in
Gent eine heftige, abet kurz dauernde Influenza mit positivem Bacillenbefund durchgemaeht. Wie bereits damals mitgeteilt [Levinthall)],
fanden sich bei andauernder eitriger Bronchitis die Erreger noeh im
April 1917 fast in l~einkultur, wahrend sp~tere Nachuntersuchungen
dann negativen Befund ergaben. Der Widal war in jenem Winter
bis 1 : 200 positiv. Als ~nun im Sommer 1917 nach einer zweit~gigen
Erkaltung bei st~rkerer Bronchitis alas wieder eitrig gewordene Sputum
erneuter Untersuehung unterzogen wurde, konnte mehrmals ein merkwtirdig labiler Stature geziiehtet werden, der vom Habitus des Typs I
bis zum T y p I I I auf den Platten variierte. Sehon damals wurde tier
Eindruck gewonnen und ausgesprochen, dab es sich hier nicht so sehr
urn Einfliisse des Nahrbodens handle, als um ,,Eigentiimliehkeiten der
St~mme selbst, die ja im lebenden Organismus in weiten Grenzen
wechselnden Lebensbedingungen unterworfen und angepaBt sein
werden".
Auch yon L. wurde nun im Mai 1921 bei v611igem Wohlbefinden,
und ohne dab seit 1916--1917 wieder Grippeerscheinungen anfgetreten
waren, ein Rachenabstrich untersueht. Neben Pneumokokken, Streptokokken und einer Unmenge Meningokokken wuchsen reichliche Mengen
yon Influenzabaeillen der extremen Pseudoform, des Typs III. Am
3. XII. erkrankte L. nachts mit heftigen l~aehensehmerzen, Traeheitis
und Bronchitis an einem ganz kurzen Fieberanfall, bei dem das eitrigschleimige Sputum neben einer Unmasse yon Pneumokokken, die das
direkte Ausstrichprt~parat dicht bedeekten, den hamolytischen Typ IV
aufwies. Bei einem leichten l~iiekfall im ganuar 1922 war tier wiederum
eitrig gewordene Aus~alrf zwar frei -con Influenzabacillen und enthielt
nur zahllose Pneumokokken in Reinkultur, im l~aehen a b e t fanden
sich neben diesen immer noch die X.Bacillen in groBer Menge. Dagegen wuchsen im April dieses Jahres, also 31/~ 1~onate n a c h der letzten
Untersuchung, neben NIeningokokken geringe l~[engen echter P/ei][erst~bchen aus dem Rachenabstrich, wtthrend der T y p IV nicht mehr
nachweisbar war.
Der Wechsel der Flora in diesem Fall lt~Bt sich etwa auf Iolgende
Formel bringen: Nach einer akuten Influenza mit positivem Baeillen~) S. FuBnote S. 459.
494
W, Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
befund (Typ I) und kr~ftiger Widalreaktion siedeln sich die IMikrpben
a lff den ehroniseh entziindeten, durch starkes Rauchen gereizten
Sehleimhauten der Atemwege an; unter dem Einflul] des Milieus variieren sie durch die ganze Skala der verschiedenen Typen, ohne dab
der immun gewordene 0rganismus aueh bei gelegentlichem Riickschlag in die wohl ausschlieBlich virulente Grundform erkrankt. So
diirften auch die Anf~lle im Dezember und Januar wohl in erster Linie
auf die Pneumokokken als Erreger zu beziehen se~n.
Ganz ~hnliehe Verhaltnisse zeigte Frl. L . K . Aueh bier beriehtet
die Anamnese von einem schweren Influenzaanfall, kompliziert durch
Pneumonie, w~hrend der Friihjahrsepidemie von 1920. Auch hier
schloB sieh an die akute Erkrankung eine chronische Bronchitis mit
h~ufigen fieberhaften Exaeerbationen. Auch hier ergab die Untersuchung des Raehens im Mai 1921 zu relativ besehwerdefreier Zeit
extreme Pseudoformen von P]eil[erbaeillen in reiehlicher Menge, w~hrend
im Januar 1922 bei heftiger Bronchitis die hdimolytlschen X-Baefllen
in groBer Menge, im April bei Wohlbefinden in wenigen Kolonien gefunden wurden.
N o c h konstanteren Befund dieser X-.Bacillen bei wechselnder
Kombination mit anderen Typen weist Dr. K. W. auf, bei dem im
Juli 1921 aus dem Rachen der Typ IV neben Pneumokokken in groller
Menge geziichtet wurde. W. hat mehrfach Grippeanfhlle, so den ersten
im Sommer 1918, einen zweiten im Winter 1918--1919 durchgemacht.
Aueh er 1eider seitdem an h~ufigen fieberhaften Bronchitiden, deren
letzte mit Temperaturen bis 40 ~ abet kurzdauernd, der Untersuehung
2---3 Woehen vorausgegangen war. Die Naehuntersuchung im November ergab nebcn zahlreichen X-Bacillen grebe Mengen eines Typs, der
etwa zwisehen dem Typ I und I I in der Mitre steht. Die St~behen
sind gr6ber und pleomorpher als bei der eehten Form, abet Scheinf~den fehlen. Im Januar 1922 dagegen wurden neben dem h~molytischen Typ IV echte kokkoide Influenzabaeillen naehgewiesen, ein
Befund, der wohl mit der damals heftig wfitenden Grippe und mit
Erkrankungen in der allern~ehsten Umgebung des selbst gesund bleibenden Dr. W.. zu erkl~ren ist. Im April waren diese echten Formen wieder
v6llig verschwunden und hatten den X-Baeillen die Alleinherrschaft
~iberlassen.
U n d sehlieBlieh geh6ren hierher 2 F~lle aus unserer Umgebung,
bei denen die Untersuehung im Juni und Juli 1921 zu Zeiten v611igen
Wohlbefindens negativ ausfiel, obwohl der eine (Dr. G. Bl.) 14 Tage
vorher w~hrend der Bchandlung eines Grippekranken selbst ohne
katarrhalisehe Symptome mit Kopfschmerz und Mattigkeit unp~Blieh
gewesen war. Ende Dezember, zur Zeit der neuen Influenzaepidemie,
erkrankte nun der andere Fall (Frl. G. L.) mit leichten aber typisehen
an [nfluenzabacill~nund das ~tio]ogisc}mCxrippeproblem.
49~
Grippebesehwerden, und in der Tat wuehsen auf Hustenplatten iibereinstimmend bei wiederholter Untersuehung echt~ Influenzahaoi]len.
] m April dagegen wuehsen aus dem Raehenabstrich groSe iVIengen
yon X-Bacillen neben einer einzigen Kolonie des echten Typs I. Aueh
Dr. Bl. wurde, und zwar Ardang April, trotz wiederholter leichter
Grippeanf~lle in den Jahren 1918 und 1919, erneut ein Opfer der Seuehe
mit Fieber, Reizerseheinungen im Halse, Mattigkeit, und zeigte im
Raehen nebeneinander den T y p I und den extremen Pseudotyp III,
welch letzterer auf der Hustenplatte allein wuehs. Dieser extreme
Pseudobacillus (13/22 E), den die Photogramme Nr. 4---6 in den verschiedenen Stadien seiner Umzfiehtung zeigen, konnte in wenigen
Generationen auf Kochblutschrhgr6hrchen zu der eehten Form umgewandelt werden, wie wir spiiter sehen werden.
I)ie Sehilderung dieser Einzelbeispiele aus unserem Untersuchungsmaterial bei Gesunden mul~te etwas breiter sein, da nut so ein Bild
yon dem Wechsel der verschiedenen Typen und ihrer Beziehung zum
Organismus des Triggers zu geben war. Dem Beobachter dieses anfangs
iiberraschenden und doeh immer wieder eharakteristisch feststellbaren
Szenenweehsels driingt sich der Vergleich m i t d e n Diphtheriebacillen,
ihrer Umwandlung in Diphtheroide bei gelegentlichem Rfiekschlag in
die pathogene Urform auf.
Scharlach.
Wi~hrend im Jahre 1919 n u t zwei Scharlachkranke, ein 18ji~hriges
M~idehen im Januar, ein 15j~ihriger Bursehe im Juli, untersueh$ wurden,
beide mit negativem Influenzabaeillenbefund im Rachen, resp. Rachen,
BindehKuten und Hustenplatte, steht uns aus dem gahre 1921 gr6Beres
Material, n~mlich 18 l?~lle aus der Zeit yon i%Iitte Mai bis Mitte Dezembet, zur Verfiigung. Bei s~mtlichen dieser Kranken wurden Hustenplatten und - - bis auf einen - - Rachenausstriche angelegt, Sputum
]<am nur bei fiilzf Patienten zur Verarbeitung, die iibrigen 13 warren nicht
aus. Der E n t n a h m e t a g war in der Mehrzahl der Fi~lle der dritte Krankheitstag, bei einzelnen Kranken wurde ers't spi~ter bis zum sechsten
Krankheitstag untersucht.
Wie bereits bei don Gesunden und tiberhaupt bei all unseren Untersuehungen von 1921 ab riehteten wir unser tIauptaugenmerk auf die
Unterscheidung und das eingehende Studium der obenerw~hnten verschiedenen Typen.
Bei den 18 Seharlaehf~llen fanden wir den eehten Typ I des Influenzabaeillns zweimal, in zwei weiteren :F~llen etwas zu dem Typ II
hinneigende, aber doch dem T y p I n~herstehende Formen. Einer yon
diesen vier Kranken hot am Entnahmetag, dem fiinften Krankheits%age, das Bild einer voll entwickelten Bronchitis dar; auf der Hustenplatte, im Raohenausstrich und im Sputum wurden iiberwiegend eehte
496
Yv~. Levinthal und It. Fernbacli: Morphologische Studien
I nfluenzabacillen des T y p s I gefunden, neben d e n e n , vielleicht m i t Aus:
n a h m e der Streptokokken, alle anderen Keime bei weitem zuriicktraten. - - ])as direkte S p u t u m p r a p a r a t war mi$ InfiuenzabaeiUen
fibersiit, die zu einem betriieht!ichen Teil y o n den zahlreiehen L e u k o e y t e n
p h a g o e y t i e r t waren. Der I I . Typ, der Pseudoinfluenzabacillus,. wurde
ffinfmal, tier I I I . u n d IV. je einmal gefunden, ]etzterer bei einem
16j~hrigen Mis
(Sc. 10), das 12 Monate vorher an sehwerer u n d
langdauernder Grippe e r k r a n k t gewesen war.
Z u m Vergleich mit den Ergebnissen anderer U n t e r s u c h e r is$ die
Zusammenfassung. der T y p e n I u n d I I notwendig, die eine A u s b e u t e
v o n 9 ---=5 0 % ergibt. N i m m t m a n noch die T y p e n I I I u n d I V hh]zu,
so steigt die Zahl der positiven Falle auf 11 = 6 1 , 1 % .
D a s Gesamtergebnis der Untersuchungsreihe zeig~ Tab. X I I I .
Tabelle XIII.
Influenzabaeillenbefunde bei Scharlach im Jahrc 1921 zu Berlin.
EchteI.-B. = T y p I
4=22,2%]^
}
}
Pseudo-I.-B. = Typ I I
5 27,8%~u = 50% 10 = 55,6% 11 = 61,1%
Extreme Pseudo-I.rB. = Typ I I I 1
5,5%
Bacillus X = Typ IV
1
5,5%
Negativ . . . . . . . . . . .
7 = 38,9%
Summe 18 Falle.
Diese Befunde geordnet nach den E n t n a h m e o r t e n gibt die niichste
Tab. wieder:
Tabelle XIV.
Die Ilffluenzabacillenbefunde der Scharlaeh]~ille an den verschiedenen
Entnahmeorten.
Entnahmeort
Rachen . . . .
Hustenplatte..
Sputum . . . .
]1 Zahl
17
18
5
TypI
I TYp II
4
3
3
4
2
0
! Typ III
I
]
I
-
1
0
1
Typ
1V I Negativ
118
1
0
10
2
W e i d e n die beiden n e g a t i v e n Fi~lle aus dem J a h r e 1919 mitberiicksichtigt, so ergibt sich bei insgesamt 20 Scharlachfi~llen eine positive
Influenzabacillenausbeute y o n 11 = 55 %.
Mit dem Serum y o n ]7 der untersuehten Fglle wurdert Agglutin a t i o n e n ]nit einem p o l y v a l e n t e n S t a m m (77) angesetzt, y o n diesen
w a r e n 13 positiv, also 76,5 %.
Die Sti~rke des Widals verteilt sich folgendermaBen:
bis
,,
,,
und schlie$lich ,,
1:25
1: 50
1:100
1:400
-t~-I-t-
lmal,
5mal,
6real,
1 mal,
an influenzabacillen und das -~tiologische Grippeproblem,
497
und zwar bei dem obenerw~hnten 16jihrigen Mi~lchen, bei dem
12 Monate naeh ihrer schweren Grippe aussehlieBlieh der T y p I V im
Raehen gefunden wurde.
Vergleichen wir die Baeillenbefunde mit den Resultaten-des Influenzawidals,
so ergibt sich:
Unter 10 positiven Baeillenbefunden war der Widal 8real positiv, 2real
negativ (in einem positiven Fall war kein Serum entnommen).
Unter 7 negativen Bacillenbefunden war der Widal 5 mal positiv, 2 mai negativ.
In 3 l~illen yon positivemWidal bei fehlendem Influenzabaeillenbefund wird anamnestisch iiberstandene Grippe, die in einem :Fall etwa ein Jahr, in den beiden
anderen ktirzere Zeit zuriickliegt, angegeben; yon den beiden anderen Kranken
wird eine frtihere Grippe negiert.
So zeigt also dies ausschliei~lich dem vierten Epidemiejahre entstammende Seharlachmaterial, fibereinstimmend m i t den Ergebnissen
bei Masern und Keuchhusten, die weitgehende Durehseuchung m i t
Influenzabacillen, deren Grad durch den Widal noeh yon etwa 6 0 %
auf 75 % gesteigert enthfillt wird.
DiThtherie.
Unser Material an Diphtherie und diphtherieverdi~ehtigen Anginen
s t a m m t insgesamt aus dem Jahre 1921. Mit Ausnahme einer Obduktion
im Mirz erstrecken sich unsere Untersuehungen fiber die Zeit yore Juni
bis Oktober und wurden nur an klinischem Material vorgenommen.
Diese Sektion eines an Bronchopneumonie nach Diphtherie verstorbenen Kindes yon 10 Monaten zeigte Inffltrationsherde in beiden Unterlappen und im reehten Oberlappen der Lunge, fiberall subpleuritisehe
Petechien. Si~mtliche untersuchten Lungenpartien erwiesen sich frei
yon Influenzabacillen, dagegen wuchsen P n e u m o k o k k e n neben banalen
Keimen.
Die Untersuchung der 20 klinischen Fille umfaBt bei allen K r a n k e n
Hustenplatten und Rachenausstriche, bei 10 Patienten wurde auch
S p u t u m verarbeitet, und zwar in allen F~llen innerhalb der ersten
acht Tage der Krankheit, iiberwiegend a m dritten bis vierten K r a n k heitstage. Aueh hier galt stets der Differenzierung der versehiedenen
Typen yon Influenzabacillen unsere besondere Aufmerksamkeit.
Den eehten Influenzabacillus fanden wir drelmal, ebenso oft die
schon bei den Scharlachuntersuehungen geschilderte Ubergangsform
zum T y p I I . Die gleiche Zahl positiver Befunde wiesen je die T y p e n
I I I und I V auf, wiihrend sieh der T y p I I viermal fan& Sieben Falle
ergaben ein vSllig negatives Resultat. W i h r e n d sonst bei den F~llen
mit positivem Diphtheriebacillenbefund der Tonsillen der Erreger sich
bei der exakten E n t n a h m e aus dem hinteren Nasenracheriraum niemals naehweisen lieI3, wuchsen in elnem Fall v o m Rachenabstrich
neben den fast in jedem Fall ziichtbaren Streptokokken tiberwiegend
498
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
Diphtheriebacillen, die sich im Tierversuch als hochtoxisch erwiesen;
bei dem Kranken dehnte sieh der typische Belag von den TonsiUen
und Gaumenb6gen bis auf die hintere Raehenwand aus; die Hustenplatte zeigte keine Diphtheriebacillen (vgl. die Untersuchungen yon
Straufl bei Diph~herie, diese Zeitschr. 96, 27), wohl aber den Typ I I I
d e r h~moglobinophilen St~behen, die ihrerseits nicht aus dem Rachenabstrioh wuchsen.
I n drei F~llen fanden sich schon im direkten Ausstrichpr~parat des
Auswurfes, der bei allen Kranken mehr oder weniger nut aus dem
Sekret des entzfindeten Rachens bestand, zweimal vereinzelt, einmal
reiehlieh P]ei//ersche St~behen. Nur in diesem letzten Fall liel~en sieh
diese aus dem ~_uswurf ziichten, in den ersten beiden F~llen gelang
der kulturelle Naehweis nur an den anderen Entnahmeorten.
Fassen wir wieder zum Vergleieh mit der Statistik anderer Untersueher Typ I und I I zusammen, so erhalten wir, da in einem Fall eehte
und Pseudoinfluenzabaeillen nebeneinander gefunden wurden, 9 Falle
= 45 %; bei Zusammenfassung aller vier Typen ergeben sieh wieder infolge des Nebeneinander dreier versehiedener Typen bei einem Kranken
13 FMle = 65 %. :Bei diesem ebenerw~hnten bemerkenswerten Fall
(Di. 10) k o n n t e n T y p I b i s I H , und zwar T y p I auf der Hustenplatte,
T y p I I und I I I aus dem Rachenausstrieh isoliert werden.
So stellt sich also das Gesamtergebnis dar, wie Tab. X V zeigt:
Tabelle XV.
Influenzabacillenbefunde bei Diphtherie und diphtherieverdachtigen Anginen im
Jahre 1921 zu Berlin.
9-~45%
Pseudo-I.-B. • Typ I I
4=20%
Extreme Pseudo.I.-B. = Typ I I I 3 ~- 15%
Bacillus X = Typ IV
3 = 15%
:Negativ . . . . . . . . . . .
11=55%
13 =65%
7 = 35%
Summo 20 F~lle.
Wieder nach dem E n t n a h m e o r t ordnet diese Befunde Tab. X V I :
TabeUe XVI.
:Die Influenzabacillenbefunde der Diphtherie]dlle an den versehiedenen
Entnahmeorten.
Entnahmeort
][
Zahl
/
/~achen
....
}
Hustenplatte . . I
Sputum . . . .[1
I Typ I
Typ II
Typ lII
Typ IV
Negativ
m
20
120
10
'
5
3
1
2
9
5
1
2
0
2
0
2
1
10
8
Bei Hinzunahme des negativen Sektionsfalles aus dem Marz kommen
a l s o auf insgesamt 21 Diphtherief~lle 13 positive ~ 61,9 %.
aa Influenzahacillen und das iitiologische Orippeproblem.
499
Bei der epikritischen Analyse der Fiille ergab sieh, d a b 11 yon den
2 0 sichere Diphtherien m i t positivem Bacillenbefund, 9 z . T . klinisehe
Diphtherien m i t negativem bakteriologischem Resultat, zum anderen
Teil Anginen waren.
Auf die 11 sicheren Diphtherien'entfallen 7 L B . - p o s i t i v e - - - - 6 3 , 6 %
gegen 4 negative, auf die 9 anderen 5 I.-B.-positive = 55,6% gegen
4 negative FMle.
Wie zu erwarten, zeigt dies Ergebnis die Abhi~ngigkeit der Influenzabacillenansiedelung yon dem anatomischen ProzeB der Schleimhauterkrankung und nicht von dera spezifischen Diphtherieinfekt ~ls solchem.
Aueh bei dieser Gruppe von K r a n k e n wurde in 17 F&llen der Widal
innerhalb der ersten acht Tage m i t dem S t a m m 77 angesetzt; es waren
P0sitiv 12 ~-70,60//0, negativ blieben 5.
Unter den 12 positiven betrug die St/~rke der Reaktion:
1: 25 + 50 ~ 3mal,
1 : 50 ~
3 real,
1 : 100 +
3 mal,
1:200 +
2mal,
und 1:400 +
lmal,
Ein Vergleich der Bacillenbefunde mit dem Ausfall des Influenzawidals
ergibt:
Unter 10 I.-B.-posRiven FMlen war der Widal positiv 7 real, negativ 3 real
{bei den 3 ersten Fallen mit positivem Bacillenbefund wurde kein Widal angesetzt).
Unter 7 I.-B.-negativen Fallen war der Widal positiv 5 raM, negativ 2 maI.
In 4 der 5 I.-B.-negativen, Widal-positiven Fiille wurde in tier Vorgeschichte
Grippe angegeben.
Es enthfillt also auch hier die Untersuchung mit ihrem bakteriologisehen Prozentsatz yon 65%, ihrem serologisehen von 71% die
ungeheure Durehseuehung mit Grippebaeillen im vierten Epidemiejahre.
Tuberkulose.
Eine Zunahme der Befunde m i t dem Altern der Epidemie wird an
unserem Tuberkulosematerial am deutlichsten, da wir hier vom gleichen
Monat fiber je eine l~eihe aus dem Jahre 1919 und 1922 verffigen. Dabei
d a f t nieht fibersehen werden, dab aueh im Mai 1919 die Seuehe bereits
ein J a h r lang, und zwar in ungebrochener K r a f t und intensivster Ausdehnung, grassierte. Damals kamen 13 FRlle einer Tuberkulosestation,
im Mai 1922 12 F~lle der gleichen Station zur Untersuchung.
Bei den 13 K r a n k e n des Jahres 1919 wurde nur Sputum in der
iiblichen Weise verarbeitet, bei den 12 dieses Jahres wurde noch die
Untersuehung der Hustenplatte hinzugenommen.
Stellen wir zunRchst das 5Iaterial der ersten Untersuchungsreihe
zusammen, so ergibt sich eine positive Ausbeute an Influenzabacillen
yon 4 Fi~llen: = 30,80/0; negativ waren 9 F~lle.
Bei 5 K r a n k e n
Zeituchr. f. Hygiene. Bd. 96_
33
500
W. Levinthat und H: Fernbaeh: Morphologische Studiea
wurde die Untersuchung naeh fiinf Tagen wiederholt Und zeitigte in
einem positiven und vier negativen FMlen das gleiche Ergcbnis wie
bei der ersten Unbersuchung.
Die verarbeitetc n Sputa waren in 11, darunter den 4 positiven FKllen eitrig,
in einem Fall bestand der Auswurf nur a u s Schleim.
Von 3 der 4 I.-B.-positiven Kranken wird anamnes~isch Grippe angegeben,
unter den 9 I.-B.-negativen hatten 6 friiher eine Influenza durehgemacht.
Das Ergebnis der zweiten Untersuchungsreihe aus dem Jahre 1922
yon insgesamt zw61f Patienten zeig~ lab. X VII. Dabei wurden in einem
Fall (Tb. 11/22) zwei verschiedene Typen nachgewiesen, Typ I im Auswuff, Typ IV auf der Hustenplatte.
Tabelle X V I I .
Tuberkulose im Mai 1922 zu Berlin.
Influenzabacillenbefunde bei
Eehte I.-B. = Typ I
Pseudo-I.-B. = Typ I I
Extreme Pseudo-I.-B. = Typ I I I
Bacillus X = Typ IV
Negativ . . . . . . . . . . . .
Summe
3 = 25%
2 = 16,7% j 5 = 41,7%
0
4 ~ 33,30/0
4 =- 3 3 , 3 %
12 F/~lle.
8 = 66,7%
Diese Befunde naeh dem Entnahmeort getrennt zeigt Tab. X V I I I .
Tabelle X V I I I .
Die Influenzabaeillenbefunde bei Tuberkulose an den verschiedenen Entnahmeorten.
En,nahmeort I~ Zah! [ Typ I__ _Ty_p__l_I Typ III
spur.. . . . .
Hustenplatte..
12
12
I
3
1
2
2
o
0
Typ IV J
1-[-6
3
Nega,i,"
6
Alle unt~rsuchten Sputa enthielten Eiter, Bcimengungen frischen
oder allen Blutes 4.
Unter den 12 Fallen befanden sich 5 mit r6ntgenologiseh best~tigten Kavernen,
auf sie entfallen 2 der 8 positiven bakteriologischen Befunde. I n beiden Fallcn
zeigte bereits der Ausstrich yore gewasehenen Sputum iiberaus reichlieh Influenzabaeillen in Haufen und Ziigen, zum Tell aueh intracellul~r, so dab das Resultat
der Aussaat, eine Reinkultur von Influenzabacillen, vorauszusehen war, w~hrend
yon den tibrigen 6 dureh Ziichtung der Baeillen positiv crwiesenen Fallen nut
noch eine sei$ 20 Jahren bestehende Lungentuberkulose, bei der keine Kavernen
vorhanden waren, sp~rlieh Influenzabacfllen schon im Ausstriehpr/~parat erkennen lieB.
Von den 8 Pat. mit positivem Influenzabaeillenbefund wurde viermal Grippe
,anamnestisch angegeben, viermal negiert, unter den 4 Negativen batten 3 nach
ihrer Angabe friiher Grippe gehabt.
D i e b e i d e n G r u p p e n y o n T u b e r k u l S s e n z u s a m m e n e r g e b e n also u n t e r
25 F ~ l l e n 12 p o s i t i v e = 48%,
An der Hand der beiden durch einen Zeitraum yon drei Jahren
g e t r e n n t e n U n t e r s u c h u n g s r e i h e n h a b e n w i r b e s o n d e r s e x a k t die V e r -
an Influenzabacillen und das litiologische Grippeproblem.
501
gleichsmSglichkeit zwischen verschiedenen Perioden der Influenza,
epidemie. Schalten doch die vom gleichen Untersucher m i t den gleichen
Methoden erhobenen Befunde alle die Fehlerquellen aus, die der Gegeniiberstellung ~r Resultaten verschiedener Untersucher anhaften.
Und so zeig~ auch ein Verglcich dieser bciden Reihen, wie w i r e s
bereits bei den akuten Infektionskrankheiten und bei Gesunden gegenfiber Statistiken anderer Untersucher dartun konnten, eine merkliche
Vermehrung der positiven Influenzabacillenbefunde yon 30,8% im
zweiten Epidemiejahre auf 41,7% nach der letzten Welle dieses Jahres
unter Weglassung des T y p IV; nehmen wir noch die Befunde an T y p I V
hinzu, so steigert sich diese Zahl auf 66,7%, d. h. die Durchseuchung
ist in den letzten drei Jahren um das Doppelte gestiegen. Den Einwand, dal~ die Hinzunahme der Hustenplatte zu der Steigerung der
Befunde yon 30,8 auf 41,7 ~/o Veranlassung gibt, entkri~ftet ein Blick
auf Tab. X V I I I , die zeigt, da~ bei diesen chronischen eitrigen Entziindungsprozessen der tieferen Atemwege fiir die T y p e n I und I I
der Influenzabacillen beide Methoden zu gleichem Resultat ffihren.
Dagegen best~tigt die erheb]iche Steigerung der Befunde an T y p I V
durch die Hustenplatte den Eindruck der Untersuchungen von Scharlach und Diphtherie, daft es sich bei dieser hSmoIytischen Variante ~tm
die /iir den Rachen charakteristische Standortsvarietdt des Influenza.
bacillus handelt.
Zusammen/assung :
Es wurden also in den Jahren 1919 his 1922 Influenzabacillen yon
vier verschiedenen T y p e n insgesamt gefunden:
bei Masern
von 30 Fi~llen in 16 = 53,3%,
,, Keuchhusten ,, 27
....
15 = 55,6%,
,, Scharlach
,, 20
....
11 = 55,0%,
,, Diphtherie
,, 21
....
13 = 61,9%,
,, Tuberkulose ,, 25
....
12 ~ 48,0%,
,, Gesunden
,, 28
....
20-~ 71,4%.
Bei ausschlieBlicher Berficksich~igung der Influenzatypen I und I I
sind die Prozentzahlen:
bei Masern
53,3,
,, Keuchhusten 55,6,
,, Scharlach
45,0,
,, Diphtherie
42,9,
,, Tuberkulose 36,0,
,, Gesunden
32,1.
Der relativ geringe Wcr~ bei Tuberkulose in der ersten Zusammenstellung liegt zum Teil darin begrtindet, dab bei der ersten Hiilfte der
Fiflle im J a h r e 1919 keinc H u s t e n p l a t t e n zum Studium mit heran33*
502
W. Levinthal und H. Ferabach : Morphologische Stadien
gezogen wurden, ein Teil der Rachenflora also ausfiel. Tab. X V I I I hat
ja gelehrt, welche grebe Bedeutung wenigstens f/Jr den hamolytischen
Typ IV gerade diesem Entnahmcort zukommt.
Welter zeigt der Vergleich der beiden Zusammcnstellungen die
wichtige Rolle, die Typ I I I und IV besonders in den beiden Gruppen
spielen, die ausschlieBlich im Jahre 1921 Gegenstand der Untersuehung
waren, bei Diphtheric und den Gesundcn ; bei Diphtheric erhSht die Einrechnung dieser stark von der Grundform abweichenden Varianten
die positive Ausbeute von 43 auf 62%, bei den Gesunden gar von
32 auf 71%.
Auch die Beobachtungen bei Masern und Keuchhusten hatten von
J a h r zu J a h r steigende Werte, mit dem Fortschreiten der Epidemie
yon Welle zu Welle zunehmende Durchseuchung mit Influenzabacillen enthiillt.
Die grebe Zahl gesunder Keimtrager einerseits, das regelmaBige
Vorkommen des Bacillus am Ort des Krankheitsprozesses bei Fallen
epidemischer influenza anderseits beweist die schwankende Virulenz
des P]eif]erbacillus. Dafiir, dab seine Ausbreitung bei Nichtinfluenzakranken, also die H~ufung yon BacillentrSgern, der Seuchenkurve
parallel geht, scheinen uns in Ubereinstimmung mit den zitierten
Ansichten und Untersuchungen yon Pritchett und St~:llmannl), von
P/ei//er 2) und seinen Mitarbeitern unsere eigenen Beobachtungen z. B.
bei Masern, Keuehhusten, Tuberkulose, und der Vergleieh unserer Ergebn!sse, z. B. bei Gesunden des Jahres 1921, mit Untersuchungen anderer
A u t o r e n aus dem Anfange der Epidemic [ Uhlenhutha), Neu]eld und
Papamarku4)] zu sprechen. Doch diirfte die weitere notwendige
Klarung dieser Beziehungen erst von Jahre lang fortgesetzten Forschungen nach endgtiltigem Abklingen der Pandemie zu erwarten scin.
Interessant, vieUeicht yon entseheidender Bedeutung, ware schon heute
ein Studium dieser Verh~ltnisse in bereits jetzt wieder seuehefreien
L~ndern mit tropischem oder kontinentalem Klima (s. Ende Kapitel V!).
So wird die Forschung gerade auf Zeiten des Epidemieintervalls hingedri~ngt.
Es ist hier der Ort, zuerst einmal die Darstellung der vier Typen
von Influenzabacillen zusammenzufassen und zu erganzen.
IV. Die vier morphologischen Typen des Pfeitfersehen Inlluenzabaeillus.
Nicht mehr neu sind heute Versuche, die Gruppe der P[ei/]erschen
Bacillen, deren heterogenen Charakter alle Untersucher erkannt haben,
1) S. FuBnote 2 S. 485~
2) S. FuBnote 4 S. 484.
~) S. Ful3note 1 S. 484.
4) S, :Fulinoto 3 a S. 456.
an Influenzabaeillen und das atiologische Gripl)eproblem,
503
in umrissene und seharf bestimmbare T y p e n einzuteilen. Zwei Methoden sind ffir diese Einteilung versucht worden, die serologische und
die b~'ologische. Von deutscher Seite hat vor allem Bielingl), serotherapeutisch orientiert, zwei I-Iauptgruppen festgestellt, polyvalente
und monovalente St~mme, ohne mit seineffinteressanten Untersuehungen
der Ftille der Gestalten Herr geworden zu sein. Aueh den Amerikanern
ist der Versuch, zu serologisch definierbaren Gruppen zu kommen, nicht
gegliiekt. (Dasselbe berichtet Scott [1. c.], vgl. Fu~note 3, S. 486). Daraus
hat u .a. Chesney 2) Folgerungen gegen die ~tiologische Bedeutung des Keims
ftir die Pandemie abgeleitet~ offenbar ein TrugschluB, wie der Fall yon
Anderson und Schultz 3) und Beobaehtungen yon Bell 4) beweisen.
Erstere isolierten bei einem Kinde mit Influenzameningitis in vivo
nicht weniger als ffinf Stamme, je einen aus dem Lumbalpunktat,
aus dem Blur, aus I~ase, R h i n o p h a r y n x und Rachen, die si~mtlich
serologiseh versehieden waren; trotzdem nehmen s i c mit Recht gemeinsame H e r k u n f t an und stellen sich vor, dal3 der Mikrobe, der
wahrseheinlieh v o m Rachen aus zu den I-Iirnhhuten gewandert und
yon hier ins Blur gelangt ist, infolge seiner Labilit~t in versehiedenen
Organen umgewandelt wird. Die Einwirkung des Milieus auf infizierende
Keime, biologisch und biochemiseh, ist ja ein aktuelles Problem der
Forschung; man denke an die Streptokokken und die Viridansffage
(Morgenroth, Schnitzer und Mitarbeiter, Kuczynski u. a.). Die Fest.
stellung einer Abhi~ngigkeit auch der serologisehen Reaktion vom Standort diirfte auch fiir andere Bakterienarten bedeutsam sein. Auch Bell
land mehffach im Rachen der gleiehen Personen zwei, ja drei im kreuzweisen Agglutinations- und Abs~ttigungsversueh versehiedene Variet~ten, ohne daft freilich bei diesem Fundort eine komplexe Infektion
mi~ der gleichen Sicherheit auszusehliel]en ist wie bei dem Meningitisfall yon Anderson und Schultz.
So haben denn andere Untersueher nach biologischen Methoden
zu einer K]assifika~ion zu k o m m e n versueht, l~ivers 5) hat vor allem
1) R. Bieling (Hiichst a. M.), Immunlsierungsversuche mit Influenzabacillen.
Zeitsehr. f. Immunitatsforseh. u. Therap., Orig.. 29, 475. 1920. - ~) Alan M. Chesney (Washington), An immunologic study of bacillus influenzae. Journ. of inf. discas. ~$9, 132. 1921.
3) Ruth A. Anderson and Oscar T. Schultz (Chicago), Immunologic study of
strains of bacillus Pfeifferi isolated from a case of meningitis. Journ. of exp. med.
35, 653. 1921.
~) Howard H. Bell (St. Louis), Relation of different strains of influenza bacilli as shown by cross agglutination and adsorptions tests. Journ. of inf.
diseas. 27, 464. 1920.
s) p. M. Rivers (Baltimore), The biological classification of influenza bacilli.
Bull. of John Hopkins hosp. 31, 50. 1920, Ref. Bet, iib. d. gcs, PhysioL 3, 301,
1920,
504
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
die Indolreaktion als Mal3stab benutzt; Pritchett und Stillman 1) stu.
dlerten neben der Indolbildung die Erzeugung von Nitrit, die Produktion yon Gas aus Dextrose und die Zuckerverg~trung, und schlief31ich
hat Stillman 2) eine bioehemische Einteilung auf Grund der drei Merkmale der Indolbildung, Gasproduktion und Saccharoseverg~rung in
sechs T y p e n A bis F vorgenommen, von denen er den T y p A, der indolpositiv, gas- und saccharosenegativ ist, am h~ufi~gsten, den T y p D mit negativer Reaktion in allen drei Beziehungen an zweiter Stelle land.
Auch e r stellte oft auf ein und derselben Platte mehr als einen seiner
T y p e n fest und deutet solche Befunde als Folge der Lebensbedingungen im Organismus der Infizierten.
So zeigt das serologisehe und biologische Verhalten der Influenzabaeillen mehr die auBerordentliche Labilit~t als eine Heterogenitht
des Bakteriums. Und yon der Vorstellung ausgehend, dal3 eine solehe
Bildsamkeit Riicksehlfisse auf eine entsprechende Labilit~t der Virulenz
erlaubt und d a m i t Unterlagen fiir epidemiologische Folgerungen liefert,
haben wir unsere morphologischen Studien ausgebaut, Diese Beobachtungen, die an P[ei]]ers 3) Schilderung der Pseudoinfluenzabaeillen in jener
inhaltsreichen grundlegenden Arbeit von 1893 ankniipfen, werden
neuerdings, so weir wir sehen nur von Bell (1. c.), gestreift. So wie wir unsere
Feststellungen im vorhergehenden Kapitel an der H a n d des Untersuchungsmateriales entwickelt haben, sind wir zu vier H a u p t f o r m e n
gelangt, zwisehen denen mannigfaltige l~berg~nge bestehen. 'Zusammengefal~t stellen sich unsere T y p e n I b i s I V folgendermal3en dar:
Typ I wird von uns als die Grundform der P]ei]]erschen Bacillen
betraehtet; er erseheint sowohl auf optimalen N~hrb6den wie in den
Tautr6pfchenkolonien der Blutplatte als winziges Kurzst~bchen von
groBer Gleichm~Bigkeit, vergleichbar dem Bilde einer Melitensiskultur.
Dieser ,,coceobacille de P]ei/]er" der Franzosen wgre also als der echte
Influenzabacillus aufzufassen.
Demgegeniiber zeigt der Typ I I bereits die Merkmale der Pleomorphie; zwar iiberwiegen auf den Kochblutplatten noch die Kurzst~bchenformen, aber sehon diese besitzen eine L~ngsausdehnung, die die
Breite merklich iibertrifft. Der Stabchencharakter ist also deutlich
ausgeprKgt, ja einzelne Exemplare erreichen betrgchtliche L~nge und
waehsen zu schlanken, fgdigen Gebilden aus. Noch intensiver wird
diese Gesamtvergr6berung auf der gew6hnlichen Blutplatte, noch
zahlreichere Seheinf~tden steigern hier den Eindruck der Pleomorphie.
Von jeher haben diese Scheinfhden als das Charakteristieum der Pseudoinfluenzabacillen gegolten.
x) S. FuBnote 2 S. 485. ~) S. Ful3note 2 S. 486.
3) Richard P[ei][er (Berlin), Die .~tiologie der Influenza. Diese Zeitschr. 13,
357. 1893.
an Influenzabacillen und
das
iilioh)gische Gripl~eproblem.
5(15
Und dicse Vielgestaltigkeit nimmt geradezu groteske l?ormen bei
dem Typ I I I an und rechtfertigt die Bezeichnung als exlreme Pseudoform, die sich schon vor der Pandemie dem ein(,n von uns (Levinlhal,
diese Zeitschr.) aufgedriingt hat. Von winzigen kokkoiden Gebilden
bis zu phantastischen dicken Schlingen und Schleifen fin(h'n sich siimtliche irgend denkbaren l~berg~inge. Die FSden kSnnen zu Kn:aucln verfilzt sein. Danebcn erscheinen rundliche Gebilde yon GranulumgrSBe
und geblghte Kugeln. Zwischen stark geffirbten Formen liegen hei allen
F~irbungsmethoden ganz blasse Exemplare, so (lab also (let extremen
Pleomorphie eine gleiche Polychromasie parallel geht. l)ab('i ist bemerkenswert, dab der verschiedene Grad der Fiirbbarkeit nicht fiir be
stimmte Formen charakteristisch ist; d. h. nicht (lie kurzen Stiil)chen
sind stark, die Ffiden
schwach tingiert oder
umgekehrt,vielmehr erscheinen intensiv gef:,irbte und blasse Ge--~
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bilde jeder Gestaltung
bunt durchcinanderge[" |--,.'~,~
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wiirfelt. Auch hier geht
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die Vielgestaltigkeit auf
der Blutplatte oft noch
erhcblich weiter als auf
optimalem N:ahrboden.
Schon das mikroskopische Bild solcher StSmme dr~ngt dem Beobachter den Eindruck Abb. 1. ~xtt~lller P s e u d o i n f l u e n z a b a c i l l u ~ = T y p I I l (Stamm 42).
Ffirbung Gentianaviolett. Verauf, dab es sich hier {iez~iehtet attf Koehblutagar;
grSBerung I : I000.
um Degenerationsprozesse handelt; und diesem Eindruek entspricht die ganz regelmiiBige
Feststellung einer erheblichen HinfSlligkeit solcher Kulturen, dic bei
der Weiterzfichtung entweder sehr bald abreilten oder sich nach (h,m
T y p I hin umwandeln. Mikrophotogramm 1 gibt cinen Ausschnitt aus
einer frisehen Kultur eines extremen Pseudostammes ~).
Wghrend Aussehen und Verhalten der Typen I b i s I I I auf den ~esten
Nghrmedien keinerlei malcroskopischen Unterschied erkennen lasscn,
wird der Gefibtc schon auf der Kochblutplatte die Kolonien des Typs I V,
wenigstens in der Ausgangskultur, zu diagnostizieren verm6gen. Die
groBen Kolonien sind deutlich opaker, dichter strukturiert, Mcrkmale,
1) Es braucht kaum bemerkt zu werden, daB wir die sehr sch6nen Photogramme der Kunst des Herrn Prof. Zettnow verdanken, dem wir uns herzlichst verpflichtet ftihlen.
506
\V. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
die bei der Weiterzfiehtung sehr bald der ganz klaren, strukturlosen
W uchsforrn echter Influenzabacillen Pla~z machen. Entscheidend wird
abet das Verhalten auf Blutmischplatten; hier zeigen alle frisch gezfichteten Kulturen intensive H(imolyse, die wie bei stark h~tmolytischen
Streptokokken den Blutfarbstoff
komplett aufl6st und zu volli +"
~ ,~t,.,~ .
st~tndiger Aufhellung des N~hrbodens fiihrt. Fiir die Beobaehtung dieser HS:molyse erweist
sieh Kaninehenblut dem Pferde~-,
"~'~"
"t,
. '
blut erheblieh fiberlegen. Bei
/+i:" i 1"
Weiterzfiehtung fiber Monate hin
verhalten sieh die St~tmme reeht
9 k+ "
,o,_=N
~: ",~
versehieden; w~ihrend die einen
keinerlei Verminderung in der
Produktion ihres H~imolysins erkennen lassen - - wenigstens bisher - - , besitzen wir Stiimme, (lie
Abb. 2. H i i m o l y t l s e h e r B a c i l l u s X = T y p 9 V (S~anllll
naeh etwa drei Monaten FortK.W.). Geziichtet a u f K o c h b l u t a g a r ; F~trbung
ztiehtung bei zweit~igiger Weiter(;entianavio]ett. V e r g r 5 8 e r u n g I : 1000.
impfung ihre hiimolytisehe FS~higkeit mehr und mehr einbtigten und sehlieBlich fast v611ig verlor~,n
haben, w~thrend dieselben St~<imme im Raehen des Spenders die
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Abb. 2,. HO" olytischer llacillus X = T y p I V Stature L . K . . Geziiehte( auf K o c h b l u t a g a r ; F / i r b u n g
(~entianaviolett. VergrSBerung l : 100~.
h~imolytische Eigensehaft fiber viel gr66ere Zeitr~tume hinaus unve~mindert festhalten. So besitzen wir z. Zt. nebeneinander yon
Dr. K. W. den Stamm W 1 aus dem Januar 1922, der heute kaum
an Influenzal)acillen und das iiti(dogist'he Gripl)cprobleni.
507
mehr Blur 16st, und den S t a m m W 2 yon Ende April mit intensiwter
Hiimolyse. Das mikroskopische Bild dieses von Pritsehett und Stillman 1) im Jahre 1918 zuerst aus Rachensekrct isolierten ,,Bacillus X "
entspricht etwa dem der extremen Pseudoform mit recht verschieden
starker FS.den- und Kugelbildung der einzelnen Stiimme, wie Abbfldungen 2 und 3 zeigen. Der Grundstock wird von derben, geraden nder
leicht gekrfimmten Bacillen gebildet, (lie nicht selten an einem o(ler
beiden Enden conidieniihnliche Kn6pfchen tragen; neben dieser Hauptform finden sich einerseits wiedcr Granula, Stitbchcnsplitter un(I gebliihte Kugelgebilde, andererseits lange, schlanke, stark o(ler I)laB gef~irbte Scheinf/iden oder dicke Schleifen und Schlingen jeden Farl)grades. Mehrfach trafen wir in letzter Zeit auf solchc X-Stihnme, die
in den ersten Subkulturen ncben den charakteristischen Kohmien (iberwiegend ganz diirftige, flaehe und klare Kolonien abspalteten; auf
Oleatagar zeigten diese St:~tmme die gro/3en typischen Kolonien
nach 48 Stunden mit zahlreichcn winzigcn Tochterkoh)nien besetzt.
Weite~ziichtung isolielt von bciden Kolonienatten fiihrte bald zu iihereinstimmenden, iippig und einheitlieh waehsenden Kulturen. Monatelange Fortziichtung fiihrt auch beim Ty 1) IV zu eincr Vereinheitlichung
und Verfeinerung der Sti~mme. Dai.~ sieh von frisehen Niihrt)5(len
gelegentlich alle vier Typen in Pasteurellaart f~irben lassen, ist naeh
neuesten Mitteilungen keine Eigenheit der h;,imoglohin()philen Bakterien (vgl. Epstein, Arch. f. Hyg. 1.922, Bd. 90, S. 136). Aueh dem
T y p IV eignet, wie sehon Pritchett und Slillma~t t)emerken, grol.~e Hin.
f~illigkeit; die Kulturen mfissen etwa alle zwei Tage abgeiml)ft wer(len.
Gemeinsam allen vier T y p e n ist die Wuchsform in Bouillon,
in der reines Bodensatzwachstum ohne Trtibung der fil)erstehenden
Fliissigkeit auftritt. Die Morphologie der Bouiltonkulturen entsl)rie.ht
den geschilderten Bildern der Stiimme auf festen Niihrl)ii(len.
Bcobachtet man Kulturen der verschiedenen Typen iil)er litngere Zeitliiume hin, so IM.It sich die enge ZusammengehSrigkeit der Typen I bis I I I
leicht erwciscn. Auf ol)timalen Niihrb6den gelingt miihelos dic Umztichtung der Pseudo- un(l extremen Pseudoformen zum T y p I. Abbildungen 4 und 5 zeigen eincn extremen Stature ([:1/22 E) auf Kochhlutagar
und gew/3hnlichcr BIutplatte, der schon nach uenigen Subkulturen allmiihliche Umwandlung und schlieBlich nach etwa 14 Tagen in der achten
bis zehnten Generation das Biht des echten Typs I (Abb. 6) aufwies. Aueh
P[ei//er2), dem bei den Nachziiglcrn der El)idemie die auffiillige Hiiufung solcher atyi)ischen Stitmmc mit langen Fii(len und ,,direkt monstrSsen, relativ kolossalen Formen, wie sie etwa den hekamlten Involutionsformen des Pestbacillus entsprechen", auffM, gliiekte es
1) S. Fu[lnote 2, S. 485.
2) S. Fullnote 4, S. 484.
508
W. Levinthal und II. Fernbaeh: Morphologisehe Studien
vielfaeh, solehe Sti~mme auf guten N~thrsubstraten in typische Formen
umzuwandeln. Anderseits gelang ihm ihre ktinstliehe Erzeugung auf
Blutagar mit Zusatz gewisser Salze, ~hnlieh wie bei den bekannten
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Extremer Pseudoihfluenzabacillus
( S t a m m 13/~2 f r i s c h ) . G e z i i c h t e t
Abb. 5. Derselbe wie Abb. 4, abet geztichtet auf g e w 6 h n l i c h e m Blutagar.
auf K o c h b l u t a g a r ; F i i r b u n g v e r d i i n n t e s
Carbolfuchsin. VergrSl~erung I : 1000.
Versuchen von Maassenl), der bei zahlreichen Bakterienarten entsprechende Bildungen, seine ,,teratologisehen Wuchsformen", durch
Zusatz yon Lithiumchlorid zum Niihr- , ~ .$
. ~ . ~ : r ~ ' . 4 . ~ , .~.
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boden kiinstlich hervorrufen konnte.
Aueh die Deutung, die P]ei/fer in
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seiner letzten Publikation den geschilderten
Beobachtungen gibt, ent- " .n~
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sprieht unserer oben bereits zum
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Ausdruck gebrachten Anschauung; er
sagt: ,,man k6nnte daran denken, in
dieser neu hervortretenden Neigung der
Influenzabaeillen zur Degeneration den
Ausdruek einer Sehi~digung zu erblieken,welehe die Baeillen in dem dureh
das Uberstehen der Epidemie modifiAbb. 6. Derselbe S t a m m 13/22_,zwei W o c h e n
sp~iter, nach U m w a n d l u n g in den echten
zierten Mensehenmaterial erleiden".
Influenzabacillus = T y p I . Geziichtet auf
Wie ebenfalls bereits oben ausK o c h b l u t a g a r ; F~irbung G e n t i a n a v i o l e t t .
Yergr613erung 1 : 100O.
gefiihrt, betraehten wir aueh den
.
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9
*
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z) Albert Maassen (Berlin), Die teratologisehen Wuehsformen (Involutionsformen) der Bakterien und ihre Bedeutung als diagnostisehes Hilfsmittel. Arb. a.
d. Reiehsgesundheitsamte 21, 385. 1904.
an Influenzabacillen und das ~ttiologische Grippeproblem.
509
h~molytischen Typ IV als ein Umwandlungsprodukt der P/ei]]erschen
Kokkobacillen unter dcr Einwirkung des infizierten Organismus. Wir
fassen ihn als die ftir den Rachen charakteristische Standortsvarietdt
auf. Doch liegen die Dinge hier nicht so klar auf der Hand, da die
Umformung erheblich weiter geht und den Rahmen, der die drei
ersten Typen umspannt, welt fiberschrcitet. Zwar haben wir in dem
hervorstechendsten Unterscheidungsmerkmal, der H~molysinbildung,
eine Eigenschaft kennengelernt, die wenigstens bei einigen unserer
St~mme durch lange fortgesetzte Umziichtung zum Schwinden zu bringen
war. Doch ist uns die Umwandlung bis zur echten Grundform noch nicht
gegltickt. Einen zweiten Unterschied des Typs IV gegeniibcr den nicht
h~molytischen Typen enthiillt die genaue Priifung der 1-I~moglobinophilie. Zwar wachsen unsere s~mtlichen X-St~mme auf gew6hnlichen
Agarplatten ebensowenig wie echte ][nfluenzabacillen, aber schon die
Aussaat auf 30proz. Ascitesagar l~Bt minimales Wachstum erkennen;
in Symbiose mit gelben Staphylokokken tritt in der Umgebung des
Ammenbakters diesc geringe Entwickelung sogar auf einfachem Agar
auf. Auch unsere ~ltesten Influenzast~tmme dagegen zeigen selbst auf
staphylokokkenbeimpften Ascitesplatten v611ige Sterilitiit. Es muB
einstweilen dahingestellt bleiben, ob nicht unter Umst~nden die Umwandlung der P/ei//erbacillen im menschlichen Organismus bis zu
ganz saprophytischen, nicht mehr h~moglobinophilen, also auf gew6hnlichem Agar wachsenden St~mmen gehen kann. Neu/eld und Papamarku 1) haben in einem Fall neben echten hamophilen St~bchen
einen solchen Stature mit hoher Agglutination durch Immunserum
isoliert. Uns lag es vorerst ob, die Stellung der X-Bacillen zu kli~ren.
So wurde der Versuch unternommen, durch serologische Priifung die
Frage d e r Zusammengeh5rigkeit der X-Bacillen und Grippest~bchen
zu entscheiden. Nach den oben mitgeteilten Untersuchungen, besonders
der amerikanischen Forscher, konnte ffir einzelne St~mme aus beiden
Gruppen eine Reaktion im kreuzweisen Agglutinationsversuch erhofft
werden, ohne da~ allzugroBe Erwartungen auf gesctzm~i3ige Resultatc
gehegt werden durften. In der Tat ftihrten miihevolle Untersuchungen
mit kreuzweiser Agglutination und im Abs~ttigungsversuch zu Ergebnissen, die durchaus charakteristisch ftir die ganzc Gruppc der
Influenzabacillen sind. Gearbeitet wurde mit drei Seren vom Kaninchen; das erste Serum I war durch Behandlung mit drei St~mmen,
darunter dem mehrfach erw~hnten Widalteststamm 77, dic s~mtlich
yon einem alten Immunserum bis zur Titergrenze agglutiniert wurden,
gewonnen und besal3 einen Endtiter yon 1 : 8 0 0 ; das zweite wurdc
hergestellt mit zwei anderen St~mmen vom Typ I, als Serum a bezeichnet, und besitzt fiir beide homologe St~tmme einen Titer von zirka
1) S. FuBnote 3a S. 456.
510
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
l i 2 0 0 0 , w~hrend heterologe Kulturen, die das Serum I bis zur
Ti~ergrenze beeinflul3t, zwar meist in sti~rkeren Konzentrationen komplette Zusammenballung zeigen, aber nur bis 1 : 4 0 0 - - 8 0 0 hSchstens
agglutiniert werden. Andererseits reagiert yon den beiden a-Sti~mmen
der eine mit Serum I garnicht, der andere nur 1 : 25 stark, 1 : 50 schwaeh
positiv. W~hrend die Mehrzahl unserer St~mme v o m T y p I----III von
beiden Seren, wenn aueh verschieden stark, agglutiniert wird, besitzen
wir einige wenige Kulturen, die m i t Serum I positiv, mit Serum a negativ reagieren, und ebenso ein paar Stiimme, die sieh umgekehrt verhalten. Mit einem Wort, sehon die Verwendung dieser beiden InfluenzaI m m u n s e r a besti~tigt die serologische Iteterogenit~t der Art, wie u. a.
die amerikanischen Autoren sie schildern. Sehlieltlieh wurde durch
Vorbehandlung mit zwei X-St~,mmen, W. L. X und K. W. X, ein Serum
vom Kaninchen gewonnen und zuerst festgestellt, da$ yon den beiden
homologen Kulturen K. W. fiberhaup$ niche, W. L. bis 1 : 800 schwaeh,
bis 1 : 100 fast k o m p l e t t agglutiniert wurde. Von anderen X-St~mmen
verhielten sich die einen mit diesem Serum X wie W. L., andere wie K, W.
Aber sowohl diese positiven wie die negativen Sti~mme ergaben mit dem
Serum I schwach positive Reaktion, nicht dagegen m i t dem Serum a.
Andererseits ist das Serum X vSllig wirkungslos fiir fast alle Influenzastiimme mib der interessanten Ausnahme des extremen Stammes 42
(Abb. 1), der v o m Serum I nur minimal, v o m Serum a gar nieht, yore
Serum X dagegen bis 1 : 100 agglutinier$ wird.
Fassen w i r diese kreuzweisen Agglutinationsversuche zusammen,
so l~$t sieh sagen: soweit serologische Untersuchungen an P/ei//erbacillen iiberhaupt Schliisse zulassen, zeigt sich eindeutig die ZusammengehSrigkeit aller vier Typen zu einer Bakterienspecies.
Dagegen waren die Abs~ttigungsversuche v511ig unbefriedigend;
bei allen drei Seren banden St~mme aus beiden Gruppen, echte und
h~molysierende, immer nur die Agglutinine fiir sich selbst, n i c h t einreal ffir andere gleich stark agglutinierende Sti~mme desselben, geschweige fiir solehe v o m anderen Typ.
Ganz im Sinne der Agglutinationsversuehe konnte dagegen
schlieBlieh noeh ein Beweisstiiek fiir die Artgleichheit yon Influenzasti~bchen und X-Bacillen beigebracht werden.
I n For~setzung seiner Studien fiber den ,,Satellitismus" hat Davis z)
in der Beobachtung dieses Symbiose-Ph~nomens ein Mit~el zur Klassifikation der hamophilen Bakterien entdeckt. Er ste]lte zuerst eiflmal
lest, daI3 das Ph~nomen der sog. Riesenkolonien durch Verwendung
aller Bakterienarten, pathogener wie saprophytischer, h~molysierender
1) David J. Davis (Chicago), V. The value of the satellite (or symbiosis) phenomenon for the classification of hemophilic bacteria. Journ. of inf. diseas. 29, 187.
1921.
an Influenzabacillen-und das ~tiologische 9
51 I
wie nichth~molytiseher, hervorgerufen wird; zu solchen Ammenbakterien gehSren auch andere h~mophile Bakterien, wie die yon Border,
Morax-Axenfeld, Ducrey, die ihrerseits das Ph~nomen des t~iesenwaehsturns dureh Symbiose mit anderen Bakterienarten nicht zeigen. Also
ist das Ph~nomen spezifiseh ffir InfluenzabaeiUen. Aber weiter zeigte
Davis, dal~ eine einzige Bakterienart aueh bei Influenzabacillen kein
t~iesenwachstum auszulSsen vermag, n~mlich Influenzabacillen selbst,
auch St~mme yon serologisch und biochemisch differentem Charakter.
Mit diesen beiden Merkmalen, dem Auftreten yon Riesenkolonien
durch Ammenbakterien oder (s. oben) vitaminSse Extrakte aus tierisehen und pflanzliehen Geweben und dem UnvermSgen, selbst als
Ammenbakterien fiir echte Influenzabacille~ zu dienen, ist also ein
Mittel der Klassifikation der P]ei]]erspeeies gegeben.
Die scheinbare Ausnahme, die Davis mit Stiimmen der Koch.Weeksschen
Conjunctivitis land, erschii~tert nicht die bedeutsame Feststelluhg. Denn oftenbar hat der Forscher gar nicht den Koch-Weeksschen auf Ascitis wachsenden Bacillus, sondern St~mme yon Influenzaconjunctivitis in dcr Hand gchabt. Zaghaft
sagt er selbst: ,,several strains of bacilli from the conjunctivitis, which, I think,
commonly would be called Koch-Weeks."
Und mit diesem Mittel haben wir Influenzabaeillen der Typen
I und I I einerseits und X-St~mme andererseits wechselseitig auf Pferdeblutagar geprfift und festgestellt, dab erstens alle diese St~mme gleichm~l]ig, z . B . dureh gelbe Staphylokokken als Ammenbakterien, das
Satellitismusph~nomen aufweisen, zweitens aber dies Ph~nomen der
Riesenkolonien bei den Influenzast~mmen nicht dutch die X-St~mme,
und bei diesen nicht dureh die ersteren zu erzeugen ist.
Es daft also das Kapitel mit dieser Zusammenfassung abgesehlossen
werden: Es konnten aul~er den echten kokkoiden Grippest~behen drei
weitere morphologische Typen yon Influenzabacillen, die Pseudoform,
die extremen Pseudobaeillen und die h~molysierenden X-Baeillen aufgestellt und als Varianten einer einheitlichen Species dargetan werden.
Die Umzfichtungsversuche beweisen, daI~ die Typen I I und I I I nur
labile Variet~ten, Typ IV, die X-BaciUen, vieUeicht eine Dauermodifikation darstellen. Die H~ufung solcher Befunde in der letzten Zeit
im Einklang mit den ~lteren Beobachtungen Levinthals legt die Deutung nahe, dab es sich bei diesen Formen um Ergebnisse yon Immunit~tsvorg~ingen i m durchseuchten Mensehenmaterial, zum Tell auch um
spezifische Einwirkungen eines bestimmten Milieus, z. ]3. des Rachens
ffir die X-Bacillen, handelt, Verh~ltnisse also, die ein Gegenstfiek zu
dem Kapitel der Diphtheriebaeillen und der Diphtherioden darstellen.
u Epidemiologisch.~itiologisehe Sehlul]betraehtung.
Aus dem Material der vorhergehenden Kapitel haben sich uns
folgende Tatsaehen ergeben: Der P/ei]]ersche Influenzabaeillus fin-
512
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
det sich als der regelmi~l~igste Mikrobe bei Fallen der epidemisehen
Grippe, und zwar, wie die Sektionen beweisen, vor allem auf den entziindeten Schleimh~uten der Atemwege, in den Lungen und nieht ganz
so h~ufig in den region~iren Lymphdriisen. Weiterhin jedoch begegnet
ihm der Untersucher zu einem hohen Prozentsatz bei Pa~ienten aknter
Infektionskrankheiten mit Beteiligung der Atmungswege, und dariiber
hinaus lassen sich unter Gesunden zahlreiche BacillentrSger ermitteln.
Diese Verbreitung des Keimes erseheint in Abh~ingigkeit yon der Ausdehnung und Dauer der Epidemic und geht immer starker hervortretender 5[eigung, in atypisch-degenerierten Umwandlungsformen aufzutreten, parallel. Und diese Labilit~t einerseits, die grofie Zahl solcher
Keimtr~ger und Dauerausscheider andererseits sprieht fiir eine geringe
Pathogenit~t des weitverbreiteten Mikroben. So ist es klar, und wir
befinden uns hier durchaus in Ubereinstimmung mit den Kritikern der
P]ei[/erschen Lehre, daI~ der Bacillus ohne weiteres nicht als Prim~rerreger der Seuche angesprochen werden kann. Um ihm seine Bedeutung fiir den Krankheitsprozel] z u geben, muI~ noch ein weiteres
Moment hinzukommen.
Man hat die LSsung dieses Geheimnisses auf zwei Wegen versucht:
Die einen haben dem Keim jede ~tiologische Bedeutung fiir die epide~
mische Influenza abgesproehen und ihn zu einem Misehinfizienten,
dem vielleicht wichtigsten Trabanten eines noch unbekannten Primer.
erregers, degradiert; die anderen betrachten ihn auch weiterhin im Sinne
der P]ei]/erschen Lehre als das bakterielle Substrat der Seuehe, das
jedoeh nut in einer hochvirulenten Mutation jenen Grad yon Pathogenitiit und Infektiositi~t besitzt, der fiir die Krankheit charakteristiseh ist.
Es ist bekannt, dal~ die Mehrzahl der Forscher aus der ersten Gruppe
sich niCht mJt einem resignierten ,,Ignoramus" zufrieden gab und das
unbekannte Virus der Seuche unter der Gattung jener kleinsten :pathogenen Lebe~vesen, die Filterkerzen passieren, aufzuspiiren unternahm. Auf zwei Fi~hrten versuchte m a n , einem filtrablen Virus beizukommen; einmal im Infektionsexperiment an Mensch und Tier mit
filtrierten E x k r e t e n u n d Organextrakten Erkrankter, und andererseits
mit mikroskopischen und kulturellen Studien an solchen Filtraten.
Die reinen Infektionsversuche (Kruse, Selter, Friedberger und Konitzer,
P. Schmidt, Moreschi, Micheli und Satta, da Cunha und Mitarbeiter,
Yamanouchi und Mitarbeiter, Li~ter und Taylor, Wahl und Mitarbeiter, Nicolle und Lebailly, Fe]es und andere an Menschen oder bei
Affen), wie sie das l~eferat yon Levinthal ausffihrlich darstellt und
wiirdigt, kSnnen hier mit der Zusammenfassung fibergangen werden:
es konnte zum Beweise einer Grippe erzeugenden Substanz im Filtrat
nichts beigebraeht werden, was der Kritik standhi~lt. Auch die mikro-
an Influenzabacillen und das ~ttiologische Grippeproblem.
513
skopischen und kulturellen Untersuchungen (v. Angerer, Leschke, Binder
und Prell, sowie Prell) zerpfliiekte die Kritik (Prausnilz, Wade und
Manalaing, Paschen, Olsen,. Keegan und andere) (vgl. a. a. Orte): Dagegen verdienen ein paar englische und amerikanisehe Arbeiten ein.
gehendere Stellungnahme. Bei der Armee in Frankreich traten Gibson,
Bowman und Connor 1) bereits 1918 und 1919 mit der Mitteilung hervor, es sei ihnen mit :Filtraten yon Sputum und Blut Grippekranker
i nuerhalb tier ersten drei K~ankheitstage die Infektion yon Allen,
Kaninchen, Meerschweinehen und M~usen gegliickt, die naeh sechst~giger (!) Inkubation leicht fieberhaft mit geringen Krankheitserschcinungen, z. B. Conjunctivitis (bei subconjunctivaler Injektion!),
Appetitlosigkeit oder DurchfaU fiir wenige Tage erkrankten und
wieder genasen. Wurden sie jedoch am dritten Tage der Krankh e f t getStet (Beispiel: ein Affe mit Durchfall am siebenten Tage nach
der Infektion), so zeigte die Sektion Kongestion der Trachea, dunkelrote Flecken in den Lungen ohne Bronchopneumonie bei normalen
Pleuren und hamorrhagisches :Exsudat in den Lungen. I~aeh Passage
durch drei Kaninehen, die zu einer Virulenzsteigerung fiihrte, gelang
aus der :Niere in Aseites nach der streng anaeroben Methode Fosters
oder Nog~chis die Ziichtung winziger gramnegativer kokkoider Gebilde,
die bis zur dritten Generation fortgezfichtet werden konnten. Mit
solchen Kulturen infizierte Kaninchen blieben zwar frei yon I~rankheitserscheinungen, aus ihrer Niere konnten jedoch am siebenten Tage yon
neuem die besehriebenen Kugelk/Srperehen kultureU nachgewiesen werden. Und endlich gelang eine solche Ziichtung nicht nur aus filtrierten
Lungenextrakten, sondern auch direkt aus Filtraten menschlichen
Sputums. Die Autoren demonstrierten ihre Kulturbefunde und Pr~parate Wilson, der mit Bradford und Bash]oral2) ~hnliehe Untersuchungsergebuisse publiziert hatte; und dieser best/~tigte die IdentitS~t der
Befunde Gibsons und seiner eignen. Nun haben aber kurz darauf
die letztgenannten Autoren ihre Mitteilungen im unmittelbaren AnschluB
an eine experimentelle Widerlegung durch Arkwrigh~3) zuriiekgezogen.
1) H. Grae~neGibson, F. B. Bowman and J. I Connor (Abbeville, Frankreieh),
A filtrable virusas the cause of the early stage of the present epidemic of influenza.
Brit. reed. ~ourn. 1918, S. 645. - - Dieselben, The etiology of influenza. A filtrable
virus as the cause, with some notes on the culture of the virus by l~oguchi's method.
Ebenda 1919, S. 33L
~) Sir John Rose Brad]oral(Frankreich), A communication on a ,,filter-passing"
virus in certain diseases. Brit. med. journ. 1919, lqr. 3046, S. 599. - - E. F. Bash]ord, The experimental reproduction of influenza, nephritis and encephalitis.
Ebenda S. 601. -- J. A. Wilson, The bacteriology of certain filter-passing organisms.
Ebenda S. 602.
3) j. A. Arkwright (Lister-Institute), A criticism of certain recent claims to have
discovered and cultivated the filter-passing virus of trench fever and of influenza.
Brit~. med. journ. 19] 9, Nr. 3(~60,S. 233. Mit Noten yon Brad]ord und Wilson, S. 236.
514
W. Levinthal und H. Fornbach: Morphologische Studien
Auf diese ,,extraordinary retraction" nehmen auch B r a n h a m und
Hall 1) in Chicago bezug, die im Winter 1919/20 mit der gleichen Noguchimethode unter Verwendung verschiedener Ns
Zfichtungsversuehe mit Rachenwaschwasser von gewShnlichen Erks
echter I n f l u e n z a u n d Gesunden unternahmen und zeigten, da~ bei Gebraueh yon Kaninehenniere nieht nnr bei jeder Art von Ausgangsmaterial, sondern auch in allen unbeimpften KontrollrShrchen na~h
einigen Tagen bei klarbleibender iiberstehender Flfissigkeit fiber
dem Organstfick am Boden eine feine Trfibung auftritt, die aus
den gesehilderten Granulis, auch in H~ufchen- und Kettenlagerung,
besteht. Hall und seine Mitarbeiterin deuten diese Gebilde als Kunst10rodukte, wahrseheinlich infolge der Gewebsautolyse, und mahnen zur
Vorsicht.
Die Schilderung jener zarten Trfibung und ~hn]icher mikroskopischer Befunde finder sieh wieder in MiSteilungen yon Olitsky und
Gates') am Rockefeller Xnstitut, deren Arbeiten jedoeh weit fiber die
erw~hnten an Umfang, Exaktheit und Bedeutung hinausgehen. Ein
Gegenstfick zu diesen Studien, eine Publikation des durch seine Encephalitisforsehung bestens beglaubigten Loewe mit Z e m a n (Journ. of the
americ, reed. assoc. 76, 15. 1921) war uns bisher nicht zug~nglieh. Dagegen
liegen die Mitteilungen yon Olitsky und Gates bis zur siebenten Fortsetzung vor und stellen heute bereits ein Material dar, an dem man nicht
mehr voriibergehen kann.
In einer ersten Serie von Versuehen schufen sieh die Autoren ib_re
Experimentalmethode und studierten die klinischen und pathologisehen
Yeranderungen am Tier der Wahl, dem Kaninchen, naeh intratrachealer
Injektion un]iltrierter Nasen-Rachenwasehwasser yon ffinf Influenzakranken der ersten (1918/19) und yon drei Patieriten der zweiten (1920)
Seuehenwelle. I n sieben yon diesen acht F~llen, in denen Material
iImerhalb der ersten 36 Stunden des Anfalles entnommen war, ffihrte
die Injektion zu einem charakteristischen Krankheitsprozel], wEhrend
in spEteren Stadien, ebenso bei Gesunden u n d bei nichtgrippSsen Prozessen, der Atemwege sieh ausnahmlos negatives Resultat ergab. Die
Erkrankung des Tieres beginnt naeh 24 48 Stunden und zeigt Tem-
1) Sara E. Branham and Ivan G. Hall (Chicago), Influenza studies. III. Attempts
to cultivate filtrable viruses from cases of influenza and common colds. Journ. of
inf. diseas. 28, 143. 1921.
~) Peter K. Olitsky and Frederick L. Gates (New York), Experimental studies
of the nasopharyngeal secretions from influenza patients. Journ. of exp. reed. - I. Transmission experiments with nasopharyngeal washings. 33, 125: 1921. - II. Filterability and resistance to glycerol. Ebenda S. 361. - - III. Studies of the
eonourren~ infections. Ebenda S. 373. - - IV. Anaerobic cultivation. Ebenda S. 713.
V. Bacterium pneumosintes and concurrent infections. 34, I. 1921. - - VI. Immunity reactions. 3-~, 1. 1922. - - VII. SerologieM reactions. Ebenda S: 553.
an Influenzabacillenund das ~tiologische Grippeproblem.
515
peraturerh6hung um etwa 1 ~ C, Sehlaffheit, gestr~ubtes Haar und
Conjunctivitis. Das Hauptsymptom sehen die Autoren in einem
starken Abfall der mononucle~ren Leukocyten, also einer Lymphopenie.
Die Dauer tier Erkrankung betr~gt etwa drei Tage, dann kehrt das Tier
zur Norm zuriiek. Wird es auf der HShe des Anfalles get6tet, so finden
sich ausschlieBlich Affektionen in den Atemorganen, und zwar Lungen5dem und -emphysem, sowie ein bunt h~tmorrhagisehes Bild mit Petcchien, millimeterbreiten Flecken oder fiber breite Tefle eines Lappens
sich erstreckenden Feldern. Die Pleuren sind frei. Mikroskopiseh
zeigen sich die Alveolen yell koagulierten Serums, Erythrocyten, mononuele~ren und pseudoesinophflen Leukocyten und desquamierten Epithelien. I n den Interalveol~rsepten besteht Infiltration mit einkernigen
Zellen. Die Bronchien sind ebenfalls yon retch und weiBen Blutzellen
und degenerierten Epithelien effiillt, die Capillaren blutreich. Die
gew.Shnlichen aeroben und anaeroben Kulturen bleiben steril.
Den reproduzierten Symlotomenkomplex und sein pathologischanatomisches Korrelat betraehten die Autoren als den Typ des reinen
und unkomplizierten lnfluenzaanfalles. Und dab diese Kaninchengrippe wirklich die Folge einer eehten Infektion durch ein Contagium
animatum ist, beweisen sic durch Fortffihrung der ,,aktiven Substanz"
in langen Serien yon Tierpassagen dureh Inokulation mi~ Lungen.
gewebe der infizierten Kaninchen. Weiterhin konnten nun die gleichen
Effekte mit Berke]eld/iltraten des Ausgangsmateriales beim Kaninchen
und Meerschweinchen erzielt werden, ws
sich der Affe auffMligerweise als refrakt~r erwies. Weder dureh intratracheale noch subconjunctivale Injektion der Filtrate oder dutch Kombination beider Versuche konnten Rhesusmakaken infiziert werden, im Gegensatz zu
den zitierten Versuchen yon Nicolle und yon den Engls
In
50%igem Glycerol bewahrte das Material seine Infektiosit~t bis zu
9 Monaten.
SehlieSlich gelang ans den Lungen infizierter Tiere, sp~ter aus den
Filtraten yon Rachenwaschwasser frisch erkrankter Personen in sechs yon
elf F~llen, dagegen aus sp~teren Stadien nur einma148 Stunden nach dem
Beginn des Anfalles, nie aus Sektionsmaterial und in zahlreiehen Kontrollversuchen mit menschlichen und tierischen Substraten nach der
Noguehimethode die Ziichtung eines 0,15---0,3/~ groBen, gramnegativen,
gut mit LSfflers ]Kethylenblau farbbaren, baeilloiden Gebildes yon
monomorphem Habitus, meist solit~r,, oft in Diploform, gelegentlich
in kurzen Ketten gelagert. Die Mikroorganismen sind filtrierbar und
gedeihen in Symbiose mit gew6hnliehen Bakterien, vor allen Influenzabacillen, Pneumokokken,, Streptokokken und S~aphylokokken. Halbstiindige Erhitzung auf 56 ~ C tStet sie ab, dagegen halten sie sich bei
Zimmertemperatur in Massenkulturen bis zu sechs Monaten. 1Ki~solehen
Zeitschr. f. Hygiene. Bd, 95.
34
516
W. Levinthal und H. Fernbach: !~I0rphologische Studien
Kulturen konnten ganz die gleiehen Infek~ionsresultate gewonnen
werden, wie oben geschildert.
Die durch solche intratracheale Infektion gesetzte Seh~digung der
Lunge macht diese empf~nglich f/Jr sonst bei gleichera Infektionsmodus nieht pathogene Keime, z. B. l~leumokokken und Influenzabacillen, ganz gleieh ob das ,,Infhmnzavirus" in Gewebsffltraten oder
Reinkul~uren gegeben wird. Diese Feststellung finder ihr Gegenstiiek
in der Influenzapathogenese des Menschen; sie w~u'de bestimmend fiir
die Bezeichnung des Keimes als Bacterium pneumosintes (yon ~e~tzeo~ ~--Lunge und ol~,er ---- Verwiister, Sch~dling).
Der letzte bisher publizierte Tell der Studien yon Olitsky und Gates
weist erstens naeh, dab Tiere naeh einmaliger Infektion gegen Reinfektionen manehmal his zu 14 Monaten immun geworden sind, und benutzt diese Feststellung im kreuzweisen Infektionsversueh noeh einmal zum Naehweis der Identitgt jener krankmachenden Substanz im
Raehensekret Influenzakranker, im Lungengewebe infizierter Kaninchen und des Bacterium pneumosintes in Reinkul~ur. Zweitens abet
konnte mit dureh Gates (Journ. exp. reed. 35, 635. 1922) modifizierter
Kult~rmethode der Keim i n eine~ Form geziichtet werden, die seine
Verwendung als Antigen fiir serologisohe Reakbionen gestattet. So
wurden im Serum eines dureh ftinfmalige Injektion in 5--Tt~gigen
Abst~nden mit l~einkultur immunisierten Kaninchens Agglutinine,
Pr~eipitine, komplementbindende Antik6rper und Bakteriotropine im
Phagoeytoseversueh mit der Neu]eldmethode naehgewiesen. Die Serie
dieser wich~igen Mitteilungen sehlieB~ mit einer bedeutungsvollen Tabelle; diese zeigt im Gegensatz zu drei negativen Normalkaninchenseren nicht nur den hohen Agglutinationstiter des immunisierten
Tieres, sondern auch positive Reaktion, wenn aueh sehw~cher, im Ser u m zweier Kaninchen naeh dem einmaligen In/el~tionsanfall. Hier
mull die weitere Forschung ankniipfen.
Es m/issen sich im Serum yon Influenzakranken und -rekonvaleszenten die gleichen Antik6rper naehweisen lassen. Die Seuchenwelle
des letzten Frfihjahres wird auch in Amerika das langere Zeit entbehrte
Untersuchungsma~erial geliefert haben.
Ob sehlieBlich etwa Infektionsversuche ~m Menschen mit friseher
Reinkultur gewagt werden dfifften und zu andern Ergebnlssen fiihren
wiirden, als die oben erw~hnten negativen Experimente mit Ffltraten,
b]eibe dahingestellt.
VorlEufig daft nieht iibersehen werden, daB, abgesehen yon dem
noeh geringen Material, das gesehilderte Krankheitsbfld beim Kaninehen
kaum dem entsprieht, was wit beim Menschen Influenza nennen. Wir
m/i{]t~n umlernen; Ms Influenza vera d/irfte nur ein ganz leichter und
transitoriseher Infekt mit katarrh~lischen Reizersehcinungen und un-
an Influenzabacillen und d~s ~tiolo~isehe Grippeproblem.
5]7
b e s t i m m t e m Krankheitsgef~hl, ]eiehtem Fieber und starker L y m p h o penie bezeichnet werden; alles andere, Bronchitis mit Hust~n und
Auswurf usw., w~re auf K o n t o einer Misehinfektion zu setzen, der das
lungenseh~digende Bacterium pneumosintes den Weg bahnt.
N u n muB daran erinner~ werden, dab die gleiehe Wirkung einer
F6rderung nicht n u t experimenteLler, sondern such spontaner Misehinfektionen bei Kaninehen und Meersehweinehen dureh das Toxin yon
!nfluenzabaciUen erzeugb werden konnte. Zitate soleher Versuehe finden
sich z.B. bei Fildes und Macintosh1), die auBerdem m i t dem Influenzabacillen-Toxin allein bei intraven6ser Applikation ein viel grippeartigeres Lungenbild hervorrufen konnten, als Olitslcy und Gates mit
ikrer briisken Infektionsmethode.
Und weiter daft nicht vergessen werdsn, dab es zwei anderen amerikanischen Forsehern, Blake und Cecil2), gelungen ist, an Affen m i t
Reinkulturen des P]ei[]erschen Influenzabacillus einsn KrankheitsprozsB zu erzeugen, der mit kiirzestsr Inkubation, Fiebsr und starker
Leukopenie, bei Infektion yon der Nass und dem Munde aus - - start
der gewaltsamen intratrashealen Insufflation - - mit descendisrenden
Entziindungserscheinungen der Trachea, der Bronchien und gelegentlich der Lungen vislmehr unseren Begr/ffen von Influenza entspricht
als das Kaninehensyridrom yon Olitslcy und Gates. D i e pathologisehanatomischen Sehilderungen vollends, dis Cecil und Blake') geben,
entsprechen mit H~morrhagisn, 0 d e m , E m p h y s e m und peribronehialer
zelliger Infiltration, auch ohne Hilfsinfektion sines filtrierbaren Virus,
ganz dem pathol0gischsn Bilds der mensehHchen Grippe. Aber such
bei Blake und Cecil, deren viel zitierte Arbeiten l~ngst Gemeingut der Influenzaforschung geworden sind, genfigte nicht die Verwendung einer
srstbesten P]ei]]erkultur. Vielmehr muBte einer solchen durch komplizierte Tierpassagen der ausreichende Grad yon Virulenz erst angeziichtet
werden. So geben diese Versuehe der eingangs dieses Kapitels formuHerren zweiten Hypothese eine wiehtige experimentelle Basis. Diese
Hypothese, zu deren Verfechter sich s u c h das srw~hnte Refsrat yon
Levinthalt) gemaeht hat, k o m m t m i t dem Irdluenzabaeillus als Etiologischem F a k t o r der Grippe aus unter der Annahme einer zeitweise
hochgesteigerten Virulenz, dis wiederum raseh verlorengehen kann.
1) Paul Fildes and James 2~1acIntosh(England), The aetiology of influenza.
Brit. journ, of exp. pathol. 1, 119 u. 159. 1920. Ref. Ber. lib. d. ges. Physiol. 3, 548.
2) Francis G. Blalceand Russel L. Cecil (Washington), Studies on experimental
pneumonia. IX. Production in monkeys of an acute respiratory disease resscmbling
influenza by inoculation with bacillus influenzae. Journ. of. exp. reed. 32, 691.
1920.
3) Cecil and Blake, X. Pathology of experimental influenza and of bacillus influenzae pneumonia in monkeys. Ebenda S. 719.
4) S. Fuf3note 1 S. 457.
34*
518
W. Levinthal und H. Fernbach: Morphologische Studien
Diese Virulenzlabflit~t finder ihr morphologisches Gegenstfick in der
mitgeteilten Typenvariabilit~t. Auch Blake und Cecil konnten zeigen,
dab ihr hochgeziiehteter Stature Sehon nach ffinfmaliger Passage kfinst.
licher Iq~hrb~den jede Virulenz restlos einbiiflte. Dagegen geniigte
bei Cecil und SteHen 1) schon einmalige Passage dureh einen Allen,
um einen Influenzastamm wenigstens insoweit infektionstfich~ig f fir
eine kleine Reihe yon Versuchen am ~/Ienschen zu machen, dal] dutch
mtranasales Eintr~ufeln kleinster flfissiger Kulturmengen nach ganz
kurzer Inkubation ein zwar fieberloses, aber - mit Schw~che, Kopfschmerz, Rfickenschmerz, Bruststichen, Conjunc~ivibis, Rhinitis, Pharyngitis, Tracheitis mucopurulenta und Leukopenie durchaus grippSses
Syndrom yon mehrt~giger Dauer hervorgerufen werden konnte.
Durch diese Laboratorinmsexperimente sowohl ats aueh durch unsere
morphologisehen Beobaehtungen hat die Anschauung v o n d e r Labilit~t
der Virulenz bei Influenzabaeillen eine tragf~hige Grundlage erhalten.
Was die Hoehziichtung des Erregers im geschicI~tlic~en Werden und Entstehen der Seuche betrifft - - ein Problem, das ffir ein filtrables Virus
ebenso gelten wfirdc , so mfissen aUe Erkl~rungsversuche yon der Tatsaehe ausgehen, dab die Kra.n~beit bei uns endemisch is~, yon Zeit zu Zeit
kleinere Epidemien hervorruf~ und nur in gewissen Zeit~bst~nden
gewaltige pandernische Ausbreitung ertangt, die nieht schlagartig fiber
die Menschheit hereinbricht, sondern allmahlich aus ihrem Heimatboden in den Kul~url~ndern emporw~chst, wie die Gesehiehte yon
1914 1918 es lehrt. Dabei miissen Immunit~tsvorg'~nge, beruhend
auf der allgemeinen Durehseuchung, vielleicht auch eine Auswahl der
Widerstandsf~higen, eine bedeu~ungsvolle I~olle Sl~ielen, wenn auch sieher
nicht im Sinne e~nm~liger absoluter Immunisierung durch eine Pandemie. [Vgl. Neu]eld~).]
Es sei erlaubt, zum Sehlusse die Hypothese bier zu zitieren,
die sieh dem einen yon uns (L.) aus dem ganzen Material seines Re.
ferates aufgedr~ng~ hat:
,,Nun berichten effahrene Tropen~rzte
fibereinstimmend, dab sie unter der einheimisehen BevSlkerung hie.
reals influenzaar~ige Erkrankungen beobaehtet haben; ieh daft reich
auf F. K. Kleine, Claus Schilling, Taute berufen. Und sehlieBlieh f~llt
auf, dab alle Sehilderungen fiber die Pandemic yon 1918--1920 in
Tropenl~ndern dahin iibereinstimmen, dal3 hier die Wirkung der Seuche
geradezu verheerend gewesen sei: ,Es war ein grebes Sterben', sagt
Tautei ,dutch die Eingeborenenl~nder fegte die Plage wie ein Feuer',
sag~ der medizinische NIitarbeiter der Time~. Derselbe Gew~hrsmann
1) Russel L. Cecil and Gustav L ~teH~n (Washington), Acute respiratory in.
fection in man following inoculation with virulent bacillus influenzae. Journ. ot
inf. diseas. ~8, 201. 1921.
3) S. Fu~aote 3c S. 456.
an Influenzabacillen und das litiologische Grippeproblem.
519
berichtet, dab auf Samoa 80 % der braunen Bev61kerung der Seuche
zum Schlachtopfer gefallen seien, dab eine grofle Zahl yon Indlanern
in Amerika ihr Leben eingebiif~t habe, dab Neuseeland heftig befallen war; das entsetzliche Wiiten der Pandemie in Indien wnrde schon
oben erw&hnt. Das legt den Gedanken nahe, daI~ wir die Hochziichtung des Virus dem Umstande zuzusehreiben haben, dab die sehwarzen
und braunen I-Iilfsv61ker der Entente attf europ&ischem Boden mit dem
bier endemisehen Virus in Bertihrung gekommen und mit ihrer unverminderten Emp~&ngliehkeit der N~hrboden fiir die hoehvirulente F o r m
des Erregers geworden seien. Wir h&tten hier also ein Gegenstfick ffir das
bekannte epidemisehe Bild der Masern auf den Far6er Inseln. Die Herktm/~ d e r ~lteren Influenzapandemien aus fernen L~ndern wiirde dann
ein Trugsehlul] sein. In Wahrheit w~re die Krankheit yon Europa aus
jedesmal erst in diese v611ig grippefreien Gegenden eingeschleppt worden, um als fiirehterliches Gastgesehenk yon d o r t zuriiekzukommen."
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