downloaden - Barmherzige Brüder

Werbung
CHEERS
CHANCEN HÖRGESCHÄDIGTER AUF
EINEERFOLGREICHE SCHULISCHE ENTWICKLUNG
eine studie
gefördert von
der gesundheitsabteilung des
landes oberösterreich
und dem
fond gesundes österreich
durchgeführt vom
institut für sinnes- und sprachneurologie /
gesundheitszentrum für gehörlose,
kh der barmherzigen brüder linz
unter der leitung von
dr. daniel holzinger
Unser Dank gilt den subventionierenden Stellen, den Lehrern des SPZ für Sinnesbehinderte
sowie der LLHS (Leitung Prof. Schögl), allen Lehrern der in den Regelschulen integrierten
hörgeschädigten Kinder, den Mitgliedern des Studienaufsichtsrats, dem Landesschulrat OÖ und
in besonderer Weise allen Kindern und ihren Eltern für ihre engagierte Teilnahme. Erst in diesem
Zusammenwirken wurde es möglich, dass nunmehr umfassende Ergebnisse aus vielfältigen
Informationen vorliegen.
Die derzeit vorliegenden Ergebnisse stellen einen Zwischenstand der Datenauswertung dar und
werden laufend ergänzt.
Dr. Daniel Holzinger
Inhalt
1. Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren Schulen? .................................................... 1
Zielgruppe: .................................................................................................................................... 1
Kontaktaufnahme mit den betroffenen Familien:....................................................................... 1
Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren Schulen? (Beschreibung der Stichprobe) 1
Übertragbarkeit der erarbeiteten Daten (Repräsentativität der Stichprobe) ........................... 1
Allgemeine Eckdaten der hörgeschädigten Kinder (Demographische Daten) .................... 2
Hörstatus ................................................................................................................................... 3
Schulformen .............................................................................................................................. 5
Wie sehr treffen unsere Aussagen auf alle hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich
zu? ........................................................................................................................................... 10
2. Untersuchungsbereiche und Ergebnisse ................................................................................. 12
Wie ist die Lebenssituation der hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich? ................... 13
Hörgeschädigte Kinder und Familie...................................................................................... 14
Hörgeschädigte Kinder und Schule ...................................................................................... 17
Hörgeschädigte Kinder und Gesundheit .............................................................................. 21
Methoden zur Spracherhebung – Beschreibung der einzelnen Testverfahren .................... 25
Sprachverwendung .................................................................................................................... 30
Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren zur Spracherhebung ............................................ 31
Zusammenfassende Ergebnisse zur Lautsprachentwicklung hörgeschädigter Schulkinder
in OÖ ........................................................................................................................................... 40
Schulische Leistungen ............................................................................................................... 42
Schulische Leistungen - Lehrerangaben .............................................................................. 43
Schulische Leistungen - Allgemeinwissen ........................................................................... 45
Wie geht es den hörgeschädigten Kindern in unseren Schulen? .......................................... 46
Methoden zur Erhebung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Kinder ............ 47
Resultate aus den Eltern- und Lehrerangaben .................................................................... 49
Ergebnisse aus dem SDQ-Fragebogen zu Stärken und Schwächen des Kindes ............ 52
Ergebnisse aus dem psychiatrisch diagnostischen Interview DIPS................................... 58
Ergebnisse aus dem ILK Fragebogen zur Lebensqualität der Kinder ............................... 59
Ergebnisse aus dem Aufmerksamkeitsfragebogen FBB-HKS ........................................... 62
Ergebnisse aus dem Fragebogen zur elterlichen Stressbelastung PSI ............................ 63
Ergebnisse aus dem Soziometrischen Test ST3-7 ............................................................. 64
Zusammenfassende Ergebnisse zu seelischem Wohlbefinden und Lebensqualität ....... 65
3. Empfehlungen ............................................................................................................................ 66
4. Studienaufsichtsrat .................................................................................................................... 70
5. Finanzierung............................................................................................................................... 71
6. CHEERS Projektteam ............................................................................................................... 72
1. Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren
Schulen?
Zielgruppe:
Zielgruppe der Querschnittuntersuchung waren alle zumindest mittelgradig schwerhörigen Kinder
(Hörschwelle ≥ 40 dB am besseren Ohr) imPflichtschulalter (1. – 9. Klasse) in OÖ.
Kontaktaufnahme mit den betroffenen Familien:
Ausgangsbasis für die Einladung zur Teilnahme an der Studie stellten eine Schülerliste des
Sonderpädagogischen Zentrums für Sinnesbehinderte in Linz sowie die Schülerliste der
Landeslehranstalt für Hör- und Sehbildung dar. Mit Unterstützung des Landesschulrats für OÖ
sowie der genannten schulischen Zentren erfolgte im Herbst 2003 die Einladung der betroffenen
Familien. Im Jahr 2004 wurde die Einladung an alle Familien, die sich noch nicht angemeldet
hatten, wiederholt.
Schließlich konnten als Grundlagen einer Repräsentativitätsuntersuchung, auch die Eckdaten der
Kinder, die nicht an der Studie teilgenommen hatten, in anonymisierter Form erhoben werden.
Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren Schulen?
(Beschreibung der Stichprobe)



Allgemeine Information
Hörstatus
Schulformen
Übertragbarkeit der erarbeiteten Daten (Repräsentativität der Stichprobe)

Allgemein und nach Schulformen
1
Allgemeine Eckdaten der hörgeschädigten Kinder (Demographische Daten)
Hörgeschädigte Kinder sind in OÖ weitestgehend erfasst.
Von insgesamt 186 Kindern haben 116 Kinder an der Studie teilgenommen, das sind 62%.
Nach internationalen Studien ist eine Häufigkeit von prälingualer Schwerhörigkeit (> 39 dB) von 1
von 750 Geburten zu erwarten (Davis & Wood 1992; Davis et al. 1997). Dies ergäbe bei einer
Schülerzahl von 145.000 Schülern im Pflichtschulalter in den Jahren 2003/2004 eine erwartbare
Zahl von 193. Die hörgeschädigten Schüler in OÖ sind durch die schulischen
Spezialeinrichtungen (SPZ + LLHS) somit gut erfasst.



Geschlecht
Die Geschlechterverteilung in der Stichprobe (männlich zu weiblich) ist 51:49 %. Auch
internationale Studien zeigen einen etwas erhöhten Anteil des männlichen Geschlechts
unter hörgeschädigten Kindern.
Altersverteilung
Die Altersverteilung über Volksschule (1.-4. Klassenstufe) und weiterführende Schule (5.
–9. Klassenstufe) ist relativ ausgewogen. Aufgrund eines oftmals eher etwas späteren
Einschulungsalters bei hörgeschädigten Kindern ist die Gruppe der unter 7-jährigen sehr
klein.
Nicht deutsche Muttersprache
Bei den untersuchten Kindern haben 17% eine nicht deutsche Muttersprache. Erhoben
wurde „nicht deutsche Muttersprache“ über eine Befragung der Eltern.
2
Hörstatus
Grade der Hörschädigung
Für unsere Studie, wurden die Kinder nach folgenden Kriterien in 4 verschiedene Gruppen, je
nach Schweregrad ihrer Hörschädigung zusammengefasst:
40-69 dB
70-94 dB
≥ 95 dB
CI
mittelgradige Schwerhörigkeit
hochgradige Schwerhörigkeit
an die Taubheit grenzende Schwerhörigkeit
Kinder mit Cochleaimplantat
Für diverse Berechnungen wurden Kinder mit CI und > 95 dB zusammengefasst.
Einstufung der Hörschädigung nach Fletcher
Die mittlere Hörschwelle wurde mittels des so genannten Fletcher Index (mittlere Hörschwelle bei
500, 1000 und 2000 Hz) für das bessere Ohr ermittelt.
Gruppen der Kinder nach Grad der Hörschädigung
Bezüglich des Hörstatus zeigt sich ein erwartbar hoher Anteil von Kindern mit mittelgradiger
Innenohrschwerhörigkeit. Die Gruppen der Kinder mit CI und hochgradiger
Innenohrschwerhörigkeit sind gleichgroß (22 % der Stichprobe), die an die Taubheit grenzenden
schwerhörigen Kinder stellen wie zu erwarten die kleinste Gruppe (16 % der untersuchten Kinder)
dar.
Charakteristika der untersuchten CI-Kinder:
Die Cochlear implantierten Kinder der Stichprobe sind verglichen mit heutigem Standard sehr
spät versorgt worden. Das durchschnittliche Operationsalter bei den untersuchten Kindern
beträgt 4,8 Jahre. Somit stellen die für CI-Kinder vorliegenden Resultate keineswegs die bei
früher Implantation erreichbaren Entwicklungsmöglichkeiten dar.
3
Nonverbale Intelligenz der untersuchten Kinder
IQ
Intelligenzminderung
70-84
Lernbehinderung
85-114
durchschnittliche Intelligenz
≥ 115
überdurchschnittliche Intelligenz
Bemerkenswert ist ein hoher Anteil von Kindern mit Intelligenzminderung (14,7 %) und
unterdurchschnittlicher Intelligenz (19,8 %), sodass bei über einem Drittel der Kinder Defizite
vorliegen. Auch das entspricht in etwa internationelen Daten hörgeschädigter Kinder.
4
Schulformen
Wie unterscheiden sich die untersuchten Kinder in den unterschiedlichen Schulformen?
Im Folgenden wird die Stichprobe (= Gruppe der untersuchten Kinder) nach Schulformen
beschrieben, da deutlich voneinander abweichende Charakteristika der Schüler je nach
Beschulungsform zu erwarten sind. In der Hörgeschädigtenschule (Landeslehranstalt für Hörund Sehbildung) sind Integrationsklassen (LLHS-I) mit mehreren hörgeschädigten Kindern unter
einer Mehrheit normalhörender Kinder von Kleinklassen mit ausschließlich hörgeschädigten
Kindern (LLHS-HG) zu unterscheiden. Kinder mit Intelligenzminderung werden in Förderklassen
(LLHS-F) betreut. Hörgeschädigte Kinder in der Regelschule sind fast ausschließlich das jeweils
einzige Kind mit Hörbeeinträchtigung in ihrer Klasse (siehe auch Hörgeschädigte Kinder und
Schule).

Geschlecht
Auffällig ist in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) ein wesentlich höherer Anteil
von Buben. In der integrativen Beschulungsform überwiegen Mädchen.

Alter
Die Altersverteilung über die Schulformen hinweg erweist sich als ausgewogen. Kinder
der Hörgeschädigtenklasse sind durchschnittlich ein Jahr jünger als die der
Integrationsklassen der Spezialschule (LLHS).
5

Hörstatus
Bezogen auf die Schulformen lässt sich eine Zunahme der Hörschwelle von der
Regelschule über die Integrationsklassen der LLHS (LLHS-I) bis hin zu den
Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) beschreiben.

Nonverbale Intelligenz
Methode:
Die Testung der nonverbalen Intelligenz erfolgte mit Hilfe des Handlungsteils des HAWIK
III (Hamburg Wechsler Intelligenztest für Kinder).
Ergebnis:
Es zeigt sich hier ein bedeutsamer Unterschied zwischen den Schulformen, d.h. eine
Abnahme der nonverbalen Intelligenz von der Regelschule zur LLHS-I und schließlich
LLHS-HG. Die mittlere Intelligenz der Kinder der Hörgeschädigtenkleinklasse ist somit
bereits unterdurchschnittlich.
Es besteht kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der nonverbalen Intelligenz
von Kindern der Regelschule und solchen in den Integrationsklassen der Spezialschule
(LLHS), wobei die gegebene Differenz von ca. ½ Standardabweichung im Falle der
hörgeschädigten Kinder jedoch praktisch durchaus relevant sein dürfte, was die
schulische und kommunikativ- sprachliche Entwicklung betrifft.
6
Die folgende Tabelle verdeutlicht noch einmal den zunehmenden Anteil von Kindern mit einer
Intelligenzminderung bzw. unterdurchschnittlicher Intelligenz in der Spezialschule (LLHS).
Tabelle: Nonverbaler IQ nach Schulform
< 70
70 – 84
85 – 114
ab 115
Intelligenzminderung
unterdurchschnittliche Intelligenz
durchschnittliche Intelligenz
überdurchschnittliche Intelligenz
Bei den untersuchten Kindern zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen nonverbaler
Intelligenz und Hörstatus. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da in der weiteren Folge
Entwicklungsergebnisse auch bezogen auf den Grad der Hörschädigung gezeigt werden.
7

Nicht-deutsche Muttersprache
Bei einem Anteil von 17,2 % von Kindern nicht deutscher Muttersprache innerhalb der
gesamten Stichprobe ist der Anteil dieser Kinder in der Regelschule weitaus niedriger, in
den Hörgeschädigtenkleinklassen deutlich höher.

Kommunikationsmittel
Lehrer und Eltern wurden bzgl. des bevorzugten Kommunikationsmittels ihres Kindes
befragt, wobei hier die Optionen Lautsprache, Gebärdensprache (GS) und
lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) gewählt werden konnten. Nach Einschätzung der
Lehrer verwendet ca. ¼ der Kinder Gebärden (Gebärdensprache oder
lautsprachbegleitende Gebärden) als bevorzugtes Kommunikationsmittel. Gebärden
werden von der Mehrheit der Kinder der Hörgeschädigtenkleinklassen bevorzugt
verwendet, von nur wenigen Kindern der Integrationsklassen und nur in seltenen
Ausnahmefällen in der Regelschule. Auf Details hinsichtlich der verwendeten
Kommunikationssysteme der Kinder der Stichprobe in Schule und Familie wird unter
„Sprache und Kommunikation“ eingegangen.
8

Sozioökonomischer Status
Der sozio- ökonomische Status der Familie wurde über eine Befragung der Eltern nach
deren Ausbildung ermittelt. Hierbei wurden 5 Stufen unterschieden:
o kein Schulabschluss bzw. Sonderschulabschluss
o Hauptschulabschluss
o Abschluss einer Fachschule oder Lehrabschluss
o Matura
o Hochschulabschluss
Hinsichtlich der verschiedenen Schulformen zeigt sich kein signifikanter Unterschied bzgl. des
sozioökonomischen Status der Familie. Die Graphik zeigt eine ähnliche Verteilung des
Ausbildungsstatus der Eltern über die verschiedenen Schulformen hinweg.
9
Wie sehr treffen unsere Aussagen auf alle hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich
zu?
Allgemein
Von einer Grundgesamtheit von 186 hörgeschädigten Kindern in OÖ, die den Kriterien unserer
Zielgruppe entsprechen, wurden 116 Kinder umfassend untersucht. Das sind 62 %.
Durch die Erhebung der Eckdaten aller bekannten hörgeschädigten Kinder konnte die Sicherheit
der Repräsentativität der untersuchten Gruppe geprüft und bestätigt werden. Das bedeutet, dass
unsere Aussagen auch für die Gesamtheit der hörgeschädigten Schulkinder in Oberösterreich
Gültigkeit haben.

Geschlecht
In der Stichprobe ist das Verhältnis weiblich zu männlich 49,1 zu 50,9 %, in der
Grundgesamtheit 44,4 zu 55,6 %, was keinen signifikanten Unterschiedergibt.

Alter
Auch hinsichtlich der Altersverteilung zeigen sich keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Kindern der Stichprobe und der Grundgesamtheit.
Tendenziell sind die Kinder der Stichprobe etwas jünger.

Nicht-deutsche Muttersprache
Es zeigt sich kein signifikanter Unterschied zwischen der Stichprobe und der
Grundgesamtheit was den Anteil von Schülern und Schülerinnen nicht deutscher
Muttersprache betrifft.
10

Hörstatus
An der Studie haben relativ zur Grundgesamtheit (n=186) etwas weniger Kinder mit einer
mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit, jedoch mehr Kinder mit einer an die Taubheit
grenzenden Schwerhörigkeit oder einem Cochlearimplantat teilgenommen.
Diese Gewichtung ist günstig, da höchstgradige Hörschädigungen ohnehin seltener auftreten
und somit eine höhere Teilnahmezahl erforderlich ist, um zuverlässige Aussagen auch über
diese Teilgruppe von Kindern treffen zu können.

Teilnahmequoten nach Schulform
Die folgende Tabelle zeigt zusammenfassend eine sehr hohe Teilnahmequote innerhalb der
Spezialschule, wo sich wiederum Kinder mit stärkeren Hörbeeinträchtigungen befinden.
11
2. Untersuchungsbereiche und Ergebnisse

Lebenssituation der hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich
o
o
o

Familie
Schule
Gesundheit
Sprache und Kommunikation
o
o
o
o
Methoden
Sprachverwendung
Ergebnisse der einzelnen Verfahren
Zusammenfassende Ergebnisse

Schulleistungen

Psychosoziale Gesundheit und Lebensqualität
o
o
Methoden
Ergebnisse der einzelnen Verfahren
12
Wie ist die Lebenssituation der hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich?
Die Lebenssituation hörgeschädigter Schulkinder in Oberösterreich wurde von verschiedensten
Seiten beleuchtet. Die Informationen wurden mit Hilfe von Fragebögen und teils in Interviewform
von Eltern, Lehrern und den Schülern selbst erhoben.
Im Folgenden sollen die untenstehenden Lebensbereiche der hörgeschädigten Kinder
beschrieben werden:

Hörgeschädigte Kinder und ihre Familie

Hörgeschädigte Kinder und Schule

Hörgeschädigte Kinder und Gesundheit
13
Hörgeschädigte Kinder und Familie
1. Hörstörungen bei Angehörigen
27,8 % der Eltern gaben ein Vorliegen von angeborenen Hörstörungen bei
Familienangehörigen oder Verwandten an.
In unserer Stichprobe hatten 8 Kinder hörgeschädigte Eltern – 2 davon kommunizieren bevorzugt
in Gebärdensprache.
2. Elterliche Belastung durch die Hörbeeinträchtigung des Kindes
Belastete Eltern eher bei Kindern in der Spezialschule!
Die elterliche Belastung durch die Hörbeeinträchtigung des Kindes ist in der
Hörgeschädigtenschule merklich höher als in der Regelschule. Dies dürfte u.a. auch darauf
zurückzuführen sein, dass sich in der Spezialschule vermehrt jene Kinder befinden, die auch eine
stärker ausgeprägte Hörstörung sowie niedrigere Intelligenz aufweisen.
Auffallend zeigt sich jedoch der Vergleich der Regelschule mit den Integrationsklassen der
Hörgeschädigtenschule (LLHS-I). In der LLHS-I sollte die mittlere bis starke und sehr starke
Belastung bei über 50% der Eltern sehr ernst genommen werden. Eventuell spielt hier der Anteil
an Kindern eine Rolle, die auf Grund von Versagen in einer Regelschule im Laufe ihrer
Pflichtschulzeit in eine Integrationsklasse an der Landeslehranstalt wechselten und die elterliche
bzw. familiäre Situation auf Grund vorangegangener schulischer Probleme des Kindes bereits
belastet ist.
14
3. Familiäre Belastungsfaktoren
In knapp 30 % der Familien gibt es familiäre Belastungsfaktoren, wie etwa Tod eines
Familienangehörigen oder einen Pflegefall in der Familie. Ein Drittel davon steht in
Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Eltern.
4. Kommunikation in der Familie
Herausforderung der familiären Kommunikation besonders bei Kindern in
Hörgeschädigtenkleinklassen!
Um einen Einblick in die Kommunikation innerhalb der Familie zu bekommen, wurden die Eltern
befragt, wie gut sie die Chancen ihres Kindes einschätzen, sich in der Familie verständlich zu
machen.
Bei den integrierten Kindern sowohl in der Regelschule als auch in der Hörgeschädigtenschule
gelingt dies bei rund 90 % der Familien gut, bei rund 10 % der integrierten Kinder (Regelschule
und LLHS-I) geben die Eltern diesbezüglich Schwierigkeiten an.
Größere Schwierigkeiten die familiäre Kommunikation betreffend werden in den
Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) geortet, wo sich zwar knapp 60 % der Kinder in der
Familie gut verständlich machen können, immerhin 40 % jedoch nur mäßig bis schlecht.
15
5. Lernstunden der Eltern mit dem Kind zu Hause
Durchschnittlich lernen die Eltern mit ihrem hörgeschädigten Kind zu Hause täglich eine halbe
Stunde während der Woche und knapp eine Stunde pro Tag an den Wochenenden.
Stunden-Mittelwert
wochentags
Stunden-Mittelwert
Wochenende
0,89
0,71
LLHS-I
0,36
0,74
LLHS-HG
0,61
Schultyp
Regelschule
LLHS-F
0,25
1,49
0,87
6. Anliegen der Eltern
Wir haben Eltern nach ihren eigenen Anliegen gefragt. In den meisten Fällen wurden
psychosoziale Probleme ihrer Kinder genannt, gefolgt von Lernproblemen, die weiterführende
Schulform sowie die Zukunft und die Berufsaussichten für ihr Kind.
Auch Fragen zur Hörtechnik und zur Kommunikation mit ihrem Kind liegen noch vor den
gesundheitlichen Problemen.
Zusammenfassend stellen somit psychosoziale Schwierigkeiten, Fragen in
Entscheidungssituationen (weiterführende Schule, Berufswahl/Zukunft), sowie
Lernschwierigkeiten die herausragenden spontan von den Eltern geäußerten Anliegen dar.
16
Hörgeschädigte Kinder und Schule
1. Schulformen
40 % der hörgeschädigten Kinder in Regelschule besuchen Integrationsklassen.
Von allen hörgeschädigten Kindern unserer Zielgruppe, die in Oberösterreich in Regelschulen
beschult werden, befinden sich 60% in Regelklassen – das bedeutet, dass diese Kinder in Form
einer Einzelintegration zusammen mit nicht-beeinträchtigten, normal-hörenden Kindern
unterrichtet werden. In der Regel wird der Unterricht in Regelklassen von einer Lehrkraft,
d.h. ohne zusätzliche pädagogische Unterstützung abgehalten.
40 % der Kinder in den Regelschulen besuchen eine Integrationsklasse. In diesen Klassen
werden hörbeeinträchtigte Kinder gemeinsam mit nicht-behinderten Kindern und Kindern mit
anderen Behinderungen unterrichtet. In der Regel befindet sich eine zweite Lehrkraft
weitestgehend durchgehend in solchen Klassen.
Dieses Verhältnis wird auch durch die Angabe über eine zusätzliche pädagogische Unterstützung
während des Unterrichts aus einer Befragung der Lehrer widergespiegelt. In den Regelklassen
gibt es eine solche Unterstützung bei 43,3 % der Kinder (laut Lehrerbefragung).
In durchwegs allen Integrationsklassen innerhalb der Hörgeschädigtenschule (LLHS-I) ist eine
zusätzliche pädagogische Unterstützung in Form eines zweiten Lehrers/einer zweiten Lehrerin
während des Unterrichts gewährleistet.
17
2. Information bei der Wahl der Schulform
Funktionierendes System für die Wahl der geeigneten Schulform in OÖ
In Oberösterreich stehen Eltern von hörgeschädigten Kindern grundsätzlich mehrere Wege für
die Beschulung ihrer Kinder offen. Insbesondere in den letzten Jahren gab es eine Verlagerung
von einer Beschulung in einer Spezialschule für hörgeschädigte Kinder hin in Richtung
Integration und Regelschule. Auch bei der Wahl einer integrativen Beschulungsform stehen
Integrationsklassen in der Hörgeschädigtenschule zur Verfügung. In Form einer „umgekehrten
Integration“ werden hier mehrere hörgeschädigte Kinder gemeinsam mit normalhörenden Kindern
unterrichtet.
In der Regelschule besuchen hörgeschädigte Kinder einerseits Regelklassen in Form einer
„Einzelintegration“, also als einziges hörgeschädigtes Kind zusammen mit normal-hörenden
Kindern und in ganz vereinzelten Fällen in Form einer „Gruppenintegration“, also zwei oder mehr
hörgeschädigte Kinder in einer Klasse mit normal-hörenden Kindern.
Die umfassende Information über die verschiedenen Möglichkeiten der Beschulung bzw. die
Beratung im individuellen Fall bei der Wahl der geeigneten Schulform für ein bestimmtes Kind, ist
jedoch nicht immer gegeben und variiert je nach Schulform. Eltern von Kindern mit stärkerer
Hörbeeinträchtigung und besonderen Bedürfnissen geben eher an, sich bei der Schulwahl nicht
ausreichend informiert gefühlt zu haben.
18
Letztendlich ausschlaggebend für die Wahl der Schulform waren in absteigender Reihenfolge vor
allem die Eltern und Kinder selbst, der Direktor der Hörgeschädigtenschule sowie die Direktoren
und Direktorinnen der jeweiligen Regelschulen vor Ort, die KindergärtnerInnen, TherapeutInnen,
LehrerInnen der jeweiligen Schulen und weniger häufig Informationsveranstaltungen und
Beratungsstellen sowie Ärzte.
Fast niemand unter den befragten Eltern bereut jedoch im Nachhinein die Wahl der
Schulform, was zeigt, dass das Informations- und Auswahlsystem die Schulwahl betreffend in OÖ
grundsätzlich gut zu funktionieren scheint.
3. Gebärdensprachkompetenz der Lehrer und Lehrerinnen
Nicht alle Lehrer und Lehrerinnen unserer hörgeschädigten Kinder sind
gebärdensprachkompetent!
Dieses Ergebnis erhielten wir durch eine Befragung der einzelnen Lehrkräfte der
hörgeschädigten Schüler und Schülerinnen selbst. Die Lehrer und Lehrerinnen wurden gebeten,
ihre eigene Gebärdensprachkompetenz einzuschätzen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist
die Art der Erhebung dieser Information zu berücksichtigen.
Die Lehrer und Lehrerinnen in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) schätzen sich
bezüglich ihrer Gebärdensprachkompetenz am schlechtesten ein. In diesen Klassen befinden
sich jedoch die meisten Kinder, für die angegeben wurde, dass sie Gebärdensprache als
bevorzugtes Kommunikationsmittel verwenden.
19
Besonders in den Hörgeschädigtenkleinklassen und in den Förderklassen der
Hörgeschädigtenschule wären somit weitere Bemühungen in Richtung einer Verbesserung der
Gebärdensprachkompetenz der Unterrichtenden empfehlenswert.
4. Akustische Rahmenbedingungen in den Schulen
Unzureichende Raumakustik in den Regelschulen!
Während in der Spezialschule alle Klassenräume mit speziellen Akustikdecken ausgestattet sind,
finden wir diese optimalen akustischen Rahmenbedingungen für hörgeschädigte Schulkinder in
nur wenigen Regelschulen (ca. 21%).
20
Hörgeschädigte Kinder und Gesundheit
1. Ursachen der Hörschädigung
Bei 65 % der hörgeschädigten Kinder ist die Ursache der Hörschädigung nicht bekannt. Nur 35 %
der Eltern können einen Grund für die Hörschädigung ihres Kindes angeben.
2. Verdachtsmomente frühestmöglichst abklären lassen
Vom ersten Verdachtsmoment einer Hörschädigung bis zur ihrer Diagnose vergehen im Schnitt
knapp 10 Monate. Bis zur ersten Versorgung mit Hörhilfen verstreichen durchschnittlich noch
einmal 7 Monate.
Unnötig hoher Zeitverlust zwischen erstem Verdacht, Diagnosestellung und
Erstversorgung!
3. Großer Erfolg des Neugeborenenhörscreenings
Sehr positiv wirkt sich das in OÖ vor ca. 10 Jahren eingeführte flächendeckende
Neugeborenenhörscreening aus. Der Diagnosezeitpunkt konnte um durchschnittlich knapp 16
Monate vorverlagert werden.
21
4. Reaktion der Eltern auf die Diagnose: Schock
Ergebnisse aus Studien, die Schock als Hauptreaktion von Eltern auf die Diagnose
„Hörschädigung“ bei ihrem Kind beschreiben, konnten wir mit einem Ergebnis von knapp 70 %
bestätigen.
Gut 12 % der Eltern reagieren mit Erleichterung, weil die Diagnose die lange Zeit der
Unsicherheit beendet und rund 11 % zweifeln an der gestellten Diagnose.
Reaktionen wie Schock und Zweifel, die ein unmittelbares Handeln von Seiten der Eltern
hemmen, wirken sich auch auf die Dauer der Zeitspanne zwischen Diagnose und Erstversorgung
aus.
5. Zufriedenheit der Eltern mit der Betreuung nach der Diagnosestellung
Obwohl 66 % der Eltern angeben, mit der Betreuung nach der Diagnosestellung bis zum
Schuleintritt des Kindes eher oder sehr zufrieden gewesen zu sein, sollte das Augenmerk
besonders auf die immerhin 34 % der Eltern gelegt werden, die mit der Betreuung nach der
Diagnose weniger oder gar nicht zufrieden waren.
6. Gesundheitliche Probleme
Bei 20 % der Kinder traten nach Angabe der Eltern Probleme bereits während der
Schwangerschaft auf, bei gut 30 % während oder kurz nach der Geburt.
Rund 39 % geben motorische Auffälligkeiten ihres Kindes an, 28 % Wahrnehmungsstörungen. 36
% tragen eine Sehhilfe, wobei in gut 3 % der Fällen eine schwere Augenkrankheit vorliegt.
43,4 % der Kinder hatten bereits eine Polypenoperation und bei gut 25 % traten regelmäßig
wiederkehrende Mittelohrentzündungen zwischen dem 2. und dem 3. Lebensjahr auf.
7. Hörgeräteakzeptanz
Betrachtet man die Hörgeräteakzeptanz durch die Kinder in der Zeit nach der Anpassung und
zum Zeitpunkt der Untersuchung, kann man feststellen, dass nach anfänglichen Schwierigkeiten
22
die Hörgeräte in der Regel durchwegs gut akzeptiert werden. Dennoch sollten die
Schwierigkeiten in der Akzeptanz in den ersten Jahren nach der Anpassung ernst genommen
werden.
8. Nutzung des Angebots einer Frühtherapie
Die Befragung der Eltern, ob sie das Angebot einer Frühtherapie in Anspruch genommen haben,
ergab, dass diesbezügliche Angebote vom Großteil der Betroffenen genutzt wurden (ca. 77 %).
Nur ca. 22 % haben mit ihrem Kind kein Frühtherapieangebot genutzt.
Gut 78 % der befragten Eltern waren mit dem therapeutischen Angebot nach der
Diagnosestellung eher oder sehr zufrieden. Rund 22 % waren mit dem therapeutischen Angebot
von der Diagnose bis zum Schuleintritt des Kindes eher oder gar nicht zufrieden.
23
9. Beratung über mögliche Kommunikationswege
Obwohl sich 69 % der Eltern bezüglich möglicher Kommunikationswege mit dem Kind als gut
beraten fühlten, trifft dies für 31 % der betroffenen Eltern nicht zu.
Anzustreben ist hier eine Verbesserung in der Beratung für betroffene Eltern, speziell was die
Kommunikationsmöglichkeiten mit ihrem Kind betrifft.
24
Methoden zur Spracherhebung – Beschreibung der einzelnen
Testverfahren
Lautsprache

EARS – MTP
Dieser Subtest aus der EARS-Testbatterie (MedEL) überprüft die Wahrnehmung von
Lautsprache über das Ohr ohne Darbietung des Mundbildes.
MTP- geschlossene Liste
In einem ersten Schritt werden dem Kind Bildkarten mit Objekten (Baum, Haus, Telefon,
Vogel,…) gezeigt und vor ihm am Tisch aufgelegt. Jeder Gegenstand wird lautsprachlich
mit Verfügbarkeit des Mundbildes einmal gesprochen.
Nach dieser Erarbeitung der Begriffe mit dem Kind wird nach einer Liste jedes Wort
einmal ohne Verfügbarkeit des Mundbildes gesprochen. Das Kind muss das gesprochene
Wort über das Ohr wahrnehmen und auf das entsprechende Bildkärtchen zeigen. Der
Testleiter notiert die gezeigten Kärtchen pro Wort und errechnet dann ein prozentuales
Ergebnis von richtigen Wörtern. Zeigt ein Kind für ein gesprochenes Wort auf eine Karte
mit einem Objekt, dessen lautsprachliche Bezeichnung zumindest in der Silbenanzahl mit
dem tatsächlich gesprochenen Wort übereinstimmt, wird die Antwort zwar nicht als
richtiges Wort, aber als richtiges Silbenmuster bewertet, z.B. wenn das Kind auf die Karte
mit einem Telefon zeigt, wenn Elefant gesprochen wurde. Auch die korrekten
Silbenmuster werden prozentual errechnet.
MTP-offene Liste
Aus einer Liste werden 10 Wörter ohne Verfügbarkeit des Mundbildes vorgesprochen.
Das Kind muss jedes Wort wiederholen. Die vom Kind wiedergegebenen gesprochenen
Wörter werden phonologisch notiert. Es werden dann prozentual die richtigen Wörter und
die richtigen Phoneme errechnet.

EARS – GASP
Auch hier handelt es sich um einen Subtest aus der Testbatterie EARS. Er misst das
Verständnis gesprochener Sätze.
Es werden jedem Kind 10 Sätze ohne Verfügbarkeit des Mundbildes lautsprachlich
präsentiert. Da es sich dabei um Fragen handelt, kann das Kind entweder mit einer
entsprechenden Antwort oder mit der einfachen Wiederholung der Frage antworten.
Die Bewertung erfolgt dichotomisiert und die Anzahl der richtig wiederholten oder
beantworteten Fragen wird in einem prozentualen Wert errechnet.

HAWIK Wortschatztest
Der Hawik Wortschatztest ist ein Subtest des Hawik und testet den passiven Wortschatz
des Kindes. Die einzelnen Wörter werden mündlich und bei Bedarf schriftlich vorgegeben.
Das Kind antwortet in der jeweils bevorzugten Sprachmodalität (lautsprachlich,
gebärdensprachlich oder in einer Mischform/LBG). Normierung des Tests liegt für alle von
uns untersuchten Altersstufen vor.

PPVT III (Peabody Picture Vocabulary test)
Dieser passive Wortschatztest wurde nur mit jenen Kindern der Stichprobe durchgeführt,
die beim Hawik Wortschatztest ein Wortschatzalter von unter 6 Jahren erreichten.
Beim PPVT III werden dem Kind einzelne Wörter lautsprachlich und schriftsprachlich
präsentiert und das Kind muss aus 4 dargebotenen Bildern das entsprechende
25
auswählen.

Reynell III
Der Reynell III ist ein Lautsprachverständnistest auf Wort- und Satzebene. Aus einer
Menge von Spielsachen muss das Kind den lautsprachlich bezeichneten Gegenstand
finden. Während des gesamten Testverfahrens steht auch das Mundbild zur Verfügung.
Auf Satzebene muss das Kind kurze Szenen mit den Spielsachen nachspielen, wie etwa:
„Leg den Bären auf das Bett.“ oder „Tu den langen roten Stift in die Schachtel.“ Die
Äußerungen weisen unterschiedliche Komplexität, von Einzelwörtern zu einfachen
Hauptsätzen bis hin zu komplexeren Sätzen mit Nebensätzen.Der Reynell ist bis zu
einem Alter von 7,3 Jahren normiert.

PMLP für Lautsprache
Mit jedem Kind wurde ein etwa 10-minütiges, semistrukturiertes Interview in Lautsprache
geführt und für spätere Analysen auf Video aufgezeichnet.
Anhand dieser Videos wurde jedes Kind von linguistisch geschultem Fachpersonal einem
lautsprachlichen Niveau zwischen 0 und 8 (aufsteigend von keiner Sprachkompetenz bis
muttersprachähnlicher Sprachbeherrschung) in Anlehnung an den Bogen „The Profile of
Multiple Language Proficiency“ (Goldstein, G./ Bebko, J., 2003) zugeordnet.

CCC (Child Communication Checklist von D. Bishop) – für Lautsprache
Die "Children Communication Checklist" (CCC) nach Dorothy Bishop (1998)
(Forschungsversion) in einer deutschen Übersetzung von Maria Spleen-Rauscher wurde
verwendet, um die Videos der einzelnen Kinder hinsichtlich ihrer Beherrschung von
diskurspragmatischen Fertigkeiten zu analysieren.

Bewertung der Sprechverständlichkeit

o
Zahlen sprechen
Für die Bewertung der Sprechverständlichkeit wurden den Kindern einerseits
jeweils 20 Zahlen zwischen 1 und 100 (Zehner ausgenommen) schriftlich
dargeboten, die sie laut sprechen sollten. Die auf Video aufgezeichneten Zahlen
wurden einer Raterin gezeigt, die die gehörten Zahlen aufschreiben sollte. Als
Raterin wurde eine Person gewählt, die einigermaßen an die Aussprache von
hörgeschädigten Menschen gewöhnt ist. Die gehörten und die tatsächlich
gesprochenen Zahlen wurden verglichen und so ein prozentuales Ergebnis an
verständlich gesprochenen Zahlen errechnet.
o
Klinische Beurteilung
Weiters wurde die Sprechverständlichkeit auf einer sechsstufigen Skala (sehr gut
und mühelos verständlich bis überhaupt nicht verständlich) nach der
Einschätzung eines auf Video aufgezeichneten Gesprächs durch Linguisten
beurteilt.
HSET – IS (Heidelberger Sprachentwicklungstest – Imitieren von Sätzen)
Die 15 Einzelsätze mit unterschiedlich komplexer grammatischer Struktur des Subtests
„Imitation von Satzstrukturen“, des Heidelberger Sprachentwicklungstest wurden rein
lautsprachlich, mit Verfügbarkeit des Mundbildes einzeln dargeboten und die Kinder
wiederholten die einzelnen Sätze ebenfalls lautsprachlich.
26

Sätze nachschreiben
Im Bereich der Morphosyntax, wo es um die Strukturbeherrschung einer Sprache, also
ihrer morphologischen und syntaktischen Regeln geht, ist die Situation geeigneter
Diagnoseverfahren für Schulkinder für den deutschsprachigen Raum noch recht
unbefriedigend. Um die Leistungen hinsichtlich der Strukturbeherrschung der Deutschen
Lautsprache der untersuchten Kinder bewerten, vergleichen und einordnen zu können,
wurde ein zeitökonomisches Testverfahren für die Studie CHEERS entworfen und
verwendet, welches folgende Strukturen beinhaltet:
o
o
o
o
Genus (Nominativ),
Verbalkongruenz (Übereinstimmung der Verbendung mit dem Subjekt),
Phrasenstrukturen (Nominalphrasen, Präpositionalphrasen, Modalverben mit
Infinitivfanschluss, Präfixverben) und schließlich
Ermittlung des Satzbaus über Verbzweitstellung im Hauptsatz und
Verbendstellung im Nebensatz
Für die Testung wurden jedem Kind verschiedene unterschiedlich komplexe deutsche Sätze
schriftlich dargeboten. Die Kinder sollten die Sätze lesen und danach aus dem Gedächtnis
wiedergeben und aufschreiben. Man geht davon aus, dass jemand nur dann in der Lage ist, den
Satz korrekt wiederzugeben, wenn die Struktur des Satzes bereits im Gedächtnis abgespeichert
ist und abgerufen werden kann.
Die Ergebnisse der Kinder wurden anhand eines Formulars für die einzelnen Teilstrukturen des
Deutschen ausgewertet. Zusätzlich wurde ein Gesamtscore über alle erhobenen Teilstrukturen
hinweg errechnet.

Einschätzung der Grammatischen Entwicklungsstufen nach Clahsen
Mit jedem Kind der Stichprobe wurde ein ca. 10-minütiges Gespräch in Form eines
semistrukturierten Interviews (anhand eines Interviewleitfadens) geführt und auf Video
aufgezeichnet. Die Videos wurden in weiterer Folge analysiert und die
Sprachbeherrschung jedes Kindes anhand der 5 Sprachentwicklungsstufen nach Clahsen
bewertet.
Die Strukturüberprüfung der grammatischen Komplexität von Spontansprache wurde von
zwei kompetenten Raterinnen (Linguisten) nach Betracht des lautsprachlichen Gesprächs
am Video durchgeführt.
Schriftsprache

Wortdekodierung
Salzburger Lesetest / Häufige Wörter, Pseudowörter
Die Kinder lesen unter Zeitmessung durch den Testleiter eine Reihe von einfachen im
Deutschen häufig vorkommenden kurzen Wörtern und in einem weiteren Subtest
erfundene Kunstwörter (= Pseudowörter). Aufgezeichnet und bewertet werden
Lesegeschwindikgeit und Lesefehler. Der Salzburger Lesetest ist für die 1. – 4. Klasse
Volksschule normiert.
27

Leseverständnis
Salzburger Lesescreening (SLS)
Dieses Verfahren besteht aus kurzen Sätzen mit wahren und falschen Aussagen (z.B.
„Die Katze ist ein Tier.“ oder „Es gibt nur blaue Autos.“). Das Kind muss für jeden Satz
angeben, ob es sich um eine wahre oder eine falsche Aussage handelt. Nach 3 Minuten
wird der Lesetest vom Testleiter gestoppt und mittels der Anzahl der richtig gelösten
Aufgaben das Ergebnis errechnet. Normen ab der 2. Klasse der VS liegen vor. Es besteht
ev. Leistungen in SLS und dem HAMLET
Hamburger Lesetest (HAMLET; Normen für 3. und 4. Klasse VS)
Der Hamlet Lesetest wurde als Klassentest von den Lehrern und Lehrerinnen der Kinder
durchgeführt und besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil – Worttest – besteht aus einer
Reihe von schriftlich präsentierten Begriffen. Aus vier folgenden Bildern muss das
entsprechende ausgewählt werden. Bewertet wird die Lesegeschwindigkeit des Kindes
anhand der in einer vorgegebenen Zeit richtig beantworteten Aufgaben.
Zürcher Leseverständnistest (durchgeführt bei Kindern ab der 5. Klasse)
Bei diesem Leseverständnistest, der Normen von der 4. bis zur 6. Schulstufe hat, werden
verschiedene schwierige Texte vorgegeben, zu denen dann jeweils inhaltliche Fragen
(multiple choice) zu beantworten sind und Bilder aus einem Set ausgewählt werden
müssen. Der letzte Text stellt die Beschreibung eines physikalischen Experiments dar,
das mit einfachen Mitteln selber durchgeführt werden soll. Auch die praktische
Umsetzung des Experiments durch das Kind wird mit Punkten bewertet.

Rechtschreibung
Salzburger Rechtschreibtest
In einem Lückentext müssen vom Testleiter angesagte Wörter korrekt eingefüllt werden.
Berücksichtigt werden Groß-/Kleinschreibung, orthographische Fehler und Fehler der
nicht-lauttreuen Schreibung.
Gebärdensprache

ÖGSVT (Österreichische Gebärdensprachverständnistest)
Der ÖGSVT ist ein Verfahren, das zur Erfassung des Gebärdensprachverständnisses für
die vorliegende Studie entwickelt wurde.
14 gebärdete Aussagen werden von einer gehörlosen Person, deren Muttersprache ÖGS
ist, gebärdet. Die gebärdeten Äußerungen werden in standardisierter Form mittels
Videopräsentation einzeln dargeboten.
In Form eines „acting-out“ wird der Inhalt jeder gebärdeten Äußerung mittels Spielfiguren
vom Kind nachgespielt.
Die Beurteilung der einzelnen Items erfolgt dichotom (ja/nein). Errechnet wird ein
prozentuales Ergebnis der geschafften Items.

PMLP – für Gebärdensprache
Wie auch für die Lautsprache wurde mit den Kindern ein ca. 10-minütiges Gespräch in
Gebärdensprache geführt und zum Zwecke späterer Analysen auf Video aufgezeichnet.
In Anlehnung an „The Profile of Multiple Language Proficiency“ (Goldstein, G./ Bebko, J.,
2003) wurden für die vorliegende Studie 9 Spracherwerbsstufen von 0-8 (aufsteigend von
keiner Gebärdensprachkompetenz bis hin zu muttersprachähnlicher
Gebärdensprachkompetenz) formuliert. Anhand der aufgezeichneten Videos wurde jedes
28
Kind einer der 9 Erwerbsstufen für die ÖGS zugewiesen. Geratet wurde von zwei gut
gebärdensprachkompetenten Linguisten.

CCC – für Gebärdensprache
Die "Children Communication Checklist" (CCC) nach Dorothy Bishop (1998)
(Forschungsversion) in einer deutschen Übersetzung von Maria Spleen-Rauscher wurde
verwendet, um die Videos der einzelnen Kinder hinsichtlich ihrer Beherrschung von
diskurspragmatischen Fertigkeiten in der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) zu
analysieren.
29
Sprachverwendung
Wie sprechen, lesen, schreiben, kommunizieren hörgeschädigte Kinder in Oberösterreich?
Diese Fragestellungen werden wir im Folgenden versuchen zu beantworten. Es wurden sowohl
die entsprechenden Kompetenzen in der deutschen Lautsprache der Kinder als auch in der
Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) auf den verschiedenen Sprachebenen erhoben. Wir
untersuchten etwa die Aussprache der Kinder als auch deren Wortschatz und ihre
grammatikalischen- und Diskurskompetenzen in der Lautsprache in Verständnis und Produktion,
sowie die Strukturbeherrschung in der ÖGS mit folgenden Instrumenten.
Testbatterie zur Untersuchung der Lautsprachkompetenz und
derSchriftsprachkompetenz (siehe auch Methoden zur Spracherhebung):
Testbatterie zur Untersuchung der Gebärdensprachkompetenz:
rezeptiv
expressiv
Satz- und Paragraph
ÖGSVT
Sprachniveau
(8 Stufen)
PMLP
PMLP
Konversation
(Videoanalyse)
CCC
CCC
30
Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren zur Spracherhebung
Wortschatz
Starker Einfluss der Hörschädigung auf die Wortschatzentwicklung.
Besonders CI-Kinder (relativ spät versorgt) und höchstgradig hörgeschädigte Kinder
(≥95dB) haben einen sehr geringen Wortschatz.
Bei der Durchführung des HAWIK III Wortschatztest zeigt sich eine Schere zwischen 95db+/CI
und hochgradig/mittelgradig hörgeschädigte Kindern, die mit den Jahren weiter auseinandergeht.
Stark eingeschränkten Wortschatz haben wir bei Kindern mit 95dB+ und CI Kindern.
Veranschaulicht durch Regressionsgeraden kann man bei 16-jährigen mittelgradig schwerhörigen
(40-69dB) ein Wortschatzalter von 14 Jahren feststellen, bei den hochgradigen schwerhörigen
Kindern (70-94dB) von 11 Jahren, bei den 16-jährigen CI-Trägern ein Wortschatzalter von 8
Jahren und bei den nicht CI-implantierten höchstgradig hörgeschädigten Kindern (≥95dB) sehen
wir ein Wortschatzalter von nur 7 Jahren.
Präsentiert wurde der Wortschatztest des HAWIK III mündlich und schriftlich. Es wurde also
speziell bei diesem Test auch sehr darauf geachtet, nicht die Ablesefähigkeit oder das Resthören
des Kindes zu untersuchen, sondern welche Wörter ein Kind bereits kennt. Die Erklärung der
einzelnen erfragten Wörter konnte das Kind in der jeweils bevorzugten Modalität geben – also
entweder in Lautsprache, Gebärdensprache oder einer Mischform (etwa LBG).
Die folgende Abbildung belegt nochmals mit exakten Mittelwerten den Einfluss des Grades der
Hörbeeinträchtigung auf den Wortschatzerwerb. Bei einem Durchschnittsalter von 10 ½ Jahren
liegt das Referenzalter für den Wortschatz bei Kindern mit an die Taubheit grenzender
Schwerhörigkeiten sowie Kindern mit CI bei 7 ½ Jahren.
31
total
Alter
HAWIKWT
mittel
hoch
ATSH
CI
p
11.1
11.0
11.7
10.6
10.8
.598
9.2
10.3
9.3
7.4
7.6
<.001
Sprachverständnis
Wieder großer Einfluss der Hörschädigung auf das Lautsprachverständnis.
Besonders CI-Kinder und Kinder mit einer Hörschädigung von 95dB+ erreichen
mit 16 Jahren durchschnittliche Leistungen entsprechend eines
3-4 jährigen hörenden Kindes.
Auch bei den Ergebnissen des Sprachverständnisses auf Satzebene zeigt sich die starke Kluft ab
einer Hörschädigung von 95dB und mehr.
Sowohl bei Kindern mit einem Hörverlust von 95dB+ als auch bei Kinder mit einem CI zeigen
ältere Kinder vergleichsweise nur wenig bessere Leistungen im Lautsprachverständnis als die
jüngeren Kinder in diesen Gruppen.
Der Test misst bis zu einem oberen Grenzwert von 6,6 Jahren. Dadurch erreichen mittel- und
hochgradig hörgeschädigte Kinder häufig diesen oberen Grenzwert.
CI-Kinder zeigen mit 16 Jahren ein Lautsprachverständnis von 4,6 Jahren und die Kinder mit
95dB und mehr sind mit 16 Jahren bei einem Lautsprachverständnis eines 3,6 jährigen hörenden
Kindes.
32
Sprechverständlichkeit
Ähnliche Ergebnisse von Cochlear implantierten, hochgradig schwerhörigen und
mittelgradig schwerhörigen Kinder, jedoch signifikant schlechtere Sprechverständlichkeit
von nicht implantieten Kindern über 95dB.
Ähnliche Ergebnisse für die Sprechverständlichkeit auch bei der Einschätzung anhand eines auf
Video aufgezeichneten Gesprächs: Restsprechverständlichkeit bei mittelgradig hörgeschädigten
Kindern, bereits deutlicher Abstand von hochgradig schwerhörigen und CI implantierten Kindern
bei der Spontansprachanalyse und deutlich schlechtere Ergebnisse für das
Sprechverständlichkeitsniveau von nicht implantierten Kindern über 95dB.
Ähnliche Ergebnisse für die Sprechverständlichkeit auch bei der Einschätzung anhand eines auf
Video aufgezeichneten Gesprächs: Restsprechverständlichkeit bei mittelgradig hörgeschädigten
Kindern, bereits deutlicher Abstand von hochgradig schwerhörigen und CI implantierten Kindern
bei der Spontansprachanalyse und deutlich schlechtere Ergebnisse für das
Sprechverständlichkeitsniveau von nicht implantierten Kindern über 95dB.
Allgemein ist kein relevanter Zusammenhang zwischen Sprechverständlichkeitsniveau und Alter
festzustellen.
Grammatik

HSET – IS (Heidelberger Sprachentwicklungstest – Imitieren von Sätzen)
Bei den Ergebnissen des Subtest „Imitation von Satzstrukturen“ des Heidelberger
Sprachentwicklungstest zeigen sich erfreuliche Ergebnisse der älteren Kinder im
Vergleich zu den jüngeren mit einer Hörschwelle von 95 dB (mittel- und hochgradig
schwerhörigen Kindern), bei Kindern mit einer Hörschwelle > 95 dB sind hier über die
Altersstufen keine signifikant unterschiedlichen Ergebnisse festzumachen. Dies gilt auch
für CI – Kinder.
33


Einschätzung der Sprachentwicklungsstufen nach Clahsen
Kaum bessere Ergebnisse bei älteren Kindern in der Grammatik bei nicht-implantierten
Kindern im Bereich der Resthörigkeit (≥95dB) während des Schulalters.
Cochlear implantierte Kinder zeigen vergleichbare Ergebnisse in der Spontansprache wie
hochgradig schwerhörige Kinder (70-94dB).

Mit diesem Verfahren ist keine differenzierte Beurteilung im Bereich höherer
grammatikalischer Kompetenzen möglich. Die Stufe 5 (höchste Stufe) wurde bei allen
Kindern über einem grammatischen Referenzalter von 3,5 Jahren zugeordnet.
Mittelgradig schwerhörige Kinder (insbesondere im jüngeren Alter; vermutlich nach
Einführung des Neugeborenen-Hörscreenings und somit frühversorgt) erreichen bereits
früh die Höchstentwicklungsstufe nach Clahsen.
Kinder mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit erreichen durchschnittlich ein ähnliches
Ergebnis wie cochlearimplantierte Kinder. Das Resultat bei hochgradig schwerhörigen
Kindern liegt bei einem Mittelwert von 2,5.
Festzuhalten ist insbesondere eine deutlich mangelhafte Weiterentwicklung der
Grammatik bei nicht implantieren Kindern im Bereich der Resthörigkeit während des
Schulalters. Cochlear implantierte Kinder zeigen in der Spontansprache ähnliche
Ergebnisse wie hochgradig schwerhörige Kinder, beim Nachsprechen jedoch schlechtere
Resultate. Hier ist aufgrund der Art der Testung vermutlich eher das Ergebnis in der
Spontansprache höher zu bewerten.
34
Schriftsprache

Leseverständnis
Das Leseverständnis wurde für Kinder der 2. Schulstufe mit dem SLS (Salzburger
Lesescreening), bei Schülern der 3. und 4. Schulstufe mit dem HAMLET 3-4 (Hamburger
Lesetest) und ab der 5. Schulstufe mit dem ZLV (Zürcher Leseverständnistest) ermittelt.
Die Ergebnisse wurden jeweils in einen T-Wert transformiert, welcher im folgenden als
Ergebnismaß herangezogen wird. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich ausschließlich
auf Kinder mit einer nonverbalen Intelligenz im Durchschnittsbereich.
Es besteht ein deutlicher Zusammenhang mit dem Grad der Hörschädigung. Kinder mit
einer an die Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit schneiden mit Abstand am
schwächsten ab. Kinder mit Cochlearimplantaten erreichen sehr ähnliche Ergebnisse wir
hochgradig schwerhörige Kinder.
Das durchschnittliche Leseergebnis für mittelgradig schwerhörige Kinderliegt innerhalb
des Rahmens der Standardabweichung (Mw = 46, Lesetests liegen für 46 Kinder vor), es
zeigt sich eine hohe Varianz.
35
Kinder mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit erreichen ein unterdurchschnittliches
Gesamtresultat (Mw = 39,82), was etwa einem Prozentrangwert von 14-15 % entspricht.
Insgesamt liegen Leseergebnisse für 21 Kinder vor. 6 der hochgradig schwerhörigen
Kinder erzielen Ergebnisse im Durchschnittsbereich (innerhalb einer
Standardabweichung).
36
Bei den insgesamt 26 Kindern mit Cochlearimplantaten ergab sich ein hoher Anteil an
Kindern mit einer Intelligenzminderung (8 Kinder), darüber hinaus eine vergleichsweise
hohe Zahl in der 1. Schulstufe, wo eine Untersuchung des sinnerfassenden Lesens noch
nicht möglich ist, sodass hier nur für 11 Kinder Ergebnisse vorliegen. Auf das
durchschnittlich späte Implantationsalter wurde oben bereits hingewiesen. Die Ergebnisse
ähneln wie auch die Ergebnisse vieler Sprachtests sehr stark denen hochgradig
schwerhöriger Kinder. 2 der 11 Kinder (18%) erreichen Leseergebnisse im
Durchschnittbereich.
Kinder mit einer an die Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit(Leseergebnisse für 15
Kinder) erreichen einen mittleren T-Wert von 34,6 (entsprechend PR von ca. 5%). Nur
eines dieser Kinder (6,6%) erreicht ein durchschnittliches Leseniveau.
37
Determinanten des Leseverständnisses
Über hierarchische Regressionsanalysen wurde untersucht, welcher Anteil der Varianz
der Leseergebnisse über die diversen Einflussfaktoren erklärbar ist.
Die nonverbale Intelligenz stellt hierbei einen entscheidenderen Faktor als der Grad der
Hörschädigung dar, obwohl in den Analysen Kinder mit einer Intelligenzminderung
ausgeschlossen worden waren.
Schließlich ist eine nichtdeutsche Muttersprache ein starker Risikofaktor für das Erlernen
des sinnerfassenden Lesens.
Lautsprachkompetenz (Wortschatz und Grammatik der deutschen Sprache) hat als
Einzelfaktor den höchsten Einfluss.
Zwischen Gebärdensprachkompetenz und Leseverständnis konnten keine
Zusammenhänge festgestellt werden.
Keine Zusammenhänge wurden mit dem sozioökonomischen Niveau der Familie sowie
dem Geschlecht des Kindes festgestellt.
Detailanalysen folgen.

Gebärdensprache
Generell niedriges Gebärdensprachniveau der hörgeschädigten Kinder und kaum bessere
Ergebnisse in der Gebärdensprachkompetenz bei den älteren Kindern im Vergleich zu den
jüngeren.

Es besteht ein nur geringer Unterschied zwischen der Gebärdensprachkompetenz
jüngerer und älterer Schüler, was vermuten lässt, dass der Zuwachs der
gebärdensprachlichen Fertigkeiten, speziell die Grammatik natürlicher Gebärdensprache
betreffend im Schulalltag nur gering sein dürfte.
38
Generell liegt die Gebärdensprachkompetenz (grammatisch rezeptive Fertigkeiten) auf
einem niedrigen Niveau.

Lehrer beurteilen die Gebärdensprachkompetenz deutlich realistischer als die Eltern. In
diesem Zusammenhang ist auch nochmals daran zu erinnern, dass der Zugang zur
Gebärdensprache zumeist sehr spät erfolgt ist, auch auf die oft geringe
Gebärdensprachkompetenz der Eltern ist hinzuweisen.
Schließlich wurde auch schon beschrieben, dass Gebärdensprache innerhalb der Familie
mit einem hörgeschädigten Kind nur selten in der Familie verwendet wird.
39
Zusammenfassende Ergebnisse zur Lautsprachentwicklung
hörgeschädigter Schulkinder in OÖ

Große Streubreite
Generell ist eine sehr große Variationsbereite hinsichtlich der lautsprachlichen
Entwicklung feststellbar.

Hoher Einfluss des Grads der Hörschädigung - starke Schere ab 95 dB/CI
Es zeigt sich ein hoher Einfluss des Grads der Hörschädigung, wobei insbesondere eine
starke Schere ab einer Hörschwelle von 90 – 95 dB sichtbar wird. Kinder mit CI
schneiden im Sprachverständnis ähnlich wie Kinder > 95 dB ab, hinsichtlich der
Sprachverständlichkeit erbringen sie gute Ergebnisse, sie ähneln hochgradig
hörgeschädigten Kindern auch im Bereich grammatischer Kompetenzen. Bei der
Wortschatzentwicklung werden wieder ähnliche Ergebnisse wie bei Kindern >95 dB
erzielt.

Sehr geringe Zuwächse bei >95 dB/CI im Schulalter
Hinzuweisen ist insbesondere auf geringe Unterschiede zwischen älteren und jüngeren
Kindern im Bereich des Sprachverständnisses. Hier erscheinen somit aufgrund der
Schwere der Hörschädigung durchaus auch Grenzen gesetzt. Dies betrifft insbesondere
die Gruppe über 95 dB (an die Taubheit grenzende Schwerhörige), sowie die Gruppe der
(im Durchschnitt doch spät implantierten) CI Kinder.
Die Sprechverständlichkeit erweist sich als wenig altersabhängig. Im Wortschatzbereich
kommt es zu mäßigen Fortschritten bei Kindern >95 dB und CI, im Grammatikbereich
sind die Fortschritte noch mäßiger.

Hohe Korrelation zwischen Lautsprachkompetenz (HSET, Reynell) und Zeitpunkt
der Erstversorgung mit Hörgeräten
Eine hohe Korrelation zwischen den lautsprachlichen Kompetenzen (HSET, REYNELL)
und dem Zeitpunkt der Erstversorgung mit Hörgeräten ist festzumachen.
Dementsprechend ist davon auszugehen, dass jüngere Schüler heute ein besseres
Lautsprachniveau als vor 10 Jahren zeigen. Vor 10 Jahren wurde das flächendeckende
Neugeborenen-Hörscreening in OÖ eingeführt, was sich somit bereits auf die Gruppe der
Volksschüler deutlich auswirkt. Die geringen Unterschiede zwischen den Altersgruppen
bzgl. der lautsprachlichen Kompetenz sind somit sicherlich auch teilweise darauf
zurückzuführen, dass die Hörgeräteanpassung bei den heute älteren Schülern deutlich
später erfolgt ist als bei den jüngeren.
Bei Kindern mit einer Hörschwelle über 95 dB (ohne CI) ist die Wirkung von Hörgeräten
ohnehin eine sehr limitierte. Auch bei diesen Kindern ist der Zuwachs lautsprachlicher
Kompetenz im Schulalter gering, was auch darauf hinweist, dass hier im Zusammenhang
mit der Hörstörung natürliche Grenzen gegeben sind und dementsprechend eine
mögliche effektive Nutzung visueller Kommunikationsmodalitäten angebracht erscheint.

Hoher Einfluss von nonverbaler Intelligenz
Weiters zeigt sich auch ein hoher Einfluss von nonverbaler Intelligenz auf die
Lautsprache. Hörgeschädigte Kinder müssen zum Erwerb der Lautsprache hohe
Kompensationsleistungen erbringen. Hier erscheint der Einfluss von nonverbaler
Intelligenz auf die Sprache demnach deutlich höher als bei normal hörenden Kindern.

Hoher Zusammenhang zwischen einzelnen sprachlichen Kompetenzen
Insgesamt ist ein hoher Zusammenhang zwischen den einzelnen sprachlichen
40
Kompetenzen festzumachen (z.B. Wortschatz und Grammatik, Grammatik und
Sprachverständnis).
41
Schulische Leistungen

Lehrerangaben für Kinder in Regelschulen
Alle Lehrer und Lehrerinnen der Kinder in den Regelschulen wurden gebeten, die
schulischen Leistungen des Kindes mit jenen der Klassenkameraden zu vergleichen und
einzuschätzen.
o
o
o

Allgemeinwissen: Gesamte Stichprobe
o
o

Lesen
Wortschatz
Allgemeinwissen
Hawik Allgemeinwissen – Mittelwerttabelle (=Faktenwissen)
Hawik Allgemeines Verständnis
Leseverständnis
Siehe unter Schriftsprache im Kapitel Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren.
42
Schulische Leistungen - Lehrerangaben



Lehrer eines hörbeeinträchtigten Kindes in der Regelschule wurden gebeten, die
schulischen Leistungen dieses Kindes relativ zu jenen der Gesamtklasse einzuschätzen.
Diese Befragung wurde bei Lehrern in der LLHS nicht durchgeführt, da dies aufgrund der
vorausgewählten Klassenzusammensetzung nicht als sinnvoll erschien.
Die Leistungen konnten auf einer viergliedrigen Skala beurteilt werden;
überdurchschnittlich, durchschnittlich, unterdurchschnittlich, zu den 1-2- schwächsten
Schülern der Klasse gehörig. Bei ca. 1 Drittel der hörgeschädigten Kinder wurden die
Leistungen als unterdurchschnittlich bis sehr schwach eingeschätzt. Hierbei sind die
deutlichsten Auffälligkeiten – wie zu erwarten – im Leseverständnis und der expressiven
Schriftsprache (z.B. Verfassen von Aufsätzen) zu finden, weniger im Allgemeinwissen.

43
44
Schulische Leistungen - Allgemeinwissen
Die folgende Abbildung zeigt wiederum den deutlichen Einfluss des Grades der Hörschädigung
auf das Allgemeinwissen. Hier ist ein deutlicher Abstand zwischen Kindern mit mittelgradiger
Schwerhörigkeit und allen anderen Gruppen festzumachen.
Im unteren Altersbereich (d.h. bei Kindern in den ersten Schuljahren) differenziert das Verfahren
(HAWIK-III) unzureichend.
Hörgeschädigten Kinder zeigen durchwegs signifikante Mängel im Allgemeinwissen, dies selbst
bei mittelgradiger Schwerhörigkeit, wo in den weiterführenden Schulen bereits ein Rückstand von
ca. 2 Jahren vorliegt. Bei höhergradider Hörstörung sind die Defizite hier deutlich ausgeprägter.
Beachtenswert ist hier, dass hochgradig schwerhörigen Kinder, die im Vergleich zu Kindern mit
ATSH/CI) deutlich bessere sprachliche und auch Leseleistungen erbringen, doch im
Allgemeinwissen signifikant eingeschränkt bleiben.
Der Subtest „Allgemeinwissen“ des HAWIK-III wurde in der bevorzugten Sprachmodalität des
Kindes durchgeführt, d.h. mitunter auch in der Gebärdensprache.
HAWIK Allgemeinwissen
45
Wie geht es den hörgeschädigten Kindern in unseren Schulen?
Daten zur psychosozialen Gesundheit und Lebensqualität der hörgeschädigten Schulkinder in
Oberösterreich:
Der Bereich psychosoziale Gesundheit wurde durch die Einbeziehung verschiedener Informanten
(Kind/Eltern/Lehrer) unter Einbeziehung unterschiedlicher Instrumente untersucht.
Mit den Eltern (meist Mütter) und den Lehrern wurde ein allgemeines Interview geführt. Das Kind
wurde im Gespräch bezüglich seines allgemeinen Wohlbefindens, seinen Freunden, seines
Berufswunsches und spezifischen Symptomen wie Angst, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und
Traurigkeit befragt.
Weiters wurden Fragebögen (SDQ, FBB-HKS, ILK, PSI, ST) angewandt. Bei Kindern, die im
Screening auffälligen waren, wurde mit den Eltern ein strukturiertes, diagnostisches,
psychiatrisches Interview durchgeführt (Kinder DIPS).

Methoden zur Erhebung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Kinder

Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren
o
Eltern- und Lehrerbefragung
o
SDQ




o
DIPS
o
ILK




SDQ Selbst
SDQ Eltern
SDQ Lehrer
SDQ Eltern- vs. Lehrereinschätzung
ILK Selbst
ILK Eltern
ILK selbst vs. Eltern
o
FBB-HKS
o
PSI
o
ST 3-7
Zusammenfassende Ergebnisse zu Wohlbefinden und Lebensqualität
46
Methoden zur Erhebung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Kinder
Folgende Testinstrumente wurden verwendet:
1. Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ)
Mit diesem Fragebogen werden in 5 spezifischen Bereichen Stärken und Schwächen eines
Kindes von Eltern, Lehrern und ab 11 Jahren auch vom Jugendlichen selbst erfragt.
Die fünf Bereiche betreffen:





Emotionale Probleme
Verhaltensauffälligkeiten
Hyperaktivität
Probleme mit Gleichaltrigen
Prosoziales Verhalten
2. Unstrukturiertes Interview
Jedes Kind wurde in einem Gespräch nach emotionalen Symptomen, körperlichen Beschwerden
und Ängsten sowie zu seinen sozialen Beziehungen gefragt.
3. DIPS – Psychiatrisch diagnostisches Interview
Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein strukturiertes, diagnostisches Interview psychischer
Störungen im Kinder- und Jugendalter, das mit den Eltern geführt wurde, wenn ein Bereich des
SDQ-Bogens in einer Version, also entweder in der Eltern- oder in der Lehrer- oder in der
Selbstversion zumindest ein grenzwertiges Ergebnis zeigte.
Es werden aktuelle Diagnosen sowie Lebenszeitdiagnosen erfasst, auch wird der Schweregrad
eingeschätzt.
4. ILK – Fragebogen zu Lebensqualität
Der ILK-Fragebogen erfrägt die Lebensqualität der Kinder einerseits direkt von den Kindern
selbst, andererseits von den Eltern. Er bezieht sich auf die Bereiche: Schule, Familie, soziale
Kontakte zu Gleichaltrigen (andere Kinder), Allein Sein, Gesundheit, psychische Gesundheit
(Nerven, Laune) und eine Skala für die Globaleinschätzung der Lebensqualität (alles zusammen).
Es wurde ein Fragebogen für die Eltern ausgegeben und ein Fragebogen wurde gemeinsam mit
dem Kind durchgeführt. Die Bearbeitung des Kinderfragebogens gestaltet sich sehr einfach und
klar. Zu bestimmten Fragen, sollen die Kinder ihr Gefühl dazu anhand von 5 Smily – Gesichtern (
z.B J K L,..) angeben.
5. PSI – Parental Stress Index
Da ein Zusammenhang zwischen kindlichem Wohlbefinden und elterlicher Stressbelastung
vermutet wird, wurde die Komponente „elterliche Stressbelastung“ ebenfalls mittels eines
Fragebogens, den die Eltern für uns ausfüllten, erfragt.
Die gestellten Fragen beziehen sich auf folgende 3 Bereiche:



Elterlicher Stress
beeinträchtigte Eltern - Kind Interaktion
schwieriges Kind
47
6. ST 3-7 – Soziometrischer Test
Der soziometrische Test ist eine Methode, um die sozialen Strukturen in den Klassen der
hörgeschädigten Kinder zu ergründen. Der Test wurde in den einzelnen Klassen von den Lehrern
und Lehrerinnen durchgeführt. Die Kinder sollten dabei in anonymer Form angeben, neben wen
sie gerne und neben wen in der Klasse sie überhaupt nicht gerne sitzen möchten. Aus den
verschiedenen Antworten der Schüler und Schülerinnen ist es möglich, den sozialen Status des
hörgeschädigten Kindes in seiner Klasse zu berechnen.
7. FBB-HKS – Fragebogen zum hyperkinetischen Syndrom
Die Aufmerksamkeit der Kinder wurde ebenso mittels eines Fragebogens, den Eltern, Lehrer und
Jugendliche ab 12 Jahren auch selbst für uns ausfüllten.
Die Fragen bestehen aus der Beschreibung von Situation die für spezifische Bereiche typisch
sind. Die Antworten sind Einschätzungen, wie stark oder wie wenig ausgeprägt die beschriebene
Situation auf ein Kind zutrifft.
48
Resultate aus den Eltern- und Lehrerangaben
Kinder in Integrationsklassen fragen weniger nach als Kinder in den
Hörgeschädigtenkleinklasse
Lehrer geben an, dass vor allem Kinder mit Hörschädigung in Regelschulen zu 36 % nie bzw.
selten nach Hilfe suchen wenn sie diese benötigen und nur 41 % immer oder fast immer aktiv
Hilfe suchen.
Lehrer empfinden den Freundeskreis der hörgeschädigten Kinder eindeutig als kleiner als die
Eltern.
Rund 10% der Kinder in der Regelschule und der LLHS-HG in der Spezialschule haben laut
Eltern- als auch laut Lehrerangabe keine Freunde.
Eltern und Lehrer wurden befragt, ob ihre Kinder Freunde in der Klasse haben. Als
Anwortkategorien konnte einige, wenige oder keine angegeben werden. Die Aussagen von Eltern
und Lehrer decken sich in dem Punkt nicht genau. Lehrer empfinden den Freundeskreis der
hörgeschädigten Kinder als kleiner im Vergleich zur Elterneinschätzung.
Freunde in der Klasse
Lehrer- vs. Elternangaben
49
Teilweise oder deutliche Isolation bei ¼ der hörgeschädigten Kinder, am wenigsten aber in
den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG)
Immerhin sehen gut 75 % der Lehrer die Kinder aber in der Schule als nicht isoliert an. Bei den
Eltern liegt der Schnitt ähnlich, mit Ausnahme der Kinder, die in den hörgeschädigten
Integrationsklassen beschult werden. Hier wird Isolation potentiell oder sicher nur in 7 %
gesehen.
Isolation in der Schule
Lehrer- vs. Elternangaben
Knapp 30% der Kinder in Regelschulen und in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHSHG) haben laut Eltern ein niedriges Selbstwertgefühl. Lehrer sehen vor allem bei
hörgeschädigten Kindern in Regelschulen dieses Problem mit über 20%.
Selbstwertgefühl des Kindes
Lehrer- vs. Elternangaben
Nur 62% der Eltern von Kindern in der Spezialschule (LLHS-HG und LLHS-I) fühlen sich
nicht durch Kommunikationsprobleme aus dem Leben des Kindes ausgeschlossen, 85%
der Eltern von hörgeschädigten Kindern in den Regelschulen.
Auf die Frage: „Fühlen Sie sich vom Leben des Kindes ausgeschlossen, weil die Kommunikation
ein Problem darstellt?“ antworten immerhin 15 % der Eltern von Kindern, die in der
Spezialschule für Hörgeschädigte in Kleinklassen (LLHS-HG) unterrichtet werden mit „ja“ und
nochmals 22 % mit „selten“. Sowohl von den Kindern der LLHS-I als auch der LLHS-HG geben
nur 62 % der Eltern an, sich nicht vom Leben des Kindes ausgeschlossen zu fühlen. In den
Regelschulsettings fühlen sich 85% der befragten Eltern nicht vom Leben des Kindes auf Grund
50
von Kommunikationsproblemen ausgeschlossenl.
51
Ergebnisse aus dem SDQ-Fragebogen zu Stärken und Schwächen des Kindes
Es liegen insgesamt 106 Elternversionen, 103 Lehrerversionen und 46 Selbstversionen des
SDQ-Fragebogens zu Stärken und Schwächen der Kinder aus der CHEERS-Stichprobe vor, die
ausgewertet wurden.
SDQ – SELBST
Hörgeschädigte Kinder in OÖ liegen 10% über den Werten der Normalpopulation
Bei 78 % der Kinder lagen unauffällige SDQ-Gesamtwerte vor. Im Problembereich fanden sich
etwas mehr grenzwertige als auffällige Kinder.
Im Vergleich mit englischen Normstichprobe zeigt sich, dass sich Kinder mit einer mittelgradigen
Hörstörung selbst als am wenigsten problembelastet einschätzen, währenddessen Kinder mit
einer an Taubheit grenzenden Hörbeeinträchtigung doch zu 46 % auffällige Gesamtwerte hatten
und auf den Ebenen Verhalten, Hyperaktivität mit 30 % 10 % über den Werten der
Normpopulation lagen. Probleme mit Gleichaltrigen wurden sogar in 60 % geortet.
SDQ – ELTERN
In der Elterneinschätzung sehen mehr als doppelt so viele ihre Kinder als problembelastet
als in der deutschen Vergleichsstichprobe von Wörner.
Knapp 36 % der Eltern sehen ihre Kinder im Problembereich (17 % grenzwertig, 18,9 % auffällig),
was eine mehr als doppelt so hohe Rate ist im Vergleich zur deutschen Stichprobe von Woerner.
3x häufiger emotionale Probleme und 9x häufiger Verhaltensauffälligkeiten aus Elternsicht
als in der Normalstichprobe.
52
Es kann aus Elternsicht gesagt werden, dass Kinder mit Hörschädigung 3 x so häufig im
Vergleich zur Normalstichprobe unter emotionalen Problemen im auffälligen Bereich zu leiden
scheinen.
Emotionale Probleme werden von Eltern immerhin zu 23,8 % im auffälligen Bereich eingestuft
(Vergleich 8 % bei Woerner).
Die Rate der vermuteten Verhaltensauffälligkeiten im Problembereich liegt mit 27 % sogar 9 x
höher als in der deutschen Stichprobe von Woerner.
Insgesamt ist die Skala Verhaltensauffälligkeiten und die Skala Probleme mit Gleichaltrigen die
Skala mit den meisten positiven Resultaten im Auffälligkeitsbereich. Nur etwas mehr als die
Hälfte weisen in diesen Feldern keine Auffälligkeiten auf (55,7 %/57,3 %).
Nur mäßig höhere Hyperaktivitätsproblematik nach Elternmeinung.
53
Hyperaktives Verhalten wird elternseits nicht wesentlich häufiger beschrieben als in der
allgemeinen deutschen Stichprobe. Immerhin wird bei 80,2 % (Vergleichsgruppe 90 %) keine
Hyperaktivitätsproblematik vermutet.
Positives Sozialverhalten laut Eltern
Was das prosoziale Verhalten betrifft, schätzen die Eltern ihre hörgeschädigten Kinder sogar
positiver ein, als das in der Allgemeinbevölkerung der Fall ist.
SDQ - LEHRER
Mit 25% geringerer Gesamtproblemwert gegenüber der Elterneinschätzung
LehrerInnen sehen Probleme bei knapp 25 % der Kinder, wobei die Bereiche „grenzwertig“ und
„auffällig“ ziemlich gleich verteilt sind.
54
Höhere Problemwahrnehmung im Bereich „Probleme mit Gleichaltrigen“ durch die
LehrerInnen – doppelte Rate im Vergleich zur engl. Stichprobe.
Probleme mit Gleichaltrigen jedoch werden von Lehrern hörgeschädigter Kinder deutlich häufiger
gesehen (Auffälligkeit im Problembereich doppelt so hoch – 21,4 % zu 10,0 %).
Kaum Auffälligkeiten im Bereich Hyperaktivität, jedoch doppelte Rate bei Auffälligkeiten
im prosozialen Verhalten im Vergleich zur englischen Stichprobe.
Auch seitens der Lehrer wieder kaum Auffälligkeiten im Bereich der Hyperaktivität, auch nicht im
Vergleich zu den vorliegenden englischen Daten.
55
VERGLEICH VON SDQ-ELTERN- UND -LEHREREINSCHÄTZUNGEN
Eltern sehen insgesamt häufiger Probleme als Lehrer.
Lehrer sehen allerdings deutlich häufiger Defizite im prosozialen Verhalten.
Eltern vs. Lehrereinschätzung der
Problembereiche nach Hörstörung
In den Skalen Hyperaktivität und Probleme mit Gleichaltrigen nähern sich Eltern- und Lehrerurteil.
Völlig divergent werden die prosozialen Kompetenzen der Kinder eingeschätzt. Lehrer sehen in
dieser Domäne erhebliche Probleme, währenddessen Eltern ihre Kinder als überaus prosozial
erleben.
Eltern orten 2 ½ x häufiger Probleme ihrer Kinder im Bereich seelischer Gesundheit als in einer
56
deutschen Vergleichsstichprobe aus der Allgemeinbevölkerung. Auch emotionale
Probleme werden von Eltern 3x häufiger als in der Normalbevölkerung wahrgenommen.
Elternurteil nach Hörschädigung:
Betrachtet man das Elternurteil je nach Ausmaß der Hörschädigung des Kindes, so zeigt sich,
dass die hochgradig hörgeschädigten Kinder am deutlichsten im Gesamtwert in der
emotionalen und Verhaltensskala auffällig sind, während überraschenderweise die höchstgradig
hörgeschädigten Kinder in diesen Skalen fast im Normalbereich zu liegen scheinen, allerdings
im Bereich Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen zu 60 % als auffällig gewertet werden.
Die Gruppe der mittelgradig Hörgeschädigten und der CI-Träger liegt dazwischen. Auffällig ist
auch, dass in allen vier Gruppen eine hohe prosoziale Kompetenz angenommen wird.
Lehrerurteil nach Hörschädigung:
Lehrer bewerten Kinder mit hoch- und höchstgradiger Hörschädigung als auffälliger im
Vergleich zu Kindern mit mittelgradigen Hörschäden oder CI-Versorgung.
10 % der Kinder haben im SDQ grenzwertige Befunde und 10 % auffällige Werte erreicht.
Die auffälligsten Werte werden für die Gruppe der höchstgradig Hörgeschädigten(>95 dB) und
der hochgradig Hörgeschädigten (70-94 dB), vor allem auch, was die Gesamtwerte betrifft,
gesehen. Interessant ist, dass nur die mit einem CI versorgten Kinder im Bereich prosoziales
Verhalten als unproblematisch eingestuft werden.
Lehrerurteil nach Schulform:
Nach Schultypen sehen wir aus Lehrersicht ein homogenes Bild, das wiederum die geringsten
Probleme bei den Kindern in der Regelschule erkennen lässt. Für alle Schultypen zeigen sich
Probleme im prosozialen Bereich. Vor allem im Bereich der Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHSHG) werden massive Probleme geortet.
57
Ergebnisse aus dem psychiatrisch diagnostischen Interview DIPS
Doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit von psychiatrischen Diagnosen bei Hörgeschädigten
als in der Allgemeinbevölkerung.
Von 82 Kindern, bei denen ein diagnostisches Elterninterview (Dips) durchgeführt wurde, hatten
37 % eine aktuelle psychiatrische Diagnose. Das ist eine doppelt so hohe Rate als sie in der
Allgemeinbevölkerung erwartet würde. Als Vergleichsdaten dienten die von Iles und Esser
recherchierten und veröffentlichten Prävalenzzahlen für die Allgemeinbevölkerung.
Hyperkinetische Störungen (F90):
In der Untersuchungsstichprobe ergibt sich eine Prävlenz von gut 10 % - eine mehr als doppelt
so hohe Wahrscheinlichkeit als in der Normalstichprobe (4,4 %).
Störung des Sozialverhaltens (F91):
Hier ergibt sich keine merkenswert höhere Prävalenz bei Hörgeschädigten – 8,2 % im Vergleich
zu 7,8 % in der Allgmeinbevölkerung. Ebenso zeigen sich die Ergebnisse, die die
Diagnosegruppe Affektive Störungen und Depressionen (F3)betreffen.
Angststörungen (F40 und F93):
Angststörungen zeigen sich in unserer Studienpopulation bei 17,5 % der Kinder, im Vergleich zu
10,4 % in der Allgemeinbevölkerung.
58
Ergebnisse aus dem ILK Fragebogen zur Lebensqualität der Kinder
Erfragt wurde die kindliche Lebensqualität einerseits von den Kindern selbst, andererseits von
deren Eltern.
ILK - Selbst
Bei Betrachtung der kindlichen Lebensqualität, untersucht mit dem ILK, zeigt sich im Vergleich
zur deutschen Durchschnittsstichprobe von Mattejat eine weitgehende Übereinstimmung.
Während die Gesamtbelastung und die Belastung durch die Schule sogar als geringfügig kleiner
eingeschätzt werden, schätzen die hörgeschädigten Kinder ihre Belastung im Problemfeld
„Alleine-Sein“ und „körperliche Gesundheit“ als höher ein.
ILK – Eltern
Schulprobleme werden von den Eltern nicht so stark wahrgenommen als in der
Normalpopulation. Eine hohe Diskrepanz zeigt sich auch im Bereich „Freunde“, während die
Dimension des „Alleine-Seins“ nicht different gesehen wird von Eltern hörender und
hörgeschädigter Kinder.
ILK Selbst vs. ILK Eltern
Vergleicht man nun die Problemwahrnehmung zwischen Eltern und Kind, so zeigt sich, dass vor
59
allem die Probleme des Alleine-Seins und das Problemfeld körperliches Wohlbefinden different
gesehen werden und Eltern hier die Probleme deutlich geringer einschätzen als die Kinder
selber. Probleme mit Freunden werden von den hörgeschädigten Kindern weniger
wahrgenommen als von ihren Eltern.
Eltern- und Selbstwahrnehmung nach Hörstörung
Bei Betrachtung der Elternwahrnehmung nach Hörstörung sieht man, dass die Gruppe
der hochgradig Hörgeschädigten am deutlichsten in den Problemwahrnehmungsbereichen
liegt. Die Problemwahrnehmung im Bereich Freunde liegt nur für die Gruppe der mittelgradig
Hörgeschädigten vergleichbar mit der deutschen Stichprobe. Problemwahrnehmung seitens der
Eltern für die Gruppe der höchstgradig Hörgeschädigten (95 dB plus) divergiert stark von der
Selbstwahrnehmung der Kinder. Diese Gruppe sieht sich selber am meisten im Problembereich.
In der Elternwahrnehmung liegen hörgeschädigte Kinder, die die Regelschule besuchen, am
wenigsten im Problembereich.
60
61
Ergebnisse aus dem Aufmerksamkeitsfragebogen FBB-HKS
Deutlich höhere Problematik in allen drei Domänen im Vergleich zur
Allgemeinbevölkerung
Bei Betrachtung der Resultate des FBB-HKS zeigt sich, dass die Gruppe der Hörgeschädigten in
allen drei Domänen - Unaufmerksamkeit, Unruhe und Impulsivität - deutlich über den Werten der
Durchschnittsbevölkerung liegt. Im Bereich Unaufmerksamkeit 7 gegenüber 3 Punkten Unruhe
2,5 gegenüber 1 Punkt, Impulsivität 1,6 gegenüber 1,8 Punkten.
62
Ergebnisse aus dem Fragebogen zur elterlichen Stressbelastung PSI
Bei Betrachtung des Parental Stress Index durch die Eltern zeigt sich kein wesentlicher
Unterschied in allen drei Domänen, im Bereich des privaten elterlichen Stresserlebens, der
gestörten Eltern-Kinder-Interaktion und dem Bereich „schwieriges Kind“. Auch DefenseMechanismen sind nicht wesentlich anders bei Betrachtung der einzelnen Gruppen nach Art und
Ausmaß der Hörschädigung.
63
Ergebnisse aus dem Soziometrischen Test ST3-7
Im Soziometrischen Test 3 – 7 ergaben sich keine signifikanten Unterschiede des sozialen Status
der hörgeschädigten Kinder in den unterschiedlichen Schultypen. Das bedeutet, dass es keine
signifikanten Unterschiede bezüglich der mittleren Wertschätzungs- und der mittleren
Ablehnungsurteile gab.
64
Zusammenfassende Ergebnisse zu seelischem Wohlbefinden und Lebensqualität

Insgesamt zeigt sich eine doppelt so hohe Prävalenz (Wahrscheinlichkeit)psychischer
Störungen bei Kindern mit Hörschädigung im Vergleich zur kindlichen
Allgemeinbevölkerung

Emotionale Störungen stehen im Zusammenhang mit gesundheitlichen
Problemen und der innerfamiliären Kommunikationsmöglichkeit.

Die erhöhten Probleme mit der Aufmerksamkeit/Hyperaktivität stellen eine
besondere pädagogische Herausforderung dar.

Hoher sozioökonomischer Status, gute Intelligenz und geringe Ausprägung des
Hörschadens begünstigen psychosoziale Gesundheit.

Kinder nicht-deutscher Muttersprache, hoher Ausprägung des Hörschadens,
geringer Intelligenz und niedrigem sozioökonomischen Status sind
eine Risikopopulation für psychische Störungen.

Die stark divergierenden Beurteilungen der Informanten
(Selbst/Eltern/Lehrer) besonders bei Kindern mit hochgradiger Hörschädigung spielen
den eingeschränkten Zugang zu diesen Kindernwieder.

Kinder selber bringen Probleme mit dem körperlichen Wohlbefinden und dem AlleineSein zum Ausdruck.

Maßnahmen zur Verbesserung der kommunikativen Zugänge zum Kindfür alle
Involvierten (Eltern/Lehrer/hörendes Umfeld) haben Priorität.

Für Kinder nicht-deutscher Muttersprache und ihrer Familien sindZugänge zu
Hilfestellungen in kulturell-sensitiver Weise zu entwickeln.
65
3. Empfehlungen
Familie
Anliegen
Familien haben als Anliegen insbesondere psychosoziale Schwierigkeiten ihres Kindes, Fragen
zu weiterführenden Schulformen nach Abschluss der Grundschule sowie Lernprobleme und
grundlegende Gedanken über die berufliche Zukunft geäußert.
Schulwahl
Als für Familien hilfreiche Struktur erscheint uns vor dem Abschluss der Grundschule sowie der
Pflichtschulzeit das Angebot einer umfassenden Entwicklungsdiagnostik (Sprache und Lernen)
unter Einbeziehung der psychosozialen Aspekte als Grundlage einer Bildungsberatung von
Seiten der Pädagogik sehr geeignet.
Familiäre Kommunikation
Bei ca. 1 Drittel der Kinder aus Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) werden von Seiten der
Eltern die Chancen des Kindes, sich in der Familie auszudrücken und verständlich zu machen,
als deutlich eingeschränkt bis nicht möglich eingestuft, was auch mit emotionalen Problemen in
Zusammenhang steht.
Hierbei kommt der Befähigung der Familien zur Benutzung der bevorzugten Kommunikationsform
des Kindes eine elementare Bedeutung zu (obwohl 73% der Eltern von Kindern der
Hörgeschädigtenkleinklassen angeben, dass ihr Kind bevorzugt mit Gebärden kommuniziert,
werden diese in der Familie nur von 22% durchgehend eingesetzt.)
Probleme mit Gleichaltrigen
In der Elternwahrnehmung werden speziell Probleme mit Gleichaltrigen festgestellt. Angesichts
der oft schwer veränderbaren Situation im unmittelbaren Wohnumfeld, scheinen organisierte
Gruppenangebote insbesondere im Teenageralter wesentlich.
Defizite im Allgemeinwissen
Die erheblichen Defizite im Bereich des Allgemeinwissens bedürfen vereinter Bemühungen von
Eltern und Lehrern. Eltern sind zum Großteil weder über die Existenz noch die Inhalte
individueller Förderpläne für ihr Kind informiert. Diese brach liegende Ressource wäre im Sinne
einander ergänzender und verstärkender gemeinsamer Bildungsarbeit von Schule und Eltern
nutzbar.
Psychosoziale Gesundheit
Die stark divergierende Einschätzung von Eltern und Lehrer im Bereich der psychosozialen
Gesundheit weisen auf einen verstärkten Kommunikationsbedarf zwischen Lehrern und Eltern
auch in Hinblick auf die Gesamtentwicklung des Kindes hin.
Schule
Schulformen
Ein Effekt spezifischer Schulformen auf schulische Leistungen und psychosoziale Befindlichkeit
lässt sich nur mäßig nachweisen. Vielmehr scheint es so, dass Schulformen in Zusammenhang
mit den besonderen Bedürfnissen des Kindes gewählt werden.
66
Angesichts der Heterogenität der Gruppe hörgeschädigter Schüler erscheint eine Differenzierung
wie im jetzigen Schulsystem gegeben unbedingt weiterhin erforderlich.
Der hohe Anteil von Kindern mit Intelligenzminderung (15%), Lernbehinderung (19,8%),
Aufmerksamkeitsstörungen (14,4%), nicht-deutscher Muttersprache (17,2%) sowie die hohe
Prävalenz psychischer Störungen (46,4%) machen ein pädagogisches Ressourcenzentrum, wie
es die Spezialschule darstellt, unverzichtbar. Auf Grund der nachgewiesenen Konzentration von
Kindern mit besonderen Bedürfnissen wie auch der praktisch gehörlosen Kindern in der
Spezialschule, bedarf es deutlicher Akzente in der Leheraus- und weiterbildung in Richtung
Gebärdensprachkompetenz (vgl. auch die Selbsteinschätzung unzureichender Gebärdensprache
der Lehrer), psychosoziale Gesundheit und Sonder- und Heilpädagogik.
Vorteile der Integrationsklassen innerhalb der Spezialschule (LLHS) gegenüber der Regelschule
sind im Leseverständnis (nach Kontrolle für Alter, Geschlecht und Hörstatus) nicht ersichtlich.
Analysen weiterer Parameter hinsichtlich dieser speziellen Beschulungsform stehen noch aus.
Defizite im Allgemeinwissen
Ergebnisse eines deutlich eingeschränkten Allgemeinwissens insbesondere bei praktisch
gehörlosen Kindern und Kindern mit CI einerseits und unzureichende Gebärdensprachkompetenz
andererseits (trotz zumeist guter kognitiver Grundlagen für den Gebärdenspracherwerb) weisen
auf vermehrte Nutzungsmöglichkeiten der Gebärdensprache in der Hörgeschädigtenpädagogik
hin. Auf Grund der äußerst hohen dafür erforderlichen Sprachkompetenzen erscheint neben einer
Qualifizierung der Lehrer auch der Einsatz gehörloser Lehrer bzw. Unterrichtsassistenten
vermehrt erforderlich.
Sprachentwicklungsrückstände
Auch bei Kindern in Regelschulen bestehen vielfach signifikante Sprachentwicklungsrückstände.
Hinzukommend wurde von Lehrern im Vergleich zur Spezialschule über eine verringerte
Bereitschaft der hörgeschädigten Kinder, sich Hilfe zu holen, berichtet. Dies birgt die Gefahr der
Überschätzung insbesondere des Sprachverständnisses mit sich und macht eine aktive
Absicherung desselben von Seiten der Lehrer erforderlich.
Raumakustik
Für Klassen mit hörgeschädigten Kindern in Regelschulen muss ausnahmslos die Schaffung von
akustisch akzeptablen Rahmenbedingungen Standard sein (Akustikdecken nur in 20% der
Regelschulklassen mit hörgeschädigten Kindern gegeben!).
Verlaufsdiagnostik
CI versorgte Kinder zeigen eine hohe Variabilität im sprachlichen und schulischen Outcome,
wobei die vergleichsweise gute Sprechverständlichkeit mitunter zu einer Überschätzung der
Sprachkompetenzen führt. Auf Grund trotz technischer Versorgung stark voneinander
abweichender Entwicklungsverläufe ist eine umfassende Verlaufsbeobachtung angezeigt.
Leseverständnis
Verbesserungen im Leseverständnis stellen bei allen Gruppen hörgeschädigter Kinder nach wie
vor eine große Herausforderung dar. Hierbei kommt dem lautsprachlichen Wortschatz eine
67
herausragende Rolle zu. Eingeschränkte nonverbale Intelligenz und nicht-deutsche
Muttersprache sind Risikofaktoren.
Die Hörschwelle (Grad der Hörstörung) erklärt nur 10% der Varianz im Leseverständnis, die
Wortdekodierung (technisches Lesen) entwickelt sich parallel zur Lautsprache und scheint im
Normalfall für hörgeschädigte Kinder keinen besonderen Einflussfaktor (im Vergleich zu
hörenden Kindern) auf das Leseverständnis darzustellen.
Eine multimodale Förderung des Wortschatzes (für Kinder mit starker Hörbeeinträchtigung auch
unter Einsatz differenzierter Gebärdensprache zur Erklärung von Wortbedeutungen, zur
Förderung von Hintergrundwissen sowie metasprachlicher Fertigkeiten), ein Arbeiten mit
möglichst authentischen Texten sowie funktionale Verwendung der Schriftsprache (als Mittel der
Kommunikation, d.h. auch expressiv) sind mögliche Verbesserungsansätze auch in
Übereinstimmung mit aktuellen internationalen Forschungen.
Empfehlungen zur Früherfassung und –förderung
Neugeborenenhörscreening
Optimierung der Effekte des Neugeborenenhörscreenings, d.h. Verkürzung der Zeitspanne
zwischen Neugeborenenscreening und Erstversorgung mit Hörhilfen durch qualitätsgesichertes
Diagnose- und Versorgungsmanagement.
Angesichts der niedrigen Prävalenz erscheint eine zentrale Anlaufstelle auch in Übereinstimmung
mit internationalen Erfahrungen (z.B. Yoshinaga-Itano 2003) effizient.
Diagnose und Diagnostik
Spezielle Beachtung soll eine sensible Diagnoseeröffnung (2/3 der Eltern erlebten die Diagnose
der Hörschädigung ihres Kindes als schweren Schock) und kompetente ärztliche Begleitung
(40% der Familien fühlten sich in der Frühphase schlecht begleitet) finden.
Auf Grund der Häufigkeit von mit der Hörbehinderung einhergehenden zusätzlichen
Problemfaktoren (Intelligenzminderung, Lernbehinderung, Aufmerksamkeitsstörung, nicht
deutsche Muttersprache, eingeschränkte familiäre Ressourcen) ist eine multiprofessionelle
frühzeitige wie auch Verlaufsdiagnostik mit Erstellung von Förderhorizonten und umfassender
Elternberatung wesentlich.
Hierbei kommt der ausgewogenen Beratung und Anleitung über frühe Familieninteraktion mit
dem hörgeschädigten Kind eine Vorrangstellung zu (Ein bedeutsamer Anteil der Familien fühlte
sich nicht umfassend über Kommunikationswege informiert!).
Kommunikation in Familie und Schule
Obwohl 27% der Schulkinder bevorzugt Gebärden in Familie und Schule verwenden, gaben nur 4
Familien regelmäßigen Gebärdenkontakt bereits in der Frühtherapiephase (0-3 Jahre) an. Der
frühe Einsatz visueller Kommunikationssysteme kann dem Verlust wertvoller Entwicklungszeit für
die Kommunikation und entsprechender kognitiver und sozialer Folgen (z.B.
Bindungsentwicklung) entgegenwirken. Elternschulungen (insbesondere Gruppenangebote) zur
effektiven Interaktion mit ihrem Kind unter Nutzung visueller Hilfen sowie Anleitung zum
responsiven Verhalten als wesentlicher Faktor für eine gesunde psychosoziale Entwicklung sind
auf Grund internationaler Erfahrungen (z.B. Niederlande, Großbritannien) wirksam.
Schulwahl
68
Der Beratungsprozess bzgl. Einschulung erfolgt in Oberösterreich großteils zur Zufriedenheit der
Eltern, was sich durch eine geringe Zahl von Eltern, die die Schulwahl bereut haben und eine
sehr geringe Zahl von Umschulungen (Regelschule in Spezialschule) abbildet.
69
4. Studienaufsichtsrat
In regelmäßigen Abständen wurden in Sitzungen mit dem Studienaufsichtsrat Vorgehensweisen
und Fragen zum Studiendesign besprochen. Dem Studienaufsichtsrat gehören folgende
Personen und Vertreter folgender Institutionen an:

Landesschulrat für Oberösterreich vertreten durch:
Frau LSI Dr. Wührleitner, Frau LSI Dr. Heidemarie Blaimschein

Sozialabteilung des Landes Oberösterreich vertreten durch:
Herrn Hannes Hackl

Landesverband der Gehörlosenvereine Oberösterreich vertreten durch:
Prof. Peter Dimmel

Landeslehranstalt für Hör- und Sehbildung und Sonderpädagogisches Zentrum für
Sinnesbehinderte Oberösterreich vertreten durch:
Prof. Wilfried Schögl

Verein der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher,Linz,
vertreten durch:
Frau Anni Meixner und Frau Gabriele Kliemstein

Institut für Sinnes- und Sprachneurologie / Gesundheitszentrum für Gehörlose,
Barmherzige Brüder Linz, vertreten durch:
Prim. Dr. Johannes Fellinger, Dr. Daniel Holzinger, Mag. Ulrike Strauß und Mag. Barbara
Hunger
70
5. Finanzierung
Die Finanzierung erfolgte zu gleichen Teilen durch
Fonds Gesundes Österreich
Sozialabteilung des Landes
Oberösterreich (Landesrätin Dr.
Stöger)
71
6. CHEERS Projektteam
Ein multidisziplinäres Team besuchte die Kinder, Eltern und Lehrer vor Ort in ihren Schulen oder
in der Nähe ihrer Schule und untersuchte jedes Kind einen Vormittag lang in unterschiedlichen
Bereichen:
Priv.-Doz. Dr. Daniel Holzinger
(Projektleitung, Klin. Linguist)
Prim. Dr. Johannes Fellinger
(Neurologe, Psychiater)
Mag. Ulrike Strauß
(Psychologin)
Mag. Barbara Hunger
(Linguistin)
72
Herunterladen