CHEERS CHANCEN HÖRGESCHÄDIGTER AUF EINEERFOLGREICHE SCHULISCHE ENTWICKLUNG eine studie gefördert von der gesundheitsabteilung des landes oberösterreich und dem fond gesundes österreich durchgeführt vom institut für sinnes- und sprachneurologie / gesundheitszentrum für gehörlose, kh der barmherzigen brüder linz unter der leitung von dr. daniel holzinger Unser Dank gilt den subventionierenden Stellen, den Lehrern des SPZ für Sinnesbehinderte sowie der LLHS (Leitung Prof. Schögl), allen Lehrern der in den Regelschulen integrierten hörgeschädigten Kinder, den Mitgliedern des Studienaufsichtsrats, dem Landesschulrat OÖ und in besonderer Weise allen Kindern und ihren Eltern für ihre engagierte Teilnahme. Erst in diesem Zusammenwirken wurde es möglich, dass nunmehr umfassende Ergebnisse aus vielfältigen Informationen vorliegen. Die derzeit vorliegenden Ergebnisse stellen einen Zwischenstand der Datenauswertung dar und werden laufend ergänzt. Dr. Daniel Holzinger Inhalt 1. Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren Schulen? .................................................... 1 Zielgruppe: .................................................................................................................................... 1 Kontaktaufnahme mit den betroffenen Familien:....................................................................... 1 Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren Schulen? (Beschreibung der Stichprobe) 1 Übertragbarkeit der erarbeiteten Daten (Repräsentativität der Stichprobe) ........................... 1 Allgemeine Eckdaten der hörgeschädigten Kinder (Demographische Daten) .................... 2 Hörstatus ................................................................................................................................... 3 Schulformen .............................................................................................................................. 5 Wie sehr treffen unsere Aussagen auf alle hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich zu? ........................................................................................................................................... 10 2. Untersuchungsbereiche und Ergebnisse ................................................................................. 12 Wie ist die Lebenssituation der hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich? ................... 13 Hörgeschädigte Kinder und Familie...................................................................................... 14 Hörgeschädigte Kinder und Schule ...................................................................................... 17 Hörgeschädigte Kinder und Gesundheit .............................................................................. 21 Methoden zur Spracherhebung – Beschreibung der einzelnen Testverfahren .................... 25 Sprachverwendung .................................................................................................................... 30 Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren zur Spracherhebung ............................................ 31 Zusammenfassende Ergebnisse zur Lautsprachentwicklung hörgeschädigter Schulkinder in OÖ ........................................................................................................................................... 40 Schulische Leistungen ............................................................................................................... 42 Schulische Leistungen - Lehrerangaben .............................................................................. 43 Schulische Leistungen - Allgemeinwissen ........................................................................... 45 Wie geht es den hörgeschädigten Kindern in unseren Schulen? .......................................... 46 Methoden zur Erhebung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Kinder ............ 47 Resultate aus den Eltern- und Lehrerangaben .................................................................... 49 Ergebnisse aus dem SDQ-Fragebogen zu Stärken und Schwächen des Kindes ............ 52 Ergebnisse aus dem psychiatrisch diagnostischen Interview DIPS................................... 58 Ergebnisse aus dem ILK Fragebogen zur Lebensqualität der Kinder ............................... 59 Ergebnisse aus dem Aufmerksamkeitsfragebogen FBB-HKS ........................................... 62 Ergebnisse aus dem Fragebogen zur elterlichen Stressbelastung PSI ............................ 63 Ergebnisse aus dem Soziometrischen Test ST3-7 ............................................................. 64 Zusammenfassende Ergebnisse zu seelischem Wohlbefinden und Lebensqualität ....... 65 3. Empfehlungen ............................................................................................................................ 66 4. Studienaufsichtsrat .................................................................................................................... 70 5. Finanzierung............................................................................................................................... 71 6. CHEERS Projektteam ............................................................................................................... 72 1. Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren Schulen? Zielgruppe: Zielgruppe der Querschnittuntersuchung waren alle zumindest mittelgradig schwerhörigen Kinder (Hörschwelle ≥ 40 dB am besseren Ohr) imPflichtschulalter (1. – 9. Klasse) in OÖ. Kontaktaufnahme mit den betroffenen Familien: Ausgangsbasis für die Einladung zur Teilnahme an der Studie stellten eine Schülerliste des Sonderpädagogischen Zentrums für Sinnesbehinderte in Linz sowie die Schülerliste der Landeslehranstalt für Hör- und Sehbildung dar. Mit Unterstützung des Landesschulrats für OÖ sowie der genannten schulischen Zentren erfolgte im Herbst 2003 die Einladung der betroffenen Familien. Im Jahr 2004 wurde die Einladung an alle Familien, die sich noch nicht angemeldet hatten, wiederholt. Schließlich konnten als Grundlagen einer Repräsentativitätsuntersuchung, auch die Eckdaten der Kinder, die nicht an der Studie teilgenommen hatten, in anonymisierter Form erhoben werden. Wer sind die hörgeschädigten Kinder in unseren Schulen? (Beschreibung der Stichprobe) Allgemeine Information Hörstatus Schulformen Übertragbarkeit der erarbeiteten Daten (Repräsentativität der Stichprobe) Allgemein und nach Schulformen 1 Allgemeine Eckdaten der hörgeschädigten Kinder (Demographische Daten) Hörgeschädigte Kinder sind in OÖ weitestgehend erfasst. Von insgesamt 186 Kindern haben 116 Kinder an der Studie teilgenommen, das sind 62%. Nach internationalen Studien ist eine Häufigkeit von prälingualer Schwerhörigkeit (> 39 dB) von 1 von 750 Geburten zu erwarten (Davis & Wood 1992; Davis et al. 1997). Dies ergäbe bei einer Schülerzahl von 145.000 Schülern im Pflichtschulalter in den Jahren 2003/2004 eine erwartbare Zahl von 193. Die hörgeschädigten Schüler in OÖ sind durch die schulischen Spezialeinrichtungen (SPZ + LLHS) somit gut erfasst. Geschlecht Die Geschlechterverteilung in der Stichprobe (männlich zu weiblich) ist 51:49 %. Auch internationale Studien zeigen einen etwas erhöhten Anteil des männlichen Geschlechts unter hörgeschädigten Kindern. Altersverteilung Die Altersverteilung über Volksschule (1.-4. Klassenstufe) und weiterführende Schule (5. –9. Klassenstufe) ist relativ ausgewogen. Aufgrund eines oftmals eher etwas späteren Einschulungsalters bei hörgeschädigten Kindern ist die Gruppe der unter 7-jährigen sehr klein. Nicht deutsche Muttersprache Bei den untersuchten Kindern haben 17% eine nicht deutsche Muttersprache. Erhoben wurde „nicht deutsche Muttersprache“ über eine Befragung der Eltern. 2 Hörstatus Grade der Hörschädigung Für unsere Studie, wurden die Kinder nach folgenden Kriterien in 4 verschiedene Gruppen, je nach Schweregrad ihrer Hörschädigung zusammengefasst: 40-69 dB 70-94 dB ≥ 95 dB CI mittelgradige Schwerhörigkeit hochgradige Schwerhörigkeit an die Taubheit grenzende Schwerhörigkeit Kinder mit Cochleaimplantat Für diverse Berechnungen wurden Kinder mit CI und > 95 dB zusammengefasst. Einstufung der Hörschädigung nach Fletcher Die mittlere Hörschwelle wurde mittels des so genannten Fletcher Index (mittlere Hörschwelle bei 500, 1000 und 2000 Hz) für das bessere Ohr ermittelt. Gruppen der Kinder nach Grad der Hörschädigung Bezüglich des Hörstatus zeigt sich ein erwartbar hoher Anteil von Kindern mit mittelgradiger Innenohrschwerhörigkeit. Die Gruppen der Kinder mit CI und hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit sind gleichgroß (22 % der Stichprobe), die an die Taubheit grenzenden schwerhörigen Kinder stellen wie zu erwarten die kleinste Gruppe (16 % der untersuchten Kinder) dar. Charakteristika der untersuchten CI-Kinder: Die Cochlear implantierten Kinder der Stichprobe sind verglichen mit heutigem Standard sehr spät versorgt worden. Das durchschnittliche Operationsalter bei den untersuchten Kindern beträgt 4,8 Jahre. Somit stellen die für CI-Kinder vorliegenden Resultate keineswegs die bei früher Implantation erreichbaren Entwicklungsmöglichkeiten dar. 3 Nonverbale Intelligenz der untersuchten Kinder IQ Intelligenzminderung 70-84 Lernbehinderung 85-114 durchschnittliche Intelligenz ≥ 115 überdurchschnittliche Intelligenz Bemerkenswert ist ein hoher Anteil von Kindern mit Intelligenzminderung (14,7 %) und unterdurchschnittlicher Intelligenz (19,8 %), sodass bei über einem Drittel der Kinder Defizite vorliegen. Auch das entspricht in etwa internationelen Daten hörgeschädigter Kinder. 4 Schulformen Wie unterscheiden sich die untersuchten Kinder in den unterschiedlichen Schulformen? Im Folgenden wird die Stichprobe (= Gruppe der untersuchten Kinder) nach Schulformen beschrieben, da deutlich voneinander abweichende Charakteristika der Schüler je nach Beschulungsform zu erwarten sind. In der Hörgeschädigtenschule (Landeslehranstalt für Hörund Sehbildung) sind Integrationsklassen (LLHS-I) mit mehreren hörgeschädigten Kindern unter einer Mehrheit normalhörender Kinder von Kleinklassen mit ausschließlich hörgeschädigten Kindern (LLHS-HG) zu unterscheiden. Kinder mit Intelligenzminderung werden in Förderklassen (LLHS-F) betreut. Hörgeschädigte Kinder in der Regelschule sind fast ausschließlich das jeweils einzige Kind mit Hörbeeinträchtigung in ihrer Klasse (siehe auch Hörgeschädigte Kinder und Schule). Geschlecht Auffällig ist in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) ein wesentlich höherer Anteil von Buben. In der integrativen Beschulungsform überwiegen Mädchen. Alter Die Altersverteilung über die Schulformen hinweg erweist sich als ausgewogen. Kinder der Hörgeschädigtenklasse sind durchschnittlich ein Jahr jünger als die der Integrationsklassen der Spezialschule (LLHS). 5 Hörstatus Bezogen auf die Schulformen lässt sich eine Zunahme der Hörschwelle von der Regelschule über die Integrationsklassen der LLHS (LLHS-I) bis hin zu den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) beschreiben. Nonverbale Intelligenz Methode: Die Testung der nonverbalen Intelligenz erfolgte mit Hilfe des Handlungsteils des HAWIK III (Hamburg Wechsler Intelligenztest für Kinder). Ergebnis: Es zeigt sich hier ein bedeutsamer Unterschied zwischen den Schulformen, d.h. eine Abnahme der nonverbalen Intelligenz von der Regelschule zur LLHS-I und schließlich LLHS-HG. Die mittlere Intelligenz der Kinder der Hörgeschädigtenkleinklasse ist somit bereits unterdurchschnittlich. Es besteht kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der nonverbalen Intelligenz von Kindern der Regelschule und solchen in den Integrationsklassen der Spezialschule (LLHS), wobei die gegebene Differenz von ca. ½ Standardabweichung im Falle der hörgeschädigten Kinder jedoch praktisch durchaus relevant sein dürfte, was die schulische und kommunikativ- sprachliche Entwicklung betrifft. 6 Die folgende Tabelle verdeutlicht noch einmal den zunehmenden Anteil von Kindern mit einer Intelligenzminderung bzw. unterdurchschnittlicher Intelligenz in der Spezialschule (LLHS). Tabelle: Nonverbaler IQ nach Schulform < 70 70 – 84 85 – 114 ab 115 Intelligenzminderung unterdurchschnittliche Intelligenz durchschnittliche Intelligenz überdurchschnittliche Intelligenz Bei den untersuchten Kindern zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen nonverbaler Intelligenz und Hörstatus. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da in der weiteren Folge Entwicklungsergebnisse auch bezogen auf den Grad der Hörschädigung gezeigt werden. 7 Nicht-deutsche Muttersprache Bei einem Anteil von 17,2 % von Kindern nicht deutscher Muttersprache innerhalb der gesamten Stichprobe ist der Anteil dieser Kinder in der Regelschule weitaus niedriger, in den Hörgeschädigtenkleinklassen deutlich höher. Kommunikationsmittel Lehrer und Eltern wurden bzgl. des bevorzugten Kommunikationsmittels ihres Kindes befragt, wobei hier die Optionen Lautsprache, Gebärdensprache (GS) und lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) gewählt werden konnten. Nach Einschätzung der Lehrer verwendet ca. ¼ der Kinder Gebärden (Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden) als bevorzugtes Kommunikationsmittel. Gebärden werden von der Mehrheit der Kinder der Hörgeschädigtenkleinklassen bevorzugt verwendet, von nur wenigen Kindern der Integrationsklassen und nur in seltenen Ausnahmefällen in der Regelschule. Auf Details hinsichtlich der verwendeten Kommunikationssysteme der Kinder der Stichprobe in Schule und Familie wird unter „Sprache und Kommunikation“ eingegangen. 8 Sozioökonomischer Status Der sozio- ökonomische Status der Familie wurde über eine Befragung der Eltern nach deren Ausbildung ermittelt. Hierbei wurden 5 Stufen unterschieden: o kein Schulabschluss bzw. Sonderschulabschluss o Hauptschulabschluss o Abschluss einer Fachschule oder Lehrabschluss o Matura o Hochschulabschluss Hinsichtlich der verschiedenen Schulformen zeigt sich kein signifikanter Unterschied bzgl. des sozioökonomischen Status der Familie. Die Graphik zeigt eine ähnliche Verteilung des Ausbildungsstatus der Eltern über die verschiedenen Schulformen hinweg. 9 Wie sehr treffen unsere Aussagen auf alle hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich zu? Allgemein Von einer Grundgesamtheit von 186 hörgeschädigten Kindern in OÖ, die den Kriterien unserer Zielgruppe entsprechen, wurden 116 Kinder umfassend untersucht. Das sind 62 %. Durch die Erhebung der Eckdaten aller bekannten hörgeschädigten Kinder konnte die Sicherheit der Repräsentativität der untersuchten Gruppe geprüft und bestätigt werden. Das bedeutet, dass unsere Aussagen auch für die Gesamtheit der hörgeschädigten Schulkinder in Oberösterreich Gültigkeit haben. Geschlecht In der Stichprobe ist das Verhältnis weiblich zu männlich 49,1 zu 50,9 %, in der Grundgesamtheit 44,4 zu 55,6 %, was keinen signifikanten Unterschiedergibt. Alter Auch hinsichtlich der Altersverteilung zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Kindern der Stichprobe und der Grundgesamtheit. Tendenziell sind die Kinder der Stichprobe etwas jünger. Nicht-deutsche Muttersprache Es zeigt sich kein signifikanter Unterschied zwischen der Stichprobe und der Grundgesamtheit was den Anteil von Schülern und Schülerinnen nicht deutscher Muttersprache betrifft. 10 Hörstatus An der Studie haben relativ zur Grundgesamtheit (n=186) etwas weniger Kinder mit einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit, jedoch mehr Kinder mit einer an die Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit oder einem Cochlearimplantat teilgenommen. Diese Gewichtung ist günstig, da höchstgradige Hörschädigungen ohnehin seltener auftreten und somit eine höhere Teilnahmezahl erforderlich ist, um zuverlässige Aussagen auch über diese Teilgruppe von Kindern treffen zu können. Teilnahmequoten nach Schulform Die folgende Tabelle zeigt zusammenfassend eine sehr hohe Teilnahmequote innerhalb der Spezialschule, wo sich wiederum Kinder mit stärkeren Hörbeeinträchtigungen befinden. 11 2. Untersuchungsbereiche und Ergebnisse Lebenssituation der hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich o o o Familie Schule Gesundheit Sprache und Kommunikation o o o o Methoden Sprachverwendung Ergebnisse der einzelnen Verfahren Zusammenfassende Ergebnisse Schulleistungen Psychosoziale Gesundheit und Lebensqualität o o Methoden Ergebnisse der einzelnen Verfahren 12 Wie ist die Lebenssituation der hörgeschädigten Kinder in Oberösterreich? Die Lebenssituation hörgeschädigter Schulkinder in Oberösterreich wurde von verschiedensten Seiten beleuchtet. Die Informationen wurden mit Hilfe von Fragebögen und teils in Interviewform von Eltern, Lehrern und den Schülern selbst erhoben. Im Folgenden sollen die untenstehenden Lebensbereiche der hörgeschädigten Kinder beschrieben werden: Hörgeschädigte Kinder und ihre Familie Hörgeschädigte Kinder und Schule Hörgeschädigte Kinder und Gesundheit 13 Hörgeschädigte Kinder und Familie 1. Hörstörungen bei Angehörigen 27,8 % der Eltern gaben ein Vorliegen von angeborenen Hörstörungen bei Familienangehörigen oder Verwandten an. In unserer Stichprobe hatten 8 Kinder hörgeschädigte Eltern – 2 davon kommunizieren bevorzugt in Gebärdensprache. 2. Elterliche Belastung durch die Hörbeeinträchtigung des Kindes Belastete Eltern eher bei Kindern in der Spezialschule! Die elterliche Belastung durch die Hörbeeinträchtigung des Kindes ist in der Hörgeschädigtenschule merklich höher als in der Regelschule. Dies dürfte u.a. auch darauf zurückzuführen sein, dass sich in der Spezialschule vermehrt jene Kinder befinden, die auch eine stärker ausgeprägte Hörstörung sowie niedrigere Intelligenz aufweisen. Auffallend zeigt sich jedoch der Vergleich der Regelschule mit den Integrationsklassen der Hörgeschädigtenschule (LLHS-I). In der LLHS-I sollte die mittlere bis starke und sehr starke Belastung bei über 50% der Eltern sehr ernst genommen werden. Eventuell spielt hier der Anteil an Kindern eine Rolle, die auf Grund von Versagen in einer Regelschule im Laufe ihrer Pflichtschulzeit in eine Integrationsklasse an der Landeslehranstalt wechselten und die elterliche bzw. familiäre Situation auf Grund vorangegangener schulischer Probleme des Kindes bereits belastet ist. 14 3. Familiäre Belastungsfaktoren In knapp 30 % der Familien gibt es familiäre Belastungsfaktoren, wie etwa Tod eines Familienangehörigen oder einen Pflegefall in der Familie. Ein Drittel davon steht in Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Eltern. 4. Kommunikation in der Familie Herausforderung der familiären Kommunikation besonders bei Kindern in Hörgeschädigtenkleinklassen! Um einen Einblick in die Kommunikation innerhalb der Familie zu bekommen, wurden die Eltern befragt, wie gut sie die Chancen ihres Kindes einschätzen, sich in der Familie verständlich zu machen. Bei den integrierten Kindern sowohl in der Regelschule als auch in der Hörgeschädigtenschule gelingt dies bei rund 90 % der Familien gut, bei rund 10 % der integrierten Kinder (Regelschule und LLHS-I) geben die Eltern diesbezüglich Schwierigkeiten an. Größere Schwierigkeiten die familiäre Kommunikation betreffend werden in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) geortet, wo sich zwar knapp 60 % der Kinder in der Familie gut verständlich machen können, immerhin 40 % jedoch nur mäßig bis schlecht. 15 5. Lernstunden der Eltern mit dem Kind zu Hause Durchschnittlich lernen die Eltern mit ihrem hörgeschädigten Kind zu Hause täglich eine halbe Stunde während der Woche und knapp eine Stunde pro Tag an den Wochenenden. Stunden-Mittelwert wochentags Stunden-Mittelwert Wochenende 0,89 0,71 LLHS-I 0,36 0,74 LLHS-HG 0,61 Schultyp Regelschule LLHS-F 0,25 1,49 0,87 6. Anliegen der Eltern Wir haben Eltern nach ihren eigenen Anliegen gefragt. In den meisten Fällen wurden psychosoziale Probleme ihrer Kinder genannt, gefolgt von Lernproblemen, die weiterführende Schulform sowie die Zukunft und die Berufsaussichten für ihr Kind. Auch Fragen zur Hörtechnik und zur Kommunikation mit ihrem Kind liegen noch vor den gesundheitlichen Problemen. Zusammenfassend stellen somit psychosoziale Schwierigkeiten, Fragen in Entscheidungssituationen (weiterführende Schule, Berufswahl/Zukunft), sowie Lernschwierigkeiten die herausragenden spontan von den Eltern geäußerten Anliegen dar. 16 Hörgeschädigte Kinder und Schule 1. Schulformen 40 % der hörgeschädigten Kinder in Regelschule besuchen Integrationsklassen. Von allen hörgeschädigten Kindern unserer Zielgruppe, die in Oberösterreich in Regelschulen beschult werden, befinden sich 60% in Regelklassen – das bedeutet, dass diese Kinder in Form einer Einzelintegration zusammen mit nicht-beeinträchtigten, normal-hörenden Kindern unterrichtet werden. In der Regel wird der Unterricht in Regelklassen von einer Lehrkraft, d.h. ohne zusätzliche pädagogische Unterstützung abgehalten. 40 % der Kinder in den Regelschulen besuchen eine Integrationsklasse. In diesen Klassen werden hörbeeinträchtigte Kinder gemeinsam mit nicht-behinderten Kindern und Kindern mit anderen Behinderungen unterrichtet. In der Regel befindet sich eine zweite Lehrkraft weitestgehend durchgehend in solchen Klassen. Dieses Verhältnis wird auch durch die Angabe über eine zusätzliche pädagogische Unterstützung während des Unterrichts aus einer Befragung der Lehrer widergespiegelt. In den Regelklassen gibt es eine solche Unterstützung bei 43,3 % der Kinder (laut Lehrerbefragung). In durchwegs allen Integrationsklassen innerhalb der Hörgeschädigtenschule (LLHS-I) ist eine zusätzliche pädagogische Unterstützung in Form eines zweiten Lehrers/einer zweiten Lehrerin während des Unterrichts gewährleistet. 17 2. Information bei der Wahl der Schulform Funktionierendes System für die Wahl der geeigneten Schulform in OÖ In Oberösterreich stehen Eltern von hörgeschädigten Kindern grundsätzlich mehrere Wege für die Beschulung ihrer Kinder offen. Insbesondere in den letzten Jahren gab es eine Verlagerung von einer Beschulung in einer Spezialschule für hörgeschädigte Kinder hin in Richtung Integration und Regelschule. Auch bei der Wahl einer integrativen Beschulungsform stehen Integrationsklassen in der Hörgeschädigtenschule zur Verfügung. In Form einer „umgekehrten Integration“ werden hier mehrere hörgeschädigte Kinder gemeinsam mit normalhörenden Kindern unterrichtet. In der Regelschule besuchen hörgeschädigte Kinder einerseits Regelklassen in Form einer „Einzelintegration“, also als einziges hörgeschädigtes Kind zusammen mit normal-hörenden Kindern und in ganz vereinzelten Fällen in Form einer „Gruppenintegration“, also zwei oder mehr hörgeschädigte Kinder in einer Klasse mit normal-hörenden Kindern. Die umfassende Information über die verschiedenen Möglichkeiten der Beschulung bzw. die Beratung im individuellen Fall bei der Wahl der geeigneten Schulform für ein bestimmtes Kind, ist jedoch nicht immer gegeben und variiert je nach Schulform. Eltern von Kindern mit stärkerer Hörbeeinträchtigung und besonderen Bedürfnissen geben eher an, sich bei der Schulwahl nicht ausreichend informiert gefühlt zu haben. 18 Letztendlich ausschlaggebend für die Wahl der Schulform waren in absteigender Reihenfolge vor allem die Eltern und Kinder selbst, der Direktor der Hörgeschädigtenschule sowie die Direktoren und Direktorinnen der jeweiligen Regelschulen vor Ort, die KindergärtnerInnen, TherapeutInnen, LehrerInnen der jeweiligen Schulen und weniger häufig Informationsveranstaltungen und Beratungsstellen sowie Ärzte. Fast niemand unter den befragten Eltern bereut jedoch im Nachhinein die Wahl der Schulform, was zeigt, dass das Informations- und Auswahlsystem die Schulwahl betreffend in OÖ grundsätzlich gut zu funktionieren scheint. 3. Gebärdensprachkompetenz der Lehrer und Lehrerinnen Nicht alle Lehrer und Lehrerinnen unserer hörgeschädigten Kinder sind gebärdensprachkompetent! Dieses Ergebnis erhielten wir durch eine Befragung der einzelnen Lehrkräfte der hörgeschädigten Schüler und Schülerinnen selbst. Die Lehrer und Lehrerinnen wurden gebeten, ihre eigene Gebärdensprachkompetenz einzuschätzen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist die Art der Erhebung dieser Information zu berücksichtigen. Die Lehrer und Lehrerinnen in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) schätzen sich bezüglich ihrer Gebärdensprachkompetenz am schlechtesten ein. In diesen Klassen befinden sich jedoch die meisten Kinder, für die angegeben wurde, dass sie Gebärdensprache als bevorzugtes Kommunikationsmittel verwenden. 19 Besonders in den Hörgeschädigtenkleinklassen und in den Förderklassen der Hörgeschädigtenschule wären somit weitere Bemühungen in Richtung einer Verbesserung der Gebärdensprachkompetenz der Unterrichtenden empfehlenswert. 4. Akustische Rahmenbedingungen in den Schulen Unzureichende Raumakustik in den Regelschulen! Während in der Spezialschule alle Klassenräume mit speziellen Akustikdecken ausgestattet sind, finden wir diese optimalen akustischen Rahmenbedingungen für hörgeschädigte Schulkinder in nur wenigen Regelschulen (ca. 21%). 20 Hörgeschädigte Kinder und Gesundheit 1. Ursachen der Hörschädigung Bei 65 % der hörgeschädigten Kinder ist die Ursache der Hörschädigung nicht bekannt. Nur 35 % der Eltern können einen Grund für die Hörschädigung ihres Kindes angeben. 2. Verdachtsmomente frühestmöglichst abklären lassen Vom ersten Verdachtsmoment einer Hörschädigung bis zur ihrer Diagnose vergehen im Schnitt knapp 10 Monate. Bis zur ersten Versorgung mit Hörhilfen verstreichen durchschnittlich noch einmal 7 Monate. Unnötig hoher Zeitverlust zwischen erstem Verdacht, Diagnosestellung und Erstversorgung! 3. Großer Erfolg des Neugeborenenhörscreenings Sehr positiv wirkt sich das in OÖ vor ca. 10 Jahren eingeführte flächendeckende Neugeborenenhörscreening aus. Der Diagnosezeitpunkt konnte um durchschnittlich knapp 16 Monate vorverlagert werden. 21 4. Reaktion der Eltern auf die Diagnose: Schock Ergebnisse aus Studien, die Schock als Hauptreaktion von Eltern auf die Diagnose „Hörschädigung“ bei ihrem Kind beschreiben, konnten wir mit einem Ergebnis von knapp 70 % bestätigen. Gut 12 % der Eltern reagieren mit Erleichterung, weil die Diagnose die lange Zeit der Unsicherheit beendet und rund 11 % zweifeln an der gestellten Diagnose. Reaktionen wie Schock und Zweifel, die ein unmittelbares Handeln von Seiten der Eltern hemmen, wirken sich auch auf die Dauer der Zeitspanne zwischen Diagnose und Erstversorgung aus. 5. Zufriedenheit der Eltern mit der Betreuung nach der Diagnosestellung Obwohl 66 % der Eltern angeben, mit der Betreuung nach der Diagnosestellung bis zum Schuleintritt des Kindes eher oder sehr zufrieden gewesen zu sein, sollte das Augenmerk besonders auf die immerhin 34 % der Eltern gelegt werden, die mit der Betreuung nach der Diagnose weniger oder gar nicht zufrieden waren. 6. Gesundheitliche Probleme Bei 20 % der Kinder traten nach Angabe der Eltern Probleme bereits während der Schwangerschaft auf, bei gut 30 % während oder kurz nach der Geburt. Rund 39 % geben motorische Auffälligkeiten ihres Kindes an, 28 % Wahrnehmungsstörungen. 36 % tragen eine Sehhilfe, wobei in gut 3 % der Fällen eine schwere Augenkrankheit vorliegt. 43,4 % der Kinder hatten bereits eine Polypenoperation und bei gut 25 % traten regelmäßig wiederkehrende Mittelohrentzündungen zwischen dem 2. und dem 3. Lebensjahr auf. 7. Hörgeräteakzeptanz Betrachtet man die Hörgeräteakzeptanz durch die Kinder in der Zeit nach der Anpassung und zum Zeitpunkt der Untersuchung, kann man feststellen, dass nach anfänglichen Schwierigkeiten 22 die Hörgeräte in der Regel durchwegs gut akzeptiert werden. Dennoch sollten die Schwierigkeiten in der Akzeptanz in den ersten Jahren nach der Anpassung ernst genommen werden. 8. Nutzung des Angebots einer Frühtherapie Die Befragung der Eltern, ob sie das Angebot einer Frühtherapie in Anspruch genommen haben, ergab, dass diesbezügliche Angebote vom Großteil der Betroffenen genutzt wurden (ca. 77 %). Nur ca. 22 % haben mit ihrem Kind kein Frühtherapieangebot genutzt. Gut 78 % der befragten Eltern waren mit dem therapeutischen Angebot nach der Diagnosestellung eher oder sehr zufrieden. Rund 22 % waren mit dem therapeutischen Angebot von der Diagnose bis zum Schuleintritt des Kindes eher oder gar nicht zufrieden. 23 9. Beratung über mögliche Kommunikationswege Obwohl sich 69 % der Eltern bezüglich möglicher Kommunikationswege mit dem Kind als gut beraten fühlten, trifft dies für 31 % der betroffenen Eltern nicht zu. Anzustreben ist hier eine Verbesserung in der Beratung für betroffene Eltern, speziell was die Kommunikationsmöglichkeiten mit ihrem Kind betrifft. 24 Methoden zur Spracherhebung – Beschreibung der einzelnen Testverfahren Lautsprache EARS – MTP Dieser Subtest aus der EARS-Testbatterie (MedEL) überprüft die Wahrnehmung von Lautsprache über das Ohr ohne Darbietung des Mundbildes. MTP- geschlossene Liste In einem ersten Schritt werden dem Kind Bildkarten mit Objekten (Baum, Haus, Telefon, Vogel,…) gezeigt und vor ihm am Tisch aufgelegt. Jeder Gegenstand wird lautsprachlich mit Verfügbarkeit des Mundbildes einmal gesprochen. Nach dieser Erarbeitung der Begriffe mit dem Kind wird nach einer Liste jedes Wort einmal ohne Verfügbarkeit des Mundbildes gesprochen. Das Kind muss das gesprochene Wort über das Ohr wahrnehmen und auf das entsprechende Bildkärtchen zeigen. Der Testleiter notiert die gezeigten Kärtchen pro Wort und errechnet dann ein prozentuales Ergebnis von richtigen Wörtern. Zeigt ein Kind für ein gesprochenes Wort auf eine Karte mit einem Objekt, dessen lautsprachliche Bezeichnung zumindest in der Silbenanzahl mit dem tatsächlich gesprochenen Wort übereinstimmt, wird die Antwort zwar nicht als richtiges Wort, aber als richtiges Silbenmuster bewertet, z.B. wenn das Kind auf die Karte mit einem Telefon zeigt, wenn Elefant gesprochen wurde. Auch die korrekten Silbenmuster werden prozentual errechnet. MTP-offene Liste Aus einer Liste werden 10 Wörter ohne Verfügbarkeit des Mundbildes vorgesprochen. Das Kind muss jedes Wort wiederholen. Die vom Kind wiedergegebenen gesprochenen Wörter werden phonologisch notiert. Es werden dann prozentual die richtigen Wörter und die richtigen Phoneme errechnet. EARS – GASP Auch hier handelt es sich um einen Subtest aus der Testbatterie EARS. Er misst das Verständnis gesprochener Sätze. Es werden jedem Kind 10 Sätze ohne Verfügbarkeit des Mundbildes lautsprachlich präsentiert. Da es sich dabei um Fragen handelt, kann das Kind entweder mit einer entsprechenden Antwort oder mit der einfachen Wiederholung der Frage antworten. Die Bewertung erfolgt dichotomisiert und die Anzahl der richtig wiederholten oder beantworteten Fragen wird in einem prozentualen Wert errechnet. HAWIK Wortschatztest Der Hawik Wortschatztest ist ein Subtest des Hawik und testet den passiven Wortschatz des Kindes. Die einzelnen Wörter werden mündlich und bei Bedarf schriftlich vorgegeben. Das Kind antwortet in der jeweils bevorzugten Sprachmodalität (lautsprachlich, gebärdensprachlich oder in einer Mischform/LBG). Normierung des Tests liegt für alle von uns untersuchten Altersstufen vor. PPVT III (Peabody Picture Vocabulary test) Dieser passive Wortschatztest wurde nur mit jenen Kindern der Stichprobe durchgeführt, die beim Hawik Wortschatztest ein Wortschatzalter von unter 6 Jahren erreichten. Beim PPVT III werden dem Kind einzelne Wörter lautsprachlich und schriftsprachlich präsentiert und das Kind muss aus 4 dargebotenen Bildern das entsprechende 25 auswählen. Reynell III Der Reynell III ist ein Lautsprachverständnistest auf Wort- und Satzebene. Aus einer Menge von Spielsachen muss das Kind den lautsprachlich bezeichneten Gegenstand finden. Während des gesamten Testverfahrens steht auch das Mundbild zur Verfügung. Auf Satzebene muss das Kind kurze Szenen mit den Spielsachen nachspielen, wie etwa: „Leg den Bären auf das Bett.“ oder „Tu den langen roten Stift in die Schachtel.“ Die Äußerungen weisen unterschiedliche Komplexität, von Einzelwörtern zu einfachen Hauptsätzen bis hin zu komplexeren Sätzen mit Nebensätzen.Der Reynell ist bis zu einem Alter von 7,3 Jahren normiert. PMLP für Lautsprache Mit jedem Kind wurde ein etwa 10-minütiges, semistrukturiertes Interview in Lautsprache geführt und für spätere Analysen auf Video aufgezeichnet. Anhand dieser Videos wurde jedes Kind von linguistisch geschultem Fachpersonal einem lautsprachlichen Niveau zwischen 0 und 8 (aufsteigend von keiner Sprachkompetenz bis muttersprachähnlicher Sprachbeherrschung) in Anlehnung an den Bogen „The Profile of Multiple Language Proficiency“ (Goldstein, G./ Bebko, J., 2003) zugeordnet. CCC (Child Communication Checklist von D. Bishop) – für Lautsprache Die "Children Communication Checklist" (CCC) nach Dorothy Bishop (1998) (Forschungsversion) in einer deutschen Übersetzung von Maria Spleen-Rauscher wurde verwendet, um die Videos der einzelnen Kinder hinsichtlich ihrer Beherrschung von diskurspragmatischen Fertigkeiten zu analysieren. Bewertung der Sprechverständlichkeit o Zahlen sprechen Für die Bewertung der Sprechverständlichkeit wurden den Kindern einerseits jeweils 20 Zahlen zwischen 1 und 100 (Zehner ausgenommen) schriftlich dargeboten, die sie laut sprechen sollten. Die auf Video aufgezeichneten Zahlen wurden einer Raterin gezeigt, die die gehörten Zahlen aufschreiben sollte. Als Raterin wurde eine Person gewählt, die einigermaßen an die Aussprache von hörgeschädigten Menschen gewöhnt ist. Die gehörten und die tatsächlich gesprochenen Zahlen wurden verglichen und so ein prozentuales Ergebnis an verständlich gesprochenen Zahlen errechnet. o Klinische Beurteilung Weiters wurde die Sprechverständlichkeit auf einer sechsstufigen Skala (sehr gut und mühelos verständlich bis überhaupt nicht verständlich) nach der Einschätzung eines auf Video aufgezeichneten Gesprächs durch Linguisten beurteilt. HSET – IS (Heidelberger Sprachentwicklungstest – Imitieren von Sätzen) Die 15 Einzelsätze mit unterschiedlich komplexer grammatischer Struktur des Subtests „Imitation von Satzstrukturen“, des Heidelberger Sprachentwicklungstest wurden rein lautsprachlich, mit Verfügbarkeit des Mundbildes einzeln dargeboten und die Kinder wiederholten die einzelnen Sätze ebenfalls lautsprachlich. 26 Sätze nachschreiben Im Bereich der Morphosyntax, wo es um die Strukturbeherrschung einer Sprache, also ihrer morphologischen und syntaktischen Regeln geht, ist die Situation geeigneter Diagnoseverfahren für Schulkinder für den deutschsprachigen Raum noch recht unbefriedigend. Um die Leistungen hinsichtlich der Strukturbeherrschung der Deutschen Lautsprache der untersuchten Kinder bewerten, vergleichen und einordnen zu können, wurde ein zeitökonomisches Testverfahren für die Studie CHEERS entworfen und verwendet, welches folgende Strukturen beinhaltet: o o o o Genus (Nominativ), Verbalkongruenz (Übereinstimmung der Verbendung mit dem Subjekt), Phrasenstrukturen (Nominalphrasen, Präpositionalphrasen, Modalverben mit Infinitivfanschluss, Präfixverben) und schließlich Ermittlung des Satzbaus über Verbzweitstellung im Hauptsatz und Verbendstellung im Nebensatz Für die Testung wurden jedem Kind verschiedene unterschiedlich komplexe deutsche Sätze schriftlich dargeboten. Die Kinder sollten die Sätze lesen und danach aus dem Gedächtnis wiedergeben und aufschreiben. Man geht davon aus, dass jemand nur dann in der Lage ist, den Satz korrekt wiederzugeben, wenn die Struktur des Satzes bereits im Gedächtnis abgespeichert ist und abgerufen werden kann. Die Ergebnisse der Kinder wurden anhand eines Formulars für die einzelnen Teilstrukturen des Deutschen ausgewertet. Zusätzlich wurde ein Gesamtscore über alle erhobenen Teilstrukturen hinweg errechnet. Einschätzung der Grammatischen Entwicklungsstufen nach Clahsen Mit jedem Kind der Stichprobe wurde ein ca. 10-minütiges Gespräch in Form eines semistrukturierten Interviews (anhand eines Interviewleitfadens) geführt und auf Video aufgezeichnet. Die Videos wurden in weiterer Folge analysiert und die Sprachbeherrschung jedes Kindes anhand der 5 Sprachentwicklungsstufen nach Clahsen bewertet. Die Strukturüberprüfung der grammatischen Komplexität von Spontansprache wurde von zwei kompetenten Raterinnen (Linguisten) nach Betracht des lautsprachlichen Gesprächs am Video durchgeführt. Schriftsprache Wortdekodierung Salzburger Lesetest / Häufige Wörter, Pseudowörter Die Kinder lesen unter Zeitmessung durch den Testleiter eine Reihe von einfachen im Deutschen häufig vorkommenden kurzen Wörtern und in einem weiteren Subtest erfundene Kunstwörter (= Pseudowörter). Aufgezeichnet und bewertet werden Lesegeschwindikgeit und Lesefehler. Der Salzburger Lesetest ist für die 1. – 4. Klasse Volksschule normiert. 27 Leseverständnis Salzburger Lesescreening (SLS) Dieses Verfahren besteht aus kurzen Sätzen mit wahren und falschen Aussagen (z.B. „Die Katze ist ein Tier.“ oder „Es gibt nur blaue Autos.“). Das Kind muss für jeden Satz angeben, ob es sich um eine wahre oder eine falsche Aussage handelt. Nach 3 Minuten wird der Lesetest vom Testleiter gestoppt und mittels der Anzahl der richtig gelösten Aufgaben das Ergebnis errechnet. Normen ab der 2. Klasse der VS liegen vor. Es besteht ev. Leistungen in SLS und dem HAMLET Hamburger Lesetest (HAMLET; Normen für 3. und 4. Klasse VS) Der Hamlet Lesetest wurde als Klassentest von den Lehrern und Lehrerinnen der Kinder durchgeführt und besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil – Worttest – besteht aus einer Reihe von schriftlich präsentierten Begriffen. Aus vier folgenden Bildern muss das entsprechende ausgewählt werden. Bewertet wird die Lesegeschwindigkeit des Kindes anhand der in einer vorgegebenen Zeit richtig beantworteten Aufgaben. Zürcher Leseverständnistest (durchgeführt bei Kindern ab der 5. Klasse) Bei diesem Leseverständnistest, der Normen von der 4. bis zur 6. Schulstufe hat, werden verschiedene schwierige Texte vorgegeben, zu denen dann jeweils inhaltliche Fragen (multiple choice) zu beantworten sind und Bilder aus einem Set ausgewählt werden müssen. Der letzte Text stellt die Beschreibung eines physikalischen Experiments dar, das mit einfachen Mitteln selber durchgeführt werden soll. Auch die praktische Umsetzung des Experiments durch das Kind wird mit Punkten bewertet. Rechtschreibung Salzburger Rechtschreibtest In einem Lückentext müssen vom Testleiter angesagte Wörter korrekt eingefüllt werden. Berücksichtigt werden Groß-/Kleinschreibung, orthographische Fehler und Fehler der nicht-lauttreuen Schreibung. Gebärdensprache ÖGSVT (Österreichische Gebärdensprachverständnistest) Der ÖGSVT ist ein Verfahren, das zur Erfassung des Gebärdensprachverständnisses für die vorliegende Studie entwickelt wurde. 14 gebärdete Aussagen werden von einer gehörlosen Person, deren Muttersprache ÖGS ist, gebärdet. Die gebärdeten Äußerungen werden in standardisierter Form mittels Videopräsentation einzeln dargeboten. In Form eines „acting-out“ wird der Inhalt jeder gebärdeten Äußerung mittels Spielfiguren vom Kind nachgespielt. Die Beurteilung der einzelnen Items erfolgt dichotom (ja/nein). Errechnet wird ein prozentuales Ergebnis der geschafften Items. PMLP – für Gebärdensprache Wie auch für die Lautsprache wurde mit den Kindern ein ca. 10-minütiges Gespräch in Gebärdensprache geführt und zum Zwecke späterer Analysen auf Video aufgezeichnet. In Anlehnung an „The Profile of Multiple Language Proficiency“ (Goldstein, G./ Bebko, J., 2003) wurden für die vorliegende Studie 9 Spracherwerbsstufen von 0-8 (aufsteigend von keiner Gebärdensprachkompetenz bis hin zu muttersprachähnlicher Gebärdensprachkompetenz) formuliert. Anhand der aufgezeichneten Videos wurde jedes 28 Kind einer der 9 Erwerbsstufen für die ÖGS zugewiesen. Geratet wurde von zwei gut gebärdensprachkompetenten Linguisten. CCC – für Gebärdensprache Die "Children Communication Checklist" (CCC) nach Dorothy Bishop (1998) (Forschungsversion) in einer deutschen Übersetzung von Maria Spleen-Rauscher wurde verwendet, um die Videos der einzelnen Kinder hinsichtlich ihrer Beherrschung von diskurspragmatischen Fertigkeiten in der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) zu analysieren. 29 Sprachverwendung Wie sprechen, lesen, schreiben, kommunizieren hörgeschädigte Kinder in Oberösterreich? Diese Fragestellungen werden wir im Folgenden versuchen zu beantworten. Es wurden sowohl die entsprechenden Kompetenzen in der deutschen Lautsprache der Kinder als auch in der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) auf den verschiedenen Sprachebenen erhoben. Wir untersuchten etwa die Aussprache der Kinder als auch deren Wortschatz und ihre grammatikalischen- und Diskurskompetenzen in der Lautsprache in Verständnis und Produktion, sowie die Strukturbeherrschung in der ÖGS mit folgenden Instrumenten. Testbatterie zur Untersuchung der Lautsprachkompetenz und derSchriftsprachkompetenz (siehe auch Methoden zur Spracherhebung): Testbatterie zur Untersuchung der Gebärdensprachkompetenz: rezeptiv expressiv Satz- und Paragraph ÖGSVT Sprachniveau (8 Stufen) PMLP PMLP Konversation (Videoanalyse) CCC CCC 30 Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren zur Spracherhebung Wortschatz Starker Einfluss der Hörschädigung auf die Wortschatzentwicklung. Besonders CI-Kinder (relativ spät versorgt) und höchstgradig hörgeschädigte Kinder (≥95dB) haben einen sehr geringen Wortschatz. Bei der Durchführung des HAWIK III Wortschatztest zeigt sich eine Schere zwischen 95db+/CI und hochgradig/mittelgradig hörgeschädigte Kindern, die mit den Jahren weiter auseinandergeht. Stark eingeschränkten Wortschatz haben wir bei Kindern mit 95dB+ und CI Kindern. Veranschaulicht durch Regressionsgeraden kann man bei 16-jährigen mittelgradig schwerhörigen (40-69dB) ein Wortschatzalter von 14 Jahren feststellen, bei den hochgradigen schwerhörigen Kindern (70-94dB) von 11 Jahren, bei den 16-jährigen CI-Trägern ein Wortschatzalter von 8 Jahren und bei den nicht CI-implantierten höchstgradig hörgeschädigten Kindern (≥95dB) sehen wir ein Wortschatzalter von nur 7 Jahren. Präsentiert wurde der Wortschatztest des HAWIK III mündlich und schriftlich. Es wurde also speziell bei diesem Test auch sehr darauf geachtet, nicht die Ablesefähigkeit oder das Resthören des Kindes zu untersuchen, sondern welche Wörter ein Kind bereits kennt. Die Erklärung der einzelnen erfragten Wörter konnte das Kind in der jeweils bevorzugten Modalität geben – also entweder in Lautsprache, Gebärdensprache oder einer Mischform (etwa LBG). Die folgende Abbildung belegt nochmals mit exakten Mittelwerten den Einfluss des Grades der Hörbeeinträchtigung auf den Wortschatzerwerb. Bei einem Durchschnittsalter von 10 ½ Jahren liegt das Referenzalter für den Wortschatz bei Kindern mit an die Taubheit grenzender Schwerhörigkeiten sowie Kindern mit CI bei 7 ½ Jahren. 31 total Alter HAWIKWT mittel hoch ATSH CI p 11.1 11.0 11.7 10.6 10.8 .598 9.2 10.3 9.3 7.4 7.6 <.001 Sprachverständnis Wieder großer Einfluss der Hörschädigung auf das Lautsprachverständnis. Besonders CI-Kinder und Kinder mit einer Hörschädigung von 95dB+ erreichen mit 16 Jahren durchschnittliche Leistungen entsprechend eines 3-4 jährigen hörenden Kindes. Auch bei den Ergebnissen des Sprachverständnisses auf Satzebene zeigt sich die starke Kluft ab einer Hörschädigung von 95dB und mehr. Sowohl bei Kindern mit einem Hörverlust von 95dB+ als auch bei Kinder mit einem CI zeigen ältere Kinder vergleichsweise nur wenig bessere Leistungen im Lautsprachverständnis als die jüngeren Kinder in diesen Gruppen. Der Test misst bis zu einem oberen Grenzwert von 6,6 Jahren. Dadurch erreichen mittel- und hochgradig hörgeschädigte Kinder häufig diesen oberen Grenzwert. CI-Kinder zeigen mit 16 Jahren ein Lautsprachverständnis von 4,6 Jahren und die Kinder mit 95dB und mehr sind mit 16 Jahren bei einem Lautsprachverständnis eines 3,6 jährigen hörenden Kindes. 32 Sprechverständlichkeit Ähnliche Ergebnisse von Cochlear implantierten, hochgradig schwerhörigen und mittelgradig schwerhörigen Kinder, jedoch signifikant schlechtere Sprechverständlichkeit von nicht implantieten Kindern über 95dB. Ähnliche Ergebnisse für die Sprechverständlichkeit auch bei der Einschätzung anhand eines auf Video aufgezeichneten Gesprächs: Restsprechverständlichkeit bei mittelgradig hörgeschädigten Kindern, bereits deutlicher Abstand von hochgradig schwerhörigen und CI implantierten Kindern bei der Spontansprachanalyse und deutlich schlechtere Ergebnisse für das Sprechverständlichkeitsniveau von nicht implantierten Kindern über 95dB. Ähnliche Ergebnisse für die Sprechverständlichkeit auch bei der Einschätzung anhand eines auf Video aufgezeichneten Gesprächs: Restsprechverständlichkeit bei mittelgradig hörgeschädigten Kindern, bereits deutlicher Abstand von hochgradig schwerhörigen und CI implantierten Kindern bei der Spontansprachanalyse und deutlich schlechtere Ergebnisse für das Sprechverständlichkeitsniveau von nicht implantierten Kindern über 95dB. Allgemein ist kein relevanter Zusammenhang zwischen Sprechverständlichkeitsniveau und Alter festzustellen. Grammatik HSET – IS (Heidelberger Sprachentwicklungstest – Imitieren von Sätzen) Bei den Ergebnissen des Subtest „Imitation von Satzstrukturen“ des Heidelberger Sprachentwicklungstest zeigen sich erfreuliche Ergebnisse der älteren Kinder im Vergleich zu den jüngeren mit einer Hörschwelle von 95 dB (mittel- und hochgradig schwerhörigen Kindern), bei Kindern mit einer Hörschwelle > 95 dB sind hier über die Altersstufen keine signifikant unterschiedlichen Ergebnisse festzumachen. Dies gilt auch für CI – Kinder. 33 Einschätzung der Sprachentwicklungsstufen nach Clahsen Kaum bessere Ergebnisse bei älteren Kindern in der Grammatik bei nicht-implantierten Kindern im Bereich der Resthörigkeit (≥95dB) während des Schulalters. Cochlear implantierte Kinder zeigen vergleichbare Ergebnisse in der Spontansprache wie hochgradig schwerhörige Kinder (70-94dB). Mit diesem Verfahren ist keine differenzierte Beurteilung im Bereich höherer grammatikalischer Kompetenzen möglich. Die Stufe 5 (höchste Stufe) wurde bei allen Kindern über einem grammatischen Referenzalter von 3,5 Jahren zugeordnet. Mittelgradig schwerhörige Kinder (insbesondere im jüngeren Alter; vermutlich nach Einführung des Neugeborenen-Hörscreenings und somit frühversorgt) erreichen bereits früh die Höchstentwicklungsstufe nach Clahsen. Kinder mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit erreichen durchschnittlich ein ähnliches Ergebnis wie cochlearimplantierte Kinder. Das Resultat bei hochgradig schwerhörigen Kindern liegt bei einem Mittelwert von 2,5. Festzuhalten ist insbesondere eine deutlich mangelhafte Weiterentwicklung der Grammatik bei nicht implantieren Kindern im Bereich der Resthörigkeit während des Schulalters. Cochlear implantierte Kinder zeigen in der Spontansprache ähnliche Ergebnisse wie hochgradig schwerhörige Kinder, beim Nachsprechen jedoch schlechtere Resultate. Hier ist aufgrund der Art der Testung vermutlich eher das Ergebnis in der Spontansprache höher zu bewerten. 34 Schriftsprache Leseverständnis Das Leseverständnis wurde für Kinder der 2. Schulstufe mit dem SLS (Salzburger Lesescreening), bei Schülern der 3. und 4. Schulstufe mit dem HAMLET 3-4 (Hamburger Lesetest) und ab der 5. Schulstufe mit dem ZLV (Zürcher Leseverständnistest) ermittelt. Die Ergebnisse wurden jeweils in einen T-Wert transformiert, welcher im folgenden als Ergebnismaß herangezogen wird. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich ausschließlich auf Kinder mit einer nonverbalen Intelligenz im Durchschnittsbereich. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang mit dem Grad der Hörschädigung. Kinder mit einer an die Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit schneiden mit Abstand am schwächsten ab. Kinder mit Cochlearimplantaten erreichen sehr ähnliche Ergebnisse wir hochgradig schwerhörige Kinder. Das durchschnittliche Leseergebnis für mittelgradig schwerhörige Kinderliegt innerhalb des Rahmens der Standardabweichung (Mw = 46, Lesetests liegen für 46 Kinder vor), es zeigt sich eine hohe Varianz. 35 Kinder mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit erreichen ein unterdurchschnittliches Gesamtresultat (Mw = 39,82), was etwa einem Prozentrangwert von 14-15 % entspricht. Insgesamt liegen Leseergebnisse für 21 Kinder vor. 6 der hochgradig schwerhörigen Kinder erzielen Ergebnisse im Durchschnittsbereich (innerhalb einer Standardabweichung). 36 Bei den insgesamt 26 Kindern mit Cochlearimplantaten ergab sich ein hoher Anteil an Kindern mit einer Intelligenzminderung (8 Kinder), darüber hinaus eine vergleichsweise hohe Zahl in der 1. Schulstufe, wo eine Untersuchung des sinnerfassenden Lesens noch nicht möglich ist, sodass hier nur für 11 Kinder Ergebnisse vorliegen. Auf das durchschnittlich späte Implantationsalter wurde oben bereits hingewiesen. Die Ergebnisse ähneln wie auch die Ergebnisse vieler Sprachtests sehr stark denen hochgradig schwerhöriger Kinder. 2 der 11 Kinder (18%) erreichen Leseergebnisse im Durchschnittbereich. Kinder mit einer an die Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit(Leseergebnisse für 15 Kinder) erreichen einen mittleren T-Wert von 34,6 (entsprechend PR von ca. 5%). Nur eines dieser Kinder (6,6%) erreicht ein durchschnittliches Leseniveau. 37 Determinanten des Leseverständnisses Über hierarchische Regressionsanalysen wurde untersucht, welcher Anteil der Varianz der Leseergebnisse über die diversen Einflussfaktoren erklärbar ist. Die nonverbale Intelligenz stellt hierbei einen entscheidenderen Faktor als der Grad der Hörschädigung dar, obwohl in den Analysen Kinder mit einer Intelligenzminderung ausgeschlossen worden waren. Schließlich ist eine nichtdeutsche Muttersprache ein starker Risikofaktor für das Erlernen des sinnerfassenden Lesens. Lautsprachkompetenz (Wortschatz und Grammatik der deutschen Sprache) hat als Einzelfaktor den höchsten Einfluss. Zwischen Gebärdensprachkompetenz und Leseverständnis konnten keine Zusammenhänge festgestellt werden. Keine Zusammenhänge wurden mit dem sozioökonomischen Niveau der Familie sowie dem Geschlecht des Kindes festgestellt. Detailanalysen folgen. Gebärdensprache Generell niedriges Gebärdensprachniveau der hörgeschädigten Kinder und kaum bessere Ergebnisse in der Gebärdensprachkompetenz bei den älteren Kindern im Vergleich zu den jüngeren. Es besteht ein nur geringer Unterschied zwischen der Gebärdensprachkompetenz jüngerer und älterer Schüler, was vermuten lässt, dass der Zuwachs der gebärdensprachlichen Fertigkeiten, speziell die Grammatik natürlicher Gebärdensprache betreffend im Schulalltag nur gering sein dürfte. 38 Generell liegt die Gebärdensprachkompetenz (grammatisch rezeptive Fertigkeiten) auf einem niedrigen Niveau. Lehrer beurteilen die Gebärdensprachkompetenz deutlich realistischer als die Eltern. In diesem Zusammenhang ist auch nochmals daran zu erinnern, dass der Zugang zur Gebärdensprache zumeist sehr spät erfolgt ist, auch auf die oft geringe Gebärdensprachkompetenz der Eltern ist hinzuweisen. Schließlich wurde auch schon beschrieben, dass Gebärdensprache innerhalb der Familie mit einem hörgeschädigten Kind nur selten in der Familie verwendet wird. 39 Zusammenfassende Ergebnisse zur Lautsprachentwicklung hörgeschädigter Schulkinder in OÖ Große Streubreite Generell ist eine sehr große Variationsbereite hinsichtlich der lautsprachlichen Entwicklung feststellbar. Hoher Einfluss des Grads der Hörschädigung - starke Schere ab 95 dB/CI Es zeigt sich ein hoher Einfluss des Grads der Hörschädigung, wobei insbesondere eine starke Schere ab einer Hörschwelle von 90 – 95 dB sichtbar wird. Kinder mit CI schneiden im Sprachverständnis ähnlich wie Kinder > 95 dB ab, hinsichtlich der Sprachverständlichkeit erbringen sie gute Ergebnisse, sie ähneln hochgradig hörgeschädigten Kindern auch im Bereich grammatischer Kompetenzen. Bei der Wortschatzentwicklung werden wieder ähnliche Ergebnisse wie bei Kindern >95 dB erzielt. Sehr geringe Zuwächse bei >95 dB/CI im Schulalter Hinzuweisen ist insbesondere auf geringe Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Kindern im Bereich des Sprachverständnisses. Hier erscheinen somit aufgrund der Schwere der Hörschädigung durchaus auch Grenzen gesetzt. Dies betrifft insbesondere die Gruppe über 95 dB (an die Taubheit grenzende Schwerhörige), sowie die Gruppe der (im Durchschnitt doch spät implantierten) CI Kinder. Die Sprechverständlichkeit erweist sich als wenig altersabhängig. Im Wortschatzbereich kommt es zu mäßigen Fortschritten bei Kindern >95 dB und CI, im Grammatikbereich sind die Fortschritte noch mäßiger. Hohe Korrelation zwischen Lautsprachkompetenz (HSET, Reynell) und Zeitpunkt der Erstversorgung mit Hörgeräten Eine hohe Korrelation zwischen den lautsprachlichen Kompetenzen (HSET, REYNELL) und dem Zeitpunkt der Erstversorgung mit Hörgeräten ist festzumachen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass jüngere Schüler heute ein besseres Lautsprachniveau als vor 10 Jahren zeigen. Vor 10 Jahren wurde das flächendeckende Neugeborenen-Hörscreening in OÖ eingeführt, was sich somit bereits auf die Gruppe der Volksschüler deutlich auswirkt. Die geringen Unterschiede zwischen den Altersgruppen bzgl. der lautsprachlichen Kompetenz sind somit sicherlich auch teilweise darauf zurückzuführen, dass die Hörgeräteanpassung bei den heute älteren Schülern deutlich später erfolgt ist als bei den jüngeren. Bei Kindern mit einer Hörschwelle über 95 dB (ohne CI) ist die Wirkung von Hörgeräten ohnehin eine sehr limitierte. Auch bei diesen Kindern ist der Zuwachs lautsprachlicher Kompetenz im Schulalter gering, was auch darauf hinweist, dass hier im Zusammenhang mit der Hörstörung natürliche Grenzen gegeben sind und dementsprechend eine mögliche effektive Nutzung visueller Kommunikationsmodalitäten angebracht erscheint. Hoher Einfluss von nonverbaler Intelligenz Weiters zeigt sich auch ein hoher Einfluss von nonverbaler Intelligenz auf die Lautsprache. Hörgeschädigte Kinder müssen zum Erwerb der Lautsprache hohe Kompensationsleistungen erbringen. Hier erscheint der Einfluss von nonverbaler Intelligenz auf die Sprache demnach deutlich höher als bei normal hörenden Kindern. Hoher Zusammenhang zwischen einzelnen sprachlichen Kompetenzen Insgesamt ist ein hoher Zusammenhang zwischen den einzelnen sprachlichen 40 Kompetenzen festzumachen (z.B. Wortschatz und Grammatik, Grammatik und Sprachverständnis). 41 Schulische Leistungen Lehrerangaben für Kinder in Regelschulen Alle Lehrer und Lehrerinnen der Kinder in den Regelschulen wurden gebeten, die schulischen Leistungen des Kindes mit jenen der Klassenkameraden zu vergleichen und einzuschätzen. o o o Allgemeinwissen: Gesamte Stichprobe o o Lesen Wortschatz Allgemeinwissen Hawik Allgemeinwissen – Mittelwerttabelle (=Faktenwissen) Hawik Allgemeines Verständnis Leseverständnis Siehe unter Schriftsprache im Kapitel Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren. 42 Schulische Leistungen - Lehrerangaben Lehrer eines hörbeeinträchtigten Kindes in der Regelschule wurden gebeten, die schulischen Leistungen dieses Kindes relativ zu jenen der Gesamtklasse einzuschätzen. Diese Befragung wurde bei Lehrern in der LLHS nicht durchgeführt, da dies aufgrund der vorausgewählten Klassenzusammensetzung nicht als sinnvoll erschien. Die Leistungen konnten auf einer viergliedrigen Skala beurteilt werden; überdurchschnittlich, durchschnittlich, unterdurchschnittlich, zu den 1-2- schwächsten Schülern der Klasse gehörig. Bei ca. 1 Drittel der hörgeschädigten Kinder wurden die Leistungen als unterdurchschnittlich bis sehr schwach eingeschätzt. Hierbei sind die deutlichsten Auffälligkeiten – wie zu erwarten – im Leseverständnis und der expressiven Schriftsprache (z.B. Verfassen von Aufsätzen) zu finden, weniger im Allgemeinwissen. 43 44 Schulische Leistungen - Allgemeinwissen Die folgende Abbildung zeigt wiederum den deutlichen Einfluss des Grades der Hörschädigung auf das Allgemeinwissen. Hier ist ein deutlicher Abstand zwischen Kindern mit mittelgradiger Schwerhörigkeit und allen anderen Gruppen festzumachen. Im unteren Altersbereich (d.h. bei Kindern in den ersten Schuljahren) differenziert das Verfahren (HAWIK-III) unzureichend. Hörgeschädigten Kinder zeigen durchwegs signifikante Mängel im Allgemeinwissen, dies selbst bei mittelgradiger Schwerhörigkeit, wo in den weiterführenden Schulen bereits ein Rückstand von ca. 2 Jahren vorliegt. Bei höhergradider Hörstörung sind die Defizite hier deutlich ausgeprägter. Beachtenswert ist hier, dass hochgradig schwerhörigen Kinder, die im Vergleich zu Kindern mit ATSH/CI) deutlich bessere sprachliche und auch Leseleistungen erbringen, doch im Allgemeinwissen signifikant eingeschränkt bleiben. Der Subtest „Allgemeinwissen“ des HAWIK-III wurde in der bevorzugten Sprachmodalität des Kindes durchgeführt, d.h. mitunter auch in der Gebärdensprache. HAWIK Allgemeinwissen 45 Wie geht es den hörgeschädigten Kindern in unseren Schulen? Daten zur psychosozialen Gesundheit und Lebensqualität der hörgeschädigten Schulkinder in Oberösterreich: Der Bereich psychosoziale Gesundheit wurde durch die Einbeziehung verschiedener Informanten (Kind/Eltern/Lehrer) unter Einbeziehung unterschiedlicher Instrumente untersucht. Mit den Eltern (meist Mütter) und den Lehrern wurde ein allgemeines Interview geführt. Das Kind wurde im Gespräch bezüglich seines allgemeinen Wohlbefindens, seinen Freunden, seines Berufswunsches und spezifischen Symptomen wie Angst, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Traurigkeit befragt. Weiters wurden Fragebögen (SDQ, FBB-HKS, ILK, PSI, ST) angewandt. Bei Kindern, die im Screening auffälligen waren, wurde mit den Eltern ein strukturiertes, diagnostisches, psychiatrisches Interview durchgeführt (Kinder DIPS). Methoden zur Erhebung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Kinder Ergebnisse aus den einzelnen Verfahren o Eltern- und Lehrerbefragung o SDQ o DIPS o ILK SDQ Selbst SDQ Eltern SDQ Lehrer SDQ Eltern- vs. Lehrereinschätzung ILK Selbst ILK Eltern ILK selbst vs. Eltern o FBB-HKS o PSI o ST 3-7 Zusammenfassende Ergebnisse zu Wohlbefinden und Lebensqualität 46 Methoden zur Erhebung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Kinder Folgende Testinstrumente wurden verwendet: 1. Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ) Mit diesem Fragebogen werden in 5 spezifischen Bereichen Stärken und Schwächen eines Kindes von Eltern, Lehrern und ab 11 Jahren auch vom Jugendlichen selbst erfragt. Die fünf Bereiche betreffen: Emotionale Probleme Verhaltensauffälligkeiten Hyperaktivität Probleme mit Gleichaltrigen Prosoziales Verhalten 2. Unstrukturiertes Interview Jedes Kind wurde in einem Gespräch nach emotionalen Symptomen, körperlichen Beschwerden und Ängsten sowie zu seinen sozialen Beziehungen gefragt. 3. DIPS – Psychiatrisch diagnostisches Interview Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein strukturiertes, diagnostisches Interview psychischer Störungen im Kinder- und Jugendalter, das mit den Eltern geführt wurde, wenn ein Bereich des SDQ-Bogens in einer Version, also entweder in der Eltern- oder in der Lehrer- oder in der Selbstversion zumindest ein grenzwertiges Ergebnis zeigte. Es werden aktuelle Diagnosen sowie Lebenszeitdiagnosen erfasst, auch wird der Schweregrad eingeschätzt. 4. ILK – Fragebogen zu Lebensqualität Der ILK-Fragebogen erfrägt die Lebensqualität der Kinder einerseits direkt von den Kindern selbst, andererseits von den Eltern. Er bezieht sich auf die Bereiche: Schule, Familie, soziale Kontakte zu Gleichaltrigen (andere Kinder), Allein Sein, Gesundheit, psychische Gesundheit (Nerven, Laune) und eine Skala für die Globaleinschätzung der Lebensqualität (alles zusammen). Es wurde ein Fragebogen für die Eltern ausgegeben und ein Fragebogen wurde gemeinsam mit dem Kind durchgeführt. Die Bearbeitung des Kinderfragebogens gestaltet sich sehr einfach und klar. Zu bestimmten Fragen, sollen die Kinder ihr Gefühl dazu anhand von 5 Smily – Gesichtern ( z.B J K L,..) angeben. 5. PSI – Parental Stress Index Da ein Zusammenhang zwischen kindlichem Wohlbefinden und elterlicher Stressbelastung vermutet wird, wurde die Komponente „elterliche Stressbelastung“ ebenfalls mittels eines Fragebogens, den die Eltern für uns ausfüllten, erfragt. Die gestellten Fragen beziehen sich auf folgende 3 Bereiche: Elterlicher Stress beeinträchtigte Eltern - Kind Interaktion schwieriges Kind 47 6. ST 3-7 – Soziometrischer Test Der soziometrische Test ist eine Methode, um die sozialen Strukturen in den Klassen der hörgeschädigten Kinder zu ergründen. Der Test wurde in den einzelnen Klassen von den Lehrern und Lehrerinnen durchgeführt. Die Kinder sollten dabei in anonymer Form angeben, neben wen sie gerne und neben wen in der Klasse sie überhaupt nicht gerne sitzen möchten. Aus den verschiedenen Antworten der Schüler und Schülerinnen ist es möglich, den sozialen Status des hörgeschädigten Kindes in seiner Klasse zu berechnen. 7. FBB-HKS – Fragebogen zum hyperkinetischen Syndrom Die Aufmerksamkeit der Kinder wurde ebenso mittels eines Fragebogens, den Eltern, Lehrer und Jugendliche ab 12 Jahren auch selbst für uns ausfüllten. Die Fragen bestehen aus der Beschreibung von Situation die für spezifische Bereiche typisch sind. Die Antworten sind Einschätzungen, wie stark oder wie wenig ausgeprägt die beschriebene Situation auf ein Kind zutrifft. 48 Resultate aus den Eltern- und Lehrerangaben Kinder in Integrationsklassen fragen weniger nach als Kinder in den Hörgeschädigtenkleinklasse Lehrer geben an, dass vor allem Kinder mit Hörschädigung in Regelschulen zu 36 % nie bzw. selten nach Hilfe suchen wenn sie diese benötigen und nur 41 % immer oder fast immer aktiv Hilfe suchen. Lehrer empfinden den Freundeskreis der hörgeschädigten Kinder eindeutig als kleiner als die Eltern. Rund 10% der Kinder in der Regelschule und der LLHS-HG in der Spezialschule haben laut Eltern- als auch laut Lehrerangabe keine Freunde. Eltern und Lehrer wurden befragt, ob ihre Kinder Freunde in der Klasse haben. Als Anwortkategorien konnte einige, wenige oder keine angegeben werden. Die Aussagen von Eltern und Lehrer decken sich in dem Punkt nicht genau. Lehrer empfinden den Freundeskreis der hörgeschädigten Kinder als kleiner im Vergleich zur Elterneinschätzung. Freunde in der Klasse Lehrer- vs. Elternangaben 49 Teilweise oder deutliche Isolation bei ¼ der hörgeschädigten Kinder, am wenigsten aber in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) Immerhin sehen gut 75 % der Lehrer die Kinder aber in der Schule als nicht isoliert an. Bei den Eltern liegt der Schnitt ähnlich, mit Ausnahme der Kinder, die in den hörgeschädigten Integrationsklassen beschult werden. Hier wird Isolation potentiell oder sicher nur in 7 % gesehen. Isolation in der Schule Lehrer- vs. Elternangaben Knapp 30% der Kinder in Regelschulen und in den Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHSHG) haben laut Eltern ein niedriges Selbstwertgefühl. Lehrer sehen vor allem bei hörgeschädigten Kindern in Regelschulen dieses Problem mit über 20%. Selbstwertgefühl des Kindes Lehrer- vs. Elternangaben Nur 62% der Eltern von Kindern in der Spezialschule (LLHS-HG und LLHS-I) fühlen sich nicht durch Kommunikationsprobleme aus dem Leben des Kindes ausgeschlossen, 85% der Eltern von hörgeschädigten Kindern in den Regelschulen. Auf die Frage: „Fühlen Sie sich vom Leben des Kindes ausgeschlossen, weil die Kommunikation ein Problem darstellt?“ antworten immerhin 15 % der Eltern von Kindern, die in der Spezialschule für Hörgeschädigte in Kleinklassen (LLHS-HG) unterrichtet werden mit „ja“ und nochmals 22 % mit „selten“. Sowohl von den Kindern der LLHS-I als auch der LLHS-HG geben nur 62 % der Eltern an, sich nicht vom Leben des Kindes ausgeschlossen zu fühlen. In den Regelschulsettings fühlen sich 85% der befragten Eltern nicht vom Leben des Kindes auf Grund 50 von Kommunikationsproblemen ausgeschlossenl. 51 Ergebnisse aus dem SDQ-Fragebogen zu Stärken und Schwächen des Kindes Es liegen insgesamt 106 Elternversionen, 103 Lehrerversionen und 46 Selbstversionen des SDQ-Fragebogens zu Stärken und Schwächen der Kinder aus der CHEERS-Stichprobe vor, die ausgewertet wurden. SDQ – SELBST Hörgeschädigte Kinder in OÖ liegen 10% über den Werten der Normalpopulation Bei 78 % der Kinder lagen unauffällige SDQ-Gesamtwerte vor. Im Problembereich fanden sich etwas mehr grenzwertige als auffällige Kinder. Im Vergleich mit englischen Normstichprobe zeigt sich, dass sich Kinder mit einer mittelgradigen Hörstörung selbst als am wenigsten problembelastet einschätzen, währenddessen Kinder mit einer an Taubheit grenzenden Hörbeeinträchtigung doch zu 46 % auffällige Gesamtwerte hatten und auf den Ebenen Verhalten, Hyperaktivität mit 30 % 10 % über den Werten der Normpopulation lagen. Probleme mit Gleichaltrigen wurden sogar in 60 % geortet. SDQ – ELTERN In der Elterneinschätzung sehen mehr als doppelt so viele ihre Kinder als problembelastet als in der deutschen Vergleichsstichprobe von Wörner. Knapp 36 % der Eltern sehen ihre Kinder im Problembereich (17 % grenzwertig, 18,9 % auffällig), was eine mehr als doppelt so hohe Rate ist im Vergleich zur deutschen Stichprobe von Woerner. 3x häufiger emotionale Probleme und 9x häufiger Verhaltensauffälligkeiten aus Elternsicht als in der Normalstichprobe. 52 Es kann aus Elternsicht gesagt werden, dass Kinder mit Hörschädigung 3 x so häufig im Vergleich zur Normalstichprobe unter emotionalen Problemen im auffälligen Bereich zu leiden scheinen. Emotionale Probleme werden von Eltern immerhin zu 23,8 % im auffälligen Bereich eingestuft (Vergleich 8 % bei Woerner). Die Rate der vermuteten Verhaltensauffälligkeiten im Problembereich liegt mit 27 % sogar 9 x höher als in der deutschen Stichprobe von Woerner. Insgesamt ist die Skala Verhaltensauffälligkeiten und die Skala Probleme mit Gleichaltrigen die Skala mit den meisten positiven Resultaten im Auffälligkeitsbereich. Nur etwas mehr als die Hälfte weisen in diesen Feldern keine Auffälligkeiten auf (55,7 %/57,3 %). Nur mäßig höhere Hyperaktivitätsproblematik nach Elternmeinung. 53 Hyperaktives Verhalten wird elternseits nicht wesentlich häufiger beschrieben als in der allgemeinen deutschen Stichprobe. Immerhin wird bei 80,2 % (Vergleichsgruppe 90 %) keine Hyperaktivitätsproblematik vermutet. Positives Sozialverhalten laut Eltern Was das prosoziale Verhalten betrifft, schätzen die Eltern ihre hörgeschädigten Kinder sogar positiver ein, als das in der Allgemeinbevölkerung der Fall ist. SDQ - LEHRER Mit 25% geringerer Gesamtproblemwert gegenüber der Elterneinschätzung LehrerInnen sehen Probleme bei knapp 25 % der Kinder, wobei die Bereiche „grenzwertig“ und „auffällig“ ziemlich gleich verteilt sind. 54 Höhere Problemwahrnehmung im Bereich „Probleme mit Gleichaltrigen“ durch die LehrerInnen – doppelte Rate im Vergleich zur engl. Stichprobe. Probleme mit Gleichaltrigen jedoch werden von Lehrern hörgeschädigter Kinder deutlich häufiger gesehen (Auffälligkeit im Problembereich doppelt so hoch – 21,4 % zu 10,0 %). Kaum Auffälligkeiten im Bereich Hyperaktivität, jedoch doppelte Rate bei Auffälligkeiten im prosozialen Verhalten im Vergleich zur englischen Stichprobe. Auch seitens der Lehrer wieder kaum Auffälligkeiten im Bereich der Hyperaktivität, auch nicht im Vergleich zu den vorliegenden englischen Daten. 55 VERGLEICH VON SDQ-ELTERN- UND -LEHREREINSCHÄTZUNGEN Eltern sehen insgesamt häufiger Probleme als Lehrer. Lehrer sehen allerdings deutlich häufiger Defizite im prosozialen Verhalten. Eltern vs. Lehrereinschätzung der Problembereiche nach Hörstörung In den Skalen Hyperaktivität und Probleme mit Gleichaltrigen nähern sich Eltern- und Lehrerurteil. Völlig divergent werden die prosozialen Kompetenzen der Kinder eingeschätzt. Lehrer sehen in dieser Domäne erhebliche Probleme, währenddessen Eltern ihre Kinder als überaus prosozial erleben. Eltern orten 2 ½ x häufiger Probleme ihrer Kinder im Bereich seelischer Gesundheit als in einer 56 deutschen Vergleichsstichprobe aus der Allgemeinbevölkerung. Auch emotionale Probleme werden von Eltern 3x häufiger als in der Normalbevölkerung wahrgenommen. Elternurteil nach Hörschädigung: Betrachtet man das Elternurteil je nach Ausmaß der Hörschädigung des Kindes, so zeigt sich, dass die hochgradig hörgeschädigten Kinder am deutlichsten im Gesamtwert in der emotionalen und Verhaltensskala auffällig sind, während überraschenderweise die höchstgradig hörgeschädigten Kinder in diesen Skalen fast im Normalbereich zu liegen scheinen, allerdings im Bereich Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen zu 60 % als auffällig gewertet werden. Die Gruppe der mittelgradig Hörgeschädigten und der CI-Träger liegt dazwischen. Auffällig ist auch, dass in allen vier Gruppen eine hohe prosoziale Kompetenz angenommen wird. Lehrerurteil nach Hörschädigung: Lehrer bewerten Kinder mit hoch- und höchstgradiger Hörschädigung als auffälliger im Vergleich zu Kindern mit mittelgradigen Hörschäden oder CI-Versorgung. 10 % der Kinder haben im SDQ grenzwertige Befunde und 10 % auffällige Werte erreicht. Die auffälligsten Werte werden für die Gruppe der höchstgradig Hörgeschädigten(>95 dB) und der hochgradig Hörgeschädigten (70-94 dB), vor allem auch, was die Gesamtwerte betrifft, gesehen. Interessant ist, dass nur die mit einem CI versorgten Kinder im Bereich prosoziales Verhalten als unproblematisch eingestuft werden. Lehrerurteil nach Schulform: Nach Schultypen sehen wir aus Lehrersicht ein homogenes Bild, das wiederum die geringsten Probleme bei den Kindern in der Regelschule erkennen lässt. Für alle Schultypen zeigen sich Probleme im prosozialen Bereich. Vor allem im Bereich der Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHSHG) werden massive Probleme geortet. 57 Ergebnisse aus dem psychiatrisch diagnostischen Interview DIPS Doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit von psychiatrischen Diagnosen bei Hörgeschädigten als in der Allgemeinbevölkerung. Von 82 Kindern, bei denen ein diagnostisches Elterninterview (Dips) durchgeführt wurde, hatten 37 % eine aktuelle psychiatrische Diagnose. Das ist eine doppelt so hohe Rate als sie in der Allgemeinbevölkerung erwartet würde. Als Vergleichsdaten dienten die von Iles und Esser recherchierten und veröffentlichten Prävalenzzahlen für die Allgemeinbevölkerung. Hyperkinetische Störungen (F90): In der Untersuchungsstichprobe ergibt sich eine Prävlenz von gut 10 % - eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit als in der Normalstichprobe (4,4 %). Störung des Sozialverhaltens (F91): Hier ergibt sich keine merkenswert höhere Prävalenz bei Hörgeschädigten – 8,2 % im Vergleich zu 7,8 % in der Allgmeinbevölkerung. Ebenso zeigen sich die Ergebnisse, die die Diagnosegruppe Affektive Störungen und Depressionen (F3)betreffen. Angststörungen (F40 und F93): Angststörungen zeigen sich in unserer Studienpopulation bei 17,5 % der Kinder, im Vergleich zu 10,4 % in der Allgemeinbevölkerung. 58 Ergebnisse aus dem ILK Fragebogen zur Lebensqualität der Kinder Erfragt wurde die kindliche Lebensqualität einerseits von den Kindern selbst, andererseits von deren Eltern. ILK - Selbst Bei Betrachtung der kindlichen Lebensqualität, untersucht mit dem ILK, zeigt sich im Vergleich zur deutschen Durchschnittsstichprobe von Mattejat eine weitgehende Übereinstimmung. Während die Gesamtbelastung und die Belastung durch die Schule sogar als geringfügig kleiner eingeschätzt werden, schätzen die hörgeschädigten Kinder ihre Belastung im Problemfeld „Alleine-Sein“ und „körperliche Gesundheit“ als höher ein. ILK – Eltern Schulprobleme werden von den Eltern nicht so stark wahrgenommen als in der Normalpopulation. Eine hohe Diskrepanz zeigt sich auch im Bereich „Freunde“, während die Dimension des „Alleine-Seins“ nicht different gesehen wird von Eltern hörender und hörgeschädigter Kinder. ILK Selbst vs. ILK Eltern Vergleicht man nun die Problemwahrnehmung zwischen Eltern und Kind, so zeigt sich, dass vor 59 allem die Probleme des Alleine-Seins und das Problemfeld körperliches Wohlbefinden different gesehen werden und Eltern hier die Probleme deutlich geringer einschätzen als die Kinder selber. Probleme mit Freunden werden von den hörgeschädigten Kindern weniger wahrgenommen als von ihren Eltern. Eltern- und Selbstwahrnehmung nach Hörstörung Bei Betrachtung der Elternwahrnehmung nach Hörstörung sieht man, dass die Gruppe der hochgradig Hörgeschädigten am deutlichsten in den Problemwahrnehmungsbereichen liegt. Die Problemwahrnehmung im Bereich Freunde liegt nur für die Gruppe der mittelgradig Hörgeschädigten vergleichbar mit der deutschen Stichprobe. Problemwahrnehmung seitens der Eltern für die Gruppe der höchstgradig Hörgeschädigten (95 dB plus) divergiert stark von der Selbstwahrnehmung der Kinder. Diese Gruppe sieht sich selber am meisten im Problembereich. In der Elternwahrnehmung liegen hörgeschädigte Kinder, die die Regelschule besuchen, am wenigsten im Problembereich. 60 61 Ergebnisse aus dem Aufmerksamkeitsfragebogen FBB-HKS Deutlich höhere Problematik in allen drei Domänen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung Bei Betrachtung der Resultate des FBB-HKS zeigt sich, dass die Gruppe der Hörgeschädigten in allen drei Domänen - Unaufmerksamkeit, Unruhe und Impulsivität - deutlich über den Werten der Durchschnittsbevölkerung liegt. Im Bereich Unaufmerksamkeit 7 gegenüber 3 Punkten Unruhe 2,5 gegenüber 1 Punkt, Impulsivität 1,6 gegenüber 1,8 Punkten. 62 Ergebnisse aus dem Fragebogen zur elterlichen Stressbelastung PSI Bei Betrachtung des Parental Stress Index durch die Eltern zeigt sich kein wesentlicher Unterschied in allen drei Domänen, im Bereich des privaten elterlichen Stresserlebens, der gestörten Eltern-Kinder-Interaktion und dem Bereich „schwieriges Kind“. Auch DefenseMechanismen sind nicht wesentlich anders bei Betrachtung der einzelnen Gruppen nach Art und Ausmaß der Hörschädigung. 63 Ergebnisse aus dem Soziometrischen Test ST3-7 Im Soziometrischen Test 3 – 7 ergaben sich keine signifikanten Unterschiede des sozialen Status der hörgeschädigten Kinder in den unterschiedlichen Schultypen. Das bedeutet, dass es keine signifikanten Unterschiede bezüglich der mittleren Wertschätzungs- und der mittleren Ablehnungsurteile gab. 64 Zusammenfassende Ergebnisse zu seelischem Wohlbefinden und Lebensqualität Insgesamt zeigt sich eine doppelt so hohe Prävalenz (Wahrscheinlichkeit)psychischer Störungen bei Kindern mit Hörschädigung im Vergleich zur kindlichen Allgemeinbevölkerung Emotionale Störungen stehen im Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen und der innerfamiliären Kommunikationsmöglichkeit. Die erhöhten Probleme mit der Aufmerksamkeit/Hyperaktivität stellen eine besondere pädagogische Herausforderung dar. Hoher sozioökonomischer Status, gute Intelligenz und geringe Ausprägung des Hörschadens begünstigen psychosoziale Gesundheit. Kinder nicht-deutscher Muttersprache, hoher Ausprägung des Hörschadens, geringer Intelligenz und niedrigem sozioökonomischen Status sind eine Risikopopulation für psychische Störungen. Die stark divergierenden Beurteilungen der Informanten (Selbst/Eltern/Lehrer) besonders bei Kindern mit hochgradiger Hörschädigung spielen den eingeschränkten Zugang zu diesen Kindernwieder. Kinder selber bringen Probleme mit dem körperlichen Wohlbefinden und dem AlleineSein zum Ausdruck. Maßnahmen zur Verbesserung der kommunikativen Zugänge zum Kindfür alle Involvierten (Eltern/Lehrer/hörendes Umfeld) haben Priorität. Für Kinder nicht-deutscher Muttersprache und ihrer Familien sindZugänge zu Hilfestellungen in kulturell-sensitiver Weise zu entwickeln. 65 3. Empfehlungen Familie Anliegen Familien haben als Anliegen insbesondere psychosoziale Schwierigkeiten ihres Kindes, Fragen zu weiterführenden Schulformen nach Abschluss der Grundschule sowie Lernprobleme und grundlegende Gedanken über die berufliche Zukunft geäußert. Schulwahl Als für Familien hilfreiche Struktur erscheint uns vor dem Abschluss der Grundschule sowie der Pflichtschulzeit das Angebot einer umfassenden Entwicklungsdiagnostik (Sprache und Lernen) unter Einbeziehung der psychosozialen Aspekte als Grundlage einer Bildungsberatung von Seiten der Pädagogik sehr geeignet. Familiäre Kommunikation Bei ca. 1 Drittel der Kinder aus Hörgeschädigtenkleinklassen (LLHS-HG) werden von Seiten der Eltern die Chancen des Kindes, sich in der Familie auszudrücken und verständlich zu machen, als deutlich eingeschränkt bis nicht möglich eingestuft, was auch mit emotionalen Problemen in Zusammenhang steht. Hierbei kommt der Befähigung der Familien zur Benutzung der bevorzugten Kommunikationsform des Kindes eine elementare Bedeutung zu (obwohl 73% der Eltern von Kindern der Hörgeschädigtenkleinklassen angeben, dass ihr Kind bevorzugt mit Gebärden kommuniziert, werden diese in der Familie nur von 22% durchgehend eingesetzt.) Probleme mit Gleichaltrigen In der Elternwahrnehmung werden speziell Probleme mit Gleichaltrigen festgestellt. Angesichts der oft schwer veränderbaren Situation im unmittelbaren Wohnumfeld, scheinen organisierte Gruppenangebote insbesondere im Teenageralter wesentlich. Defizite im Allgemeinwissen Die erheblichen Defizite im Bereich des Allgemeinwissens bedürfen vereinter Bemühungen von Eltern und Lehrern. Eltern sind zum Großteil weder über die Existenz noch die Inhalte individueller Förderpläne für ihr Kind informiert. Diese brach liegende Ressource wäre im Sinne einander ergänzender und verstärkender gemeinsamer Bildungsarbeit von Schule und Eltern nutzbar. Psychosoziale Gesundheit Die stark divergierende Einschätzung von Eltern und Lehrer im Bereich der psychosozialen Gesundheit weisen auf einen verstärkten Kommunikationsbedarf zwischen Lehrern und Eltern auch in Hinblick auf die Gesamtentwicklung des Kindes hin. Schule Schulformen Ein Effekt spezifischer Schulformen auf schulische Leistungen und psychosoziale Befindlichkeit lässt sich nur mäßig nachweisen. Vielmehr scheint es so, dass Schulformen in Zusammenhang mit den besonderen Bedürfnissen des Kindes gewählt werden. 66 Angesichts der Heterogenität der Gruppe hörgeschädigter Schüler erscheint eine Differenzierung wie im jetzigen Schulsystem gegeben unbedingt weiterhin erforderlich. Der hohe Anteil von Kindern mit Intelligenzminderung (15%), Lernbehinderung (19,8%), Aufmerksamkeitsstörungen (14,4%), nicht-deutscher Muttersprache (17,2%) sowie die hohe Prävalenz psychischer Störungen (46,4%) machen ein pädagogisches Ressourcenzentrum, wie es die Spezialschule darstellt, unverzichtbar. Auf Grund der nachgewiesenen Konzentration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen wie auch der praktisch gehörlosen Kindern in der Spezialschule, bedarf es deutlicher Akzente in der Leheraus- und weiterbildung in Richtung Gebärdensprachkompetenz (vgl. auch die Selbsteinschätzung unzureichender Gebärdensprache der Lehrer), psychosoziale Gesundheit und Sonder- und Heilpädagogik. Vorteile der Integrationsklassen innerhalb der Spezialschule (LLHS) gegenüber der Regelschule sind im Leseverständnis (nach Kontrolle für Alter, Geschlecht und Hörstatus) nicht ersichtlich. Analysen weiterer Parameter hinsichtlich dieser speziellen Beschulungsform stehen noch aus. Defizite im Allgemeinwissen Ergebnisse eines deutlich eingeschränkten Allgemeinwissens insbesondere bei praktisch gehörlosen Kindern und Kindern mit CI einerseits und unzureichende Gebärdensprachkompetenz andererseits (trotz zumeist guter kognitiver Grundlagen für den Gebärdenspracherwerb) weisen auf vermehrte Nutzungsmöglichkeiten der Gebärdensprache in der Hörgeschädigtenpädagogik hin. Auf Grund der äußerst hohen dafür erforderlichen Sprachkompetenzen erscheint neben einer Qualifizierung der Lehrer auch der Einsatz gehörloser Lehrer bzw. Unterrichtsassistenten vermehrt erforderlich. Sprachentwicklungsrückstände Auch bei Kindern in Regelschulen bestehen vielfach signifikante Sprachentwicklungsrückstände. Hinzukommend wurde von Lehrern im Vergleich zur Spezialschule über eine verringerte Bereitschaft der hörgeschädigten Kinder, sich Hilfe zu holen, berichtet. Dies birgt die Gefahr der Überschätzung insbesondere des Sprachverständnisses mit sich und macht eine aktive Absicherung desselben von Seiten der Lehrer erforderlich. Raumakustik Für Klassen mit hörgeschädigten Kindern in Regelschulen muss ausnahmslos die Schaffung von akustisch akzeptablen Rahmenbedingungen Standard sein (Akustikdecken nur in 20% der Regelschulklassen mit hörgeschädigten Kindern gegeben!). Verlaufsdiagnostik CI versorgte Kinder zeigen eine hohe Variabilität im sprachlichen und schulischen Outcome, wobei die vergleichsweise gute Sprechverständlichkeit mitunter zu einer Überschätzung der Sprachkompetenzen führt. Auf Grund trotz technischer Versorgung stark voneinander abweichender Entwicklungsverläufe ist eine umfassende Verlaufsbeobachtung angezeigt. Leseverständnis Verbesserungen im Leseverständnis stellen bei allen Gruppen hörgeschädigter Kinder nach wie vor eine große Herausforderung dar. Hierbei kommt dem lautsprachlichen Wortschatz eine 67 herausragende Rolle zu. Eingeschränkte nonverbale Intelligenz und nicht-deutsche Muttersprache sind Risikofaktoren. Die Hörschwelle (Grad der Hörstörung) erklärt nur 10% der Varianz im Leseverständnis, die Wortdekodierung (technisches Lesen) entwickelt sich parallel zur Lautsprache und scheint im Normalfall für hörgeschädigte Kinder keinen besonderen Einflussfaktor (im Vergleich zu hörenden Kindern) auf das Leseverständnis darzustellen. Eine multimodale Förderung des Wortschatzes (für Kinder mit starker Hörbeeinträchtigung auch unter Einsatz differenzierter Gebärdensprache zur Erklärung von Wortbedeutungen, zur Förderung von Hintergrundwissen sowie metasprachlicher Fertigkeiten), ein Arbeiten mit möglichst authentischen Texten sowie funktionale Verwendung der Schriftsprache (als Mittel der Kommunikation, d.h. auch expressiv) sind mögliche Verbesserungsansätze auch in Übereinstimmung mit aktuellen internationalen Forschungen. Empfehlungen zur Früherfassung und –förderung Neugeborenenhörscreening Optimierung der Effekte des Neugeborenenhörscreenings, d.h. Verkürzung der Zeitspanne zwischen Neugeborenenscreening und Erstversorgung mit Hörhilfen durch qualitätsgesichertes Diagnose- und Versorgungsmanagement. Angesichts der niedrigen Prävalenz erscheint eine zentrale Anlaufstelle auch in Übereinstimmung mit internationalen Erfahrungen (z.B. Yoshinaga-Itano 2003) effizient. Diagnose und Diagnostik Spezielle Beachtung soll eine sensible Diagnoseeröffnung (2/3 der Eltern erlebten die Diagnose der Hörschädigung ihres Kindes als schweren Schock) und kompetente ärztliche Begleitung (40% der Familien fühlten sich in der Frühphase schlecht begleitet) finden. Auf Grund der Häufigkeit von mit der Hörbehinderung einhergehenden zusätzlichen Problemfaktoren (Intelligenzminderung, Lernbehinderung, Aufmerksamkeitsstörung, nicht deutsche Muttersprache, eingeschränkte familiäre Ressourcen) ist eine multiprofessionelle frühzeitige wie auch Verlaufsdiagnostik mit Erstellung von Förderhorizonten und umfassender Elternberatung wesentlich. Hierbei kommt der ausgewogenen Beratung und Anleitung über frühe Familieninteraktion mit dem hörgeschädigten Kind eine Vorrangstellung zu (Ein bedeutsamer Anteil der Familien fühlte sich nicht umfassend über Kommunikationswege informiert!). Kommunikation in Familie und Schule Obwohl 27% der Schulkinder bevorzugt Gebärden in Familie und Schule verwenden, gaben nur 4 Familien regelmäßigen Gebärdenkontakt bereits in der Frühtherapiephase (0-3 Jahre) an. Der frühe Einsatz visueller Kommunikationssysteme kann dem Verlust wertvoller Entwicklungszeit für die Kommunikation und entsprechender kognitiver und sozialer Folgen (z.B. Bindungsentwicklung) entgegenwirken. Elternschulungen (insbesondere Gruppenangebote) zur effektiven Interaktion mit ihrem Kind unter Nutzung visueller Hilfen sowie Anleitung zum responsiven Verhalten als wesentlicher Faktor für eine gesunde psychosoziale Entwicklung sind auf Grund internationaler Erfahrungen (z.B. Niederlande, Großbritannien) wirksam. Schulwahl 68 Der Beratungsprozess bzgl. Einschulung erfolgt in Oberösterreich großteils zur Zufriedenheit der Eltern, was sich durch eine geringe Zahl von Eltern, die die Schulwahl bereut haben und eine sehr geringe Zahl von Umschulungen (Regelschule in Spezialschule) abbildet. 69 4. Studienaufsichtsrat In regelmäßigen Abständen wurden in Sitzungen mit dem Studienaufsichtsrat Vorgehensweisen und Fragen zum Studiendesign besprochen. Dem Studienaufsichtsrat gehören folgende Personen und Vertreter folgender Institutionen an: Landesschulrat für Oberösterreich vertreten durch: Frau LSI Dr. Wührleitner, Frau LSI Dr. Heidemarie Blaimschein Sozialabteilung des Landes Oberösterreich vertreten durch: Herrn Hannes Hackl Landesverband der Gehörlosenvereine Oberösterreich vertreten durch: Prof. Peter Dimmel Landeslehranstalt für Hör- und Sehbildung und Sonderpädagogisches Zentrum für Sinnesbehinderte Oberösterreich vertreten durch: Prof. Wilfried Schögl Verein der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher,Linz, vertreten durch: Frau Anni Meixner und Frau Gabriele Kliemstein Institut für Sinnes- und Sprachneurologie / Gesundheitszentrum für Gehörlose, Barmherzige Brüder Linz, vertreten durch: Prim. Dr. Johannes Fellinger, Dr. Daniel Holzinger, Mag. Ulrike Strauß und Mag. Barbara Hunger 70 5. Finanzierung Die Finanzierung erfolgte zu gleichen Teilen durch Fonds Gesundes Österreich Sozialabteilung des Landes Oberösterreich (Landesrätin Dr. Stöger) 71 6. CHEERS Projektteam Ein multidisziplinäres Team besuchte die Kinder, Eltern und Lehrer vor Ort in ihren Schulen oder in der Nähe ihrer Schule und untersuchte jedes Kind einen Vormittag lang in unterschiedlichen Bereichen: Priv.-Doz. Dr. Daniel Holzinger (Projektleitung, Klin. Linguist) Prim. Dr. Johannes Fellinger (Neurologe, Psychiater) Mag. Ulrike Strauß (Psychologin) Mag. Barbara Hunger (Linguistin) 72