Jedes Jahr erleiden in Österreich etwa 20 - Herz-Thorax

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Jedes Jahr erleiden in Österreich etwa 20.000 Menschen einen Schlaganfall. Mehr als
3000 Menschen sterben unmittelbar an den Folgen der meist ischämisch bedingten
Schlaganfälle, die 5 Jahres Überlebensrate liegt trotz verbessertem Management an
spezialisierten Stroke Units nur bei 50%. Nach der koronaren Herzerkrankung und nach
den malignen Erkrankungen liegt der Schlaganfall an dritter Stelle der
Todesursachenstatistik in Österreich und stellt des Weiteren die häufigste Ursache für
Behinderungen im Erwachsenenalter dar. Ein Drittel der Patienten benötigt nach einem
Schlaganfall permanente häusliche oder institutionelle Pflege. In etwa 25% der Fälle liegt
die Ursache für einen Schlaganfall in einer arteriosklerotisch bedingten Stenose der
extrakraniellen A. carotis interna. Um ein optimales Management dieser Erkrankung
gewährleisten zu können, ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen
Gefäßchirurgie, Neurologie, Radiologie und Anästhesiologie notwendig.
Epidemiologie
Die Manifestation der Arteriosklerose an der gehirnversorgenden extrakraniellen Strombahn ist
eine Erkrankung der älteren Bevölkerung. Die Prävalenz der über 50%igen und damit als
höhergradig bezeichneten Carotisstenose ist altersabhängig. In der Gruppe der 60 – 69 jährigen
beträgt die Prävalenz im Mittel 5,9%, der Wert steigt bei den 70 bis 79-jährigen auf 6,4% und bei
den über 80-jährigen auf 9,5%. Männer sind mit sechs bis elf Prozent häufiger betroffen als
Frauen mit fünf bis sieben Prozent.
Die bedeutendsten Risikofaktoren für die Entstehung einer arteriosklerotisch bedingten
Carotisstenose sind Nikotinabusus, Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus,
Alter und männliches Geschlecht.
Anatomie und Pathophysiologie
Die Arteria carotis communis entspringt rechts aus dem Truncus brachiocephalicus, der als
zweites Gefäß die A. subclavia zum rechten Arm abgibt. Links entspringt die A. carotis
communis direkt aus der Aorta. Die Carotis communis zieht nach kranial in das Trigonum
caroticum und teilt sich etwa in der Höhe des Schildknorpeloberrandes in die A. carotis interna
und die A. carotis externa. Die A. carotis interna zieht nach laterokranial zur Schädelbasis und
betritt den Schädel durch das Foramen caroticum. Die A. carotis externa zieht nach
mediocranial und gibt Äste zum Gesichtsschädel ab. Die arterielle Versorgung des Gehirns
erfolgt über die beiden Aa. carotides internae und über die beiden Aa. vertebrales. Die Gefäße
stehen intrakraniell über den Circulus arteriosus Willisii miteinander in Verbindung. So kann
prinzipiell beim Ausfall einer A. carotis interna die Versorgung des entsprechenden
Stromgebietes von der kontralateralen Seite her gewährleistet werden. Die Ausbildung des
Circulus Willisii ist jedoch individuell verschieden – nur 25 Prozent der Menschen haben einen
komplett angelegten Circulus Willisii, bei 75 Prozent der Menschen ist ein Teil des Circulus
hypoplastisch oder nicht vorhanden.
In 60 bis 70 Prozent liegen die extrakraniellen Carotisstenosen im Bereich der Carotisgabel, in
15 Prozent im Carotissiphon. Die übrigen Lokalisationen verteilen sich auf die zentralen
Stammgefäße. Manchmal sind die extrakraniellen Stenosen mit intrakraniellen kombiniert, in 15
bis 20 Prozent verursacht ein Kinking (ein Knick) die – in diesem Fall funktionelle Stenosierung des Gefäßes.
Die Ursache eines ischämisch bedingten Insults liegt jedoch – bedingt durch die mehrfache
Gefäßversorgung des Gehirnes – meistens nicht so sehr in der hämodynamischen Wirkung
einer Carotisstenose sondern viel mehr in einer arterio-arteriellen Embolie mit der Stenose und
den zugrunde liegenden Plaques als Emboliequelle. In 20 bis 30 Prozent liegt die Emboliequelle
im Herz.
Symptome
Eine Stenose und sogar ein Verschluss der A. carotis interna kann einerseits völlig
asymptomatisch bleiben, andererseits aber verschiedenste Symptome verursachen. Die
Symptome reichen von kurzzeitigen, voll reversiblen neurologischen Ausfällen bis hin zum
schweren invalidisierenden oder auch letalen Schlaganfall.
Vorübergehende neurologische Symptome sind beispielsweise Doppelbilder, plötzlicher
einseitiger Verlust der Sehkraft oder ein halbseitiger Gesichtsfeldausfall. Weiters können eine
Aphasie oder eine Dysarthrie mit Verlust des Sprachverständnisses, Wortfindungsstörungen
oder Verwechslung von Silben auftreten. Andere Symptome sind Lähmungserscheinungen, die
das Gesicht oder eine Körperhälfte betreffen können, ein Ausfall der Sensibilität, Schwindel oder
Gangunsicherheit.
Handelt es sich bei dem neurologischen Ereignis um eine kurzzeitige, nicht länger als 24
Stunden dauernde Symptomatik, die sich vollständig zurückbildet, so spricht man von einer
transitorisch ischämischen Attacke (TIA).
Dauern die Symptome länger als 24 Stunden und bilden sie sich restlos zurück, so handelt es
sich um ein sogenanntes prolongiertes ischämisches neurologisches Defizit (PRIND).
Die Ausfälle nach einem Insult sind irreversibel.
Anhand des zeitlichen Bezuges bzw. des Verlaufs der Symptome erfolgt die Einteilung der
zerebralen arteriellen Verschlusskrankheit (cAVK) in vier Stadien:
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Stadium IV
asymptomatisch
transitorisch ischämische Attacke (TIA), Amaurosis fugax
progressive stroke, stroke-in-evolution mit zunehmender Symptomatik
completed stroke
Krankheitsverlauf
Die asymptomatische Carotisstenose hat unbehandelt ein jährliches Schlaganfallrisiko von fünf
Prozent, wobei das Risiko mit dem Stenosegrad ansteigt. Unter maximaler Ausschöpfung der
konservativen Therapie lässt sich das Risiko auf ein bis zwei Prozent senken. Die jährliche Rate
an Verschlüssen bei Stenosen über 80 Prozent liegt bei etwa zehn Prozent. 25 Prozent dieser
Patienten haben ein ischämisches zerebrales Ereignis, jeweils die Hälfte eine TIA bzw. einen
Insult.
Bei der symptomatischen Carotisstenose liegt das Risiko, unbehandelt innerhalb von zwei
Jahren einen Schlaganfall zu erleiden, bei 15 Prozent nach Amaurosis fugax bzw. bei mehr als
40 Prozent nach einer TIA. Liegt ein Verschluss der kontralateralen A. carotis interna vor, so
steigt das Risiko auf 69 Prozent. Der Zeitraum, in dem eine Carotisstenose als
symptomatisch beschrieben wird, ist mit 180 Tagen ab dem Ereignis definiert.
Das Ausmaß der neurologischen Beeinträchtigung nach einem Schlaganfall wird durch die
modifizierte Rankin Skala beschrieben.
Rankin 0
Rankin 1
Rankin 2
Rankin 3
- kein neurologisches Defizit
- Insult mit funktionell irrelevantem neurologischem Defizit
- leichter Apoplex mit funktionell geringgradigem Defizit und/oder leichter Aphasie
- mittelschwerer Apoplex mit deutlichem Defizit mit erhaltener Gehfähigkeit
und/oder mittelschwerer Aphasie
Rankin 4 - schwerer Apoplex, Gehen nur mit Hilfe möglich und/oder komplette Aphasie
Rankin 5 - invalidisierender Apoplex: Patient ist bettlägerig bzw. rollstuhlpflichtig
Rankin 6 - Apoplex mit tödlichem Ausgang
Diagnostik
Basisbestandteil jeder Diagnostik ist das ausführliche Gespräch mit dem Patienten und
gegebenenfalls mit den Angehörigen. In diesem Gespräch sollen einerseits die bereits
genannten Risikofaktoren für eine cAVK und weitere Manifestationen der Arteriosklerose wie
eine koronare Herzerkrankung oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit erfragt
werden, andererseits muß genaues Augenmerk auf die Art der neurologischen Symptome,
deren Dauer und Ausprägung gelegt werden. Auch differentialdiagnostische Überlegungen sind
anzustellen, denn nicht jeder Schwindel und jede Sehstörung sind vaskulärer Natur. Jeder
Patient mit suspizierter oder diagnostizierter Carotisstenose muß einer klinisch-neurologischen
Untersuchung zugeführt werden.
Radiologische Diagnostik
Die Standarduntersuchung der bildgebenden Diagnostik der Carotisstenose ist die farbcodierte
Duplexsonographie mit einer Spezifität von 82 Prozent und einer Sensitivität von 81 Prozent. Mit
der Ultraschalluntersuchung werden Stenosegrad, Ausdehnung der Stenose und
Plaquemorphologie erfasst. Die Beschreibung der Plaquemorphologie und damit die
Unterscheidung in ulzeriert oder nicht ulzeriert ist mitentscheidend für die Operationsindikation.
Die sonographische Graduierung einer Stenose erfolgt durch das Ausmaß der
Strömungsbeschleunigung im Stenosebereich. Dabei wird als wesentlicher Parameter die
Carotid ratio erfasst. Dieser Wert beschreibt das Verhältnis zwischen der maximalen
systolischen Strömungsgeschwindigkeit in der A. carotis communis drei Zentimeter vor der
Carotisgabel und der maximalen systolischen Strömungsgeschwindigkeit im Stenosebereich.
Liegt die carotid ratio über 4, kann von einer hochgradigen Carotisstenose ausgegangen
werden. Die Vorteile des Ultraschalls liegen in der fehlenden Invasivität und Strahlenexposition.
Die Methode ist jedoch untersucherabhängig und hat bei ausgeprägter Gefäßverkalkung eine
eingeschränkte Aussagekraft. Weiters ist eine Unterscheidung zwischen einer Pseudookklusion
und einem kompletten Verschluss durch den Ultraschall nicht möglich. Diese Fragestellung kann
durch die MR- oder CT Angiographie beantwortet werden. Hier ist im Unterschied zum
Ultraschall zusätzlich auch eine Darstellung der intrakraniellen Gefäßabschnitte möglich. Die MR
Angiographie weist in der Fragestellung der Carotisstenose eine Sensitivität von 92 Prozent und
eine Spezifität von 74 Prozent auf. Ein Vorteil gegenüber der CT Angiographie liegt in der
fehlenden Strahlen- und Kontrastmittelbelastung.
unauffälliger Sonographiebefund
Plaque
Stenose mit Strömungsbeschleunigung
Die transkraniellen Dopplersonographie ist eine Methode, um den intrakraniellen Blutfluss und
hier im Besonderen die seitenübergreifende Kollateralversorgung zu erfassen. Diese Methode
funktioniert wie die extrakranielle Dopplersonographie. Allerdings ist sie auch dazu geeignet, die
hirnversorgenden Arterien durch bestimmte dünnere Stellen des knöchernen Schädels hindurch
zu untersuchen.
Frische und ältere ischämiebedingte zerebrale Läsionen werden mittels CT oder MR des
Schädels dargestellt. Zugleich kann bei dieser Untersuchung ein Tumor oder eine Blutung als
andere Ursache für die Symptomatik ausgeschlossen oder nachgewiesen werden. Weiters
erlaubt das MR eine Beurteilung der Blut-Hirn-Schranke.
Die intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie sollte nur mehr bei speziellen
Fragestellungen durchgeführt werden, da diese Untersuchungsmethode per se mit einem Risiko
für ein permanenten neurologisches Defizit von 0,3 Prozent behaftet ist, in der selektiven
Darstellung mit 1,2 Prozent. Die DSA ermöglicht die Darstellung und die Graduierung der
Stenose, die Abschätzung der Morphologie und die Darstellung der nachgeschalteten
intrakraniellen Strombahn.
MR Angiographie
Therapie
Zu den grundlegenden und wissenschaftlich ausreichend belegten Prinzipien sowohl der
konservativen als auch der operativen bzw. interventionellen Therapie gehören die Minimierung
der Risikofaktoren und die maximale Ausschöpfung der medikamentösen Therapie.
Die arterielle Hypertonie ist ein gravierender, häufiger und zugleich gut behandelbarer
Risikofaktor für den Insult. Die adäquate Blutdruckeinstellung reduziert das Schlaganfallrisiko
signifikant. In Metaanalysen von randomisierten Studien wurde gezeigt, dass eine Senkung des
diastolischen Blutdruckwertes um 6mmHg die Schlaganfallinzidenz um 42 Prozent senkt.
Nikotinkonsum erhöht das Schlaganfallrisiko wesentlich, wobei die Anzahl der Packyears mit der
Zunahme des Risikos korreliert und das Beenden des Nikotinkonsums das Schlaganfallrisiko
reduziert.
Für die Hyperlipidämie wurde in der Scandinavian Simvastatin Survival Study (4S) eine 30prozentige Reduktion von Schlaganfällen unter der Einnahme von Simvastatin gefunden.
Der Stellenwert der Thrombozytenaggregationshemmer (Aspirin) zur Senkung des Insultrisikos
wurde in mehreren randomisierten Studien und Metaanalysen belegt. Die Antiplatelet trialists
Collaboration overview beschreibt eine 23-prozentige Risikoreduktion für nicht fatale
Schlaganfälle im Vergleich mit Placebo. Die optimale Dosierung von Aspirin wird kontrovers
diskutiert. Der Vergleich von Clopidogrel 75mg (Plavix®) mit Aspirin 325mg ergab in der
CAPRIE Studie in der Subgruppenanalyse eine Benefit für die Clopidogrelgruppe hinsichtlich der
Risikoreduktion. Der Vorteil war statistisch nicht signifikant, die Nebenwirkungen der beiden
Substanzen unterschieden sich nicht.
Behandlungsindikationen
Für die konservative beziehungsweise chirurgische Therapie der Carotisstenose wurden
basierend auf großen prospektiv randomisierten Studien von verschiedenen Fachgesellschaften
wie der American Heart Association oder der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der
Deutschen Schlaganfallgesellschaft Leitlinien festgelegt.
Konservative neurologische Therapie
Stadium I
• mit einem Stenosegrad unter 70% ohne Progression – jährliche
Ultraschallkontrollen
• mit hohem Operationsrisiko und weniger als 5 Jahren Lebenserwartung
• bei Okklusion der A. carotis interna
Stadium II
• mit einem Stenosegrad unter 50%, sofern kein exulzerierter Plaque vorliegt.
Stadium III
• beim komatösen Patient bzw. bei instabiler neurologisch-klinischer Situation oder
progredienter Klinik
Stadium IV
• bei einem Stenosegrad von weniger als 70%
• bei Okklusion,
• bei schlechter oder fehlender Remission
• bei hohem Operationsrisiko
• bei einer Lebenserwartung von weniger als 5 Jahren
Operative Therapie
Stadium I - Asymptomatische Carotisstenose
Im Stadium I profitieren nur Patienten mit einer mehr als 70-prozentigen Carotisstenose und
einer perioperativen Komplikationsrate von weniger als drei Prozent von einer Operation. Die
operative Komplikationsrate bezieht sich auf die Majorkomplikationen im jeweiligen Zentrum, als
Majorkomplikationen werden ein perioperativer Schlaganfall oder Tod bezeichnet.
Ab einer perioperativen Komplikationsrate von mehr als drei Prozent wird das therapeutische
Ziel einer Carotisdesobliteration – die Reduktion des Insultrisikos – nicht mehr erreicht.
Zwei großangelegte Studien, die ACAS aus Nordamerika (Asymptomatic Carotid
Atherosclerosis Study, 1995), und die ACST aus Europa (Asymptomatic Carotid Surgery Trial,
2004) belegen den prophylaktischen Effekt einer Operation unter diesen Bedingungen.
Die absolute Risikoreduktion durch eine Operation im Stadium I bei hochgradiger
Carotisstenose beträgt in 5 Jahren fünf Prozent, was einer jährlichen Reduktion von einem
Prozent entspricht. In einer Subgruppenanalyse der ACST wurde gezeigt, dass Männer mit einer
absoluten Risikoreduktion von 8,2 Prozent in fünf Jahren mehr profitieren als Frauen, ebenso
Patienten jünger als 65 Jahre mit einer Reduktion von 7,8 Prozent, Patienten mit einer Stenose
von 60 bis 80 Prozent mit einer Risikoreduktion von 7,4 Prozent und Patienten mit einem
erhöhten Serumcholesterinspiegel (>250mg/dl) mit einer Reduktion des Schlaganfallrisiko um
11,4 Prozent.
Für die stentgeschützte Ballonangioplastie liegen bislang keine prospektiven randomisierten
Studien bei asymptomatischer Stenose vor. Fallserien und Subgruppen einzelner Studien
(SAPPHIRE Trial) deuten jedoch darauf hin, dass die periprozedurale Komplikationsrate beim
Carotisstent mindestens so hoch liegt wie bei der Operation (Yadav et al. 2004). Es gibt
gegenwärtig keine Evidenz, dass die endovaskuläre Behandlung asymptomatischer
Carotisstenosen eine dauerhafte Reduktion des Schlaganfallrisikos bewirkt.
Die symptomatische Carotisstenose
Zwei bedeutende Studien, die NASCET (North American Symptomatic Carotid Endarterectomy
Trial, NEJM 1999) und die ECST (European Carotid Surgery Trial, Lancet1998), haben den
Nutzen der operativen Therapie der symptomatischen Carotisstenose belegt. 2006 wurden zwei
große randomisierte Studien (SPACE, EVA3S) zur stentgeschützten Angioplastie (CAS)
symptomatischer Carotisstenosen im Vergleich zur operativen Therapie (CEA) veröffentlicht.
Beide hatten ein Non-Inferiority-Design. In der SPACE-Studie wurden 1.200 symptomatische
Patienten mit Carotisstenose (> 50% nach NASCET oder > 70% nach ECST) In der Auswertung
wurde der primäre Endpunkt (ipsilateraler Schlaganfall oder Tod innerhalb von 30 Tagen) in der
CAS-Gruppe 41 Mal (6,84%) und in der CEA-Gruppe 37 Mal (6,34%) erreicht. Die absolute
Differenz betrug 0,51 Prozent. Da eine Non-Inferiority-Schwelle von 2,5 Prozent vordefiniert war,
konnte SPACE somit die Non-Inferiority der CAS gegenüber der CEA nicht zeigen.
In der EVA3S wurden 527 Patienten mit einer symptomatischen Carotisstenose randomisiert.
Wegen einer erhöhten periprozeduralen Komplikationsrate in der CAS-Gruppe (9,6% versus
3,9%) musste die Studie vorzeitig abgebrochen werden.
Die NASCET hat das postoperative Outcome von Patienten nach operativer Sanierung einer
symptomatischen Carotisstenose untersucht. Die Endpunkte dieser Studie waren der
perioperative Schlaganfall oder Tod in einem Zeitraum von 30 Tagen ab der Operation bzw. das
neurologische Outcome 90 Tage nach einem Insult. Die Studie umfasste 1415 Patienten.
92 der 1415 Patienten hatten ein perioperative ischämisches Ereignis, was einer
Majorkomplikationsrate von 6,5 Prozent entspricht. Diese Rate setzt sich wie folgt zusammen:
1,1 Prozent Tod, 1,8 Prozent Insult mit schwerer Behinderung, 3,7 Prozent Insult ohne schwere
Behinderung. Nach Ablauf von 90 Tagen verringerte sich die Rate der Schlaganfälle mit
permanenter Behinderung durch Verbesserung des neurologischen Zustandes auf 0,9 Prozent.
Fünf Parameter wurden identifiziert, die für ein erhöhtes operatives Risiko ausschlaggebend
waren: Ein hemisphärisches ischämisches Ereignis versus eine retinale Ischämie als
stadiumdefinierendes Symptom, ein linksseitiger Eingriff, ein kontralateraler Carotisverschluss,
eine ipsilaterale ischämische Läsion in der Computertomographie des Cerebrums, ein
irregulärer oder exulzerierter ipsilateraler Plaque.
Im Zweijahresergebnis wurde durch eine Operation das Insultrisiko im Vergleich zur
konservativen Therapie von 26 Prozent auf neun Prozent reduziert, das bedeutet eine Senkung
des relativen Risikos um 65 Prozent. Daraus ergibt sich ein klarer Nutzen durch die Operation
für Patienten mit einer symptomatischen Carotisstenose.
Das Ziel der ECST war die Evaluation von Nutzen und Risiko einer Operation für Patienten mit
einer symptomatischen Carotisstenose. Eingeschlossen wurden 3024 Patienten mit einer
höhergradigen Stenose und einem ischämischen Ereignis in den letzten 180 Tagen. Die
Patienten wurden in eine operative und eine konservative Gruppe randomisiert, der Follow up
Zeitraum betrug im Mittel 6,1 Jahre.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Patienten mit einer symptomatischen Carotisstenose im
Vergleich zur konservativen Therapie hinsichtlich Schlaganfall oder Tod deutlich profitieren. Die
Kaplan Meier Analyse gibt die Wahrscheinlichkeit für einen Major stroke oder für einen Todesfall
innerhalb von drei Jahren in der konservativen Gruppe mit 26,5 Prozent und in der operierten
Gruppe mit 14,9 Prozent an, was einem absoluten Benefit von 11,6 Prozent durch eine
Operation entspricht.
Die NASCET und die ECST verwenden unterschiedliche Kriterien zur Stenosegraduierung. Eine
50-prozentige Stenose nach NASCET entspricht einer 82-prozentigen Stenose nach ECST. Die
Graduierung nach NASCET hat sich im klinischen Alltag durchgesetzt.
Aus diesen Daten ergibt sich eine klare Indikation zur Operation bei 70 bis 99-prozentigen
symptomatischen Carotisstenosen (Grad A Empfehlung) mit einer NNT von 15 (number needed
to treat, Zahl der Operationen, um einen Schlaganfall zu verhindern). Der Nutzen der Operation
nimmt mit dem Stenosegrad ab 70 Prozent zu und ist geringer bei einem Stenosegrad zwischen
50 Prozent und 70 Prozent mit einer NNT von 21. Eine Operation bei einem Stenosegrad bis 30
Prozent ist nachteilig für den Patienten und erhöht das Risiko für einen Insult, zwischen einem
Stenosegrad zwischen 30 Prozent und 50 Prozent bringt die Operation keinen Vorteil.
Eine zusätzliche Indikation ergibt sich bei exulzerierten Plaques mit embolisch bedingten
neurologischen Symptomen.
Der Nutzen der Operation ist für Patienten mit einer symptomatischen Carotisstenose am
größten, wenn der Eingriff innerhalb von 14 Tagen nach dem initialen ischämischen Ereignis
(TIA, Amaurosis fugax, Insult) durchgeführt wird, sofern der Pat. klinisch stabil ist. Über die
nächsten drei Monate nach einem Ereignis reduziert sich der Vorteil durch die Operation
Die Zeit zwischen Ereignis und Operation sollte mit Thrombozytenaggregationshemmern
(Azetylsalizylsäure ASS, Clopidogrel) überbrückt werden. ASS sollte vor, während und nach der
Operation gegeben werden. Clopidogrel sollte spätestens fünf Tage vor der Operation durch
ASS ersetzt werden. (Leitlinien der DGN 2007) .
Stadium III - Stroke in Evolution
Das klinische Stadium III der cAVK stellt nur in Ausnahmefällen eine Operationsindikation dar.
Bedingung ist die fehlende Bewusstlosigkeit des Patienten, der Eingriff wird als Akutoperation
durchgeführt. Für die Operation im Stadium III steht ein Zeitfenster von 4 – 6 Stunden ab Beginn
des Ereignisses zur Verfügung. In etwa 50 Prozent der Fälle bilden sich nach einer Operation
unter Einhaltung dieser Bedingungen die neurologischen Symptome zurück. Die Letalität ist
allerdings mit 9,6 Prozent hoch. Stellt sich im Perfusions/Diffusions-MRT eine Störung der BlutHirn-Schranke dar, so muß aufgrund der daraus zu erwartenden Komplikationen von der
Operation Abstand genommen werden. Eingriffe in diesem Stadium sollten nur nach genauem
Abwägen von Nutzen und Risiko sowie im Rahmen eines Protokolls der zuständigen
Ethikkommission durchgeführt werden.
Operation
Zur chirurgischen Behandlung der Carotisstenose stehen prinzipiell zwei Operationsmethoden
zur Verfügung, die in ihrem Outcome gleichwertig sind. Zum klassischen Verfahren der
Thrombendarteriektomie mit Längseröffnung der A. carotis communis und A. carotis interna und
Ausschälung des stenosierenden Materials ist in letzter Zeit die Eversionsendarteriektomie
gekommen. Bei letzteren Verfahren wird die A. carotis interna im Carotisbulbus schräg
abgetrennt, das stenosierende Material durch Eversion ausgeschält und die desobliterierte
Arterie reanastomosiert.
Zur präoperativen Vorbereitung für beide Methoden gehören die klinisch-neurologische
Vorstellung, die internistische Evaluierung kardialer Risikofaktoren, die radiologische Diagnostik
mittels farbcodierter Duplexsonographie und Computertomographie des Gehirnschädels sowie
die Vorstellung beim Anästhesisten. In ausgewählten Fällen erfolgt noch eine MR- oder CTAngiographie der Carotisstrombahn.
Im Aufklärungsgespräch zwischen Patient und Operateur werden die Operationsindikation, der
Ablauf der Operation und die Risikofaktoren bzw. möglichen Komplikationen besprochen. Als
Majorkomplikation wird ein perioperatives – möglicherweise fatales – ischämisches Ereignis
bezeichnet. Zu den Minorkomplikationen gehören zum Beispiel eine Nachblutung, eine
Wundinfektion oder eine Schädigung von Hirnnerven mit den entsprechenden Ausfällen.
Postoperativ erfolgt eine neuerliche klinisch neurologische Vorstellung mit farbcodierter
Duplexsonographie. Im Follow up sind regelmäßige klinische und sonographische Kontrollen
vorgesehen. Die erste postoperative Kontrolle erfolgt drei Monate nach der Operation, die
folgenden Kontrollen in jährlichen Abständen.
Thrombendarteriektomie (TEA)
Dieses Verfahren kann in Allgemeinnarkose oder in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Die
Präparation der Carotisgabel erfolgt über einen Schnitt parallel zum Vorderrand des M.
sternocleidomastoideus. Bei der Darstellung der Gefäße ist auf die durch das Operationsgebiet
ziehenden Nerven zu achten, um eine Schädigung zu vermeiden. Über die A. carotis interna
zieht kranial der Gabel in wechselnder Höhe der N. hypoglossus. Zwischen der A. carotis
communis und der V. jugularis zieht der N. vagus, der in dieser Höhe noch die Fasern des N.
laryngeus recurrens enthält. Am Unterrand der Mandibula verläuft der R. marginalis mandibulae
aus dem N. facialis. Die fertig präparierten Gefäße werden mit Gummizügeln angeschlungen.
Um während der nun folgenden Klemm- bzw. Shuntphase das Risiko der Thrombenbildung zu
minimieren, verabreicht der Anästhesist dem Patienten intravenös unfraktioniertes Heparin. Die
Äste der Carotisgabel werden ausgeklemmt, die A. carotis communis wird nun in die A. carotis
interna hinein der Länge nach inzidiert. Über die Inzision kann nun nach zentral und peripher ein
Shunt eingelegt werden, um die notwendige Klemmzeit zu minimieren und währen der
Desobliteration die zerebrale Perfusion aufrecht zu erhalten. In Abhängigkeit vom
intraoperativen Neuromonitoring wird die Entscheidung für oder gegen die Einlage eines Shunts
während der Klemmphase getroffen werden. Die Verwendung eines Shunts wird bei
Mehrfachläsionen der supraaortalen Strombahn empfohlen, zum Beispiel bei einem
kontralateralen Carotisverschluss oder bei stenosierenden Prozessen der Vertebralarterien. Das
lumenstenosierende Material wird sorgfältig ausgeschält und die Inzision in der Arterie mit einem
Patch verschlossen. Als Patch kommt autologes Venenmaterial wie zum Beispiel die Vena
saphena magna oder die Vena jugularis externa in Frage. Die Alternative zum Venenpatch ist
ein vorgefertigter Patch aus Dacron, der in verschiedenen Größen zur Verfügung steht. Vor
Fertigstellung der Patchnaht wird der Shunt aus dem Gefäßlumen entfernt.
Zur Verwendung eines Patches zum Gefäßverschluss liegen mehrere Studien vor. Eine 2005
publizierte Cochrane Metaanalyse zeigt, dass die Verwendung eines Patches die perioperative
Reverschlussrate und längerfristig die Restenoserate reduzieren kann. Die Daten haben jedoch
aufgrund der nicht optimalen Qualität der zugrundeliegenden Studien eingeschränkte
Aussagekraft. Es empfiehlt sich allerdings bei kleinen Gefäßen mit einem Durchmesser von
weniger als 5mm die Verwendung eines Patches, um Restenosen zu vermeiden.
Endarteriektomie, liegender Shunt
Nach Endarteriektomie, liegender Shunt
Nach Rekonstruktion mit Dacronpatch
Eversionsendarteriektomie
Die Eversionsendarteriektomie (EEA) erfolgt in vielen Zentren in Lokoregionalanästhesie, kann
jedoch auch in Allgemeinnarkose durchgeführt werden. Am wachen Patienten besteht zusätzlich
zum apparativen Neuromonitoring die Möglichkeit zur Überwachung durch den direkten Kontakt
mit dem Patienten und die Überwachung der Vigilanz beziehungsweise durch die Option,
motorische Ausfälle oder eine Aphasie während der Klemmphase zu erkennen.
Für die Lokoregionalanästhesie wird mit einem langwirksamen Lokalanästhetikum in Höhe
C2/C3 durch ein Depot am Processus transversus ein Zervikalblock gesetzt. Zusätzlich erfolgt
die oberflächliche Infiltration des Operationsgebietes. Durch diese Form der Anästhesie wird die
vegetative Autoregulation weitgehend erhalten, Schwankungen des Blutdrucks und der
Herzfrequenz treten im Vergleich zur Allgemeinnarkose seltener auf. Trotzdem ist auch bei der
Operation in Lokoregionalanästhesie eine intensive Betreuung des Patienten durch den
Anästhesisten unabdingbar. Die Präparation für die EEA erfolgt analog zur oben beschriebenen
Methode für die TEA, ebenso erfolgt vor der Klemmphase die intravenöse Heparingabe. Nach
Setzen der Gefäßklemmen wird die Klemmtoleranz anhand der Vigilanz und der
Kommunikationsfähigkeit sowie der Motorik des Patienten beurteilt. Sollte es zu einer
neurologischen Symptomatik beziehungsweise zu Veränderungen von EEG, INVOS oder der
SSEP kommen, so müssen die Klemmen wieder geöffnet werden und auf die Methode der TEA
mit Shunteinlage gewechselt werden. Bei einer spät auftretenden Klemmintoleranz nach
Absetzen der A. carotis interna ist ebenso eine Shunteinlage notwendig, was sich jedoch bei der
EEA technisch schwieriger gestaltet als bei der TEA.
Besteht keine Klemmintoleranz, wird nun die A. carotis interna im Bulbus abgesetzt. Der
verkalkte Media-Intimazylinder lässt sich entlang einer Grenzschicht durch "Umkrempeln"
(Evertieren) der Gefäßwand von der Adventitia trennen und kann so ausgeschält werden. Nach
diesem Vorgang erfolgt die Refixation der Carotis interna mit einer fortlaufenden Naht.
Präparierter Situs
Abgesetzte A. carotis interna
Ausschälen des Zylinders
Nach Desobliteration
Nach Reanastomosierung
Intraoperatives Neuromonitoring
Das Gehirn ist für Sauerstoffmangelzustände besonders anfällig. Um während der
Carotisoperation und hier insbesondere während der Klemmphase eine optimale
Sauerstoffversorgung des Gehirns sicher zu stellen, ist neben dem üblichen hämodynamischen
Monitoring eine intraoperative Überwachung der zerebralen Durchblutung und
Sauerstoffversorgung unumgänglich. Für das Neuromonitoring stehen mehrere Methoden zur
Verfügung:
Die transkranielle Dopplersonographie (TCD) erfasst den intrakraniellen Blutfluss während
der Klemmphase, kann Mikroembolien detektieren und eine Aussage über Kollateralkreisläufe
treffen.
Die Messung der somatosensorisch evozierten Potentiale (SSEP) über der Hemisphäre
erlaubt ebenfalls eine Aussage über Veränderungen der zerebralen Sauerstoffversorgung in der
Klemmphase.
Die intraoperative Elektroenzephalographie (EEG) wird als sensitive Methode für eine
intraoperatives Neuromonitoring angesehen, sie ist jedoch für verschiedene Störfaktoren
anfällig, zum Beispiel die Narkosetiefe oder einen stattgehabten Insult.
Am wachen Patienten im Rahmen einer Operation in Lokalanästhesie ist eine direkte klinische
Beurteilung möglich. Der Vigilanzgrad des Patienten wird als Gradmesser für die zerebrale
Perfusion verwendet.
Mit INVOS steht dem Neuromonitoring ein System zur Verfügung, das die zerebrale
Sauerstoffsättigung durch Oxymetrie erfasst. Beschrieben wird das Verhältnis von oxygeniertem
zu nicht oxygeniertem Hämoglobin. Die Normalwerte liegen beim Erwachsen zwischen 65 und
75. Kommt es während der Klemmphase zu einem signifikanten Abfall des Wertes um
mindestens 10 Punkte, stellt sich die Indikation zur Shunteinlage, um eine ischämische
Schädigung des Gehirns zu vermeiden.
Komplikationen
Im Rahmen der Carotisdesobliteration – sowohl der TEA als auch der EEA – kann es
perioperativ zu verschiedenen Komplikationen kommen.
Ein großes Hämatom oder eine Nachblutung kann durch die anatomische Nähe zu Larynx und
Trachea diese Strukturen komprimieren und zu einer lebensbedrohlichen Verlegung der
Luftwege führen. Eine sofortige Revision, manchmal auch unter Notfallbedingungen, ist in dieser
Situation erforderlich.
Einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine Komplikation ist die arterielle Hypertonie. Ein
präoperativ schlecht eingestellter Blutdruck erhöht die Inzidenz von Wundhämatomen und der
Entwicklung eines Hyperperfusionssyndromes. Außerdem kommt es durch die Manipulation am
Carotissinus während der Operation zu einer Dysfunktion der dort gelegenen Barorezeptoren.
Patienten mit einer präoperativ existenten Hypertonie entwickeln eher eine postoperative
Blutdruckentgleisung und haben ein signifikant höheres Risiko für eine zerebrale Komplikation
sowie eine höhere perioperative Mortalität. (Towne und Bernhard, Surgery 1980). Unkontrollierte
postoperative Hypertonie erhöht zusätzlich das Risiko für eine postoperative intrazerebrale
Blutung. (Caplan et al., Stroke). Auch Patienten mit normalen Blutdruckwerten haben in etwa 21
Prozent eine postoperative hypertensive Phase, die in den ersten 48 Stunden nach der
Operation ihr Maximum hat. Dieses Phänomen wird einer operationsbedingten Störung der
Barorezeptorempfindlichkeit zugeschrieben.
Das Hyperperfusionssyndrom nach Carotisdesobliteration tritt bei Patienten mit hochgradigen
Stenosen und lang andauernder Minderperfusion auf und führt zu einer ausgeprägten
Beeinträchtigung der zerebralen Autoregulation. Eine hochgradige Carotisstenose verursacht
eine chronische Minderperfusion der jeweiligen Hemisphäre. Als Reaktion darauf kommt es
intrazerebral zu einer Vasodilatation der kleinen Gefäße, um die Durchblutung zu optimieren.
Diese lang andauernde Vasodilatation führt zu einem Verlust der Autoregulation. Nach
Beseitigung der ursächlichen Carotisstenose erfährt die Hemisphäre nun eine Durchblutung mit
normalen oder erhöhten Druckwerten. Durch die fehlende Autoregulation ist ein Gegensteuern
zum Schutz der kapillaren Strombahn nicht möglich, das Ergebnis sind ein Hirnödem und
Blutungen. Der markante Anstieg des zerebralen Blutflusses verursacht heftige einseitige
Kopfschmerzen, die sich typischerweise durch aufrechte Körperhaltung reduzieren lassen.
Wundheilungsstörungen nach Carotisdesobliteration sind selten, gelegentlich wird eine
Wundheilungsstörung im Bereich der Entnahmestelle der V. saphena magna am Bein
beobachtet, insbesondere, wenn beim Patienten zugleich eine periphere arterielle
Verschlusskrankheit vorliegt. Diese Komplikation kann durch eine sorgfältige präoperative
Evaluation und eine Änderung der Operationsstrategie hin zur Verwendung eines
Kunststoffpatches oder zur Eversionsendarteriektomie, die keinen Patch benötigt, vermieden
werden.
Neurologische Komplikationen sind peripher oder zentral bedingt und lassen sich in Minor- und
Majorkomplikationen einteilen. Um den Benefit für den Patienten durch die Operation zu wahren,
muß die Rate der Majorkomplikationen möglichst niedrig gehalten werden.
Als Minorkomplikationen werden Läsionen der sich im Operationsgebiet befindlichen Hirnnerven
angesehen. Kommt es zu einer Schädigung des N. hypoglossus (XII. Hirnnerv), weicht die
Zunge beim Herausstrecken auf die Seite der Schädigung ab. Eine Schädigung des N. vagus
(X. Hirnnerv) führt eventuell zu einer ipsilateralen Recurrensparese mit konsekutiver Heiserkeit,
da der N. vagus in der Höhe des Operationsgebietes noch die Fasern des N. laryngeus
recurrens mit sich führt. Eine Schädigung des Nervus facialis (VII. Hirnnerv) oder eines seiner
Äste würde zum entsprechenden Ausfall der versorgten mimischen Muskulatur führen.
Als Majorkomplikation werden der perioperative Tod und zentrale neurologische Ereignisse wie
eine TIA oder ein Insult bezeichnet Als Ursache für Ereignis kommen intraluminal entstandene
Thromben in Frage, die Gefäße der intrakraniellen Strombahn verschließen und somit eine
Ischämie im Versorgungsgebiet des verschlossenen Gefäßes verursachen. Häufig ist die A.
cerebri media oder einer ihrer Äste betroffen. Im Extremfall kommt es bedingt durch eine
Thrombose oder eine Dissektion zu einem völligen Verschluss der Carotis. Die Patienten
entwickeln jedenfalls eine akute neurologische Symptomatik mit den entsprechenden Defiziten.
In diesem Fall sind eine sofortige bildgebende Diagnostik und gegebenenfalls eine operative
Revision durchzuführen.
PTA und Stenting der Carotisstenose
Die Endarteriektomie ist nach wie vor der Goldstandard für die Behandlung der extrakraniellen
Carotisstenose. In den letzten Jahren wird jedoch die interventionelle Therapie durch die
perkutane transluminale Angioplastie mit oder ohne Stent als neue therapeutische Option
zunehmend propagiert. Wenn diese Methode auch einen höheren Patientenkomfort und eine
geringere Aufenthaltsdauer als die Operation mit sich bringt, so konnte der Vorteil gegenüber
der Operation hinsichtlich Mortalität und Morbidität wissenschaftlich noch nicht belegt werden.
Derzeit wird die PTA der Carotis nur innerhalb von Studien durchgeführt und befindet sich im
experimentellen Stadium.
Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführte prospektive randomisierte
SPACE Studie verglich die Stent PTA mit der Endarteriektomie. Es wurden 1200 Patienten mit
einem neurologischen Ereignis innerhalb der letzten sechs Monate (TIA oder Insult bis Rankin 3)
eingeschlossen und entweder in die Stentgruppe oder die Operationsgruppe randomisiert. Als
Einschlusskriterium galt eine Carotisstenose >50 Prozent (NASCET-Kriterien) oder >70 Prozent
(ECST-Kriterien). Primärer Endpunkt der Studie waren Tod oder ipsilateraler ischämischer Insult
innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingriff. Die 30 Tages Ergebnisse zeigten eine höhere
periprozedurale Komplikationsrate in der Stentgruppe. In den zwei Jahres Ergebnissen war kein
Unterschied zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Insultrate bei signifikant höherer
Restenoserate in der Stentgruppe zu finden.
Die EVA-3S Studie (Endarterectomy Versus Angioplasty in Patients with Symptomatic Severe
Carotid Stenosis, NEJM 2006) verglich das Outcome nach Stent respektive Endarteriektomie bei
Patienten mit mindestens 60-prozentiger symptomatischer Carotisstenose und einem
ischämischen Ereignis in den letzten vier Monaten. Die Rekrutierung wurde nach der
Randomisierung von 527 Patienten aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Primärer Endpunkt
der Studie war ein periprozeduraler Schlaganfall oder Tod innerhalb von 30 Tagen, sekundärer
Endpunkt war ein Schlaganfall oder Tod im 4 Jahres Follow up. In den 30 Tages Ergebnissen
war die Ereignisrate in der Stentgruppe mit einem relativen Risiko von 2.5 signifikant höher. Die
Ereignisrate lag in der Stentgruppe bei 9,6 Prozent, in der Endarteriektomiegruppe bei 3,9
Prozent. In den 6 Monats- Ergebnissen fand sich in der Stentgruppe eine kumulative
Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis von 11,7 Prozent versus 6,1 Prozent in der
Operationsgruppe.
Die derzeit vorliegenden Daten rechtfertigen nicht die routinemäßige interventionelle Therapie
der Carotisstenose. In ausgewählten Fällen stellt die PTA mit oder ohne Stent eine sinnvolle
Alternative zur Operation dar. Für folgende Indikationen kann derzeit eine interventionelles
Verfahren im Rahmen von kontrollierten Studien empfohlen werden: Rezidivstenosen nach
Carotisoperation, hochgradige Stenosen nach Strahlentherapie, hochsitzende chirurgisch
schwer zugängliche Stenosen, symptomatische Stenosen (Stadium II) bei Hochrisikopatienten
beziehungsweise bei eingeschränkter Lebenserwartung.
Eigene Ergebnisse
An der Abteilung für Herz- Thorax- und Gefäßchirurgie des LKH Klagenfurt werden jedes Jahr
durchschnittlich etwa 120 Patienten aufgrund einer operationswürdigen Carotisstenose
behandelt. Es werden sowohl die TEA als auch die EEA angeboten und mit Rücksicht auf die
individuellen Gegebenheiten für jeden Patient die optimale Behandlungsmethode festgelegt. Um
ein optimales Management mit bestmöglichem Outcome für dieses Krankheitsbild zu
gewährleisten, ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Fächer notwendig.
Am LKH Klagenfurt wurde in Kooperation mit den Abteilungen für Neurologie, Radiologie und
Anästhesiologie ein Pathway und somit ein standardisiertes Vorgehen zur Behandlung der
Carotisstenose bestimmt. Die Zuweisung der Patienten erfolgt aus dem niedergelassenen
Bereich, von der neurologischen Abteilung oder von anderen Krankenhäusern an die
angiologische Ambulanz der Abteilung. An dieser Stelle wird die Operationsindikation gestellt
beziehungsweise reevaluiert. Die Indikationsstellung erfolgt in Anlehnung an die vorliegenden
großen Studien. Alle Patienten werden entweder im eigenen Haus oder vom Zuweiser einer
Ultraschalldiagnostik zugeführt und zur Erhebung eines präoperativen Status neurologisch
vorgestellt. Eine Schnittbilddiagnostik des Gehirnschädels und die Beurteilung der OPTauglichkeit durch den Internisten komplettiert die präoperative Diagnostik. Eine CT- oder MR
Angiographie wird bei speziellen Fragestellungen durchgeführt, die invasive digitale
Subtraktionsangiographie gehört nicht mehr zum Standardrepertoire. Der Patient erhält einen
Aufnahmetermin für einen elektiven Eingriff, Patienten mit akuter Symptomatik im Sinne einer
Crescendo TIA werden innerhalb von längstens 48 Stunden – auch am Wochenende – operiert.
Im präoperativen Aufklärungsgespräch legt der Operateur entsprechend den Präferenzen
zusammen mit dem Patienten die Operationsmethode fest. Für spezielle Indikationen wie die
Restenose nach Carotisoperation oder eine Stenose nach Bestrahlung steht die PTA der Carotis
zur Verfügung. Während der Operation erfolgt das intraoperative Neuromonitoring bei einer EEA
durch den direkten Kontakt zwischen Chirurg beziehungsweise Anästhesist und Patient, bei der
TEA wird routinemäßig ein Shunt eingelegt. Bei beiden Operationsmethoden kommt INVOS zur
Kontrolle der zerebralen Oxygenierung zum Einsatz.
Der postoperative stationäre Aufenthalt dauert in der Regel fünf Tage. Jeder Patient wird erneut
neurologisch vorgestellt und mittels Ultraschall kontrolliert. Dieses Vorgehen ermöglicht eine
externe Evaluation des Prozesses und trägt zur Qualitätskontrolle bei. Die erste Routinekontrolle
mit Ultraschall und klinischer Vorstellung wird drei Monate nach Entlassung durchgeführt, die
weiteren Kontrollen folgen einem jährlichen Rhythmus. Ergänzend zur Operation werden die
Möglichkeiten der medikamentösen Therapie und Sekundärprophylaxe ausgeschöpft und eine
Minimierung der Risikofaktoren angestrebt.
Seit 2005 werden alle Patienten in einer Datenbank erfasst. Dieses Register enthält die
Stammdaten des Patienten, die Risikofaktoren, den Stenosegrad, die präoperative Klinik, die
Daten zur Operation, die Komplikationen und die Ergebnisse der postoperativen Kontrollen. Die
Ergebnisse aus dieser Datenbank werden in regelmäßigen interdisziplinären Besprechungen
vorgestellt und diskutiert.
Zwischen Jänner 2005 und Dezember 2008 wurden insgesamt 412 Patienten (261 Männer und
151 Frauen) aufgrund einer extrakraniellen Carotisstenose operiert. Das Durchschnittsalter der
Patienten betrug 70 Jahre. Als Operationsmethode kam die Thrombendarteriektomie mit
Shunteinlage 168 Mal zur Anwendung, die Eversionsendarteriektomie 244 Mal. Die
Rekonstruktion nach TEA erfolgte meist mit einem Venenpatch, die direkte Naht wird zur
Vermeidung einer Restenose nicht durchgeführt.
Im asymptomatischen Stadium I befanden sich 240 Patienten, im symptomatischen Stadium II
nach einem passageren ischämischen Geschehen waren 79 Patienten, ein Stadium IV mit
stattgehabtem ipsilateralen Insult boten 93 Patienten.
Von den Ergebnissen sei vorerst das Jahr 2008 herausgegriffen. In diesem Jahr wurden 121
Patienten operiert, 71 im Stadium I, 23 im Stadium II und 27 im Stadium IV. Die Mortalität betrug
0 Prozent, ein Insult war zu verzeichnen, wobei es sich hier um einen Patienten im Stadium IV
nach erfolgreicher Lysetherapie handelte, der perioperativ einen hämorrhagischen Insult erlitt.
Daraus ergibt sich eine Komplikationsrate für Major-Komplikationen von 0.8 Prozent, ein Wert,
der deutlich unter der in den großen Studien geforderten maximalen Komplikationsrate liegt und
auch deutlich geringer ist als die Komplikationsrate nach interventioneller Behandlung der
Carotisstenose.
In den Jahren 2005 bis 2008 betrug die Majorkomplikationsrate für das Stadium I 1,66 Prozent,
für das Stadium II 3,79 Prozent und für das Stadium IV 3,22 Prozent. Die
Gesamtkomplikationsrate errechnet sich mit 2,42 Prozent und setzt sich aus einer Mortalität von
0,97 Prozent und einer major stroke Rate von 1,45 Prozent zusammen.
An Minorkomplikationen ergibt sich eine Rate von 4,6 Prozent für periphere Nervenläsionen, von
denen die meisten passager waren. Revisionspflichtige Nachblutungen taten in 4,8 Prozent der
Fälle auf.
In der postoperativen Kontrolle wurden keine Reststenosen gefunden. Im ersten Follow up nach
drei Monaten wurden insgesamt 10 Restenosen gefunden, die jedoch klinisch stumm waren und
die weiterhin regelmäßig kontrolliert werden. 2 dieser Patienten boten einen ipsilateralen
Carotisverschluss ohne jegliche Klinik. 3 Patienten benötigten aufgrund der Progredienz der
Stenose eine interventionelle Behandlung durch Stent PTA – 113, 529 und 724 Tage nach der
Operation.
An der Abteilung für Herz- Thorax- und Gefäßchirurgie am LKH Klagenfurt kann durch ein
interdisziplinär festgelegtes Vorgehen in der Behandlung der extrakraniellen Carotisstenose und
durch externe Evaluation des Prozesses ein deutlich besseres Outcome als in den großen
Studien erzielt werden. Somit ist durch die Ergebnisse der Chirurgie die Indikation für die
interventionelle Therapie der extrakraniellen Carotisstenose nach strengeren Maßstäben zu
stellen.
Zusammenfassung
Der Schlaganfall liegt auf Platz 3 der Todesursachenstatistik in Österreich. In etwa 25 Prozent
liegt die Ursache in einer Stenose der extrakraniellen A. carotis interna. In mehreren großen
Studien wurden der protektive Effekt der Endarteriektomie und die dadurch bedingte Senkung
des Insultrisikos belegt. Die Standarduntersuchung in der präoperativen Diagnostik ist die
farbcodierte Duplexsonographie, die die Graduierung einer Stenose anhand der
Strömungsverhältnisse erlaubt. Als Operationsmethoden stehen die TEA mit oder ohne
Shunteinlage und die EEA als gleichwertige Verfahren zur Verfügung. Intraoperativ wird mittels
Neuromonitoring durch EEG, transkranielle Dopplersonographie oder somatosensorisch
evozierte Potentiale die zerebrale Durchblutung und Sauerstoffversorgung überwacht.
Majorkomplikationen der Operation sind Tod oder ein Insult, wobei die Rate solcher
Komplikationen 3% nicht überschreiten darf, da ansonsten der Benefit durch die Operation für
den Patienten verloren geht. Die interventionelle Therapie bleibt aufgrund der höheren
Komplikationsrate und der mangelhaften Datenlage sowie der fehlenden Langzeitergebnisse
ausgewählten Indikationen vorbehalten und sollte nur im Rahmen von klinischen Studien
durchgeführt werden.
An der Abteilung für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am LKH Klagenfurt wurden seit 2005
mittlerweile mehr als 450 Patienten aufgrund einer extrakraniellen Carotisstenose operiert. Es
werden beide Operationsmethoden angeboten, für besondere Indikationen steht die Stent PTA
zur Verfügung. Das standardisierte Vorgehen der chirurgischen Therapie folgt einem
interdisziplinär festgelegten Pathway, die Ergebnisse werden regelmäßig präsentiert und von
allen beteiligten Fachdisziplinen diskutiert. Die ausgezeichneten Ergebnisse und eine
Komplikationsrate, die deutlich unter denen der großen internationalen Studien liegt, zeigt, dass
eine enge interdisziplinären Zusammenarbeit in Verbindung mit einem standardisierten, extern
evaluierten Vorgehen ein optimales Outcome für den Patienten bewirkt und das
Schlaganfallrisiko beziehungsweise die Inzidenz von zerebralen ischämischen Ereignissen
reduzieren kann.
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