Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte Société des Vétérinaires Suisses Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte Gesellschaft GesellschaftSchweizer SchweizerTierärztinnen Tierärztinnenund undTierärzte Tierärzte Società delle Veterinarie e dei Veterinari Société des Vétérinaires Suisses Svizzeri Société Sociétédes desVétérinaires VétérinairesSuisses Suisses Società delle Veterinarie e dei Veterinari Svizzeri Società Societàdelle delleVeterinarie Veterinariee edei deiVeterinari VeterinariSvizzeri Svizzeri Christiane ChristianeTureczek Tureczek | | Sarina SarinaKeller Keller(Hrsg.) (Hrsg.) Christiane Tureczek | Sarina Keller Christiane Tureczek | Sarina Keller (Hrsg.) Christiane Tureczek | Sarina Keller (Hrsg.) Handbuch Handbuch Handbuch Arbeitsrecht Arbeitsrecht für für Tierärztinnen Tierärztinnen Handbuch Arbeitsrecht für Tierärztinnen und und Tierärzte Tierärzte Arbeitsrecht für Arbeitsrecht für Tierärztinnen und Tierärzte Tierärztinnen und Tierärzte und Tierärzte 3 Die Autorin Christiane Tureczek, lic. iur. und NPO-/Verbandsmanagerin, ist seit rund 15 Jahren vorwiegend auf dem Gebiet des Arbeits- und Personalrechts tätig, so u.a. als Juristin und Mediatorin in einer Anwaltskanzlei, an einer kantonalen Schlichtungsstelle für Personalfragen, als Legal Counsel und Kommunikationsverantwortliche für ein grösseres Schweizer Wirtschaftsunternehmen und für die auf Arbeitsrecht im Gesundheits- und Sozialwesen spezialisierte kaps rechtsberatung ag. Sie arbeitet regelmässig als Lehrbeauftragte für verschiedene Schweizer Bildungsinstitute und bietet seit 1.1.2015 mit ihrer eigenen Unternehmung (www.aprm.ch) massgeschneiderte betriebliche Schulungen und Beratungen für KMU, Verbände und Institutionen an. Sarina Keller, MLaw, Rechtsanwältin. Juristische Studien an der Universität Freiburg i.Ue. und Bern 2003 – 2007, Anwaltsprüfung Kanton Bern 2011. Seit März 2011 bei der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST tätig. Sie ist Leiterin des Rechtsdienstes und stellvertretende Geschäftsführerin. Tätigkeitschwerpunkte: Arbeitsrecht, Vertragsrecht, Gesellschaftsrecht, Vereinsrecht, Gesundheitsrecht. © Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte, Bern. Alle Rechte vorbehalten. 1. Auflage, Mai 2015. Layout: Anita Estermann Design, 8487 Rämismühle, www.aedesign.ch Lektorat: Dr.iur. HSG Roberto Fornito, Rechtsanwalt, Bratschi, Wiederkehr & Buob AG, St. Gallen Herausgeberin: Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte Bestelladresse: Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte, www.gstsvs.ch ISBN: 978-3-033-04981-9 5 Inhaltsübersicht Vorwort I.Grundlagen II. Begriff und Entstehung des Arbeitsvertrages III. Abgrenzung zum «Freelancer» IV. Teilzeitarbeit, Aushilfsarbeit, Temporärarbeit, Beschäftigung von Praktikanten V. Treuepflicht des Arbeitnehmers VI. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers VII. Haftung der Tierärztin – als Arbeitgeberin, Arbeitnehmerin oder Beauftragte VIII. Arbeitszeit, Überstunden- und Überzeitarbeit IX. Höchstarbeits- und Ruhezeiten gemäss Arbeitsgesetz X. «Notfalldienst» – Bereitschaftsdienst, Pikettdienst oder Arbeit auf Abruf? XI. Ferien, Freizeit, unbezahlter Urlaub XII. Lohnhöhe, Lohnarten, Lohnbestandteile und Lohnzulagen XIII. Lohnfragen beim Stunden- und Tageslohn XIV. Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall, Schwangerschaft, Militärdienst XV. Fragen rund um Mutterschafts-, Kranken- und Unfallversicherung XVI. Gesetzliche Schutzvorschriften für Schwangere und Wöchnerinnen XVII. Tipps zur Austragung von arbeitsrechtlichen Konflikten XVIII. Beendigung des Arbeitsverhältnisses XIX.Konkurrenzverbot XX. Arbeitszeugnis und Referenzauskunft XXI. Fälligkeit und Verjährung arbeitsrechtlicher Ansprüche XXII. Übernahme einer Tierarztpraxis XXIII. Nachfolgeregelung bei Tod des Praxisinhabers Literaturverzeichnis Anhang: Arbeitshilfen 7 Inhaltsverzeichnis Vorwort13 I.Grundlagen 1. Verträge auf Arbeitsleistung – Rechtsnatur der erbrachten Leistung 2. Gegenüberstellung privat- und öffentlich-rechtliche Anstellung 3. Rechtsquellen des privatrechtlichen Arbeitsrechts 3.1 Verfassung, Staatsverträge, Gesetze und Verordnungen 3.2Vertrag 3.3Betriebsrecht 4. Hierarchie der Rechtsquellen 15 15 17 18 18 19 19 20 II. Begriff und Entstehung des Arbeitsvertrages 1. Begriffsnotwendige Elemente des Arbeitsvertrags 2. Entstehung des Arbeitsverhältnisses 21 22 23 III. Abgrenzung zum «Freelancer» 1. Das Freelancer-Modell 2. Selbständigkeit ja oder nein? 2.1 Persönliche Voraussetzungen 2.2 Finanzielle Voraussetzungen 2.3 Rechtliche Voraussetzungen 27 27 30 30 30 30 IV. Teilzeitarbeit, Aushilfsarbeit, Temporärarbeit, Beschäftigung von Praktikanten 1.Teilzeitarbeit 2. Arbeit auf Abruf 3.Aushilfs-/Gelegenheitsarbeit 4.Temporärarbeit 5. Praktika und Schnupperlehre 6. Arbeit auf Probe 33 33 34 35 35 36 37 V. Treuepflicht des Arbeitnehmers 1. Überblick über die Arbeitnehmerpflichten 2. Treuepflicht des Arbeitnehmers im engeren Sinn 3. Kategorien von Treuepflichtverletzungen 4. Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Stellenantritt 39 39 41 42 43 VI. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers 1. Überblick über die Arbeitgeberpflichten 2. Gesundheitsschutz und Schutz der Integrität des Arbeitnehmers 2.1Mobbing 2.2Stresshaftung 2.3Diskriminierungsverbot 2.4 Sexuelle Belästigung 2.5 Schutz vor Passivrauchen 45 45 46 46 47 47 47 48 8 VII. Haftung der Tierärztin – als Arbeitgeberin, als Arbeitnehmerin oder Beauftragte 1. Allgemeine Haftungsvoraussetzungen für vertragliche Haftung 1.1 Vorliegen einer Vertragsverletzung 1.2 Schaden 1.3 Adäquater Kausalzusammenhang 1.4 Verschulden 1.5Beweisregeln 2.Arbeitnehmerhaftung 2.1Haftungsmass 2.2 Verjährung und Verzicht 2.3 Rückgriff auf Dritte 2.4Rechtsfolgen 3.Arbeitgeberhaftung 3.1 Betriebs- und Wirtschaftsrisiko 3.2 Ausstellung eines falschen Zeugnisses 3.3 Betriebsübergang 3.4 Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten 3.5 Verletzung der Pflicht zum Abschluss einer Taggeldversicherung 3.6 Haftung gegenüber Hinterbliebenen 4. Haftung aus Auftrag 49 50 50 50 50 51 51 51 52 52 53 53 53 53 54 54 55 56 56 56 VIII. Arbeitszeit, Überstunden- und Überzeitarbeit 1.Arbeitszeit 2. Überstundenarbeit 3. Überzeit 59 59 61 62 IX. Höchstarbeits- und Ruhezeiten gemäss Arbeitsgesetz 1. Tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit 1.1 Wöchentliche Höchstarbeitszeit 1.2 Tägliche Höchstarbeitszeit 2. Ruhezeiten und Pausen 2.1Ruhezeiten 2.2Pausen 3. Sonntags- und Feiertagsarbeit 3.1Sonntagsarbeit 3.2 Feiertage und religiöse Feiern 4. Nachtarbeit (Art. 16 – 17e ArG, Art. 27 – 30 ArGV1) 5. Sondervorschriften für Tierarztpraxen, Tierkliniken, Zoologische Gärten, Tiergärten und Tierheime 6. Organisatorische Vorschriften 6.1Abgeltungsverbot 6.2 Mitwirkung der Arbeitnehmer bei der Planung 6.3 Dokumentation, Kontrolle und drohende Sanktionen 65 65 65 66 67 67 68 68 68 69 69 69 70 70 70 70 9 X. «Notfalldienst» – Bereitschaftsdienst, Pikettdienst oder Arbeit auf Abruf? 1. Begriffsklärung 2.Abgrenzung 3. Entschädigung 4. Arbeitsgesetzliche Vorschriften 4.1 Organisation und Planung des Pikettdienstes 4.2 Einhaltung der täglichen Ruhezeit (Art. 19 Abs. 3 ArGV 1) 4.3 Anrechnung an die Arbeitszeit (Art. 15 ArGV 1) 4.4 Verhältnis zu anderen Bestimmungen über die Arbeitszeit 4.5 Ausgleich von Pikettdiensten am Sonntag 4.6 Zusätzlicher Schutz für Arbeitnehmer mit Familienpflichten 4.7 Sonderschutz von Frauen − Mutterschaft 73 73 74 75 76 76 76 76 77 77 77 77 XI. Ferien, Freizeit, unbezahlter Urlaub 1. Ferien 1.1Ferienanspruch 1.2 Zeitpunkt des Ferienbezugs 1.3Ferienunfähigkeit 1.4 Ferienkürzung 1.5 Barabgeltung von Ferien 1.6 Ferienguthaben im Zeitpunkt des Todes eines Arbeitnehmers 2.Freizeit 3. Unbezahlter Urlaub 79 79 79 80 80 81 83 83 83 85 XII. XIII. Lohnhöhe, Lohnarten, Lohnbestandteile und Lohnzulagen 1.Lohnhöhe 2.Lohnarten 2.1Geldlohn 2.2Naturallohn 2.3Zeitlohn 2.4Leistungslohn 3. Lohnbestandteile und Lohnzulagen Lohnfragen beim Stunden- und Tageslohn 1. Lohnzahlung für ordentliche Freizeit 2. Lohnzahlung für ausserordentliche Freizeit 3. Lohnzahlung für Feiertage 4. Lohnzahlung während Ferien 87 87 88 88 88 88 88 89 91 92 92 93 93 XIV. Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall, Schwangerschaft, Militärdienst 1.Anspruchsvoraussetzungen 1.1 Vorliegen einer Arbeitsverhinderung 1.2 Subjektive Gründe 1.3 Schuldlosigkeit des Arbeitnehmers 1.4 Dauer von mindestens drei Monaten (Karenzfrist) 2. Dauer und Höhe der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht 2.1 Dauer der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht 2.2 Höhe der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht 95 96 96 96 97 98 98 98 100 10 3. Verhinderungsgründe im Einzelnen 3.1 Krankheit 3.2Unfall 3.3 Schwangerschaft 3.4 Erfüllung gesetzlicher Pflichten 3.5 Ausübung eines öffentlichen Amtes 4.Beweiserbringung 4.1 Arztzeugnis 4.2 Vertrauensärztliche Untersuchung 5. Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit 102 102 102 103 103 104 104 104 105 105 XV. Fragen rund um Mutterschafts-, Kranken- und Unfallversicherung 1. Gleichwertigkeit von vertraglichen Ersatzlösungen (324a Abs. 4 OR) 1.1 Gesamtheit der vereinbarten Leistungen 1.2Prämienbeteiligung 1.3Karenztage 2. Ausnahmeregelung des Art. 324b OR 2.1 Obligatorische Versicherungen 2.2Versicherungsvorbehalte 2.3 Nichterfüllen der Versicherungspflicht 3.Unfallversicherung 4.Mutterschaftsversicherung 4.1 Anspruchsberechtigung und Höhe der Mutterschafts­entschädigung 4.2 Aufschub des Bezugs der Mutterschaftsentschädigung 4.3Anspruchskonkurrenz 4.4 Mutterschaft durch Adoption 4.5Vaterschaftsurlaub 107 107 107 108 108 108 108 109 109 109 110 110 111 111 112 112 XVI. Gesetzliche Schutzvorschriften für Schwangere und Wöchner­innen 1. Besondere Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen und stillende Mütter 1.1 Höchstarbeitszeit und Ruhezeitvorschriften 1.2 Verbot der Abend- und Nachtarbeit 1.3Beschäftigungsverbot 2. Gesundheitsschutz gemäss ArGV1 2.1 Risikobeurteilung gefährlicher und beschwerlicher Arbeiten 2.2 Gleichwertige Ersatzarbeiten und Einverständnis 2.3Stillzeiten 3. Schutz vor Gesetzesumgehung 3.1 Ausländische Arbeitnehmerinnen 3.2Aufhebungsvereinbarung 113 114 114 115 115 115 116 117 117 118 118 119 XVII. Tipps zur Austragung von arbeitsrechtlichen Konflikten 1.Konfliktprävention 1.1Unternehmenskultur 1.2 Zielsetzung und Planung 1.3 Organisation der Zusammenarbeit 1.4 Regelmässige Schulungen 1.5Konflikt-/Kommunikationskonzept 121 122 122 123 123 124 125 11 2. Konfliktmanagement 2.1 Konfliktanalyse 2.2 Das Harvard-Konzept 2.3Gesprächskultur 2.4 Vertiefte Abklärungen und Beizug von Fachpersonen 3. Konsequentes Vorgehen 3.1Verwarnung/Abmahnung 3.2 Zieldefinition und Bewährungsfrist 3.3 Beweissicherung 3.4 Bereinigung des Personaldossiers 125 125 126 127 129 129 129 130 130 130 XVIII. Beendigung des Arbeits­verhältnisses 1. Durch Zeitablauf 2. Durch Kündigung 2.1 Ordentliche Kündigung 2.2 Ausserordentliche Kündigung 2.3 Allgemeine Vorschriften für eine gültige Kündigung 2.4 Rechtsfolgen der Kündigung 2.5Kündigungsschutz 3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Aufhebungs­vertrag 131 131 132 133 133 135 136 136 141 XIX.Konkurrenzverbot 1. Gültigkeitsvoraussetzungen 1.1 Formale Voraussetzungen 1.2 Inhaltliche Voraussetzungen 2. Sonderstatus freie Berufe 3. Rechtsfolgen einer Konkurrenzverbotsverletzung 145 145 145 146 149 151 XX. Arbeitszeugnis und Referenz­auskunft 1.Arbeitszeugnis 1.1 Arten von Arbeitszeugnissen 1.2Arbeitsbestätigung 1.3 Anforderungen an ein Vollzeugnis 1.4 Internationale Arbeitszeugnisse im Vergleich 1.5 Haftung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen 2.Referenzauskunft 153 153 153 154 154 158 159 159 XXI. Fälligkeit und Verjährung arbeitsrechtlicher Ansprüche 1.Fälligkeit 2.Verjährung 161 161 161 XXII. Übernahme einer Tierarztpraxis 1. Übernahme Betrieb oder Betriebsteil 2. Übernahme Personaldossiers 163 163 165 XXIII. Nachfolgeregelung bei Tod des Praxisinhabers 167 Literaturverzeichnis169 Anhang: Arbeitshilfen 171 13 Vorwort Weshalb braucht es ein Handbuch Arbeitsrecht für Tierärztinnen? Bleibt das Arbeitsrecht nicht immer dasselbe, unabhängig von der Branche? Solche oder ähnliche Fragen werden Sie sich vielleicht stellen angesichts der Fülle von arbeitsrechtlicher Literatur auf dem Büchermarkt. Die Antwort lautet: «Ja und nein!» Denn nebst der für alle in einem Arbeitsverhältnis stehenden Personen grundsätzlich mehr oder weniger gleich geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen gibt es branchenspezifische Bestimmungen, die sich verstreut in den einzelnen Bundes-, Kantons- und Gemeindeerlassen finden, und gewisse Aspekte des Arbeitsrechts betonen, mildern oder gar ausser Kraft setzen. Zudem kann dieselbe arbeitsrechtliche Norm je nach Branche mehr oder weniger wichtig sein. Während etwa die Geheimhaltungspflicht für einen Gärtner praktisch keine Rolle spielen dürfte, sind pharmazeutische Unternehmungen sehr auf die Verschwiegenheit ihrer Mitarbeiter angewiesen. Ein geordneter Überblick über diese für eine Branche bestimmenden arbeitsrecht­lichen Regelungen1 und ihre Umsetzung in der Praxis erleichtert Ihren Alltag als Arbeitgeber ebenso wie als Arbeitnehmer – und dies ist eines der erklärten Ziele des vorliegenden Handbuchs Arbeitsrecht für Tierärztinnen. Arbeitsrechtliche Bestimmungen und Gerichtsentscheide lassen sich zudem unterschiedlich interpretieren, je nachdem, ob ein Sachverhalt von der Warte des Arbeitnehmers oder derjenigen des Arbeitgebers aus betrachtet wird. Entsprechen müssen andere Vorkehrungen z.B. im Hinblick auf eine Kündigung getroffen werden. Als Tierärztin finden Sie sich während Ihrer Laufbahn mit grosser Wahrscheinlichkeit in beiden Rollen wieder – derjenigen des Arbeitnehmers ebenso wie derjenigen des Arbeitgebers. Hier will Ihnen das vorliegende Handbuch Empfehlungen abgeben, Kontaktadressen nennen und wichtiger Ratgeber sowohl in Ihrer Rolle als Arbeitgeberin als auch als Arbeitnehmerin sein. Dabei soll Ihnen das vorliegende Handbuch eine Arbeitshilfe für alle Fragen rund um Ihre privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse sein – mit besonderem Focus auf diejenigen Fragestellungen, die Sie als (angehende oder bereits praktizierende) Tierärztinnen antreffen werden. Zudem finden sich Tierärztinnen und Tierärzte sowohl in privat-rechtlichen als auch in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen. Vor Beurteilung eines arbeitsrecht­ lichen Sachverhaltes muss jeweils unterschieden werden, welcher Natur das entsprechende Arbeitsverhältnis ist. Davon hängt ab, welche Rechtsgrundlagen zur Anwendung kommen, welchen Verfahren das Arbeitsverhältnis im Streitfall unterliegt und mit welchen Mitteln den arbeitsrechtlichen Ansprüchen zur Durchsetzung verholfen werden kann2. Das vorliegende Handbuch Arbeitsrecht für Tierärztinnen beschränkt sich auf die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse, da eine Mehrzahl von Tierärztinnen in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen tätig ist und insbesondere die Angestellten von Tierärztinnen mit eigener Praxis in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen stehen. Um eine einheitliche Sprachregelung zu gewährleisten, wird im gesamten Handbuch die weibliche Form verwendet. Es versteht sich von selbst, dass damit jeweils auch der Tierarzt mit eingeschlossen ist. Angesichts der Tatsache, dass heute ca. 85 % der Absolventinnen und Absolventen der VetSuisse Universität Frauen sind, erscheint diese sprachliche Regelung als die praxisnahe Lösung. Zum Ausgleich wird in der Regel vom Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer in der männlichen Form gesprochen, womit selbstverständlich jeweils die weibliche Arbeitgeberin bzw. Arbeitnehmerin mit gemeint sind. 1 Vgl. Anhang 6, Gesetzliche Rahmenbedingungen für den berufstätigen Tierarzt, Merkblatt GST. 2 Vgl. Übersicht im Kasten, zusammengestellt anhand Streiff/von Kaenel/Rudolph, S. 7 ff., Kapitel II.2. 15 I. Grundlagen Einleitende Fragen • Da die Auszahlung der Überstunden zunehmend Ihr Budget sprengt, überlegen Sie sich, in den Arbeitsverträgen Ihrer Mitarbeiter ganz auf die Abgel­tung von Überstunden zu verzichten. •Ihre Chefin teilt Sie nun schon zum dritten Mal in Folge an einem Wochenende zur Arbeit ein. Das empfinden Sie als ungerecht. •Sie streben ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Team an. Da Tierärzte auf dem Arbeitsmarkt weniger stark vertreten sind, überlegen Sie sich, Tierärzte mit einem höheren Lohn zu entschädigen als Tierärztinnen. Ist dies zulässig? • Wie gehen Sie vor, um Antworten auf diese und ähnliche Fragen zum Arbeitsrecht zu erhalten? Wo finden Sie diese? 1. Verträge auf Arbeitsleistung – Rechtsnatur der erbrachten Leistung Im Arbeitsverhältnis wird eine Arbeitsleistung im Austausch gegen Lohn erbracht. Dabei besteht ein besonderes Treue- und Fürsorgeverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, welches auf einen dauerhaften Austausch zwischen den Vertragsbeteiligten ausgelegt ist3. Das Arbeitsrecht betrifft nur die Beziehung zwischen Tierärztin und ihren Angestellten in der Praxis (tiermedizinische Praxisassistentin, Ferienvertretung, Praktikantin, angestellte Tierärztin usw.) sowie das Verhältnis der Tierärztin als Angestellte eines privat-rechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Betriebs zu ihrer Arbeitgeberin. 3 Siehe detailliert hierzu Kapitel V und VI. 16 Tierärztliche Tätigkeiten • Berufsmässig, d.h. regelmässig und gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeiten der klinischen Untersuchung eines Tieres, der Diagnostik und Prognostik, Fest­legen von Behandlung und Prophylaxe. • Durchführen von Untersuchungen und deren Beurteilung im Zusammenhang mit Lebens­ mitten tierischer Herkunft, Erstellen von Labordiagnosen tierischer Krankheiten oder Durchführung amtlicher Untersuchungen betreffend Tier­gesundheit oder Qualität tierischer Produkte. • Ausstellen von amtlichen Dokumenten im Zusammenhang mit der Tiergesundheit. Quelle: Merkblatt GST www.gstsvs.ch Hinweis Als Inhaber einer Tierarztpraxis stehen Sie in vielfältigen arbeitsbezogenen Vertragsverhältnissen: • Auftrag bei Standardbehandlung der Tiere. • Werkvertrag, wo ein Erfolg geschuldet ist (z.B. Kastration) • Einzelarbeitsvertrag für Ihre TPA • Lehrvertrag, sofern Sie einen Lernender beschäftigen • ein «Freelancer» betreut Ihre Praxis vielleicht während längerer Abwesenheit • der Pharmavertreter sucht sie als Handelsreisender seines Unternehmens auf und • Stellenbewerber arbeiten vielleicht einen Tag «auf Probe», bevor Sie sie anstellen Um Ihre unterschiedlichen Rechte und Pflichten zu kennen, ist es wichtig, zu wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage Sie sich jeweils begegnen. Zwar besteht die typische Leistung einer Tierärztin in der Leistung von Arbeit am behandelnden Tier für den Tierhalter. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Arbeitsvertrag i.S.v. Art. 319 ff. OR, da die dauerhafte Bindung i.d.R. ebenso fehlt wie die einem Arbeitsverhältnis innewohnende Eingliederung in eine fremde Organisationsstruktur. In aller Regel kommt im Verhältnis Tierärztin – Tierhalter Auftragsrecht gemäss Art. 393 ff. OR zur Anwendung. Dabei wird jeweils zwar ebenfalls Arbeit gegen Bezahlung geleistet, es liegt jedoch keine Unterordnung des Beauftragten gegenüber dem Auftraggeber (dem Tierhalter) vor, wie dies für das Arbeitsverhältnis charakteristisch ist. Bei gewissen tiermedizinischen Behandlungen wie Kastrationen, Röntgenaufnahmen, Enthornungen und – soweit zulässig – Kupierungen, ist ein eigentlicher Arbeitserfolg4 geschuldet. Hier handelt es sich rechtlich um einen Werkvertrag i.S.v. Art. 363 ff. OR. 4 Vgl. Merkblatt «Finanzielle Folgen einer missglückten Behandlung – Sonderfall Werkleistung» der VSGT/VSVS, 2006. 17 2. Gegenüberstellung privat- und öffentlich-rechtliche Anstellung Der Beruf der Tierärztin ist sowohl in privaten als auch in öffentlich-rechtlich organisierten Betrieben vertreten. Tierärztinnen befinden sich daher sowohl in privatrechtlicher als auch in öffentlich-rechtlicher Anstellung. Die von privaten Rechtsträgern geführte Pferdeklinik, das private Labor oder die Neurologiepraxis für Kleintiere sind in der Regel privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Die Amts- oder Kantonstierärztin, die Armeetierärztin sowie die Professorinnen und Professoren an der Vetsuisse Universität, welche von öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern geführt werden, unterstehen hingegen in aller Regel den öffentlich-rechtlichen Personalgesetzen. Die Unterscheidung zwischen privat- bzw. öffentlich-rechtlicher Anstellung ist entscheidend, da sie zahlreiche Unterschiede betreffend Rechtsgrundlagen, Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses, Durchsetzung der arbeitsrechtlichen Ansprüche im Streitfall sowie bezüglich des Verfahrens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sich bringt. Diese Unterscheidung wird in der Praxis allzu häufig übersehen und kann zu schmerzhaften Fehleinschätzungen der eigenen Rechte und Pflichten führen. Entscheidende Kriterien für die Bestimmung der Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses sind dabei, ob ein solches durch Vertrag oder Verfügung begründet wird, ob es sich vorwiegend nach den im Obligationenrecht verankerten Bestimmungen gestaltet oder ob dafür kantonale, kommunale oder sonstige Personalordnungen bestehen, auf welchem Weg den arbeitsrechtlichen Ansprüchen Geltung verschafft werden kann und ob zusätzliche Kündigungsbeschränkungen bestehen oder nicht. Öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse bestehen dort, wo ein Arbeitsverhältnis mittels Verfügung begründet wird, wo sich das Arbeitsverhältnis nicht auf das OR, sondern auf öffentlich-rechtliche Normen abstützt und der Arbeitgeber eine öffentlich-rechtliche Person ist. Dies können z.B. Universitäten, Spitäler, Ämter usw. sein. Bei öffentlich-rechtlicher Anstellung5 durch Bund, Kantone und Gemeinden sowie durch andere öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten, wie sie teilweise Spitäler, Universitäten, Kirchen usw. darstellen, gelten spezielle durch die betreffende Institution erlassene Anstellungsordnungen (z.B. Personalgesetze und Verordnungen). Diese sehen allerdings häufig Verweise auf das OR vor oder aber das OR wird zur Lückenfüllung herangezogen. Öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse werden in der Regel durch einseitige Verfügung oder durch öffentlich-rechtlichen Arbeitsvertrag begründet. Sie unterliegen dank strengen Verfahrensregeln und zwingenden verwaltungsrechtlichen Grundsätzen (Verhältnismässigkeit, Gleich­behandlungsgebot, Anspruch auf rechtliches Gehör usw.) einem stärker ausgeprägten (Kündigungs-)Schutz. Gleichzeitig besteht für öffentlich-rechtlich Beschäftigte eine besonders ausgeprägte Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber, gewisse Einschränkungen betreffend Meinungsäusserungsfreiheit, eine Pflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses und teilweise immer noch eine Wohnsitzpflicht. 5 Zu beachten ist, dass auch öffentlich-rechtliche Verwaltungen und Anstalten ihre Arbeitnehmer privatrechtlich anstellen können. Soweit das Arbeitsverhältnis öffentlich-rechtlich geregelt wird, geht dieses dem Obligationenrecht gemäss Art. 342 Abs. 1 lit. a OR vor, vgl. H.U. Schürer, Arbeit und Recht, S. 42. 18 Rechts­ grundlage Begründet mittels Rechtsweg Verfahren Rechtsfolge Formelle Kündigungsbeschränkungen ja/nein Tierärztin als Öffentlichrechtliches Arbeits­ verhältnis öffentlichrechtliche Personal­gesetze und Personalverordnungen Verfügung oder öffentlichrechtlichem Arbeitsvertrag Staatliche Zwangs­andlung, Verfahren vor Verwal­tungsoder Polizeiorganen, Bussen oder Betriebsschliessungen Ja, Anspruch auf vorgängige Anhörung (rechtliches Gehör), Bewähr­ung, evtl. Anspruch auf interne Versetzung Amtstierärztin, Kantons­ tierärztin, Armeetierarzt, Universitäts­ professorin Privatrechtliches Arbeits­ verhältnis Art. 319 ff. OR, ArG, UVG, Berufsbildungsgesetz usw. Privatrecht­ lichem Vertrag, Personal­ reglement Klage oder Anzeige, Verfahren vor Schlichtungs­ behörden bzw. Zivilgericht, Vergleich oder Urteil Im Grundsatz nein, nur inhaltliche Kündi­ gungs­beschränk­ ungen, wie zeitliche bzw. sachliche Missbräuchlichkeit Praxisinhaberin, Angestellte einer privaten Praxis, eines privaten Reitstalls, eines privaten Labors Der öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz eines Amtstierarztes im Teilzeitpensum6 ist ein völlig anderer als derjenige einer privatrechtlich angestellten Pharmavertreterin für pharmazeutische Produkte im Veterinärbereich. Doch selbst für die allesamt in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehende tiermedizinische Praxis­assistentin, den Studenten im Praktikum des 5. Studienjahres, die Schülerinnen, die jeweils in den Sommerferien beim Hundespazierenführen aushelfen oder die Fachtierärztin in der eigenen Praxis gelten sehr unterschiedliche Regelungen, z.B. betreffend Höchstarbeitszeiten, Ferienansprüche, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw., da sie sich z.T. aus unterschiedlichen Rechtsquellen des Privatrechts nähren. 3. Rechtsquellen des privatrechtlichen Arbeitsrechts In privaten Betrieben sind für die Regelung der Arbeitsverhältnisse folgende drei Typen von Rechtsquellen wichtig7: 3.1 Verfassung, Staatsverträge, Gesetze und Verordnungen Hierunter fallen der Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung (Art. 8 Abs. 3 BV), diverse Bundesgesetze wie der Arbeitsvertrag in Art. 319 ff. OR, das Arbeitsgesetz, bundesrechtliche Vorschriften zum Datenschutz, zu Gleichstellung, Mitwirkung, Zivil­dienst und Arbeitsvermittlung, Berufsbildung, Kinderzulagen usw. sowie zu den Sozialversicherungen und der Personalvorsorge inklusive die jeweiligen Verordnungen. Ergänzend gelten auch kantonale und kommunale Gesetze, so z.B. zu Feiertagen und Ladenöffnungszeiten. Für Arbeitsverhältnisse mit ausländischen Staatsangehörigen sind das Ausländergesetz, das Entsendegesetz, das Bundesgesetz über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit, BGSA) zu beachten sowie das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU inklusive flankierende Massnahmen8. 6 Siehe Berufsbilder Tierärztin gemäss Broschüre auf www.beruf-tierarzt.ch. 7 H.U. Schürer, Arbeit und Recht, S. 19 f. 8 Das Anerkennungssystem der EU, an dem die Schweiz gestützt auf Anhang III des FZA teilnimmt, gilt für sogenannt reglementierte Berufe, die aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften nur mit einer bestimmten Berufsqualifikation im Aufnahmestaat ausgeübt werden dürfen. Für sieben reglementierte Berufe (Ärzte, Zahnärzte, Tierärztinnen, Apotheker, Pflegepersonal in allgemeiner Pflege, Hebammen und Architekten) gilt grundsätzlich die automatische Anerkennung ohne Prüfung der Ausbildungsinhalte, da die Ausbildungsanforderungen in der EU harmonisiert wurden (vgl. Merkblatt «Personenfreizügigkeit des EDA von Dezember 2014, www.eda.admin.ch). 19 3.2Vertrag Hier sind der Einzelarbeitsvertrag, allfällige Gesamtarbeitsverträge 9 (Art. 356 ff. OR) und Normalarbeitsverträge (Art. 359 ff. OR) zu beachten. Der Gesamtarbeitsvertrag bildet Teil des kollektiven Arbeitsrechts, welches als «dritte Säule des Arbeitsrechts neben dem privaten Arbeitsvertragsrecht und dem öffentlichen Arbeitsschutzrecht»10 gilt. Zum kollektiven Arbeitsrecht werden insbesondere das Recht der Gesamtarbeitsverträge sowie das Recht der Kollektivstreitigkeiten (Streik, Aussperrung, Konflikterledigungsverfahren) gezählt. Der Gesamtarbeitsvertrag ist ein schriftlich zwischen den Arbeitnehmerverbänden einerseits und den Arbeitgeberverbänden andererseits abgeschlossener Vertrag, der den beidseitigen Interessen Rechnung tragen soll, gewisse Mindeststandards für die Arbeitsverhältnisse der beteiligten Betriebe garantiert und gleichzeitig die Verfahren bei Unstimmigkeiten regelt. Auf Antrag aller beteiligten Vertragsparteien kann der Gesamtarbeitsvertrag durch die zuständigen Instanzen für allgemeinverbindlich erklärt werden11, womit sein Geltungsbereich auf alle Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweigs oder Berufs ausgedehnt wird. Hier ist zu beachten, dass zahlreiche Gesamtarbeitsverträge lediglich auf kantonaler Ebene gelten12. Beim Normalarbeitsvertrag hingegen handelt es sich nicht eigentlich um einen Vertrag, sondern um einen behördlichen Erlass13, der Schutzbestimmungen über den Abschluss, Inhalt und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen vorsieht, soweit für eine Branche nichts anderes verabredet wurde. Aktuell bestehen Normalarbeitsverträge v.a. für Hausangestellte, für Angestellte von Callcenters, in der Kosmetikbranche und im Baunebengewerbe14. In diesem Handbuch wird primär der Einzelarbeitsvertrag nach Art. 319 ff. OR erörtert. 3.3Betriebsrecht Zum Betriebsrecht sind Personalreglemente sowie weitere Reglemente zu zählen, welche ausdrücklich zum «integrierten Bestandteil» eines Arbeitsvertrages erklärt wurden. Sie finden sich als Anhang zum Einzelarbeitsvertrag oder werden auf der Intranet Seite des Betriebs veröffentlicht. Auch die betriebliche Usanz, d.h. die regelmässige Handhabung während einer gewissen Zeit, kann Rechtsansprüche begründen (z.B. die wiederholt ausbezahlte Gratifikation, ohne dass ein Vorbehalt angebracht wurde). 9 Zu den Gesamtarbeitsverträgen, die für einen Tierärztin – sei es als Arbeitgeberin, sei es als Arbeitnehmerin – relevant werden können, gehören z.B. die «Anstellungsbedingungen für tiermedizinische Praxisassistenten und Assistenzärzte», welche von der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte vorgeschlagen werden, der GAV Zoo Zürich, der GAV Wildnispark Zürich usw. Einen aktuellen, nach Branchen geordneten Überblick über die vom Bundesrat für allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge sowie einen Überblick über kantonale GAV, nach Kantonen geordnet, erhalten Sie unter www.gav-service.ch. 10 H.U. Schürer, Arbeit und Recht, S. 33. 11 Vgl. Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Gesamtarbeitsverträgen vom 26.9.1956. 12 Vgl. GAV Zoo Zürich, GAV Wildnispark Zürich usw., zu finden unter: https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Personenfreizugigkeit_Arbeitsbeziehungen/Gesamtarbeitsvertraege_Normalarbeitsvertraege/ Gesamtarbeitsvertraege_Bund/Allgemeinverbindlich_erklaerte_Gesamtarbeitsvertraege.html. 13 H.U. Schürer, Arbeit und Recht, S. 38. 14 Siehe:https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Personenfreizugigkeit_Arbeitsbeziehungen/normalarbeitsvertraege/Normalarbeitsvertraege_Bund.html. 20 4. Hierarchie der Rechtsquellen Wirft ein Arbeitsverhältnis Fragen auf, muss vor Beurteilung des arbeitsrechtlichen Sachverhalts und der Anspruchsberechtigung auch die Hierarchie der Rechtsquellen geklärt werden, damit bei Widersprüchen zwischen den verschiedenen arbeitsrechtlichen Grundlagen klar wird, welche Bestimmungen Vorrang haben und welche unbeachtet bleiben sollen. Hierbei gelten die folgenden Grundsätze15: 1. Absolut zwingende Gesetzesnormen gehen allen anderen Rechtsquellen vor; von Ihnen darf überhaupt nicht abgewichen werden. Absolut zwingende Rechtsnormen werden in Art. 361 OR aufgeführt. Sie finden sich jedoch auch in anderen Erlassen, z.B. das Lohngleichheitsgebot für Mann und Frau in der Bundesverfassung sowie die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes16. 2.Kommen verschiedene, zwingende Mindestregelungen in Frage, so gilt nach dem Günstigkeitsprinzip die für den Arbeitnehmer günstigste Regelung (vgl. Art. 357 Abs. 2 OR). Ohnehin darf von den in Art. 362 OR genannten relativ zwingenden Bestimmungen nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. 3.Liegen keine zwingenden Mindestregelungen vor, weder im Gesetz noch im Gesamtarbeitsvertrag, so gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Es gilt also, was die Parteien vertraglich vereinbart haben. 4.Fehlen auch vertragliche Vereinbarungen, so kommen die dispositiven Gesetzesbestimmungen zur Anwendung, also solche Normen, die keinen zwingenden Charakter haben. Diese dürfen in den Schranken des gesetzlichen Wortlautes beliebig abgeändert werden. Fazit Vor der inhaltlichen Beantwortung einer arbeitsrechtlichen Frage ist immer zuerst zu klären, ob es sich um ein privat- oder ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis handelt. Die Antwort folgt der Organisationsstruktur des Arbeitgebers. Einen ersten Hinweis vermag die Bezeichnung als «Vertrag» bzw. «Verfügung» zu geben, ebenso ein allfälliger Verweis auf die Rechtsgrundlagen (OR oder Personalgesetz/-verordnung). In einem zweiten Schritt ist zu klären, welche konkreten Rechtsgrundlagen Auskunft zur aufgeworfenen Fragestellung geben könnten und in welcher Hierarchie diese zu einander stehen. Erst in einem dritten Schritt kann nach inhaltlichen Antworten zur aufgeworfenen Frage gesucht werden. 15 H.U. Schürer, Arbeit und Recht, S. 39 ff. 16 H.U. Schürer, Arbeit und Recht, S. 39. 21 II. Begriff und Entstehung des Arbeitsvertrages Einleitender Fall Die 16-jährige Schülerin Andrea Z. hielt sich seit ca. zwei Jahren in ihrer Freizeit, insbesondere an Mittwoch- und Samstagnachmittagen sowie an Sonntagen und während der Schul­ ferien, regelmässig im privaten Reitstall des Fritz K. auf, wo sie verschiedenste Stallarbeiten verrichtete und auch Gelegenheit zum Reiten erhielt. An einem Samstagnachmittag wollte sie das für die Teilnahme an einer Springkonkurrenz vorgesehene Pferd «Abgar» in den Transportanhänger führen. Dabei wurde sie in den rechten Unterarm gebissen und zog sich schwere Verletzungen zu, welche in der Folge mehrere Operationen erforderlich machten. Umstritten war, ob Andrea Z. als «Arbeitnehmerin» i.S.d. Unfallversicherungsgesetzes zu gelten hatte und in der Folge, wer für die Unfallkosten aufzukommen habe. Bei solchen und ähnlichen Sachverhalten zeigt sich, dass die Frage, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis i.S.v. Art. 319 ff. OR handelt und ob dieses gültig zustande gekommen ist, in der Praxis sehr weittragende rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann. Das Obligationenrecht definiert nebst dem eigentlichen Arbeitsvertrag nach Art. 319 ff. OR nämlich noch einige weitere Vertragsarten, in welchen Arbeit gegen Geld verrichtet wird. Aber nur für den allgemeinen Arbeitsvertrag nach Art. 319 ff. OR und die besonderen Arbeitsverträge wie den Lehrvertrag (Art. 344 ff. OR), den Handelsreisendenvertrag17 (Art. 347 ff. OR) und den Heimarbeitsvertrag (Art. 351 ff.) sieht das Gesetz sozialrechtliche Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer vor wie Kündigungsfristen, Kündigungsschutz, Ferienansprüche, Lohnzahlung bei Krankheit und Unfall, Sondergerichte und eigene Verfahrensnormen vor. Die Besonderheit des Lehrvertrages besteht im Wesentlichen darin, dass nebst dem Austausch von Arbeit gegen Lohn zusätzlich ein Ausbildungsziel erreicht werden soll. Der Arbeitgeber schuldet dem Lernenden entsprechend dieser Zielsetzung eine erhöhte Fürsorge und der Lernende dem Arbeitgeber eine erhöhte Treuepflicht. Die Kündigungsmöglichkeiten sind eingeschränkt und es ist eine enge Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten, Berufsschule sowie dem Berufsbildungsamt notwendig (vgl. Art. 344 ff. OR). Auch das Lehrabschlusszeugnis unterliegt besonderen Vorschriften (Art. 346a OR). Der Lehrvertrag endet automatisch mit Erreichen des Ausbildungsziels. Es handelt sich dabei also um einen befristeten Arbeitsvertrag. Als weitere Verträge auf Arbeitsleistung kommt der Auftrag (Art. 394 ff. OR), der Werk­ vertrag (Art. 363 ff. OR), die einfache Gesellschaft (Art. 530 ff.), oder der Arbeitsversuch nach Art. 18 IVG in Frage. Zudem entwickelt die Praxis stetig neue Formen der Zusammenarbeit, die sich nicht mehr gesamthaft einem dieser gesetzlich definierten Vertragstypen zuordnen lassen, sondern Elemente unterschiedlicher Typen in sich vereinen. Man spricht von «gemischten Verträge» oder «Innominatkontrakten». Zu denken ist hier etwa an den Freelancer-Vertrag, die 17 Nach heutigem Sprachgebrauch wird der Handelsreisende als Aussendienstmitarbeiter bezeichnet. 22 Arbeit auf Probe, die Arbeit auf Abruf, die Schnupperlehre, die Scheinselbständigkeit18 usw. Bei diesen Verträgen greift der Arbeitnehmerschutz nur, wo die Abhängigkeit der mit der Arbeitsleistung betrauten Person von der die Arbeit anbietenden Person derart intensiv ist, dass sich die Anwendung der arbeitsrechtlichen Schutznormen rechtfertigt19. Als Inhaberin einer Tierarztpraxis leben Sie vielseitige Vertragsbeziehungen, die auf Arbeitsleistung ausgerichtet sind (siehe untenstehender Kasten). Da aus jedem dieser unterschiedlichen Vertragsverhältnisse für Sie und Ihr Gegenüber unterschiedliche Rechte und Pflichten erwachsen, lohnt es sich zu wissen, welche rechtlichen Grundlagen jeweils auf das einzelne Vertragsverhältnis anzuwenden sind und sich mit Begriff und Entstehung des Arbeitsvertrages näher auseinanderzusetzen. 1. Begriffsnotwendige Elemente des Arbeitsvertrags Art. 319 OR I.Begriff Durch den Einzelarbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Leis- 1 tung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung eines Lohnes, der nach Zeitabschnitten (Zeitlohn) oder nach der geleisteten Arbeit (Akkordlohn) bemessen wird. Als Einzelarbeitsvertrag gilt auch der Vertrag, durch den sich ein Arbeitnehmer zur regelmässigen Leistung von 2 stunden-, halbtage- oder tageweiser Arbeit (Teilzeitarbeit) im Dienst des Arbeit­gebers verpflichtet. Damit ein Vertrag auf Arbeitsleistung als Arbeitsvertrag im Sinne von Art. 319 ff. OR gilt, müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein: 1.Das zur Verfügung stellen von Arbeitszeit. Geschuldet ist Arbeitsleistung, nicht aber zwingend auch ein Arbeitsergebnis; dadurch grenzt sich der Arbeitsvertrag vom Werkvertrag ab. Es muss nicht zwingend eine aktive Betätigung vorliegen, damit ein Arbeitsvertrag angenommen werden kann. Auch der Bereitschaftsdienst im Spital oder das Überwachen von Geräten stellen Arbeitsleistungen dar20. 2.Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation. Sie bringt ein umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer mit sich und schafft ein Abhängigkeitsverhältnis in persönlicher, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Es besteht somit ein eigentliches Unterordnungsverhältnis («Subordinationsverhältnis»). Entscheidend ist, wie frei der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Gestaltung seines Arbeitsablaufes (Beginn und Ende des Arbeitseinsatzes, Art und Weise der Verrichtung, Wahl des Arbeitsorts, Zusammen­ arbeit mit anderen Arbeitnehmern, Verwendung der Arbeitsmittel und -instrumente usw.) ist. Für die Beurteilung als Arbeitsverhältnis ist es relevant, ob der Arbeitgeber eine Weisungsund Kontrollbefugnis hat. Durch dieses Kriterium unterscheidet sich der Arbeitsvertrag wesentlich vom Auftrag, da der Auftragnehmer in der Gestaltung seiner Arbeitszeit und in der Art der Ausführung grundsätzlich frei ist. Zudem kann der Auftragnehmer für verschiedene Auftraggeber tätig sein und ist daher vom einzelnen Auftraggeber in erheblich geringerem Mass abhängig als der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber. 18 Vgl. hierzu Kapitel III. In Frage kommen hier Alleinvertriebs-, Franchise- und Factoringverträge, Hauswarts- und Immobilienverwaltungsverträge, Lastwagen und Taxichauffeure, Heimarbeiter, Unterakkordanten und Projektleiter, Geranten, EDV-Fachleute, Büchersachverständige, Journalisten als «freie Mitarbeiter» und Buchautoren sowie Künstler. Sie alle verrichten eine persönlich geschuldete Arbeitsleistung in wirtschaftlicher Abhängigkeit, dennoch handelt es sich dabei nicht um ein Arbeitsverhältnis, vgl. Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 319, N 2. 19 Vgl. BGE 4A_553/2008 vom 9.2.2009 E. 5. 20 Vgl. BGE 124 III 249 E. 3 «Unter Arbeit ist jede auf die Befriedigung eines Bedürfnisses gerichtete planmässige Verrichtung eines Menschen zu verstehen (REHBINDER, a.a.O., N 1 zu Art. 319; STAEHELIN, a.a.O., N 5 zu Art. 319 OR). Dabei muss es sich nicht unbedingt um ein tätig sein handeln. Auch die blosse Arbeitsbereitschaft dient der Bedürfnisbefriedigung des Arbeit­gebers, dies selbst dann, wenn die Präsenzzeit ausserhalb des Betriebs geleistet wird. Ebenso zu bejahen ist, dass ein solcher Bereitschaftsdienst nur gegen Lohn zu erwarten ist (Art. 320 Abs. 2 OR), denn der Arbeitnehmer leistet ihn nicht uneigennützig, sondern im Hinblick auf die (entgeltliche) Hauptleistung.» 23 Die Arbeitsleistung wird gegen Lohn erbracht. Aus der Arbeitsleistung erwächst dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entgelt für die geleistete Arbeit. Dadurch unterscheidet sich der Arbeitsvertrag von unentgeltlichen Arbeitseinsätzen wie Schnupper­lehre, Freiwilligenarbeit, Volontariat, oder reinen Gefälligkeitshandlungen. Werden lediglich die Spesen ersetzt, ist ebenfalls von Unentgeltlichkeit auszugehen. Die Arbeit wird im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages21 erbracht. Beim Arbeitsverhältnis handelt sich um ein privatrechtliches Dauerschuldverhältnis. Dabei schafft das Arbeits­ verhältnis aufgrund seines personenbezogenen Charakters eine besonders enge persönliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer22. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich für eine bestimmte oder unbestimmte Dauer, Arbeit für den Arbeitgeber zu leisten. Allerdings kennt das Gesetz dafür keine Mindestdauer. Die Qualifikation ist auch deshalb entscheidend, weil beim Arbeitsvertrag Ferienentschädigung geschuldet ist, beim Auftragsverhältnis hingegen nicht. Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist jeweils eine Gesamt­betrachtung23 notwendig, es sind also sämtliche Elemente der vertraglichen Beziehung in Betracht zu ziehen. Die Bezeichnung durch die Vertragsparteien sowie die Einstufung durch die Sozial­ versicherungen sind dafür nicht ausschlaggebend24, da der Arbeitnehmerbegriff im Sozialver­ sicherungsrecht, im Steuerrecht, im Ausländerrecht25 und im öffentlichen Arbeitsrecht jeweils von eigenen Begriffsdefinitionen abhängt. Heute anerkennt die Lehre zudem das Vorliegen sogenannter Arbeitsverträge «sui generis», Verträge also, die Elemente aus verschiedenen gesetzlich konzipierten Vertragstypen in sich tragen. 2. Entstehung des Arbeitsverhältnisses Art. 320 OR Wird es vom Gesetz nicht anders bestimmt, so bedarf der Einzelarbeitsvertrag zu seiner Gültigkeit keiner beson- 1 deren Form. Er gilt auch dann als abgeschlossen, wenn der Arbeitgeber Arbeit in seinem Dienst auf Zeit ent­gegennimmt, 2 deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist. Leistet der Arbeitnehmer in gutem Glauben Arbeit im Dienste des Arbeitgebers auf Grund eines Arbeitsvertra- 3 ges, der sich nachträglich als ungültig erweist, so haben beide Parteien die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in gleicher Weise wie aus gültigem Vertrag zu erfüllen, bis dieses wegen Ungültigkeit des Vertrages vom einen oder andern aufgehoben wird. Grundsätzlich kommt ein Arbeitsvertrag formlos zustande26, sofern eine «übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung» im Sinne von Art. 1 OR gegeben ist, also auch per Handschlag, mündlicher Vereinbarung, SMS, Mail und sogar durch sogenanntes «konkludentes Verhalten», d.h. durch ein Verhalten, das den Schluss zulässt, dass die Parteien einen Vertrag abschliessen wollten. Die objektiv wesentlichen Punkte ergeben sich aus der Definition des Arbeitsvertrages in Art. 319 OR und umfassen grundsätzlich lediglich das zur Verfügung stellen von Arbeitszeit gegen Lohn, die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und das privatrechtliche Dauer- 21 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 319 OR N 1 ff. 22 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 328 OR N 1. 23 Rehbinder/Stöckli N 43, betont in BGE4C.226/2003 vom 25.2.2004. 24 Vgl. BGE 2C_714/2010 vom 14.12.2010 E. 3.4.2. 25 Zum ausländerrechtlich relevanten Arbeitnehmerbegriff gemäss Ausländergesetz (AuG), s. BGE 137 IV 159; nach Freizügigkeitsabkommen und EU-Gemeinschaftsrecht, s. BGE 131 II 339 = Pra 2006 Nr. 39 = JAR 2006 S. 204. 26 Vgl. hierzu auch Art. 11 OR. 24 schuldverhältnis. Es muss also weder der Lohn in der Höhe exakt bestimmt sein, noch muss die Arbeitszeit oder die Vertragsdauer klar vereinbart werden. Es genügt, die Entgeltlichkeit sowie das zur Verfügung stellen von Arbeitszeit zu wollen. Art. 320 Abs. 2 OR lässt den Arbeitsvertrag darüber hinaus sogar dann entstehen, wenn aus den Umständen angenommen werden darf, dass die entsprechenden Dienste in der Regel nur gegen Lohn geleistet werden. Letzteres ist namentlich dann der Fall, wenn der Arbeitgeber jemanden ohne entsprechende Abmachung in seinem Betrieb Arbeit verrichten lässt, die üblicherweise nur gegen Lohn zu erwarten ist. In einem solchen Fall gelten für alle nicht ausdrücklich geregelten Punkte im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis die Vorschriften der Art. 319 ff. OR sowie die sie ergänzenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen mit zwingendem Charakter27. Hierzu gehören die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes, des Unfallversicherungs-, Berufsbildungs-, Gleichstellungs-, Datenschutz-, Mitwirkungs-, Zivildienst- und Arbeitsvermittlungsgesetzes sowie des Sozialversicherungs- und Personalvorsorgerechts mit den jeweils dazugehörigen Verordnungen. Für Tierärztinnen können sich zudem zwingende arbeitsrechtliche Verpflichtungen aus Tierschutzgesetz, Landwirtschaftsgesetz28 usw. ergeben. Von diesem Grundsatz der Formfreiheit abweichend, schreibt das Gesetz allerdings für bestimmte Verträge Schriftlichkeit zwingend vor, so für den Lehrvertrag (Art. 344a OR), für die Bekanntgabe der Arbeitsbedingungen beim Heimarbeitsvertrag (Art. 351a OR), für den Handelsreisenden (Art. 347a OR) und das Anheuern auf Schiffen mittels Heuervertrag (Art. 70 SSG)29. Zudem verlangen bestimmte Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitgebers Schriftlichkeit, so z.B. für das Weg­ bedingen der Überstundenentschädigung, für von der gesetzlichen Regelung abweichende Lohnfortzahlungsvereinbarungen im Falle von Krankheit und Unfall, für die Änderung von Kündigungsfristen sowie für die Vereinbarung eines nachvertraglichen Konkurrenzverbots30. Im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit wurde dem Arbeitgeber im Rahmen der flankierenden Massnahmen II per 1. April 2006 unter dem Titel Informationspflicht mit Art. 330b OR zwingend auferlegt, spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeits­verhältnisses den Arbeitnehmer schriftlich über die Namen der Vertragsparteien, Datum und Beginn des Arbeitsverhältnisses, die Funktion des Arbeitnehmers, den Lohn und allfällige Lohnzuschläge sowie die wöchentliche Arbeitszeit zu informieren. Änderungen während des Arbeitsverhältnisses, welche einen der genannten Punkt betreffen, müssen spätestens innerhalb eines Monats, nachdem sie wirksam geworden sind, dem Arbeitnehmer schriftlich mitgeteilt werden. Ziel dieser Vorgabe war es, ein mögliches Lohn- und Sozialdumping durch die EU-Erweiterung auf einen erweiterten Kreis von europäischen Staaten zu verhindern. Gleichzeitig wurden als weitere Teile dieses Schutzpaketes Art. 360b Abs. 6 OR betreffend Rechte der Tripartiten Kommission eingeführt, das Entsendegesetz revidiert und die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für Gesamtarbeitsverträge bei Missbräuchen erleichtert. Bei der Informationspflicht nach Art. 330b OR handelt es sich jedoch nicht um eine Gültigkeitsvoraussetzung für den darunter liegenden Vertrag, sondern vielmehr um eine vertragliche Nebenpflicht, die zu den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers zu zählen ist. Die Beweislast für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags trägt jeweils diejenige Partei, die daraus Rechte ableiten möchte (Art. 8 ZGB). Deshalb empfiehlt es sich zur Vorbeugung von späteren Streitigkeiten sowie aus Beweisgründen immer, die wichtigsten Punkte schriftlich zu regeln (siehe Kasten) und durch beide Parteien unterschreiben zu lassen. 27 Als solche gelten zwingende Normen, deren Durchsetzung öffentlich-rechtlichen Kontrollorganen übertragen ist. 28 Vgl. Liste der für Tierärztinnen relevanten Rechtsquellen im Anhang. 29 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 330b, N 1. 30 Vgl. Rehbinder/Stöckli N 14, Liste mit rund 20 gesetzlichen Formvorschriften. 25 Ein Vertrag kann nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts aufgrund von Fehlern von Anfang an ungültig sein (Nichtigkeit) oder aber nachträglich, durch entsprechende Willenserklärung eines Vertragspartners, ungültig werden (Unverbindlichkeit). So kann sich eine Partei grundsätzlich durch einseitige Erklärung wie Anfechtung oder Kündigung vom Vertrag befreien, wenn sie sich in einem wesentlichen Irrtum (Art. 24 OR) befand oder absichtlich getäuscht wurde (Art. 28 OR), wenn der Vertrag durch Furchterregung zustande gekommen ist (Art. 30 OR) oder eine Vertragspartei übervorteilt wurde (Art. 21 OR). Der Vertrag ist in diesen Fällen einseitig unverbindlich. Betreffen die Mängel lediglich Nebenpunkte des Arbeitsvertrages, so werden nur diese Nebenpunkte nicht angewendet. Für beide Parteien von Anfang an unverbindlich und somit nichtig ist ein Vertrag, der von handlungsunfähigen Personen abgeschlossen wurde. Die gleiche Rechtsfolge gilt für einen Vertrag, welcher Formvorschriften oder öffentlich-rechtliche Schranken (z.B. öffentlich-rechtliche Beschäf­ tigungsverbote für Jugendliche) missachtet, widerrechtlich ist oder gegen die guten Sitten verstösst (Art. 20 OR). Formvorschriften sind vermutungsweise immer Gültigkeitsvoraussetzung. Arbeitsvertrag Folgende Punkte sollten schriftlich fixiert werden: • Beginn (bei Befristung auch Ende und evtl. Kündigungsmöglichkeit) der Zusammenarbeit •Tätigkeit/Aufgaben/Kompetenzen • Bruttolohn (inkl. alle Lohnbestandteile, als Jahreslohn) • Probezeit (Dauer, Kündigungsmodalitäten, evtl. Verlängerungsoption) •Kündigungsfristen • Sollarbeitszeit (pro Jahr/Monat/Woche) • Umgang mit Überstunden (Kompensation, Geldzuschlag oder Wegbedingung) •Spesen • Ferienansprüche (in Tagen) • Freizeit für persönliche Angelegenheiten • Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung •Pensionskasse •Unfallversicherung • evtl. Konkurrenzverbot • Unterschriften mit Ort und Datum Immerhin kann bei urteilsfähigen unmündigen Personen der Vertrag durch nachträgliche Genehmigung der Eltern oder der gesetzlichen Vertreter nach Art. 19 Abs. 1 ZGB und Art. 410 ZGB geheilt werden und wird dann als von Anfang an gültig behandelt. Verträge mit urteilsunfähigen Personen führen hingegen zu unheilbarer Nichtigkeit gemäss Art. 18 ZGB. Für solche Fälle von unheilbarer Nichtigkeit wurde Art. 320 Abs. 3 OR eingeführt. Er behandelt den Fall, dass ein Arbeitsvertrag aus irgendwelchen Gründen nicht gültig zustande kommt, der Arbeitnehmer jedoch im Hinblick auf das vermeintliche Arbeitsverhältnis seine Arbeit aufnimmt. Da es sich beim Arbeitsverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis handelt, wäre eine Auflösung eines fehlerbelasteten Vertrages ex tunc – also von Anfang an – unbefriedigend. Deshalb behandelt man das Arbeitsverhältnis solange als gültigen Vertrag, bis sich eine Partei auf Ungültigkeit beruft31. 31 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 320, N 6. 26 Daher müssen trotz von Beginn weg fehlerbelastetem Vertrag weder der Lohn zurückerstattet, noch eine Entschädigung für die Vorteile berechnet werden, die der Arbeitgeber aufgrund der geleisteten Arbeit erlangt hat. Diese Regelung aus Art. 320 Abs. 3 OR gilt allerdings nur unter vier Voraussetzungen: die Parteien müssen gutgläubig und der festen Überzeugung gewesen sein, einen Vertrag abzuschliessen, der Vertrag muss vollständig ungültig sein und die Arbeit muss aufgrund des vermeintlich vorliegenden Vertrages geleistet worden sein. Die Bedeutung dieser Unterscheidung lässt sich am Beispiel eines ausländischen Arbeitnehmers zeigen: Verfügt dieser nicht über die notwendige ausländerrechtliche Bewilligung, so bleibt der Vertrag nach heutiger Lehrmeinung zivilrechtlich gültig und sind die gegenseitigen Pflichten dann bis zur Entdeckung des Mangels zu erfüllen. Hat der Arbeitnehmer hingegen eine gültige Bewilligung vorgetäuscht (Täuschung), oder wurde das Vorliegen einer gültigen Bedingung von Anfang an zur Bedingung für einen gültigen Arbeitsvertrag gemacht, so ist der Vertrag zunächst gültig, kann dann jedoch rückwirkend aufgelöst werden, womit der Arbeitnehmer seinen Lohn­ anspruch gerichtlich nicht mehr gestützt auf Arbeitsrecht durchsetzen kann.32 Der Vertrag gilt dann ab dem Moment, ab dem er gerügt wurde, als ungültig. Die Kündigungsschutzbestimmungen gelten nicht. Schäden, die daraus entstehen (z.B. kein Einkommen bis zum Antritt einer neuen Stelle), können höchstens aus «culpa in contrahendo», d.h. wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis geltend gemacht werden, nicht aber gestützt auf den Arbeitsvertrag. Hingegen bewirkt die Annahme eines Arbeitsvertrages gestützt auf Art. 320 Abs. 2 OR, also bei gutgläubigem Erbringen von Leistungen, die nach den Umständen nur gegen Geld erwartet werden können und in der Meinung, einen gültigen Arbeitsvertrag zu erfüllen, den vollen Arbeitnehmerschutz, inklusive Kündigungsbestimmungen.33 Fazit des Bundesgerichts zum Arbeitnehmerbegriff «Im Regelfall reichen mehr oder weniger häufig ausgeübte Freizeitbeschäftigungen und Handreichungen Jugendlicher nicht aus, um ein Arbeitsverhältnis (…) zu begründen. Von solchen gelegentlichen Diensten kann im vorliegenden Fall angesichts der Intensität und Regelmässigkeit sowie des Umfanges der erbrachten Arbeitsleistung jedoch nicht gesprochen werden. Dass die Schülerin aufgrund ihrer allmählich erworbenen Erfahrung relativ selbständig handelte und nicht zu jeder einzelnen Tätigkeit ausdrücklich aufgefordert werden musste, spricht nicht gegen das Vorliegen eines Unterordnungsverhälnisses. Sie war bei ihrer Tätigkeit an den in organisatorischer Hinsicht vorgegebenen Betriebsablauf gebunden. Als Gegenleistung für ihre Tätigkeit wurde die Schülerin regelmässig in Form von Reitstunden und durch die gelegentliche Gewährung von Kost und Logis entlöhnt. Dabei handelt es sich um geldwerte Leistungen, die von der Erbringung ihrer Arbeit abhängig waren und ohne diese kaum über längere Zeit gewährt worden wären. (…)». Aus dem Gesagten folgt, dass für die von der Beschwerdeführerin im Reit- und Handelsstall des Fritz K. ausgeübte Tätigkeit die Arbeitnehmereigenschaft (…) zu bejahen ist.» 32 Ihm steht dann allenfalls noch eine Durchsetzung gestützt auf allgemeine Rechtsgrundsätze (Treu und Glauben) offen, doch gestaltet sich dort die Beweislast für seine Gutgläubigkeit schwieriger. 33 Vgl. zum Ganzen Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 320, N 2-12. 27 III. Abgrenzung zum «Freelancer» Einleitung «Zur Erweiterung unseres bestehenden Tierärztinnenteams suchen wir eine/n eigenverant­ wortliche/n, selbständige/n Tierärztin oder Tierarzt […]» Unsere moderne, mobile Arbeitswelt, bringt einen Wandel des Arbeitsmarktes mit sich: Flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitarbeit, Auslagern von gewissen Tätigkeiten auf freie Mitarbeitende oder Freelancer, ein Zerfliessen der Grenzen von Selbständigkeit und unselbständiger Tätigkeit sowie das Generation Praktikum sind zahlreiche Ausprägungen desselben Phänomens34, welche in der Folge etwas genauer besprochen werden sollen. 1. Das Freelancer-Modell Für viele Absolventinnen und Absolventen der Vetsuisse-Fakultät lautet das Berufsziel eine eigene Tierarztpraxis. Der Weg dorthin führt – insbesondere auch im internationalen Zusammen­hang35 – häufig über eine Tätigkeit als Freelancer bzw. freier Mitarbeiter für verschiedene Tierarztpraxen und/oder als selbständige Tierärztin in einer bestehenden Praxis, die später übernommen werden kann. Tipp Die Stellenplattform der GST birgt wesentliche Informationen und Tipps rund um die Stellensuche im tierärztlichen Arbeitsmarkt (www.gstsvs.ch). Gerade kleine Tierarztpraxen wollen oder können sich einen angestellten Mitarbeiter als tierärztliche Stellvertretung oft nicht leisten und erwägen daher, sich mit einem sog. «Freelancer» zu behelfen. Sie riskieren dabei jedoch hohe Nachzahlungen, wenn die Zusammenarbeit vorgängig nicht klar als Freelancertätigkeit definiert wurde. Der Status der selbständigen Tierärztin bzw. des Freelancers weist nämlich einige Besonderheiten auf, weshalb diese Form der Zusammenarbeit in der Folge kurz gesondert vorgestellt werden soll: Der Begriff des «Freelancers» bzw. des «freien Mitarbeiters» kommt im Gesetz nicht vor. Unter «Freelancer» oder «freier/freischaffender Mitarbeiter» versteht man freiberuflich Tätige, die i.d.R. für mehrere Auftraggeber arbeiten und nicht wie ein Arbeitnehmer (voll) in das Unternehmen ihres Auftraggebers eingegliedert sind36. Mehrheitlich stellen Sie für Ihre Leistungen Rechnung an die Inhaberin der Tierarztpraxis. Damit ist bereits gesagt, dass es sich beim echten Freelancer nicht um einen Arbeitnehmer im Sinne von Art. 319 ff. OR handelt, sondern dass sich dieser vielmehr «in einem mit rechtlichen Risiken behafteten Graubereich zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit»37 bewegt. 34 Vgl. hierzu auch Kapitel IV Teilzeitarbeit, Aushilfsarbeit, Temporärarbeit, Beschäftigung von Praktikanten. 35 Vgl. Stellenausschreibungen für Tierärztinnen auf deutschen und österreichischen Stellenportalen. 36 Definition nach Gablers Wirtschaftslexikon. 37 Vgl. Martin Steiger, Gastbeitrag auf www.startwerk.ch: «Das Wichtigste zu freien Mitarbeitern und Angestellten». 28 Bei einem reinen Freelancer-Vertrag verzichtet nämlich einerseits der Freelancer auf die vom Arbeitsrecht vorgesehenen Schutzvorschriften wie allfällig in einem Gesamtarbeitsvertrag festgelegte Mindestlöhne, Beschränkungen der Arbeitszeit (Höchstarbeitszeiten, Pausen, Ruhezeiten), Kündigungsfristen, Ferienansprüche, Lohnfortzahlung bei Krankheit und Unfall sowie auf Arbeitgeberbeiträge für die Altersvorsorge. Andererseits riskiert das Unternehmen eine gewisse Rechtsunsicherheit, da die als Freelancer-Vertrag beabsichtigte Vereinbarung sich später als Scheinselbständigkeit herausstellen und zu hohen Nachzahlungen an die Sozialversicherungen sowie an den als «Freelancer» bezeichneten, vom Gericht jedoch als Arbeitnehmer eingestuften Mitarbeiter führen kann. Der echte Freelancer-Vertrag zwischen dem Freelancer und der Tierarztpraxis ist als Auftragsverhältnis ausgestaltet. In Frage kommen jedoch auch Elemente weiterer Vertragstypen (z.B. Werkvertrag, Agenturvertrag, Gesellschaftsrecht, Arbeitsvertrag etc.), was zu sogenannten «gemischten Verträgen» führt, bei welchen Elemente der verschiedenen definierten Vertragstypen kombiniert werden. Die Rechte und Pflichten des Freelancers definieren sich in erster Linie nach der tatsächlich gelebten Vertragsbeziehung mit der Tierarztpraxis. Erst in zweiter Linie gelangt das auf den jeweiligen Vertragstyp anwendbare Recht zur Anwendung. Daraus ergibt sich bereits, dass es den Freelancer-Vertrag gar nicht gibt. Das anwendbare Recht muss in jedem Einzelfall aufgrund des konkreten Vertrags ermittelt werden. So hat das Bundesgericht in einem Entscheid festgestellt, es rechtfertige sich unter Umständen die Heranziehung der gesellschaftsrechtlichen Normen und nicht derjenigen des Arbeitsrechts, insbesondere dann, «wenn zwischen den Parteien nicht ein Unterordnungs-, sondern ein partnerschaftliches Verhältnis besteht. Ist hingegen ein Unterordnungsverhältnis gegeben, tritt die Frage der analogen Anwendung arbeitsvertragsrechtlicher Schutzvorschriften in den Vordergrund38». Echte Freelancer sind selbständig erwerbend. In diesem Fall haben sie Anspruch auf die verabredete Entschädigung (Honorar, Werklohn etc.). Das Unternehmen hat dann keine Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, da diese vollumfänglich vom Freelancer selbst zu entrichtet sind. Ist ein Freelancer jedoch eng in die Organisation des (vielleicht sogar einzigen) Vertragspartners eingebunden, leistet er seine Arbeit in dessen Betrieb, bestehen feste Arbeitszeiten und enge Arbeitsanweisungen, so handelt es sich bei dem vermeint­lichen Freelancer um einen sogenannten «Scheinselbständigen», der in Tat und Wahrheit ein Arbeitnehmer ist. In diesem Fall kann der Arbeitgeber zur Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die gesamte Anstellungsdauer des Freelancers gezwungen werden und ist auch sonst an die Schutzvorschriften des Arbeitsvertragsrechts gebunden, wie beispielsweise Lohnzahlung während der gesetzlichen Kündigungsfrist, Ferienlohn für die ganze Anstellungsdauer und gegebenenfalls Entschädigungsansprüche wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung. Ob der Freelancer bei der Ausgleichskasse als selbständig erwerbend angemeldet war, spielt bei der Beurteilung des Vertragsverhältnisses übrigens keine entscheidende Rolle. 38 BGE 118 II 157, S. 160. 29 Hinweis Vom echten Freelancer ist der «Belegtierarzt»-Vertrag zu unterscheiden. Zwar arbeitet auch die Belegtierärztin auf eigene Rechnung, jedoch bezieht sie keinerlei Gehalt oder Honorar von der Tierarztpraxis. Sie leistet der Praxis vielmehr ein prozentuales Entgelt ihrer direkt den Kunden in Rechnung gestellten Honorare als Entgelt für die Nutzung der Räume, der Infrastruktur und des Praxispersonals. Ein inhaltliches Weisungsrecht gegenüber der Belegärztin besteht nicht. Lediglich in organisatorischen und administrativen Belangen richtet sich die Belegärztin nach den Praxis-Gegebenheiten. Für Ihre tierärztliche Tätigkeit haftet sie voll­umfänglich selbst und für Versicherungen, Bewilligungen usw. sorgt sie ebenfalls selbst. Ausserdem handelt es sich bei der Belegtierärztin meist um Spezialistinnen, die als Dermatologinnen, Ophthalmologen, Kardiologen usw. arbeiten. Es empfiehlt sich daher auch im Falle eines Freelancer-Vertrages, vorgängig klare schriftliche Regelungen aufzustellen39. Freelancer-Vertrag Folgende Punkte sollten vor Abschluss geklärt werden: • Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als «Freelance-Vertrag» • Anwendbares Recht (Auftrag Art. 394 ff. OR; Werkvertrag Art. 363 ff. OR; falls gewünscht einzelne Punkte nach Arbeitsvertragsrecht Art. 319 ff. OR) • Bezeichnung der Vertragsparteien als «Auftraggeber»/«Auftragnehmer» • Beschreibung des Projekts sowie der Aufgaben • Angaben über den Ort und die Art der Ausführung • Termine und evtl. Konventionalstrafen bei Nicht-Einhaltung der Termine • Entschädigung (pro Stunde/pauschal); Spesenregelung, Fälligkeit der Zahlungen • Verantwortung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge durch den Freelancer • Bestätigung der AHV über die Anmeldung als Selbständigerwerbender • Dauer der Zusammenarbeit (Befristung) und/oder allfällige Fristen für Auf­lösung der Zusammenarbeit •Urheberrechts-/Datenschutz-/Verschwiegenheitsklausel • Gerichtsstandklausel/Anwendbares Recht 39 Checkliste nach I. Bräunlich, S. 117 ff., mit hilfreichen Hinweisen für Selbständigerwerbende. 30 2. Selbständigkeit ja oder nein? Wer eine selbständige Tätigkeit als Tierärztin ins Auge fasst, sollte vorgängig folgenden Überlegungen anstellen40: 2.1 Persönliche Voraussetzungen Mindestens zu Beginn Ihrer Tätigkeit sind Sie bei schwierigen Entscheidungen häufig auf sich allein gestellt. Erfahrende Arbeitskollegen und Vorgesetzte gibt es im direkten Arbeitsumfeld nur wenige oder keine. Ein starkes berufliches Beziehungsnetz und regelmässige Treffen mit ehemaligen Studienkollegen, Mitgliedern Ihres Berufsverbandes oder Berufskollegen schaffen ein soziales Umfeld und eine Plattform für den fachlichen Austausch. Für eine erfolgreiche Tätigkeit als Selbständigerwerbende sind selbst gesetzte Strukturen, klare Ziele, eine hohe Zuverlässigkeit und Termintreue sowie Kreativität und Kommunikationsstärke unerlässlich. Die beste Werbung für Ihre Dienstleistung sind zufriedene Kunden. Ein Team gibt es zumindest am Anfang meist noch nicht und wenn doch, dann sind zeitgleich mit dem Aufbau Ihrer Praxis auch bereits Führungsqualitäten gefragt. Eine überdurchschnittlich hohe Einsatz­ bereitschaft und erhöhter Zeitaufwand sind notwendig, um den vielseitigen Aufgaben gerecht zu werden. Der Lohn dafür liegt in der Verwirklichung der eigenen Vorstellungen, in einem meist hohen Zufriedenheitsgrad und in der höheren Flexibilität Ihrer Arbeits- und Lebensgestaltung. 2.2 Finanzielle Voraussetzungen Der Aufbau einer Tätigkeit von Grund auf benötigt einen langen Atem. Viel angenehmer ist es, eine bereits etablierte Praxis oder einen bereits bestehenden Kundenstamm zu übernehmen. Dennoch sind auch hierbei einige grundsätzliche Über­legungen schon im Voraus anzustellen: Wie hoch ist Ihr Finanzbedarf unter Anrechnung der Lebenshaltungskosten, der Vorsorgekosten sowie der Geschäftskosten? Wie viel Wert hat der übernommene Kundenstamm und in welcher Form und in welchem Zeitrahmen ist dieser abzugelten? Welche Aufgaben können Sie selbst oder innerhalb Ihres Beziehungsnetzes zu günstigeren Konditionen bewältigen und welche Arbeiten müssen Sie gegen Bezahlung extern vergeben (Buchhaltung, Steuererklärung, IT-Support, Akquisition neuer Aufträge, Versicherungskorrespondenz, Rechnungsstellung usw.). Welche Leistungen können Sie über Ihren Verband bzw. über dessen Partnerangebote günstig erhalten? Wie viel verbleibt Ihnen von Ihren Einnahmen nach Abzug aller Kosten (AHV/IV/EO, Unfall- und Krankentaggeldversicherung, Berufshaftpflichtversicherung, Vorsorgebeiträge, Rückstellungen für Weiterbildungskosten, Anschaffung kostspieliger Geräte usw.)? Wie können Sie Zahlungsverzögerungen sowie das Inkasso-Risiko minimieren? Sind Sie ausreichend versichert gegen Krankheit, Unfall, bei Schwangerschaft, Militärdienst und im Alter? Und schliesslich: Welche Beiträge können Sie als Jung-Unternehmen von staatlicher oder privater Seite erwarten? Prüfen Sie Förderbeiträge für KMU, Sponsoring, Unterstützungsleistungen der Arbeits­losenkasse, Beiträge des Kantons, Kredit des Verbandes GST bei Praxisgründung usw. 2.3 Rechtliche Voraussetzungen Weitere Überlegungen beziehen sich auf die für Ihre Praxis ideale Rechtsform. Eine Einzelfirma können Sie formlos und ohne grosses Startkapital gründen. Ein Handelsregistereintrag ist grund- 40 Bräunlich, S. 111 ff. 31 sätzlich freiwillig. Freiberufliche Gewerbe unterliegen unabhängig von der Höhe des Umsatzes erst dann der Eintragungspflicht, wenn bei der Ausübung eines freien Berufes ein kaufmännischer Betrieb geführt wird. Dies ist dann der Fall, «wenn das Streben nach Wirtschaftlichkeit gegenüber der persönlichen Beziehung zum Patienten oder Klienten in den Vordergrund tritt».41 Bei einer GmbH ist Ihre Haftung auf das Stammkapital beschränkt, welches minimal CHF 20’000.– beträgt. In der GmbH bzw. AG können Sie Ihr eigener Arbeitnehmer sein und sind damit gegen Arbeitslosigkeit versichert. Bei einer AG haftet nur das Gesellschaftsvermögen für die Schulden der Gesellschaft, allerdings müssen mindestens CHF 50’000.– bei der Gründung eingebracht werden und sowohl der Gründungsakt als auch die spätere Verwaltung einer AG sind relativ aufwendig. Internetadressen für die Vorbereitung auf eine selbständige Tätigkeit VerbandsadressenUnternehmensgründung • www.gstsvs.ch • www.gruenden.ch • www.freieberufe.ch • www.kmu.admin.ch • www.startups.ch • www.t-ts.ch Sozialversicherungen und Handelsregistereintrag Pensionskasse • www.shab.ch • www.pat-bvg.ch • www.zefix.ch • www.ahv-iv.info • www.treffpunkt-arbeit.ch • www.bsv.admin.ch • www.bvg.ch 41 Urteil 4A_526/2008, E. 4.2. 33 IV. Teilzeitarbeit, Aushilfsarbeit, Temporärarbeit, Beschäftigung von Praktikanten Weit über 300’000 Erwerbstätige verrichten in der Schweiz mehrere Stellen gleichzeitig. Dabei besteht insbesondere in Bezug auf den Beschäftigungsgrad nach wie vor ein grosser Unterschied zwischen Männern und Frauen, wie die untenstehende Grafik des Bundesamtes für Statistik aufzeigt42. Beschäftigungsgrad Frauen 1991 50,9 22,2 40,8 2014 Vollzeit 90–100% 27,0 33,9 25,3 Teilzeit 50–89 % Männer 1991 92,2 2014 3,5 4,2 84,1 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 10,0 50 % 60 % 70 % 80 % Teilzeit unter 50% 5,9 90 % Quelle: BFS – SAKE 100% © BFS, Neuchâtel 2015 Bedenkt man, dass das Studium der Veterinärmedizin von den Medizinalstudiengängen dasjenige mit dem höchsten Frauenanteil ist und nach einer Erhebung von 2012 81.7 % Prozent der Absolvent/-innen weiblichen Geschlechts43 sind, so lohnt es sich, diesen modernen Arbeitsformen ein grösseres Kapitel zu widmen. 1.Teilzeitarbeit Teilzeitarbeit im Sinne des Gesetzes liegt vor, «wenn im Rahmen eines auf gewisse Dauer angelegten Arbeitsverhältnisses weniger als die betriebsübliche oder weniger als die branchenübliche Arbeitszeit gearbeitet wird»44. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form (z.B. unter Angabe des Beschäftigungsgrades in Prozent oder durch Festlegung einer tieferen Jahresarbeitszeit) und um wie viel die Arbeitszeit reduziert wird45; die Aufzählung «stunden-, halbtage- oder tageweise» in Art. 319 Abs. 2 OR ist bloss beispielhaft gemeint46. Ebenso wenig ausschlaggebend ist, ob ein Arbeitnehmer noch für weitere Arbeitgeber tätig ist. Solange sein Teilzeitarbeitsverhältnis auf Dauer angelegt ist, er sich in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingliedert, Lohn bezieht und regelmässig in einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis seine Arbeitszeit zur Verfügung stellt, handelt es sich um einen regulären Arbeitsvertrag i.S.v. Art. 319 ff. OR. Auch die Arbeitszeitvorschriften des Arbeitsgesetzes kommen dann vollumfänglich zur Anwendung, 42 www.bfs.admin.ch. Themen-Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung-Gleichstellung von Mann und Frau. 43 NZZ Online-Ausgabe vom 20. März 2015, www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/regionen/thematische_karten/gleichstellungsatlas/erwerbsarbeit_ und_beruf/beschaeftigungsgrad_und_entwicklung.html. 44 Stähelin, N 51, Portmann/Stöckli, Rz. 887. 45 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 319, N 18. 46 Ebenda. Streiff/von Kaenel/Rudolph gehen sogar so weit, einen «Saisonnier», der regelmässig in der Zwischensaison während mehreren Monaten arbeitsfrei ist, als in einem Teilzeitarbeitsverhältnis stehend zu bezeichnen. 34 wobei in diesen Fällen sämtliche Arbeitgeber gemeinsam gehalten sind, die Schutzvorschriften des Arbeitsgesetzes zu beachten. Bei dieser Teilzeitarbeit im eigentlichen Sinn – wo die Arbeitseinsätze wiederholt stattfinden und mit im Voraus bestimmten Arbeitszeiten – bestehen somit rechtlich keine Unterschiede zum sonstigen privatrechtlichen Arbeitsvertrag. Der Ferien­anspruch ist derselbe. Der Ferienlohn ergibt sich aus dem durchschnittlich erzielten Verdienst der vergangenen 12 Monate. Überstunden und Überzeit berechnen sich im Verhältnis zur vereinbarten bzw. durchschnittlich geleisteten Arbeitszeit. Kündigungsfristen bzw. Lohnfortzahlungsansprüche bei Krankheit und Unfall werden analog zur Vollzeitbeschäftigung angewandt. Weist der Arbeitgeber nicht genügend Arbeit zu, gerät er in Verzug und bleibt lohnzahlungspflichtig. Einzig bei stark reduzierten Teilzeitpensen kann es vorkommen, dass das BVG-Minimum nicht erreicht wird und der Arbeitnehmer daher nicht in den Genuss der Arbeitgeberbeiträge gelangt47. 2. Arbeit auf Abruf Davon zu unterscheiden ist die uneigentliche Teilzeitarbeit, auch Arbeit auf Abruf genannt. Wesentliches Element dieser Arbeitsform ist, dass die Arbeitsleistung nicht aufgrund eines im Voraus festgelegten Arbeitsplanes, sondern auf einseitigen Abruf durch den Arbeitgeber hin geleistet wird. Im Unterschied zur Aushilfsarbeit erfolgt dies allerdings im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses, welches i.d.R. nach Ablauf eines Jahres eine dauernde vertragliche Bindung annimmt. Der Vorteil für den Arbeitgeber ist dabei, dass er die Mitarbeitenden nur dann zur Arbeit aufbietet, wenn er sie auch tatsächlich braucht. So kann er Kosten sparen und das Betriebsrisiko minimieren. Für Arbeitnehmer hingegen birgt die Arbeit auf Abruf einige Unsicherheiten: Das Einkommen ist unregelmässig, die soziale Absicherung lückenhaft und die Freizeitplanung erschwert. Deshalb empfiehlt es sich bei Arbeit auf Abruf für Arbeitnehmer, auf der schriftlichen Festlegung von Mindestarbeitszeit pro Woche, Monat oder Jahr zu bestehen48. Zu unterscheiden sind bei der Arbeit auf Abruf zwei unterschiedliche Ausprägungen: Trifft den Arbeitnehmer bei Abruf durch den Arbeitgeber eine Einsatzpflicht nach Anweisung des Arbeit­ gebers, so liegt echte Arbeit auf Abruf vor. Für den Arbeitgeber hat das zur Folge hat, dass er auch die sogenannte «Rufbereitschaft» – diejenige Rahmenzeit also, in welcher sich der Arbeitnehmer für einen eventuellen, ordentlichen Arbeitseinsatz zur Verfügung halten muss – finanziell entschädigen muss49, und zwar selbst dann, wenn die Rufbereitschaft ausserhalb des Betriebes geleistet wird. Die Höhe der Entschädigung für diese oft fälschlicherweise als «Bereitschaftsdienst«50 bezeichnete Rufbereitschaft ist im Vergleich zum eigentlichen Arbeitseinsatz reduziert und bestimmt sich in nachstehender Reihenfolge: Erstens nach Vereinbarung, zweitens nach Üblichkeit oder drittens nach Billigkeit. Entscheidendes Kriterium zur Festlegung der Höhe der Entschädigung ist die Einschränkung des Arbeitgebers in seiner Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit, welche der Arbeitnehmer durch die Rufbereitschaft auf sich nimmt. Trifft den Arbeitnehmer hingegen bei Abruf durch den Arbeitgeber keine Einsatzpflicht, kann er also jeweils frei entscheiden, ob er dem Abruf durch den Arbeitgeber Folge leisten will oder nicht, so liegt unechte Arbeit auf Abruf vor. Im Unterschied zur echten Arbeit auf Abruf liegt 47 Unter Einberechnung des Koordinationsabzuges beträgt die Eintrittsschwelle für das Jahr 2015 CHF 21’150.–. 48 Vgl. Bräunlich, S. 74 ff. 49 Vgl. BGE 124 III 249 E. 2a: die geschuldete Entschädigung muss nicht in derselben Höhe liegen wie die eigentlichen Arbeitsstunden. 50 Von «Bereitschaftsdienst» wird korrekterweise nur im Zusammenhang mit dem Pikettdienst gesprochen, also bei ausserordentlichen Arbeits­ einsätzen (z.B. Notfalleinsätze); «Rufbereitschaft» hingegen bezeichnet die Rahmenzeit, in der man für Abrufe bei ordentlichen Arbeitseinsätzen im Rahmen der Arbeit auf Abruf zur Verfügung stehen soll. 35 bei der unechten Arbeit auf Abruf vor Vorliegen einer konkreten Einsatzvereinbarung erst ein Rahmenvertrag, aber noch kein Arbeitsvertrag vor, da sich der Arbeitnehmer ja noch nicht zur Leistung von Arbeit verpflichtet hat. Entsprechend hat der Arbeitnehmer auch keine arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten, solange er nicht in einem konkreten Arbeitseinsatz steht. Insbesondere hat er keinen Anspruch auf Abgeltung einer Rufbereitschaft, der Arbeitgeber kann ihm gegenüber nicht in Verzug geraten und der Arbeitnehmer ist auch nicht gegen Stellenverlust bzw. Krankheit versichert. 3.Aushilfs-/Gelegenheitsarbeit Aushilfsarbeit kennzeichnet sich dadurch, dass weder ein Rahmenvertrag noch eine Zusicherung von regelmässig zur Verfügung gestellter Arbeitskraft besteht. Das Arbeitsverhältnis wird jeweils für einen einzelnen, befristeten Arbeitseinsatz abgeschlossen. Entsprechend endet der Arbeitseinsatz ohne Kündigung mit Ablauf der vereinbarten Frist. Aushilfsarbeit kann in Voll- oder Teilzeit geleistet werden. Von eigentlicher Aushilfsarbeit kann also nur gesprochen werden bei Beschäftigungen von Fall zu Fall und von kurzer Dauer. Für keine der Parteien besteht eine Pflicht zur Zusammenarbeit und für jeden Einsatz wird ein neuer Vertrag abgeschlossen, bei dem die Bedingungen auch wechseln können. Typische Aushilfsverträge sind Verträge mit Gymnasiasten, die während der Ferien z.B. in einer Tierarztpraxis aushelfen, ohne dies jedoch als Schnupperlehre zu tun (vgl. hinten, «Schnupperlehre/Berufspraktikum). Zeigt sich mit der Zeit, dass mehrere Aushilfsarbeitseinsätze abgewickelt wurden, die jedoch immer mit denselben Grundbedingungen erfolgen, so wird ein stillschweigend abgeschlossener Rahmen­ vertrag angenommen. Nach bundegerichtlicher Rechtsprechung ist dann von einem festen Teilzeitarbeitsverhältnis auszugehen, wenn ein Arbeitnehmer während eines Jahres relativ regelmässig Aushilfsarbeiten angenommen hat, ohne je einen Einsatz abzulehnen. Aushilfsarbeitsverhältnisse, die aneinander gereiht werden und die nur dazu dienen sollen, einen festen Arbeitsvertrag zu verhindern, sind unzulässige Kettenarbeitsverträge und werden daher wie ein einziger, ununterbrochener Arbeitsvertrag behandelt. Aushilfsarbeitsverträge sind grundsätzlich volle Arbeitsverträge, d.h., die Arbeitnehmer kommen in den vollen Genuss der Schutzvorschriften. Allerdings entsteht die Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall grundsätzlich nur bei Arbeitsverhältnissen, die länger als drei Monate gedauert haben oder für länger als drei Monate abgeschlossen wurden51. Zudem entfällt häufig der Beitrag an die Pensionskasse, da in der Regel das Minimum nicht erreicht wird. Insofern kann bei Aushilfsarbeitsverhältnissen der Versicherungsschutz stark eingeschränkt sein. Es hat daher sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber praktische Relevanz, schriftlich festzulegen, wie lange ein Aushilfsarbeitsverhältnis dauern soll. 4.Temporärarbeit Bei Temporärarbeit handelt es sich nicht um Teilzeitarbeit, sondern um die Hauptform des Personal­ verleihs. Dabei entsteht ein rechtliches Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitnehmer, Verleiher und Arbeitgeber, das im Arbeitsvermittlungsgesetz52 geregelt ist. Zudem ist ein GAV Personalverleih zu beachten. Bei der Temporärarbeit schliesst der Arbeitnehmer mit dem Verleiher einen Rahmen­vertrag über die allgemeinen Arbeitsbedingungen ab. Der vollständige Arbeitsvertrag kommt hingegen erst mit dem Einzelarbeitsvertrag zustande, der die konkrete Lohnzahlungs- und Arbeits­ 51 Art. 324a OR, vgl. Kapitel XIV «Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall, Schwangerschaft, Militärdienst». 52 SR 823.11, Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih, (Arbeitsvermittlungsgesetz, AVG) vom 6. Oktober 1989 (Stand am 1. Januar 2013). 36 pflicht festlegt. Gewerbsmässiger Personalverleih in den Formen der Temporär- und Leiharbeit ist einer Bewilligungspflicht unterstellt, welche eine Gültigkeits­voraussetzung darstellt. Ohne gültige Bewilligung geleistete Arbeit ist nach Art. 320 Abs. 3 OR abzuwickeln. Zudem ist Schriftlichkeit der Verträge gefordert, von welcher nur vorübergehend und bei zeitlicher Dringlichkeit abgewichen werden darf. Im GAV Personalverleih sind Verpflichtungen über die Lohnhöhe, über Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit sowie zum Abschluss einer Krankentaggeldversicherung festgelegt worden. Zudem gelten besondere Kündigungsfristen und ein Schutz vor Konkurrenzverboten53. 5. Praktika und Schnupperlehre Wesensmerkmal des Praktikums ist es, dass der Praktikant im Betrieb mitarbeitet und seine Leistungen kritisch mit ihm besprochen werden, da mit dem Praktikum v.a. auch eine berufliche Förderung angestrebt wird. Die Vermittlung theoretischen Wissens tritt dabei klar in den Hintergrund. Arbeitsrechtlich handelt es sich beim Praktikum – zumindest soweit ein Lohn bezahlt wird – um einen Arbeitsvertrag i.S.v. Art. 319 ff. OR. Wo kein Lohn bezahlt wird, befürwortet die Lehre zumindest die analoge Anwendung von Arbeitsvertragsrecht54. Studienpraktika in Tierarztpraxen •Die Studierenden, welche externe Praktika in einer Tierarztpraxis verrichten, müssen während der Zeit des Praktikums gegen Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle (gemäss UVG) und hinsichtlich Berufshaftpflicht versichert sein. In der Regel geschieht dies über die betriebliche Unfall- und Berufshaftpflichtver­sicherung. Die Prämien gehen zu Lasten des Praxisinhabers/der Praxisinhaberin. • Die externen Praktika im 5. Studienjahr Veterinärmedizin dauern 20 Arbeitstage, welche zusammenhängend zu leisten sind. •Die Praxisinhaberin/der Praxisinhaber hat der/dem Studierenden eine Bescheinigung über die Praktikumstätigkeit auszustellen. • Seit August 2014 gilt auf Empfehlung der GST eine Entschädigung zugunsten der Lehr-Tierarztpraxis in Höhe von CHF 1’000.– pro Praktikum. Praktika im Ausland werden nicht entschädigt. Quelle: vetsuisse – Fakultät, Dekanat, Merkblatt zu externen Praktika in Tierarztpraxen in der Schweiz,14.3.2014 53 Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den Personalverleih vom 13. Dezember 2011 mit Ergänzungen. 54 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 344a OR, N 6. 37 Schnupperlehre/Berufswahlpraktikum Die Schnupperlehre dient dazu, Jugendlichen Einblick in den Beruf (einen Betrieb, eine Branche) zu gewähren, meist in Form von ein- bis zweiwöchigen Arbeitseinsätzen. In der Regel verdienen die Jugendlichen keinen Lohn; sie erhalten allenfalls ein Taschengeld. Mindestens in denjenigen Fällen, in welchen Entgelt vereinbart ist, handelt es sich um befristete Arbeitsverträge. Wird kein Entgelt geleistet, so nimmt die Praxis an, dass es sich um einen Auftrag handle, die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen oder die lehrvertraglichen Bestimmungen jedoch zumindest ergänzend zur Anwendung gelangen sollen. Unbestritten ist zumindest, dass diese Form der Beschäftigung von Jugendlichen den zeitlichen wie sachlichen Beschränkungen der Jugendarbeitsschutzverordnung (ArGV 5) unterliegt und dass für Schnupperlehren die Formvorschriften über den Lehrvertrag nicht gelten55. Hinweis In die Versicherungslösungen des Praxisinhabers sollten auch Schnupperlernende und Praktikantinnen mit eingeschlossen werden! 6. Arbeit auf Probe Bei der sogenannten «Arbeit auf Probe», bei welcher die Eignung des Stellenbewerbers «on the job» geprüft werden soll, ist zumindest bei einem länger andauernden Arbeits«test» von einem befristeten Arbeitsverhältnis mit Lohzahlungspflicht auszugehen. Entsprechend muss die Testdauer an die Probezeit angerechnet werden, wenn es später zu einer Anstellung kommt56. Sie ist damit ein Anwendungsfall der sogenannten Entgeltlichkeitsvermutung nach Art. 322 OR. Diese Vermutung entfällt nur, wenn vor dem Probeeinsatz Unentgeltlichkeit ausdrücklich vereinbart wurde. Die Grenzen der Vertragsfreiheit sind hier durch Art. 21 OR (Übervorteilung) sowie Art. 2 ZGB (Treu und Glauben) gesetzt: Steht hinter der Vereinbarung unlautere Absicht, so wird die Unentgeltlichkeit nicht geschützt. Der Arbeitgeber kann dann zur Lohnnachzahlung oder Leistung von Schadenersatz verpflichtet werden. 55 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 344a OR, N 10. 56 Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Art. 335b, N 1. 39 V. Treuepflicht des Arbeitnehmers Einleitende Fragen • Sie haben mehrfach beobachtet, wie Ihr Arbeitskollege sich grosszügig an den Futtervorräten der Praxis bedient hat, «um damit die eigenen Hunde zuhause zu füttern». Müssen Sie dies dem Arbeitgeber melden? • Eine ältere Kundin steckt Ihnen bei jeder ihrer mehrmals monatlich erfolgenden Konsultationen CHF 100.– zu mit einem verschwörerischen Flüstern, davon aber nichts dem Chef zu sagen, das sei ganz für Sie allein bestimmt. Wie gehen Sie korrekterweise vor? •Ihre Ferienvertretung kopiert am letzten Arbeitstag noch schnell die Festplatte Ihres Praxiscomputers – inklusive Kundenadressdatei, Personaldossiers der Mitarbeitenden, Preislisten usw., damit «sicher keine privaten Daten verloren gehen». Darf sie das? In einem Arbeitsverhältnis stehen sich die Pflicht des Arbeitnehmers, Arbeitsleistung zu erbringen, und die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers in einem Austauschverhältnis gegenüber. Dabei werden nicht nur geldwerte Leistungen ausgetauscht, sondern es entsteht eine gegenseitige persönliche Bindung. Diese persönliche Bindung findet ihren Niederschlag einerseits in der Treuepflicht des Arbeitnehmers57, andererseits in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (vgl. Kapitel VI). 1. Überblick über die Arbeitnehmerpflichten So erwähnt das OR als Pflichten des Arbeitnehmers ausdrücklich die Pflicht zur persönlichen Erbringung der Arbeitsleistung (Art. 321 OR), die Sorgfalts- und Treupflicht (Art. 321a OR), die Rechenschafts- und Herausgabepflicht (Art. 321b OR), die Pflicht zur Leistung von Überstunden (Art. 321c OR) sowie die Pflicht, Anordnungen und Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen (Art. 321d OR). Schliesslich wird auch die Haftung des Arbeitnehmers (Art. 321e OR) zu den Treuepflichten gezählt. Die persönliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers (Art. 321 a OR) schliesst es grundsätzlich aus, dass anstelle des eigentlichen Arbeitnehmers z.B. dessen Ehepartner die Arbeitsleistung erbringt. Allerdings kann mit Einwilligung des Arbeitgebers oder durch entsprechende vertragliche Vereinbarung der Einsatz von Gehilfen zulässig sein. Auch beim «Jobsharing» oder bei Anstellung über eine Temporärfirma kann je nach den konkreten Abmachungen die persönliche Arbeitspflicht gelockert sein. 57 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 321a OR, N 2. 40 Hinweis Beim «Jobsharing» ist im Voraus festzulegen, ob die «Jobsharer» eine gegenseitige Vertretungs­ pflicht treffen soll (= eigentliches Jobsharing). Ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung wird eine Vertretungspflicht angenommen. Konsequenzen daraus sind die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung und somit Lohn an beide «Jobsharer» zu leisten. Zu regeln ist ausserdem, ob der Arbeitsvertrag nur beiden «Job­ sharern» gleichzeitig («Jobsharing») gekündigt werden kann oder je einzeln («Jobsplitting»)? Quelle: RA Adrian Weibel, Die Y-Generation – der Wunsch nach Flexibilität. In: SKO Leader 4/13. Aufgrund seiner Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 321a OR) hat der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen, er hat Maschinen, Arbeitsgeräte und technische Einrichtungen und Anlagen sowie Fahrzeuge fachgerecht zu bedienen und diese sowie Material, das ihm zur Ausführung der Arbeit zur Verfügung gestellt wird, sorgfältig zu behandeln. Ausserdem darf er geheim zu haltende Tatsachen, wie Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, von welchen er im Dienst des Arbeitgebers Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses und – ohne sorgfältige Abwägung der entgegengesetzten Interessen – auch danach nicht verwerten oder anderen mitteilen (Art. 321 Abs. 4 OR). Dazu gehört auch der lediglich unsorgfältige Umgang mit den anvertrauten Daten. Als Ausfluss der Rechenschafts- und Herausgabepflicht gemäss Art. 321b OR muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht nur über alles Rechenschaft ablegen, was er bei seiner vertraglichen Tätigkeit von Dritten erhält, sondern er muss auch alles herausgeben, was er in Ausübung seiner vertraglichen Tätigkeit hervorbringt. Ohne anderslautende Weisungen des Arbeitgebers darf der Arbeitnehmer lediglich ein «Trinkgeld» behalten. Der Arbeitgeber kann für die Verwendung der Trinkgelder verbindliche Regelungen im Personalreglement aufstellen, allerdings müssen diese zugunsten der Mitarbeitenden verwendet werden, z. B. für Personalanlässe. Bei den Arbeitserzeugnissen wird urheberrechtlich unterschieden, ob das Arbeits­erzeugnis während der Arbeitszeit hervorgebracht wird, ob es sich auf die vertragliche Tätigkeit bezieht und ob es unter Verwendung der Maschinen, Methoden und Produktionsmittel des Arbeitgebers hervorgebracht wird oder nicht. Die Pflicht, Überstunden zu leisten (Art. 321c OR), besteht in dem Mass, als die Überstunden «notwendig sind», dem Arbeitnehmer nach «Treu und Glauben zugemutet werden können» und er «sie zu leisten vermag». Sie wird abgemildert durch den Umstand, dass die Überstunden mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers «innert eines angemessenen Zeitraums» durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer auszugleichen sind oder – ohne anders lautende schriftliche Vereinbarung – mit 25 % Lohnzuschlag zu kompensieren sind. Art. 321d OR schliesslich hält die Pflicht des Arbeitnehmers fest, Anordnungen und Weisungen des Arbeitgebers «nach Treu und Glauben» zu befolgen. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich jegliche Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen hat, die im Zusammenhang mit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung stehen. Dies betrifft Anordnungen sowohl in fachlicher, in organisatorischer als auch in Hinsicht auf ein bestimmtes Verhalten, solange die Weisungen weder schikanös sind, das Privatleben nicht übermässig tangieren, die Gesundheit nicht gefährden und nicht dazu angetan sind, beim durchschnittlichen Arbeitnehmer Gewissenskonflikte auszulösen. Im Zentrum der nachstehenden Ausführungen steht die durch die Gerichtspraxis stark ausgeweitete Treuepflicht des Arbeitnehmers. 41 2. Treuepflicht des Arbeitnehmers im engeren Sinn Art. 321a OR II. Sorgfalts- und Treuepflicht Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des 1 Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren. Er hat Maschinen, Arbeitsgeräte, technische Einrichtungen und Anlagen sowie Fahrzeuge des Arbeitgebers fach- 2 gerecht zu bedienen und diese sowie Material, die ihm zur Ausführung der Arbeit zur Verfügung gestellt werden, sorgfältig zu behandeln. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses darf der Arbeitnehmer keine Arbeit gegen Entgelt für einen Dritten 3 leisten, soweit er dadurch seine Treuepflicht verletzt, insbesondere den Arbeitgeber konkurrenziert. Der Arbeitnehmer darf geheim zu haltende Tatsachen, wie namentlich Fabrikations- und Geschäfts­geheimnisse, 4 von denen er im Dienst des Arbeitgebers Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen; auch nach dessen Beendigung bleibt er zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeit­gebers erforderlich ist. Die Treuepflicht des Arbeitnehmers schreibt vor, dass der Arbeitnehmer «die berechtigten Interes­sen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren» hat, eingeschränkt allerdings durch die «Erreichung und Sicherung des Arbeitserfolges» einerseits und durch die «berechtigten Eigen­ interessen des Arbeitnehmers» andererseits. Der Arbeitnehmer ist zur Treue gegenüber dem Arbeitgeber also nur so weit verpflichtet, als es sich um Sachverhalte handelt, die einen Zusammenhang mit dem Arbeitserfolg des Unternehmens aufweisen und als sich der Arbeitnehmer damit in seinem eigenen wirtschaftlichen Fortkommen nicht übermässig einschränkt. Dabei ist stets den Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Die Treuepflicht des Arbeitnehmers umfasst einerseits eine Unterlassungspflicht, wonach er «alles zu unterlassen» hat, «was dem Arbeitgeber wirtschaftlich schaden könnte» und anderer­ seits eine Handlungspflicht, «alles zu tun, was zur Erreichung und Sicherung des Arbeitser­folges notwendig ist». Zu den Unterlassungspflichten gehören beispielsweise das Konkurrenzierungs­ verbot während des Anstellungsverhältnisses sowie die Geheimhaltungspflicht. Handlungspflich­ ten sind die Pflicht zur Leistung von Überstunden und die Pflicht zur Information des Arbeitgebers über Vorfälle und Störungen innerhalb des Betriebes, ebenso wie die Pflicht zur sorgfältigen Bedienung von Maschinen. Der Umfang der Treuepflicht ist stark abhängig von Funktion und Aufgabe des Arbeitnehmers und den betrieblichen Verhältnissen. So ist an die Treuepflicht ein höherer Massstab anzusetzen, je höher und exponierter die Stellung des betroffenen Arbeitnehmers für den Betrieb ist. Ein Kadermitarbeiter mit Einblick in Betriebsgeheimnisse, Kunden- und Produktionsdaten, mit finanzieller oder strategischer Verantwortung hat daher eine höhere Treupflicht als beispielsweise der Tierpfleger im Zoo. Die Treuepflicht endet grundsätzlich mit dem Ende des Arbeitsvertrages. Teilaspekte davon wirken hingegen – wenn auch mit abnehmender Intensität – über das Arbeitsverhältnis in dem Masse weiter, als es zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers auf berufliche Entfaltung. Unter diese Kategorie fallen die Geheimhaltungspflicht und das Verwertungsverbot. So dürfen beispielsweise auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Angaben zu persönlichen Verhältnissen der Kunden gemacht werden und keine Rezepturen des vorherigen Arbeitgebers hergestellt und vertrieben werden. Selbst die identische Abwicklung von Kundenwerbung, Preis­ politik, Offert-Erstellung usw. kann – unter Würdigung der Gesamt­umstände – eine Verletzung der nachvertraglichen Treuepflicht darstellen. 42 3. Kategorien von Treuepflichtverletzungen Aus der Gerichtspraxis lassen sich folgende Kategorien von Treuebrüchen aufzählen:58 • Delikte wie z.B. Diebstahl und Drogenmissbrauch, Fälschungen von Stundenrapporten oder Arbeitsergebnissen sowie generell ungebührliches Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, worunter auch das Herabsetzen des Ansehens des Arbeitgebers zu zählen ist durch Verunglimpfungen der Firma, das Umleiten der Mails des Arbeitgebers auf die eigene Mailadresse ohne dessen Wissen oder etwa die Mitteilung einer Kaderangestellten an ihre Teamkollegen, dass sie der neuen Leitung kein Vertrauen entgegen bringe. • Annahme von Vorteilen wie beispielsweise Schmiergelder und sonstige Vergütungen, die den Charakter von Trinkgeldern überschreiten, so z.B. Warenlieferungen an die Firma, persönliches Einstecken von der Firma gewährten Mengenrabatten usw. Kleinere Gelegenheitsgeschenke dürfen angenommen werden, allerdings ist damit nach den Weisungen des Arbeitgebers zu verfahren, oder nach den Vorschriften des Personalreglements (Ablieferung an die Betriebs-, oder Personalkasse, Mitteilung und Ablieferung an die Geschäftsleitung o.ä.). • Konkurrenzierung des Arbeitgebers: das Vorbereiten einer eigenen Tätigkeit für den Zeitpunkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist erlaubt, soweit nicht Kunden, Mitarbeitende und Lieferanten abgeworben werden und kein ausdrückliches, zulässiges und persönlich formuliertes Konkurrenzverbot besteht; ein aktiver Marktauftritt darf jedoch nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Entgeltliche Arbeitsleistung für einen Dritten ist nur mit Zustimmung des Arbeitgebers und nur im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstarbeits- und Ruhezeiten zulässig. • Störung des Betriebsfriedens durch die Verletzung der Persönlichkeit anderer Mitarbeiter mittels sexueller Belästigung, diskriminierendem Verhalten, Mobbing o.ä. • Schädigung des Arbeitgebers durch unerlaubte oder übermässige Nutzung der betriebseigenen Mittel, Materialien, Maschinen usw. für private Zwecke. • Verletzung der Geheimhaltungspflicht, der Mitteilungs- und Auskunftspflicht: Der Arbeitgeber ist unaufgefordert, wahrheitsgetreu, vollständig und rechtzeitig über alle für den Arbeitgeber wesentlichen Tatsachen wie Missstände, Unregelmässigkeiten im Betrieb, Mängel im Gesundheitsschutz, Absenzen und eingetretene oder drohende Schäden zu informieren. • Unterstützungspflichten in Notsituationen: In Notsituationen kann vom Arbeitnehmer ausnahmsweise verlangt werden, dass er auch eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit verrichtet. Selbst die Verlegung des Arbeitsortes kann unter Umständen angeordnet werden, sofern dringliche betriebliche Bedürfnisse dies erfordern und der Wechsel zumutbar ist. • Ausserdienstliche Pflichten bei höheren leitenden Angestellten, die mit dem Betrieb iden­ ti­fiziert werden oder bei sogenannten Tendenzbetrieben wie Kirchen, Parteien usw. Die Gerichtspraxis lässt unter diesem Titel beispielsweise das Verbot nebenamtlicher Tätigkeiten zu, ebenso das Verbot, ohne vorgängige Erlaubnis des Arbeitgebers Verwaltungsratsmandate anzunehmen oder die Vorschrift, im Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers ein einwandfreies Verhalten an den Tag zu legen. Das Gesetz spricht sich über die Folgen einer Treuepflichtverletzung nicht ausdrücklich aus. Die Gerichtspraxis lässt jedoch unterschiedlich intensive Sanktionen zu: Abmahnung, Kür- 58 Einteilung nach Streiff/von Kaenel /Rudolph, Art. 321a, N 4 ff. 43 zung oder Wegfall der Gratifikation, (fristlose) Entlassung, Schadenersatzforderungen bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung bei bestimmten Treuepflichtverletzungen. Ausgeschlossen ist hingegen eine Lohnkürzung. 4. Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Stellenantritt Ein besonderer Fall der Treuepflicht betrifft das Verhalten des Arbeitnehmers bereits vor Stellenantritt: Lange war umstritten, ob eine Kündigung vor Stellenantritt überhaupt zulässig sei. Wurde ein Arbeitsvertrag gültig vereinbart, so wäre nach früherer Lehre die Stelle anzutreten gewesen und die frühestmögliche Kündigungsmöglichkeit wäre am ersten Arbeitstag eingetreten, unter Wahrung einer Kündigungsfrist von sieben Tagen während der Probezeit. Es hätte demnach ein von mindestens einer Seite ungewolltes Arbeitsverhältnis angetreten werden müssen. Heute ist in der Praxis anerkannt, dass damit weder dem Arbeitgeber noch dem Arbeitnehmer gedient ist: Dem Arbeitnehmer nicht, weil er dadurch Zeit für die eigentlich gewünschte Stelle verliert und dem Arbeitgeber nicht, da er die Stelle nicht oder doppelt besetzen und einen Arbeitnehmer bezahlen muss, der gar kein Interesse an einer Einarbeitung in die neue Stelle zeigt. Deshalb wird nach heutiger Gerichtspraxis eine Kündigungsmöglichkeit bereits vor Stellenantritt bejaht, mit der Begründung, die Kündigung sei empfangsbedürftig und beginne ab dem Zeitpunkt zu wirken, ab welchem sie beim Empfänger eingeht. Allerdings kann die Kündigung vor Stellenantritt bei illoyalem Verhalten zu Schadenersatz, in erster Linie aus «culpa in contrahendo» führen, so beispielsweise, wenn ein Arbeitnehmer eine sichere Stelle verlässt, um beim neuen Arbeitgeber zu beginnen, und dieser ihm die zugesagte Stelle im letzten Moment wieder kündigt59. Hinweis Tierärztinnen unterstehen nebst der Treue- und Sorgfaltspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber zusätzlich der Sorgfaltspflicht des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber. Diese beinhaltet die folgenden Aspekte: Die Tierärztin ist seinem Klienten gegenüber zu sorgfältigem Handeln verpflichtet. Er hat nach Good Veterinary Practice und bestem Wissen und Gewissen zu agieren. Dabei wird auf jene Sorgfalt abgestellt, die von einem aufmerksamen Durchschnittsarzt zu erwarten wäre. Die Sorgfaltspflicht gilt als verletzt, wenn er seine Aufklärungspflichten verletzt, wenn die Tierärztin ohne Einwilligung des Tierhalters handelt, ihr für die Behandlung notwendigen Kenntnisse, Erfahrungen sowie Aus- und Weiterbildungen fehlen, sie nicht die ungefährlichste Behandlung wählt oder sie Befunde nicht ausreichend dokumentiert. Drohende Folgen der Sorgfaltspflichtverletzung sind der Verlust des Honorars und Schadenersatzforderungen des Tierhalters. 59 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 335b, N 11. 44 Fazit • Bei der unbewilligten Entnahme von praxiseigenem Tierfutter für die eigenen Haustiere zuhause handelt es sich um eine widerrechtliche Schädigung des Arbeitgebers. Arbeitsrechtlich stellt sie eine Verletzung der Treuepflicht dar und kann Sanktionen bis hin zur fristlosen Kündigung nach sich ziehen. • Zuwendungen einer Kundin sollten dem Arbeitgeber in jedem Fall gemeldet werden. Mit Geldbeträgen ist nach Weisung des Arbeitgebers zu verfahren. Oft sind diese in einem Personalreglement geregelt. Mehrmals monatlich CHF 100.– überschreiten die Grenze von «Gelegenheitsgeschenken» bei weitem. •Die Kopie der Praxis-Festplatte stellt arbeitsrechtlich eine Verletzung der Treuepflicht dar. Sie kann zu einer Klage auf Herausgabe der Daten und auf Unterlassung der Nutzung sowie zu Schadenersatzleistungen führen. 45 VI. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Einleitende Fragen • Können Sie Ihre Arbeitnehmer in der Praxis zwingen, sich gegen Grippe impfen zu lassen? • Ihr neuer Mitarbeiter verlangt, dass für ihn eine Herren-Toilette zur Verfügung gestellt werden muss. • Nachdem Ihre Kollegin aufgrund einer komplizierten Schwangerschaft ausfällt, übernehmen Sie seit Monaten sämtliche Notfall-, Nacht- und Bereitschaftsdienste zusätzlich zu Ihrem ebenso erhöhten Pensum von ca. 150 %. Mittlerweile haben Sie Konzentrationsschwierigkeiten, Schlaf- und Essstörungen; in ihrer Beziehung kriselt es. Als Sie nach einer Woche Krankheit wieder zur Arbeit erscheinen, übergibt Ihnen der Chef die Kündigung, da er jemanden «absolut Zuverlässigen» brauche. 1. Überblick über die Arbeitgeberpflichten Aufgrund der persönlichen Komponente des Arbeitsverhältnisses trifft den Arbeitgeber – nebst der Lohnzahlungspflicht (Art. 322 ff. OR), der Pflicht, Arbeitsgeräte, Material und Auslagen zur Verfügung zu stellen bzw. diese zu ersetzen (Art. 327 ff. OR) sowie die Lohnansprüche des Arbeitnehmers auch für das Alter zu sichern, auch die Pflicht, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen (Art. 328 OR). Dies wird als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bezeichnet. Art. 328 OR VII. Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers 1. im Allgemeinen Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf 1 dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen.1 Er hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2 die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushaltes angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann.2 Aus Art. 328 OR leitet sich die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als Pendent zur Treuepflicht des Arbeitnehmers ab. Demzufolge hat der Arbeitgeber «alles zu unterlassen hat, was den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers widerspricht»60. Diese allgemeine Fürsorgepflicht wird durch zahlreiche Einzelvorschriften in verschiedenen Gesetzen näher umschrieben und durch die Gerichtspraxis ständig weiter entwickelt. Zu ersteren sind die Fürsorgepflichten bei Hausgemeinschaften zu zählen (Art. 328a OR), der Datenschutz (Art. 328b OR), die Gleichstellung von Mann und Frau (Art. 1ff. GlG), die Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall oder Schwangerschaft (324a/b OR), die Pflicht, Ferien und Urlaub zu gewähren (Art. 329a ff.), die Pflicht zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses (Art. 330a OR) und die Pflicht, den Arbeitnehmer innert Monatsfrist über die Eckdaten seines Arbeitsvertrages (Art. 330b OR) schriftlich aufzuklären. In 60 Brühwiler, Art. 328, I. 46 der Praxis haben sich ausserdem der Schutz vor Mobbing, vor Stress, der Schutz der Vermögensinteressen sowie der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. das Diskriminierungsverbot herausgebildet61. Geschützt sind die Rechtsgüter Leben, Gesundheit, körperliche und geistige Inte­grität, die persönliche und berufliche Ehre, Stellung und Ansehen im Betrieb, Privat- und Geheimsphäre, die Freiheit der persönlichen Meinungsäusserung, die Freiheit der gewerkschaftlichen Organisation. Dabei ist grundsätzlich immer eine Güterabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers einerseits und denjenigen des Arbeitnehmers andererseits vorzunehmen. Für medizinisches Personal kann z.B. ein Impfzwang gerechtfertigt werden. Dabei stellt der durch den Impfzwang erfolgte Eingriff in die persönliche Integrität des betroffenen Arbeitnehmers ein weniger schützenswertes Rechtsgut dar, als die durch eine allfällige Ansteckungsgefahr bedrohte Gesundheit des Patienten. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers umfasst auch den Schutz des Arbeitnehmers vor Persönlichkeitsverletzungen durch Dritte (Mitarbeitende, Vorgesetzte, Kunden, Lieferanten). Ergreift ein Arbeitgeber die gebotenen Massnahmen nicht oder nur ungenügend, so schuldet er dem von der Persönlichkeitsverletzung betroffenen Arbeitnehmer Schadenersatz und gegebenenfalls Genugtuung. 2. Gesundheitsschutz und Schutz der Integrität des Arbeitnehmers Aus der Pflicht zum Schutz der Gesundheit geht nebst den eigentlichen Gesundheitsschutzvorschriften (Tragen von Schutzkleidung, Installation von Schutzvorrichtungen an Geräten und Maschinen, Befolgung der neusten technischen Regeln und Erkenntnisse sowie Mitwirkung an behördlichen Kontrollen) hervor, dass der Arbeitgeber die Integrität des Arbeitnehmers zu schützen hat. Er darf den Arbeitnehmer nicht überfordern oder überanstrengen, ihn mit Arbeit nicht so belasten, dass seine Gesundheit geschädigt oder gefährdet werden könnte und er hat ihn vor Diskriminierung aufgrund von Rasse, Ethnie, Religion, sexueller Ausrichtung usw. zu schützen. Die Schutzpflichten des Arbeitsgesetzes zum Gesundheitsschutz kommen konsequenterweise für alle Arbeitnehmer zur Anwendung, nicht nur für die dem Arbeitsgesetz unterstellten. Art. 2 ArGV 3 hält zudem fest, dass der Arbeitgeber «alle Massnahmen treffen muss, die nötig sind, um die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten». Er darf also ein Arbeits­ klima, das die psychische Gesundheit des «durchschnittlichen» Arbeitnehmers gefährdet, weder selbst schaffen noch ein solches dulden. Hierunter fallen insbesondere Sachverhalte wie Mobbing, Stress, Diskriminierung und (sexuelle) Belästigung. 2.1Mobbing Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist Mobbing charakterisiert durch «systematisches, feindliches, regelmässig über einen längeren Zeitraum von mindestens drei Monaten anhaltendes Verhalten, mit der eine Person am Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder sogar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll»62. Mobbing tritt in vielerlei Erscheinungsformen auf: Einschränkung der Rede- und Kommunikationsmöglichkeiten, Verbreiten von Gerüchten, Übertragen von sinnlosen, keinerlei oder überfordernden Aufgaben bis hin zu Drohungen, Verung- 61 Brühwiler, Art. 328, I. 62 BGer 8C_902/2012 vom 18.09.2013 E. 4.2; BGer 2A.312/2004 vom 22.4.2005 E. 6.2, zit. in Brühwiler, Art. 328, IV, N 6. 47 limpfungen ohne Vorliegen betrieblicher oder marktbedingter Gründe, somit aus Gründen der Geringschätzung oder Schikane. Darunter fallen auch Zurückstufungen, Lohnreduktionen, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen usw. Mobbing liegt jedoch nicht vor, wenn das Arbeitsklima generell schlecht ist, bei «gewöhnlichen» Arbeitskonflikten oder in Situationen, in welchen nicht eine konkrete Person oder Personengruppe im Focus der schädigenden Handlungen steht63. 2.2Stresshaftung Stress ist eine vom Arbeitnehmer negativ empfundene Überlastung am Arbeitsplatz, die primär von Arbeitsüberlastung oder Leistungsdruck hervorgerufen wird, aber auch durch Faktoren wie Lärm, Hitze, Nacht- und Sonntagsarbeit, einseitiger Fliessbandarbeit, Passivrauchen oder Arbeit auf Abruf bedingt sein kann. Der Arbeitgeber ist gestützt auf ArGV 3 dazu verpflichtet, eine übermässig starke oder einseitige Beanspruchung der Arbeitnehmer zu vermeiden. Er muss diesbezüglich Vorkehrungen treffen und diese in regelmässigen Abständen auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. Insbesondere hat er die Arbeit im Betrieb so zu organisieren, dass sich die Reserven der Arbeitnehmer nicht nachhaltig erschöpfen und namentlich nicht Burnout-Syndrome auftreten64. Die daraus resultierende «Stresshaftung» ist eine vertragliche Haftung nach Art. 97 OR, gleichzeitig jedoch auch eine deliktische Haftung gem. Art. 41 ff. OR. Rechtsfolge kann neben Schadenersatz gestützt auf Art. 28a Abs. 2 ZGB (Persönlichkeitsverletzung), Art. 47 und 49 OR auch Genugtuung sein. 2.3Diskriminierungsverbot Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung leitet die Praxis ein eigentliches Diskriminierungsverbot aufgrund von Religion, Ethnie, sexueller Ausrichtung oder Geschlechterzugehörigkeit ab. Seit dem 1.1.2014 gilt darüber hinaus ein spezielles Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG)65. Dieses Gesetz ist zwar direkt und als Ganzes nur auf Arbeitsverhältnisse nach Bundespersonalgesetz anwendbar. Sein Schutz strahlt indirekt jedoch auch auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse aus, da der Arbeitgeber einer Persönlichkeitsverletzung zwingend entgegentreten muss, wenn diese gegenüber Menschen mit Behinderung aufgrund von deren Beeinträchtigung begangen wird und verletzend, abwertend oder ausgrenzend wirkt66. 2.4 Sexuelle Belästigung Aufgrund des in Art. 328 Abs. 1 OR statuierten Gebotes der «Wahrung der Sittlichkeit» hat der Arbeitgeber für nach Geschlechtern getrennte Umkleidekabinen, Toiletten- und Duschanlagen zu sorgen sowie die Arbeitnehmer vor «unsittlichen Belästigungen» zu schützen. Seit dem Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes per 1.7.1996 wurden spezielle Schutzpflichten des Arbeitgebers gesetzlich verankert, die ihn dazu verpflichten, die notwendigen, angemessenen und zumutbaren Präventionshandlungen gegen sexuelle Belästigung zu treffen. Sexuelle Belästigung wird wie folgt definiert: 63 Brühwiler, Art. 328, IV, N 6. 64 Brühwiler, Art. 328, IV, N 8. 65 Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderung. 66 Botschaft zum BehiG, BBl 2001 S. 1830. Brühwiler, Art. 328, IV, N 16. 48 Art. 4 GlG Diskriminierung durch sexuelle Belästigung67 Diskriminierend ist jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt. Darunter fallen insbesondere Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art. Der Schutz bezieht sich auf Arbeitnehmer beider Geschlechter. Geeignete Präven­tionshandlungen des Arbeitgebers können das Verfassen von Reglementen, Merkblät­tern und Weisungen sein, die Nennung von Anlaufstellen, geeignete Weiterbildungsveranstaltungen für Kadermitarbeiter und dergleichen. 2.5 Schutz vor Passivrauchen Schliesslich fällt unter den Schutz der Gesundheit auch der Schutz des Arbeitnehmers vor Passivrauchen am Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber hat Rauchen in Gemeinschaftsbüros sowie in Räumen, die von mehreren Personen für die Arbeit genutzt werden (z.B. Besprechungs- und Behandlungszimmer, Ställe, Werkstätten, Garagen usw.), gestützt auf das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen (PaRG) und die dazugehörige Verordnung (PaRV) zu verbieten und die Einhaltung des Rauchverbotes durchzusetzen68. Der Arbeitgeber kann – muss aber nicht – geeignete Räume für Raucher zur Verfügung stellen. Er hat jedoch den Rauchern zu ermöglichen, im Freien während der Pausen rauchen zu dürfen. Mit Bussen bis zu CHF 1’000.– hat derjenige zu rechnen, der trotz Rauchverbot in geschlossenen Räumen raucht, sowie auch derjenige Arbeitgeber, der ungeeignete Räume zu Raucherräumen erklärt69. Fazit • Der Impfzwang stellt grundsätzlich einen unzulässigen Eingriff in die persönliche Integrität der Arbeitnehmer dar. Er lässt sich nur durch höhere Interessen rechtfertigen. Konkret muss abgewogen werden, ob der Eingriff durch die Kundeninteressen der Tierhalter, nicht angesteckt zu werden, zu rechtfertigen ist. Anders als bei Humanmedizinern in Spitälern ist hier ein Rechtfertigungsgrund wohl eher zu verneinen, da die Tierhalter in der Regel gesund sind und kein erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht. • Grundsätzlich haben Arbeitnehmer Anspruch auf nach Geschlechtern getrennte HygieneEinrichtungen. Diese Massnahme muss jedoch angesichts der Betriebsgrösse zumutbar sein. Je kleiner eine Tierarztpraxis, je weniger Personal, je enger die finanziellen Verhältnisse der Praxis, desto eher kann auf getrennte Toiletten verzichtet werden. • Der Arbeitgeber ist verantwortlich dafür, dass sich die gesundheitlichen Ressourcen des Arbeitnehmers aufgrund von Überlastung und Überbeanspruchung nicht verbrauchen. Er hat die notwendigen organisatorischen Massnahmen zu ergreifen (Ersatzpersonal, Turnus für Zusatzdienste usw.), ansonsten kann er aus Stresshaftung schadenersatz- und genugtuungspflichtig werden. 67 Definition von «sexueller Belästigung» gemäss Art. 4 Satz 1 GlG. 68 Gemäss Art. 2 Abs.2 PaRG dürfen ausschliesslich Arbeitnehmer in Gastro- und Hotelbetrieben in Raucherräumen beschäftigt werden, und auch dies nur, wenn sie dazu ausdrücklich im Einzelarbeitsvertrag ihre Zustimmung gegeben haben. 69 Art. 5 PaRG. 49 VII. Haftung der Tierärztin – als Arbeitgeberin, als Arbeitnehmerin oder Beauftragte Einleitende Beispiele • Während der Impfung eines Pferdes im Stall schlägt dieses aus. Die Brille Ihrer Assistentin geht kaputt. Der Sachschaden beträgt CHF 850.–. • Nach einer anstrengenden Kälbchengeburt lädt der Bauer noch zu einem «Umtrunk» ein. Ihre völlig übermüdete, leicht angetrunkene Assistentin erleidet auf der Rückfahrt einen Unfall mit dem Praxisauto. Der Sachschaden beträgt CHF 12’000.–. • Ihre TPA zeigt Ihnen völlig verstört verschiedene Mails und SMS Ihres Praxispartners, welche sexuelle Anspielungen und zweideutige Einladungen enthalten. Sie bittet Sie um Hilfe, damit diese für sie sehr unangenehmen und pein­lichen Belästigungen aufhören. In den folgenden Wochen ist Ihr Arbeitsansturm so gross, dass Sie die Angelegenheit vergessen. Als ihre Mitarbeiterin arbeitsunfähig wird, erhalten Sie ein Schreiben eines Rechtsanwaltes, worin Sie zu Schaden­ ersatzzahlungen und Genugtuungsleistungen «für die erlittenen Belästigungen» aufgefordert werden, gegen welche Sie «trotz Hilferufen Ihrer Angestellten nichts unternommen» haben. Forderung: Schadenersatz und Genug­tuung in Höhe von 8 Monatslöhnen. • Sie überlassen Ihre Praxis der Vertretung, welche Sie über die Website der GST gefunden haben und machen sich auf in Ihre wohlverdienten Ferien. Als Sie zurückkommen, ist Ihr neues Gerät infolge einer Fehlmanipulation und nicht fachgemässer Reinigung unbrauchbar. Die Ferienvertretung bedauert den Schaden zwar, meint jedoch, sie könne nichts dafür, sie sei ja nie richtig eingewiesen worden. • Kaum legt sich die Aufregung um das defekte Gerät, erhalten Sie Beschwerdeschreiben von mehreren Tierhaltern, welche sich darüber beklagen, ihre Tiere seien nicht fachgerecht behandelt worden, was die Schmerzen der Tiere unnötig verlängert habe und zu Mehrkosten (durch die notwendig gewordene Zweitkonsultation bei einem anderen Tierarzt) geführt habe. Man sei nicht bereit, die von Ihnen in Rechnung gestellten Behandlungen zu bezahlen. Ausfall von Honoraren in Höhe von ca. CHF 10’000.–. Alle diese Beispiele beschreiben Situationen, in die Sie als Tierärztin – sei es in der Rolle des Arbeitnehmers, des Arbeitgebers oder des Beauftragten – geraten und in welchen Sie sich mit z.T. hohen Geldforderungen konfrontiert sehen können. Daher soll nachstehend etwas ausführlicher auf solche Haftungsfragen eingegangen werden. Das OR unterscheidet grundsätzlich zwischen vertraglicher und ausservertraglicher Haftung. Während die Arbeitnehmerhaftung im OR ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (Art. 321e OR), muss die Arbeitgeberhaftung aus den verschiedenen Schutzbestimmungen abgeleitet werden. 50 1. Allgemeine Haftungsvoraussetzungen für vertragliche Haftung Für die vertragliche Haftung müssen jeweils die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: 1.1 Vorliegen einer Vertragsverletzung Vertragsverletzungen ergeben sich in erster Linie aus der Verletzung der in den vorherigen Kapiteln geschilderten Arbeitnehmer– bzw. Arbeitgeberpflichten. Seitens des Arbeitnehmers kann eine solche im vollständigen Ausbleiben der Arbeitsleistung, in der mangelhaften Arbeitsleistung oder in einer Verletzung der Treuepflicht bestehen. Seitens des Arbeitgebers kommen das Ausstellen eines falschen Zeugnisses, Arbeitgeber­verzug, Verletzungen der vertraglich vereinbarten Pflicht zum Abschluss einer Taggeldversicherung oder die Verletzung von Schutz- und Fürsorge­ pflichten (Schutz vor Diskriminierung, Belästigung, Überarbeitung, Passivrauchen usw.) als Vertragsverletzungen in Frage. 1.2Schaden Einen Schaden kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch unsorgfältige Ausführung der Arbeit, durch Beschädigung von Waren, Materialien, Geräten und Maschinen, durch die Verletzung der Geheimhaltungspflicht, durch Konkurrenzierung des Arbeitgebers oder durch eine Sorgfaltspflichtverletzung zufügen. Ein Schaden kann auch durch Unterlassung entstehen, z.B. wenn der Arbeitnehmer es versäumt, dem Arbeitgeber pflichtgemäss eine Störung zu melden. Dem Arbeitnehmer kann ein Schaden durch entstehende Gesundheitskosten, durch Verdienstausfall, durch Kosten bei der Suche nach einer neuen Stelle usw. entstehen. Als Schaden ist einerseits der unmittelbare Schaden zu verstehen, wie beispielsweise die Beschädigung einer Maschine, andererseits auch der mittelbar verursachte Schaden – der aber dennoch in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit dem Verhalten des Arbeitnehmers bzw. Arbeit­ gebers stehen muss – so beispielsweise der Verlust eines Folgeauftrages, aufgrund der schlechten Arbeitsausführung eines Mitarbeiters oder die bereits in Aussicht gestellte, schlussendlich doch nicht erhaltene Stelle aufgrund einer unvorteilhaften, inhaltlich falschen Referenzauskunft des Arbeitgebers. Grundsätzlich ist jeweils der volle Schaden zu ersetzen. Jedoch zählt Art. 321e Abs. 2 OR einige Kriterien auf, welche zu einer Reduktion der Haftpflicht führen können wie die Beschaffenheit des Arbeitsverhältnisses, ein erhöhtes Berufsrisiko, welches die Tierärztin als Vertreterin eines Medizinalberufs trägt, der Bildungsgrad und die Fachkenntnisse des Arbeitnehmers, sowie Fähigkeiten und Eigenschaften des Mitarbeiters, die der Arbeitgeber hätte kennen müssen. 1.3 Adäquater Kausalzusammenhang Damit ein Arbeitnehmer oder ein Arbeitgeber für einen Schaden haftbar gemacht werden kann, muss zudem ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Schaden bestehen. Ein solcher Zusammenhang wird angenommen, wenn die Sorgfaltspflichtverletzung «nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu bewirken70». Ist ein bloss natürlicher 70 Vgl. Rechtsprechung zur Adäquanz des Kausalzusammenhangs in BGE 122 V 415 E. 2a; BGE 121 V 45 E. 3a S. 49; BGE 121 III 358 E. 5 S. 363, je mit Hinweisen; BGE 113 II 174 E. 2 S. 178; BGE 107 II 238 E. 5a S. 243. 51 Kausalzusammenhang zwischen vertragswidrigem Verhalten und eingetretenem Schaden gegeben, genügt dies hingegen nicht, um eine Haftung auszulösen. 1.4Verschulden Verschulden setzt gemäss Art. 321e OR Absicht oder Fahrlässigkeit voraus. Der Arbeitnehmer haftet grundsätzlich für jedes Verschulden. Die Gerichtspraxis unterscheidet jedoch hinsichtlich des Verschuldensmasses zwischen leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit, wobei die Schadenersatzpflicht bei leichter Fahrlässigkeit regelmässig deutlich reduziert wird. Von leichter Fahrlässigkeit wird gesprochen, wenn etwas nicht beachtet wurde, was bei genauerem Überlegen hätte beachtet werden müssen, während grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass elementare Vorsichtspflichten ausser Acht gelassen wurden, die jeder vernünftige Mensch in derselben Lage beachtet hätte71. Grobe Fahrlässigkeit schliesst in der Regel eine Haftungsreduktion aus. Mittlere Fahrlässigkeit wurde auch vom Bundesgericht bisher nicht genauer definiert, sie wurde lediglich als «zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit liegend» beschrieben72. Mittlere Fahrlässigkeit führt in der Regel zur Reduktion der Haftung im Sinne einer den konkreten Umständen angemessenen Schadensaufteilung. Keinerlei Haftungsreduktion darf hingegen ein Arbeitnehmer erwarten, der eine Schädigung absichtlich herbeigeführt hat. Diese Voraussetzungen müssen unabhängig davon vorliegen, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer haftet. Im Folgenden werden die Haftung des Arbeitnehmers, des Arbeitgebers sowie des Auftragnehmers in Einzelnen vorgestellt. 1.5Beweisregeln Nach der allgemeinen Beweisregel von Art. 8 ZGB hat derjenige die Vertragsverletzung, den Schaden sowie den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen vertragswidrigem Verhalten und Schadenseintritt zu beweisen, der daraus einen Vorteil abzuleiten gedenkt. Will der Arbeitgeber einen Schaden gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen, so steht dem Arbeitnehmer der Entlastungsbeweis für sein angebliches Verschulden zu. Angesichts der gemilderten Sorgfaltspflicht des Arbeitnehmers gemäss Art. 321e Abs. 2 OR sowie der Tatsache, dass der Sachverhalt aufgrund der «Untersuchungsmaxime» ohnehin von Amtes wegen zu ermitteln ist, kommt dieser Beweislastverteilung in der Praxis allerdings keine allzu grosse Bedeutung zu. 2.Arbeitnehmerhaftung Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist in Art. 321e OR wie folgt geregelt: Art. 321e VI.Haftung des Arbeitnehmers Der Arbeitnehmer ist für den Schaden verantwortlich, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt. 1 Das Mass der Sorgfalt, für die der Arbeitnehmer einzustehen hat, bestimmt sich nach dem einzelnen Arbeits- 2 verhältnis, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der Fachkenntnisse, die zu der Arbeit verlangt werden, sowie der Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber gekannt hat oder hätte kennen sollen. 71 BGE 111 II 90 E. 1a. 72 BGE110 II 338 E. a, Brühwiler, Art. 321e, N 4b. 52 Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer den dem Arbeitgeber zugefügten Schaden ganz zu ersetzen. Allerdings kann der Richter bei sehr hohem Schaden aus der Relation zum Lohn des Arbeitnehmers73 für die Schadensbemessung eine Obergrenze festlegen. Zudem führen Umstände wie die Geringfügigkeit des Verschuldens des Arbeitnehmers, das Berufsrisiko, ein Mitverschulden des Arbeitgebers, die Beschaffenheit des Arbeitsverhältnisses oder die Notlage eines Arbeitnehmers zur Reduktion der Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers. 2.1Haftungsmass Für absichtliche Schädigung, insbesondere auch bei deliktischen Handlungen, haftet der Arbei­tnehmer jedoch voll. Dies gilt auch für Eventualvorsatz, wenn also der Arbeitnehmer die Schädigung billigend in Kauf nimmt. Bei Fahrlässigkeit wird zwischen leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit unterschieden. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn «der Arbeitnehmer die nach den Umständen gebotene Aufmerksamkeit oder Sorgfalt missachtet». Dem Arbeitnehmer obliegt insbesondere im Umgang mit teuren Maschinen, Arbeitsgeräten, Materialien, Fahrzeugen usw. des Arbeitgebers eine erhöhte Aufmerksamkeitspflicht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, «wenn elementare Vorsichtspflichten missachtet werden, die sich unter den gegebenen Umständen jedem vernünftigen Menschen aufdrängen müssen74.» Für grobe Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich ebenfalls voll für den angerichteten Schaden, auch ein erhöhtes Berufs­ risiko vermag bei grober Fahrlässigkeit keine Haftungsminderung zu bewirken. Für mittlere und leichte Fahrlässigkeit wird die Schadenersatzpflicht entsprechend herabgesetzt. So hat der Arbeitnehmer bei mittlerer Fahrlässigkeit den Schaden zu einem Teil – meist zur Hälfte – zu ersetzen. Massgebend ist hier der «nach den Umständen im konkreten Einzelfall zu ermittelnde Verschuldensgrad». Ein völliger Wegfall der Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen. Die Haftpflicht des Arbeitnehmers für leichte Fahrlässigkeit hingegen kann durch vertragliche Vereinbarung – sei es im Einzelarbeitsvertrag, sei es im Personalreglement – sogar ganz weg­ bedungen werden75. 2.2 Verjährung und Verzicht Die Schadenersatzforderung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer verjährt grundsätzlich nach 10 Jahren. Verzicht auf Geltendmachung der Schadenersatzforderung wird jedoch angenommen, wenn der Arbeitgeber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den bereits bekannten Schaden weder eine Forderung geltend macht noch diese beziffert hat76 und v.a. auch, wenn er im Arbeitszeugnis bescheinigt, der Arbeitnehmer trete aus dem Arbeitsverhältnis «frei von jeder Verpflichtung» aus77. Erst nachträglich erkannte Schäden können auch später noch geltend gemacht werden, allerdings auch hier im Rahmen der 10jährigen Verjährungsfrist. Art. 321e OR regelt die vertragliche Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Eine von Art. 321e OR zu Ungunsten des Arbeitnehmers abweichende Haftungsvereinbarung ist unzulässig, da Art. 321e OR zu den relativ zwingenden Gesetzesbestimmungen gemäss Art. 362 OR zählt. 73 Brühwiler, Art. 321e N 1. 74 BGE 107 II 167 E. c; BGE 111 II 90 E. 1.a. 75 Zum Ganzen vgl. Brühwiler, Art. 321e OR N.2ff., Streiff/von Kaenel/Rudolph, N 2 ff. 76 BGer ARV 2011 S. 284 ff. 77 BGer JAR 1994 S. 294; JAR 1984 S.112. 53 2.3 Rückgriff auf Dritte Auch für Schäden, die der Arbeitnehmer einem Dritten schuldhaft zufügt, haftet er dem Arbeitgeber. Primär hat in solchen Fällen zwar der Arbeitgeber den Schaden zu ersetzen, jedoch kann er auf den Arbeitnehmer Rückgriff nehmen, wenn er dem Dritten gemäss Art. 101 OR vertraglich verantwortlich ist. Haftet der Arbeitgeber dem Dritten gegenüber ausservertraglich gestützt auf Art. 41ff OR, so hat er gegenüber dem Arbeitnehmer ein Rückgriffsrecht gemäss Art. 55 Abs. 2 OR. 2.4Rechtsfolgen Damit die vertragliche Haftung des Arbeitnehmers zum Tragen kommt, müssen die oben skizzierten allgemeinen Voraussetzungen der vertraglichen Haftpflicht (Vertragsverletzung, Schaden, adäquater Kausalzusammenhang und Verschulden) kumulativ gegeben sein. Kommt der Arbeitnehmer z.B. seiner persönlichen Arbeitspflicht nicht oder nicht genügend nach, so gerät der Arbeitnehmer in Verzug und der Arbeitgeber kann wahlweise die Erfüllung seiner Arbeitspflicht inklusive – unter den oben beschriebenen Voraussetzungen – Schadenersatz verlangen. Er kann die Zahlung des Lohnes verweigern (nicht als Schadenersatz, sondern wegen Ausbleiben der Arbeitsleistung), er kann die Arbeit auf Kosten des fehlbaren Arbeitnehmers von Dritten leisten lassen unter dem Vorbehalt, weitere Schadenersatzforderungen zu stellen, schliesslich kann er – nach erfolgloser Mahnung und Androhung der Konsequenzen – den Arbeitsvertrag fristlos auflösen, und er kann allfällig im Einzel- oder im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehene Vorteile reduzieren, wie z.B. zusätzlich gewährte Ferien, Bonuszahlungen, Erfolgsbeteiligung usw. 3.Arbeitgeberhaftung Entsprechend sind auch bei der Arbeitgeberhaftung die vier Voraussetzungen Vertragsverletzung, Schaden, Verschulden und Adäquater Kausalzusammenhang jeweils zu prüfen. In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer die Vertragsverletzung, den Schaden sowie den adäquaten Kausalzusammenhang zu beweisen, während es dem Arbeitgeber obliegt, das Fehlen eines Verschuldens seinerseits nachzuweisen, um sich von der Haftungspflicht zu befreien. Darüber hinaus bestehen weitere Haftungsgrundlagen wie die unerlaubte Handlung (Art. 41ff. OR), die Haftung für Hilfspersonen (Art. 101 OR), die Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR) oder die Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR). Kommen mehrere dieser Haftungsgründe in Frage, so kann der Arbeitnehmer wählen, auf welche Grundlage er seine Schadenersatzforderungen abstützen möchte. In aller Regel ist für ihn jedoch die Haftung aus Vertrag günstiger, da hier das Verschulden des Arbeitgebers vermutet wird und die Verjährung länger dauert. Aus vertraglicher Haftung wird der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in folgenden Fällen schadenersatzpflichtig: 3.1 Betriebs- und Wirtschaftsrisiko Der Arbeitgeber trägt das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko. Zur Vermeidung des Betriebsrisikos muss er rechtzeitig und vorausschauend die notwendigen Vorbereitungshandlungen treffen, damit gearbeitet werden kann. Gelingt ihm dies nicht, kommt er in Annahmeverzug gemäss Art. 324 OR und haftet dem Arbeitnehmer für den vollen Lohn, wie wenn dieser gearbeitet hätte. 54 Immerhin muss sich der Arbeitnehmer anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart und was er anderweitig erworben hat, bzw. zu erwerben unterlassen hat. Unter Annahmeverzug gerät der Arbeitgeber ausserdem, wenn die Arbeiten technisch zwar möglich sind, er jedoch aus Gründen der Rentabilität darauf verzichtet, diese anzunehmen. Voraussetzung für die Rechtsfolgen des Annahmeverzuges ist jedoch immer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gleichwohl anbietet. Dies hat am rechten Ort, in rechter Weise und in eigener Person zu geschehen. Der Arbeitnehmer ist beweispflichtig dafür, dass er seine Arbeitsleistung wie gewohnt und in guten Treuen angeboten hat. Deshalb empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer dringend, auch in Fällen von Rohstoffengpässen, Elektrizitätsausfall, Defekten an Maschinen oder Fahrzeugen, bei behördlichen Massnahmen oder wirtschaftlichen Engpässen wie gewöhnlich pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen und seinen Arbeitswillen ausdrücklich kundzutun. Dauert der Arbeitsunterbruch länger an, fehlt es an Arbeitsgeräten und Materialien oder ist aus den Umständen zu erwarten, dass ein persönliches Arbeitsangebot sinnlos ist, muss der Arbeitnehmer zwar nicht Tag für Tag am Arbeitsplatz erscheinen, er sollte sein Arbeitsangebot jedoch allein schon aus Beweisgründen in Form eines eingeschriebenen Briefes unterbreiten78. 3.2 Ausstellung eines falschen Zeugnisses Gegenüber dem Arbeitnehmer haftet der Arbeitgeber sowohl für die Ausstellung eines unrichtigen Zeugnisses als auch für ein nicht oder erheblich verspätet erstelltes Arbeitszeugnis aus Vertrag. Der Arbeitgeber hat dann für den Schaden aufzukommen, den der Arbeitnehmer eventuell dadurch erlitten hat, dass ihm die Stellensuche erschwert wurde. Auch gegenüber Dritten kann der Arbeitgeber haftbar werden, wenn er ein unrichtiges, meist zu schönfärberisches Zeugnis erstellt, und der Dritte durch die gestützt auf das gute Zeugnis erfolgte Anstellung des Arbeitnehmers einen Schaden erleidet. Musste einer Tierärztin beispielsweise gekündigt werden, weil ihre Arbeitsethik regelmässig nicht den Anforderungen der Standesregeln entsprach oder weil sie regelmässig bei den Honorarabrechnungen «schwindelte», so haftet der bisherige Arbeitgeber dem neuen Arbeitgeber für ein ausschliesslich lobendes Arbeitszeugnis, das die aufgetretenen Schwierigkeiten komplett verschweigt, soweit sich der Arbeitnehmer auch am neuen Arbeitsort gleicher oder ähnlicher Verhaltensweisen schuldig macht und dem neuen Arbeitgeber dadurch ein Schaden entsteht79. 3.3Betriebsübergang Bei Übergang des Betriebes oder von Betriebsteilen auf einen Dritten – z.B. infolge Praxisübernahme – geht das Arbeitsverhältnis der bisherigen Arbeitnehmer ohne weiteres auf den neuen Arbeitgeber über. Zwar hat der Arbeitnehmer das Recht, diesen automatischen Übergang abzulehnen, womit als Rechtsfolge mit dem Betriebsübergang die Kündigung nach gesetzlichen – nicht vertraglichen! – Fristen zu laufen beginnt. Jedoch haften der alte und der neue Arbeitgeber voll und solidarisch für die Forderungen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, wenngleich «in zeitlich beschränktem Umfang» (Art. 333 Abs.3 OR). Die solidarische Haftung umfasst sämtliche Forderungen, die bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs fällig waren sowie die nach Betriebsübergang fällig werdenden Forderungen; letztere allerdings nur bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zweck dieser Solidarhaftung ist es, dem Arbeitnehmer 78 Brühwiler, Art. 324, N 2. 79 Brühwiler, Art. 330a, N 9. 55 einen besseren Schutz für seine Forderungen zu bieten. Der neue Arbeitgeber haftet demnach solidarisch für sämtliche Forderungen des Arbeitnehmers, selbst wenn er im Verhältnis zum bisherigen Betriebsinhaber diese Forderungen nicht übernommen haben sollte. Die Regelung des automatischen Übergangs der Arbeitsverhältnisse sowie das Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers gelten auch bei Fusionen. Da dort die alte Gesellschaft jedoch untergeht, tritt anstelle der Solidarhaftung das Recht der Arbeitnehmer auf Sicherstellung ihrer Forderungen gegenüber der übernehmenden Gesellschaft. Das hat zur Folge, dass die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, die vor der Fusion persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft hafteten, über die Fusion hinaus persönlich haftbar bleiben für alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, die bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlicher Weise hätte beendet werden können oder (bei Ablehnung des Übergangs) auf den es auch tatsächlich beendet wird80. 3.4 Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten Verletzt ein Arbeitgeber die Schutzvorschriften des Passivrauchergesetzes, so kann der Arbeitnehmer diese mithilfe der arbeitsgesetzlichen Zwangsmassnahmen durchsetzen (lassen). Darüber hinaus kann er auf dem Zivilrechtsweg seine Ansprüche (Schadenersatz, Unterlassungsklage) durchsetzen und er kann – bei erheblicher Belastung durch das Passivrauchen – seine Arbeit niederlegen, womit der Arbeit­geber in Arbeitgeberverzug gerät. Bei Mobbing haftet der Arbeitgeber nach Art. 97 ff. OR sowohl wenn er selbst mobbt als auch dann, wenn er seine Schutzpflichten verletzt hat. Ausserdem kann der Arbeitgeber nach Art. 101 und Art. 55 OR für Hilfspersonen haftbar werden, wenn ein Vorgesetzter mit Führungsfunktion untergebene Personen zu Mobbing animiert oder nicht gegen deren Mobbing einschreitet, obwohl er davon Kenntnis hatte. Mobbende Arbeitnehmer haften gegenüber der betroffenen Person aus unerlaubter Handlung gemäss Art. 41 OR. Bei sexueller Belästigung (auch durch Dritte!) kann der Arbeitgeber zu Entschädigungsleistungen in der Höhe von bis zu sechs durchschnittlichen Monatslöhnen verpflichtet werden. Der Entlastungsbeweis steht dem Arbeitgeber bei Belästigung durch Organpersonen des Arbeitgebers nicht zu81. Diese Entschädigung kann zusätzlich zur Entschädigung wegen missbräuchlicher Entlassung geschuldet sein, und der Arbeitgeber kann dafür nicht auf den Verursacher der Belästigung zurückgreifen. Bei Verschulden des Arbeitgebers kann ausserdem Schadenersatz zugesprochen werden und in besonders schweren Fällen Genugtuung. Hier empfiehlt es sich für den Arbeitgeber daher sehr, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und bereits bei den ersten Anzeichen umgehend, wenn auch umsichtig zu reagieren. Der oder die betroffene Arbeitnehmerin hat zusätzlich gegenüber dem Verursacher Ansprüche und kann diesen ausserdem strafrechtlich belangen. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht nachzuweisen, dass er die zumutbaren, angemessenen und notwendigen Schutzmassnahmen gegen Arbeitsüberlastung vorgenommen hat und erleidet der Arbeitnehmer daraus hervorgehend einen gesundheitlichen Schaden, so haftet der Arbeitgeber sowohl aus vertraglicher Haftung gestützt auf Art. 328 OR (Stresshaftung) als auch aus delik­ tischer Haftung nach Art. 41 OR. Es sind sowohl Schadenersatzforderungen als auch Genug­ tuungsforderungen möglich. 80 Brühwiler, Art. 333 OR, N 2, 4 und 6. 81 BGer 4A_473/2013 vom 2.12.2013, zitiert in Brühwiler, Art. 328 IV, N 4. 56 3.5 Verletzung der Pflicht zum Abschluss einer Taggeldversicherung Der Arbeitgeber wird gegenüber dem Arbeitnehmer aufgrund der Nichterfüllung des Vertrages schadenersatzpflichtig, wenn er die vertraglich vereinbarte Taggeldversicherung nicht abgeschlossen hat. Aberkennt die Taggeldversicherung aufgrund eines Vorbehalts (z.B. wegen vorbestehender Leiden) ihre Leistungspflicht ganz oder teilweise, so lebt die Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR wieder auf. Der Schaden bezieht sich in beiden Fällen auf die ausbleibenden Versicherungsleistungen, d.h., der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer so zu stellen, als wäre die Taggeldversicherung vereinbarungsgemäss abgeschlossen worden und würde ihre Leistungen voll erbringen. Ein solches Versäumnis kann daher für den Arbeitgeber sehr kostspielig werden! Der Arbeitgeber sollte daher zumindest den Vorbehalt, den die Taggeldversicherung in ihren Versicherungsbedingungen anbringt, in den Einzelarbeitsvertrag übernehmen und seine Lohnfortzahlungspflicht für die Fälle, in welchen die Leistungen der Krankentaggeldversicherung entfallen, auf die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht beschränken. Der Arbeitnehmer seinerseits ist gut beraten, allfällige Gesundheitsvorbehalte dem Arbeitgeber bzw. der Versicherung gegenüber wahrheitsgemäss zu melden, da ansonsten die Haftung des Arbeitgebers für ausbleibende Versicherungsleistungen entfällt82. 3.6 Haftung gegenüber Hinterbliebenen Stirbt ein Arbeitnehmer in Ausübung seiner Arbeitstätigkeit, können die Hinter­bliebenen einen sogenannten «Versorgerschaden» (Art. 45 Abs. 3 OR) sowie Genugtuungsleistungen (Art. 47 OR) einfordern. Hierbei handelt es sich jedoch nicht mehr um eine vertragliche Haftung, sondern um Haftung aus unerlaubter Handlung gemäss Art. 41 ff. OR (wegen Tötung). In diesem Fall ist zu beachten, dass die Verjährung bereits nach einem Jahr eintritt83 und dass Genugtuungsleistungen kein Verschulden des betroffenen Arbeitgebers voraussetzen, sondern sich «aus den besonderen Umständen» gemäss Art. 47 OR ableiten lassen. Damit sollen der Art und Dauer der Verletzung, Verstümmelung, Entstellung, Intensität der erlittenen Schmerzen und Behinderungen, Dauer des Krankenlagers und der Arbeitsunfähigkeit, Grad der Invalidität und Zerstörung allfälliger Berufsaussichten Rechnung getragen werden84. Bei der Berechnung der Genugtuungssumme sind das Verschulden des Arbeitgebers und ein allfälliges Mitverschulden des Arbeitnehmers allerdings zu berücksichtigen. 4. Haftung aus Auftrag Die Tierärztin haftet nicht nur als Arbeitgeberin bzw. Arbeitnehmerin, sondern gegenüber ihren Kunden auch aus Auftrags-, allenfalls Werkvertragsrecht. Nach Art. 394 Abs. 1 OR und Art. 396 OR ist der Beauftragte verpflichtet, den Auftrag vertragsgemäss auszuführen. Er ist an die Weisungen des Auftraggebers gebunden. Dabei ist das Vertrauen des Tierhalters in die Tierärztin von besonderer Bedeutung. Entsprechend ist die beauftragte Tierärztin verpflichtet, die Interessen des Auftraggebers zu wahren. Sie unterliegt jedoch im Gegensatz zu einem Humanmediziner nach herrschender Lehre nicht der strafrechtlich sanktionierten Geheimhaltungspflicht (Art. 321 82 Brühwiler, Art. 324q, N 23. 83 Brühwiler, Art. 328, N 17. 84 Brühwiler, Art. 328, N 17. 57 StGB) in Bezug auf das, was ihr anvertraut worden ist. So dürfen Krankengeschichten nicht an neue Tiereigentümer herausgegeben werden, ohne dass der bisherige Eigentümer ausdrücklich seine Einwilligung gegeben hat. Dies gilt insbesondere auch in Fällen, in welchen der Tierarzt Kenntnis hat von Angaben, welche der Verkäufer dem Erwerber arglistig verschwiegen hat und wo der bisherige Tiereigentümer seine Einwilligung zur Entbindung vom Berufsgeheimnis verweigert. Hier kann der Käufer die Herausgabe der entsprechenden Akten lediglich durch eine entsprechende gerichtliche Verfügung erwirken. Für den Tierarzt empfiehlt es sich, sich die Entbindung von der Schweigepflicht aus Beweisgründen schriftlich erteilen zu lassen. Was das geschuldete Mass an Sorgfalt angeht, verweist Art. 398 Abs. 1 OR auf die Haftung des Arbeitnehmers. Die beauftragte Tierärztin als medizinische Fachperson haftet jedoch regelmässig strenger als ein blosser Arbeitnehmer, da sich der Tierhalter als Auftraggeber darauf verlassen darf, dass die Tierärztin über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten für ihre Tätigkeit verfügt. Massgebend sind immer die Umstände im Einzelfall85. Eine vertragliche Beschränkung der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ist auch im Auftragsrecht grundsätzlich zulässig. Gemäss Art. 398 Abs. 3 OR hat die beauftragte Tierärztin das Geschäft persönlich zu besorgen, ausser wenn sie zur Übertragung an einen Dritten (z.B. an seinen Praxispartner) ermächtigt oder durch die Umstände gezwungen ist oder wenn eine Vertretung üblicherweise als zulässig erachtet wird (Art. 399 OR). Gemäss Art. 399 Abs. 2 OR haftet der Beauftragte bei einer befugten Substitution nur für sorgfältige Auswahl und Instruktion des Substituten. Schliesslich hat der Beauftragte den Auftraggeber angemessen über seine Tätigkeit sowie die damit zusammenhängenden Chancen und Risiken zu informieren. Auf Verlangen des Auftraggebers hat er jederzeit Rechnung abzulegen. Der Auftraggeber hat dem Beauftragten im Normalfall ein Honorar zu bezahlen (Art. 394 Abs. 3 OR). Entsprechend den Regelungen beim Kauf oder Werkvertrag ist das Honorar zu mindern, wenn der Beauftragte den Auftrag unsorgfältig ausgeführt hat (BGE 124 III 423)86. Schliesslich haftet er gegenüber den Kunden für seine Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR bzw. ausservertraglich nach Art. 55 OR. Fazit Um einen Schaden geltend zu machen, sind jeweils die Haftungsvoraussetzungen zu prüfen: Liegt eine Vertragsverletzung vor? Wie hoch ist der Schaden und in welchem Umfang ist dieser zu beweisen? Liegt ein Verschulden vor und falls ja, in welchem Ausmass? Handelt es sich um Absicht, Eventualvorsatz oder Fahrlässigkeit? Handelt es sich um grobe, mittlere oder leichte Fahrlässigkeit? Ist der Kausalzusammenhang zwischen schädigender Handlung und Schaden adäquat? Bestehen Haftungsreduktionsgründe oder gibt es gar einen Haftungsvorbehalt? Sofern die Haftungspflicht erwiesen ist: Besteht eventuell die Möglichkeit, Rückgriff auf einen Dritten zu nehmen? In jedem Fall sind die Gesamtumstände zu würdigen! 85 BGE 117 II 563; 119 II 249; 119 II 333; 119 II 456; 124 III 155; 127 III 357. 86http://www.gerichte-zh.ch/themen/auftrag/rechte-und-pflichten.html. 59 VIII. Arbeitszeit, Überstunden- und Überzeitarbeit Einleitende Fragen • Gilt das Spazierengehen mit den Hunden, welche zur Behandlung in der Praxis bleiben müssen, als Arbeitszeit? • Wie verhält es sich diesbezüglich mit den sogenannten Stillzeiten? • Inwiefern gelten mein Arbeitsweg sowie die Wege zwischen verschiedenen Einsatzorten als Arbeitszeit? • Welche Sondervorschriften des Arbeitsgesetzes gelten für Tierarztpraxen und Tier­ kliniken? • Gilt die Zeit für eine Weiterbildung, welche vom Arbeitgeber angeordnet wurde, als Arbeitszeit? • Können Kadermitarbeiter zu ständiger Erreichbarkeit verpflichtet werden? 1.Arbeitszeit Bereits 1748 prägte Benjamin Franklin in seinem Buch «Ratschläge für junge Kaufleute» das heute weit verbreitete Sprichwort «Zeit ist Geld!». Mit Bezug auf die Arbeitszeit ist diese Aussage wörtlich zu nehmen: Arbeitnehmer werden i.d.R. nicht für eigentliche Arbeitsleistungen bezahlt, sondern für «diejenige Zeit, während der sich der Arbeitnehmer für die Bedürfnisse des Arbeitgebers zur Verfügung zu halten hat87». Dies gilt sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Betriebes, sofern er über seine eigene Zeit nicht frei verfügen kann88. Wann immer der Arbeitnehmer seine Zeit nach dem Willen oder im hauptsächlichen Interesse des Arbeitgebers verbringt und dessen Weisungsgewalt untersteht89, handelt es sich somit um Arbeitszeit. Unter Arbeitszeit fallen daher auch der Bereitschaftsdienst, bei welchem sich der Arbeitnehmer lediglich für einen möglichen Arbeitseinsatz bereit zu halten hat, sowie durch den Arbeitgeber angeordnete oder für die Ausübung der fraglichen Funktion gesetzlich vorgeschriebene Weiterbildungen90. Entsprechend gelten auch der Spaziergang mit den in der Praxis operierten Hunden, ausserhalb der regulären Arbeitszeit gelegene Sitzungen, verpflichtende Weiterbildungen sowie Wegzeiten von einem Einsatz­ort zum nächsten als Arbeitszeit – nicht jedoch der Arbeitsweg als «Weg von und zum gewöhnlichen Arbeitsort». 87 Art. 13 ArGV1. 88 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 321, N 9. 89 Geiser, Art. 9, Rz. 5. 90 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 321, N 9. 60 Hinweis Stetige Weiterbildung nach dem Studium ist Voraussetzung für den tierärzt­lichen Alltag. An den Universitäten können Studierende wissenschaftliche Themen aufarbeiten (Doktorarbeit). Die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) bietet ein Weiterbildungsangebot in allen Bereichen an (inkl. Spezialisierung mit FVH-Titel). Quelle: Flyer zum Studium Veterinärmedizin der UZH VetSuisse – Fakultät Die Sollarbeitszeit wird in der Regel vertraglich festgelegt, sei es im Einzelarbeitsvertrag oder in einem Personalreglement, sei es in einem Gesamtarbeitsvertrag. Wo dies nicht geschehen ist, kann der Arbeitgeber Umfang und Lage der Arbeitszeit durch Weisung bestimmen91. Die Arbeitszeit kann sich allerdings auch einfach aus der ausgeübten Funktion ergeben, sie muss jedoch «bestimmbar» sein. Zulässig sind auch ergebnisorientierte Bestimmbarkeit der Arbeitszeit sowie blosse Bandbreiten («zwischen 40 und 46 Stunden wöchentlich»92). Haben die Parteien nichts ausdrücklich vereinbart, so gilt zunächst die «betrieblich übliche», dann die «branchenübliche» und letztlich die «ortsübliche» Arbeitszeit. Die Sollarbeitszeit wird entweder als Brutto- oder als Nettoarbeitszeit vereinbart. Mit Brutto­ arbeitszeit ist die Arbeitszeit inklusive allfälliger Pausen93, mit Netto­arbeitszeit die Arbeitszeit nach Abzug sämtlicher Pausen gemeint. Aus dem zunehmenden Bedürfnis nach Flexibilisierung der Arbeitszeit hat die Praxis verschiedene Arbeitszeitmodelle herausgebildet. Dazu sind die unterschiedlichen Formen der Teilzeitarbeit, die Schichtarbeit, sowie die Jahresarbeitszeit mit dem Gleitzeitmodell, aber auch das Job­ sharing94, die Arbeit auf Abruf, die Vertrauensarbeitszeit95 sowie für wirtschaftlich schwächere Zeiten die Kurzarbeit zu zählen. Mittlerweile hat sich das System der Jahresarbeitszeit, bei welchem die tägliche, wöchentliche und monatliche Arbeitszeit unterschiedlich ausfallen und sich erst über das ganze Jahr hin ausgleichen, etabliert. Diese Regelung erfolgt häufig in Kombination mit dem Gleitzeitsystem, bei welchem die Arbeitnehmer täglich zu gewissen Zeiten fest anwesend sein müssen (sog. «Blockzeiten»), während den übrigen Zeiten jedoch frei darüber verfügen können, wie sie ihre Arbeitszeit erwirtschaften96. Das Obligationenrecht enthält keine Vorschriften über Mindest- oder Höchstarbeitszeiten. Hingegen sind die Bestimmungen über die Arbeitszeit öffentlich-rechtlich im Arbeitsgesetz und den dazugehörigen Verordnungen geregelt. Sie sind für diejenigen Arbeitnehmer zwingend anzuwenden, die dem Arbeitsgesetz unterstehen97. Aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Natur können diese zwingenden Bestimmungen auch mittels behördlichen Zwangsmassnahmen durchgesetzt werden. 91 Brühwiler, S. 60. 92 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 321, N 9. 93 Zu den gesetzlichen Pausenregelungen siehe unter Kapitel VIII. 94 Vgl. Kapitel IV. 95 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 321, N 9. 96 Brühwiler, S. 61. 97 Vgl. hierzu Kapitel VIII. 61 2. Überstundenarbeit Als Überstunden werden diejenigen Arbeiten bezeichnet, welche über das vereinbarte Mass hinaus geleistet werden, die jedoch unterhalb der arbeitsgesetzlichen Höchstarbeitszeiten von 45 bzw. 50 Stunden pro Woche liegen. Dies gilt auch für Teilzeitangestellte, die ohne anderslautende Vereinbarung bereits dann Überstunden leisten, wenn sie ihr vertraglich vereinbartes Pensum erreicht haben (also nicht erst bei Überschreitung der betrieblichen Sollzeit). Der Arbeitnehmer ist zur Leistung von Überstunden aufgrund von Art. 321c OR verpflichtet, soweit sie notwendig und zumutbar sind und er sie zu leisten vermag. Nicht zumutbar ist Überstundenarbeit z.B. dann, wenn der Arbeitgeber diese durch eine zweckmässige Arbeitseinteilung oder durch eine vernünftigerweise angezeigte (und dem Arbeitgeber zumutbare) Einstellung von Personal vermeiden könnte. Unzumutbar ist Überstundenarbeit auch für einen bereits ausserberuflich ausgelasteten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht zusätzlich belastbaren Arbeitnehmer98. Überstundenarbeit muss vom Arbeitgeber angeordnet oder nachträglich bewilligt werden. Das OR sieht als Kompensation für die Überstundenarbeit einen Lohnzuschlag von «mindestens einem Viertel» vor. Mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers kann die Überstundenarbeit stattdessen mit Freizeit von gleicher Dauer kompensiert werden. Schriftlich können die Parteien jedoch auch andere Regelungen treffen oder von einer Kompensation ganz absehen. Mündliche Abmachungen oder gar einseitige Anordnungen des Arbeitgebers genügen jedoch nicht99. Nach den allgemeinen Beweisregeln des Art. 8 ZGB hat derjenige die Überstunden zu beweisen, der daraus Vorteile abzuleiten gedenkt; in aller Regel ist dies der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kann diese Pflicht zwar an den Arbeitnehmer delegieren: er bleibt letztlich jedoch verantwortlich für deren Dokumentation. Es empfiehlt sich schon aus diesem Grund, die Arbeitszeiten genau zu erfassen. Wer Überstunden aus eigenem Antrieb leistet, muss darüber hinaus nachweisen können, dass diese notwendig waren. Für Kaderleute wird oft stillschweigend oder ausdrücklich eine längere als für das übrige Perso­nal geltende Sollarbeitszeit vereinbart, wobei davon ausgegangen wird, dass der betroffene Arbeit­ nehmer diejenige Arbeitszeit aufwendet, welche für die Erfüllung der ihm übertragenen Arbeit erforderlich ist. Als Ausgleich für diese zeitliche Mehrleistung wird seitens der Arbeitgeber ein höherer Lohn, eventuell mehr Ferien und die grössere Freiheit in der Arbeitszeiteinteilung gesehen100. In solchen Fällen ist fraglich, ob es sich um eigentliche Überstundenarbeit handelt oder nicht vielmehr um eine vertraglich vereinbarte Mehrleistung. Ausnahmsweise haben Kaderangestellte gemäss Bundesgerichtspraxis gleichwohl Anspruch auf Überstunden­entschädigung, wenn im Arbeitsvertrag eine Normalarbeitszeit vereinbart wurde oder wenn dem Arbeitnehmer zusätzlich zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten erhebliche weitere Aufgaben übertragen wurden oder wenn die Bezahlung der Überstunden vereinbart wurde oder wenn die gesamte Belegschaft über längere Zeit in wesentlichem Umfang Überstunden leistete101. 98 Schürer, S. 126. 99 Bräunlich, S. 106. 100 Brühwiler, Art. 321c, N 2e. 101 BGE 4C.96/1992 vom 1. und 15.9.1992; Bräunlich, S. 107. 62 3. Überzeit Als Überzeitarbeit i.S.v. Art. 12 und 13 ArG gelten diejenigen Arbeitsstunden, welche die in Art. 9 ArG festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit überschreiten. Sobald demnach die Grenze der zulässigen Höchstarbeitszeit überschritten wird, werden die entsprechenden Arbeitsstunden nicht mehr nach Art. 321c OR als Überstundenarbeit behandelt, sondern es kommen die Regelungen des Arbeitsgesetzes zur Anwendung. Überzeitarbeit ist zwingend zu kompensieren, entweder durch einen Lohnzuschlag von 25 % oder mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers durch Ausgleich mit Freizeit von gleicher Dauer innert angemessener Frist. Im Gegensatz zur Überstundenarbeit darf die Kompensation der Überzeitarbeit also nicht vertraglich wegbedungen werden102. Überzeit darf vom Arbeitgeber nur «ausnahmsweise» in spezifischen Situationen angeordnet werden, die Voraussetzungen dazu sind in Art. 12 ArG abschliessend aufgezählt. Demnach darf Überzeit nur wegen «Dringlichkeit der Arbeit oder ausserordentlichen Arbeitsandrangs, für Inventaraufnahmen103, Rechnungsabschlüsse oder Liquidationsarbeiten und zur Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen, wenn keine anderen Massnahmen zumutbar sind» angeordnet werden. Zudem ist Überzeit nur im Rahmen von strengen zeitlichen Grenzen möglich und darf weder in der Nacht noch am Sonntag geleistet werden. So darf die Überzeit für den einzelnen Arbeitnehmer zwei Stunden pro Tag nicht überschreiten, innerhalb eines Kalenderjahres darf nicht mehr als 170 bzw. für Tierärztinnen 140 Stunden104 Überzeitarbeit anfallen und die Überzeitstunden können auch nicht innerhalb des Jahres kompensiert und neu angehäuft werden. Schliesslich bestehen Schutzbestimmungen zugunsten Jugendlicher und Arbeitnehmer mit Familienpflichten, wozu auch die Betreuung der Haustiere zählt, sowie ein Verbot der Überzeitarbeit in der Nacht und an Sonntagen. Für schwangere Frauen und stillende Mütter besteht ein komplettes Verbot, Überzeitarbeit zu leisten, selbst mit Zustimmung der betroffenen Frau. Auch Kaderleute fallen grundsätzlich unter die Überzeitenregelung des Arbeitsgesetzes, wobei der arbeitsgesetzliche Begriff der Kaderleute sehr eng auszulegen ist und lediglich für die höchste Führungsriege eines Unternehmens mit strategischer und finanzieller Entscheidungskompetenz gilt. Für Kaderleute im genannten Sinn gilt eine erleichterte Dokumentationspflicht, welche nur die Stundenzahl sowie die grundsätzliche Verpflichtung zur Einhaltung der Pausen umfasst. Allerdings müssen Kaderleute eine entsprechende Erklärung, wie sie die Pausenzeiten einzuhalten gedenken, unterzeichnen. Von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind somit nur die «höheren leitenden Angestellten», welche Führungsverantwortung für die strategische Ausrichtung des Betriebes tragen105. Darunter fällt jedoch nur die allerhöchste Führungsriege eines Unternehmens, welche massgeblich die Geschicke des Unternehmens lenkt und somit strategischen, finanzielle und personelle Verantwortung trägt. 102 Für Büropersonal, technische und andere Angestellte mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels ist der Zuschlag allerdings erst für Überzeitarbeit, die 60 Stunden im Kalenderjahr übersteigt, geschuldet (Art. 13 Abs. 1 ArG). 103 Geiser, S. 218 ff. 104 170 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden, 140 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden. 105 Kapitel VIII. 63 Unterschiede Überstunden – Überzeit Überstunden entstehen, wenn der Arbeitnehmer auf Geheiss des Arbeitgebers oder mit dessen nachträglicher Einwilligung über seine Sollarbeitszeit hinaus Mehrstunden leistet. Der Arbeitnehmer ist zur Leistung von Überstunden verpflichtet, soweit er dazu in der Lage ist und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden können (Art. 321c OR). Überstundenarbeit wird grundsätzlich mit Freizeit von gleicher Dauer ausgeglichen, vertraglich kann die finanzielle Entschädigung wegbedungen werden, und zwar auch pauschal. Nur wenn weder mit Freizeit ausgeglichen noch eine finanzielle Entschädigung wegbedungen wird, so hat der Arbeitgeber die Überstundenarbeit mit einem Lohnzuschlag von mindestens 25 % abzugelten. Von Überzeit spricht man, wenn diese Mehrstunden die Grenze der zulässigen Höchst­ arbeitszeit überschreiten. Überzeit darf nur in eng umgrenzenden Fällen angeordnet werden. Für Überzeitarbeit gilt ein gesetzlich vorgeschriebener Lohnzuschlag von 25 %, sofern nicht der einzelne Arbeitnehmer einem Ausgleich durch Freizeit von gleicher Dauer zugestimmt hat. Im Gegensatz zur Überstundenarbeit darf die Kompensation der Überzeitarbeit also nicht vertraglich wegbedungen werden. Und: auf keinen Fall können Überstunden- und Überzeitzuschläge kumuliert werden! Beispiel: Bei einer Sollarbeitszeit von 45 Stunden pro Woche und einer Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche handelt es sich ab der 46. bis und mit der 50. Stunde um Überstundenarbeit. Die Arbeitszeit, die über die 50. Arbeitsstunde hinaus geleistet wird, ist Überzeitarbeit. 65 IX. Höchstarbeits- und Ruhezeiten gemäss Arbeitsgesetz Die öffentlich–rechtlichen Arbeitszeitvorschriften bezwecken insbesondere den Schutz der Gesundheit, des Familienlebens sowie der persönlichen, kulturellen und sozialen Entfaltung des Arbeitnehmers. Sie sind daher zwingend einzuhalten. Darunter fallen: tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit (Art. 9 – 12 ArG, 22 – 24 ArGV1), Ruhezeiten und Pausen (Art. 15f. und 21f. ArG, Art. 18 – 21 ArGV1), Nachtarbeit (Art. 16 – 17e ArG, Art. 27 – 30 ArGV1 inkl. Sondervorschriften für Tierkliniken und Tierarztpraxen, Art. 18, 21 ArGV 2), Sonntags- und Feiertags­arbeit (Art. 18 – 20a ArG, Art. 27f. ArGV1), Ununterbrochene Betriebs- und Schichtarbeit (Art. 24f. ArG, Art. 34 – 39 ArGV1), Arbeitszeit im Zusammenhang mit Arbeitseinsatz von Jugendlichen (Art. 31 ArG, ArGV 5), Arbeitszeit von Schwangeren und Müttern (Art. 35a ArG, Art. 60 – 62 und 64 ArGV1, Mutterschutzverordnung), Mitwirkungsrechte und Ankündigungsfristen bei der Arbeitszeitplanung (Art. 48 ArG, Art. 69 Abs.1 ArGV1) sowie die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitszeit zu erfassen (Art. 73 ArGV1). 1. Tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit106 1.1 Wöchentliche Höchstarbeitszeit Das Arbeitsgesetz baut auf der Grundlage einer höchstzulässigen Wochenarbeitszeit auf. Dabei kann die Wochenarbeitszeit frei auf die Tage verteilt werden. Deshalb kennen wir heute sowohl die Sieben- als auch die Fünftagewoche. Die Woche im Sinne des Arbeitsgesetzes beginnt mit dem Montag und endet mit dem Sonntag107. Bei mehrschichtigen Arbeitszeitsystemen verschiebt sich das Ende der Arbeitswoche nach vorne, und zwar auf den Beginn derjenigen Schicht, welche über den normalen Wochenbeginn hinaus in den Montagmorgen hinein andauert108. Dieser Wochenbegriff gilt auch für den ununterbrochenen Betrieb, allerdings wird dort teilweise auf einen Zeitraum von sieben aufeinanderfolgenden Tagen abgestellt, und die wöchentliche Höchstarbeitszeit muss in der Regel lediglich im Durchschnitt von 16 Wochen eingehalten werden. Die übliche Referenzperiode von einer Woche wird also für den ununterbrochenen Betrieb auf sechzehn Wochen erhöht109. 106 Art. 9 – 12 ArG, 22 – 24 ArGV1. 107 Art. 16 Abs. ArGV1: Bei mehrschichtigen Systemen beginnt sie in der Nacht vom Sonntag auf den Montag. Geiser, S. 167. 108 Seco, Wegleitung, 116 – 2; Geiser, S. 167. 109 Geiser, S. 168. 66 Hinweis In Tierarztpraxen beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit 50 Stunden, die Überzeit darf für den einzelnen Arbeitnehmer zwei Stunden im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeits­ freien Werktagen oder in Notfällen, und im Kalenderjahr darf die Höchstarbeitszeit nicht mehr als 140 Stunden betragen. Die Grenze von 140 Überzeitstunden in einem Jahr ist, einmal erreicht, absolut aufgebraucht und kann auch nach Kompensation der Überzeit nicht neuerlich auf 140 Überzeitstunden aufgestockt werden. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt 45 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels. Für die übrigen Arbeitnehmer – so auch in Tierarztpraxen – beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit 50 Stunden110. Für gewisse Berufs­ kategorien, wie z.B. Chauffeure, Flugbesatzungen, Seeleute und Angestellte im öffentlichen Verkehr, kommen in Spezialgesetzen festgelegte, eigene Arbeitszeitbestimmungen zur Anwendung. Unter gesetzlich genau begrenzten Voraussetzungen kann die Höchstarbeitszeit zudem vorübergehend auch verlängert oder verkürzt werden, die täglichen Höchstarbeitszeiten und die Ruhezeiten müssen jedoch immer eingehalten werden111. Arbeitnehmer im Gesundheitsbereich, in Krankenanstalten und Heimen werde gemäss Seco generell nicht als «technische und andere Angestellte» betrachtet, weshalb für diese – somit auch für angestellte Tierärztinnen und deren Hilfspersonen in privaten Betrieben – grundsätzlich die Höchstarbeitszeit von 50 Wochenstunden gilt. Seit dem 1.1.2005 fallen Assistenzärzte (auch solche der Tiermedizin) in öffentlichen Krankenanstalten oder Kliniken ebenfalls unter den Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes. Auch für sie gilt die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 50 Stunden. Subsidiär ist auf Assistenzärzte der Normalarbeitsvertrag vom 5.5.1971 (SR 221.215.328.1) anwendbar, soweit sie «eine betriebsnotwendige Tätigkeit ausüben»112. Zu bedenken ist allerdings, dass auch «höhere leitende Angestellte» – gemeint sind wirklich nur Arbeitnehmer auf höchster Leitungsstufe, mit strategischer, finanzieller und personeller Entscheidungskompetenz, in grösseren Tierarztpraxen beispielsweise der Geschäftsführer und die Mitglieder der Geschäftsleitung – sowie weitere Kategorien von Arbeitnehmern (z.B. solche mit wissenschaftlicher Tätigkeit) vom betrieblichen113 oder persönlichen114 Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgeschlossen sind, womit auch für sie die Arbeitszeitbestimmungen des Arbeitsgesetzes nicht gelten. 1.2 Tägliche Höchstarbeitszeit Anlässlich der Revision des Arbeitsgesetzes mit Wirkung ab 1. August 2010 wurde der Rahmen, innerhalb dessen sich die maximale Tagesarbeitszeit eines Mitarbeiters befinden muss, auf maxi­ mal 14 Stunden festgelegt. Auch die Pausen müssen innerhalb dieses Rahmens liegen, und dieser maximale Rahmen darf auch durch Überzeit nicht überschritten werden. Für Jugendliche sowie für schwangere Frauen muss die tägliche Arbeitszeit inklusive Pausen innerhalb von 110 Müller, Art. 2, N 2, ArG. 111 Geiser, S. 179. 112 Müller, Art. 2, N 2 ArG. 113 Art. 2 ArG i.V.m. Art. 1 ArG. 114 Art. 3 ArG i.V.m. Art. 1 ArG. 67 12 Stunden liegen, und bei Nachtarbeit verkürzt sich der maximal zulässige Zeitraum der täglichen Arbeitszeit sogar auf 10 Stunden, wobei diese Nachtarbeit-Regelung bereits dann zum Zuge kommt, wenn lediglich Beginn oder Ende einer Arbeitsschicht in die Nachtarbeitszeit fallen. Zusätzliche Beschränkungen der täglichen Höchstarbeitszeit gelten für zwei- und mehrschichtige Arbeitszeitsysteme und beim ununterbrochenen Betrieb115. Als Tagesarbeit gilt die Zeit zwischen 6 Uhr und 20 Uhr, als Abendarbeit die Zeit von 20 – 23 Uhr: als Nachtarbeit entsprechend die Zeit von 23 – 6 Uhr. Der Beginn und das Ende dieser Zeiten können maximal um 1 Stunde vor- oder zurückverlegt werden, insgesamt muss die Summe der Tages- und der Abendarbeit jedoch im Rahmen von 17 Stunden pro Tag bleiben. Die Einführung sowie das Verschieben der Tages- und der Abendzeit verlangt die vorgängige Einwilligung der Arbeitnehmer oder deren Vertretung. Der Arbeitgeber hat in solchen Fällen den Mitarbeitenden alle wesent­lichen, sachbezogenen Informationen zu liefern. Er hat sie anzuhören und ihre Stellungnahme zur Kenntnis zu nehmen. Gesetzlich ist allerdings nicht vorgeschrieben, dass er deren Stellungnahme auch tatsächlich berücksichtigt116. 2. Ruhezeiten und Pausen117 2.1Ruhezeiten Die Ruhezeiten werden in Abgrenzung zur Arbeitszeit definiert. Als Ruhezeit gilt daher «alles, was nicht Arbeitszeit ist»118. Zu den Ruhezeitvorschriften des Arbeitsgesetzes gehören die Vorschriften zur täglichen Ruhezeit (Art. 15a ArG), der wöchentliche Ruhetag (Art. 20 Abs. 1 ArG, Art. 21 ArGV1), der Ersatzruhetag für geleistete Sonntags- oder Feiertagsarbeit (Art. 20 Abs. 2 und 3 ArG, Art. 21 Abs. 6 ArGV1) sowie die Ausgleichstage für Nachtarbeit (Art. 17b Abs. 2 ArG), für Überzeitarbeit (Art. 13 Abs. 2 ArG, Art. 25 Abs. 2 ArG und Art. 26 Abs. 2 ArGV 1) und für zusammengelegte freie Halbtage (Art. 21 Abs. 2 ArG). Den Arbeitnehmern ist eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf aufeinander folgenden Stunden zu gewähren119, sie kann jedoch für erwachsene Arbeitnehmer einmal in der Woche auf acht Stunden herabgesetzt werden, unter der Voraussetzung, dass im Durchschnitt von zwei Wochen die Dauer von elf Stunden eingehalten wird. Innert zweier Wochen muss grundsätzlich wenigstens einmal ein ganzer Sonntag als wöchentlicher Ruhetag unmittelbar vor oder nach der täglichen Ruhezeit freigegeben werden120. Der wöchentliche Ruhetag und die tägliche Ruhezeit müssen zusammen mindestens 35 aufeinanderfolgende Stunden ergeben, sofern es sich nicht um einen «ununterbrochenen Betrieb» gemäss Art. 24 ArG handelt. Sonntagsarbeit unter fünf Stunden muss durch Freizeit von gleicher Dauer ausgeglichen werden. Dauert die Sonntagsarbeit länger, so ist während der vorhergehenden oder der darauf folgenden Woche im Anschluss an die tägliche Ruhezeit ein auf einen Arbeitstag fallender Ersatzruhetag von mindestens 24 aufeinander folgenden Stunden zu gewähren121. 115 Geiser, S. 198. 116 Geiser, S. 190. 117 Art. 15f. und 21f. ArG, Art. 18 – 21 ArGV1. 118 Geiser, Art. 9 Rz. 6. 119 Für schwangere Frauen gilt ist eine tägliche Ruhezeit von zwölf Stunden vorgeschrieben. 120 Auch für Arbeitnehmer, die nicht vom Arbeitsgesetz erfasst werden, ist gemäss Art. 329 Abs. 1 OR ein freier Ruhetag pro Woche zwingend vorgeschrieben. 121 Art. 20 ArG. 68 Zusätzlich zum wöchentlichen Ruhetag ist dem Arbeitnehmer jede Woche ein freier Halbtag zu gewähren, sofern die wöchentliche Arbeitszeit auf mehr als fünf Tage verteilt wird (Art. 21 Abs.1 ArG i.V.m. Art. 20 Abs. 4 Satz 1 ArGV 1). Der freie Halbtag entspricht acht arbeitsfreien Stunden, die unmittelbar vor oder nach der täglichen Ruhezeit gemäss Art. 15a ArG an einem Werktag zu gewähren sind, wobei mit Werktag alle Tage mit Ausnahme von Sonntagen und die den Sonntagen gleich gestellten Feiertage (inklusive Bundesfeiertag) gemeint sind122. Die gesetzlichen Ruhezeitenvorschriften dürfen nicht an den freien Halbtag angerechnet werden. 2.2Pausen123 Die Arbeit ist von Pausen mit einer Mindestdauer zu unterbrechen. Pausen gelten nur dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz nicht verlassen darf. Nicht erforderlich ist allerdings, dass die Arbeitnehmer das Gebäude oder das Betriebsgelände verlassen dürfen; der Grad der Freiheit muss während der Pause also nicht der eigentlichen Freizeit entsprechen124. Das Arbeitsgesetz sieht eine in Abhängigkeit von der Dauer der täglichen Arbeitszeit gestaffelte Pausendauer vor. So gelten gemäss Art. 15 Abs. 1 ArG eine Pause von 15 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als fünfeinhalb Stunden, von einer halben Stunde bei mehr als sieben Stunden sowie von einer Stunde bei mehr als neun Stunden. Diese Pausen haben um die Mitte der Arbeitszeit zu liegen. Dauert eine Zeiteinheit vor oder nach der Pause wiederum fünfeinhalb oder mehr Stunden, so ist eine zusätzliche Pause zu gewähren125. Nur Pausen von mehr als einer halben Stunde dürfen aufgeteilt werden126. Arbeitnehmer mit Familienpflichten können gemäss Art. 36 Abs. 2 ArG zudem verlangen, dass ihnen eine Mittagspause von mindestens eineinhalb Stunden gewährt wird, wobei sie sich über den genauen Zeitpunkt mit dem Arbeitgeber verständigen müssen127. 3. Sonntags- und Feiertagsarbeit128 3.1Sonntagsarbeit Für Sonntage gilt grundsätzlich ein Arbeitsverbot. Ausnahmen bedürfen der Bewilligung. Als Sonntag gilt die Zeit von Samstag, 23.00 Uhr bis Sonntag, 23.00 Uhr, wobei dieser Zeitraum mit der Zustimmung der Arbeitnehmer oder von deren Vertretung um eine Stunde vorgezogen oder nach hinten verschoben werden kann. Dauernde Sonntagsarbeit wird bewilligt, sofern sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist, vorübergehende Sonntagsarbeit wird bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird. In beiden Fällen ist das Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers notwendig129. Tierarztpraxen und Tierkliniken gehören allerdings zu den Sonderfällen der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz und sind daher von der Pflicht zur Einholung einer Bewilligung ausgenommen. 122 Geiser, S. 331. 123 Art. 15 ArG und Art. 18 ArGV1. 124 Brühwiler, Art. 321, N 2. 125 Geiser, S. 243. 126 Geiser, S. 245. 127 Vgl. Müller, Art. 36, zu Abs. 2, S. 127. 128 Art. 18 – 20a ArG, Art. 27 f. ArGV1. 129 Art. 19 ArG. 69 3.2 Feiertage und religiöse Feiern Der Bundesfeiertag am 1. August (als einziger eidgenössischer Feiertag) ist den Sonntagen gleichgestellt. Gemäss Art. 20a ArG können die Kantone maximal acht weitere Feiertage den Sonntagen gleichstellen, wobei der Arbeitnehmer berechtigt ist, an anderen als von den Kantonen anerkannten religiösen Feiertagen die Arbeit aus­zusetzen. Diese Absicht hat er dem Arbeitgeber jedoch mindestens drei Tage zum Voraus bekannt zu geben. Sämtliche Feiertagsregelungen finden sich unter www.feiertagskalender.ch. 4. Nachtarbeit (Art. 16 – 17e ArG, Art. 27 – 30 ArGV1) Nachtarbeit ist im Arbeitsgesetz grundsätzlich verboten. Ausnahmen davon sind gemäss Art. 17 ff. ArG vorbehalten, bedürfen jedoch einer Bewilligung sowie der ausdrücklichen Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers. Die Voraussetzungen zur Erteilung der Bewilligung sind unterschiedlich umschrieben, je nachdem ob es sich um dauernde oder vorübergehende Nachtarbeit handelt. Auf jeden Fall muss der Arbeitseinsatz so organisiert sein, dass die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erhalten bleibt und die Entstehung von Gefahrensituationen vermieden werden kann. Dabei bevorzugt das Gesetz130 Wechselschichten, weshalb im Normalfall Arbeitszeitsysteme verlangt werden, bei welchen der Arbeitnehmer verschiedene Schichten durchläuft. Bei Nachtarbeit darf grundsätzlich die tägliche Arbeitszeit inklusive der Pausen höchstens neun Stunden betragen und sie muss zudem in einem Zeitraum von höchstens zehn Stunden liegen. Sofern die betroffenen Arbeitnehmer in höchstens drei von sieben aufeinander folgenden Nächten während der Nachtzeit beschäftigt werden, darf die tägliche Arbeitszeit allerdings auf zehn Stunden innert zwölf Stunden erhöht werden. Für Nachtarbeit muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusätzliche Leistungen gewähren. So ist bei vorübergehender Nachtarbeit ein Lohnzuschlag von 25 % geschuldet. Vorübergehend ist Nachtarbeit, wenn der Arbeitnehmer in weniger als 25 Nächten pro Kalenderjahr zum Einsatz kommt131. Bei dauernder Nachtarbeit ist ein Lohnzuschlag von 10 % geschuldet. Ob mehr oder weniger als 25 Nächte gearbeitet werden soll, unterliegt der Einschätzung des Arbeitgebers anfangs Jahr. Zudem muss der Arbeitnehmer einer jährlichen Gesundheitskontrolle unterworfen werden und es müssen die Kinderbetreuung sowie ein sicherer Arbeitsweg gewährleistet sein. 5. Sondervorschriften für Tierarztpraxen, Tierkliniken, Zoologische Gärten, Tiergärten und Tierheime Die Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz enthält für einzelne Betriebsarten Sonderbestimmungen, namentlich hinsichtlich der Befreiung von der Bewilligungspflicht für Nacht- und Sonntagsarbeit und für den ununterbrochenen Betrieb (Art. 4 ArGV 2), die Überzeitarbeit am Sonntag (Art. 8 ArGV 2) und die Anzahl freier Sonntage (Art. 12 ArGV 2). 130 Art. 30 ArGV1. 131 Geiser, S. 275. 70 Hinweis Tierarztpraxen sind von der Bewilligungspflicht für Nacht- und Sonntagsarbeit für die ganze Nacht und den ganzen Sonntag befreit, soweit die Aufrechterhaltung von Notfalldiensten zu gewährleisten ist (Art. 18 ArGV 2). Tierarztpraxen sind von der Bewilligungspflicht für Nacht- und Sonntagsarbeit für die ganze Nacht und den ganzen Sonntag befreit, soweit die Aufrechterhaltung von Notfalldiensten zu gewährleisten ist (Art. 18 ArGV 2). Das Gleiche gilt für Tierkliniken, wobei hier zusätzlich auch die mit der Pflege und der Betreuung der Tiere beschäftigten Arbeitnehmer von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind (Art. 21 ArGV 2). Als «Tierklinik» definiert die Verordnung Tierspitäler und tierspitalähnliche Betriebe, die kranke, pflegebedürftige und verunfallte Tiere medizinisch betreuen. Betreffend Zoologischen Gärten, Tiergärten und Tierheime und die in ihnen mit der Beaufsichtigung und der Pflege der Tiere, mit dem Unterhalt der Anlagen sowie der Bedienung der Kassen beschäftigten Arbeitnehmer gilt die Befreiung von der Bewilligungspflicht für die ganze Nacht für Überwachungstätigkeiten und für den ganzen Sonntag (Art. 22 i.V.m. Art. 4 ArGV 2). Anwendbar sind zudem Art. 8 Abs. 1 ArGV 2 (Überzeitarbeit am Sonntag) und Art. 12 ArGV 2 (Anzahl freier Sonntage). 6. Organisatorische Vorschriften 6.1Abgeltungsverbot Soweit das Arbeitsgesetz Ruhezeiten vorschreibt, dürfen diese nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden, ausser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 6.2 Mitwirkung der Arbeitnehmer bei der Planung Die Mitarbeitenden sind betreffend Organisation der Arbeitszeit und Gestaltung der Stundenpläne gestützt auf Art. 48 ArG zur Mitwirkung heranzuziehen. Dies umfasst die im Betrieb massgeblichen Arbeitszeiten, wie Rahmeneinsatzzeiten, Pikettdienst, Einsatzpläne, bewilligte Stundenpläne und deren Änderungen. Die Arbeitspläne sind möglichst frühzeitig zu kommunizieren, in der Regel spätestens zwei Wochen vor einem geplanten Einsatz mit neuen Arbeitszeiten (Art. 69 Abs. 1 ArGV 1). Ohne zwingenden Grund darf diese Frist nicht unterschritten werden132. 6.3 Dokumentation, Kontrolle und drohende Sanktionen Die geleistete Arbeitszeit muss unter Angaben von Beginn und Ende sowohl der Arbeitsschichten als auch der Pausen und zusätzlicher Angabe zur Lage der Pausen schriftlich dokumentiert werden und auf Aufforderung an die Vertreter der kantonalen Arbeitsinspektorate zur Überprüfung herausgegeben werden. Für die Kontrolle der Einhaltung der Höchstarbeitszeiten ist allein der Arbeitgeber verantwortlich, wobei den Mitarbeiter, der bei mehreren Arbeitgebern angestellt ist, immerhin eine Mitteilungspflicht trifft133. Wohl kann der Arbeitgeber die eigentliche Zeiterfassung an die Mitarbeiten132 SECO, Merkblatt Pikettdienst. 133 Geiser, S. 173. 71 den delegieren, jedoch muss er seiner Verantwortung mindestens durch Stichprobenkontrollen nachkommen. Für Kaderangestellte und Handelsreisende gilt zudem eine gelockerte Dokumentationspflicht. Bei Verletzung der Arbeitszeitvorschriften drohen Massnahmen wie Abmahnung, zeitlich begrenzter Entzug der Bewilligungen bis hin zur Strafanzeige gegen die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen134. www.arbeitsinspektorat.ch Bei Unsicherheiten oder Fragen im Zusammenhang mit dem Arbeitsgesetz kann das kantonale Arbeitsinspektorat angefragt werden. Diese Behörde ist das Vollzugs-, Kompetenzund Dienstleistungszentrum des Amtes für Wirtschaft und Arbeit für Belange des Arbeitsgesetz­es135. 135 134 Art. 51 – 53 ArG. 135 Bräunlich, S. 95. 73 X. «Notfalldienst» – Bereitschaftsdienst, Pikettdienst oder Arbeit auf Abruf? Einleitende Fragen • Gilt die Limitierung auf fünf Notfalldienste innerhalb von vier Wochen auch für Assistenztierärzte? • Ist es zulässig, Arbeitnehmer, die bereits am Wochenende Pikettdienst leisten mussten und dabei auch zu mehreren längeren Arbeitseinsätze aufgeboten wurden, während der anschliessenden Woche ebenfalls zum Bereitschaftsdienst während der Nachmittagspause ihrer geteilten Dienste einzuteilen, wenn sie diesen ausserhalb der Praxis verbringen können und lediglich das Praxistelefon auf sich tragen müssen für den Fall, dass es zu Notfalleinsätzen kommen sollte? • Handelt es sich bei Bereitschaftsdienst über die Mittagspause um Arbeitszeit, wenn tatsächlich ein Notfalleinsatz zu leisten ist? Falls ja, ist dieser Bereitschaftsdienst bezahlt? • Notfalldienst in der Praxis oder nicht in der Praxis: Wer verantwortet den weiten Arbeitsweg (der selbst gewählt ist)? 1. Begriffsklärung Beim Pikettdienst handelt es sich um eine Art des Bereitschaftsdienstes, zu welchem sich der Arbeitnehmer neben der normalen Arbeit für allfällige Arbeitseinsätze bei besonderen Ereignissen – wie z.B. die Behebung von Störungen, die Hilfeleistung in Notsituationen oder für Kontrollgänge (Art. 14f ArGV1) – bereithält136. Dabei ist der Bereitschaftsdienst, der innerhalb der Betriebsräume («Arbeitsbereitschaft») geleistet wird vom Pikettdienst, der ausserhalb derselben («Rufbereitschaft») geleistet wird, zu unterscheiden. Entsprechend kann bei der Arbeitsbereitschaft die volle Zeit des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit angerechnet werden, bei der Rufbereitschaft («Pikettdienst») hingegen nur diejenige Zeit, welche für einen Einsatz tatsächlich benötigt wird, und zusätzlich – als Ausnahme zum Grundsatz, dass der Arbeitsweg nicht als Arbeitszeit gilt – die Wegzeiten von und zum Arbeitseinsatz. 136 Vgl. Geiser, Art. 9, N 9 ff. 74 Begriffsklärung «Pikettdienst» Als Pikettdienst ist nur der ausserhalb des Betriebes geleistete Bereitschaftsdienst zu verstehen137. Diese Zeit gilt – soweit keine Leistung im Betrieb oder sonst ein Einsatz erfolgt – nicht als ordentliche Arbeitszeit (Art. 15 Abs. 2 ArGV1) und wird auch nicht auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit angerechnet. Für den Pikettdienst bestehen jedoch zeitliche Beschränkungen sowie Mitwirkungs- und Informationspflichten138. Im Gegensatz dazu wird der Bereitschaftsdienst, der innerhalb des Betriebes geleistet wird («Arbeitsbereitschaft»), als Arbeitszeit voll angerechnet. Als Pikettdienst ist also nur der ausserhalb des Betriebes geleistete Bereitschaftsdienst zu verstehen139. Diese Zeit gilt – soweit keine Leistung im Betrieb oder sonst ein Einsatz erfolgt – nicht als ordentliche Arbeitszeit (Art. 15 Abs. 2 ArGV1) und wird, da der Pikettdienst neben der normalen Arbeitszeit zu leisten ist, auch nicht auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit angerechnet. Für den Pikettdienst bestehen deshalb jedoch zeitliche Beschränkungen, sowie Mitwirkungs- und Informationspflichten140. Im Gegensatz dazu wird der Bereitschaftsdienst, der innerhalb des Betriebes geleistet wird («Arbeitsbereitschaft»), als Arbeitszeit voll angerechnet. Auf die grundsätzlich erforderlichen Bewilligungen für Nacht- und Sonntagspikett kann für Tierarztpraxen und Tierkliniken gemäss den oben zitierten Sondervorschriften unter den genannten Bedingungen verzichtet werden. 2.Abgrenzung141 Der Pikettdienst muss von anderen Formen des Bereitschaftsdienstes wie etwa der Arbeit auf Abruf unterschieden werden. Arbeit auf Abruf bedeutet, dass die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in erster Linie zur Verfügung stehen, um normale Schwankungen des Arbeitsvolumens aufzufangen. Dabei handelt es sich jedoch um eine normale Form der Teilzeitarbeit. Dabei ist es grundsätzlich der Verhandlungsfreiheit der Parteien unterstellt, ob lediglich die Dauer der Arbeitszeit oder auch der Zeitpunkt des Einsatzes erst per Abruf festgelegt werden sollen. Immerhin hat das Bundesgericht zugunsten von Arbeitnehmern, die auf Abruf eingestellt sind, entschieden, dass auch während der Kündigungsfrist Anspruch auf den bisher durchschnittlich erzielten Lohn besteht, dass also der Arbeitgeber nicht einfach seine Abrufe von einem Moment auf den anderen einstellen und damit den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist ohne Lohn dastehen lassen kann142. Der Pikettdienst hingegen betrifft ausserordentliche und dringende Einsätze, die weder planbar noch vorhersehbar sind, er dient zur Behebung ausserordentlicher Störungen. Auch hier gilt: wer «Notfalldienst» ausserhalb des Betriebes leistet, ist in Rufbereitschaft und verrichtet somit einen Pikettdienst. Soweit es zu keinem Arbeitseinsatz kommt, gilt die Rufbereitschaft 137 Senti, Arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Pikettdienst, S. 21. 138 Geiser, Art. 9, N.10. 139 Senti, Arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Pikettdienst, S. 21. 140 Geiser, Art. 9, N.10. 141 SECO, Merkblatt zum Pikettdienst. 142 BGE 125 III 65 f., Senti, S. 21. 75 nicht als Arbeitszeit. Ist jemand jedoch im Betrieb im «Notfalldienst» eingeteilt, so verrichtet er Bereitschafts- oder Präsenzdienst, es gilt dann der gesamte Dienst als Arbeitszeit, der Dienst wird an die wöchentlichen Höchstarbeitszeiten angerechnet und unterliegt den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes. Um die Schwankungen des Arbeitsvolumens auszugleichen, hat der Arbeitgeber andere Möglichkeiten, wie Verlängerung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit (Art. 22 ArGV 1), Überzeitarbeit (Art. 12 und 13 ArG und Art. 25 ArGV 1), Ergreifen organisatorischer Massnahmen, Rekrutierung von zusätzlichem Personal oder Einsatz von Aushilfspersonal. «Notfalldienst» Wer «Notfalldienst» ausserhalb des Betriebes leistet, ist in Rufbereitschaft und verrichtet somit einen Pikettdienst für Notfälle und zur Behebung ausserordentlicher Störungen. Soweit es zu keinem Arbeitseinsatz kommt, gilt dieser Dienst nicht als Arbeitszeit und wird auch nicht an die wöchentliche Höchstarbeitszeit angerechnet. Allerdings unterliegt der Pikettdienst zeitlichen Einschränkungen und es bestehen besondere Mitwirkungs- und Informationspflichten. So darf der Arbeitnehmer in einem Zeitraum von vier Wochen an höchstens sieben Tagen auf Pikett sein und er muss zwischen zwei Pikett-Phasen mindestens zwei Wochen pikettfrei sein. Verrichtet jemand hingegen einen «Notfalldienst» im Betrieb, so leistet er Bereitschaftsoder Präsenzdienst. In diesem Fall gilt der gesamte Dienst als Arbeitszeit, der Dienst wird an die wöchentlichen Höchstarbeitszeiten angerechnet und unterliegt den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes. Ausnahmeregelung Pikettdienst – Notnagel für kleinere Tierarztpraxen Ausnahmsweise können Arbeitnehmer im Zeitraum von vier Wochen an höchstens 14 Tagen auf Pikett sein, sofern aufgrund von Betriebsgrösse und Betriebsstruktur keine genügenden Personalressourcen zur Verfügung stehen und die Anzahl der Pikettdiensten mit erfolgten Einsätzen im Durchschnitt eines Kalenderjahres nicht mehr als fünf Einsätze pro Monat ausmachen. Allerdings darf die Ferienzeit für die Durchschnittsermittlung nicht mitgezählt werden. Quelle: Art. 14 Abs. 3 ArG, SECO, Wegleitung, 114-3 3.Entschädigung Beim Pikettdienst müssen die Arbeitnehmer jederzeit und innert kürzester Zeit einsatzbereit sein, was einen Eingriff in ihr Privatleben bedeutet und die Gesundheit stark beeinträchtigen kann. Die Frage der Entschädigung wird im ArG nicht behandelt. Nach herrschender Bundesgerichtspraxis muss die Zeit, in welcher sich der Arbeitnehmer für allfällige Arbeitseinsätze bereithalten muss, entschädigt werden. Dies gilt allerdings nur, sofern eine Einsatzpflicht besteht. Die Höhe dieser Entschädigung muss jedoch nicht zwingend dem Lohn für die Haupttätigkeit entsprechen, sie unterliegt der Vertragsabrede zwischen den Parteien und wird in der Regel im Einzelarbeitsvertrag, im Gesamtarbeitsvertrag oder in einem Personalreglement festgehalten. Für tatsächlich geleistete Piketteinsätze in der Nacht oder am Sonntag sind die entsprechenden Zeit- und Lohnzuschläge des Arbeits­gesetzes zu leisten. 76 4. Arbeitsgesetzliche Vorschriften 4.1 Organisation und Planung des Pikettdienstes143 Für die Einsatzplanung des Pikettdienstes ist ein Zeitraum von vier Wochen massgebend. In dieser Zeit darf der Arbeitnehmer an höchstens 7 (aufeinanderfolgenden oder einzelnen) Tagen auf Pikett sein. Im Sinne einer Ausnahme darf der einzelne Arbeitnehmer im Zeitraum von vier Wochen an höchstens 14 Tagen auf Pikett sein, sofern kumulativ die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind: • Aufgrund der betrieblichen Grösse und Struktur stehen dem Betrieb keine genügenden Personalressourcen für einen Pikettdienst nach Art. 14 Abs. 2 ArGV 1 zur Verfügung und; • Der Arbeitnehmer leistet im Durchschnitt eines Kalenderjahres nicht mehr als fünf tatsächliche Piketteinsätze pro Monat. Die Anzahl möglicher Einsätze während dieser Tage ist unbegrenzt. Nach Beendigung des letzten Pikettdienstes (mit oder ohne Einsatz) darf der Arbeitnehmer während zwei Wochen nicht mehr für den Pikettdienst aufgeboten werden, auch wenn es während des letzten Pikettdienstes zu keinem Einsatz gekommen ist. Diese Regel von zwei Wochen ohne Pikettdienst gilt allerdings nicht für die oben aufgeführten Sonderfälle gemäss Art. 14 Abs. 3 ArGV 1. 4.2 Einhaltung der täglichen Ruhezeit (Art. 19 Abs. 3 ArGV 1) Die Dauer der täglichen Ruhezeit von elf Stunden (Art. 15a Abs. 1 ArG) ist einzuhalten, darf im Rahmen des Pikettdienstes aber durch Einsätze unterbrochen werden. Wird wegen der Piketteinsätze eine minimale Ruhezeit von vier aufeinanderfolgenden Stunden nicht erreicht, so muss die tägliche Ruhezeit von elf Stunden nachgewährt werden. 4.3 Anrechnung an die Arbeitszeit (Art. 15 ArGV 1) Wird der Pikettdienst im Betrieb geleistet, stellt die gesamte zur Verfügung gestellte Zeit Arbeitszeit dar (Art. 15 Abs. 1 ArGV 1). Folglich ist Art. 19 Abs. 3 ArGV 1 in diesen Fällen nicht anwendbar. Da die gesamte Dauer des im Betrieb geleisteten Pikettdienstes als Arbeitszeit zählt, muss danach die volle tägliche Ruhezeit von elf Stunden (Art. 15a Abs. 1 ArG) gewährt werden. In diesem Fall gilt es zudem zu prüfen, ob es sich wirklich um einen Pikettdienst oder um normale Arbeit handelt. Für solche Entscheide sind die kantonalen Behörden zuständig (Art. 41 Abs. 3 ArG). Erfolgt der Pikettdienst allerdings ausserhalb des Betriebes, so zählen nur die tatsächlich geleisteten Einsatzzeiten sowie die nötigen Wegzeiten als Arbeitszeit (Art. 15 Abs. 2 ArGV 1). In diesem Fall kommt Art. 19 Abs. 3 ArGV 1 wie oben beschrieben zur Anwendung. Erfordert der Pikettdienst eine sehr schnelle Einsatzbereitschaft (z.B. weniger als 15 Minuten nach dem Anruf), so können die Arbeitnehmer den Betrieb während des Pikettdienstes in der Regel nicht verlassen und entsprechend auch nicht frei über ihre Zeit verfügen. In solchen Situationen müssen die kantonalen Behörden entscheiden, ob es sich tatsächlich um Pikettdienst oder um normale Arbeitszeit handelt (Art. 41 Abs. 3 ArG). 143 Art. 14 Abs. 2 und 3 ArGV 1. 77 4.4 Verhältnis zu anderen Bestimmungen über die Arbeitszeit144 Die allgemeinen Bestimmungen über die Arbeitszeit (Art. 10 ArG für Tages- und Abendarbeit, Art. 17a ArG für Nachtarbeit) sind auf den Pikettdienst nicht anwendbar. So gilt auch Art. 21 Abs. 3 ArGV 1, wonach an maximal sechs aufeinanderfolgenden Tagen gearbeitet werden darf, nicht für den Pikettdienst. Andere Bestimmungen bleiben hingegen anwendbar, insbesondere diejenigen über die wöchentliche Höchstarbeitszeit (Art. 9 ArG) und die Überzeitarbeit (Art. 12 ArG). Nur Piketteinsätze können folglich zu einer Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit (Art. 9 ArG) führen, die dann als Überzeitarbeit (Art. 12 ArG) zu behandeln ist. Diese Überzeitarbeit muss gemäss den Bestimmungen von Art. 13 ArG und Art. 25 ArGV 1 kompensiert werden. 4.5 Ausgleich von Pikettdiensten am Sonntag Leistet ein Arbeitnehmer am Sonntag ausserhalb des Betriebes Pikettdienst und kommt nicht zum Einsatz, so muss kein Ersatzruhetag gewährt werden. Dennoch zählt ein solcher Sonntag nicht als freier Sonntag. Ein Arbeitnehmer kann somit nicht das ganze Jahr jeden Sonntag auf Pikett sein, da grundsätzlich jeder zweite Sonntag frei sein muss (Art. 20 Abs. 1 ArG). Kommt es zu einem Piketteinsatz, so muss die entsprechende Zeit gemäss den Bestimmungen von Art. 20 ArG und Art. 21 ArGV 1 ausgeglichen werden. Im Betrieb geleisteter Pikettdienst zählt als Arbeitszeit und muss deshalb auf jeden Fall gemäss Art. 20 ArG und Art. 21 ArGV 1 kompensiert werden. Ausgenommen bleiben Fälle nach ArGV 2. 4.6 Zusätzlicher Schutz für Arbeitnehmer mit Familienpflichten Kurzfristige Änderungen (Art. 14 Abs. 4 ArGV 1). Wird der Einsatzplan nicht auf Wunsch der Arbeitnehmer, sondern aufgrund einer betrieblichen Notwendigkeit geändert, so geniessen Arbeitnehmer mit Familienpflichten (Art. 36 ArG) einen zusätzlichen Schutz. Sie können nur dann für einen Pikettdienst aufgeboten werden, wenn sie ausdrücklich damit einverstanden sind und für den Betrieb keine zumutbare Alternative besteht. 4.7 Sonderschutz von Frauen − Mutterschaft Gemäss Art. 60 Abs. 1 ArGV 1 dürfen schwangere Frauen und stillende Mütter nicht über die vereinbarte ordentliche Dauer der täglichen Arbeit hinaus beschäftigt werden. Diese Kategorie von Arbeitnehmerinnen darf deshalb nicht für den Pikettdienst aufgeboten werden. Ohnehin ist zu bedenken, dass schwangere Frauen ab acht Wochen vor der Geburt generell keine Nachtdienste mehr leisten dürfen. 144 SECO, Merkblatt zum Pikettdienst. 79 XI. Ferien, Freizeit, unbezahlter Urlaub Einleitende Fragen • Weisen Sie Ihrer im 50 % Pensum angestellte TPA bei einem Ferienanspruch von vier Wochen pro Jahr zehn oder 20 Tage als Ferienanspruch aus? • Sie liegen während Ihrer zweiwöchigen Ferien vier Tage mit hohem Fieber im Bett. Dürfen Sie diese Ferientage nachbeziehen? • Ihre Mitarbeiterin ist seit drei Monaten wegen Unfalls arbeitsunfähig. Dürfen sie ihren Ferienanspruch kürzen? • Inwiefern sind die freiwillig gewährte fünfte bzw. sechste Ferienwochen arbeitsrechtlich anders zu behandeln? 1. Ferien 1.1Ferienanspruch Gemäss Art. 329a OR hat der Arbeitnehmer jedes Dienstjahr Anspruch auf wenigstens vier Wochen Ferien, bis zur Erreichung des 20. Altersjahr auf mindestens fünf Wochen – unabhängig davon, ob ein Lehrverhältnis besteht145 oder ein sonstiges Arbeitsverhältnis. Das Dienstjahr beginnt mit dem Stellenantritt des Arbeitnehmers. Die Ferien eines Jahres sind grundsätzlich innert Jahresfrist ab Datum des Stellenantritts zu beziehen. Die Praxis lässt es zu, den Ferienanspruch auch mit dem Kalenderjahr beginnen zu lassen. Der Ferienanspruch beinhaltet zwei Aspekte: einerseits gewährt er dem Arbeitnehmer freie Zeit zu Erholungszwecken, andererseits vermittelt er Anspruch auf Lohnfortzahlung146. Der Zweck der Ferien liegt also in der Erholung. Deshalb ist es dem Arbeitnehmer ohne Einverständnis des Arbeitgebers nicht gestattet, während der Ferien für jemanden Dritten entgeltlich Arbeit zu leisten. Selbst ein unentgeltlicher Arbeitseinsatz kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer damit seine Treuepflicht verletzt und der Arbeitgeber gestützt darauf seine Lohnzahlung für die Feriendauer einstellen bzw. zurückfordern und zusätzlich Schadenersatz geltend machen kann. Vier Wochen Ferien bedeuten nach geltender Praxis zwanzig Arbeitstage – diesen Anspruch hat auch ein Arbeitnehmer mit einem Teilzeitpensum, sein Ferienanspruch passt sich also nicht seinem Teilzeitgrad an. Vom gesetzlich vorgesehenen Ferienanspruch sollen wenigstens zwei Wochen (zehn Arbeitstage) zusammenhängend bezogen werden. Die darüber hinausgehenden Ferientage können grundsätzlich auch einzeln bezogen werden, hingegen liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, zu entscheiden, ob damit dem Erholungszweck Genüge getan wird. 145 Art. 345a Abs. 3 OR. 146 Hierzu näher Kapitel XII. 80 Fallen Ferientage auf einen Feiertag, der ohnehin schon arbeitsfrei ist, so muss dieser Ferientag nachgewährt werden. Heute sehen viele Arbeitsverträge bereits einen über das gesetzliche Mindestmass hinausgehenden Ferienanspruch von 25, 30 oder gar 35 Tagen vor. Diese Mehrtage unterliegen nicht den Bestimmungen über die Ferien, sie sind zusätzlich gewährte Freizeit. Ein Tag dieser zusätzlich gewährten Freizeit, der auf einen Feiertag fällt, kann daher nicht nachgeholt werden. 1.2 Zeitpunkt des Ferienbezugs Für den Zeitpunkt des Ferienbezuges hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer, er hat jedoch auf die legitimen Bedürfnisse des Arbeitnehmers – wie Schulferien, Freizeitbeschäftigung, Familie usw. – gebührend Rücksicht zu nehmen. Umgekehrt hat der Arbeitnehmer hinzunehmen, wenn aus betrieblichen Gründen Ferien zu einem von ihm unerwünschten Zeitpunkt bezogen werden müssen, z.B. wegen Kurzarbeit. Der Ferienbezug soll einvernehmlich und rechtzeitig – als Faustregel gelten heute drei Monate zum Voraus – zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt werden, unter Abwägung der beidseitigen Interessen. Einmal vereinbart, dürfen Ferien einseitig nur aus dringlichen und unvorhersehbaren Gründen verschoben werden. In eigent­lichen Notsituationen hingegen muss der Arbeitnehmer sogar einen Rückruf aus den Ferien dulden, allerdings ist ihm der deswegen entstandene Schaden zu ersetzen. Grundsätzlich sollen Ferien während des Dienstjahres bezogen werden, in welchem sie entstehen. In der Praxis werden Ferienansprüche jedoch häufig auf das Folgejahr übertragen. Viele Personalreglemente legen einen Zeitpunkt im Folgejahr fest, bis zu welchem die Ferien des Vorjahres bezogen sein müssen (z.B. «bis 31. März»). Dies ist aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch sinnvoll, hat er doch den Mitarbeiter u.a. vor Überarbeitung zu schützen. Allerdings sind Regelungen, welche bei Nichtbezug der Ferien eine Verwirkung des Ferienanspruches vorsehen, nichtig – die Verjährungsfrist von 5 Jahren bei Ferien ist absolut zwingend, kann also nicht durch Parteiabrede abgeändert werden147. Die vielerorts gelebte Praxis der Betriebsferien, wobei im Laufe des Jahres zusätzliche Stunden erarbeitet werden, um dann zu einem im Interesse des Arbeitgebers liegenden Zeitpunkt einheitliche Ferien für alle Arbeitnehmer im Betrieb gleichzeitig anzusetzen, wirft grundsätzlich keine Probleme auf. Lediglich für neue Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Betriebsferien noch nicht genügend Ferien­guthaben erarbeitet konnten, darf der Arbeitgeber nicht gegen ihren Willen einen Ferien­ vorbezug anordnen. Lehnt der Arbeitnehmer den Vorbezug der Ferien ab und kann ihm der Arbeitgeber während der Betriebsferien keine Arbeit anbieten, gerät er in Arbeitgeberverzug und muss dem Arbeitnehmer den Lohn für diese Zeit dennoch leisten. 1.3Ferienunfähigkeit Erkrankt der Arbeitnehmer während der Ferien in einem erheblichen Mass oder erleidet er einen Unfall, so dass der Erholungszweck der Ferien nicht mehr erreicht werden kann, sollte sich der Arbeitnehmer seine Ferienunfähigkeit in einem ärztlichen Zeugnis bestätigen lassen. Ferien­ unfähigkeit ist nicht identisch mit der Arbeitsunfähigkeit. Sie ist gegeben, wenn jemand bett­ lägerig oder erheblich in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, wenn er dauernd Schmer147 Brühwiler, Art. 329c, N 1. 81 zen erleidet oder auf regelmässige Arztbesuche angewiesen ist. Gelingt dem Arbeitnehmer der Nachweis seiner Ferienunfähigkeit, so hat er Anspruch auf Nachgewährung der beeinträchtigten Ferientage. 1.4Ferienkürzung Art. 329b OR hält die Möglichkeit der Ferienkürzung fest, wenn ein Arbeitnehmer – verschuldet oder unverschuldet – länger an der Arbeitsleistung verhindert ist. Dabei legt der Gesetzgeber eine unterschiedlich lange «Schonfrist» fest, je nachdem, aus welchem Grund der Arbeitnehmer verhindert ist. Für die Berechnung der Schonfrist bleiben angebrochene Monate jeweils unberücksichtigt. 1.4.1 bei verschuldeter Arbeitsverhinderung Bei verschuldeten Absenzen (Art. 329 Abs. 1 OR) dürfen die Ferien nach Ablauf eines vollen Monats um 1/12 gekürzt werden. Die Praxis lässt allerdings nur schweres Verschulden als Verkürzungsgrund zu – als solches wird z.B. Fahren im angetrunkenen Zustand angesehen, aber auch selbstverursachte Unfälle. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall berechtigt, für die versäumte Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer einen entsprechenden Lohnabzug zu machen. 1.4.2 bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung Für Absenzen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, jedoch unverschuldet sind, beträgt die Schonfrist einen vollen Monat, danach darf ab jedem zweiten vollen Monat der Ferien­ anspruch um 1/12 gekürzt werden. Bei Absenzen wegen Schwangerschaft beträgt die Schonfrist zwei volle Monate, die Kürzung um 1/12 darf somit erst ab dem dritten vollen Monat erfolgen. Für die Berechnung des «vollen Monats» hat die Praxis den Mittelwert von 21.75 Arbeitstagen/Monat festgelegt. In einem unvollständigen Dienstjahr gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung für die Berechnung der Schonfrist ebenfalls der volle Monat von 21.75 Tagen/Monat. Mit jedem neuen Dienstjahr hat der Arbeitnehmer Anspruch auf neue Schonfristen nach Art. 329b OR, weil die gesetzliche Kürzungsregelung jeweils vom jährlichen Ferien­anspruch ausgeht148. Ist ein Arbeitnehmer nur teilweise an der Arbeitsleistung verhindert, wird die Schonfrist proportional zum Grad der Arbeitsunfähigkeit verlängert. Nach Ablauf der Schonfrist hingegen tritt die Kürzung des Ferienanspruchs um 1/12 je weiteren vollen Monat ein. Treten zwei Verhinderungsgründe gleichzeitig ein, so kommt es nicht zur Kumulation der beiden Schonfristen, sondern es gilt die längere der beiden möglichen Schonfristen. Mutterschaftsurlaub hingegen schliesst jede Kürzung des Ferienanspruches aus. Bei einem Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen erwächst der Mutter somit ein Ferien­anspruch von 5.4 Tagen. Hinweis Mutterschaftsurlaub schliesst jede Kürzung des Ferienanspruches aus! 148 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 329b, N 6. 82 1.4.3 bei unbezahltem Urlaub Da die Ferienkürzung an die «Arbeitsverhinderung» anknüpft, führt unbezahlter Urlaub nicht zu einer Ferienkürzung. Beim unbezahlten Urlaub werden lediglich die gegenseitigen Pflichten sistiert, sodass der Ferienanspruch während der Dauer des unbezahlten Urlaubs einfach nicht weiter anwächst. Berechnungsbeispiel Ferienkürzung bei 5-Tagewoche und 4 Wochen Ferien pro Jahr149: Mitarbeiterin fehlt in 1 Dienstjahr an 70 Arbeitstagen – also etwas mehr als drei «volle Monate» à 21.75 Arbeitstage Variante 1: Verhinderung ist selbstverschuldet Kürzung um 3/12 des jährlichen Ferienanspruches von 20 Tagen = 20/12 x 3 = Kürzung um 5 Tage Variante 2: Verhinderung ist unverschuldet (Krankheit, Unfall, gesetzliche Pflicht) Kürzung um 2/12 des jährlichen Ferienanspruches von 20 Tagen = 20/12 x (3-1) = Kürzung um 3 1/3 Tage Variante 3: Verhinderung schwangerschaftsbedingt Kürzung um 1/12 des jährlichen Ferienanspruches von 20 Tagen = 20/12 x (3-2) = Kürzung um 1 2/3 Tage Variante 4: Verhinderung, da Arbeitnehmerin in Mutterschaftsurlaub Kein Kürzung Variante 5: mehrere Verhinderungsgründe (50 Tage schwangerschaftsbedingt, 20 Tage Krankheit) Kürzung um 1/12; für die Krankheit gilt keine neue Schonfrist, und die Tage aus unterschied­lichen Gründen sind zusammenzuzählen. 20 Tage Krankheit allein würden zu keiner Kürzung führen. = 20/12 x (3-2) = 1 2/3 Tage Variante 6: wechselndes Dienstjahr; von den 70 Fehltagen liegen 30 im alten und 40 im neuen Dienstjahr Keine Kürzung. In beiden Dienstjahren profitiert die Arbeitnehmerin von der vollen Schonfrist (21.75 x 2) Variante 7: Teilarbeitsunfähigkeit von 50 % Keine Kürzung, da Schonfrist verdoppelt auf 4 volle Monate (4 x 21.75) Variante 8: Ausscheiden nach dem halben Dienstjahr Kürzung um 3 1/3 Tage (Variante 2), da volle Schonfrist zur Verfügung 149 Beispiel aus Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 329b OR, N 7. 83 1.5 Barabgeltung von Ferien Ferienguthaben dürfen während des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht durch Geldleistung abgegolten werden. Lediglich bei kurzfristiger Teilzeitarbeit sowie bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann die Barabgeltung des Ferienanspruches zulässig sein, und zwar wenn durch den Bezug der Ferien während der Kündigungsfrist andere, höher zu gewichtende Interessen einer der Parteien gefährdet wären, z.B. dem Arbeitnehmer die Stellensuche erschwert bzw. verunmöglicht würde oder für den Arbeitgeber wichtige Arbeiten nicht mehr fertiggestellt werden könnten. Hat ein Arbeitnehmer durch Ferienvorbezug bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu viel Ferien bezogen, so ist zu unterscheiden, wer die Kündigung ausgesprochen hat. Nur bei Kündigung durch den Arbeitnehmer können die zu viel bezogenen Ferien mit dem Lohnanspruch des letzten Monats verrechnet werden. Hat hingegen der Arbeitgeber – der ja für die Festsetzung des Ferienzeitpunkts hauptverantwortlich ist – dem Arbeitnehmer ohne Vorliegen rechtfertigender Gründe vorzeitig gekündigt, so darf er die vorbezogenen Ferien nicht in Abzug bringen. 1.6 Ferienguthaben im Zeitpunkt des Todes eines Arbeitnehmers Da es sich beim Ferienanspruch um einen höchstpersönlichen Rechtsanspruch handelt, verfällt ein allenfalls noch vorhandenes Ferienguthaben mit dem Tod des Arbeitnehmers150. Der Ferienanspruch stellt also keinen Lohnanspruch i.S.v. Art. 338 OR dar. 2.Freizeit Art. 329 VIII. Freizeit, Ferien, Urlaub für Jugendarbeit und Mutterschaftsurlaub 1.Freizeit1 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer jede Woche einen freien Tag zu gewähren, in der Regel den Sonntag oder, wo dies nach den Verhältnissen nicht möglich ist, einen vollen Werktag. Unter besonderen Umständen können dem Arbeitnehmer mit dessen Zustimmung ausnahmsweise mehrere freie 2 Tage zusammenhängend oder statt eines freien Tages zwei freie Halbtage eingeräumt werden. Dem Arbeitnehmer sind im Übrigen die üblichen freien Stunden und Tage und nach erfolgter Kündigung die für 3 das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit zu gewähren. Bei der Bestimmung der Freizeit ist auf die Interessen des Arbeitgebers wie des Arbeitnehmers angemessen 4 Rücksicht zu nehmen. In Bezug auf den wöchentlichen freien Tag bildet Art. 329 OR lediglich den Auffangtatbestand für alle diejenigen Arbeitsverhältnisse, die nicht dem Arbeitsgesetz unterliegen, da die Art. 18 – 20 ArG einen weitergehenden Anspruch auf wöchentlich 1 ½ arbeitsfreie Tage gewähren. Hingegen statuiert Art. 329 Abs. 2 OR mit dem Satz «die üblichen freien Stunden und Tage» darüber hinaus auch einen Anspruch auf ausserordentliche Freizeit, welche dem Arbeitnehmer für die Erledigung persönlicher Angelegenheiten einzuräumen ist. Zahlreiche Personalreglemente definieren die «ausserordentlichen Ereignisse», welche zu zusätzlichen freien Stunden bzw. Tagen berechtigen in vertraglicher Form. Allerdings kann sich auch ein Arbeitnehmer, für den keine entsprechenden vertraglichen Regelungen bestehen, darauf berufen. Die freien Stunden oder Tage sind gestützt auf die Übung zwingend zu gewähren bei Familienereignissen, bei Kran- 150 Brühwiler 329a, N 3. 84 kenbesuchen naher Familienangehörigen, bei Wohnungswechsel, ärztlichen und zahnärztlichen Dringlichkeitsfällen, Blutspende, Behördengängen, Ablegen von Berufsprüfungen und militärischen Inspektionen, sowie für die Tätigkeit in der Arbeitnehmervertretung und zur Stellensuche. In der Praxis üblich sind die folgenden freien Tage151: Freizeit für persönliche Angelegenheiten Eigene Hochzeit 2 Tage Hochzeit Familie/näherer Verwandtenkreis 1 Tag Geburt eigenes Kind («Vaterschaftsurlaub») 5 Tage Tod Ehefrau/Ehemann, Lebenspartner/Lebenspartnerin, in Hausgemeinschaft lebendes Kind Tod anderer Familienangehöriger 2 – 3 Tage nach Notwendigkeit, max. 3 Tage Militärische Rekrutierung/Inspektion 1 – 3 Tag(e) Umzug des eigenen Haushalts 1 – 2 Tag(e) Für religiöse Minderheiten: an hohen kirchlichen Feiertagen Pflege von erkrankten Kindern im eigenen Haushalt Zeit für Besuch des Gottesdienstes 3 Tage pro Ereignis, max. 5 Tage pro Jahr Für die Stellensuche steht dem Arbeitnehmer unabhängig davon, wer gekündigt hat, «die erforderliche Zeit» zur Verfügung – diese bestimmt sich «nach den konkreten Umständen des Einzelfalls». In der Regel ist ein halber Tag pro Woche «üblich», der auch zusammengelegt oder aufgeteilt werden kann und rein den Vorstellungsgesprächen dienen soll. Das Zusammenstellen der Unterlagen, die Arbeitsmarktanalyse und das Schreiben der konkreten Bewerbungsschreiben darf nicht in die Arbeitszeit gelegt werden. Der Arbeitnehmer hat beim Arbeitgeber um Freizeit für die Stellensuche nachzusuchen und auf die betrieblichen Interessen Rücksicht zu nehmen. Eine Auskunftspflicht, bei wem sich der Arbeitnehmer vorstellen möchte, besteht indes nicht152. Tipp Streitfälle lassen sich am besten vermeiden, wenn im Einzelarbeitsvertrag oder im Personalreglement der Anspruch auf ausserordentliche Freizeit verbindlich und für alle gleich geregelt wird. Trotz des bestehenden Anspruchs auf ausserordentliche Freizeit ist es im Ermessen des Arbeitgebers, wieviel Freizeit er gewährt. Der Arbeitnehmer seinerseits ist verpflichtet, die persönlichen Verrichtungen nach Möglichkeit so zu legen, dass keine Arbeits­zeit ausfällt. Für Teilzeitmitarbeit gilt dies umso mehr. Bezogene ausserordentliche Freizeit muss jedoch von Angestellten im Monatslohn nicht nachgearbeitet werden! 151 Schürer, Arbeit und Recht, S. 130. 152 Brühwiler, Art. 329 N 4 85 3. Unbezahlter Urlaub Beim unbezahlten Urlaub handelt es sich nicht eigentlich um Ferien, sondern um eine Vereinbarung, die gegenseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere die Arbeits- und die Lohnzahlungspflicht, für eine gewisse Dauer zu sistieren. Auch die Nebenpflichten (Weisungsbefugnis usw.) werden damit eingeschränkt. Hingegen hat der unbezahlte Urlaub keinen Einfluss auf Ansprüche, die sich auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses beziehen, wie Ferien oder Kündigungsfristen. Zu beachten ist, dass dem Arbeitnehmer während eines längeren, unbezahlten Urlaubs keine Lücke in der AHV entsteht. Er ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Lohnfortzahlung wegen Krankheit sowie ab dem 30. Tag nach Antritt des unbezahlten Urlaubs auch wegen Unfalls nicht gegeben ist. Mittels einer Abredeversicherung kann der Unfallschutz wenigstens auf 180 Tage erhöht werden. Auch betreffend BVG hat sich der Arbeitnehmer zu informieren, da durch den Ausfall des Lohnes auch der BVG-Anteil des Arbeitgebers entfällt. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer aufgrund seiner Fürsorgepflichten auf diesen Umstand hinzuweisen. Hinweis Vor Inanspruchnahme eines unbezahlten Urlaubs ist unbedingt die Versicherungsdeckung zu prüfen. Nehmen Sie rechtzeitig Kontakt auf mit AHV, UVG-Versicherer und Krankentaggeldversicherung. Ein unbezahlter Urlaub vor der Geburt kann die Höhe der Mutterschaftsentschädigung schmälern. 87 XII. Lohnhöhe, Lohnarten, Lohnbestandteile und Lohnzulagen Einleitende Fragen • Für die Ferienvertretung Ihrer Praxis suchen Sie gezielt nach einer Bewerberin aus Deutschland, da diese erfahrungsgemäss tiefere Löhne verlangen. Geht Ihre Rechnung auf? • Sie wollen einem vielversprechenden männlichen Tierarzt einen Lohn bezahlen, der weit über den Löhnen der bei Ihnen beschäftigten Tierärztinnen liegt mit der Begründung, dass Sie ihn als Ihren Nachfolger für Ihre Tierarztpraxis aufbauen wollen, weil Frauen ohnehin früher oder später Familie gründen würden. Dürfen Sie dies? • Muss ich meinem erkrankten Mitarbeiter auch die Schmutzzulage und den Zuschlag für die Nachtarbeit zahlen, obwohl er ja jetzt gar keine entsprechenden Arbeiten leistet? Art. 322 C.Pflichten des Arbeitgebers I.Lohn 1. Art und Höhe im Allgemeinen Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normal- 1 arbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist. Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unter- 2 kunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist. 1.Lohnhöhe Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu bezahlen, der verabredet oder üblich oder durch Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist. Die Lohnhöhe ist in erster Linie Verhandlungssache zwischen den Vertragsparteien, es sei denn, für eine bestimmte Branche oder Berufsgruppe wären Mindestlohnvorschriften vorgesehen. Weitere Einschränkungen dieses «Prinzips der Vertragsfreiheit» bestehen für Handelsreisende (Art. 349a Abs. 2 OR) sowie für ausländische Arbeitskräfte, für die ein Lohngleichheitsgebot mit inländischen Arbeitskräften gilt. Ausserdem darf aufgrund des Lohngleichheitsgebotes für Mann und Frau in Art. 8 Abs. 3 BV sowie gestützt auf das Diskriminierungsverbot, das sich aus dem Gleichstellungsgesetz ergibt, keine Lohnungleichheit aufgrund des Geschlechts erfolgen. Schliesslich sind die Mindestlohnvorschriften in Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen zu beachten. Wo betreffend Lohnhöhe nichts ausdrücklich vereinbart wurde, kann Einigung auch durch die stillschweigende Auszahlung eines bestimmten Betrages und dessen wider­spruchslose Akzeptanz durch den Arbeitnehmer zustande gekommen sein. Streiten sich die Parteien, ob Brutto- oder Nettolohn vereinbart wurde, so ist Bruttolohn anzunehmen. Besteht darüber keine Einigung, so entscheidet der Richter in der nachstehenden Reihenfolge nach Betriebs-, Branchen- und Ortsüblichkeit sowie gestützt auf Normal- und Gesamtarbeitsverträge. 88 2.Lohnarten Die Praxis hat unterschiedliche Arten der Lohnzahlung herausgebildet: Nach der Zahlungsart unterscheidet man zwischen Geld- und Naturallohn. Lohn kann aber auch unterschiedlich bemessen werden, so nach gearbeiteten Zeitabschnitten («Zeitlohn») oder nach individuellen Leistungselementen («Leistungslohn») – sowie sämtlich Mischformen dazwischen. Schliesslich wird nach dem Grundlohn und den Lohnzulagen unterschieden, wobei die Lohnzulagen gesetzlich vorgeschrieben oder vertraglich vereinbart sein können. Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Lohnzulagen sind die Familienzulagen sowie Inkonvenienzzulagen zu zählen, vertraglich können Endjahreszulagen in Form von Gratifikation («Bonus») oder 13. Monatslohn ebenso vereinbart werden wie Erfolgsvergütungen in Form von Provisionen, Gewinn- und Umsatzbeteiligungen, Prämie und Bonus und Pauschalspesen. 2.1Geldlohn Heute üblich ist die bargeldlose Leistung von Geldlohn. Geldlohn hat ohne anders lautende Vereinbarung in der gesetzlichen Währung und innert der Arbeitszeit zu erfolgen. Art. 323b OR hält unter dem Titel der «Lohnsicherung» den Anspruch des Arbeitnehmers auf eine schriftliche Lohnabrechnung sowie einen Lohnausweis ausdrücklich fest. Aus diesem müssen der Bruttosowie der Nettolohn sowie sämtliche Zulagen und Abzüge einzeln aufgeführt werden. 2.2Naturallohn Lohn, der nicht Geldlohn ist, stellt Naturallohn dar. Dieser kann in der Gewährung von geldwerten Vorteilen bestehen, wie Bezug von Nahrungsmitteln und Kleidern, Verpflegung, Kost und Logis, Überlassen eines Firmenautos oder einer vergünstigten Mietwohnung aber auch von Genuss- und Partizipationsscheinen oder Optionen auf solche Werte153 usw. Nicht als Naturallohn gilt das Recht zur verbilligten Benutzung von Kinderkrippen, Kantinen, Sozialberatungsstellen, Ferienhäusern usw., da dieses Recht an die Betriebszugehörigkeit anknüpft und keinen Entgelt für die individuelle Arbeitsleistung darstellt154. 2.3Zeitlohn Beim Zeitlohn ist nur die Verwendung einer gewissen Zeiteinheit im Interesse des Arbeitgebers geschuldet. Er bemisst sich nach Zeitabschnitte und ist unabhängig von einem bestimmten Arbeitserfolg geschuldet, sobald die vereinbarten Zeitabschnitte abgelaufen sind. 2.4Leistungslohn Der Leistungslohn wächst in Abhängigkeit der erbrachten individuelle oder Gruppenleistung mit Erreichen des Arbeitserfolges an. In der Praxis ergänzt er zumeist den «Grundlohn», welcher die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers decken soll. Erscheinungsformen sind der Akkordlohn, die Prämie, die Provision und der Anteil am Geschäftsergebnis155. 153 Brühwiler, Art. 322, N 1. 154 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 322, N 2. 155 Brühwiler, Art. 322, N 1b dd). 89 3. Lohnbestandteile und Lohnzulagen Art. 322 OR befasst sich nur mit dem eigentlichen Grundlohn sowie dem Naturallohn. Hinzu kommen zahlreiche andere Leistungen mit Lohncharakter, wie die Umsatzbeteiligung, die Gratifikation, die Provisionen als eine Form der Erfolgsvergütung, ferner Sonderzulagen für Arbeitsleistung unter erschwerten Bedingungen, wie Schichtzulagen, Schmutz-, Lärm-, Hitze- oder Teuerungszulagen. Letztlich handelt es sich auch bei den Zuschlägen für Überstunden nach Art. 321c OR sowie bei den Zuschlägen gemäss Arbeitsgesetz wie Sonntags-, Nachtarbeit-, und Überzeitzuschlägen um Lohnzulagen. Hinweis Als Faustregel gilt: Sämtliche Lohnanteile, die regelmässig ausbezahlt wurden und deren Auszahlung nicht ausschliesslich vom Willen des Arbeitgebers abhängen, sind als Lohnbestandteile zu qualifizieren und entsprechend auch für die Berechnung des Ferien- bzw. Krankenlohnes zu berücksichtigen. Regelmässige und ohne Freiwilligkeitsvorbehalt ausbezahlte Gratifikationen gelten bereits nach dreimaliger Auszahlung als geschuldet! Lohnzulagen werden ergänzt durch gesetzlich vorgeschriebene Sozialzulagen, wie Familien156-, Ausbildungs-, und Haushaltszulagen. Auch Pauschal- oder Repräsentationsspesen, die den tatsächlichen Aufwand des Arbeitnehmers übersteigen, können als Lohnbestandteile gelten157. Wichtig ist insbesondere bei den Erfolgsvergütungen eine klare vertragliche Regelung in Bezug auf die Berechnungsart, den Zeitpunkt der Berechnung, die Bezugsgrösse usw. Die Qualifizierung dieser zusätzlich zum Grundlohn geleisteten Zahlungen als «Lohnbestandteile» ist entscheidend für die Berechnung des Ferien- und Krankheitslohnes, da der Arbeitnehmer in diesen Situationen gleich zu entlöhnen ist, «wie wenn er gearbeitet hätte». Als Faustregel gilt: Sämtliche Lohnanteile, die regelmässig ausbezahlt wurden und auf die der Arbeitnehmer einen unbedingten Anspruch hat, die also nicht allein vom Willen des Arbeitgebers abhängen, sind als Lohnbestandteile zu qualifizieren und entsprechend auch für die Berechnung des Ferien- bzw. Krankenlohnes zu berücksichtigen. Hinweis Zahlt der Arbeitgeber eine vollständig freiwillige Gratifikation mehrmals aus, so riskiert er spätestens beim dritten Mal, dass diese zum festen Lohnbestandteil wird, wenn er nicht einen ausdrücklichen, schriftlichen Vorbehalt der Freiwilligkeit anbringt. Jedoch wird dem Arbeitgeber bei freiwillig, aber vorbehaltlos geleisteter Gratifikation ein Ermessen bezüglich der Höhe eingeräumt. Sind hingegen die Höhe und die Zahlungspflicht der Gratifikation vertraglich festgelegt, so wird sie zum festen Lohnbestandteil und ihre Kürzung ist grundsätzlich nicht möglich. 156 Seit 1. Januar 2009 setzt das Bundesgesetz über Familienzulagen (FamZG) bundesweit Mindeststandards für Familien- und Ausbildungszulagen. 157 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 322, N 9. 91 XIII. Lohnfragen beim Stunden- und Tageslohn Einleitende Fragen • Dürfen bei Angestellten im Tageslohn die Ferien durch Lohnzuschlag abgegolten werden? • Haben Teilzeitangestellte Anspruch auf vollen Lohn für einen Feiertag, an dem sie normalerweise gearbeitet hätten? • Kann eine Teilzeitangestellte, welche ihre obligatorische Weiterbildung an einem anderen als dem für sie üblichen Arbeitstag absolviert, Lohnanspruch geltend machen? Ob ein Lohn als Monats- Tages-, Wochen- oder Stundenlohn ausbezahlt wird, ist reine Verhandlungssache; gesetzliche Vorschriften gibt es hierzu nicht. Der Arbeitgeber bevorzugt Stundenlohn, wenn er sehr unterschiedliche Arbeitsanfälle bewältigen muss oder nur ein sehr kleines Pensum zu vergeben hat. Für den Arbeitnehmer birgt der Monatslohn den Vorteil, dass er jeden Monat denselben, vorhersehbaren Betrag erhält und dass Kurzabsenzen zur «Erledigung persönlicher Angelegenheiten» mit dem Monatslohn auch finanziell abgegolten werden, denn bei Stundenlohn ist die Lohnzahlung für Kurzabsenzen üblicherweise nicht geschuldet – sie muss vertraglich eigens vereinbart werden. Hingegen haben auch Arbeitnehmer im Stundenlohn Anspruch auf bezahlte Ferien, auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie auf die korrekte Einhaltung der Kündigungsfristen. Auch die Lohnzahlung an Feiertagen ist im Stundenlohn lediglich für den Nationalfeiertag, den 1. August, gesetzlich vorgeschrieben, sofern an dem Tag auch tatsächlich gearbeitet worden wäre. An allen anderen Feiertagen ist für Arbeitnehmer im Stundenlohn keine Lohnzahlung geschuldet, es sei denn, diese sei vertraglich vereinbart worden158. Art. 329 OR statuiert zwar den Anspruch auf «einen freien Tag pro Woche, in der Regel den Sonntag, oder, wo dies nicht möglich ist, einen vollen Werktag» (ordentliche Freizeit) und «im Übrigen die üblichen freien Stunden und Tage» («ausserordentliche Freizeit) sowie «die nach erfolgter Kündigung für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit». Über eine Lohnzahlung ist damit jedoch noch nichts gesagt. Sie ist von den Parteien frei zu verhandeln oder wo nichts vereinbart wurde durch Übung zu bestimmen. 158 BGE 4A_54/2010 vom 4.5.2010. 92 Monats-/Wochenlohn Stunden-/Tages-/Akkordlohn Lohnhöhe Monatlich gleiche Lohnsumme Entsprechend tatsächlich geleistete Stunden unterschiedlich hohe Lohnsumme Ferienanspruch Ja Ja Lohnanspruch für Ferien Ja Ja Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Ja Ja Einhaltung der Kündigungsfristen Ja Ja Ja, gesetzlicher Lohnanspruch, sofern Werktag Ohne vertragliche Vereinbarung: Ja Ja, gesetzlicher Lohnanspruch, sofern Werktag Ohne vertragliche Vereinbarung: Nein Kurzabsenzen zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten Ohne vertragliche Vereinbarung: Ja Ohne vertragliche Vereinbarung oder Üblichkeit: Nein Ausserordent­liche Freizeit für die Stellensuche Ohne gegenteilige Abmachung: Voller Lohnanspruch Ohne vertragliche Vereinbarung oder Üblichkeit: Kein Lohnanspruch Lohnanspruch an Feiertagen 1. August 8 kant. Feiertage 1. Lohnzahlung für ordentliche Freizeit Während für Arbeitnehmer im Monats- oder Wochenlohn ohne anderslautende Vereinbarung anzunehmen ist, dass der Lohnanspruch trotz der freien Tage entsteht und weiter anwächst, besteht bei Stunden-, Tages- und Akkordlohn ein Lohnanspruch für diese Tage nur dort, wo er ausdrücklich vereinbart oder üblich ist159. Während der ordentlichen Freizeit ist der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit. Erkrankt oder verunfallt er an diesen Tagen oder kann er die Freizeit aus anderen von Art. 324a OR erfassten Gründen nicht nutzen, entsteht ihm daher kein Anspruch auf Nachgewährung der Freizeit oder auf Entschädigung, da Art. 324a OR nur in Fällen der «Verhinderung an der Arbeitsleistung» zur Anwendung kommt160. 2. Lohnzahlung für ausserordentliche Freizeit Im Anspruch auf die ausserordentliche Freizeit gemäss Art. 329 Abs. 3 OR ist der Lohnanspruch nicht mit enthalten. Auch hier gilt: Für den Arbeitnehmer im Monats- oder Wochenlohn dürfen ohne gegenteilige Vereinbarung keine Lohnabzüge gemacht werden, wohingegen Arbeitnehmer im Stunden-, Tages- oder Akkordlohn während ausserordentlicher Freizeit nur dann Anspruch auf Lohn haben, wenn dies ausdrücklich vereinbart oder üblich ist. Liegt hingegen gleichzeitig eine unverschuldete Arbeitsverhinderung i.S.v. Art. 324a OR vor, besteht ein unabdingbarer Lohnanspruch gemäss Art. 324a OR. 159 Brühwiler, Art. 329 N 1d. 160 Brühwiler, Art. 329, N 1c; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 329 N 2. 93 3. Lohnzahlung für Feiertage Feiertage sind Tage, an welchen kraft gesetzlicher Vorschrift nicht gearbeitet werden darf. In der Schweiz besteht nur ein bundesweiter Feiertag, der 1. August. Für die am 1. August ausfallende Arbeitszeit besteht eine bundesweite Lohnzahlungspflicht, welche ungeachtet der vereinbarten Lohnform für alle Arbeitnehmer gilt, unabhängig davon, ob jemand im Monats-, Wochen-, Tages-, Akkord- oder Stundenlohn angestellt ist. Die übrigen Feiertage werden durch kantonales Recht geregelt. Den Kantonen wurde das Recht eingeräumt, acht weitere Tage dem Sonntag gleich zu stellen. Allerdings können die Kantone keine gesetzliche Lohnzahlungspflicht an Feiertagen festlegen. Für die Arbeitnehmer bedeutet dies wiederum: Wer im Monats- oder Wochenlohn angestellt ist, kommt ohne gegenteilige Vereinbarung in den Genuss der Lohnzahlung. Wer im Tages-, Stunden- oder Akkordlohn angestellt ist, hat keinen Anspruch auf Lohnzahlung an Feiertagen, es sei denn, diese sei vereinbart oder üblich. Hinweis Fallen Feiertage in die Ferien, zählen diese Tage grundsätzlich nicht als Ferienbezug, d.h. der Ferienanspruch verlängert sich entsprechend. Allerdings kann ein regelmässig an bestimmten Wochentagen arbeitender Teilzeitarbeitender Feiertage, die auf einen Wochentag fallen, an welchem er regelmässig nicht arbeitet, nicht zur Ferienverlängerung heranziehen. 4. Lohnzahlung während Ferien Art. 329d OR verlangt, dass der Arbeitnehmer während den Ferien lohnmässig nicht schlechter gestellt werden soll, als wie wenn er gearbeitet hätte. Bei regelmässigem monatlichem Einkommen ist dem Arbeitnehmer somit einfach weiterhin die übliche Lohnzahlung zu leisten, somit der Grundlohn plus sämtliche regelmässig erhaltenen Lohnbestandteile, wie Provisionen, Umsatzbeteiligungen oder regelmässig ausbezahlte Zulagen für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit161. Bei unregelmässigen Einkommen, z.B. gestützt auf Stunden- oder Akkordlohn, sind die Bezüge während der letzten zwölf Monate für die Berechnung des Jahresbruttolohnes heranzuziehen. Der Ferienlohn ist auf der Basis des durchschnittlich verdienten Jahresbruttolohnes zu berechnen, in Abhängigkeit von der Höhe des Ferienanspruches. Dabei gilt: Höhe Ferienanspruch Prozentsatz in Bezug zum Jahresbruttolohn 4 Wochen (20 Arbeitstage) 8.33 % 5 Wochen (25 Arbeitstage) 10.64 % 6 Wochen (30 Arbeitstage) 13.04 % Aufgrund des Abgeltungsverbotes für Ferien während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses ist der Ferienlohn grundsätzlich immer in dem Zeitpunkt zu bezahlen, zu welchem die Ferien auch tatsächlich bezogen werden. Anderslautende Vereinbarungen sind nichtig und der Arbeitgeber 161 BGE 132 III 172. 94 riskiert bei Verstoss gegen das Abgeltungsverbot, dass er den Ferienlohn ein zweites Mal bezahlen muss. Nur bei sehr kleinem und sehr unregelmässigem Pensum, insbesondere auch für Stundenlöhne, wo die Ferienlohnberechnung schwieriger ist, lässt die bisherige Praxis im Sinne einer Ausnahme zu, dass der Ferienlohn in Form von Lohnzuschlägen monatlich ausbezahlt wird. In solchen Fällen muss jedoch zwingend der Ferienlohnanteil in jeder einzelnen Lohnabrechnung sowie im Einzelarbeitsvertrag gesondert ausgewiesen und betragsmässig spezifiziert werden. Formulierungen wie «pauschal» oder «Ferienlohn inbegriffen» genügen nicht162. 162 Brühwiler, Art. 329d OR, N 4b. 95 XIV. Lohnfortzahlung bei Krankheit, Unfall, Schwangerschaft, Militärdienst Einleitende Fragen •Ihre neue Angestellte verunfallt während der Probezeit. •Aufgrund eines Vulkanausbruchs und der damit verbundenen Flugausfälle kommen Sie verspätet aus den Ferien zurück. •Ihr übergewichtiger Mitarbeiter unterzieht sich einer Magen-Bypass-Operation. •Ihr Lernender muss zur militärischen Aushebung. •Ihre Mitarbeiterin unterzieht sich einer In-vitro-Behandlung, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung? Vom Grundsatz «ohne Arbeit kein Lohn!» gibt es einige Ausnahmen. Einen davon bildet der An­ spruch des Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung infolge Krankheit, Unfall, Schwangerschaft, Militärdienst sowie bei Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes. Die Lohnfortzahlungspflicht stellt eine wichtige Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäss Art. 328 OR dar163. Art. 324a 2. bei Verhinderung des Arbeitnehmers a.Grundsatz Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher 1 Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist. Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so 2 hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen. Bei Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat der Arbeitgeber den Lohn im gleichen Umfang zu entrichten. 3 Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den vorstehenden 4 Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist. 163 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b OR, N 5. 96 1.Anspruchsvoraussetzungen Der Lohnanspruch entsteht unter den nachstehenden Voraussetzungen: 1.1 Vorliegen einer Arbeitsverhinderung Der Anspruch auf Lohnfortzahlung aufgrund von Art. 324a OR entsteht, sobald eine Arbeitsverhinderung vorliegt, entsprechend anteilsmässig auch bei Teilarbeitsun­fähigkeit. Bei letzterer kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer je nach ärztlicher Empfehlung allerdings zumutbare Ersatzarbeit zuweisen164. Arbeitsverhinderung ist nicht mit dem medizinischen Krankheitsbegriff gleich zu setzen. Entscheidend ist, ob die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten zumutbar ist oder nicht165. Anspruch auf Lohnfortzahlung hat daher auch derjenige Arbeitnehmer, der sich aus medizinischen oder psychologischen Gründen einer Schönheitsopera­tion unterziehen muss oder einen Kuraufenthalt antritt, auch wenn er bis zu dessen Antritt durchaus arbeitsfähig war. Den Zeitpunkt einer medizinisch notwendigen aber nicht dringenden Operation kann der Arbeitnehmer selbst festlegen, er muss dabei allerdings angemessen Rücksicht auf die Bedürfnisse des Arbeitgebers nehmen. Keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung gestützt aus Art. 324a OR hat hingegen, wer während eines unbezahlten Urlaubs, – bei welchem die Arbeitspflicht ja in gegenseitigem Einvernehmen ausgesetzt ist – oder an einem ohnehin freien Wochenende erkrankt. Denn ein solcher Arbeitnehmer ist nicht an der Arbeitsleistung verhindert. Ebenso wenig hat ein Arbeitnehmer Lohnanspruch, der an sogenannten «Vorhol­tagen» – an denjenigen Tagen also, deren Arbeitsleistung er vorgeholt hat – erkrankt, verunfallt oder Militärdienst leistet, denn auch in diesen Fällen ist er ja nicht an der (bereits geleitsteten) Arbeit verhindert166. 1.2 Subjektive Gründe Die Arbeitsverhinderung muss «in der Person des Arbeitnehmers liegen», damit sie Anspruch auf Lohnfortzahlung begründet. So fallen sämtliche objektive Hinderungsgründe nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 324a OR. Objektive Hinderungsgründe sind beispielsweise Umweltkatastrophen, Zugsausfälle, Generalstreiks, Kriege u.ä. Subjektive Gründe werden hingegen angenommen, wenn ein Arbeitnehmer durch ein allgemeines Ereignis in besonderer Weise subjektiv betroffen ist, z.B. die Zerstörung seines Hauses durch Hochwasser167. Die in Art. 324a OR aufgezählten Hinderungsgründe sind nicht abschliessend, es sind weitere Fälle von unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit denkbar, wie beispielsweise unverschuldete Untersuchungshaft. 164 Brühwiler, Art. 324a, N 8b. 165 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b OR N 10. 166 Brühwiler, Art. 324a OR, N 8a. 167 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b N 6. 97 Lohnfortzahlung und Impfzwang im Fall einer Pandemie Auch eine Arbeitsverhinderung infolge Pandemie fällt grundsätzlich unter Art. 324a OR. Erkrankt der Arbeitnehmer selbst, so liegt eine unverschuldete Arbeits­verhinderung auch im subjektiven Element vor und die Lohnfortzahlungspflicht besteht gemäss Art. 324a OR. Sollte eine Krankentaggeldversicherung zwar gültig abgeschlossen worden sein, diese aber einen entsprechenden Vorbehalt geltend machen können, so besteht seitens Arbeitgeber mindestens die gesetz­ liche Lohnfortzahlungspflicht. Erkrankt das Kind eines Arbeitnehmers, so kann er sich auf gesetzliche Pflicht (Pflege kranker Angehöriger) berufen. Art. 36 Abs. 3 ArG lässt hingegen nur drei Tage zur Betreuung kranker Kinder zu. Verweigert ein Arbeitnehmer hingegen lediglich aus Angst vor Ansteckung, seiner Arbeitspflicht nachzukommen, ohne dass er subjektiv einen Nachweis der Arbeitsverhinderung beibringen kann, so hat er selbst den Lohnausfall zu tragen, da er sich dann im Verzug befindet. Sein theoretisch erhöhtes Ansteckungsrisiko als Medizinalperson befreit ihn nicht von seiner Arbeitspflicht. Umgekehrt kann ein Arbeit­geber nicht allein zur Vermeidung von Fehltagen eine Zwangsimpfung durchsetzen. 1.3 Schuldlosigkeit des Arbeitnehmers Der Arbeitnehmer muss «ohne sein Verschulden» an der Arbeitsleistung verhindert sein. Hat der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung selbst verschuldet, ist kein Lohnanspruch gestützt auf Art. 324a OR geschuldet, sondern haftet der Arbeitnehmer im Gegenteil dem Arbeitgeber für den Schaden wegen Nichterfüllen seiner vertraglichen Pflichten gestützt auf Art. 97 OR. Lediglich bei Arbeitsverhinderung aufgrund von Schwangerschaft sowie infolge Ausübung eines öffentlichen Amtes bildet die Schuldlosigkeit keine Anspruchsvoraussetzung168. Der Entlastungsbeweis, dass es sich nicht um Selbstverschulden handle, ist vom Arbeitnehmer zu erbringen. Selbstverschulden wird in der Praxis bei absichtlicher oder eventualvorsätzlicher Verursachung der Arbeitsverhinderung angenommen. Von Eventualvorsatz spricht man, wenn der Arbeitnehmer die Verletzung bewusst in Kauf genommen hat169. Fragen zum Selbstverschulden werden regelmässig in Bezug auf die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, auf Suchterkrankungen, Selbstverstümmelung oder Selbsttötungsversuche geprüft. Auch die Verweigerung einer ärztlichen Behandlung oder der Einnahme von Medikamenten kann ein Verschulden darstellen. Hier sind jeweils die Umstände des Einzelfalles massgebend, wobei Selbstverschulden nicht leichtfertig angenommen werden darf. Es kommt erheblich darauf an, wie weit der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Schädigung noch in der Lage war, die Folgen seines Handelns abschätzen zu können. Sportverletzungen stellen nach heutiger Rechtsauffassung auch bei sogenannten Risikosportarten wie z.B. Skifahren, Reiten, Tauchen oder Deltasegeln kein Selbst­verschulden dar, solange die gebotenen Vorsichtsmassnahmen beachtet und die geltenden Regeln eingehalten wurden170. 168 Brühwiler, Art. 324a OR, N 7 f. 169 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 29. 170 Brühwiler, Art. 324a, N 7b. 98 1.4 Dauer von mindestens drei Monaten (Karenzfrist) Schliesslich besteht eine Lohnfortzahlungspflicht infolge unverschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung nur, «sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen» wurde. Bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen gilt eine Karenzfrist von drei Monaten. Somit ist für Absenzen während den ersten drei Monaten eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses keine Lohnfortzahlung geschuldet: Setzt eine Absenz in den ersten drei Anstellungsmonaten ein und dauert sie über den dritten Monat hinaus an, so beginnt die Lohnfortzahlung infolge unverschuldeter Arbeitsverhinderung grundsätzlich erst am ersten Tag des vierten Anstellungsmonats und auch nur für die Arbeitsverhinderung ab diesem Zeitpunkt171. Diese gesetzliche Härte der Karenzfrist wird in der Praxis jedoch regelmässig gemildert172: Bei Unfall verkürzt sich die Karenzfrist für die dem UVG unterstellten Arbeitnehmer auf zwei Tage, da gemäss obligatorischer Unfallversicherung bereits ab dem dritten Tag der Arbeitsverhinderung 80 % des Lohnes geschuldet sind. Bei Militär-, Zivil- und Schutzdienst sowie bei Mutterschaft besteht bezüglich der Leistungen der EO keine Karenzfrist. Und schliesslich beseitigen viele Gesamtarbeitsverträge und Anstellungsreglemente die Karenzfrist für Neuangestellte auch bei Krankheit. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen, die von Vornherein für eine längere Zeitdauer als drei Monate eingegangen wurden, entsteht die Lohnfortzahlungspflicht mit dem ersten Tag der Arbeitsverhinderung. Betreffend Teilzeitarbeit ist zu unterscheiden, ob eine dauerhafte Anstellung mit reduziertem, eventuell unregelmässigem Arbeitspensum vorliegt, oder ob es sich um Aushilfsarbeit von Fall zu Fall handelt. Im ersteren Fall endet die Karenzfrist drei Monate nach Stellenantritt, analog zu jedem anderen unbefristeten Arbeitsverhältnis. Bei Aushilfsarbeit kann eine Lohnfortzahlungspflicht nur in denjenigen Fällen entstehen, wo der einzelne Arbeitseinsatz für länger als drei Monate vorgesehen war173. 2. Dauer und Höhe der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht 2.1 Dauer der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht Über die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht heisst es in Art. 324a Abs. 2 OR lediglich: «im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessen längere Dauer» […] «je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen». Um diese Ungewissheit zu mildern, hat die Gerichtspraxis gestützt auf Art. 324a OR drei unterschiedliche, nach Anzahl Dienstjahren abgestufte Skalen entwickelt. Die Berner Skala wurde – als älteste der drei Skalen – von Wirtschaftsverbänden ausge­arbeitet und wird in den Kantonen Bern, Aargau, Obwalden, St. Gallen (i.d.R.), Wallis, dem Tessin und in der französischen Schweiz angewandt. Sie spricht dem Arbeitnehmer im 1. Dienstjahr drei Wochen Lohnfortzahlungsanspruch zu, im zweiten Dienstjahr einen Monat, im dritten und vierten Dienstjahr zwei Monate und danach pro fünf Dienstjahre je einen Monat zusätzlich. 171 Brühwiler, Art. 324a N 15. 172 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b OR, N 2. 173 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 2. 99 Die Basler Skala kommt in den beiden Basler Kantonen zur Anwendung und zeichnet sich durch einen schnellen Anstieg der Lohnfortzahlungsdauer sowie einer Abflachung ab dem 4. Dienstjahr aus. So spricht sie dem Arbeitnehmer bereits im zweiten Dienstjahr zwei Monate, im 3. Dienstjahr drei Monate und ab dem 4. Dienstjahr bis und mit 10. Dienstjahr drei Monate Lohnfortzahlung zu. Die Zürcher Skala schliesslich kommt im Kanton Zürich und Graubünden, den Innerschweizer Kantonen sowie Appenzell Innerrhoden zur Anwendung und berechnet sich mit Ausnahme des ersten Dienstjahres nach der Formel: Anzahl Wochen Lohnfortzahlung = Anzahl Dienstjahre + sechs. Zürcher Skala (ZH, GR, i.d.R. ZG, LU, SZ, NW) Im 1. Dienstjahr 3 Wochen Lohnfortzahlung 2. Jahr 8 Wochen 3. Jahr 9 Wochen 4. Jahr 10 Wochen pro weiteres Jahr 1 Woche mehr Basler Skala (BS und BL) Im 1. Dienstjahr 2. und 3. Jahr 3 Wochen Lohnfortzahlung 4. bis 10. Jahr 13 Wochen 11. bis 15. Jahr 17 Wochen 16. bis 20. Jahr 22 Wochen ab 21. Dienstjahr 26 Wochen 9 Wochen Berner Skala (Kantone Bern, «Romandie», Tessin, Wallis, Obwalden, Aargau und i.d.R. St. Gallen) Im 1. Dienstjahr 2. Jahr 3. und 4. Jahr 5. bis 9. Jahr 10. bis 14. Jahr 15. bis 19. Jahr 20. bis 24. Jahr 25. bis 29. Jahr 30. bis 34. Jahr ab dem 35. Jahr 3 Wochen Lohnfortzahlung 4 Wochen 9 Wochen 13 Wochen 17 Wochen 22 Wochen 26 Wochen 30 Wochen 33 Wochen 39 Wochen 100 Die Anzahl Dienstjahre ist von grundlegender Bedeutung für die Berechnung der Dauer der Lohnfortzahlungspflicht. Auch hier gilt – analog zur Berechnung der Kündigungsfristen – dass das Dienstjahr mit der Anstellung beginnt und auch Lehrjahre im gleichen Betrieb als Dienstjahre anzurechnen sind. Wenn ein Dienstjahr neu beginnt, entsteht auch der Lohnfortzahlungs­ anspruch neu. Bei «Saisonniers» sind trotz des jährlichen Unterbruchs die effektiven Dienstzeiten beim selben Arbeitgeber zusammen zu rechnen, allerdings gelten für den Fall, dass er während der Zeit des Unterbruchs erkrankt, die Regeln des unbezahlten Urlaubs174. Er hat somit nur Lohnfortzahlungsanspruch, sofern der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeit fixiert ist und der Arbeitnehmer in diesem Zeitpunkt auch tatsächlich krank ist. In jedem Fall obliegt es dem Arbeitnehmer, den Arbeitgeber umgehend über seine Erkrankung zu informieren. Trotz der Versuche, die Gerichtspraxis mittels Lohnfortzahlungsskalen zu vereinheitlichen, sind letztlich die Umstände im Einzelfall zu beachten. So kann es durch richterliches Ermessen sowohl zur Verlängerung als auch zur Verkürzung der vertraglich vereinbarten Lohnfortzahlungsdauer kommen. Für eine Verkürzung der Lohnfortzahlung sprechen sehr gute wirtschaftliche Verhältnisse des Arbeitnehmers, angespannte wirtschaftliche Verhältnisse des Arbeitgebers oder erhebliche frühere Leistungen des Arbeitgebers wegen unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers. Für eine Verlängerung der Lohnfortzahlungspflicht sprechen erhebliche Familienlasten des Arbeitnehmers oder ein früheres Arbeitsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber. Das erste Dienstjahr beginnt mit dem Antritt der Stelle zu laufen. Pro Dienstjahr entsteht nur einmal der volle Lohnfortzahlungsanspruch, unabhängig davon, ob mehrere Gründe eintreten (z.B. Krankheit und Militärdienst). Mit jedem neuen Dienstjahr beginnt der Anspruch auf Lohnfortzahlung neu zu laufen, und zwar jeweils mit dem Lohnfortzahlungsanspruch, der für dieses neue Dienstjahr gilt. Wenn sich eine Erkrankung vom einen Dienstjahr ins nächste hinein zieht, entsteht für das neue Dienstjahr der volle neue Lohnfortzahlungsanspruch des entsprechenden Dienstjahres. Dadurch kann der Fall eintreten, dass ein Arbeitnehmer im Falle einer Langzeit­ erkrankung zunächst Lohn erhält, dann eine Lücke entsteht und er erst mit Beginn des nächsten Dienstjahres neuerlich Lohn erhält175. Im letzten Dienstjahr, das wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein ganzes Jahr dauert (z.B. bei Austritt per 31.10.) entsteht dennoch der volle Lohnfortzahlungsanspruch des entsprechenden Dienstjahres. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung endet nicht wegen Erreichen des AHV-Alters176. 2.2 Höhe der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht Der bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung geschuldete «darauf entfallende Lohn» umfasst nicht nur den Lohn im engeren Sinn, sondern auch eine Entschädigung für den Naturallohn, soweit dieser nicht weiterhin in natura gewährt werden kann. Ausserdem sämtliche regelmässig wiederkehrende Zulagen, wie Teuerungs-, Nacht-, Sonntags-, Schicht- und Sozialzulagen. Die Ansätze für den zu vergütenden Naturallohn finden sich teilweise in Gesamt­arbeitsverträgen, andernfalls kann auf die Ansätze der AHV für Kost und Logis abgestellt werden177. Der Arbeitnehmer soll im Falle von unverschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung gleich gestellt werden, wie wenn er gearbeitet hätte. Entsprechend diesem Lohnausfallprinzip sind 174 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 7. 175 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 8. 176 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 8. 177 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 9. 101 auch Prämien und Inkonvenienzzulagen wie z.B. Gefahrenzulagen zu ersetzen, sofern diese bei erbrachter Arbeitsleistung verdient worden wären178. Bei Pauschalspesen ist derjenige Teil in den Krankenlohn mit einzuberechnen, welcher die effektiven Spesen übersteigt und somit Lohncharakter hat. Auch der Anspruch auf den 13. Monatslohn wächst während unverschuldeter Arbeitsverhinderung weiter an179. Einzig Gratifikationen sind nicht in die Lohnfortzahlung mit einzuberechnen, da sie keinen Lohnbestandteil bilden und ohnehin zumeist erst am Jahresende in einer Einmalzahlung geleistet werden. Bei Arbeitnehmern, die mit dem Arbeitgeber in Hausgemeinschaft leben, hat der Arbeitgeber gemäss Art. 328a Abs. 2 OR bei Krankheit, Unfall, Schwangerschaft und Niederkunft zusätzlich zur Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR für die Pflege und die ärztliche Behandlung «für eine beschränkte Zeit» aufzukommen, und zwar auch an arbeitsfreien Tagen180. Bei variablem Lohn wie Akkord oder unregelmässiger Teilzeitarbeit wird auf den Durchschnittslohn des Verdienstes vor der Verhinderung abgestellt, zuzüglich allgemeiner Lohnzuschläge wie z.B. Teuerungsausgleich. Dabei soll die Vergleichsperio­de typisch sein und weder einseitig auf Spitzenverdienstzeiten noch einseitig auf «Flauten» abstellen. Massstab für sämtliche Berechnungen des Krankenlohnes – also auch für Provisionen, Gewinnbeteiligungen oder kurz zuvor erfolgten Änderungen des Lohnes – ist jeweils, was der Arbeitnehmer in derselben Periode verdient hätte, wenn er gearbeitet hätte. Entsprechend ist auch für die Zeitgutschriften bei Jahresarbeitszeit zu verfahren: Grundsätzlich ist diejenige Zeit gutzuschreiben, die der Arbeitnehmer effektiv gearbeitet hätte, also durchaus auch einmal mehr (oder weniger) als die 8.5 Stunden Sollarbeitszeit eines Tages, da er ja denjenigen Lohn zugute hat, den er auch erhalten würde, wenn er gearbeitet hätte. Wird hingegen die Sollarbeitszeit gut geschrieben, muss konsequent dasselbe System angewandt werden. Ziel ist es jeweils, eine «gleichwertige Lösung» zu erzielen, wie wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hätte. Beim Krankenlohn ist ausserdem die Unterscheidung betreffend Sozialabzüge vorzunehmen: Auf Versicherungsleistungen bei Krankheit, Unfall und Invalidität müssen keine Sozialabzüge getätigt werden, ausser auf Taggeldern der IV, der Militärversicherung und auf Entschädigungen der EO. Ebenso erfolgen auf Taggelder der Krankentaggeldversicherung keine Abzüge. Bei Lohnfortzahlungsleistungen des Arbeitgebers sind hingegen die Sozialabzüge zu tätigen und an die Kassen einzubezahlen. Diese Unterscheidung kommt insbesondere während der Karenztage und bei Leistungen des Arbeitgebers, welche die 80 % der Krankentaggeldversicherung auf 100 % aufstocken, zum Tragen und führt zu komplizierten Abrechnungen181. Für Selbständigerwerbende Als Selbständige oder Selbständiger sollten Sie eine Krankentaggeld-Versicherung abschliessen, welche bei Krankheit den Einkommensausfall deckt. Ratsam ist auch eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung, welche nach Ablauf der Krankentaggeldversicherung (nach zwei Jahren) eine Rente bezahlt. Im Internet finden Sie Vergleichsdienste für Anbieter von solchen Versicherungen. 178 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 9. 179 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 9. 180 Brühwiler, Art. 328a, N 4. 181 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 9. 102 Die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht wird durch den Arbeitgeber heute zumeist durch den Abschluss einer privaten Krankentaggeldversicherung abgesichert. Diese regelt auf privatrechtlicher Grundlage Höhe und Dauer der Lohnfortzahlung sowie die Dauer der Karenzfrist und ersetzt, sofern sie mindestens gleichwertig ist, die gesetzliche Lohnfortzahlung weitgehend. Die gesetzliche Lohnfortzahlung lebt nur dort wieder auf, wo die Krankentaggeldversicherung aufgrund eines Vorbehaltes nicht zum Zuge kommt. 3. Verhinderungsgründe im Einzelnen Das Gesetz zählt als Gründe für eine unverschuldete Arbeitsverhinderung Krankheit, Unfall, Schwangerschaft, gesetzliche Pflicht und Ausübung eines öffent­lichen Amtes auf. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschliessend. 3.1 Krankheit Krankheit wird – im Gegensatz zum Unfall – definiert als eine schleichende Veränderung des Körpers, die von innen her auf den Körper einwirkt. Nicht jede Krankheit im medizinischen Sinn muss zu einer Arbeitsverhinderung führen und umgekehrt kann ein körperlicher Zustand, dem kein Krankheitswert zukommt, die Arbeit in Ausnahmefällen unzumutbar machen. Unter Art. 324a OR fallen nur diejenigen Krankheiten, welche «unverschuldet» zu einer Arbeitsverhinderung führen. Dazu werden auch ärztlich verschriebene Kuraufenthalte und Operationen gezählt, welche nicht ohne Gefahr für die Gesundheit verschoben werden können. Und selbst Schönheitsoperationen fallen darunter, wenn sie medizinisch begründet sind. Eine unverschuldete krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung löst den zeitlichen Kündigungsschutz von Art. 336c Abs. 1 lit. b OR aus, weshalb eine während dieser Sperrfrist ausgesprochene Kündigung nichtig ist. Wurde bereits vor Beginn der Arbeits­unfähigkeit gekündigt, so ist die Kündigung gültig und die Kündigungsfrist verlängert sich um die Dauer der Sperrfrist, allerdings nur in denjenigen Fällen, in welchen der Arbeitgeber gekündigt hat, nicht jedoch bei Kündigung durch den Arbeitnehmer. Will der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch geltend machen, muss er im Falle seiner Genesung seine Arbeitsleistung dem Arbeitgeber wieder anbieten, ansonsten seine Ansprüche auf Lohnfortzahlung verfallen182. 3.2Unfall Bei Unfall handelt es sich um eine «plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat»183. Unfall wird betreffend Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung, Arbeitsunfähig­keit und Ferienunfähigkeit gleich behandelt wie Krankheit. Allerdings bestehen wesentliche Unterschiede bei der Lohnfortzahlungspflicht, da seit Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984 alle Arbeitnehmer in der Schweiz gegen Betriebsund Nichtbetriebsunfälle versichert sind184. Ab dem dritten Tag nach Eintritt des Unfallereignisses ist daher der Lohn zu 80 % versichert und zwar bis zu einer maximale Lohnhöhe von CHF 126’000.– / Jahr bzw. 346.– / Tag (Stand 2012), ab 1.1.2016 gar bis zur maximalen Lohnhöhe von 182 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b OR, N 10. 183 Art. 4 ATSG. 184 Ausnahmen bestehen für Teilzeitarbeitskräfte mit weniger als 8h pro Woche beim gleichen Arbeitgeber betreffend Nichtbetriebsunfälle. Der direkte Arbeitsweg ist jedoch ebenfalls versichert. 103 CHF 148’200.–185. Der Arbeitgeber hat bei Unfall daher nur noch 80 % des Lohnes für die ersten beiden Tage (Karenztage) nach dem Unfall zu leisten, sowie bei Unfällen, für die kein Beweis erbracht werden kann, bei höheren Salären als dem UVG-Maximum sowie bei Festangestellten mit einem Pensum von weniger als acht Stunden pro Woche. 3.3Schwangerschaft Die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht bei Schwangerschaft gemäss Art. 324a Abs. 3 OR ist den übrigen Arbeitsverhinderungsgründen gleich gestellt. Auch hier gilt grundsätzlich eine Lohnfortzahlungspflicht von drei Wochen im ersten Dienstjahr, danach «während einer angemessen längeren Zeit». Voraussetzung ist allerdings auch hier das Vorliegen einer «Arbeitsverhinderung», z.B. wegen Schwangerschaftsbeschwerden186. In der Praxis bedeutet dies, dass die Krankentaggeldversicherung häufig eine Leistungspflicht bei Schwangerschaft nur bei Auftreten von Komplikatio­nen anerkennt. Eine Lohnfortzahlungspflicht in Höhe von 80 % des Lohnes besteht ausserdem in denjenigen Fällen, in welchen die Beschäftigung schwangerer Frauen oder stillender Mütter wegen beschwerlicher oder gefährlicher Arbeit aus gesundheitlichen Gründen untersagt oder stark eingeschränkt ist, sofern ihnen der Arbeitgeber keine zumutbare Ersatzarbeit zuweisen kann187. 3.4 Erfüllung gesetzlicher Pflichten Mit gesetzlichen Pflichten ist in erster Linie der obligatorische Militär-, Schutz- und Zivildienst gemeint, wozu auch Beförderungsdienste und der militärische Frauen­dienst zu zählen sind. Ferner handelt es sich bei den gesetzlichen Pflichten um Feuer­wehrdienste, um den Besuch von obligatorischen Fortbildungen, um gericht­liche Vorladungen als Zeuge oder Partei oder das Aufgebot anderer Behörden. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch bei der Erfüllung gesetzlicher Pflichten gestützt auf Art. 324a OR für eine beschränkte Zeit den vollen Lohn bezahlen. Wo hingegen eine Erwerbsausfallentschädigung gemäss EOG ausgerichtet wird, kommt Art. 324b OR zur Anwendung, da es sich um eine obligatorische Versicherung handelt. Dabei zahlt der Arbeitgeber in der Regel dem Arbeitnehmer den Lohn direkt aus und beansprucht in der Folge die Leistungen der EO für sich. Nicht von der EO erfasst sind Absenzen wegen Ausrüstungs- und Waffeninspektion – für diese ist der Arbeitgeber aufgrund von Art. 324a OR lohnpflichtig. Keine gesetzliche Pflicht stellt hingegen die Teilnahme an ausserdienstlichen Militärwettkämpfen oder Waffenläufen dar. Ausserdem besteht auch keine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, wenn Militärdienstleistungen aufgrund von schuldhaftem Verhalten (z.B. schuldhafte Entlassung aus dem WK, Verbüssung militärischer Haftstrafen, Nachschiesskurse wegen schuldhafter Nicht­ erfüllung der obligatorischen Schiesspflicht usw.) wiederholt werden müssen. 185 Der Bundesrat hat am 12.11.2014 entschieden, die Obergrenze per 1. Januar 2016 von 126’000 Franken auf 148’200 Franken hinauf zu setzen. Diese Erhöhung wirkt sich auch auf die Festsetzung der Beiträge und Leistungen der Arbeitslosenversicherung sowie der Höhe der Taggelder der Invalidenversicherung aus (www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=55178). 186 Brühwiler, Art. 324a, N 22. 187Ebenda. 104 3.5 Ausübung eines öffentlichen Amtes Tätigkeiten als Behördenmitglied, Richter, Geschworener oder Parlamentarier fallen unter den Begriff der «Ausübung eines öffentlichen Amtes», wobei ein Amt als «öffentlich» gilt, wenn es im öffentlichen Recht begründet ist. Hier ist der Arbeitgeber selbst dann zur Lohnzahlung verpflichtet, wenn er sich gegen die Wahl des Arbeitnehmers gestellt hat; das öffentliche Interesse, genügend Exponenten für das schweizerische Milizsystem zu finden, wird hier höher gewichtet als das private Interesse des einzelnen Arbeitgebers an einem unbeeinträchtigten Arbeitsablauf. Allfällige Entschädigungen, die der Arbeitnehmer für die Ausübung seines öffent­lichen Amtes erhält, muss er sich an die Lohnfortzahlung anrechnen lassen, sofern es sich nicht lediglich um eine symbolische Entschädigung (z.B. Sitzungsgelder eines Gemeinderates) handelt. Bei Gehältern eines Gemeindepräsidenten oder nebenamtlichen Richters ist Anrechenbarkeit von Gesetzes wegen gegeben. Der anrechenbare Betrag kann sich allerdings verringern, wenn ein Teil der Leistungen ausserhalb der Arbeitszeit erbracht wird. Eine Reduktion auf ein Teilzeitpensum infolge ausserordentlich hoher zeitlicher Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Ausübung des öffentlichen Amtes ist zulässig. Zudem schützt die Ausübung eines öffentlichen Amtes nicht vor einer ordentlichen Kündigung. 4.Beweiserbringung Der Beweis der Arbeitsverhinderung ist durch den Arbeitnehmer zu erbringen. Am ehesten gelingt ihm dies durch Vorlegen eines Arztzeugnisses, wobei auch diesem kein absoluter Beweiswert zukommt. Bei Zweifeln kann ausserdem eine Vertrauens­ärztliche Untersuchung angeordnet werden. 4.1Arztzeugnis Ein Arztzeugnis muss gewissen Anforderungen genügen. Eine blosse Bescheinigung «bis auf weiteres» muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen; er kann ein qualifiziertes Arztzeugnis verlangen, unter Bezugnahme auf Stellenbeschrieb und konkrete Fragen zum Grad der Arbeitsfähig­ keit, zur Prognose im Hinblick auf ein schrittweises Wiedererlangen der vollen Arbeitsfähigkeit, zur eventuellen Arbeitsfähigkeit in Bezug auf Teilaufgaben im Stellenbeschrieb usw. Einen Anspruch darauf, die Diagnose zu erfahren, hat der Arbeitgeber jedoch nicht. Allerdings ist die vorgängige Einwilligung des Arbeitnehmers notwendig, mit welcher er den Arzt in Bezug auf die Beant­wortung der konkreten Fragen von seinem Berufsgeheimnis entbindet188. Ebenso wenig gilt ein Arztzeugnis, das ohne Untersuchung des Patienten ausgestellt wurde oder das rückwirkend auf mehr als zehn Tage vor der Untersuchung ausgestellt wurde, als rechtsgenügender Beweis für das tatsächliche Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit. Widersprechen sich die Befunde von behandelndem Arzt und Vertrauensarzt ist es Sache der Gerichte, die erbrachten «Beweise» zu würdigen. Dabei wird auf das Fachwissen des jeweiligen Arztes in Bezug auf das diagnostizierte Leiden sowie auf Häufigkeit, Tiefe und Zeitintensität der ärztlichen Konsultationen abgestellt189. Der Richter kann und muss sich über ein Arztzeugnis hinweg setzen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht bestand190. 188 Beispiel für eine Entbindungserklärung, s. Anhang. 189 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 12. 190 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 12. 105 Ein Arztzeugnis kann durch das Verhalten des Arbeitnehmers widerlegt werden. Ebenso können berechtigte Zweifel an einem Arztzeugnis entstehen, wenn dieses rückwirkend oder ausschliesslich gestützt auf Angaben des Arbeitnehmers erstellt wurde oder wenn der Arbeitnehmer die vertrauensärztliche Untersuchung verweigert. Auch Fälle, in welchen die Arbeitsverhinderung vorangekündigt wird oder wiederholt am Freitag oder Montag oder im Zeitpunkt eines nicht bewilligten Ferienantritts auftritt, werfen berechtigte Zweifel am Wahrheitsgehalt des Arztzeugnisses auf. 4.2 Vertrauensärztliche Untersuchung Der Arbeitgeber kann bei berechtigten Zweifeln am Arztzeugnis auf seine Kosten eine vertrauensärztliche Untersuchung anordnen, die – soweit dies nicht in schikanöser Absicht geschieht – keinen widerrechtlichen Eingriff in die Persönlichkeit des Arbeitnehmers darstellt. Verweigert der Arbeitnehmer eine vertrauensärztliche Untersuchung, obwohl diese sachlich gerechtfertigt ist, so hat er keinen Lohnfortzahlungsanspruch mehr191. Hingegen kann die vertrauensärztliche Untersuchung nicht erzwungen werden. Merkblatt der Ärztegesellschaft Zürich betreffend «Empfehlung zur Ausstellung von ärzt­ lichen Zeugnissen» auf www.aerzte-zh.ch. Dort findet sich auch ein Muster für ein qualifiziertes Arztzeugnis. Zwischen der «Verbindung Schweizerischer Ärzte» FMH und der santésuisse besteht ein Vertrag über die Anforderungen an Vertrauensärzte. Dieser sowie eine Liste der bei santésuisse aufgeführten Vertrauensärzte findet sich unter www.santesuisse.ch. 5. Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit In jüngerer Zeit nehmen Fälle von arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit zu, bei welcher der Arbeitnehmer grundsätzlich noch fähig wäre, seine Arbeit zu verrichten, es ihm jedoch nicht mehr zugemutet werden kann, an seinen angestammten Arbeitsplatz zurück zu kehren, z.B. infolge eines Konfliktes, einer Mobbingsituation oder ähnlichen Gründen. Grundsätzlich besteht auch in solchen Fällen der Lohnanspruch fort – im Gegensatz zum Kündigungsschutz gemäss Art. 336c OR!192 – obwohl der Arbeitnehmer eventuell in seiner sonstigen Lebensführung nicht eingeschränkt ist. Hingegen muss sich der Arbeitnehmer unter gewissen Umständen gefallen lassen, an einem anderen zumutbaren Ort für die Verrichtung seiner Arbeit eingesetzt zu werden. Im Falle eines bewiesenen Mitverschuldens an der Situation muss er ausserdem eine Lohnreduktion hinnehmen. 191 Brühwiler, Art. 324a, N 9c. 192 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 9, N 12. 107 XV. Fragen rund um Mutterschafts-, Kranken- und Unfallversicherung 1. Gleichwertigkeit von vertraglichen Ersatzlösungen (324a Abs. 4 OR) 1.1 Gesamtheit der vereinbarten Leistungen Art. 324a Abs. 4 OR ermöglicht dem Arbeitgeber, «durch schriftliche Vereinbarung, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag» eine «mindestens gleichwertige Lösung» zu treffen. Da es sich um eine relativ zwingende Vorschrift handelt, sind grundsätzlich alle Abweichungen zugunsten des Arbeitnehmers auch formlos zulässig, also beispielsweise die Verlängerung der Lohnfortzahlungsdauer, der Einbezug weiterer Verhinderungsgründe, die Kürzung der Karenzfrist usw. Regelungen hingegen, die teilweise zu Ungunsten des Arbeitnehmers ausfallen, aber insgesamt mindestens gleichwertig sind, müssen schriftlich getroffen werden, um gültig zu sein. In der Praxis kommen abweichende Regelungen i.S.v. Art. 324a Abs. 4 OR vor allem in Form von Krankentaggeldversicherungen zur Absicherung von krankheitsbedingter Verhinderung an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vor, entweder als Einzel- oder als Kollektivversicherung. Bei letzterer hat der Arbeitnehmer, obwohl er nicht direkt Vertragspartner ist, einen unmittelbaren Anspruch auf Versicherungsleistungen gegen den Versicherer, und zwar selbst dann, wenn der Versicherungsvertrag die Auszahlung an den Arbeitgeber vorsieht193. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der privatrechtlichen Krankentaggeldversicherung nach VVG und der öffentlich-rechtlichen Krankentaggeldversicherung nach KVG. Letztere gibt den Versicherten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Recht auf Übertritt innert drei Monaten in die Einzelversicherung, ansonsten der Anspruch auf Taggelder mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt. Bei der – in der Praxis weit häufiger auftretenden – Krankentaggeldversicherung nach VVG hängt es von den einzelnen Versicherungsbestimmungen ab, was mit dem Versicherungsschutz nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschieht. Die meisten Krankentaggeldversicherungen nach KVG bieten heute Taggelder in der Höhe von 80 % des Lohnausfalls während maximal 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen und gewähren den Versicherungsschutz auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus bis zur Erschöpfung der Leistungspflicht gemäss VVG, wenn der Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkrankt ist und die Erkrankung über die Beendigung hinaus andauert. Den Versicherer trifft eine Informationspflicht über die Versicherungsleistungen. Insbesondere muss er im Falle einer KVG Versicherungslösung den Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Möglichkeit des Übertritts in die Einzelversicherung hinweisen. Diese Informationspflicht kann er allerdings an den Arbeitgeber delegieren. Auch bei einer VVG Versicherungslösung können den Arbeitgeber entsprechende Informationspflichten treffen, wenn diese vertraglich vereinbart sind. Unterlässt der Arbeitgeber die Information, so verbleibt der Arbeitnehmer in der Kollektivversicherung, der Versicherer kann jedoch den Arbeitgeber für den Schaden haftbar machen. 193 Art. 87 VVG, Art. 112 Abs. 2 KVG, vgl. Brühwiler, Art. 324a, N 23. 108 1.2Prämienbeteiligung Gleichwertigkeit einer Regelung ist nach heute vorherrschender Lehrmeinung gegeben, wenn die versicherungsmässige Abgeltungslösung den Arbeitnehmer in Bezug auf die verschiedenen Krankheitsrisiken (v.a. bei langen Krankheitsrisiken) wesentlich besser stellt als das Gesetz, obwohl dabei in Kauf genommen wird, dass in konkreten Einzelfällen (v.a. bei kurzen Erkrankungen) eine Schlechterstellung des einzelnen Arbeitnehmers eintritt. Für die oben skizzierte Versicherungslösung (80 % des Lohnes während max. 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinander folgenden Tagen, ist Gleichwertigkeit durch die Gerichte anerkannt, wenn der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Versicherungsprämien trägt. 1.3Karenztage Ebenso gilt die Einführung von ein bis drei unbezahlten Karenztagen heute als gleichwertig, wenn der Arbeitnehmer als Ausgleich dafür bei längerer Absenz bessere Leistungen erhält. Hingegen hat das Bundesgericht eine unbezahlte Karenzzeit von mehr als drei Tagen oder eine Überbindung von mehr als der Hälfte der Prämien auf den Arbeitnehmer nicht mehr als gleichwertig erkannt194. 2. Ausnahmeregelung des Art. 324b OR 2.1 Obligatorische Versicherungen Das Zusammenspiel von Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a OR und obligatorischer Versicherung ist in Art. 324b OR geregelt. Art. 324b OR statuiert eine Ausnahme von der Lohnfortzahlungspflicht, wenn eine Vertragspflicht besteht und die Versicherungsleistungen mindestens 80 % des Lohnes decken. Sind die Versicherungs­leistungen geringer, so hat der Arbeitgeber die Leistungen auf 80 % des Lohnes aufzustocken (Art. 324b Abs. 2 OR). Werden die Versicherungsleistungen erst nach einer Wartezeit gewährt, so hat der Arbeitgeber für diese Zeit mindestens 80 % des Lohnes zu entrichten (Abs. 3). Neu gilt dies auch für unverschuldete Arbeitsverhinderung als Folge der Niederkunft. Bei der Unfallversicherung gemäss UVG handelt es sich um eine obligatorische Versicherung i.S.v. Art. 324b OR, soweit Taggeldleistungen und Invalidenrenten betroffen sind, nicht jedoch betreffend Hilflosenentschädigung und Integritätsentschädigung. Weitere obligatorische Versicherungen im Sinne des Art. 324b OR sind die Militärversicherung für Krankengeld und Invalidenrente (Art. 28 MVG bzw. Art. 40 MVG), die Erwerbsersatzordnung (EO), die Invalidenversicherung für Taggeldleistungen und Invalidenrenten (Art. 22 bzw. Art. 28 IVG) sowie die obligatorische berufliche Vorsorgeversicherung für Invalidenrenten (Art. 23ff. BVG). Nicht unter obligatorische Versicherungen i.S.v. Art. 324b OR fallen die Arbeitslosenversicherung und die Leistungen von Krankentaggeldversicherungen – letztere werden von Art. 324a Abs. 4 OR erfasst. Diese obligatorischen Versicherungen bezwecken eine Entlastung des Arbeitgebers von der Lohnfortzahlungspflicht. Gleichzeitig stellt Art. 324b OR eine Koordinationsregelung betreffend arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Ansprüche dar. 194 BGE 127 III 318, 320 f., vgl. Brühwiler, Art. 324a, N 24. 109 2.2Versicherungsvorbehalte Hat der Arbeitgeber die Krankentaggeldversicherung zwar vertragsgemäss abgeschlossen, verweigert die Versicherung jedoch die Zahlung ganz oder teilweise z.B. aufgrund Vorbehalts eines vorbestehenden Leidens oder nicht bezahlter Prämien, so lebt die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a OR wieder auf. Es empfiehlt sich daher für den Arbeitgeber, allfällige Vorbehalte, die der Versicherer in seinen Vertrag wegen vorbestehender Leiden aufnimmt, in den Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer ebenfalls aufzunehmen und entsprechend die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht zu beschränken. Diese Haftung des Arbeitgebers entfällt nur, wenn ihm der Arbeitnehmer trotz entsprechender Aufforderung vorbestehende Leiden verschwiegen hat195. Hinweis Beim Abschluss einer Krankentaggeldversicherung ist darauf zu achten, dass die Versicherungsleistungen bei Langzeiterkrankungen auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus andauern. Allfällige Versicherungsvorbehalte wegen vorbestehender Leiden sollten auch in die Arbeitsverträge aufgenommen und der Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden! 2.3 Nichterfüllen der Versicherungspflicht Abweichende Regelungen i.S.v. Art. 324a Abs. 4 OR werden durch den Arbeitgeber häufig in Form von kollektiven Taggeldversicherungen abgeschlossen. Es kann jedoch auch vertraglich vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer die Krankenversicherung selbst abzuschliessen habe, wenn er dafür vom Arbeitgeber einen ausreichenden Prämienbeitrag erhält. Verletzt der Arbeitnehmer seine vertragliche Pflicht, indem er verabsäumt, den vereinbarten Versicherungsvertrag abzuschliessen, bleibt der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Der Arbeitgeber kann jedoch den daraus entstehenden Schaden gegenüber dem Arbeitnehmer im Rahmen von Art. 323b Abs. 2 OR verrechnen. Verletzt der Arbeitgeber seine vertragliche Pflicht zum Abschluss einer Taggeldversicherung, so wird der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer schadenersatzpflichtig wegen Nichterfüllen seiner vertraglichen Pflichten (Art. 97 ff. OR). Er hat dann den Arbeitnehmer so zu stellen, als würde die Versicherung ihre Leistungen erbringen (positives Vertragsinteresse); im Extremfall hat er also 80 % des Lohnes während 720 bzw. 730 Tagen selbst zu bezahlen. 3.Unfallversicherung Grundsätzlich hat der dem UVG unterstellte Arbeitnehmer bei Unfall Anspruch auf Taggelder von 80 % des versicherten Lohnes ab dem dritten Tag der Arbeitsverhinderung. Betragen die tatsächlich erbrachten Versicherungsleistungen weniger als vier Fünftel des ausfallenden Lohnes, so hat der Arbeitgeber gemäss Art. 324b OR diese Differenz zu begleichen. Aufgrund von Art. 324b Abs. 3 OR ist der Arbeitgeber grundsätzlich zur Leistung von 80 % des Lohnes auch während der drei Karenztage verpflichtet. Beabsichtigen die Parteien jedoch, eine 195 Brühwiler, Art. 324a, N 23c. 110 «gleichwertige Regelung» i.S.v. Art. 324a Abs. 4 OR zu treffen, so kann die Lohnzahlung während dieser Karenztage wegbedungen werden, sofern diese Regelung dem Arbeitnehmer grosszügigere Leistungen einräumt, als es das gesetzliche Minimum vorsieht. Dies kann z.B. die Lohnzahlung in Höhe von 100 % während der «beschränkten Dauer» sein, oder eine Verlängerung der 80 %-Lohnzahlung über die «beschränkte Dauer» hinaus. Hat der Arbeitnehmer seinen Unfall in grobfahrlässiger oder gar absichtlicher Weise selbst verschuldet, so werden die Versicherungsleistungen in der Regel gekürzt, wenn nicht ganz gestrichen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, inwieweit die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers an Stelle der Leistungspflicht des Unfallversicherers tritt. Die Antwort ist für Arbeitnehmer ernüchternd: Obwohl der Zivilrichter bei der Frage, ob ein Lohnanspruch gestützt auf Art. 324a OR gegeben ist, nicht an die Beurteilung durch die Unfallversicherung gebunden ist, wird er dennoch aufgrund desselben Tatsachen- und Beweismaterials in der Verschuldensfrage meistens zum selben Schluss kommen. Art. 324a OR setzt als Anspruchsvoraussetzung voraus, dass kein Selbstverschulden vorliegt. Daher besteht in der Regel bei Verweigerung der Leistungen der Unfallversicherung aufgrund eines Verschuldens des Arbeitnehmers auch für eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers kein Raum. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer seine Meldepflicht gemäss Art. 45 UVG verletzt und der Unfallversicherer gestützt darauf seine Leistungen kürzt. Eine Berufung auf die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers wäre hier rechtsmissbräuchlich, da es sich bei der Verletzung der Meldepflichten zudem um eine Treuepflichtverletzung des Arbeitnehmers handelt196. 4.Mutterschaftsversicherung Bei Mutterschaft wird die Lohnfortzahlung primär durch die obligatorische Mutterschaftsver­ sicherung (EOG197) gewährleistet. Hinweis Unter www.ahv-iv.info kann ein Merkblatt über die Leistungen der Mutterschaftsentschädigung sowie das Anmeldeformular herunter geladen werden. (Merkblatt Nr. 6.02). 4.1 Anspruchsberechtigung und Höhe der Mutterschafts­ entschädigung Anspruch auf die Taggelder der Mutterschaftsversicherung haben Frauen, die als Angestellte oder selbständig Erwerbende während mindestens neun Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes bei der AHV obligatorisch versichert waren und in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausübten sowie Frauen, die im Zeitpunkt der Niederkunft im Betrieb des Ehemannes mitarbeiten und einen Geldlohn beziehen (Art. 16b EOG). Das Taggeld in Form der Mutterschaftsentschädigung beträgt 80 % des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, welches vor Beginn des Entschädigungsanspruches erzielt wurde (Art. 16e Abs. 2 EOG), höchstens jedoch CHF 196.– im Tag (Art. 16f EOG). 196 Brühwiler, Art. 324b, N 3. 197 Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (Erwerbsersatzgesetz, EOG) vom 25. September 1952 (Stand am 1. Januar 2015), SR 834.1. 111 Mütter, die nicht unter die Anspruchsberechtigten der Taggeldversicherung fallen, haben Anspruch auf Lohnfortzahlung durch ihren Arbeitgeber gestützt auf Art. 324a Abs. 3 OR, wobei allerdings nur die Zeit des zwingenden Arbeitsverbotes (acht Wochen), nicht jedoch die Zeit von 9. bis 16. Woche nach der Niederkunft als «Arbeitsverhinderung» i.S.v. Art. 324a OR gilt198. Die Lohnfortzahlung infolge Mutterschaft ist grundsätzlich durch die obligatorische Mutterschaftsversicherung (EOG199) gewährleistet und wird von Art. 324b OR erfasst. Werden die Versicherungsleistungen erst nach einer Wartezeit gewährt, so hat der Arbeitgeber für diese Zeit mindestens 80 % des Lohnes zu entrichten (Art. 324b Abs. 3 OR). Aufgrund des Wortlautes von Art. 324b Abs. 2 OR trifft den Arbeitgeber ausserdem in denjenigen Fällen, wo die Mutterschaftsversicherung nicht die vollen 80 % der Mutterschaftsentschädigung abdeckt, eine Pflicht zur Aufstockung des Lohnes bis zu 80 % des Lohnausfalles. Diese Meinung ist jedoch umstritten, da zwar der Gesetzeswortlaut klar für diese Aufzahlungspflicht des Arbeitgebers spricht, die Materialien zu den Diskussionen im Parlament jedoch eher gegen eine solche Arbeitgeberpflicht deuten200. 4.2 Aufschub des Bezugs der Mutterschaftsentschädigung Der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung gemäss EOG entsteht am Tag der Geburt eines lebensfähigen Kindes (Art. 16c Abs. 1 EOG). Wird das Kind tot geboren oder stirbt es während der Geburt, so entsteht der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung nur, sofern die Schwangerschaft mindestens 23 Wochen gedauert hat. Der Anspruch endet nach 14 Wochen, d.h. am 98. Tag nach dessen Beginn (Art. 16d EOG). Entsprechend hat die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen gemäss Art. 329f OR. Nimmt die Mutter die Erwerbstätigkeit vor Ablauf dieser Frist ganz oder teilweise wieder auf, erlischt der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung vollständig und unwiderruflich. Bei längerem Spitalaufenthalt des neugeborenen Kindes kann die Mutter beantragen, dass die Mutterschaftsentschädigung erst ab dem Zeitpunkt ausgerichtet wird, ab dem das Kind nach Hause kommt (Art. 16c Abs. 2 EOG). Da die Mutter aufgrund des Arbeitsverbotes von Art. 35a Abs. 3 ArG zwischen Niederkunft und Bezug der (aufgeschobenen) Mutterschaftsentschädigung nicht arbeiten darf und so eine Zeitspanne entsteht, in welcher die Arbeitnehmerin der Arbeit fernbleiben muss und gleichzeitig noch keinen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung gemäss EO hat, trifft den Arbeitgeber für diese Zeitspanne eine Lohnzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR. 4.3Anspruchskonkurrenz Die Mutterschaftsentschädigung schliesst den Bezug von Taggeldern anderer Sozialversicherungen aus. Bezieht die Frau bis unmittelbar vor der Geburt ein Taggeld der Invaliden, Kranken-, Unfall- Militär- oder Arbeitslosenversicherung, so entspricht die Entschädigung mindestens dem bisherigen Taggeld, und zwar ungeachtet des genannten Höchstbetrages. 198 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324a/b, N 16; Brühwiler, Art. 324a OR, N 22. 199 Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (Erwerbsersatzgesetz, EOG) vom 25. September 1952 (Stand am 1. Januar 2015), SR 834.1. 200 Portmann, N 39; Brühwiler, N 22, beide befürwortend; Streiff/von Kaenel/Rudolph Art. 324a/b OR N 16 ablehnend. 112 Hinweis In den Fällen des Aufschubes der Mutterschaftsentschädigung gemäss Art. 16c EOG für die Zeit zwischen Geburt und dem Beginn der Mutterschaftsentschädigung besteht bei gegebenen Voraussetzungen eine Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin eine Folge der Niederkunft ist. «Der Begriff ‹Krankheit› in Art. 324a Abs. 1 OR deckt nicht nur die Krankheit im eigentlichen Sinne ab, sondern angesichts der gesetzlichen Verpflichtungen gemäss Art. 267, 163 und 328 ZGB auch die Notwendigkeit der Anwesenheit eines Elternteils bei einem Kind, dessen Leben in Gefahr ist.» Urteil vom 17.10.2008 Cour d’Appel des prud’hommes, Genève, zweite Instanz. 4.4 Mutterschaft durch Adoption Bei Adoptionen, die nicht vom Wortlaut der Taggeldversicherungen erfasst werden, hat die Adoptionsmutter gestützt auf Art. 324a OR einen Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, jedoch keinen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub.201 Auf Bundesebene gibt es bis heute keine Adoptionsentschädigung202 und auch keinen bezahlten Mutterschafts- bzw. Vaterschaftsurlaub. Die einzige Möglichkeit besteht darin, diese Ereignisse als freie Zeit für familiäre Ereignisse zu gewähren (Art. 329 Abs. 3 OR). Art. 16h EOG sieht immerhin die Möglichkeit vor, dass die Kantone einen Adoptionsurlaub einführen können. Von einem solchen haben bis anhin die Kantone Genf und Freiburg Gebrauch gemacht. Auch Einzelarbeitsverträge, Personalreglemente oder Gesamtarbeitsverträge können einen Adoptionsurlaub vorsehen. Ein Beispiel hierfür bildet der Gesamtarbeitsvertrag der Eidgenössischen Technischen Hochschulen. Bei der Mutterschaftsversicherung handelt es sich um eine obligatorische Versicherung. 4.5Vaterschaftsurlaub Einige Unternehmen in der Schweiz haben einen Vaterschaftsurlaub auf freiwilliger Basis mittlerweile eingeführt, obwohl ein Vaterschaftsurlaub im Umfange des Mutterschaftsurlaubs im Schweizer Recht trotz zahlreicher darauf abzielender parlamentarischer Initiativen bisher «aus Kostengründen» nicht aufgenommen wurde. Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft hat der Arbeitgeber gemäss Art. 329 Abs. 3 OR lediglich «die üblichen freien Stunden und Tage» zu gewähren. Dabei steht dem Arbeitnehmer ein Lohnanspruch gemäss Art. 324a OR zu. In der Regel werden dem Vater des Kindes maximal ein bis zwei freie Tage gewährt. Diese Minimallösungen können auf dem vertraglichen Weg zu Gunsten der Väter geändert werden. 201 Vgl. Brühwiler, Art. 329 f., N 2b. 202 Kreisschreiben über die Mutterschaft des Bundesamtes für Sozialversicherungen (KS. MSE) vom 1. Juli 2005 (Stand 1. Januar 2014), Kapitel 3.1. Grundlagen, Rz. 1024. 113 XVI. Gesetzliche Schutzvorschriften für Schwangere und Wöchner­innen Einleitende Beispiele • Ihre Mitarbeiterin ist im sechsten Monat schwanger und bringt Ihnen ein ärztliches Zeugnis, wonach Sie eine Risikoschwangerschaft erleide und sie das Ende der Schwangerschaft liegend erwarten müsse. Da sie Ihnen schon mitgeteilt hat, dass sie wohl nach der Geburt des Kindes ohnehin nicht mehr arbeiten wolle, überlegen Sie sich, ob Sie sie nicht zur Kündigung bewegen können. • Ihre TPA darf ab dem siebten Monat aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses nicht mehr in der Umgebung es Röntgenraumes arbeiten. Sie verlangt nun von Ihnen eine Ersatzarbeit, die Sie ihr aber nicht bieten können. Dürfen Sie sie am Empfang einsetzen? Der Empfang ist täglich bis 20 Uhr besetzt. •Ihre Mitarbeiterinnen verlangen von Ihnen einen «Stillraum» – haben sie Anspruch darauf? Der Gesetzgeber hat erwerbstätige Frauen während Schwangerschaft und Stillzeit wegen der in dieser Zeit spezifischen Risiken unter einen besonderen Schutz gestellt. Schwangerschaft und Mutterschaft einer Mitarbeiterin stellen deshalb gerade kleinere Organisationen, wie sie meist auch privatrechtlich organisierte Tierarztpraxen darstellen, vor grössere Herausforderungen betreffend Organisation, Gesundheitsschutz und finanzielle Belastung. Die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben ist für alle Arbeitgeber, auch in Arztpraxen, verpflichtend. Ziel ist es, die schwangere Mitarbeiterin und das ungeborene Kind während ihrer Arbeit in der Praxis vor arbeitsbedingten Gesundheitsschäden zu schützen. Sie soll sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sicher fühlen, gesund bleiben und ihre Aufgaben möglichst bis zur Geburt erfüllen können. Umso wichtiger ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen genau zu kennen und zu beachten. Seit in Kraft treten des revidierten Erwerbsersatzgesetzes (EOG) und der dazugehörigen Verordnungen am 1. Juli 2005 wird auch in der Schweiz der Lohnausfall berufstätiger Frauen bei Mutterschaft entschädigt. Darüber hinaus bieten zahlreiche weitere Gesetzesbestimmungen Schutz vor gesundheitlichen Schäden der Mutter sowie des ungeborenen Kindes (Arbeitsgesetz und entsprechende Verordnungen), vor Diskriminierung (Gleichstellungsgesetz) und in ihrer Stellung als Arbeitnehmerin (Obligationenrecht). Das Obligationenrecht schützt Frauen während der Schwangerschaft und im Zusammenhang mit ihrer Niederkunft explizit durch die Regelungen des Art. 324a Abs. 3 OR (Lohnfortzahlungs­ pflicht bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung), Art. 336c OR (Sperrfrist, zeitlicher Kündigungsschutz), sowie generell durch Persönlichkeitsschutz und insbesondere Schutz der Gesundheit in Art. 328 Abs. 2 OR. Weitere zwingende Schutzbestimmungen finden sich betreffend Ferienkürzung (Art. 329b OR), im sachlichen Kündigungsschutz (336OR), sowie in Bezug auf Bewerbungen von Frauen (320 OR, grundsätzliche Unzulässigkeit von Fragen nach Schwanger­ schaft und Recht zur Notlüge). Das Arbeitsgesetz präzisiert diesen Schutz, welcher einerseits die Gesundheit der Mutter ab Empfängnis bis und mit der Stillzeit während des ersten Lebensjahres des Kindes bezweckt, andererseits aber auch den Schutz des geborenen und des ungeborenen Kindes, durch weitere Bestimmungen, wie das Beschäftigungsverbot, das Abend- und Nachtarbeitsverbot sowie die Regelung der bezahlten Stillzeiten. Für schwangere Arbeitnehmerinnen gelten zudem andere Bestimmungen zu Ruhe- und Höchstarbeitszeiten, zu Pausen und Arbeits­ bedingungen sowie im Hinblick auf das Verlassen des Arbeitsplatzes. Schliesslich gelten für alle Arbeitnehmer mit Familienpflichten – also nicht nur schwangere Frauen und stillende Mütter – Sonderbestimmungen betreffend Mindestpausen: so darf ein Arbeitnehmer mit Familienpflichten auf sein Verlangen hin für die Mittagspause 1.5 Stunden beanspruchen, und sie dürfen nur mit ihrem Einverständnis zur Leistung von Überzeit herangezogen werden203. 1. Besondere Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen und stillende Mütter Schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen dürfen nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden (Art. 35a Abs. 1 ArG), sie dürfen den Arbeitsplatz auf blosse Anzeige hin verlassen oder der Arbeit fern bleiben (Art. 35a Abs. 2). In Art. 34 ArGV 3 wird zum Schutz von schwangeren Frauen und stillenden Müttern das Recht festgelegt, sich «unter geeigneten Bedingungen hin­ legen und ausruhen» zu dürfen. 1.1 Höchstarbeitszeit und Ruhezeitvorschriften Während das Arbeitsgesetz grundsätzlich keine täglichen Höchstarbeitszeiten vorsieht, hat es solche für «besonders schutzbedürftige Arbeitnehmergruppen» ausserordentlich doch festgelegt. Dazu gehören nebst Jugendlichen auch Schwangere und stillende Frauen. Für letztere gilt eine Höchstarbeitszeit von keinesfalls mehr als neun Stunden täglich204. Zudem sind ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat stehende Tätigkeiten auf insgesamt vier Stunden pro Tag zu beschränken205. Gemäss Art. 61 Abs. 1 ArGV1 beträgt die tägliche Ruhezeit für schwangere Frauen, die hauptsächlich einer stehenden Tätigkeit nachgehen, zwölf Stunden. Ohnehin dürfen schwangere Frauen und stillende Mütter nicht über die vereinbarte ordentliche Dauer der täglichen Arbeit hinaus beschäftigt werden, also weder Überstunden- noch Überzeitarbeit leisten, und keinesfalls über neun Stunden hinaus arbeiten206. Dieses Verbot gilt absolut, sogar bei Zustimmung der betroffenen Frau207. Deshalb kann ihnen auch keine Ausgleichsarbeit verordnet werden, also das Nachoder Vorholen von Arbeitszeit, z.B. für Brückentage zwischen Feiertagen oder für Betriebsferien. Schwangeren Frauen ist bei hauptsächlich stehend zu verrichtender Tätigkeit ab dem vierten Schwangerschaftsmonat eine tägliche Ruhezeit von zwölf Stunden und nach jeder zweiten Stunde zusätzlich zu den nach Art. 15 ArG zu gewährenden Pausen eine Kurzpause von zehn 203 Art. 36 Abs. 2 ArG. 204 Art. 60 Abs. 1 ArGV1. 205 Art. 61 Abs. 2 ArGV1. 206 Art. 35a Abs. 1 ArG, Art. 60 Abs. 1 ArGV1. 207 Art. 36 Abs. 2 ArG. 115 Minuten zu gewähren208. Die Stillzeit darf nicht an andere Ruhe- und Ausgleichsruhezeiten angerechnet werden209. 1.2 Verbot der Abend- und Nachtarbeit Abend- und Nachtarbeit ist schwangeren Frauen ab der 8. Woche vor der Niederkunft komplett untersagt, ebenso Tagesarbeit vor 6 Uhr210. Eine Verschiebung der Tages- und Abendarbeit ist für sie daher auch mit ihrer Zustimmung nicht möglich, da sie ausschliesslich zwischen 6 und 20 Uhr beschäftigt werden dürfen211. Während der Schwangerschaft sowie zwischen 8. und 16. Woche nach der Niederkunft haben Frauen das Recht, Abendarbeit generell abzulehnen. 1.3Beschäftigungsverbot Während der acht auf die Niederkunft folgenden Wochen besteht ein absolutes Beschäftigungsverbot für die betroffenen Frauen (Art. 35a Abs. 3 ArG). Von diesem Verbot ist nicht einmal mit Einverständnis oder auf expliziten Wunsch der Arbeitnehmerin abzuweichen, da es einerseits der Frau zur körperlichen Erholung dienen und andererseits Mutter und Kind während dessen erster Entwicklungsphase einen besonderen Schutzraum bieten soll. Gesetzgeber und Lehre gehen davon aus, dass das Beschäftigungsverbot auch in Fällen der Früh-, Tot- oder Fehlgeburt gelten soll. Bis zur 16. Woche nach der Niederkunft darf eine Wöchnerin nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden (Art. 35a Abs. 3 ArG). 2. Gesundheitsschutz gemäss ArGV1 In Art. 62 der ArGV 1 und der Mutterschutzverordnung werden Arbeitsbedingungen definiert, die für werdende und stillende Mütter als belastend, gefährlich oder beschwerlich angesehen werden. Der Arbeitgeber hat mit einer Risikoanalyse und der Wahl geeigneter Massnahmen den Arbeitsschutz von Schwangeren zu gewährleisten. Diese Angaben müssen dem die Schwangerschaft betreuenden Arzt für die Eignungsbeurteilung und die Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmassnahmen übermittelt werden212. Die Verantwortung für die Arbeitssicherheit liegt beim Arbeitgeber. Art. 35 Abs. 2 ArG erlaubt, auf dem Verordnungsweg die Beschäftigung schwangerer Frauen und stillender Mütter für beschwerliche oder gefährliche Arbeiten aus gesundheitlichen Gründen zu untersagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen (Beschäftigungsverbot). Die ArGV 1 hält denn auch Präzisierungen zu Arbeitszeit und Stillzeiten (revidierter Art. 60 ArGV 1), Beschäftigungserleichterung wie Ruhezeitbeschränkungen, zusätzliche Pausen und Beschränkung der stehenden Tätigkeiten(Art. 61), zu gefährlichen und beschwerlichen Arbeiten (Art. 62) sowie zu Risikobeurteilung und Unterrichtung mit Hinweis auf die Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz und die Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Art. 63), zu Arbeitsbefreiung und Versetzung (Art. 64) sowie zu verbotenen Arbeiten (Art. 65 und 66) fest. 208 Art. 61 Abs. 1 ArGV1. 209 Art. 60 Abs. 2 Best. c ArGV1. 210 Art. 35b ArG. 211 Art. 35a Abs. 4 ArG. 212 Vgl. Umsetzung der Mutterschaftsverordnung in Arztpraxen, FMH, Februar 2008. 116 2.1 Risikobeurteilung gefährlicher und beschwerlicher Arbeiten Der Arbeitgeber darf schwangere Frauen und stillende Mütter zu gefährlichen und beschwerlichen Arbeiten nur heranziehen, wenn auf Grund einer Risikobeurteilung feststeht, dass dabei keine konkrete gesundheitliche Belastung für Mutter und Kind vorliegt oder wenn eine solche durch geeignete Schutzmassnahmen ausgeschlossen werden kann, wobei diese Schutzmassnahmen periodisch mindestens vierteljährlich überprüft werden müssen213. Art. 62 Abs. 3 ArGV 1 umschreibt gefährliche und beschwerliche Arbeiten wie folgt: Art. 62 Abs. 3 ArGV 1 «Als gefährliche und beschwerliche Arbeiten für schwangere Frauen und stillende Mütter gelten alle Arbeiten, die sich erfahrungsgemäss nachteilig auf die Gesundheit dieser Frauen und ihrer Kinder auswirken. Dazu gehören namentlich: a. das Bewegen schwerer Lasten von Hand; b. Bewegungen und Körperhaltungen, die zu vorzeitiger Ermüdung führen; c. Arbeiten, die mit Einwirkungen wie Stössen, Erschütterungen oder Vibrationen verbunden sind; d. Arbeiten bei Überdruck, z.B. in Druckkammern, beim Tauchen usw.; e. Arbeiten bei Kälte oder Hitze oder bei Nässe; f. Arbeiten unter Einwirkung schädlicher Strahlen oder Lärm; g. Arbeiten unter Einwirkung schädlicher Stoffe oder Mikroorganismen; h. Arbeiten in Arbeitszeitsystemen, die erfahrungsgemäss zu einer starken Belastung führen.» Die «Mutterschaftsverordnung» (MSV)214 regelt die Kriterien für die Risikobeurteilung nach Art. 62 Abs. 3 ArGV 1, und umschreibt Stoffe, Mikroorganismen und Arbeiten mit einem hohen Gefahrenpotential für Mutter und Kind, also die sogenannten Ausschlussgründe nach Art. 62 Abs. 4 ArGV 1. Die FMH hat mithilfe einer interdisziplinären Projektgruppe ein Mutterschutzdossier (für Arztpraxen der Humanmedizin) erstellt, das Arztpraxisinhabern eine Hilfestellung bei der Erfüllung der rechtlichen Vorgaben, insbesondere für die Erstellung der Risikoanalyse gibt. Darin finden sich auch für Tierarztpraxen hilfreiche tabellarische Auflistungen von gefährdenden Chemikalien, Mikro­organismen, Arbeitshaltung und Angaben zu Höchstlasten, Checklisten betreffend Risi­kobeurteilung des Arbeitsplatzes, Vorgehen bei Meldung einer Schwangerschaft usw. Hinweis Die FMH hat mithilfe einer interdisziplinären Projektgruppe ein Mutterschutzdossier erstellt, das Arztpraxisinhabern eine Hilfestellung bei der Erfüllung der rechtlichen Vorgaben, insbesondere für die Erstellung der Risikoanalyse gibt. Darin finden sich sehr hilfreiche tabellarische Auflistungen von gefährdenden Chemikalien, Mikroorganismen, Arbeitshaltung und Angaben zu Höchstlasten, Checklisten betreffend Risikobeurteilung des Arbeitsplatzes, Vorgehen bei Meldung einer Schwangerschaft usw. www.fmh.ch/files/pdf18/Dossier_Mutterschutz_def.pdf 213 Art. 62 ArGV1. 214 Verordnung des eidgenössischen Volksdepartementes über gefährliche und beschwerliche Arbeiten bei Schwangerschaft und Mutterschaft, MSV, SR822.111.52, siehe Anhang. 117 Mit Stand 1.2.2015 hat auf Veranlassung der GST der Schweizerische Verein Arbeitssicherheit Schweiz eine darauf basierende Checkliste für den Mutterschutz im Veterinärwesen erarbeitet. Sie finden diese auf www.gstsvs.ch. 2.2 Gleichwertige Ersatzarbeiten und Einverständnis Frauen, die aufgrund von Schwangerschaft oder als stillende Mütter nicht für Abend- oder Nachtarbeit und/oder gefährliche oder beschwerliche Arbeiten heran gezogen werden dürfen, ist im Rahmen der Möglichkeiten des Arbeitgebers eine gleichwertige Tagesarbeit anzubieten; andernfalls haben sie einen Lohnanspruch von 80 % ohne allfällige Zuschläge für Nachtarbeit, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn215. Grundsätzlich dürfen schwangere Frauen und stillende Mütter nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden – dieses kann jedoch formlos, allein durch konkludentes Verhalten angenommen werden. MUTTERSCHAFT UND ARBEITSZEITGESTALTUNG Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Staatssekretariat für Wirtschaft SECO Arbeitsbedingungen Zeitraum vor der Geburt Ab dem Anfang Ab dem 4. Monat Ab dem 6. Monat 8 Wochen vor Bei hauptsächlich stehender Tätigkeit: 12 Stunden tägliche Ruhezeit und 10 Minuten zusätzliche Pausen alle 2 Stunden Zeitraum nach der Geburt 8 Wochen nach Nach der 8. bis zur 16. Woche 1 Jahr nach der Geburt Ganze Dauer des Stillens Keine Beschäftigung möglich Hauptsächlich stehende Tätigkeit: während max. 4 Std. pro Tag Auf Anfrage bei einer Arbeit zwischen 20 und 6 Uhr: gleichwertige Arbeit zwischen 6 und 20 Uhr oder 80 % Lohn Keine Arbeit zwischen 20 und 6 Uhr 80 % Lohn wenn keine gleichwertige Arbeit zwischen 6 und 20 Uhr Auf Anfrage bei einer Arbeit zwischen 20 und 6 Uhr: gleichwertige Arbeit zwischen 6 und 20 Uhr oder 80 % Lohn Stillen: Bezahlte Arbeitszeit in folgendem Umfang: Bei einer täglichen Arbeitszeit von ≤ 4 Stunden = 30 Minuten > 4 Stunden = 60 Minuten > 7 Stunden = 90 Minuten Beschäftigung nur mit Einverständnis Beschäftigung nur mit Einverständnis Tägliche Arbeitszeit von max. 9 Stunden Tägliche Arbeitszeit von max. 9 Stunden Mai 2014 2.3Stillzeiten Stillenden Müttern ist die zum Stillen erforderliche Zeit frei zu geben (Art. 35a ArG) und der Arbeitgeber muss einen zum Stillen geeigneten Ort zur Verfügung stellen (Art. 34 ArGV 3). Seit Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz per 1. Juni 2014 wurde das Schweizer Recht an das von der Schweiz ratifizierte IAO-Übereinkommen Nr. 183 über die Mutterschaft angepasst und bezahlte Stillzeiten eingeführt. Neu ist zudem nicht mehr ausschlag- 215 Art. 35b ArG. 118 gebend, ob das Stillen im Betrieb oder ausserhalb des Betriebes stattfindet. Die Mindestdauer der bezahlten Stillzeiten, die auch für das Abpumpen von Milch gelten, gelten unabhängig davon, ob eine Arbeitnehmerin Voll- oder Teilzeit arbeitet und ob sie im Monats- oder im Stundenlohn arbeitet. Art. 60 Abs. 2 ArGV 1 lautet neu wie folgt: Art. 60 Abs. 2 ArGV 1 «Stillenden Müttern sind die für das Stillen oder für das Abpumpen von Milch erforderlichen Zeiten freizugeben. Davon wird im ersten Lebensjahr des Kindes als bezahlte Arbeitszeit angerechnet: a. bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu 4 Stunden: mindestens 30 Minuten; b. bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 4 Stunden: mindestens 60 Minuten; c. bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 7 Stunden: mindestens 90 Minuten.» Die bezahlte Stillzeit hängt demnach einzig von der am betreffenden Tag zu leistenden Anzahl Arbeitsstunden ab, wobei zu beachten ist, dass sich diese bezahlten Stillzeiten maximal auf das erste Lebensjahr des Kindes beziehen und nur bei tatsächlichem Stillen bzw. Abpumpen in Anspruch genommen werden können. Gleichzeitig handelt es sich um Mindestzeiten – was z.B. dazu führen kann, dass bei Mehrlingsgeburten oder Kindern mit besonderen physiologischen Bedürfnissen mehr Stillzeit gewährt, aber nicht zwingend bezahlt werden muss. Die unter Buchstaben a, b und c vorgesehenen Stillzeiten dürfen nicht anderen gesetzlichen Ruhe- und Ausgleichsruhezeiten angerechnet werden, zudem dürfen sie nicht im Überzeitkonto als Negativsaldo geführt oder den Ferien belastet werden216. Arbeitnehmerinnen dürfen frei entscheiden, ob sie den Betrieb für das Stillen zuhause verlassen möchten, allerdings werden die zusätzlich erforderlichen Wegzeiten nicht als Arbeitszeit angerechnet. 3. Schutz vor Gesetzesumgehung 3.1 Ausländische Arbeitnehmerinnen Diese Schutzbestimmungen zu Gunsten von schwangeren Frauen und stillenden Müttern gelten auch für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen, wenn damit eine Gesetzesumgehung beabsichtigt wird. Nach dem im Zusammenhang mit den bilateralen Verträgen mit der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Entsendegesetz (EntsG) vom 8. Oktober 1999 sind auch Arbeitgeber mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland, welche Arbeitnehmer in die Schweiz entsenden, verpflichtet, diesen mindestens die Arbeits- und Lohnbedingungen zu garantieren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates und allgemein verbindlichen Gesamtarbeitsverträgen oder Normal­ arbeitsverträgen zwingend vorgeschrieben werden. Dazu gehören nebst der eigentlichen Entlöhnung die Arbeits- und Ruhezeiten, die Mindestdauer der Ferien, die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, der Schutz von Schwangeren, Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen und die Nichtdiskriminierung, namentlich die Gleichstellung von Frau und Mann217. 216 SECO, Merkblatt Stillzeiten. 217 Geiser, Art. 1, N 25. 119 3.2Aufhebungsvereinbarung Eine Aufhebungsvereinbarung, die lediglich die Umgehung dieser zwingenden Schutzbestimmungen bezweckt, wäre mindestens in den beschriebenen Punkten nichtig. Die in der Praxis häufig vorkommende Vereinbarung mit einer schwangeren Arbeitnehmerin, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Mutterschaftsurlaubs aufzulösen, kann entsprechend eine Umgehung der zwingenden zeitlichen Kündigungsschutzbestimmungen darstellen und würde automatisch um die Kündigungsfrist verlängert, es sei denn, der Wunsch, nach der Geburt nicht mehr an die Arbeit zurück kehren zu wollen, gehe einseitig und ohne Druckausübung seitens Arbeitgebers von der Arbeitnehmerin aus. 121 XVII. Tipps zur Austragung von arbeitsrechtlichen Konflikten Einleitendes Zitat «Der Erfahrung nach, kommen die meisten ein halbes Jahr zu spät. Sie tragen viel aus, versuchen alles Mögliche, und es dauert sehr lange, bis sie sich entschliessen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In verfahrenen Konfliktsitua­tionen Hilfe in Anspruch zu nehmen ist jedoch kein Zeichen von Schwäche, sondern von Professionalität.» Gerd Bauz, Leiter des Instituts für Personalberatung und Organisationsentwicklung (IPOS). Konflikte ergeben sich an jedem Arbeitsplatz und können durchaus auch konstruktive Elemente enthalten. Unbearbeitete Konflikte hingegen vergiften das Klima der Zusammenarbeit, binden Ressourcen und führen vermehrt zu Krankheitsabsenzen. Es lohnt sich daher, dem Thema Konfliktmanagement am Arbeitsplatz einige Aufmerksamkeit zu widmen. Anzeichen, die jeden Vorgesetzten und Arbeitgeber dringend zum Einschreiten veranlassen sollten, sind abnehmende Arbeitsleistungen und Belastbarkeit eines Mitarbeiters, zunehmend emotionalere Handlungen, Häufung von Erkrankungen, schneller Ermüdung, Niedergeschlagenheit und Energielosigkeit oder (umgekehrt) erhöht auftretende innere Unruhe, Sorgen und Ängste. Das sind typische Begleiterscheinungen bei psychischen Belastungssituationen218, die sich aus Mobbing, Stress o.ä. ergeben und gegen welche der Arbeitgeber auch arbeitsrechtlich aufgrund seiner Fürsorgepflicht einzutreten hat. Nimmt die Zufriedenheit mit der Arbeit, dem Vorgesetzten oder den Kollegen und Kolleginnen immer mehr ab und die Anzahl Absenzen zu, reagieren Arbeitgeber häufig mit Sanktionen wie schlechter Mitarbeiterbeurteilung, Abmahnung oder gar Kündigung, ohne die dahinter liegenden Ursachen zu beachten. Häufig handelt es sich bei dem «unerwünschten Verhalten» bzw. den «ungenügenden Leistungen» um Reaktionen auf Ausgrenzung und sozialen Stress bis hin zum Mobbing und emotionaler Erschöpfung (Burnout). Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die zunehmende Eingrenzung der Kündigungsfreiheit durch die Bundesgerichtspraxis219 sowie das Gebot der schonenden Rechtsausübung220 verlangen vom Arbeitgeber in Bezug auf solche Situationen, rechtzeitig und angemessen zu reagieren sowie zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, bevor sie in Konfliktsituationen eine Kündigung aussprechen. Gegen Diskriminierung oder Belästigung hat der Arbeitgeber bereits vorbeugend vorzugehen221. 218https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Publikationen_Dienstleistungen/Publikationen_und_Formulare/Arbeit/Arbeitsbedingungen/ Broschuren/mobbing-und-andere-belaestigungen---schutz-der-persoenlichen-int.html, vgl. Broschüre des SECO, Mobbing und andere Belästigungen, Schutz der persönlichen Integrität am Arbeitsplatz, 2014, S. 15. 219 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 328, N 7. 220 Der Grundsatz der schonenden Rechtsausübung verlangt, dass die Mehrheit von verschiedenen gleichwertigen Entscheidungsmöglichkeiten diejenige wählt, die die Interessen der Minderheit nicht oder am wenigsten beeinträchtigt; BGE 131 III 459, S. 460. 221 Art. 8 Abs. 2 Schweizerische Bundesverfassung; Das Schweizerische Privatrecht beinhaltet keine ausdrücklichen Diskriminierungsverbote. Hingegen implizieren die allgemeinen Bestimmungen des Privatrechts eine Pflicht zum Schutz vor Diskriminierung im Erwerbsleben. Dazu gehören der zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz (Art. 27 fortfolgende Zivilgesetzbuch), der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die Fürsorgepflicht (Art. 328 Obligationenrecht), die arbeitsrechtliche Datenschutzbestimmung (Art. 328b OR), der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB), das Verbot missbräuchlicher Kündigung (Art. 336 OR) und Art. 3 und 4 Gleichstellungsgesetzes. 122 1.Konfliktprävention Durch geeignete organisatorische Massnahmen, ein frühzeitiges und fachmännisches Eingreifen sowie ein konsequentes Vorgehen lassen sich viele Konflikte am Arbeitsplatz vermeiden oder auf konstruktive Art beilegen. Entstehende Konflikte können sich dort schädlich ausdehnen und entwickeln, wo Werte, Rollen, Kompetenzen, Aufgaben und Befugnisse nicht klar umrissen und Schnittstellen nicht definiert sind. Mangelnde Ressourcen, fehlerhafte Planung sowie die nicht rechtzeitige Intervention und die Scheu vor klärenden Gesprächen wirken sich zusätzlich konfliktverstärkend aus. Häufig auftretende Konflikttypen am Arbeitsplatz • Fachliche Divergenzen betreffend Sachfragen, Methoden, Informationen • Interessen- und Zielkonflikte •Rollenkonflikte • Gruppendynamische Konflikte (Machtkämpfe etc.) • Konflikte aufgrund unterschiedlicher Werte und Normen •Kulturkonflikte • Konflikte aufgrund von Persönlichkeitsunterschieden Die Folge sind Frustration durch Doppelspurigkeiten, Lücken und Fehler und darauf basierende Schuldzuweisungen, Unzufriedenheit und das Gefühl, «immer die Drecksarbeit machen zu müssen». Deshalb empfehlen sich auch für kleinere Betriebe und Tierarztpraxen die folgenden Vorkehrungen: 1.1Unternehmenskultur Art. 328 Abs. 1 OR verpflichtet den Arbeitgeber, «die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen […] und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen». Unerlässlich ist hierfür, bereits in den konfliktfreien Zeiten eine gute Dialogkultur aufzubauen und diese auch tatsächlich umzusetzen. Ein gelebtes Bekenntnis zu einer klaren Identität, zu gemeinsamen Werten und Zielen – idealerweise in einem Leitbild zusammengefasst, das von den Mitarbeitern verinnerlicht wird – stellt sicher, dass sämtliche Mitarbeiter und Teams auf dieselben Ziele hin arbeiten und der Betrieb gegen aussen ein einheitliches und charakteristisches Auftreten zeigt. Dazu gehört ein ernst gemeintes Qualitätsmanagement mit einer konstruktiven Fehlerkultur, bei welchem Fehler als Chancen erkannt werden, von Mitarbeitenden eingereichte Verbesserungsvorschläge honoriert werden und sich alle Beteiligten als Teil einer «lernenden Organisa­ tion» wahrnehmen können. Flache Hierarchien, ungezwungene Begegnungsmöglichkeiten und eine Wertehaltung, die Unterschiedlichkeit als Bereicherung versteht, sind starke Pfeiler der Konfliktprävention. 123 1.2 Zielsetzung und Planung222 Nur wenn die Gesamtziele lang- mittel- und kurzfristig klar definiert und den Führungskräften sowie Mitarbeitenden kommuniziert sind, ist sichergestellt, dass auch die individuell in den Mitarbeitergesprächen vereinbarten Jahresziele auf die Gesamtziele ausgerichtet werden können und die Mitarbeitenden selbst überprüfen können, ob sie noch «auf Kurs» hin arbeiten. Dazu sollten Ziele allerdings S-M-A-R-T formuliert sein, also spezifisch (eindeutig und positiv formuliert), messbar (auch vom einzelnen Mitarbeitenden selbst), aktiv beeinflussbar, realisierbar und klar terminiert223. Schliesslich ist eine realistische Arbeitsplanung, die auch die vorhandenen Ressourcen mit einbezieht, erforderlich. Eine solche kann wiederum vom einzelnen Vorgesetzten nur zweckdienlich erstellt werden kann, wenn die Verteilung der Gesamtressourcen (Mitarbeitende, Wissen, Geldmittel, Räume, Zeit…) auf die einzelnen Abteilungen herunter gebrochen werden. Damit können Über- bzw. Unterforderungssituationen vermieden werden, die schnell zu Schuldzuweisungen und Vermeidungsstrategien führen und deshalb ein erhebliches Konfliktpotential in sich bergen. 1.3 Organisation der Zusammenarbeit Sauber strukturierte Betriebe arbeiten effizienter, da weniger Reibungsverlust durch Überschneidungen, Missverständnisse und Kompetenzgerangel entsteht. Dazu gehört eine saubere Aufstellung der Verantwortlichkeiten, Stellvertretungen und Führungskompetenzen, z.B. in Form eines Organigramms, ebenso wie klar definierte Stellenprofile. Ein gut durchdachtes Stellenprofil ist weit mehr als ein blosses Auflisten der einzelnen Aufgaben. Nebst Aufgaben und Anforderungsprofil sollte ein Stellenprofil die wichtigsten Kompetenzen (Entscheid-, Finanz-, Stellvertretungs-, Führungskompetenz usw.) und Verantwortlichkeiten ebenso benennen wie die grundlegenden Ziele, die durch den Stelleninhaber abgedeckt werden sollen sowie die nächst vorgesetzte und untergeordnete Stelle. Durch die Festlegung des Anforderungsprofils – auch in persönlicher Hinsicht – wird ausserdem eine saubere Rekrutierung für die zu besetzende Stelle sichergestellt. Viel «Reibungsverlust» kann vermieden werden, wenn bereits bei der Personalsuche auf gemeinsame Wertvorstellungen geachtet wird. Nicht zuletzt bildet ein korrekt erstelltes, regelmässig aktualisiertes Stellenprofil auch eine wesentliche Arbeitshilfe für die Erarbeitung der Zwischen- bzw. Schlusszeugnisse, auf die ja noch zehn Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Rechtsanspruch besteht. Isoliert betrachtete Stellenbeschriebe bringen für sich allein genommen dem Einzelnen oder dem Team noch keine wirkliche Handlungssicherheit, um die Arbeit selbständig planen und erledigen zu können oder um Entscheidungen zu treffen. Hierfür sind regelmässiger Austausch zwischen den Teams und Abteilungen sowie Weiterbildungen notwendig, die gegenseitig zur Vertrautheit und zum Verständnis betreffend der jeweils notwendigen Arbeitsschritte führen Unterstützend sollten die Berührungspunkte zwischen zwei Stellen, Teams oder Abteilungen durch möglichst klare Schnittstellen und Prozesse definiert und mit entsprechenden Handlungsanweisungen hinterlegt werden. Je klarer die Zuständigkeiten und Arbeitsschritte – auch in kleinen Teams – definiert sind, desto weniger Konflikte ergeben sich im Arbeitsalltag. 222 Vgl. zum Ganzen: Schwarz/Purtschert/Giroud/Schauer, Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen, 6. Aufl., Haupt, Bern, Stuttgart, Wien 2009. 223 Doran, G.T. (1981) There’s a S.M.A.R.T. way to write management’s goals and objectives. Management Review, Volume 70, Issue 11 (AMA FORUM), pp. 35-36. 124 Fazit Ein gelebtes Leitbild, klar umrissene Ziele, eine abgestimmte und realistische Planung nicht zuletzt der Ressourcen, sowie eine gut durchdachte Zuständigkeitsordnung, gespiegelt im Organgramm, den Schnittstellen und Prozessen sowie in den Stellenbeschrieben dienen als Orientierungshilfe für Mitarbeiter und Entscheidungsträger, schaffen ein Klima der Vorhersehbarkeit und damit der Sicherheit und des Vertrauens. Nebst einer wertschätzenden Unternehmenskultur bilden sie wichtige Pfeiler der Konfliktprävention. Treten Konflikte dennoch auf, kann mit den betroffenen Mitarbeitern schneller wieder an die gemeinsame, werte- und sachbezogene Basis zur Lösung des Konfliktes angeknüpft werden und es können im Idealfall gemeinsam konstruktive Lösungen erarbeitet werden. 1.4 Regelmässige Schulungen All die aufgezeigten Präventionsmassnahmen erfüllen das Ziel des konstruktiven Konfliktmanagements jedoch nur, wenn der oder die Vorgesetzten die Werte, Ziele, Prozesse und Strukturen des Betriebs selbst kennen und leben. Dies bedingt, dass sie sich ihrerseits über das erwünschte Verhalten – gerade auch in Konfliktsituationen – im Klaren sind und entsprechend Rückhalt bei ihren Vorgesetzten finden. Wichtige Präventionsinstrumente sind daher auch die regelmässige Schulung der Führungskräfte sowie das gemeinsame Erarbeiten der geltenden Werte, Regeln und Verhaltenskodices224. Ein einheitliches Konfliktmanagement für den ganzen Betrieb, ein konstruktiver Umgang mit Fehlern «als Lernchance» sowie eine regelmässige, klare und sachliche Kommunika­ tion sind daher unerlässlich. Die Schulung der Führungsverantwortlichen, z.B. auch durch externe Experten, ist daher eine wichtige Voraussetzung der Konfliktprävention. Um sich vor möglichen Vorwürfen der Nichtverhinderung oder gar der Begehung einer Persönlichkeitsverletzung (sei es durch Vorgesetzte, andere Mitarbeiter oder durch Dritte) und damit vor dem Vorwurf einer missbräuchlichen Kündigung zu schützen, ist der Arbeitgeber darüber hinaus gut beraten, Merkblätter gegen sexuellen Missbrauch, gegen Mobbing und gegen Diskriminierung zu erarbeiten, in welchen er eine Null-Toleranz-Haltung bei derartigen Vorfällen vertritt, verpönte Handlungen sowie allfällige Sanktionen klar benennt und interne oder externe Anlaufstellen, Vertrauenspersonen und das Vorgehen im Konfliktfall definiert. Damit kann bei allfällig auftretenden Persönlichkeitsverletzungen dank der klaren Handlungskonzepte umgehend und für die Betroffenen in vorhersehbarer Weise eingegriffen werden. Es stehen Fachpersonen zur professionellen Unterstützung zur Verfügung. Gerüchten wird durch zielgerichtetes Handeln und kompetente Kommunikation möglichst wenig Raum gelassen und allen Mitarbeitern wird signalisiert, dass ein solches Verhalten durch den Arbeitgeber nicht geduldet wird. Dem Arbeitgeber seinerseits gelingt im Falle einer Klage wegen Persönlichkeitsverletzung und/ oder missbräuchlicher Kündigung leichter der Nachweis, sämtliche zumutbaren Vorkehren gegen ein persönlichkeitsverletzendes Verhalten getroffen zu haben und er kann damit einem aufwändigen Prozess entgegen wirken. 224 Malik, Führen, Leisten, Leben, Wirksames Management für eine neue Zeit, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2006. 125 Hinweis: Das SECO bietet eine hilfreiche Übersicht über die unterstützenden Materialien zur Prävention sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Siehe: https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Publikationen_Dienstleistungen/Publikationen_ und_Formulare/Arbeit/Arbeitsbedingungen/Broschuren/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz---ein-ratgeber-fuer-arbeit.html 1.5Konflikt-/Kommunikationskonzept Im Idealfall wird präventiv schriftlich festgehalten, durch wen auf Konflikte und Krisensituationen in welcher Weise reagiert werden soll. Das Konfliktkonzept gibt Aufschluss zu Fragen wie: «Welche Konflitkbewältigungsphase soll durch welche Instanz behandelt werden?» «Wann soll die nächsthöhere Instanz informiert werden?» «Wer soll und darf gegen innen beziehungsweise gegen aussen in welcher Art und Weise kommunizieren?» «Welche externen Stellen stehen zur Verfügung, wie bleiben Persönlichkeit und Privatsphäre der Beteiligten geschützt?» usw. Durch die vorgängige Klärung und Bekanntmachung solcher Fragen und durch die Bereitstellung von entsprechenden Ressourcen (Arbeitszeit, Geldmittel, Kontakte, Fachwissen) kann in einer tatsächlich auftretenden Krisensituation frühzeitig, zeitnah und sachbezogen reagiert werden. Zudem gewährleistet ein solches personen­unabhängiges Konfliktkonzept die Handlungsfähigkeit auch bei Ferienabwesenheit von Schlüsselpersonen. 2. Konfliktmanagement Je früher ein Konflikt thematisiert wird, desto höher sind die Chancen, eine Win-win-Situation zu erreichen, also eine Konfliktlösung, bei der sämtliche Beteiligte als Gewinner aus dem Konflikt hervorgehen. Deshalb ist kompetentes und entschlossenes Handeln umso wichtiger. 2.1Konfliktanalyse Zunächst kann es hilfreich sein, eine Konfliktanalyse225 anhand eines Fragenkatalogs vorzunehmen. Dieser soll Aufschluss geben über die Rahmenbedingungen des Konfliktes, wie Ursachen, Entwicklung und Beteiligte, Interessen, Beziehungen und Handlungsspielraum und ähnliche Faktoren. Auch die eigene Haltung zum Konflikt ist schonungslos zu hinterfragen, da sie den weiteren Verlauf bei der Konfliktlösung stark beeinflussen kann. 225 Hierfür stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, z.B. Konfliktanalyse nach Bernd Jansen, Konfliktanalyse nach Sibylle Reinhardt, Kategoriale Schlüsselfragen der Konfliktanalyse nach dem Modell von Hermann Giesecke usw. http://www.sn.schule.de/~sud/methodenkompendium/module/3/5_1.htm. 126 Mögliche Hemmnisse bei der Konfliktlösung • Wir erkennen Konflikte zu spät. • Wir trauen uns eine Konfliktbearbeitung nicht zu. • Wir haben ein zu grosses Harmoniebedürfnis. • Wir mögen keine Tabus ansprechen. • Wir möchten unsere Mitarbeiter/-innen schonen – und entmündigen sie dabei vielleicht...? • Wir solidarisieren uns mit einer Konfliktpartei und sind so selbst Teil des Konflikts. • Wir finden gleich die Schuldigen und sind überzeugt, dass diese nur ihr Verhalten ändern müssten um den Konflikt zu beenden. Um das richtige Vorgehen zu wählen, ist es hilfreich, zu verstehen, wie weit der Konflikt bereits gediehen ist. Dabei können die neun Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl hilfreich sein, um zu erkennen, welche Art der Intervention sinnvoll und welche Zielsetzung noch realistisch ist. Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl Aus Glasl, 1994, S. 216, 218 – 219. Glasl geht bei seinem Modell von einer Abwärtsbewegung aus: Demnach sind Interventionen weniger erfolgversprechend, je weiter ein Konflikt fortgeschritten ist, da das Verhalten der Konfliktparteien zunehmend verroht und die gegenseitigen Ak­tion­en die Rückkehr zu einem konstruktiven Verhandeln, somit das Erreichen einer win-win-Situation zunehmend in weite Ferne rückt. Entsprechend müssen Interventionen, je später sie ansetzen, mit intensiveren (auch kostenintensiveren) Mitteln erfolgen: wo in Stufe 1 – 3 Konfliktmoderation noch ausreichend sein könne, brauche es ab Stufe 3 – 6 zunehmend auch therapeutische Prozessbegleitung bis hin zur Mediation, bis schliesslich ab Stufe 6 nur noch gerichtliche Verfahren bzw. Machteingriffe den Konflikt zu beenden vermögen. 2.2 Das Harvard-Konzept Verschiedene Konfliktlösungsmodelle helfen, den Konflikt zu versachlichen, die Beteiligten aus scheinbar verfahrenen Situationen frei werden zu lassen. Der wohl bekannteste Ansatz für die Konfliktlösung ist das Harvard-Konzept, an welchem sich die Mediation als Methode orientiert. 127 Dabei werden die Parteien durch unterstützende Massnahmen befähigt, ihren Konflikt eigenverantwortlich zu lösen, indem zuerst die Streitpositionen («Ich will die Orange!») überwunden und die wahren Interessen (A: «Ich brauche den Saft der Orange, weil ich Vitamine brauche!» bzw. B:»Ich brauche die Schale der Orange, um einen Kuchen zu backen!») herausgearbeitet werden. In einem zweiten Schritt wird der Handlungsrahmen möglichst kreativ erweitert und mögliche Konfliktlösungen dürfen frei assoziiert werden. Schliesslich werden gemeinsam die Kriterien erarbeitet, an welchen eine mögliche Konfliktlösung gemessen werden soll. Erst wenn die gefundene Lösung wirklich für alle Konfliktbeteiligten ideal erscheint, wird diese verbindlich festgehalten und noch einmal individuell geprüft. Ansätze des Harvard-Konzepts für Konfliktlösung 2.3Gesprächskultur Für jegliche Konfliktintervention, die eine weitere Zusammenarbeit anstrebt, ist es äusserst entscheidend, dass alle Beteiligten das Gesicht wahren können. Anstelle von gängigen Listen von Kommunikationsregeln – wie z.B. «Ich-Botschaften», «Tatsachen ohne Wertungen», «Trennen der Sachargumente von Gefühlen und Wünschen», «kein Nein» usw. – bzw. von «Kommunikationssperren» nach Gordon226 – scheint es mir zielführender, sich die alte indianische Weisheit zur goldenen Regel zu machen, wonach man sich kein Urteil über einen anderen Menschen bilden solle, bevor man nicht mindestens 1000 Schritte in seinen Mokassins gegangen ist. Und selbst wenn sich eine Zusammenarbeit nicht mehr fortsetzen lässt, ist es einerseits aus psychohygienischen und marketingtechnischen, andererseits aus beweistechnischen Gründen unerlässlich, folgende Regeln der Gesprächsführung zu beachten: 2.3.1 Unschuldsvermutung und offene Fragen Auch bei einem ersten informellen Gespräch gilt: Weder gibt es eine «objektive Wahrheit» noch kann ich als Kollege, Vorgesetzter oder gar als Konfliktpartei die Wahrheit meines Gegenübers kennen. Deshalb ist es unerlässlich, sich vor einer Gesprächsaufnahme die eigenen Vermutungen, Vorurteile, Gerüchte u.ä. klar zu machen und sie vor dem Gespräch mit den Beteiligten möglichst auszuräumen. Offene Fragen (z.B. nach dem Befinden) sind zielführender als ein Gespräch mit einem versteckten Vorwurf zu beginnen («warum hast Du (nicht)…»/«ich habe gehört, Du …»). Besonders bei der Klärung von möglicherweise strafbarem Verhalten wie Diebstahl, Drogenkonsum, Missbrauch 226 Thomas Gordon: Das Gordon-Modell, deutsch 1998, ISBN 3-453-14139-3. 128 usw. sollte immer zunächst die Unschuldsvermutung greifen und alle theoretisch in Frage kommenden Personen sollten Gleichbehandlung erfahren, z.B. indem alle am betreffenden Tag tätig gewesenen Mitarbeiter befragt werden und nicht nur die hauptverdächtige Person. 2.3.2Zuhören Den vom Mitarbeiter anlässlich des Gespräches vorgebrachten Einwänden sollte auch echtes Gehör geschenkt werden. Die verbreitete Praxis, dem Mitarbeiter gleichzeitig im Gespräch um seine nachlassende Leistung oder sein unbefriedigendes Verhalten die unumstösslich getroffene Entscheidung der Kündigung mitzuteilen und ihm dann einen fertig ausgearbeiteten Aufhebungsvertrag zu unterbreiten, den er zu unterschreiben habe, ansonsten man ihm kündigen müsse, stellt auch in den Augen der Gerichte eine nicht zu schützende Überforderung des Mitarbeiters dar. Solche Aufhebungsverträge sind im Lichte von Art. 341 OR (Unverzichtbarkeit) problematisch. Die Bestimmung besagt, dass der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und einen Monat nach dessen Beendigung nicht auf Forderungen verzichten kann, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines GAV ergeben. Ein einseitig, zu Lasten des Arbeitnehmers ausgestalteter Aufhebungsvertrag hält vor Gericht nicht stand, selbst wenn ihn der Arbeitnehmer «freiwillig» unterzeichnet hat. 2.3.3Gesprächseinladung Für ein offizielles Konfliktgespräch sollte der Mitarbeiter ordentlich eingeladen werden. Er hat Anspruch darauf, vorgängig über den Zeitpunkt, das Gesprächsthema und die Gesprächsteilnehmer informiert zu werden. Er ist darauf hinzuweisen, dass er eine Person seines Vertrauens an das Gespräch mitbringen kann. Die häufig gehörte Sorge, ein derart «vorgewarnter» Mitarbeiter verschaffe sich umgehend ein Arztzeugnis, so dass man ihn nicht mehr entlassen könne, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings steht dem Arbeitgeber bei berechtigten Zweifeln das Recht zu, ein qualifiziertes Arztzeugnis zu verlangen oder eine vertrauensärztliche Untersuchung anzuordnen und letztlich auch die richterliche Prüfung der Gesamtumstände einer dennoch ausgesprochenen Kündigung einzuleiten. 2.3.4Gesprächsdokumentation Der Arbeitgeber ist also gut beraten, abnehmende Leistungen oder ein unerwünschtes Verhalten mit dem Arbeitnehmer frühzeitig zu thematisieren, diese Gespräche zu protokollieren und gegenzeichnen zu lassen, klare Ziele und unter Umständen auch zusätzliche Mitarbeitergespräche während des Jahres zu vereinbaren, um im Falle einer tatsächlich unabwendbaren Kündigung ausreichende Belege für die angegebenen Kündigungsgründe vorweisen zu können. Verweigert ein Mitarbeiter die Unterschrift, so ist er freundlich darauf hinzuweisen, dass er mit der Unterschrift lediglich die Tatsache bestätigt, dass das Gespräch stattgefunden hat und die entsprechenden Inhalte besprochen wurden. Er ist jedoch auf sein Recht einer Gegendarstellung hinzuweisen sowie auf den Umstand, dass er jederzeit ein Gespräch im Beisein des nächsthöheren Vorgesetzten, auch in Begleitung einer Person seines Vertrauens, fordern kann. 129 2.4 Vertiefte Abklärungen und Beizug von Fachpersonen Tauchen anlässlich solcher Gespräche seitens des Mitarbeiters Vorwürfe von Mobbing, Missbrauch oder Diskriminierung auf, sollte diesen Anschuldigungen ernsthaft nachgegangen werden, denn es liegt in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, seine Mitarbeiter vor solchen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu schützen (Art. 328 OR und Art. 6 ArG). Handelt es sich um «normale» Konflikte am Arbeitsplatz, so verlangt die Gerichtspraxis vor einer ordentlichen Kündigung mindestens einen ernst gemeinten Schlichtungsversuch des Arbeitgebers. Dabei sind die folgenden Anforderungen zu beachten: Grundsätzlich ist der Arbeitgeber gemäss der heutigen Gerichtspraxis verpflichtet, Massnahmen im Konfliktfall zu ergreifen. Von Massnahmen kann nur abgesehen werden, wenn aufgrund der konkreten Situation absehbar ist, dass solchen Bemühungen kein Erfolg beschieden sein kann. Bei kurzer Anstellungsdauer und sicher während der Probezeit sind die Anforderungen an die Konfliktlösungsmassnahmen geringer, da es dort ja genau um ein gegenseitiges Kennenlernen gehen soll. Die Auswahl der zu ergreifenden Massnahmen steht im pflichtgemässen Ermessen des Arbeitgebers. Ab einer bestimmten hierarchischen Stellung und entsprechendem Verantwortungsbereich ist es dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten, den Sachverhalt bis ins letzte Detail zu klären, bevor er eine Kündigung ausspricht. Ist eine Situation so gravierend, dass zum Schutz der anderen Mitarbeitenden umgehend gehandelt werden muss oder verweigert sich ein Mitarbeiter den Schlichtungsbemühungen des Arbeitgebers, kann eine umgehende ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein227. 3. Konsequentes Vorgehen Letztlich ist ein konsequentes Vorgehen häufig unerlässlich, um weiteren Schaden zu vermeiden. 3.1Verwarnung/Abmahnung Bei Vertragsverletzung kann eine Verwarnung notwendig werden. Eine Verwarnung liegt vor, wenn für den Wiederholungsfall explizit oder implizit die fristlose Entlassung angedroht wird228. Das unerwünschte Verhalten muss klar benannt werden und es muss für den Arbeitnehmer erkennbar sein, welches Verhalten künftig nicht mehr toleriert wird und dass eine Wiederholung Sanktionen nach sich ziehen werde. Die Verwarnung hat daher Rüge- und Warnfunktion. Ein Schrifterfordernis besteht nicht, jedoch empfiehlt sich die Schriftlichkeit schon aus Beweisgründen. Eine blosse Ermahnung ohne Androhung von Sanktionen wäre die mildere Massnahme, nützt aber im Hinblick auf eine fristlose Entlassung wenig. Bei Disziplinarverstössen (nicht hingegen bei Delikten) ist gemäss Bundesgerichtspraxis praktisch immer eine vorgängige Verwarnung notwendig, um eine fristlose Entlassung zu rechtfertigen. Mögliche Sanktionen sind die Einstellung oder Kürzung der Lohnzahlung, die Versetzung, die ordentliche Kündigung sowie die fristlose Entlassung. Um eine ordentliche Kündigung vorzunehmen, braucht es keine vorgängige Verwarnung. Nach erfolgter Verwarnung genügt ein weniger gewichtiger Verstoss zur gerechtfertigten fristlosen Entlassung. Dieser muss nicht zwingend gleicher Art sein, um die angedrohte Sanktion auszulösen; jede Kleinigkeit genügt dazu jedoch nicht. Der Verwarnende ist an die angedrohte 227 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 336, N 4. 228 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 337, N 13. 130 Sanktion insofern gebunden, als er nicht später eine schärfere Sanktion verhängen darf229. Ebenso wenig kann er eine fristlose Kündigung noch durchsetzen, ohne dass ein neuerliches Fehlverhalten vorliegt, wenn er zuvor zur Verwarnung gegriffen hat. 3.2 Zieldefinition und Bewährungsfrist An die Intensität der Vertragsverletzung angepasst empfiehlt sich, eine Bewährungsfrist zwischen wenigen Monaten bis maximal drei Jahre anzusetzen. Verhält sich der Arbeitnehmer bis zu deren Ablauf einwandfrei, so ist nach Ablauf der Bewährungsfrist die Verwarnung aus dem Personaldossier zu löschen. Die Verwarnung hat dann an Aktualität eingebüsst. 3.3 Beweissicherung Wer aus einer Behauptung ein Recht ableitet, muss die behaupteten Tatsachen beweisen (Art. 8 ZGB). Dafür ist es unerlässlich, dass unerwünschte Verhaltensweisen und/oder abnehmende Leistungen dokumentiert werden. Die Dokumentation erfolgt meist in den Mitarbeiterbeurteilungen oder Jahresendgesprächen. Daneben können durchaus auch ausserordentliche Gespräche während des Jahres möglich und sinnvoll sein. Die saubere Protokollierung des Gesprächs und/ oder die Teilnahme einer zweiten Person, die ihre Beobachtungen niederschreiben oder notfalls als Zeuge mitteilen kann, sind wichtig. Mitarbeiter, die mit den protokollieren Ereignissen nicht einverstanden sind, haben das Protokoll dennoch zu unterschreiben – es genügt, sie auf ihr Recht hinzuweisen, bei der Unterzeichnung ihr Nichteinverständnis mit dem geschilderten Inhalt zu vermerken sowie eine «Gegendarstellung» verfassen zu dürfen. Verweigert der Mitarbeiter die Unterschrift, ist dies ebenfalls auf dem Protokoll zu vermerken. Die Weigerung kann als Indiz für ein beschädigtes Vertrauensverhältnis gewertet werden und damit ein legitimer Grund für eine Kündigung sein. 3.4 Bereinigung des Personaldossiers Gesprächsprotokolle, Ermahnung, Verwarnung usw., müssen im Personaldossier aufbewahrt werden. Sie dienen einerseits zur Beweissicherung, andererseits aber auch zur Erstellung der Zwischen- und Schlusszeugnisse. Ein «Schattendossier» darf nicht geführt werden: Persönliche Notizen des Vorgesetzten, welche während des Jahres verfasst wurden zur Stützung der Jahresbeurteilung, müssen in die Besprechung einfliessen, bevor sie ebenfalls dokumentiert werden, oder nach dem Gespräch vernichtet werden. Der Mitarbeiter hat jederzeit einen Anspruch auf Einsicht in sein Personaldossier. Der Arbeitgeber hat die Pflicht, dieses als Datensammlung im Sinne des Datenschutzgesetzte entsprechend zu pflegen. Es muss daher aktuell, wahr und vollständig sein, aber auch transparent für den Mitarbeiter und geschützt vor dem Zugriff Dritter. Dazu gehört auch, veraltete Dokumente (z.B. nach Ablauf der Bewährungsfrist) aus dem Dossier zu entfernen. 229 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 337, N 13 und BGE 4C.364/2005 vom 12.1.2006. 131 XVIII. Beendigung des Arbeits­verhältnisses Ein Arbeitsverhältnis endigt gemäss Obligationenrecht durch Zeitablauf (Art. 334 OR), infolge ordentlicher oder ausserordentlicher Kündigung durch eine der beiden Parteien (Art. 335ff./337 OR), durch Aufhebungsvertrag oder durch Tod des Arbeitnehmers (Art. 338 OR). Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses werden sämtliche gegenseitige Forderungen fällig (Art. 339 OR) und die Arbeitspflicht erlischt. Nebenpflichten, wie z.B. die Verschwiegenheitspflicht, können hingegen auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen bleiben oder es können – wie im Falle des Konkurrenzverbotes – neue Pflichten mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst ihre Wirkung entfalten. 1. Durch Zeitablauf Art. 334 1 Ein befristetes Arbeitsverhältnis endigt ohne Kündigung. 2 Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer stillschweigend fortgesetzt, so gilt es als unbefristetes Arbeitsverhältnis. 3 Nach Ablauf von zehn Jahren kann jede Vertragspartei ein auf längere Dauer abgeschlossenes befristetes Arbeitsverhältnis jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende eines Monats kündigen. Eine Befristung kann explizit auf ein bestimmtes Datum hin oder für eine bestimmte Zeiteinheit («für drei Monate») vereinbart werden, oder sie kann umschrieben werden «bis Abschluss des Projektes XY». Entscheidend ist, dass die Befristung von beiden Parteien gewollt war und dass der Eintritt des Ereignisses nicht einseitig von einer Partei abhängig ist. Immerhin muss die Befristung sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer objektiv bestimmt oder bestimmbar sein. Mit Erreichen des vereinbarten Datums endet das Arbeitsverhältnis ohne weiteres. Einen Spezialfall eines befristeten Arbeitsverhältnisses kann die Pensionierung darstellen: Zwar endet das Arbeitsverhältnis von Gesetzes wegen nicht automatisch mit Erreichen der Alters­ grenze. Wo jedoch in einem Einzelarbeitsvertrag oder in einem Personalreglement vereinbart wurde, dass das Arbeitsverhältnis «mit Erreichen des Pensionsalters» endige oder wo im Betrieb eine entsprechende, regelmässig gelebte Praxis besteht, handelt es sich um befristete Arbeitsverträge mit Kündigungsmöglichkeit, deren Befristung auf Erreichen des Pensionsalters festgelegt wurde230. Im Übrigen gilt, dass auf längere Dauer befristet abgeschlossene Vertragsverhältnisse aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nach Ablauf von zehn Jahren jederzeit mit einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Monats gekündigt werden (Art. 334 Abs. 3 OR) können, auch wenn keine Kündigungsfristen vereinbart wurden. Arbeitsverträge mit Minimaldauer, welche eine Kündigungsmöglichkeit vorsehen («kündbar frühestens per 31.12. unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens 30 Tagen») stellen rechtlich gesehen unbefristete Arbeitsverträge dar. Bei Arbeitsverträgen mit Maximaldauer hingegen («das Arbeitsverhältnis endet spätestens nach drei Monaten») handelt es sich um befristete Verträge. 230 Vgl. Brühwiler, Art. 334, N 2. 132 Auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis kann somit eine Kündigungsmöglichkeit vor dem vereinbarten Termin vorgesehen werden. Ebenso ist eine vorzeitige Auflösung mittels Aufhebungsvertrag jederzeit möglich, sofern beide Parteien dies wünschen. Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis hingegen über die Befristung hinaus stillschweigend fortgesetzt, so wandelt es sich automatisch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (Art. 334 Abs. 2 OR). Die Unterscheidung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen hat in der Praxis entscheidende Auswirkungen, denn die Gesetzesvorschriften über die Kündigungsfristen (Art. 335a – c) und den sachlichen wie den zeitlichen Kündigungsschutz (Art. 336 – 336d OR) kommen bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht zur Anwendung. Gerade in Fällen von Krankheit, Unfall und Schwangerschaft ist der Arbeitnehmer daher lediglich für die verhältnismässig kurze Dauer der vertraglichen Kündigungsfristen lohnberechtigt, kranken- und unfallversichert. Aufgrund dieses verminderten Arbeitnehmerschutzes, den ein befristetes Arbeitsverhältnis mit sich bringt, sind sogenannte «Kettenarbeitsverträge», bei welchen ein befristetes Arbeitsverhältnis an das nächste gereiht wird, nach heutiger Lehre (trotz anderslautendem Wortlaut im Gesetz, Art. 334 Abs. 2 OR) unzulässig, wenn aus den Umständen des Einzelfalles hervorgeht, dass damit lediglich eine Gesetzesumgehung beabsichtigt war. Gesetzesumgehung wird angenommen, «wenn kein vernünftiger wirtschaftlicher Grund und auch sonst kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers an der Befristung des Arbeitsverhältnisses erkennbar ist»231. Während das befristete Arbeitsverhältnis also von Anfang an nur für eine bestimmte Dauer abgeschlossen wird und mit Ablauf der vereinbarten Zeit automatisch, ohne Notwendigkeit einer weiteren Kündigungshandlung, endet, braucht es sowohl bei der ordentlichen wie bei der ausserordentlichen Kündigung eine unmissverständlich ausgesprochene und vom Empfänger entgegengenommene Kündigungserklärung. Dabei endigt das Arbeitsverhältnis in Folge ausserordentlicher Kündigung unmittelbar, während bei der ordentlichen Kündigung der Ablauf der Kündigungsfrist abgewartet werden muss. 2. Durch Kündigung Das Gesetz sieht für die Auflösung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses primär die Kündigung vor. Dabei wird unterschieden zwischen ordentlicher Kündigung einerseits (Art. 335ff. OR) und ausserordentlichen Kündigung (Art. 337ff. OR) andererseits. Hinweis Ein Arbeitnehmer in gekündigter Stellung hat für die Stellensuche Anspruch auf einen halben Tag Freizeit pro Woche – allerdings muss er auch tatsächlich Vorstellungsgespräche nachweisen können. Für die Internet-Recherche oder das Verfassen eines Bewerbungsschreibens besteht hingegen kein Anspruch auf ausserordentliche Freizeit. 231 Rehbinder, Art. 334 OR, N 13, Brühwiler, Art. 334 OR, N 6. 133 2.1 Ordentliche Kündigung Die ordentliche Kündigung kann während der Probezeit jederzeit mit einer Frist von sieben Tagen erfolgen (Art. 335b OR), wobei die Kündigung noch während der Dauer der Probezeit ausgesprochen werden muss, die Kündigungsfrist jedoch darüber hinaus gehen kann, ohne im Falle einer Krankheit, eines Unfalls oder ähnlichen Gründen eine Lohnfortzahlungspflicht zu begründen. Nach Ablauf der Probezeit kann im ersten Dienstjahr mit einer Kündigungsfrist von einem Monat, im zweiten bis und mit neuntem Anstellungsjahr mit einer Frist von zwei Monaten und nachher mit einer Frist von drei Monaten (Art. 335 Abs. 1 OR) gekündigt werden, wobei diese Fristen durch Vertrag, durch Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag abgeändert werden dürfen (Art. 335 Abs. 2 OR). Es ist also zulässig, auch für ein sehr langjähriges Arbeitsverhältnis eine Kündigungsfrist von bloss einem Monat vorzusehen, soweit keine gesamtarbeitsvertragliche Regelung entgegensteht. Hingegen ist es nicht erlaubt, für Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedliche Fristen vorzusehen; in solchen Fälle gilt für beide Parteien die längere Kündigungsfrist (Art. 335a Abs. 1 OR). Briefkopf Tierarztpraxis Adresse Arbeitnehmer Ort, Datum Ordentliche Kündigung Ihres Arbeitsvertrages vom Datum Sehr geehrter Herr/Frau… Wir beziehen uns auf die mit Ihnen geführten Gespräche vom DATUM und DATUM und kündigen hiermit wie angekündigt Ihr Arbeitsverhältnis mit DATUM vom …….. per DATUM. Bis zu Ihrem Austritt am DATUM gelten sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten vollumfänglich weiter. Bitte beachten Sie, dass Sie auch nach Austritt der Geheimhaltungsund Schweigepflicht unterstellt bleiben. Insbesondere gelangt das mit Ihnen vereinbarte Konkurrenzverbot zur Anwendung. Über die Versicherungs- und Austrittsmodalitäten werden wir Sie einen Monat vor Ihrem Austritt informieren. Freundliche Grüsse Unterschrift gemäss Unterschriftenregelung (Einzel-/Kollektivunterschrift) 2.2 Ausserordentliche Kündigung Aus wichtigen Gründen können beide Parteien das Arbeitsverhältnis jederzeit mittels ausserordentlicher («fristloser») Kündigung (Art. 337 OR) auflösen, wobei als wichtiger Grund in erster Linie jeder Umstand gilt, bei dessen Vorliegen dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (Art. 337 OR). Wichtige Gründe sollten nicht leichtfertig angenommen werden. Art. 337 Abs. 3 OR legt die Entscheidung über das Vorhandensein solcher Umstände ins richterliche Ermessen und macht 134 damit klar, dass die «wichtigen Gründe» nach Massgabe des Einzelfalls geprüft werden sollen232. Entgegen weit verbreiteter Praxis ist es nicht möglich, vertraglich zu definieren, was «wichtige» Gründe sind, die zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen. Die Gerichtspraxis hat daraus die folgenden Grundsätze entwickelt: Die fristlose Kündigung rechtfertigt sich nur bei besonders schweren Verfehlungen einer Partei, die aus Sicht des Arbeitgebers zumeist in der beharrlichen oder böswilligen Arbeitspflichtverletzung, der fortgesetzten Missachtung von Weisungen oder in der schweren Treuepflichtverletzung des Arbeitnehmers zu sehen sind. Der Arbeitnehmer seinerseits kann sich u.a. bei sexueller Belästigung durch den Vorgesetzten oder Arbeitgeber, bei schwerem, die Gesundheit beeinträchtigenden Mobbing, bei der Aufforderung, sich an strafrechtlich relevanten Handlungen zu beteiligen, bei unerwartetem Entzug der Kompetenzen oder unerwarteten Änderung seines Status sowie bei fortgesetzter Verweigerung des Arbeitgebers, den geschuldeten Lohn zu bezahlen und bei Lohngefährdung auf wichtige Gründe für eine fristlose Kündigung berufen.233 Eine fristlose Kündigung wegen Lohngefährdung setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für seine Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht innert angemessener Frist Sicherheit leistet (Art. 337a OR). Bei weniger schweren Verfehlungen wird eine fristlose Kündigung in der Regel nur dann geschützt, wenn vorgängig eine Verwarnung ausgesprochen wurde und sich die Verfehlungen wiederholen234. Eine fristlose Kündigung muss umgehend nach Kenntnisnahme vom wichtigen Grund ausgesprochen werden, ansonsten der Kündigende sein Recht zur fristlosen Auflösung verwirkt235. Wer mit der Kündigung zuwartet, widerlegt durch sein Verhalten, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für ihn unzumutbar sei. In der Praxis wird dem Kündigenden eine kurze Bedenkfrist von rund zwei bis drei Arbeitstagen eingeräumt. Bei juristischen Personen, wo der Entscheidungsprozess etwas komplizierter verläuft, kann die Bedenkfrist bis zu zehn Tagen betragen. Erweist sich eine fristlose Kündigung aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens einer Partei als gerechtfertigt, so hat die gekündigte Partei vollen Schadenersatz zu leisten, unter Berücksichtigung aller aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Forderungen. Wiederum liegt es im richterlichen Ermessen, die vermögensrechtlichen Folgen zu bestimmen236. Erweist sich die Entlassung als ungerechtfertigt, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist oder durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit beendigt worden wäre, unter Anrechnung dessen, was er infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erspart hat oder was er absichtlich zu verdienen unterlassen hat. Ausserdem kann der Richter den Arbeitgeber zur Leistung einer Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen verpflichten (Art. 337c OR). Der Arbeitgeber hat demgegenüber Anspruch auf maximal einen viertel Monatslohn sowie weiteren Schadenersatz, wenn der Arbeitnehmer eine Stelle nicht antritt oder diese ohne wichtige Gründe fristlos verlässt (Art. 337d OR). 232 Brühwiler, Art. 337, N 1. 233 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 337, N 9. 234 Brühwiler, Art. 337, N 1. 235 BGE 127 III 315. 236 Art. 337b OR. 135 2.3 Allgemeine Vorschriften für eine gültige Kündigung 2.3.1 Kündigungstermin und Kündigungsfrist Der Kündigungstermin ist der Zeitpunkt, auf welchen gekündigt werden kann. Dies ist von Gesetzes wegen das Ende eines Monats (Art. 335c Abs. 1 OR). Die Kündigungsfrist berechnet sich dann durch Rückrechnung von diesem Datum aus. Beträgt die Kündigungsfrist z.B. drei Monate und es wurde am 15. März auf Ende Juni gekündigt, so beginnt die Kündigungsfrist ab 1. April zu laufen, der Kündigungstermin ist der 30. Juni. 2.3.2 Empfangsbedürftigkeit der Kündigung Die Kündigung ist eine einseitige, bedingungsfeindliche, empfangsbedürftige Willenserklärung, welche ein Dauerschuldverhältnis beendet237. Einmal ausgesprochen, ist sie unwiderruflich. Immerhin steht es den Parteien frei, erneut einen Vertrag abzuschliessen oder mit dem Einverständnis der Gegenpartei die Kündigung zurückzuziehen. Wichtig ist, dass der Kündigungswille klar zum Ausdruck gebracht wird. («Hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis per Enddatum», und nicht: «Wir würden die Zusammenarbeit gerne beenden…»!). Die gekündigte Partei hat auf Nachfrage hin Anspruch darauf, dass ihr die Kündigungsgründe mitgeteilt werden. Gestützt auf diese Kündigungsgründe kann sie prüfen, ob allenfalls eine missbräuchliche Kündigung vorliegt. Wird eine Kündigung im Zeitpunkt der Urteilsunfähigkeit ausgesprochen, so ist sie nichtig, entfaltet also keinerlei Rechtswirkungen und muss daher zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden. Dies kann in der Praxis bedeutsam werden, wenn zwischenzeitlich ein Sperrgrund (Art. 336c OR) eingetreten ist, und sich dadurch das Arbeitsverhältnis um einige Wochen bis Monate verlängert. Beispiele für Urteils­unfähigkeit bilden eine Kündigung, die im Rahmen einer ausserordentlich heftigen Gemütsbewegung ausgesprochen werden, während Volltrunkenheit oder bei einer bestehenden psychiatrischen Grunderkrankung, welche die Urteilsfähigkeit beeinträchtigt. Dabei ist es unerheblich, ob die Beteiligten im Zeitpunkt der Kündigung bereits um die Erkrankung wussten oder nicht. Die Wirkungen einer Kündigung entfalten sich erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Kündigung beim Empfänger eingegangen ist oder sich im Machtbereich des Empfängers befindet und der Kündigende gutgläubig von deren Kenntnisnahme ausgehen durfte. Es genügt im oben angeführten Beispiel also nicht, die Kündigung am 31. März per Post an den Mitarbeiter zu schicken, wenn der Kündigungstermin vom 30. Juni eingehalten werden soll. Vielmehr muss die Kündigung rechtzeitig, also bis spätestens 31. März empfangen worden sein. Die Kündigung muss an den bekannten Aufenthaltsort, nicht an den verwaisten Wonsitz (z.B. bei bekanntem Feriendomizil oder Kuraufenthalt) des Empfängers gesandt werden, wobei es sich empfiehlt, für die Abholfrist mindestens drei Arbeitstage, besser noch die volle Abholfrist einzuberechnen. Zwar darf der Kündigende gemäss Bundesgericht davon ausgehen, dass ein Einschreiben des Arbeitgebers bzw. Arbeitnehmers innert Tagesfrist abgeholt wird, selbst wenn der Adressat im Zeitpunkt der Zustellung nicht zuhause anzutreffen war und ihm lediglich eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder Postfach gelegt werden konnte238, allerdings ist aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlenswert, mit der Abholfrist von sieben Tage zu rechnen239. 237 BGE 113 II 259. 238 BGE 128 III 212; BGer JAR 2012, S. 201. 239 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 335, N 5, Brühwiler, Art. 335, N 3a. 136 2.4 Rechtsfolgen der Kündigung Die fristlose Kündigung führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt selbst bei ungerechtfertigter Entlassung. Die ordentliche Kündigung bewirkt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der vertraglichen Kündigungsfrist und eines eventuell vereinbarten Kündigungstermins. Mit dem Zugang der Kündigung besteht ein «gekündigtes Arbeitsverhältnis», was beispielsweise für die Berechnung der Gratifikation von Bedeutung sein kann240. Häufig wird mit der Kündigung auch eine Freistellung verbunden, womit der Arbeitgeber einseitig auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verzichtet. Die übrigen gegenseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis – Lohnzahlungspflicht, Fürsorgepflicht, Treuepflichten inklusive Schweige- und Geheimhaltungspflicht, aber auch Mitteilungspflichten über Aufenthaltsort und Ferienbezug – bleiben von der Kündigung jedoch unberührt. 2.5Kündigungsschutz 2.5.1 Sachlicher Kündigungsschutz Grundsätzlich gilt im Schweizer Arbeitsrecht das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Allerdings ist diese sowohl in sachlicher (Art. 336 OR) wie in zeitlicher (Art. 336c OR) Hinsicht in bestimmten Fällen eingeschränkt. So gilt eine Kündigung als missbräuchlich, wenn sie gegen die Wertvorstellungen unserer Gesellschaft verstösst. Die Rechtsfolge einer missbräuchlichen Kündigung ist jedoch – im Gegensatz zu vielen ausländischen Rechtsordnungen – nicht Nichtigkeit, sondern «Strafe» in Form einer Entschädigung. Sachlich missbräuchlich ist eine Kündigung, wenn sie aus einem der in Art. 336 OR aufgezählten Gründe ausgesprochen wird. Diese Aufzählung gilt abschliessend, d.h., über die in Art. 336 OR aufgezählten Kündigungsgründe hinaus werden keine weiteren Kündigungsgründe als missbräuchlich angesehen. Der sachliche Kündigungsschutz beginnt umgehend, also bereits mit Vertragsabschluss und gilt somit auch bereits in der Probezeit. Allerdings werden während der Probezeit – die ja dazu dienen soll, eine Zusammenarbeit gegenseitig zu prüfen – weniger hohe Anforderungen an die sachliche Berechtigung von Kündigungsgründen gestellt als nach Ablauf der Probezeit. Die Beweislast für das Vorliegen einer missbräuchlichen Kündigung trägt der Gekündigte. Im Gegenzug wird dem Kündigenden immerhin die Pflicht zur Kündigungsbegründung auferlegt. Nennt der Kündigende mehrere Kündigungsgründe und sind darunter sowohl solche, die als missbräuchlich gelten, als auch nicht missbräuchliche Gründe, so entscheidet der zuletzt ausschlaggebende Grund, der tatsächlich auch zu Kündigung geführt hat, quasi «der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat241«, darüber, ob eine Kündigung missbräuchlich ist oder nicht. Denn entscheidend ist nur derjenige Grund, der für die effektive Kündigung letztlich ausschlaggebend war. 240 Brühwiler, Art. 335 OR, N 4. 241 Brühwiler, Art. 336, N VI. 137 Missbräuchliche Kündigungsgründe sind: Art. 336 1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht: a. wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; b.weil die andere Partei ein verfassungsmässiges Recht ausübt, es sei denn, die Rechtsausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb; c. ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln; d. weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht; e. weil die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet oder eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt. 2 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird: a.weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmässig ausübt; b.während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung ist, und der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte; c. im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer, konsultiert worden sind (Art. 335f). 3 Der Schutz eines Arbeitnehmervertreters nach Absatz 2 Buchstabe b, dessen Mandat infolge Übergangs des Arbeitsverhältnisses endet (Art. 333), besteht so lange weiter, als das Mandat gedauert hätte, falls das Arbeitsverhältnis nicht übertragen worden wäre. Art. 336a 1 Die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten. Kündigung wegen persönlicher Eigenschaften Kündigungen wegen persönlicher Eigenschaften sind gerechtfertigt, wenn sie einen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis aufweisen oder wenn diese persönlichen Eigenschaften zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Betriebsklimas führen. Damit sind etwa Vorstrafen gemeint, die einen Bezug zur aktuellen Tätigkeit aufweisen (z.B. Vermögensdelikte bei einem Buchhalter; Tierquälerei bei einer Tierärztin usw.). In sogenannten Tendenzbetrieben (z.B. Parteien, Kirchen usw.) sowie für leitende Positionen gelten dabei höhere Anforderungen an einen Kandidaten als bei gewöhnlichen Arbeitsverhältnissen. Selbst das Alter kann einen legitimen Kündigungsgrund darstellen, wenn es sich um Berufe handelt, bei welchen die Jugend bzw. die körperliche Arbeitskraft eine Rolle spielen (z.B. Mannequin). Grundsätzlich darf jedoch nicht aus diskriminierenden Gründen gekündigt werden, und zu solchen gehört nebst Religion, Rasse, sexueller Ausrichtung, Geschlecht, Familienstand, Herkunft usw. grundsätzlich auch das Alter dazu. Da die Bundesgerichtspraxis auch die Charakterzüge zu den «persönlichen Eigenschaften» eines Menschen zählt, ist der Arbeitgeber bei Kündigungen aus einer Konfliktsituation heraus gut beraten, vor der Kündigung «alle ihm zumutbaren Massnahmen zur Konfliktlösung» ergriffen zu haben. In Frage kommen Befragungen (ohne Vorverurteilungen!), Aussprachen, Teamsitzungen, der Beizug von Coaches und Mediatoren, geeignete Weisungen, Verwarnungen und eventuell Versetzungen (Vorsicht – eine solche kann auch als Mobbing-Handlung ausgelegt werden!) in Frage. Hingegen kann ein Arbeitgeber die entsprechenden Schlichtungsbemühungen unterlassen, wenn 138 aufgrund der konkreten Umstände von Vornherein klar ist, dass diesen kein Erfolg beschieden sein wird. Die Pflicht entfällt ausserdem, wenn der Konflikt darauf zurück zu führen ist, dass der entlassene Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten verletzte. Kündigung wegen Ausübung eines verfassungsmässigen Rechts Darunter fallen die Ausübung von politischen Rechten wie Unterstützung von Referenden, Initiativen und Petitionen, wegen (Nicht-)Zugehörigkeit zu einer politischen Partei und die Ausübung des Stimm- und Wahlrechts. Ausserdem die Ausübung der Freiheitsrechte wie Meinungsäusserungs-, Versammlungs-, Glaubens-, Gewissens-, Niederlassungs- und Ehefreiheit. In der Praxis kommen Arbeitgeber unter diesem Aspekt häufig in Konflikt mit Angehörigen religiöser Minderheiten, welchen beispielsweise das Tragen einer Kopfbedeckung verboten werden soll und bei Verweigerung der Befolgung einer entsprechenden Weisung gekündigt wird. Eine solche Kündigung wäre missbräuchlich. Beschränkt werden diese Freiheitsrechte jedoch durch ihren Bezug zu den arbeitsrechtlichen Fristen. Der Mitarbeitende, der sich über Facebook in herabwürdigender Weise über seinen «inkompetenten und tyrannischen Chef» äussert, wird nicht durch seine «Meinungsäusserungsfreiheit» vor einer Kündigung geschützt. Kündigung zur Vereitelung oder wegen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis Hier geht es um die beabsichtigte Vereitelung der Auszahlung von Gratifikationen, Prämien, Dienstalters- oder Abgangsentschädigungen durch die Kündigung, indem kurz vor Erlangen der Anspruchsberechtigung noch schnell gekündigt wird. Oder aber es wird jemandem gekündigt, der auf der Geltendmachung seiner Ansprüche beharrt hat, z.B. bei Arbeitsschutzbehörden oder vor Gericht. Auch ein Arbeitnehmer, dem grundlos die Lohnzahlungen oder der geplante Ferien­ bezug verweigert wird, ist vor einer solchen «Rachekündigung» geschützt, welche allein aufgrund der Geltendmachung dieser Ansprüche erfolgt, sofern er seine Rechte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gelten gemacht hat. Schliesslich sind Kündigungen wegen Militärdienst, Gewerkschaftszugehörigkeit oder eines gewählten Arbeitnehmervertreters ebenso missbräuchlich wie Kündigungen infolge Massenentlassungen, ohne dass die Arbeitnehmervertretung vorgängig informiert wurde (vgl. Art. 335d ff. OR)242. Wer gestützt auf Art. 336 und 336a eine Entschädigung geltend machen will, muss gegen die Kündigung längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist bei Kündigenden schriftlich Einsprache erheben. Einigen sich die Parteien trotz gültig erfolgter Einsprache nicht, so kann die gekündigte Partei innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig machen. Tut sie dies nicht, ist der Anspruch auf Entschädigung und Schadenersatz wegen missbräuchlicher Kündigung verwirkt243. 242 Massenentlassungen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Teil 1, Handbuch Arbeitsrecht für Tierärztinnen, da es hier um eher kleinere Betriebe (Tierarztpraxen) geht. 243 Art. 336b OR. 139 2.5.2 Zeitlicher Kündigungsschutz Sperrfristen zulasten Arbeitgeber Während Art. 336 OR also inhaltlich gewisse Kündigungsmotive untersagt, geht es bei Art. 336c OR um gewisse Zeitperioden, während welchen eine Kündigung unzulässig ist, somit um den zeitlichen Kündigungsschutz, die sogenannten «Sperrfristen». Sperrfristen kommen generell nur bei unverschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung und ausschliesslich bei ordentlichen Kündigungen zur Anwendung. Weder bei der fristlosen Kündigung, noch beim Aufhebungsvertrag noch bei der Beendigung durch Zeitablauf im befristeten Arbeitsverhältnis entfalten die Sperrfristen ihre Wirkung. Der zeitliche Kündigungsschutz («Sperrfristen») umfasst vier abschliessend aufgezählte Fälle von Kündigungsverboten und gewährt der geschützten Partei – im Gegensatz zum sachlichen Kündigungsschutz – den Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses, da eine während diesen Sperrfristen ausgesprochene Kündigung nichtig ist. Art. 336c OR Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen: 1 a.während die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet, sowie, sofern die Dienstleistung mehr als elf3 Tage dauert, während vier Wochen vorher und nachher; b. während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen; c. während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin; d.während der Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers an einer von der zuständigen Bundesbehörde angeordneten Dienstleistung für eine Hilfsaktion im Ausland teilnimmt. Die Kündigung, die während einer der in Absatz 1 festgesetzten Sperrfristen erklärt wird, ist nichtig; ist dagegen 2 die Kündigung vor Beginn einer solchen Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt. Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeits- 3 woche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin. Art. 336c OR ist relativ zwingend, daher können längere Kündigungssperrfristen oder die Ausweitung auf weitere Zeitperioden zugunsten des Arbeitnehmers vertraglich vereinbart werden. Von Gesetzes wegen beträgt die Sperrfrist bei Krankheit und Unfall im ersten Dienstjahr «30 Tage», ab dem zweiten bis und mit fünften Dienstjahr «90 Tage» und ab dem sechsten Dienstjahr «180 Tage» – gemeint sind jeweils Kalendertage, nicht Arbeitstage, und schon gar nicht ein, drei oder sechs Monate244. Bei Mutterschaft ist die gesamte Schwangerschaft Sperrfrist, zusätzlich noch 16 Wochen nach der Niederkunft245. Bei von den Bundesbehörden angesetzten Einsätzen bei Hilfsaktionen im Ausland gilt eine unbegrenzte Sperrfrist246. Während Militär-, Schutz- und Zivildienst, der mindestens 11 Tage gedauert hat, sowie vier Wochen vor oder nach der Dienstleistung ergibt sich aus der entsprechenden Gesetzgebung, was obligatorischer Dienst ist – die Sperrfristen beziehen sich nur auf obligatorische Dienste, allerdings auch auf die Beförderungsdienste247. 244 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 336c, N 8. 245 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 336c, N 9. 246 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 336c, N 7. 247 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 336c, N 6. 140 Die Berechnung der Lage der Sperrfristen erfolgt vom Kündigungstermin rückwärts248. Bei Krankheit und Unfällen verlängern nur die effektiven Krankheitstage die Kündigungsfrist, das Dienstjahr dient dabei nur zur Bestimmung der Schutzdauer. Die Sperrfrist erneuert sich also nicht mit dem Anbruch eines neuen Dienstjahres (im Gegensatz zur Lohnfortzahlung!). Hingegen löst gemäss Bundesgericht jede auf einem neuen Grund beruhende Krankheit eine neue Sperrfrist aus. Entfällt die Arbeitsverhinderung, so endet auch die Sperrfrist, unabhängig davon, ob die Gesundheitsstörung weiter andauert. Umgekehrt kann auf einen Arbeitnehmer, der trotz Arbeitsunfähigkeit arbeiten geht, trotzdem eine Sperrfrist anwendbar sein. Auch Teilarbeitsunfähigkeit löst die Sperrfristen aus, diese verlängert sich jedoch nicht proportional, wie dies bei der Lohnfortzahlung der Fall ist! Der Zweck der Sperrfristen ist der Schutz des Arbeitnehmers vor Verlust des Arbeitsplatzes in Zeiten, in welchen seine Chancen gering sind, während der Kündigungsfrist eine neue Stelle zu finden249. Blosse arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit löst daher keine Sperrfristen aus, da der Arbeitnehmer ja an einem anderen Arbeitsort voll arbeitsfähig ist. Diese Fragen haben in der Praxis grosse Bedeutung, da je nachdem eine Kündigung nichtig sein kann oder nur die Kündigungsfrist durch die Sperrfrist unterbrochen wird und sich damit der Endtermin des Arbeitsverhältnisses zeitlich nach hinten hinaus verschiebt. Fällt das Ende der Kündigungsfrist nach Ablauf der Sperrfrist nicht auf einen ordentlichen Kündigungstermin, so wird die Kündigungsfrist bis zum nächstfolgenden Termin verlängert. Tritt hingegen während dieser Verlängerungsfrist erneut ein Tatbestand ein, der normalerweise eine Sperrfrist auszulösen vermag, so führt dies hier nicht mehr zu einer erneuten Verlängerung der Kündigungsfrist250. Der Arbeitnehmer hat während einer durch die Sperrfrist verlängerten Kündigungsfrist nur dann Anspruch auf Lohn, wenn er entweder arbeitet, wenn eine unverschuldete Arbeitsverhinderung gemäss Art. 324a/b OR vorliegt, er Ferien bezieht oder sich der Arbeitgeber im Verzug befindet. Die Arbeitnehmerin, deren Sperrfrist 16 Wochen nach der Niederkunft abläuft sowie der Arbeitnehmer, der in der infolge Sperrfrist verlängerten Kündigungsfrist wieder gesund wird, müssen also ihre Arbeitskraft wieder anbieten, um weiterhin Anspruch auf Lohn geltend machen zu können251. Hinweis Es ist zu beachten, dass die Kündigungsbeschränkungen gemäss Art. 336c OR und die Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR unabhängig voneinander bestehen und nicht koordiniert sind. Sperrfrist zulasten Arbeitnehmer Schliesslich sieht Art. 336 d OR eine Sperrfrist zulasten des Arbeitnehmers vor: dieser darf ein Arbeitsverhältnis nicht kündigen, wenn ein Vorgesetzter, dessen Funktion er auszuüben vermag oder der Arbeitgeber selbst unter den in Artikel 336c Absatz 1 Buchstabe a, oder Art. 336c Abs. 2 oder Abs. 3 angeführten Voraussetzungen an der Ausübung der Tätigkeit verhindert ist und der Arbeitnehmer dessen Tätigkeit während der Verhinderung zu übernehmen hat. 248 Brühwiler, Art. 336c, IV. 249 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 336c, N 8. 250 BGE 124 III 474, BGE 109 II 330. 251 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 336c, N 11. 141 3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Aufhebungs­vertrag Sind sich die Parteien über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie die dazu gehörigen Bedingungen einig, so kann das Arbeitsverhältnis jederzeit und ohne Einhaltung von Kündigungsfristen oder festen Vertragszeiten mittels Aufhebungsvertrag252 beendet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich dabei nicht um die vom Arbeitgeber beabsichtigte Umgehung von zwingenden gesetzlichen oder gesamtarbeitsvertraglichen Arbeitnehmerschutznormen handelt, wie beispielsweise die Lohnfortzahlungspflicht (Art. 324a OR), die Entschädigungspflicht wegen missbräuchlicher Kündigung (Art. 336a OR), die Einhaltung der zeitlichen Kündigungsschutzbestimmungen (Art. 336c OR) oder die Entschädigungspflicht wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung (Art. 337c OR). Hinweis Ein Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses noch keine neue Stelle in Aussicht hat, riskiert im Falle einer Arbeitslosigkeit Einstelltage bei der Arbeitslosenkasse, wenn er bei der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages auf die vertraglichen Kündigungsfristen und die entsprechenden Lohnzahlungen verzichtet hat. Es ist auch aus diesem Grund ratsam, einen Aufhebungsvertrag nur zu unterzeichnen, wenn dieser insgesamt tatsächlich vorteilhaft ist gegenüber einer ordentlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Wichtige Kriterien für die Beurteilung der Zulässigkeit eines konkreten Aufhebungsvertrages sind deshalb die Frage, von welcher Partei der Anstoss zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ausging, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer beim Austritt freiwillige Zusatzleistungen wie beispielsweise eine Gratifikation ausrichtete, oder ob die Vertragsaufhebung bei laufender oder absehbarer Sperrfirst nach Art. 336c OR erfolgte253. Nach Auffassung des Bundesgerichtes sind Aufhebungsverträge zumindest dann gültig, wenn sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer gegenseitig gleichwertige Zugeständnisse gemacht wurden254. Das Bundesgericht verlangt somit ein erkennbares und vernünftiges eigenes Interesse auch des Arbeitnehmers an einem Aufhebungsvertrag. Legt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen fertig formulierten Aufhebungsvertrag vor, so muss er dem Arbeitnehmer vor Unterzeichnung zumindest eine ausreichend lange Bedenkzeit gewähren. Diese schliesst die Möglichkeit, sich beraten zu lassen, ein, weshalb in einem Zeitraum, auf welchen mehrere Feiertage fallen, wohl von einer längeren Bedenkzeit auszugehen ist. In der Regel sollten zehn Arbeitstage als Bedenkzeit jedoch ausreichend sein. Obwohl ein Aufhebungsvertrag von Gesetzes wegen auch formlos gültig ist, empfiehlt sich die Schriftform allein schon aus Gründen der Beweisbarkeit, aber auch, um Übervorteilung und Missverständnissen vorzubeugen. Auch eine Präambel, welche im Vorspann des eigentlichen Vertrages einige Eckdaten darüber festhält, auf wessen Veranlassung und aufgrund welcher Überlegungen es zur Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages kam, mag hilfreich sein. Ziel des Aufhebungsvertrages muss es sein, die endgültige Auseinandersetzung der Parteien in 252 Siehe Beispiel im Anhang. 253 Brühwiler, Art. 335 OR, N 9. 254 BGE 118 II 58, BGE 110 II 168, BGE 106 II 222. 142 sämtlichen Belangen zweifelsfrei zu klären. Aus diesem Grund sind nebst dem Beendigungstermin, den Aufhebungsmodalitäten in Bezug auf Lohnzahlung (inklusive Anteil 13. Monatslohn), Über- bzw. Minusstunden, Ferienguthaben, allfällige Bonus- oder Gratifikationszahlungen, Arbeitszeugnis und Referenzen, Rückgabe sämtlicher Gegenstände, Daten und Informationsträger, Umgang mit Schweigepflicht, Geheimniswahrungspflicht sowie gegebenenfalls mit den Urheberrechten, allfällige Konkurrenzverbote und Konventionalstrafen bis hin zu einer Vereinbarung über die Kommunikation des Austrittes gegenüber Team- und Arbeitskollegen, Kunden und Mitarbeitern zu klären. Abschliessen wird man einen Aufhebungsvertrag mit einer Saldo- sowie einer Gerichtsstandklausel, im Idealfall ergänzt durch eine Mediationsklausel, für den Fall, dass sich doch noch Unklarheiten oder Streitigkeiten aus dem Aufhebungsvertrag ergeben sollten. Stellt sich ein Aufhebungsvertrag trotz aller Vorsichtsmassnahmen als unzulässig heraus, so gilt damit das Arbeitsverhältnis – analog zur gesetzlichen Regelung bei missbräuchlicher oder ungerechtfertigter fristloser Kündigung – dennoch als beendet. Für die Bemessung der Ansprüche des Arbeitnehmers ist dann massgebend, was der Arbeitnehmer gestützt auf die umgangenen, gesetzlichen oder allenfalls (gesamtarbeits-)vertraglichen Lohnfortzahlungs-, Entschädigungsund Kündigungsschutzbestimmungen fordern könnte255. Exkurs Änderungskündigung Ein Einzelarbeitsvertrag, der in einem seiner wesentlichen Vertragsbestandteile geändert werden soll, bedarf einer sogenannten Änderungskündigung. Dabei teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eingeschrieben oder durch persönliche Übergabe gegen Empfangsbestätigung mit, dass und inwiefern er die Vertragsbedingungen per Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ändern wolle. Akzeptiert der Arbeitnehmer die Änderungen nicht, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Dabei ist darauf zu achten, dass das vorgelegte Schreiben im Falle des Nicht-Einverständnisses unmissverständlich als ordentliche Kündigung aufzunehmen ist. Wesentliche Vertragsbestandteile können eine Änderung des Pensums sein, der Wechsel von Früh- auf Abendschichten, der Wechsel eines seit Jahren bestehenden Wochentages als Arbeitstag, Lohnkürzungen, u.v.m. Wird eine Änderungskündigung an die gesamte Belegschaft verschickt (z.B. bei Änderung eines Personalreglements), so ist immer auch zu prüfen, ob es sich um eine «Massenentlassung» i.S.v. Art. 335dff. OR handelt, in welchem Fall besondere Verfahren zur Anwendung kommen und die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer zu beachten wären. Exkurs Freistellung Häufig verzichtet der Arbeitgeber bereits während der Kündigungsfrist auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sei es, um dem Arbeitnehmer Zeit für die Stellensuche zu geben, sei es, weil das Vertrauensverhältnis in Mitleidenschaft gezogen oder die Zusammenarbeit nicht mehr sinnvoll scheint. Der Arbeitgeber kann die Freistellung einseitig erklären, eine Annahmeerklärung oder Unterschrift des Arbeitnehmers ist dazu nicht notwendig. Rechtlich gesehen begibt sich der Arbeitgeber damit in Annahmeverzug, d.h. er verzichtet einseitig auf die Annahme der angebotenen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und bleibt diesem dennoch voll leistungspflichtig. 255 Brühwiler, Art. 335, N 9, Portmann, Art. 335, N 29. 143 Freistellungserklärung Der Arbeitnehmer wird von Verpflichtung zur Arbeitsleistung per sofort freigestellt. Seine Treuepflichten wie insbesondere die Geheimniswahrungs- und die Mitteilungspflicht bleiben vollumfänglich bestehen. [ ]Er/sie kann eine neue Stelle suchen und sofort antreten; er/sie hat die Arbeitgeberin sofort davon in Kenntnis zu setzen und muss sich das Ersatzeinkommen auf seine eingangs erwähnte Lohnforderung anrechnen lassen/Ein allfälliges Einkommen muss er/sie sich nicht anrechnen lassen. evtl. [ ]Er/sie hat sich während der Freistellungsdauer auf Abruf bereit zu halten; die arbeitsfreie Zeit steht ihm primär zur Stellensuche und sekundär zur Überzeit- und Überstundenkompensation bzw. zum Ferienbezug zur Verfügung. Wird die Freistellung – z.B. mittels Aufhebungsvertrag – gegenseitig vereinbart, gerät der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, womit eine gesetzliche Anrechnungspflicht bezüglich anderweitigen Verdienstes entfällt256 und eine solche daher – wenn gewünscht – extra vereinbart werden muss. 256 Brühwiler, Art. 324, N 10, Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 324, N 13. 145 XIX. Konkurrenzverbot Einleitende Fragen: «Vor einigen Jahren habe ich in meiner Kleintierpraxis eine Tierärztin als Assistentin angestellt. Nun ergibt sich für sie die Gelegenheit, im selben Ort eine Praxis zu übernehmen. Darf sie dies trotz nachvertraglichem Konkurrenzverbot in ihrem Arbeitsvertrag? In meinem Arbeitsvertrag wurde ein Konkurrenzverbot vereinbart, ohne dass mir dafür irgendeine Gegenleistung seitens meines ehemaligen Arbeitgebers gewährt wurde. Was droht mir schlimmstenfalls, wenn ich mich über das Konkurrenzverbot hinweg setze?» Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dauert die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber nur noch als gesetzliche Verschwiegenheitspflicht an. Das gesetzliche Verbot, die während des Arbeitsverhältnisses erworbenen Kenntnisse und das geheim zu haltende Wissen zu verwerten, besteht dann nicht mehr automatisch. Will sich der Arbeitgeber gegen eine solche Konkurrenzierung durch den ehemaligen Arbeitgeber weiterhin schützen, so muss er ein Konkurrenzverbot gemäss Art. 340 – 340c OR mit dem scheidenden Arbeitnehmer ausdrücklich schriftlich vereinbaren, damit ein solches gültig ist257. Von dieser Regelung ausgenommen ist nur das gesetzliche Konkurrenzverbot aus Art. 464 OR für Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte, die zum Betrieb des ganzen Unternehmens bestellt sind, und somit also eine besondere Vertrauensstellung ihres Arbeitgebers geniessen. Deren Konkurrenzverbot kann zeitlich ausnahmsweise auch von Gesetzes wegen über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus fortdauern, da dieses nicht primär an das Arbeits-, sondern vielmehr an das Vollmachtverhältnis gebunden ist. In der Praxis werden Konkurrenzverbote häufig zu weit gehend abgefasst und müssen dann durch den Richter «unter Würdigung aller Umstände und nach seinem Ermessen»258 eingeschränkt werden, wobei eine allfällige Gegenleistung des Arbeit­gebers dabei angemessen berücksichtigt wird. Ein übermässiges Konkurrenzverbot ist also nicht ohne weiteres ungültig. 1. Gültigkeitsvoraussetzungen Folgende Voraussetzungen sind jedoch Gültigkeitsvoraussetzung für ein Konkurrenzverbot259: 1.1 Formale Voraussetzungen 1.1.1 Handlungsfähigkeit des sich verpflichtenden Arbeitnehmers Zulässig ist ein Konkurrenzverbot nur mit handlungsfähigen Vertragspartnern, was Mündigkeit (Vollendung des 18. Altersjahres) und Urteilsfähigkeit nach Art. 13 ZGB voraussetzt. Die nachträgliche Einwilligung der gesetzlichen Vertreter in das Konkurrenzverbot oder eine nachträgliche Genehmigung durch Stillschweigen, obwohl der Mitarbeiter mittlerweile mündig geworden ist, heilt den Mangel der Handlungsunfähigkeit nicht. Während des Lehrverhältnisses ist 257 Art. 340 OR. 258 Art. 340a OR. 259 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 340, N 4. ein Konkurrenzverbot generell untersagt. 1.1.2Schriftlichkeit Das Konkurrenzverbot ist nur schriftlich gültig. Da es grundsätzlich nur einseitig verpflichtend ist, genügt die Unterschrift des scheidenden Arbeitnehmers. 1.1.3Karenzentschädigung In der Praxis verpflichtet sich der Arbeitgeber jedoch im Gegenzug manchmal zu einer sogenannten «Karenzentschädigung», d.h. zu einer bestimmten Geldleistung, welche die Einschränkungen des Arbeitnehmers finanziell abgelten soll. Ein Konkurrenzverbot, welches beide Seiten verpflichten soll, muss von beiden unterzeichnet sein, ansonsten fällt die ganze Konkurrenzklausel als ungültig dahin. 1.2 Inhaltliche Voraussetzungen 1.2.1 Konkurrenzierende Tätigkeit Vom Konkurrenzierungsverbot wird nach dem Wortlaut der Art. 340 ff. OR nur die Angebotsseite, nicht aber die Nachfrageseite260 erfasst, somit nur die Kunden, nicht aber die Lieferanten. Das Bundesgericht261 vertritt die Ansicht, dass der ehemalige Arbeitnehmer zu den Lieferanten – darunter sind auch die Mitarbeiter des bisherigen Arbeitgebers – in Geschäftsbeziehung treten kann, selbst wenn dieser dadurch geschädigt wird. Ein Verbot, dass es dem Arbeitnehmer untersagt, ehemalige Mitarbeiter abzuwerben, ist daher grundsätzlich nicht zulässig. Hingegen stellt bereits die Abwerbung bloss einzelner Kunden eine Konkurrenzierung dar, weshalb auch das Kundenabwerbeverbot unter Art. 340 ff. OR fällt. Dabei darf der Arbeitnehmer nach Bundesgerichtspraxis nicht einmal diejenigen Kunden aktiv abwerben, die er selbst während seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber geworben hat. Konkurrenzierend kann eine Tätigkeit sowohl in selbständiger als auch in unselbständiger Position sein, wenn sich der ehemalige Mitarbeiter an einem Unternehmen beteiligt, sich von diesem anstellen lässt oder ein solches selbst gründet, welches mit demjenigen des bisherigen Arbeitgebers in Konkurrenz steht hinsichtlich Abnehmerkreis, Leistungen oder Befriedigung gleichartiger oder ähnlicher Bedürfnisse262, so dass sie sich im Kampf um denselben Kundenkreis stören. Dabei genügt eine Gefährdung. Es ist also nicht relevant, ob der ehemalige Arbeitnehmer selbst tätig wird, ob die Kunden von sich aus zu ihm gelangen oder ob es tatsächlich zu einer wirtschaftlichen Einbusse des bisherigen Arbeitgebers kommt. 1.2.2 Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse Eine weitere Voraussetzung für ein gültiges Konkurrenzverbot ist, dass der bisherige Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Geschäfts- und Produktionsgeheimnisse des ehemaligen Arbeitgebers nehmen konnte, für welche der Arbeitgeber erkennbar einen Geheimhaltungswillen zeigte. Es setzt daher eine gewisse Position im Unternehmen voraus, bei welcher der Arbeitnehmer – direkt im Kundenkontakt oder indirekt durch Einsicht in entsprechend ausführliche Kundenlisten – die Bedürfnisse und Besonderheiten der jeweiligen Kunden tatsächlich 260 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 340, N 7. 261 BGE 130 III 358. 262 Brühwiler, Art. 340, N 3. 147 auch kennen lernen konnte. Was hingegen in die Berufserfahrung des Arbeitnehmers eingegangen ist und von da an zu seiner Persönlichkeit gehört, kann nicht als Geheimnis gelten. Während Branchenkenntnisse in der Regel nicht zum Geheimnisbereich des Arbeitgebers gehören, sind betriebliche Organisa­ tionen, Absatzorganisationen, Kundenverzeichnisse, Preisberechnungen, Bezugsquellen, Marke­ting- oder Personalwesen prinzipiell als Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers zu betrachten. Dasselbe gilt für Erfahrungen mit bestimmten Lieferanten und das Wissen um Spezialkonditionen, Lieferfristen und Montagezeiten, Ergebnisse konkreter Werbeaktionen, Kalkulationsgrundlagen usw. 1.2.3 Kausalzusammenhang zwischen Geheimnissen und Schadenszufügung Schliesslich muss auch ein Kausalzusammenhang zwischen Einsicht in den Kundenkreis und die zu wahrenden Berufs- oder Produktionsgeheimnisse einerseits und der Möglichkeit einer Schadenszufügung gegeben sein, damit ein Konkurrenzverbot Gültigkeit erlangt. Wo der potentielle Schaden nicht in erster Linie auf die erhaltenen Einblicke sondern vielmehr auf die persönliche Tüchtigkeit des Arbeitnehmers zurück zu führen ist, also auf seine Sachkompetenz, sein persönliches Urteilvermögen, pädagogisches oder persönliches Geschick oder seine persönliche Art, eine Aufgabe anzugehen, so dass die Persönlichkeit des Arbeitnehmers für die Kundenbeziehung ausschlaggebend ist, dort kann ein Konkurrenzverbot i.d.R. nicht gültig vereinbart werden. Hinweis: Konkurrenzverbote im Rahmen von Praxisübernahmeverträgen sind ohne weiteres zulässig, da hier ja nicht die einschränkenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen greifen. Es kann und soll durchaus vereinbart werden, dass der Verkäufer einer Arztpraxis auf künftige konkurrenzierende Tätigkeiten vollständig verzichtet, und dass er bei Verstössen eine Konventionalstrafe zu entrichten hat. Als Alternativen zu Konkurrenzverboten empfiehlt es sich – gerade mit Angehörigen der «freien Berufe» – sogenannte «Kundenschutzklauseln» abzuschliessen. 1.2.4 Keine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens Das Konkurrenzverbot darf das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers auch nicht unbillig erschweren (Art. 340a OR). Deshalb ist das Verbot nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen zu begrenzen und darf eine Grenze von drei Jahren nur unter besonderen Umständen überschreiten. Örtlich darf ein Konkurrenzverbot nicht weiter gehen als die intensiven Geschäftsbeziehungen des alten Arbeitgebers. Zeitlich stellt die Dreijahresfrist eine Höchstgrenze dar, welche nur dann ausgeschöpft werden darf, wenn nicht schutzfähiges Knowhow gesichert werden soll. Bezüglich «Gegenstand» darf das Verbot nicht weiter gehen als das, wovon der Arbeitnehmer am alten Arbeitsort Kenntnis erworben hat und womit er im Moment der Beendigung noch befasst war. Dabei wird zwischen unternehmensbezogenem Konkurrenzverbot einerseits und tätigkeitsbezogenem Konkurrenzverbot andererseits unterschieden. Ersteres verbietet jegliche Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen, letzteres eine persönliche Tätigkeit im bisherigen Arbeitsgebiet. Hat der Richter ein übermässiges Konkurrenzverbot einzuschränken, so nimmt er angemessen Rücksicht auf eine allfällige Gegenleistung des Arbeitgebers (Art. 340a Abs. 2 OR). 148 Beispiel für ein nachvertragliches Konkurrenzverbot «Die unterzeichnenden Parteien vereinbaren, dass der Arbeitnehmer nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses darauf verzichtet, eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit aufzunehmen, welche die Tierarztpraxis [Name der Praxis] von [Name Arbeitgeber] betreffend Angebot, Kundenkreis und Lieferanten konkurrenziert und/oder ihr Schaden zufügt. Namentlich verzichtet der Arbeitnehmer darauf, während der Wirksamkeitsdauer des vorliegenden Konkurrenzverbotes eine eigene Tierarztpraxis zu eröffnen oder sich an einer solchen zu beteiligen. Das Konkurrenzverbot erstreckt sich geografisch auf folgendes Gebiet: [Dorf, Umkreis von z.B. 6 km, Quartier, …] und fachlich auf die Dienstleistungen einer Kleintierpraxis/Nutztierpraxis/spezialisierten Praxis. Es gilt nach Auflösung des Arbeitsvertrages für eine Dauer von [z.B. 6 Monaten]. Darüber hinaus verpflichtet sich der Arbeitnehmer, keine Kunden des Arbeitgebers aktiv abzuwerben, auch nicht solche, welche er selbst gegebenenfalls für den Arbeitgeber angeworben hat (Kundenschutzklausel). Der Arbeitnehmer ist ferner verpflichtet, den Arbeitgeber über eine künftige Tätigkeit in Kenntnis zu setzen. Der Arbeitgeber verpflichtet sich im Gegenzug zu einer finanziellen Abgeltung des nachvertraglichen Konkurrenzverbots in Höhe von CHF xxx (muss einen rea­listischen Gegenwert darstellen, z.B. 2 Monatslöhne bei einer Dauer von 6 Monaten). Die Auszahlung erfolgt einmalig/in x Raten, jeweils per y. eines Monats. Im Falle der Verletzung dieser Vereinbarung hat die fehlbare Partei der berechtigten Partei unabhängig von einem tatsächlich entstandenen Schaden eine Konventionalstrafe von [z.B. 1 Monatssalär oder CHF 5’000.–. Betrag liegt im Ermessen des Arbeitgebers; aus Gründen der Durchsetzbarkeit allerdings lieber nicht zu hoch!]. Daneben kann der Arbeitgeber den Ersatz weiteren Schadens und die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes verlangen.» Unterschrift Arbeitgeber Unterschrift Arbeitnehmer Ort, Datum Ort, Datum 1.3 Wegfall des erheblichen Interesses Auch ein an sich gültiges Konkurrenzverbot kann vor Ablauf der Verbotsfrist dahinfallen, wenn das ursprünglich noch gegebene Interesse des Arbeitgebers am Konkurrenzverbot zwischenzeitlich dahin gefallen ist. Eine solche Situation kann sich ergeben, wenn ursprünglich geheim zu haltende Tatsachen zwischenzeitlich allgemein bekannt geworden oder technisch überholt sind, bei Verlegung des Betriebsorts und damit verbundenem Aufbau eines komplett neuen Kundenkreises sowie bei Aufgabe eines bestimmten Produktionszweiges. In solchen Fällen hat der Arbeitnehmer den Beleg zu erbringen, dass das Interesse am Konkurrenzverbot zwischenzeitlich dahin gefallen ist. Das Interesse fällt auch dahin, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne dass ihm der Arbeitnehmer dazu einen begründeten, in der Person des Arbeitnehmers liegenden Anlass – z.B. Illoyalität – geboten hat. Ebenso wird ein Arbeitnehmer vom Konkurrenzverbot befreit, wenn er selbst aus begründetem Anlass, den der Arbeitgeber zu verantworten hat, kündigt. Ein Konkurrenzverbot endigt durch Ablauf der Verbotsfrist, durch Übereinkunft oder Verzicht. Bei Aufhebungsverträgen ist daher zu beachten, dass die Saldoklausel ein vorbestehendes Konkurrenzverbot aufhebt, wenn ein solches nicht ausdrücklich im Aufhebungsvertrag erneut vereinbart wird. 149 2. Sonderstatus freie Berufe Diese Situation ist i.d.R. bei den freien Berufen, somit auch bei der Tierärztin, gegeben. Daher sind Konkurrenzverbote bei den freien Berufen grundsätzlich unzulässig. Trotzdem ist auch hier jeweils der Einzelfall zu prüfen, und die persönliche Tüchtigkeit muss tatsächlich den Ausschlag für die Kundenbindung geben. Denkbar sind Konkurrenzverbote – trotz freier Berufe – beispielsweise in ärztlichen Betrieben, in denen eine überwiegend unpersönliche, etwa mit viel Wechsel des ärztlichen Personals verbundene Betreuung stattfindet263. Der für ärztliche Berufe wegweisende Bundesgerichtsentscheid – siehe Kasten – bezieht sich auf die zahnärztliche Kundenbeziehung. Zu bedenken ist für Tierärztinnen, dass die Kundenbeziehung der Tierärztin im Vergleich zur Zahnärztin wohl als etwas weniger intensiv gewertet werden müsste, da der eigentliche medizinische Eingriff am Tier erfolgt, und nicht am Tierhalter, mit welchem die Kundenbeziehung eigentlich aufgebaut wird. Dennoch entwickelt sich wohl auch zwischen Tierärztin und Tierhalter in der Regel eine Vertrauensbeziehung, welche es m.E. erlaubt, von einer «ausreichend intensiven Kundenbeziehung» auszugehen. Dies gilt m.E. zumindest für Tierärztinnen in Kleintierpraxen, eventuell müsste eine Abstufung bei Nutztierpraxen vorgenommen werden, sofern dort die Kundenbeziehung tatsächlich abnehmend wichtig wäre. Die Würdigung der Intensität der Kundenbeziehungen muss jedoch letztlich im Einzelfall vorgenommen werden. Will eine Tierärztin ein Konkurrenzverbot mit möglichst hohen Erfolgschancen vereinbaren, so empfiehlt es sich, mindestens eine Gegenleistung für das Konkurrenzverbot zu vereinbaren und generell eine gute Kollegialität zu pflegen. BGE 4C.100/2006 vom 13.7.2006 Konkurrenzverbot für «freie Berufe» Aus den Erwägungen: «2.2Vorliegend ist unbestritten, dass die fragliche Klausel (Konkurrenzverbot) schriftlich vereinbart wurde, der Beklagte handlungsfähig war und Einblick in den Kundenkreis hatte. Umstritten ist hingegen, ob die weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Konkurrenzverbots, nämlich das Vorhandensein eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Einblick in den Kundenkreis und der Möglichkeit einer erheblichen Schädigung der Klägerin vorliegt. 263 Reck, VSAO Rechtsberatung, VSAO Journal. 150 2.3 Die Vorinstanz hat die Kausalität zwischen der Einsichtsmöglichkeit in den Kundenstamm der Klägerin und einer allfälligen Schädigung derselben verneint. Sie hat zutreffend ausgeführt, dass es keine bestimmte Berufsart gebe, bei der ein Konkurrenzverbot absolut und in jedem Fall verboten wäre. Bei den freien Berufen, wozu unbestrittenermassen der Zahnarztberuf zähle, bestehe die allgemeine Tendenz, die Zulässigkeit eines Konkurrenzverbots eher zu verneinen. Auch diese Berufe seien aber nicht absolut von einem arbeitsrechtlichen Konkurrenzverbot ausgenommen, da auch hier eine Konkurrenzverbotsklausel zulässig sein könne. Allgemein werde verlangt, dass der Richter die jeweiligen Umstände in jedem einzelnen Fall würdige (…) Die Vorinstanz hat weiter erwogen, die Beziehung zwischen einem Zahnarzt und seinem Patienten sei von einem ganz besonderen Vertrauensverhältnis geprägt. Der Patient sei bei einer Konsultation eines Zahnarztes nicht nur am erfolgreichen und fachgerechten Behandlungsresultat interessiert, sondern ebenso sehr an der Art und Weise der Behandlung als solcher. Diese spezifische Behandlungsart sei denn auch besonders ursächlich für das spezielle Vertrauensverhältnis zwischen einem Zahnarzt und seinem Patienten. Der Patient bleibe seinem Zahnarzt nicht treu, weil dieser seine Krankengeschichte kenne, sondern weil er zu diesem ein im dargelegten Sinne besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut habe. (…) Die Klägerin rügt sinngemäss, das Urteil der Vorinstanz sei unzutreffend, da diese den persönlichen Fähigkeiten des einzelnen Zahnarztes eine überragende Stellung einräume. Der durchschnittliche Patient wähle seinen Zahnarzt primär wegen des Praxisstandorts und nicht wegen seiner persönlichen Fähigkeiten. Er gehe aufgrund der langen und guten Ausbildung der Zahnärzte davon aus, dass jeder Zahnarzt ohne Mühe in der Lage sei, ihn kunst- und fachgerecht zu behandeln. Diese Ausführungen würden umso mehr für den Assistenzzahnarzt gelten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis sei weder zu Beginn nötig, noch entwickle es sich später. Die meisten Menschen würden als «Gewohnheitstiere» Bekanntes nur ungern wechseln. Ein Patient, der mit dem ihn behandelnden Zahnarzt bzw. Assistenzzahnarzt nicht besonders schlechte Erfahrungen gemacht habe, neige deshalb dazu, ihm treu zu bleiben. Dies vor allem weil der Zahnarzt seine Krankengeschichte sowie die Wünsche und Bedürfnisse kenne und seine Praxis an einem bequemen Ort habe. (…) Die Ausführungen der Klägerin mögen auf eine geringe Anzahl von Patienten zutreffen. Das Bundesgericht geht jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung davon aus, dass bei den freien Berufen die persönliche Seite der Beziehung zur Kundschaft von ganz besonderer Bedeutung ist (BGE 78 II 39 E. 1 S. 41; 56 II 439 E. 2 S. 442). Daran ist festzuhalten, zumal auch die Lehre einhellig der Auffassung ist, dass bei Zahnärzten grundsätzlich die persönlichen Fähigkeiten von ganz besonderem Gewicht und über Erfolg oder Misserfolg bei den Patienten ausschlaggebend sind (…) Zusammenfassend ist das Konkurrenzverbot vorliegend nicht zulässig, da die Persönlichkeit des Beklagten für die Beziehung zu den Patienten von entscheidender Bedeutung ist und demnach den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Einblick in den Kundenkreis und der Möglichkeit einer erheblichen Schädigung zu unterbrechen vermag. Sofern der Beklagte der klägerischen Praxis, die er verlassen hat, einen erheblichen Schaden zufügte, hat dies seinen Grund somit nicht oder wenigstens nicht wesentlich in der Kenntnis der Kundschaft der Klägerin, sondern vielmehr in seinen persönlichen Fähigkeiten.» 151 3. Rechtsfolgen einer Konkurrenzverbotsverletzung Die Übertretung eines vertraglichen Konkurrenzverbots ist eine Vertragsverletzung, die schadenersatzpflichtig macht (Art. 340b Abs. 1 OR), sofern sowohl ein Verschulden vorliegt, als auch ein Schaden beim (ehemaligen) Arbeitgeber explizit nachgewiesen werden kann. Schaden ist nach langjähriger Rechtsprechung jene Vermögenseinbusse, die sich aus der konkurrenzierenden Tätigkeit durch die Verwendung der beim früheren Arbeitgeber erworbenen Kenntnisse in Bezug auf Kundschaft, Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse im Konkurrenzunternehmen ergibt. Dieser Nachweis ist schwierig zu erbringen und wird oft genug seitens ehemaliger Arbeitgeber auch gescheut, da sich dieser dabei in ihre Karten blicken lassen und Zahlen offen legen muss und andererseits der Kausalzusammenhang zwischen der Verbotsverletzung und einem allfälligen Arbeitgeber-Schaden nicht auf der Hand liegt, da auch verbotsfremde Faktoren für einen Umsatzrückgang verantwortlich sein können wie schlechte Wirtschaftslage, andere Konkurrenz, die eigene Preispolitik oder auch die persönliche Tüchtigkeit des ehemaligen Arbeitnehmers. Nebst diesem gesetzlich vorgesehenen Schadenersatz kann ausserdem eine vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe geschuldet sein. Schliesslich kann – gestützt auf Art. 340b Abs. 3 OR – ein eigentliches Arbeitsverbot resultieren, sofern die Parteien schriftlich «die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes» vereinbart haben. Als weitere Voraussetzung, damit ein solches Unterlassen gefordert werden kann, ist jedoch verlangt, dass «die Interessen des Arbeitgebers und das Verhalten des Arbeitnehmers dies rechtfertigen». Ob eine Gewinnherausgabe eingeklagt werden kann, ist in der Lehre umstritten. Fazit zum Konkurrenzverbot Im Rechtsalltag scheitert die Durchsetzung von Konkurrenzverboten oft an unrichtigen, unvollständigen oder an den zu weit gefassten gegenständlichen, örtlichen oder zeitlichen Umschreibungen der verbotenen Konkurrenzierungen in der Konkurrenzverbotsklausel. Nicht selten bezieht sich die Konkurrenzverbotsklausel in unhaltbarer Weise auf «jede konkurrenzierende Tätigkeit». Nicht selten handeln Arbeitgeber falsch, verspätet oder zu wenig konsequent. Auch bei der Beendigung der Arbeitsverträge durch Arbeitgeberkündigung ist Vorsicht am Platz, da bei Kündigung durch den Arbeitgeber die Gefahr des konkludenten Verzichts auf das Konkurrenzverbot besteht. Oft ist den Arbeitnehmern nicht bekannt, dass Lehre und Rechtsprechung für die «freien Berufe» wie Ärzte, Zahnärzte, Rechtsanwälte, Architekten und Ingenieure, aber auch für weitere Berufsgruppen, bei denen die persönlichen Fähigkeiten für den Kundenerfolg im Vordergrund stehen, Konkurrenzverbote – wenn diese nicht unzulässig sind –, so doch nur stark eingeengt anwenden. Hier empfiehlt sich statt eines Konkurrenzverbotes eine sogenannte «Kundenschutzklausel», z.B.: «Der Arbeitnehmer verpflichtet sich nach seinem Austritt aus dem Betrieb des Arbeitgebers keine Kunden abzuwerben. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zudem, nach seinem Austritt aus dem Unternehmen des Arbeitgebers nicht für einen von dessen Kunden tätig zu sein.» 153 XX. Arbeitszeugnis und Referenz­auskunft Einleitende Beispiele: • Ihre TPA war von zwei Anstellungsjahren bei Ihnen rund 14 Monate abwesend – zuerst während rund sieben Monaten aufgrund eines Unfalls, danach während vier Monaten aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden und schliesslich fast vier Monate aufgrund des Mutterschaftsurlaubs. Sind die Abwesenheiten im Arbeitszeugnis zu erwähnen? • Sie haben sich im Streit von ihrem Arbeitgeber getrennt. Statt eines Arbeitszeugnisses will er Ihnen lediglich eine Arbeitsbestätigung geben. •Mittels Aufhebungsvertrag haben Sie sich auf ein in Ihren Augen viel zu positives Arbeitszeugnis geeinigt, da Sie der Meinung sind, den dadurch erweckten zu guten Eindruck mittels Referenzauskunft noch «korrigieren» zu können. Art. 330a OR Arbeitszeugnis Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des 1 Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des 2 Arbeitsverhältnisses zu beschränken. 1.Arbeitszeugnis Bei rund 4 Mio. Beschäftigten in der Schweiz und einer Fluktuationsrate von ca. 10 % werden pro Jahr ca. 405’000 Zeugnisse ausgestellt. Zählt man Zwischen-, Lehr-, Probezeitzeugnisse und Arbeitsbestätigungen hinzu, sind es rund 1 Mio. Arbeitszeugnisse pro Jahr264. Meist ist das Arbeitszeugnis ausschlaggebend dafür, ob ein Bewerber bei der Selek­tion in die engere Wahl gelangt. Rund 78 % aller Arbeitgeber erachten das Arbeitszeugnis als wichtige Entscheidungshilfe, 20 % bezeichnen es sogar als sehr wichtig. Dabei ist es die Gesamtbeurteilung am Ende des Arbeitszeugnisses, die häufig als erstes gelesen wird. Der Arbeitnehmer kann von Gesetzes wegen jederzeit vom Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis verlangen. Das Arbeitszeugnis dient dem Arbeitnehmer als Qualifikationsausweis und stellt eine Bestätigung seiner Leistungen und seines Verhaltens dar. Dem Arbeitgeber dient das Arbeitszeugnis im Idealfall als echte Entscheidungshilfe bei der Personalrekrutierung265. Anspruch auf ein Arbeitszeugnis haben alle Arbeitnehmer auf sämtlichen Hierarchiestufen und unabhängig vom Beschäftigungsgrad. 1.1 Arten von Arbeitszeugnissen Dabei werden die folgenden Arten von Zeugnissen unterschieden: Das Vollzeugnis oder «qualifiziertes Zeugnis» enthält nicht nur Angaben über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, 264 Müller/Thalmann, Streitpunkt Arbeitszeugnis, S. 2, mit Verweisen. 265 Schürer H.U., Handbuch Arbeitsrecht im Betrieb, II.11. 154 sondern auch über Tätigkeiten, Leistungen und Verhalten des Arbeitnehmers (Art. 330a Abs. 1 OR). Von Gesetzes wegen kann ein Arbeitnehmer auch während der Probezeit ein Arbeitszeugnis verlangen, welches grundsätzlich einem Vollzeugnis zu entsprechen hat. Das Zwischenzeugnis ist ein Vollzeugnis, welches trotz Fortdauer des Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird. Das Zwischenzeugnis beurteilt nur die Periode zwischen der erstmaligen Anstellung des Arbeitnehmers und dem Zeitpunkt, in welchem das neue Zwischenzeugnis erstellt wird. Abschliessende Beurteilungen können und müssen in einem Zwischenzeugnis nicht abgegeben werden. Ohne besondere Einschränkung ersetzt ein Zwischenzeugnis stets das vorangegangene266. Für ein Zwischenzeugnis muss der Arbeitnehmer nach überwiegender Auffassung ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen. An diesen Nachweis sind aber keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (z.B. Wechsel eines Vorgesetzten, Transfer im Betrieb, Weiterbildung, Stellenwechselabsichten etc.). Zwischenzeugnisse sind in der Gegenwart zu formulieren, und zwar auch dann, wenn absehbar ist, wann das Arbeitsverhältnis endet (z.B. während einer laufenden Kündigungsfrist).267 Die Arbeitsbestätigung enthält im Gegensatz zum Vollzeugnis keine Beurteilung des Verhaltens im Betrieb und keine Beurteilung der geleisteten Arbeit. Die Arbeitsbestätigung spricht sich nur über die Art der ausgeübten Tätigkeit und die Dauer des Arbeitsverhältnisses aus. Eine Arbeitsbestätigung hat der Arbeitgeber nur auszustellen, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich danach fragt. Gemäss Art. 346a Abs. 1 OR hat der Lehrling nach Beendigung der Lehre Anspruch auf ein Lehrzeugnis, welches Angaben über den erlernten Beruf und die Dauer der Lehrzeit enthält. Auf Verlangen des Lehrlings oder eines gesetzlichen Vertreters kann sich das Lehrzeugnis auch über Fähigkeiten, Leistungen und Verhalten des Lehrlings aussprechen (vgl. Art. 346a Abs. 2 OR). Besteht der Lehrling die Abschlussprüfung nicht, so soll das Zeugnis dies nicht direkt erwähnen, darf aber auch nicht den wahrheitswidrigen Eindruck erwecken, der Lehrling habe die Prüfung bestanden268. 1.2Arbeitsbestätigung Der Arbeitnehmer hat die Wahl, ob er ein Arbeitszeugnis oder eine Arbeitsbestätigung wünscht. Dieser Anspruch ist zwingender Natur. Mit der Wahl des einen erlischt der Anspruch auf das andere nicht – der Arbeitnehmer kann jederzeit nach Ausstellung eines Vollzeugnisses zusätzlich noch eine Arbeitsbestätigung verlangen (und umgekehrt). Dieses Recht besteht bis zur Verjährung des Anspruchs. 1.3 Anforderungen an ein Vollzeugnis 1.3.1Zeugnisgrundsätze Das Arbeitszeugnis soll das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern. Aus diesem Grund hat es den folgenden Grundsätzen zu entsprechen: 266 Müller/Thalmann, S. 15. 267 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 330a OR, N 2a; H.U. Schürer, Handbuch Betrieb; II.11.3.2. 268 Müller/Thalmann, S. 19; H.U. Schürer, Handbuch Betrieb, II.11.3.5. 155 Grundsatz der Wahrheit Arbeitszeugnisse müssen inhaltlich richtig sein. Daher gilt im Schweizer Recht ausdrücklich: Wahrheit kommt vor Wohlwollen. Die dem Arbeitszeugnis zugrunde liegenden Tatsachen müssen objektiv wahr, d.h. für Dritte überprüfbar und feststellbar sein. Hervorhebungen gewisser Vorkommnisse sind zulässig, soweit sie repräsentativen Charakter haben. Grundsatz des Wohlwollens Zeugnisse sollen wohlwollend formuliert sein und dürfen das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht erschweren. Ungeachtet dessen muss der Arbeitgeber auch negative Leistungs- und Verhaltensaspekte von besonderer Wichtigkeit erwähnen, sofern sie das Arbeitsverhältnis geprägt haben. Grundsatz der Vollständigkeit Ein Arbeitszeugnis muss vollständig sein, d.h. namentlich auch Aussagen über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers enthalten. Ein offensichtliches Fehlen solcher Aussagen wird als qualifiziertes Schweigen verstanden und entsprechend zum Nachteil des Arbeitnehmers ausgelegt. Dem Leser wird damit suggeriert, dass der Aussteller mit der erbrachten Leistung oder mit dem Verhalten nicht zufrieden war. Grundsatz der Klarheit Das Zeugnis muss allgemein verständlich sein. Codierungen, Geheimsprachen und Verklausulierungen sind unzulässig. Leider halten sich Zeugniscodes jedoch hartnäckig – sie sind leicht zu erkennen an den Superlativen («vollste Zufriedenheit») und finden sich auch in Formulierungen wie «er bemühte sich… zu erledigen» (statt: «er erledigte….»), «er interessierte sich für die Arbeit» statt «er arbeitete…» usw. Bestimmte Unternehmen stellen Zeugnisse mit dem Zusatz «diese Zeugnis ist uncodiert» aus. Damit soll klargestellt werden, dass die Formulierungen im Zeugnis tatsächlich ernst gemeint sind. Da Zeugniscodes unzulässig sind, sollte dies streng genommen für alle Zeugnisse gelten. 1.3.2 Formale Anforderungen Das Arbeitszeugnis ist in der Sprache auszustellen, in welcher die Arbeitsleistung erbracht wird. Wünscht der Arbeitnehmer ein Zeugnis in einer anderen Sprache, so muss er sich das Arbeitszeugnis auf eigene Kosten übersetzen lassen269. Gehört der Arbeitnehmer einer Berufsgruppe mit klar überwiegender Berufssprache an oder war das Arbeitsverhältnis stark international geprägt, hat der Arbeitnehmer Anspruch270 auf die Ausstellung in beiden Sprachen. Arbeitet der Arbeitnehmer im Ausland, ist diejenige Sprache zu wählen, welche für den Arbeitnehmer und dessen berufliches Fortkommen als am geeignetsten erscheint. Das dürfte im internationalen Verhältnis vorwiegend Englisch sein. Das Arbeitszeugnis muss schriftlich ausgestellt werden. Dabei muss deutlich werden, dass es sich um ein «Arbeitszeugnis» handelt, und der Arbeitgeber muss klar erkennbar sein, z.B. durch Firmenpapier oder Firmenstempel. Das Arbeitszeugnis ist mit dem Datum der Unterzeichnung zu datieren. Eine Vor- oder Rückdatierung ist unzulässig, es sei denn auf ausdrückliche richter­ 269 Müller/Thalmann, S. 26. 270 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 330a, N 3c. 156 liche Anweisung hin. Ein unmittelbar nach einer ordentlichen Kündigung bereits mit dem Datum des Vertragsendes ausgestelltes Zeugnis ist daher unzulässig. Aussteller ist der Arbeitgeber. Bei kollektiver Zeichnungsberechtigung muss das Zeugnis die erforderliche Anzahl Unterschriften tragen. Personen, die das Arbeitszeugnis unterschreiben, müssen hierarchisch und funktionell dem Arbeitnehmer übergeordnet sein. Gleichordnung oder gar Unterordnung genügt nicht.271 1.3.3 Bausteine eines Vollzeugnis272 Personalien Durch die Nennung eines allfälligen Titels, mindestens jedenfalls von Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Bürgerort (Staatszugehörigkeit bei ausländischen Arbeitnehmern) soll der Arbeitnehmer klar und zweifelsfrei identifiziert werden können. Beschreibung des Arbeitsverhältnisses Beginn und Ende der Beschäftigungsdauer, Angaben zu Funktion und Arbeitsort, sowie eine kurze Unternehmensbeschreibung lassen Rückschlüsse auf Erfahrungen, Sprachgewandtheit, kulturelle Kenntnisse, Flexibilität usw. zu. Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung Zwingend müssen die Position im Unternehmen, die Abteilung, eine detaillierte Auflistung der wichtigsten Funktionen sowie der das Arbeitsverhältnis prägenden Tätigkeiten, allfällige Beförderungen, Zeichnungsberechtigungen, Stellvertretungen, sowie Versetzungen genannt werden. Besondere Projekte, Kompetenzen, Verantwortung sowie Bildungserfolge sollen den Werdegang und die besonderen Verdienste des Arbeitnehmers für das Unternehmen hervorheben. Leistungsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Fachwissen und Weiterbildung Die berufliche Erfahrung, die Einsatzbereitschaft, die Beurteilung der geleisteten Arbeit in qualitativer und quantitativer Hinsicht, aber auch die Erwähnung der mitgebrachten und während der Anstellung erworbenes Fachkenntnisse, die Identifikation mit dem Unternehmen bilden den Kerngehalt des Arbeitszeugnisses. Hier soll der zukünftige Arbeitgeber in Bezug auf die ausgeübte Funktion und die betreffende Branche Antworten finden zu Engagement, Eigeninitiative, Interesse, Dynamik, Energie, Pflichtbewusstsein, Zielstrebigkeit, Fleiss, Einsatzwille, Einstellung zu Mehrarbeit, Ausdauer, Belast­bar­keit, Stressverhalten, Optimismus, Auffassungsgabe, Denkvermögen, Urteilsvermögen, Konzentra­tion, Organisationstalent, Flexibilität, Kreativität sowie Anwendung und Stand der Fachkenntnisse, deren Aktualität, Inhalt, Umfang und Tiefe. Auch hier ist auf ausführliche, klare und unmissverständliche Formulierungen zu achten. 271 Müller/Thalmann, S. 28. 272 Müller/Thalmann, S. 47 ff. und S. 115; Tschumi, Arbeitshandbuch für Zeugniserstellung, S. 32. 157 Schematischer Aufbau eines Vollzeugnisses273 1. Bezeichnung des Dokuments als Arbeitszeugnis 2. Personalien 3. Beschreibung des Arbeitsverhältnisses und ggf. des. Unternehmens 4. Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung 5. Leistungsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Fachwissen und Weiterbildung 6. Arbeitsweise und Erfolg 7. Verhalten 8. Zusammenfassende Gesamtbeurteilung 9. Angaben zum Austritt 10.Schlusssatz 11. Ort, Datum, Unterschriften 273 Arbeitsweise und Erfolg In Abhängigkeit vom Aufgabengebiet ist zu beurteilen, wie genau, gewissenhaft, planvoll, sorgfältig, selbständig, zuverlässig, systematisch, methodisch genau, sicher, sauber, verhandlungsfähig, geschickt der Mitarbeiter gearbeitet hat und welchen Arbeitserfolg im Hinblick auf Qualität, Quantität, Produktivität, Tempo, Umsatz, Rendite, Termintreue, Zielerreichung, Arbeitsleistung usw. er erbracht hat. Für Führungskräfte sind zusätzlich Angaben zur Führungskompetenz, zum Führungsstil, dem Betriebsklima, der Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitsatmosphäre, Abteilungsbzw. Teamleistung zu machen. Zudem kennt jede Branche und jedes Berufsbild eigene wichtige Qualifikationen. Für eine Tierärztin können spezifische Qualifikationen ein sicheres Auftreten, umfassende Beratungskompetenz, gutes Einfühlvermögen in Tierhalter und Tier, Sicherheit bei der manuellen Therapie, sowie die Bereitschaft, das eigene Handeln zu reflektieren und dem Tierhalter zu erklären sein. Verhalten An erster Stelle ist jeweils das Verhalten gegenüber den Vorgesetzten zu erwähnen, danach je nach Wichtigkeit die Teamkollegen und/oder die Kunden, bzw. die zu behandelnden Tiere. Im Wesentlichen geht es hier um Sozialkompetenz und Loyalität: Wie vertrauenswürdig, verantwortungsbewusst, ehrlich, integer, diskret und lernbereit verhielt sich der Arbeitnehmer gegenüber den Vorgesetzten? Wie konfliktfähig, hilfsbereit, durchsetzungsfähig oder überzeugend war der Mitarbeiter gegenüber Teamkollegen und Kunden? Welche Rolle nahm er im Team ein, wie wirkte sich sein Verhalten auf das Team aus? Und schliesslich, wie empathisch, kundenbezogen, geduldig, einfühlsam verhielt sich der Mitarbeitende gegenüber Tierhaltern und in Anbetracht des von ihm zu behandelnden Tieres? Zusammenfassende Gesamtbeurteilung Der Beurteilungsteil wird mit einer klaren Stellungnahme zur Frage: «Wie zufrieden war der Arbeitgeber insgesamt mit der Leitung und Arbeitsqualität des Arbeitnehmers?» abgeschlossen. Befragungen unter Personalverantwortlichen haben gezeigt, dass dieser eine Satz häufig ausschlaggebend ist, ob ein Bewerbungskandidat zu einem Gespräch eingeladen wird oder nicht! 273 Zeugnisbeispiel im Anhang. 158 Angaben zum Austritt Schliesslich wird das Zeugnis mit Angaben zum Austritt abgerundet: «Verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch» ist bei Kündigungen durch den Arbeitnehmer zulässig. Hingegen dürfen Krankheiten nur erwähnt werden, wenn die Krankheit bei Austritt nicht ausgeheilt ist oder die Krankheit einen wesentlichen Teil der Anstellungsdauer ausmachte, so dass ohne Nennung der Krankheit ein falscher Eindruck über die erworbene Berufserfahrung entstehen würde. Freistellungen dürfen nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Arbeitnehmers genannt werden oder analog zur Krankheit, wenn durch ihr Verschweigen das Zeugnis erheblich an Aussagewert einbüssen würde. Delikte wiederum dürfen nur dann erwähnt werden, wenn sie Leistungen und Verhalten im Betrieb betreffen und mit dem Arbeitsverhältnis in Bezug stehen, sowie darüber hinaus dem Arbeitnehmer auch nachgewiesen werden konnten. Delikte ausserhalb des Betriebes sind m.E. dann im Arbeitszeugnis aufzunehmen, wenn sie in einem sehr engen Bezug zur ausgeübten Tätigkeit stehen274. Schlusssatz Handelte es sich um einen guten Mitarbeiter, so sollte hier unbedingt Bedauern, Verständnis, eine Empfehlung ausgedrückt oder gar eine Aussage über eine spätere Wiedereinstellung gemacht werden. Wünsche für die berufliche wie persönliche Zukunft sind üblich. Fehlt ein Bedauern, so lässt sich daraus eine gewisse Erleichterung seitens des Arbeitgebers herauslesen, den Mitarbeiter ziehen zu lassen. Ort, Datum, Unterschriften Das Zeugnis schliesst ab mit Ort und Datum der Ausstellung sowie mit den Unterschriften der Zeichnungsberechtigten. 1.4 Internationale Arbeitszeugnisse im Vergleich Im Zusammenhang mit der zunehmenden Internationalisierung unserer Arbeitsbeziehungen kann es wertvoll sein, die länderspezifischen Charakteristika in Arbeitszeugnissen zu kennen: Der Grundsatz «Wahrheit vor Wohlwollen» gilt lediglich in der Schweiz und im Fürstentum Lichtenstein. In Deutschland wird ohne gegenteilige Mitteilung des Arbeitnehmers davon ausgegangen, der Arbeitnehmer wünsche lediglich ein einfaches (nur Art und Dauer der Tätigkeit) Arbeitszeugnis anstelle eines Vollzeugnisses. Das Verbot von Zeugniscodes ist in Deutschland explizit im Gesetz verankert (§ 109 Abs. 2 GewO). Arbeitgeber in Österreich müssen trotz expliziter Anspruchsgrundlagen in verschiedenen Gesetzen nur auf Verlangen des Arbeitnehmers ein Arbeitszeugnis ausstellen. Inhaltlich kennt Österreich ein sog. Verschlechterungs- oder Erschwerungsverbot – Hinweise z.B. auf Krankheiten, Gewerkschaftstätigkeit, Rentabilität oder generell negative Äusserungen sind gesetzlich verboten. Frankreich verlangt nebst den üblichen Angaben die Anzahl an DIFs (droit individuel à la formation, Weiterbildungsanspruch in Stunden ausgedrückt275) die noch nicht verwendet wurden sowie den Namen der Stelle, die bei Mitnahme des Weiterbildungsanspruchs die Zahlungen vornimmt. In England verlagert sich die Bedeutung des Arbeitszeugnisses zugunsten einer Referenzperson oder eines Empfehlungsschreibens. Inhaltlich werden Fachkompetenz («ability»), Leistung («performance»), Ehrlichkeit/ Vertrauenswürdigkeit («honesty») und gegebenenfalls Führungskompetenz («conduct») sowie 274 A.M. Brühwiler, Art. 330, N 7. 275http://vosdroits.service-public.fr/F87.xhtml. 159 Pünktlichkeit und Präsenz («timekeeping», «attendance») erwähnt. Das Prinzip des Wohlwollens gegenüber dem Arbeitnehmer ist unbekannt, daher dürfen auch negative Tatsachen erwähnt werden, die «reference» muss aber objektiv wahr («objectively satisfactory») sein276. 1.5 Haftung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen Den Arbeitgeber trifft mit der Zeugnispflicht eine Verantwortung: Einerseits haftet er dem Arbeitnehmer gegenüber aus Vertragsverletzung für den entstandenen Schaden, wenn er ein unkorrektes oder verspätetes Zeugnis ausstellt. Andererseits haftet er gegenüber Dritten – und damit in erster Linie gegenüber einem neuen Arbeitgeber – aus unerlaubter Handlung für den entstandenen Schaden, falls er diesen mit einem zu wohlwollenden Zeugnis dazu veranlasst hat, den Arbeitnehmer anzustellen und dem neuen Arbeitgeber daraus ein Schaden erwächst. Daraus folgt als Handlungsmaxime für die Ausstellung von Zeugnissen: Risiken in der Person des Arbeitnehmers, die sich im Unternehmen des Zeugnis­ausstellers realisiert haben und welche der neue Arbeitgeber kennen muss, damit die Entstehung von Schaden verhindert werden kann (deliktisches Verhalten in der Schlussphase des Arbeitsverhältnisses, anhaltende Alkoholprobleme eines Beruf­schauffeurs usw.) müssen im Zeugnis erwähnt werden. Alle arbeitsplatzbezogenen und charakteristischen Qualifikationen, die beweisbar sind und mit dem Mitarbeiter im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses besprochen worden sind, dürfen erwähnt werden. Es ist unzulässig, negative Qualifikationen, die dem Arbeitnehmer nie vorgehalten worden sind, erstmals im Arbeitszeugnis zur Sprache zu bringen. Weniger schwerwiegende negative Qualifikationen im Arbeitszeugnis sollen jeweils ausgehend vom Zweck des Zeugnisses erwähnt werden, dem Zweck nämlich, dem Mitarbeiter zu einer Anstellung zu verhelfen, die seinen Interessen und Fähigkeiten entspricht. 2.Referenzauskunft Beispiele: «Wie hat er seine Aufgaben im Vergleich zu seinen Arbeitskollegen erledigt?» «Hatte er öfter auffällige Absenzen, z.B. am Montag oder Freitag?» «Hatte er gesundheitliche Probleme?» «Was sind Ihrer Meinung nach seine auffallendsten schlechten Eigenschaften?» «Warum konnten Sie ihn nicht halten?» «Würden Sie ihn/sie wieder einstellen?» Mit solchen oder ähnlichen Fragen sehen Sie sich als Arbeitgeber regelmässig konfrontiert, häufig inmitten einer beruflich herausfordernden Situation und ohne vorgängig durch Ihren ehemaligen Mitarbeiter informiert worden zu sein, dass er Sie als Referenzperson angegeben hat. Folgende Grundsätze sollten Sie deshalb immer im Hinterkopf behalten: 276 Vgl. die Übersicht bei Müller/Thalmann, S. 10 f. 160 Referenzauskünfte – ob mündlich oder schriftlich – stellen eine Unterform des Arbeitszeugnisses dar. Deshalb sind Sie auch bei der Erteilung von Referenzauskünften immer an die Grundsätze der Wahrheit, des Wohlwollens, der Vollständigkeit und der Klarheit gebunden. Das Erteilen von Referenzauskünften stellt eine Bearbeitung von Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes dar, denn «alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen», stellen nach Art. 3 DSG Personendaten dar, und müssen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bearbeitet werden (Art. 4 DSG). Insbesondere ist die Bekanntgabe von «besonders schützenswerten Personendaten und von Persönlichkeitsprofilen» verboten, wenn sie nicht durch die Einwilligung des Betroffenen, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt sind» (Art. 12 und 13 DSG). Art. 328b OR erlaubt überdies nur die Bearbeitung derjenigen Personendaten, welche die Eignung des Arbeitnehmers für eine bestimmte Arbeitsstelle betreffen277. Deshalb dürfen sich Referenzauskünfte lediglich auf Leistung und Verhalten eines Arbeitnehmers in Bezug auf das Arbeitsverhältnis beziehen und nur diejenigen Angaben vertiefen, welche bereits im Arbeitszeugnis gemacht wurden. Der Arbeitnehmer darf einem Arbeitgeber das Erteilen von Referenzauskünften ausdrücklich untersagen. Umgekehrt ist der Arbeitgeber zur Erteilung der Referenzauskünfte aufgrund seiner nachwirkenden Fürsorgepflicht verpflichtet, wenn ihn der Arbeitnehmer darum ersucht. Gibt ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Bewerbung einen ehemaligen Arbeitgeber als Referenzperson an, so leitet sich daraus die Ermächtigung zur Erteilung von Referenzauskünften ab. Dennoch empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer, den vorherigen Arbeitgeber über die Nennung als Referenzperson und sowie über die Anforderungen der neuen Stelle vorab zu informieren. Ebenso ist der überraschend angefragte Arbeitgeber gut beraten, beim ehemaligen Arbeitnehmer nachzufragen, ob und in welchem Rahmen er eine Referenzauskunft über seine Person wünscht, denn der Arbeitgeber, der eine unzulässige oder unrichtige Referenzauskunft abgibt, kann dem ehemaligen Arbeitnehmer schadenersatz- und genugtuungspflichtig werden278. Hat der Arbeitnehmer anstelle eines Vollzeugnisses lediglich eine Arbeitsbestätigung verlangt, so hat er damit seinem Willen Ausdruck verliehen, dass potentielle neue Arbeitgeber nicht von diesem Arbeitgeber über seine Leistung und Verhalten orientiert werden sollen, und dass dieser Arbeitgeber damit auch nicht zur Erteilung von Referenzauskünften legitimiert ist279. Antwortvorschlag280 «Ich kann Ihnen schildern, wie er seine Aufgaben gelöst hat.» «In diesem Punkt darf ich Sie auf das Zeugnis verweisen.» «Darüber weiss ich nichts. Haben Sie mit X. darüber gesprochen, dass Sie bei mir nachfragen?» «Bei uns hätte er folgende Perspektiven gehabt […].» «Wir haben X. als Mitarbeiter sehr geschätzt und können ihn wirklich empfehlen.» 277 Brühwiler, Art. 330a, N 10b). 278 Vgl. z.B. BGer 4A_117/2013 vom 31.07.2013. 279 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 330a, N 8. 280 Baumgartner/Bräunlich Keller, Fair qualifiziert, S. 185 ff. 161 XXI. Fälligkeit und Verjährung arbeitsrechtlicher Ansprüche 1.Fälligkeit Art. 339 1 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig. 2 Für Provisionsforderungen auf Geschäften, die ganz oder teilweise nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt werden, kann durch schriftliche Abrede die Fälligkeit hinausgeschoben werden, jedoch in der Regel nicht mehr als sechs Monate, bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre. 3 Die Forderung auf einen Anteil am Geschäftsergebnis wird fällig nach Massgabe von Artikel 323 Absatz 3. Spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden sämtliche gegenseitigen Forderungen fällig, unabhängig davon, wie und aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis beendet wurde; abweichende vertragliche Vereinbarungen sind nichtig. Ausnahmen sind lediglich für die in Art. 339 Abs. 2 und 3 OR ausdrücklich genannten Provisionsforderungen, Forderungen aus Versicherungsverträgen und aus Geschäften, deren Erfüllung noch andauert, sowie für den Anteil am Geschäftsergebnis zulässig. Sowohl Lohnansprüche inklusive Auslagenersatz, Lohnnachgenuss, Rückzahlung eines allfälligen Lohnrückbehalts und Abgangsentschädigung als auch Schadenersatz und Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Kündigung, Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung, Forderungen wegen nicht oder zu viel bezogener Ferien und Schadenersatz nach Art. 321e OR (Haftung des Arbeitnehmers) werden somit umgehend mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Mit der Fälligkeit beginnen gemäss Art. 130 OR die Verjährungsfristen zu laufen. Nur (bekannte) Schadenersatzforderungen aufgrund von Art. 321e OR muss der Arbeitgeber spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen, andernfalls wird gemäss Urteil des Bundesgerichts281 Verzicht angenommen. Werden mit Ende des Arbeitsverhältnisse die Leistungen nicht erfüllt, tritt ohne weitere Mahnungen umgehend Verzug ein, sofern die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung herbeigeführt wurde. 2.Verjährung Auf arbeitsrechtliche Forderungen kommt grundsätzlich das allgemeine Verjährungs­recht gemäss Art. 127 ff. OR zur Anwendung, welches sich zu Fristen, Fälligkeit, Stillstand, Unterbrechung usw. äussert. 281 BGE 110 II 344. 162 Art. 127 OR Mit Ablauf von zehn Jahren verjähren alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt. Art. 128 OR Mit Ablauf von fünf Jahren verjähren die Forderungen: 1. für Miet-, Pacht- und Kapitalzinse sowie für andere periodische Leistungen; 2. aus Lieferung von Lebensmitteln, für Beköstigung und für Wirtsschulden; 3.aus Handwerksarbeit, Kleinverkauf von Waren, ärztlicher Besorgung, Berufsarbeiten von Anwälten, Rechts­ agenten, Prokuratoren und Notaren sowie aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern. Die ordentliche Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre. Diese gilt für Ansprüche des Arbeitnehmers, die sich nicht auf die geleistete Arbeit direkt beziehen, z.B. für den Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, auf Auslagenersatz, auf Schadenersatz aus Vertrag und Entschädigung ebenso wie auf die Ansprüche des Arbeitgebers. Lediglich für Forderungen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, welche das Entgelt für die geleistete Arbeit des Arbeitnehmers betreffen, gilt nach heutiger Lehrmeinung eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, trotz weiter gehender Formulierung in Art. 128 Abs. 3 OR. Dazu gehören neben dem Grundlohn die Gratifikation, die Erfolgsbeteiligungen, Lohnzuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit, Kinder- und Teuerungszulagen sowie der Ferienlohn und die Ferien als solche. Für Schadenersatz und Genugtuungsansprüche wegen vertragswidriger Körperverletzung beginnt die zehnjährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (also nicht des Schadeneintritts!) zu laufen, womit der unbefriedigende Zustand eintreten kann, dass Langzeitfolgeschäden erst sichtbar werden, nachdem die Verjährung bereits eingetreten ist. Allerdings ist eine solche Regelung – Verjährung innert zehn Jahren auch bei gesundheitlichen Spätschäden – nach einem 2014 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen die Schweiz wohl künftig nicht mehr aufrecht zu erhalten282. Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers für zu viel erbrachte Leistungen, die vertraglich nicht geschuldet sind, verjähren nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts, somit bereits nach einem Jahr ab Kenntnis des Anspruchs durch den Verletzten (Art. 67 Abs. 1 OR). Für Rückforderungsansprüche aufgrund vertraglich geschuldeter Leistungen, für die eine spätere Abrechnung vorbehalten wurde, gilt die ordentliche zehnjährige Verjährungsfrist. Entsprechend beginnt die Verjährungsfrist für jede Forderung mit ihrer Fälligkeit zu laufen (Art. 130 Abs. 1 OR), mit Ausnahme der Forderungen von Arbeitnehmern, die mit ihren Arbeitgebern in Hausgemeinschaft leben. Dort beginnt die Verjährung erst mit Ende des Arbeitsverhältnisses oder der Hausgemeinschaft (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Art. 341 OR 1 Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung kann der Arbeitnehmer auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten. 2 Die allgemeinen Vorschriften über die Verjährung sind auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis anwendbar. Auch der Anspruch des Arbeitnehmers, ein Arbeitszeugnis bzw. eine Arbeitsbestätigung zu verlangen, verjährt erst nach zehn Jahren. 282 Brühwiler, Art. 341, N 10; konkret ging es im Entscheid um Gesundheitsschäden infolge Asbestaussetzung am Arbeitsplatz, Müller Ch. in: Jusletter vom 24.3.2014. 163 XXII. Übernahme einer Tierarztpraxis Mit der Übernahme einer Tierarztpraxis stellen sich zahlreiche Rechtsfragen. Bei Gemeinschaftspraxen ist zunächst die beabsichtigte Rechtsform zu klären und es sind die notwendigen kantonalen Bewilligungen einzuholen. Mit dem bisherigen Praxisinhaber ist ein Übernahmevertrag zu erstellen, der mindestens Angaben zum Vertragsgegenstand (Inventar), die Festlegung des Kaufpreises, das Schicksal der Arbeitsverträge sowie gegebenenfalls die schriftliche Zustimmung des Vermieters zur Weitervermietung enthalten sollte. Schliesslich ist die Übertragung der Vertragsbeziehung mit den Tierhaltern auf den Nachfolger zu regeln. Aber auch bestehende Arbeitsverhältnisse gehen unter Umständen auf den neuen Praxisinhaber über. Die Übernahme einer Tierarztpraxis kann gestützt auf verschiedene rechtliche Grundkonstellationen erfolgen: Die übernehmende Tierärztin kann die Praxis vom bisherigen Inhaber als bestehenden Betrieb i.S.v. Art. 333 OR übernehmen, was in der Praxis wohl der häufigste Fall sein wird. Sie kann den bisherigen Inhaber unter Anwendung von Art. 338a OR beerben oder sie kann durch blosse Übertragung von Aktien oder Anteilscheinen zum neuen Eigentümer werden. In letzterem Fall hat der Übergang zunächst keine direkten Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse, da diese mit der juristischen Gesellschaft abgeschlossen wurden und nicht mit dem einzelnen Aktionär. Bei Betriebsübernahme oder Tod des Arbeitgebers gestaltet sich das Schicksal der bestehenden Arbeitsverhältnisse wie folgt: 1. Übernahme Betrieb oder Betriebsteil Art. 333 F. Übergang des Arbeitsverhältnisses 1.Wirkungen Überträgt der Arbeitgeber den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen Dritten, so geht das Arbeitsverhältnis 1 mit allen Rechten und Pflichten mit dem Tage der Betriebsnachfolge auf den Erwerber über, sofern der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Ist auf das übertragene Arbeitsverhältnis ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar, so muss der Erwerber diesen 1bis während eines Jahres einhalten, sofern er nicht vorher abläuft oder infolge Kündigung endet. Bei Ablehnung des Überganges wird das Arbeitsverhältnis auf den Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist auf- 2 gelöst; der Erwerber des Betriebes und der Arbeitnehmer sind bis dahin zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet. Der bisherige Arbeitgeber und der Erwerber des Betriebes haften solidarisch für die Forderungen des Arbeit- 3 nehmers, die vor dem Übergang fällig geworden sind und die nachher bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlicherweise beendigt werden könnte oder bei Ablehnung des Überganges durch den Arbeitnehmer beendigt wird. Im übrigen ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis auf einen Dritten zu über- 4 tragen, sofern nichts anderes verabredet ist oder sich aus den Umständen ergibt. Ein Betriebsübergang im Sinne von Art. 333 OR liegt vor, wenn die betreffende wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt283, was immer gegeben sein wird, wenn der neue Inhaber die Tierarztpraxis in der bisherigen Form der Geschäftstätigkeit weiter führt, er in den Praxisräumen verbleibt, das Inventar sowie den Kundenstamm – ganz oder teilweise – übernimmt und mit 283 Brühwiler, Art. 333 OR, N 1b. 164 einem Grossteil der bisherigen Mitarbeiter weiter arbeitet. Übernimmt eine Tierärztin hingegen lediglich die Praxisräume einer bisherigen Grosstierpraxis und wandelt sie unter Umgestaltung der Infrastruktur und der Apparate in eine Kleintierpraxis um, für welche sie auch einen neuen Kundenstamm aufbaut und vorwiegend neues Personal einstellt, so ist nicht mehr von einer Betriebsübernahme i.S.v. Art. 333 OR auszugehen, da die ursprüngliche Identität nicht mehr gewahrt bleibt. Wird ein Betrieb oder Betriebsteil unter Anwendung von Art. 333 OR verkauft oder sonst übertragen, so gehen die Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber des Betriebs über, sofern der Arbeitnehmer dies nicht ablehnt. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse ist eine gesetzliche Folge des Betriebsübergangs, die Zustimmung des Erwerbers ist nicht erforderlich284. Dem Arbeitnehmer verbleibt das Recht zur Ablehnung des Vertragsübergangs. Er hat seine Kündigung ausdrücklich zu erklären, und zwar je nach Zeitpunkt gegenüber dem alten oder gegenüber dem neuen Betriebsinhaber. Das Gesetz nennt keine Fristen für die Ausübung des Ablehnungsrechts, die Gerichtspraxis geht jedoch von maximal einem Monat ab Kenntnis von der Betriebsübergabe aus, wobei der Arbeitgeber diese Frist auch kürzer ansetzen darf. Der Zugang der Ablehnungserklärung setzt die gesetzlichen – nicht die vertraglichen – Kündigungsfristen in Gang. Das Arbeitsverhältnis geht bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist jedoch ungeachtet der Ablehnung mit all seinen Rechten und Pflichten auf den neuen Betriebs­inhaber über285. Einen Grund für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer stellt der Betriebsübergang in der Regel nicht dar. Befristete Arbeitsverhältnisse schliesslich können auch bei Betriebsübergang erst mit Fristablauf beendet werden. Mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Erwerber bleibt das Arbeitsverhältnis in seinem bisherigen Bestand und Umfang voll gewahrt – insbesondere bleiben die dienstaltersabhängigen Ansprüche voll bestehen, was im Zusammenhang mit der Lohnzahlung bei Verhinderung an der Arbeitsleistung (Art. 324a OR), mit dem zeitlichen Kündigungsschutz (Art. 336c OR) oder der Abgangsentschädigung zu beachten ist (Art. 339b ff. OR). Ebenso geht ein allfälliges Konkurrenzverbot auf den neuen Arbeitgeber über, da dieses an den Betrieb geknüpft ist286. Es darf keine neue Probezeit angesetzt werden und sämtliche Arbeitsbedingungen gehen über, also auch allfällige Versicherungszusagen betreffend Krankentaggeld oder Mitarbeiterbeteiligungen287. Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug, wenn er dem Arbeitnehmer keine Arbeit anbieten kann und der Arbeitnehmer ist berechtigt, seine Arbeitsleistung wegen ausstehender Löhne aus der Zeit vor der Übernahme einzustellen, wie er dies dem Vorbesitzer gegenüber hätte tun können. Sowohl der bisherige als auch der neue Arbeitgeber können die Arbeitsverhältnisse kündigen, wenn wirtschaftliche, technische oder organisatorische Gründe dies erfordern. Will der Arbeitgeber mit der vertraglichen Frist kündigen, so hat er vorgängig die Arbeitnehmervertretung bzw., wo keine solche vorhanden ist, die einzelnen Arbeitnehmer zu konsultieren (Art. 333a Abs. 2 OR). Ausserdem besteht die Möglichkeit zur einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers. Grundsätzlich ist durch Art. 333 Abs. 1 OR jedoch nur der Bestand der Arbeitsverhältnisse geschützt, nicht auch die konkreten Inhalte. Es können also durchaus neue Verträge zwischen Arbeitnehmer und neuem Arbeitgeber ausgehandelt werden. Allerdings darf dies nicht in rechtsumgehender Weise geschehen, um lediglich neue Verträge mit schlechteren Bedingungen auszuhandeln. Solcherart vereinbarte Verträge wären nichtig. 284 Brühwiler, Art. 333 OR, N 1a. 285 Brühwiler, Art. 333 OR, N 2. 286 Brühwiler, Art. 333 OR, N 1a. 287 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 333, N 8. 165 Besteht ein Gesamtarbeitsvertrag, so hat der neue Betriebsinhaber diesen nach dem Erwerb während mindestens eines Jahres kraft Gesetz einzuhalten, sofern der Gesamtarbeitsvertrag nicht vorher abläuft oder infolge Kündigung vorher endet, unabhängig vom Willen der beteiligten Arbeitnehmer oder Arbeitgeber und unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dem Arbeitgeberverband überhaupt angehört. Kündigt ein Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs und arbeiten die Mitarbeiter danach im Betrieb weiter, so geht das Arbeitsverhältnis trotz Kündigung ebenfalls auf den Erwerber über. Es liegt in diesem Fall eine nicht vollzogene Kündigung vor, die durch die Weiterarbeit unwirksam wird. Bei Kündigungen auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs können Sperrfristen zur Anwendung kommen, so dass trotz Kündigung das Arbeitsverhältnis übergeht, wenn der Arbeitnehmer dies nicht abgelehnt hat. Art. 333 OR erfasst alle Arten von Betriebsübergängen, nicht bloss den Verkauf von Betrieben. Ein Betriebsübergang liegt auch vor, wenn ein Betrieb aus einer Konkursmasse übernommen wird. Es ist nicht einmal nötig, dass zwischen altem und neuem Betriebsinhaber eine direkte vertragliche Beziehung besteht. Mit der Betriebsübernahme wird der Erwerber neuer und alleiniger Arbeitgeber. Um den Arbeitnehmern einen möglichst hohen Schutz zu gewährleisten, haften der Erwerber des Betriebes und der Veräusserer des Betriebes jedoch für die Verbindlichkeiten des alten Arbeitgebers aus den Arbeitsverhältnissen vor dem Betriebsübergang solidarisch. Der alte Arbeitgeber haftet für Verbindlichkeiten nach dem Betriebsübergang noch bis zu dem Zeitpunkt mit, auf den die Arbeitsverhältnisse ordentlich gekündigt werden könnten. Lediglich bei Betriebsübernahmen aus Konkursen und Sanierungen gilt diese Haftungsregelung nicht (Art. 333b OR). 2. Übernahme Personaldossiers Die Personaldossiers stellen eine Datensammlung im Sinne des Datenschutzgesetzes dar, handelt es sich doch um Angaben, die sich auf eine bestimmte Person beziehen (Art. 3 lit. a DSG) und die so aufgebaut sind, dass die Daten nach bestimmten Personen erschlossen werden können (Art. 3 lit. g DSG). Sie sind daher vertraulich zu behandeln, fachmännisch zu sichern und dem Betroffenen ist jederzeit der volle Zugang zu ermöglichen. Die Datenbearbeitung durch den Arbeitgeber ist nur zulässig, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Als Rechtfertigungsgründe gelten die Einwilligung des Betroffenen oder ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse am Eingriff sowie ein durch Gesetz gerechtfertigter Eingriff (Art. 13 DSG). Als persönlichkeitsverletzende Datenbearbeitung gilt die unrechtmässige Beschaffung von Daten (z.B. durch Drohung, Täuschung, strafbare Handlung), die unverhältnismässige, unwahre oder heimliche Beschaffung von Daten, die Bekanntgabe von besonders schützenswerten Daten, die Grenzüberschreitende Datenbekanntgabe, oder die Datenbekanntgabe gegen den ausdrücklichen Willen des Betroffenen. Die gesammelten Daten müssen daher rechtmässig beschafft worden sein, sie müssen verhältnismässig sein und dem Prinzip von Treu und Glauben entsprechen. Die Daten müssen zweckgebunden erhoben werden, transparent, korrekt und vollständig sein. Dies gilt sowohl für während dem Bewerbungsverfahren erhobene Daten als auch bei Referenzauskünften, und sowohl bei direkt erfragten als auch indirekt erhobenen Daten, wie dies bei graphischen Gutachten oder bei Videoüberwachung der Fall sein kann. Schliesslich müssen erhobene Daten durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten geschützt werden. Die Personaldossiers sind entsprechend aufzubewahren. Sie sind vertraulich und dürfen nur den berechtigten Personen zugänglich ge- 166 macht werden. Der Arbeitnehmer selbst hat jederzeit Recht auf Einsichtnahme in sein Personaldossier. Am Tag des Betriebsüberganges findet ein gesetzlicher Arbeitgeberwechsel statt288. Der neue Arbeitgeber erwirbt somit gestützt auf gesetzliche Vorschrift auch sämtliche Rechte und Pflichten im Umgang mit den Personaldossiers und hat die datenschutzrechtlichen Bestimmungen vollumfänglich einzuhalten. Eine Ablehnung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber durch den Arbeitnehmer bewirkt daher nicht, dass das Personaldossier an den Arbeitnehmer heraus gegeben werden müsste, da sonst für den neuen Inhaber keine Möglichkeit bestehen würde, seinen rechtlichen Verpflichtungen betreffend Zeugnisausstellung nachzukommen. Allerdings unterliegt der neue Betriebsinhaber den strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen ebenso wie sein Rechtsvorgänger und darf beispielsweise gegen den Willen des Arbeitnehmers keine Referenzauskunft erteilen. 288 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 333, N 8. 167 XXIII. Nachfolgeregelung bei Tod des Praxisinhabers Art. 328a OR 1 Mit dem Tod des Arbeitgebers geht das Arbeitsverhältnis auf die Erben über; die Vorschriften betreffend den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsnachfolge sind sinngemäss anwendbar. 2 Ist das Arbeitsverhältnis wesentlich mit Rücksicht auf die Person des Arbeitgebers eingegangen worden, so erlischt es mit dessen Tod; jedoch kann der Arbeitnehmer angemessenen Ersatz für den Schaden. Der Tod des Arbeitgebers hat immer nur dort einen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis, wo der Arbeitgeber als Einzelfirma oder Personengesellschaft organisiert war, was heute nach wie vor bei zahlreichen Tierarztpraxen der Fall sein dürfte. Gehört die Praxis einer juristischen Person (AG, GmbH, Genossenschaft, Verein oder Stiftung), so findet kein Übergang des Arbeitsverhältnisses statt – dieses besteht ja mit der juristischen Person und nicht mit deren Inhaber, so dass es bei den vertraglichen Kündigungsfristen bleibt289. Handelte es sich jedoch beim Arbeitgeber um eine Einzelfirma, so erwerben dessen Erben aufgrund der erbrechtlichen Gesamtnachfolge (Art. 560 ZGB) sämtliche Aktiven und Passiven vom Erblasser, und das Arbeitsverhältnis geht von Gesetzes wegen auf die Erben über (sofern diese die Erbschaft nicht ausschlagen). Wollen die Erben das Arbeitsverhältnis kündigen, müssen sie daher die vertraglichen Kündigungsfristen einhalten290. Mit der Erbteilung geht der Betrieb dann in der Regel ein zweites Mal über, sei es auf einen der Erben oder einen Dritten. Art. 333 OR gelangt dann direkt zur Anwendung, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind. Der Arbeitnehmer hingegen soll nicht gezwungen werden, ein Verhältnis fortzusetzen, das ihm nicht behagt. Deshalb räumt Art. 338a OR dem Arbeitnehmer das Recht zur Ablehnung des automatischen Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Erben ein, und zwar analog zum Ablehnungsrecht bei Betriebsübergang gemäss Art. 333 Abs. 2 OR, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen. Gleichzeitig haften auch hier der alte Arbeitgeber – somit der Nachlass – und der neue Arbeitgeber solidarisch für die Forderungen des Arbeitnehmers. Schlagen alle Erben das Erbe aus, so dass gar kein neuer Arbeitgeber mehr vorhanden ist, haftet allein der Nachlass für die Verbindlichkeiten des bisherigen Arbeitgebers und die Arbeitgeberfirma ist amtlich zu liquidieren291. Lediglich bei einer besonders intensiven persönlichen Bindung zwischen (verstorbenem) Arbeit­ geber und Arbeitnehmer – wie dies etwa bei einer langjährigen Privatsekretärin, einem Berufs­ chauffeur oder einer Pflegerin der Fall sein kann – wird Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer Drittperson vermutet, was eine fristlose Kündigung erlaubt. In solchen Fällen liegt der wichtige Grund in der Person des Arbeitgebers, und dem Arbeitnehmer wird die Vergütung des Schadens, der aus der plötzlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht, zugesprochen wie bei einer fristlosen Vertragsauflösung. Der Schaden ist in solchen Fällen angemessen anzusetzen und soll keine Besserstellung darstellen zu den Fällen von ungerechtfertigter fristloser Entlassung oder missbräuchlicher Kündigung, weshalb eine maximale Entschädigung von sechs Monatslöhnen von der Lehre empfohlen wird. 289 Rehbinder, Art. 338, N 2; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 338, N 3. 290 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 333, N 2. 291 Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 333, N 3. 169 Literaturverzeichnis Literatur zum Arbeitsrecht BRÄUNLICH KELLER Irmtraud, Arbeitsrecht in der Schweiz, 12. Aufl., Beobachter Verlag, Zürich 2013. BRÄUNLICH KELLER Irmtraud, Flexibel arbeiten: Temporär, Teilzeit, Freelance, 2. Aufl., Beobachter Verlag, Zürich 2012 BAUMGARTNER Gabriela, BRÄUNLICH KELLER Irmtraud, Fair qualifiziert, 1. Aufl., Beobachter Verlag, Zürich 2012 BRUNNER Christiane, BÜHLER Jean-Michel, WAEBER Jean Bernard, BRUCHEZ Christiane, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2005 BRÜHWILER Jürg, Einzelarbeitsvertrag, Kommentar zu den Art. 319 – 343 OR, 3.A., Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2014 GEISER Thomas/VON KAENEL Adrian/WYLER Rémy, Handkommentar Arbeitsgesetz, Stämpfli Verlag AG, Bern 2005 CENTRE PATRONAL, Handbuch des Arbeitgebers, Bern/Lausanne HÄUSSERMAN, Peter, Arbeitszeugnisse – wahr, klar und fair, 8. Aufl., SPEKTRAmedia, Zürich 2011 MÜLLER Roland A., Arbeitsgesetz Kommentar, Orell Füessli Verlag, Zürich 2009 MÜLLER Roland, THALMANN Philipp, Streitpunkt Arbeitszeugnis, Helbling Lichtenhahn Verlag, Basel 2012 PORTMANN Wolfgang, STÖCKLI Jean-Fritz, Schweizerisches Arbeitsrecht, 3. Aufl., Dike Verlag, Zürich, 2013 REHBINDER Manfred, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl., Stämpfli Verlag AG, Bern 2002 REHBINDER Manfred, STÖCKLI Jean-Fritz, Art. 319 – 330b OR, Der Einzelarbeitsvertrag, in: Berner Kommentar, Stämpfli Verlag, Bern 2010 SCHÜRER Hansueli, Arbeit und Recht, 11. A., Verlag SKV, Bern 2011 SCHÜRER Hansueli, Arbeitsrecht für den betrieblichen Alltag für Personalfachleute, Vorgesetzte und Geschäftsinhaber, Schulthess Verlag, Zürich 2013 SCHÜRER Hansueli, SCHÜRER Christoph, Handbuch Arbeitsrecht Gesundheitswesen, Kaps Verlag, Männedorf 2014 SCHÜRER Hansueli, SCHÜRER Christoph, Handbuch Arbeitsrecht im Betrieb, Kaps Verlag, Männedorf 2014 SECO, Wegleitung zum Arbeitsgesetz STREIFF Ullin/VON KAENEL Adrian/RUDOLPH Roger, Praxiskommentar Arbeitsvertrag, 7. Aufl., Schulthess Juristische Medien AG, Zürich 2012 170 Literatur zu Management, Personalarbeit und Konfliktlehre FISHER Roger, URY William, PATTON Bruce, Das Harvard-Konzept: Der Klassiker der Verhandlungstechnik, Campus Verlag, 2013 GASSER Peter, Führungsimpulse, Einblicke in die Führungspsychologie, h.e.p.-Verlag, Bern, 2004 GLASL Friedrich, Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater, 9. Aufl., Haupt Verlag, Bern/Stuttgart/Wien, 2009 GORDON Thomas, Das Gordon-Modell, Heyne Verlag, 1998 MALIK Fredmund, Management, Das A und O des Handwerks, campus Verlag, Frankfurt/New York 2007 MALIK Fredmund, Führen, Leisten, Leben – wirksames Management für eine neue Zeit, campus Verlag, Frankfurt/New York, 2006 SCHWARZ Peter, Management-Prozesse und -Systeme in Nonprofit-Organisationen, Haupt Verlag, Bern/Stuttgart/Wien, 2006 Ausgewählte Vorträge HENSCH Angela, Die Sicherung des Lohnes, AJP/PJA 6/2014 BUNDESAMTES FÜR SOZIALVERSICHERUNG, Kreisschreiben über die Mutterschaft, 1. Juli 2005 (Stand 1. Januar 2014) SENTI Christoph, Arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Pikettdienst, Fassung 24.11.2005 STEIGER Martin, Das wichtigste zu freien Mitarbeitern und Angestellten, Gastbeitrag auf www.startwerk.ch 171 Anhang: Arbeitshilfen Anhang 1 Personalreglement Anhang 2 Arbeitszeugnis Anhang 3 Vorlage betreffend qualifiziertes Arztzeugnis Anhang 4 Aufhebungsvertrag Anhang 5 Änderungskündigung Anhang 6 Gesetzliche Rahmenbedingungen für den beruflichen Tierarzt 1 Anhang 1 Personalreglement Briefkopf Arztpraxis MUSTER PERSONALREGLEMENT für Tierarztpraxen In Kraft seit DATUM 3 Inhalt 1. Allgemeine Anstellungsbestimmungen 5 1.1 Begriffsdefinition und Sprachregelung 5 1.2 Geltungsbereich und Rechtsgrundlagen 5 1.3Arbeitsvertrag 6 1.4 Kompetenzordnung und Änderungen des Personalreglements 6 2. Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses 6 2.1 Beginn und allfällige Befristung 6 2.2Probezeit 6 2.3 Ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses 6 2.4 Kündigungsfristen und -modalitäten 7 2.5 Ausserordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses 7 3. Pflichten der Mitarbeitenden 7 3.1 Persönliche Arbeitspflicht, Treue- und Sorgfaltspflicht, Haftung 7 3.2 Befolgungspflicht von Anordnungen und Weisungen 8 3.3Überstundenarbeit 8 3.4 Nebenerwerb und Konkurrenzklausel 8 3.5 Übernahme öffentlicher Ämter 8 3.6Schweigepflicht 8 3.7Meldepflicht 9 3.8 Mitteilungspflicht 9 3.9 Rechenschafts- und Herausgabepflicht: Umgang mit Geldbeträgen und Geschenken 9 3.10 Pflichten bei Arbeitsverhinderung oder Arbeitsunfähigkeit 10 4. Rechte der Mitarbeitenden 10 4.1 Schutz der Persönlichkeit 10 4.2 Personalakten und Datenschutz 10 4.3 Aus- und Weiterbildung 11 4.4Mitwirkungsrechte 11 4 5. Arbeitszeit 11 5.1 Soll- und Höchstarbeitszeit 11 5.2Arbeitsplanung 11 5.3Pausen 12 5.4 12 Überstunden und Überzeitstunden 5.5Feiertage 13 5.6Ferien 13 5.7Ferienkürzung 13 5.8 Bezahlte Absenzen 14 5.9 Unbezahlter Urlaub 15 6.Lohn 15 6.1 15 Lohnabrechnung und Lohnzahlung, 13. Monatslohn 6.2Zulagen 15 6.3 Lohnfortzahlung bei Krankheit und Unfall 15 6.4 Lohnfortzahlung im Stundenlohn bei Krankheit und Unfall 16 6.5 Lohnfortzahlung bei Niederkunft 16 6.6 Lohnfortzahlung im Todesfall 16 6.7Dienstjubiläum 16 7.Versicherungen 17 7.1 Berufliche Vorsorge 17 7.2Krankentaggeld 17 7.3Unfall 17 7.4Haftpflichtversicherung 17 8. Nutzung von Internet und betrieblichen Infrastrukturen 17 9. Sanktionen bei Pflichtverletzungen und Beschwerderecht 18 10. Gesundheitsschutz, Hygienevorschriften, Kleidervorschriften 18 11.Schlussbestimmung 18 Anhänge zum Personalreglement: 19 5 1. Allgemeine Anstellungsbestimmungen 1.1 Begriffsdefinition und Sprachregelung Mitarbeiter Als Mitarbeiter werden in der Folge sämtliche Personen weiblichen und männlichen Geschlechts bezeichnet, die mit der Arbeitgeberin in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis steht. Arbeitgeberin Mit Arbeitgeberin ist die Praxis gemeint, für welche dieses Musterreglement zur Anwendung gelangen soll. Lernende Personen, die in einem Lehrverhältnis gemäss Art. 344ff. OR stehen, werden als Lernende bezeichnet. Teilzeitmitarbeitende Teilzeitmitarbeiter sind sämtliche Personen, welche in weniger als einem 100 %-Pensum bei der Arbeitgeberin angestellt sind. Praktikanten Praktikanten sind zeitlich begrenzt angestellte Mitarbeiter, welche zum Zweck der Ausbildung und/oder der Eignungsabklärung bei der Arbeitgeberin vorübergehend angestellt sind, unabhängig davon, ob sie dafür Lohn beziehen oder nicht. Um eine ausgewogene Sprachregelung zu verwenden, sind selbstredend bei Verwendung der männlichen Form auch die weiblichen sowie bei der Verwendung der weiblichen Form auch die männlichen Bezeichnungen mit gemeint. 1.2 Geltungsbereich und Rechtsgrundlagen Dieses Personalreglement gilt jeweils in seiner aktuellsten Form für alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin mit Einzelarbeitsvertrag. Das Personalreglement gilt nicht für Aushilfsmitarbeiter, Praktikanten und auf Abruf beschäftigte Mitarbeiter, es sei denn, es werde ausdrücklich in deren separat zu erstellenden Vertrag auf das Personalreglement verwiesen. Dieses Personalreglement gilt auch für Lernende, soweit für diese nicht gesetzliche Spezialvorschriften (z.B. Berufsbildungsgesetz, Art. 344ff. OR, kantonale oder branchenspezifische Vorschriften, Gesamtarbeitsverträge usw.) und besondere Vereinbarungen im Lehrvertrag gelten. Schriftliche Vereinbarungen im Arbeitsvertrag gehen diesem Personalreglement vor. Soweit in diesem Personalreglement keine Regelungen getroffen werden, gelten die Bestimmungen des Schweizerischen Obligationenrechts, die Vorschriften des Arbeitsgesetzes und seiner entsprechenden Verordnungen, sowie sämtliche weitere Bestimmungen der Schweizerischen Bundesgesetzgebung ergänzend. 1.3Arbeitsvertrag Mit allen diesem Personalreglement zu unterstellenden Mitarbeitenden wird ein schriftlicher Einzelarbeitsvertrag abgeschlossen. Der Einzelarbeitsvertrag definiert mindestens den Namen der Vertragsparteien, das Datum des Beginns des Arbeitsverhältnisses, den Arbeitsort, die Funktion, Kompetenzen, Unterstellungen des Mitarbeiters, den Lohn inklusive allfällige Lohnzuschläge sowie die wöchentliche Arbeitszeit. Das vorliegende Personalreglement ist integrierender Bestandteil des Arbeitsvertrages. Vereinbarungen, die von diesem Personalreglement abweichen, müssen im Arbeitsvertrag ausdrücklich festgehalten sein. Jede Änderung des Arbeitsvertrages bedarf der schriftlichen Form. 1.4 Kompetenzordnung und Änderungen des Personalreglements Zum Erlass des Personalreglements ist ausschliesslich die Praxisinhaberin berechtigt. Änderungen können von der Geschäftsführung sowie von einzelnen Mitarbeitenden vorgeschlagen werden. Die Änderungen müssen durch den Praxisinhaber genehmigt und allen Mitarbeitern mittels Änderungskündigung unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist in schriftlicher Form mitgeteilt werden. 2. Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses 2.1 Beginn und allfällige Befristung Das Arbeitsverhältnis sowie die daraus erwachsenden gegenseitigen Rechte und Pflichten entstehen mit der Vertragsunterzeichnung. Der Vertrag kann auf einen exakt zu bestimmenden Endtermin hin (befristetes Arbeitsverhältnis) oder auf unbestimmte Dauer (unbefristetes Arbeitsverhältnis) abgeschlossen werden. Befristete Arbeitsverhältnisse können nur in begründeten Ausnahmefällen mehr als einmal verlängert werden. Dauert ein befristetes Arbeitsverhältnis über die vereinbarte Dauer hinweg stillschweigend fort, ohne dass ein neues Enddatum festgelegt wurde, geht das Arbeitsverhältnis automatisch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über. Bei bewilligungspflichtigen Arbeitsverhältnissen bleibt für die Verbindlichkeit des Vertrages die Erteilung der notwendigen Bewilligungen durch die zuständigen Behörden vorbehalten. 2.2Probezeit Sofern im Einzelarbeitsvertrag keine andere Regelung getroffen wurde, beträgt die Probezeit 3 Monate. Bei einer effektiven Verkürzung der Probezeit infolge Krankheit, Unfall oder Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht verlängert sich die Probezeit um die ausgefallene Arbeitszeit. 2.3 Ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses Das Vertragsverhältnis endet ordentlich mit dem Austritt infolge Kündigung per Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist (unbefristeter Vertrag), durch vereinbarten Vertragsablauf (befristeter Vertrag), ohne Kündigung beim Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters sowie automatisch mit dem Tod des Mitarbeiters. 7 Darüber hinaus kann ein Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen auf das vereinbarte Datum hin ordentlich aufgelöst werden. 2.4 Kündigungsfristen und -modalitäten In der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist 7 Tage. Nach Ablauf der Probezeit kann der Arbeitsvertrag im ersten Anstellungsjahr mit einer Frist von 1 Monat, ab zweitem Anstellungsjahr von 2 Monaten und ab dem zehnten Anstellungsjahr von 3 Monaten jeweils auf Monatsende gekündigt werden. Für Kaderangestellte können davon abweichend im Einzelarbeitsvertrag längere Kündigungsfristen schriftlich vereinbart werden. Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen und muss spätestens am letzten Tag des Monats, in welchem die Kündigung erfolgt, im Besitz der Arbeitgeberin bzw. der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters sein. Im Übrigen gelten die Bestimmungen zum sachlichen wie zeitlichen Kündigungsschutz gemäss Art. 336 ff. OR, insbesondere die Sperrfristen bei Krankheit, Unfall und Schwangerschaft gemäss Art. 336c OR. 2.5 Ausserordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses Bei Vorliegen wichtiger Gründe kann das Arbeitsverhältnis nach Art. 337 OR fristlos gekündigt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Eine unverschuldete Arbeitsverhinderung kann keinesfalls als wichtiger Grund für die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewertet werden. 3. Pflichten der Mitarbeitenden 3.1 Persönliche Arbeitspflicht, Treue- und Sorgfaltspflicht, Haftung Der Mitarbeiter hat seine Arbeitsleistung persönlich zu erbringen. Er hat die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen und die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin in guten Treuen zu wahren. Das gilt auch, wenn der Betrieb den Mitarbeitenden aus gesundheitlichen oder betrieblichen Gründen vorübergehend eine andere als die vertraglich vereinbarte, zumutbare Arbeit zuweist. Maschinen, Arbeitsgeräte, technische Einrichtungen, Anlagen und Fahrzeuge der Arbeitgeberin sind fachgerecht zu bedienen und sorgfältig zu behandeln. Mit den zur Verfügung gestellten Materialien ist sorgfältig, kosten- und umweltbewusst umzugehen. Insbesondere dürfen ohne das Einverständnis der Arbeitgeberin keine Verbrauchsmaterialien, Maschinen und Einrichtungen für den persönlichen Ge- oder Verbrauch verwendet werden. Die Mitarbeitenden haften für fahrlässig oder absichtlich verursachten Schaden. Davon ausgenommen ist die Haftung für leichtes Verschulden. 8 3.2 Befolgungspflicht von Anordnungen und Weisungen Anordnungen und Weisungen der Arbeitgeberin ist Folge zu leisten. Die Arbeitgeberin kann Sachverhalte, die im vorliegenden Reglement nicht geregelt sind, durch zusätzliche Weisungen, Merkblätter und Vorgaben regeln. Insbesondere Weisungen zu Arbeitssicherheit, Hygiene, Arbeitskleidung, Umgang mit Arbeitsinstrumenten, Materialien und Maschinen sind strikt zu befolgen. 3.3Überstundenarbeit Der Mitarbeiter ist zur Leistung von Überstunden im zumutbaren Rahmen verpflichtet, sofern diese notwendig sind, er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden können. Überstunden sind grundsätzlich durch Freizeit von gleicher Dauer auszugleichen. Können Überstunden nicht kompensiert werden, werden sie ausnahmsweise ohne Zuschläge ausbezahlt. Für Kadermitarbeiter sind Überstunden durch das vereinbarte Salär abgegolten. Bei Kadermitarbeiter besteht kein Anspruch auf zusätzliche Entschädigung oder auf zusätzliche Freizeit. 3.4 Nebenerwerb und Konkurrenzklausel Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses darf der Mitarbeiter Arbeit für Dritte nur mit Kenntnis der Arbeitgeberin leisten. Er hat dabei die Vorschriften des Arbeitsgesetzes einzuhalten und darf die Arbeitgeberin in ihrer Tätigkeit nicht konkurrenzieren. Insbesondere darf dadurch die Aufgabenerfüllung nicht beeinträchtigt und ein Vollpensum nicht überschritten werden. Die Arbeit für andere Tierarztpraxen während der Dauer des vorliegenden Arbeitsverhältnisses ist nur mit der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung der Praxisinhaberin zulässig. 3.5 Übernahme öffentlicher Ämter Die Übernahme von politischen Ämtern und Ehrenämtern, welche die Arbeitszeit berühren, bedarf der schriftlichen Zustimmung der Arbeitgeberin. Ausfallende Arbeitszeit muss grundsätzlich kompensiert werden. 3.6Schweigepflicht Gegenüber Dritten sind die Mitarbeiter zur absoluten Verschwiegenheit über alles, was sie bei ihrer beruflichen Tätigkeit im Betrieb erfahren, verpflichtet. Namentlich dürfen sie keine Angaben zu persönlichen Daten und Angelegenheiten der Kunden sowie zum Gesundheitszustand der betreuten Tiere machen und sie haben über Techniken, Verfahren, Heilmethoden usw. Stillschweigen zu wahren. Diese Schweigepflicht besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter (Art. 321a OR, Art. 35 Datenschutzgesetz). 9 3.7Meldepflicht Mitarbeitende sind verpflichtet, Änderungen der persönlichen Verhältnisse dem Betrieb unverzüglich zu melden, insbesondere • Wohnadresse und Telefonnummer, • Änderungen des Zivilstandes, • Dokumente für Bezugsberechtigung für Kinderzulagen (Kopie Geburtsschein, Lehrvertrag, Schul- oder Studienbestätigung), • Bei Mitarbeitenden mit Quellensteuer: Erhalt der Niederlassung oder Einbürgerung sowie Veränderung der Berufssituation des Ehepartners. 3.8Mitteilungspflicht Mitarbeitende sind verpflichtet, die Arbeitgeberin über ausserordentliche Ereignisse oder Zustände im Betrieb sofort zu informieren. Hierzu gehören Ereignisse, welche dazu angetan sind, die Gesundheit oder die persönliche Integrität der betreuten Tiere, der Mitarbeitenden, der Kunden, Lieferanten und sonstiger Personen oder das Vermögen der Praxisinhaberin zu beeinträchtigen. 3.9 Rechenschafts- und Herausgabepflicht: Umgang mit Geldbeträgen und Geschenken Der Mitarbeiter hat der Arbeitgeberin über alles, was er bei seiner vertraglichen Tätigkeit für die Arbeitgeberin von Dritten erhält, wie namentlich Geldbeträge, Rechenschaft abzulegen und ihr alles sofort herauszugeben (Art. 321b OR). Grundsätzlich achtet der Mitarbeiter auf einen professionellen Umgang mit Nähe und Distanz gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Vorgesetzten, Lieferanten und Schutzbefohlenen. Die Entgegennahme von Geschenken, Wertsachen oder Vorteilen sonstiger Art für sich selbst oder für Drittpersonen ist nicht erlaubt. Wünscht ein Kunde seinen Dank durch Spenden oder Legate zum Ausdruck zu bringen, fällt dies in die Zuständigkeit der Arbeitgeberin. Mit kleineren Zuwendungen, welche Mitarbeitenden im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von dritter Seite (z.B. von Kunden, Tierbesitzern, Angehörigen oder Lieferanten) zukommen, ist wie folgt zu verfahren: a) Die Arbeitgeberin ist über jegliche Zuwendung zu informieren. b) Kleinere Gelegenheitsgeschenke (Gegenstände) dürfen behalten werden; der Entscheid darüber verbleibt abschliessend bei der Arbeitgeberin. c) Geldgeschenke und Trinkgelder werden der Arbeitgeberin übergeben und von dieser in die gemeinsame Personalkasse eingelegt, welche gesellschaftliche Aktivitäten zu Gunsten aller Mitarbeitenden finanziert. Der Mitarbeiter hat der Arbeitgeberin auch alles sofort herauszugeben, was er in Ausübung seiner vertraglichen Tätigkeit hervorbringt. Dies können insbesondere Computerprogramme, Formulare, Konzepte, Rezepturen, Heilmethoden o.ä. sein. 10 3.10 Pflichten bei Arbeitsverhinderung oder Arbeitsunfähigkeit Ist ein Mitarbeiter durch Krankheit, Unfall oder aus persönlichen Gründen an der Arbeitsleistung verhindert, so hat er unverzüglich die Arbeitgeberin zu benachrichtigen. Ab dem dritten Tag einer Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall ist ein Arztzeugnis beizubringen. In begründeten Fällen kann die Arbeitgeberin bereits ab dem ersten Tag einer Abwesenheit ein Arztzeugnis verlangen. Bestehen Zweifel über das Vorliegen einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung, so kann die Lohnfortzahlung von einer vertrauensärztlichen Untersuchung oder von der Entbindung des behandelnden Arztes vom Arztgeheimnis abhängig gemacht werden. Fällt eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit wegen Unfall oder Krankheit von mindestens zwei Tagen Dauer in die Ferien, so werden die betreffenden Tage nicht als Ferien angerechnet, sofern die Ferienfähigkeit eingeschränkt ist. Diese Einschränkung ist mittels durch einen zugelassenen Arzt erstelltes Ferienunfähigkeitszeugnis zu belegen. Treten Mitarbeitende trotz ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit eine Ferienreise an, gelten die Ferientage als bezogen. Der Mitarbeitende hat die Arbeitgeberin auch während den Ferien sofort zu informieren. Sämtliche ärztliche Bescheinigungen sind in deutscher Sprache oder mit beglaubigter Übersetzung beizubringen. 4. Rechte der Mitarbeitenden 4.1 Schutz der Persönlichkeit Die Arbeitgeberin achtet und schützt die Persönlichkeit ihrer Mitarbeiter. Sie ist dafür besorgt, dass ein Arbeitsklima des gegenseitigen Respekts und der Toleranz herrscht, welches Diskriminierungen, Benachteiligungen, sexuelle Belästigung, Mobbing und gesundheitliche Beeinträchtigungen vorbeugt und verhindert. Sie sorgt auch dafür, dass die Mitarbeitenden vor Belästigungen durch Kunden, Lieferanten und sonstige Dritte geschützt werden. Die Mitarbeiter sind aufgefordert, Störungen des Arbeitsklimas der Arbeitgeberin mitzuteilen. Sie haben dadurch keine Benachteiligungen zu erwarten. Schikanöse Anzeigen führen allerdings zu arbeitsrechtlichen Sanktionen. Der Mitarbeiter seinerseits hat alles zu unterlassen, was ein Arbeitsklima beeinträchtigen könnte und alles Zumutbare zu unternehmen, um das Arbeitsklima zu fördern. 4.2 Personalakten und Datenschutz Die Arbeitgeberin verpflichtet sich bei der Bearbeitung der Personaldaten die Grundsätze der Schweizerischen Datenschutzgesetzgebung einzuhalten. Sie verpflichtet sich insbesondere, • die Bearbeitung personalbezogener Daten auf das betrieblich Notwendige zu beschränken, • den Zugang zu personalbezogenen Daten auf jene Mitarbeitenden zu beschränken, die aufgrund ihrer Funktion Einsicht in diese Daten haben müssen, • Auskünfte über die Mitarbeitenden nur zu erteilen, wenn eine öffentliche Behörde rechtmässig darum ersucht oder mit Zustimmung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters, • den Mitarbeitenden auf Verlangen Einsicht in die sie betreffenden Daten zu gewähren, • fehlerhafte personalbezogene Daten zu berichtigen, • die Personaldossiers in regelmässigen Abständen zu bereinigen. 11 Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter, welche im Rahmen ihrer Funktion personalbezogene Daten erfassen, verwenden oder aufbewahren, tragen für den Schutz dieser Daten die Verantwortung und sind verpflichtet, die sachgerechten Massnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes zu treffen. 4.3 Aus- und Weiterbildung Die Mitarbeiter haben das Recht und die Pflicht, sich beruflich weiterzubilden. Die Arbeitgeberin unterstützt die berufliche Aus- und Weiterbildung nach Massgabe des betrieblichen Interesses und Vermögens, indem sie Arbeitszeit zur Verfügung stellt und/oder sich an den Kosten beteiligt. Die Einzelheiten richten sich nach dem betrieblichen Weiterbildungsreglement und werden jeweils schriftlich geregelt. Insbesondere ist in jedem Fall eine schriftliche Rückzahlungsverpflichtung zu vereinbaren, für den Fall, dass eine begonnene Aus- oder Weiterbildung schuldhaft abgebrochen oder eine vereinbarte Verweildauer nach Abschluss der Aus- oder Weiterbildung seitens des Arbeitnehmers vorzeitig abgebrochen wird. 4.4Mitwirkungsrechte Die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer richten sich nach den Vorgaben des Mitwirkungsgesetzes. Nebst dem Anspruch auf Informationen bestehen besondere Mitwirkungsrechte demnach insbesondere in Fragen der Arbeitssicherheit, des Arbeitnehmerschutzes, bei Betriebsübergängen und bei Massenentlassungen sowie bei Fragen über den Anschluss an eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge und die Auflösung eines Anschlussvertrages. 5.Arbeitszeit 5.1 Soll- und Höchstarbeitszeit Die Sollarbeitszeit beträgt bei einem Voll-Pensum (100 %) für TPA’s 43 Stunden pro Woche, für Tieräztinnen 45 Stunden pro Woche. Die Mitarbeitenden sind zur Leistung von Abend-, Nacht- und Wochenendarbeit sowie von Pikettdiensten nach Massgabe ihres Arbeitsvertrages verpflichtet. Tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten richten sich nach den Vorschriften des Arbeitsgesetzes. Die Details zur Arbeitszeit sowie die Nacht-, Wochenendarbeit und der Pikettdienst sind in einem separaten (Jahres-)Arbeitszeitreglement und einer separaten Zulagenordnung geregelt. 5.2Arbeitsplanung Die Arbeitseinteilung erfolgt grundsätzlich nach den Bedürfnissen des Betriebes. Soweit möglich nimmt die Arbeitgeberin auf die besonderen Bedürfnisse von Mitarbeitenden Rücksicht. Der Dienstplan wird mindestens einen Monat zum Voraus erstellt. Kurzfristige Änderungen durch die Arbeitgeberin bleiben jedoch vorbehalten. Ein Abtausch von Einsätzen zwischen Mitarbeitenden muss von der Arbeitgeberin zum Voraus genehmigt werden. 12 Die geleistete Arbeitszeit wird wie folgt erfasst: Der Mitarbeiter erhält zusammen mit der monatlichen Lohnabrechnung die Abrechnung seiner Arbeitszeit (inkl. Überstunden, Ferien). Er hat diese auf inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen und allfällige Beanstandungen innert 30 Tagen der Arbeitgeberin schriftlich zu melden, ansonsten wird Korrektheit der Abrechnung angenommen. 5.3Pausen Bei einem täglichen Pensum von mindestens vier Stunden ist eine Pausenzeit von 15 Minuten einzuhalten. Diese wird als Arbeitszeit gewährt. Bei einem Tagespensum von über 7 Stunden ist zusätzlich eine Mittagspause von mindestens einer halben Stunde einzuhalten. Dieser Unterbruch gilt nicht als Arbeitszeit. Bei einem Tagespensum von über 9 Stunden, ist eine Mittagspause von mindestens einer Stunde einzuhalten. Diese kann aufgeteilt werden. Sie gilt jedoch nicht als bezahlte Arbeitszeit. Pausen haben grundsätzlich in der Mitte der Arbeitszeit zu liegen. Die Mitarbeiter nehmen bei der Lage ihrer Pausen auf die Bedürfnisse des Betriebes sowie der Kolleginnen und Kollegen Rücksicht. 5.4 Überstunden und Überzeitstunden Die anfallende Arbeit soll grundsätzlich während der normalen Arbeitszeit bewältigt werden. Überstunden und Überzeitstunden stellen die Ausnahme dar. Überstunden sind diejenigen Arbeitsstunden, die auf Anordnung oder mit nachträglicher Zustimmung der Arbeitgeberin über die betriebliche Arbeitszeit von 44 Stunden pro Woche hinaus geleistet werden. Für die Kompensation der Überstunden kommt Art. 3.3 des vorliegenden Personalreglements zur Anwendung. Als Überzeitstunden gelten die geleitsteten Arbeitsstunden ab der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche. Überzeitstunden sind grundsätzlich innerhalb eines Kalenderjahres durch Freizeit von gleicher Dauer zu kompensieren. Die Arbeitgeberin kann die Kompensation einseitig und kurzfristig anordnen, wobei sie auf die Wünsche des Mitarbeitenden soweit betrieblich möglich Rücksicht nimmt. Bei einem vollen Pensum darf ein Saldo von +/- 30 Stunden auf das nächste Kalenderjahr übertragen werden. Wenn Überzeitstunden nicht kompensiert werden können, werden sie ausnahmsweise mit einem Zuschlag von 25 % finanziell abgeholten. 13 5.5Feiertage An folgenden Feiertagen wird die Soll-Arbeitszeit wie folgt reduziert, wenn diese nicht auf einen Samstag oder Sonntag fallen: • 1. Januar Neujahrstag 1 Tag • 2. Januar Berchtoldstag 1 Tag • Karfreitag 1 Tag • Ostermontag 1 Tag • 1. Mai Tag der Arbeit 1 Tag • Auffahrtstag 1 Tag • Pfingstmontag 1 Tag • 1. August Nationalfeiertag 1 Tag • 25. Dezember Weihnachtstag 1 Tag • 26. Dezember Stefanstag 1 Tag Für Teilzeitbeschäftigte erfolgt die Reduktion gemäss ihrem Beschäftigungsgrad anteilsmässig. 5.6Ferien Die Mitarbeiter haben jährlich einen gesetzlichen Ferienanspruch von 20 Arbeitstagen. Mitarbeitern bis zur Vollendung des 20. Altersjahres stehen gesetzlich 25 Arbeitstage als Ferien zu. Die Arbeitgeberin kann im Einzelarbeitsvertrag eine zusätzliche Ferienwoche (5 Arbeitstage) bei gewöhnlichen Mitarbeitern, und zwei zusätzliche Ferienwochen (10 Tage) bei Kadermitarbeitern gewähren, da letztere keine Überstundenkompensation geltend machen können. Dabei sind die Mitarbeiter derselben Anstellungskategorie gleich zu behandeln. Den Zeitpunkt der Ferien legt die Arbeitgeberin unter Berücksichtigung der betrieblichen Interessen sowie der berechtigten Wünsche der Mitarbeitenden fest. Mindestens zwei Wochen Ferien pro Jahr (10 Arbeitstage) müssen zwingend zusammenhängend bezogen werden (Art. 329c OR). Die Ferien sind in der Regel im laufenden Kalenderjahr zu beziehen. Die Übertragung von nicht bezogenen Ferientagen auf das folgende Kalenderjahr ist ausnahmsweise mit Zustimmung der Arbeitgeberin möglich. In der Regel sind solche Ferientage bis Ende Juni des Folgejahres zu beziehen. 5.7Ferienkürzung Der Ferienanspruch wird bei unbezahltem Urlaub für jeden vollen Monat um einen Zwölftel der Abwesenheit gekürzt. Er wird im gleichen Umfang gekürzt, wenn Mitarbeitende durch Unfall, Krankheit, Schwangerschaft oder Militärdienstleistung während insgesamt mehr als drei Monaten pro Anstellungsjahr an der Arbeitsleistung verhindert sind. Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit verlängert sich die Schonfrist und erfolgt die Kürzung des Ferienanspruchs anteilmässig. Kommt der Mitarbeiter bei andauernder Arbeitsunfähigkeit in ein neues Anstellungsjahr, kommt die Schonfrist neu zur Anwendung. Hat der Mitarbeiter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu viel Ferien bezogen, wird der zu viel ausbezahlte Ferienlohn vom letzten Lohn abgezogen, sofern es sich nicht um eine Entlassung aus betrieblichen Gründen handelt. 14 5.8 Bezahlte Absenzen Folgende Arbeitstage werden bezahlt: Ereignis Bezahlter Urlaub Eigene Hochzeit 2 Arbeitstage Hochzeit von im eigenen Haushalt lebenden Kindern, von Geschwistern, Eltern und Enkel, als Trauzeuge 1 Arbeitstag Geburt des eigenen Kindes für Väter (Vaterschaftsurlaub) 5 Arbeitstage Schwere Krankheit oder Unfall in der Familie die notwendige Zeit, höchstens 2 Tage pro Ereignis Bei Krankheit oder Unfall von Kleinkindern oder Kindern im Primarschulalter (gegen Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses) die notwendige Zeit, höchstens 3 Arbeitstage pro Ereignis und 5 Tagen pro Jahr Umzug des eigenen Haushaltes (einmal jährlich) 1 bis 2 Tage Militärische Aushebung und Inspektion Gemäss Aufgebot Todesfälle: Tod des Ehe- oder Konkubinatspartners, von Kindern, Eltern und anderen, im gleichen Haushalt lebenden Personen 2 – 3 Tage Tod der Geschwister, Grosseltern, Schwiegereltern, Ehegatten von Kindern oder Geschwistern, Enkelkinder 1 Tag Tod anderer Familienangehöriger, Freunden und Bekannten Die notwendige Zeit, höchstens ein halber Tag Der Anspruch auf Bezahlung besteht nur im direkten Zusammenhang mit den erwähnten Ereignissen. Die bezahlten Arbeitstage können weder verschoben noch kumuliert werden Fällt eine solche Absenz auf einen Feiertag gemäss Ziffer 5.5, so entfällt der Anspruch. Ärztliche/zahnärztliche Konsultationen, Therapien usw. sind möglichst in die Randstunden des Arbeitstages zu legen und gelten als bezahlte Arbeitszeit. Von Teilzeitmitarbeitenden wird erwartet, dass sie ihre entsprechenden Termine möglichst in die arbeitsfreie Zeit legen. Im Stundenlohn und auf Abruf beschäftigte Mitarbeiter haben keinen Anspruch auf die Bezahlung von ärztlichen/zahnärztlichen Konsultationen, Therapien usw. 15 5.9 Unbezahlter Urlaub Wenn es die betrieblichen Bedürfnisse erlauben, kann die Arbeitgeberin unbezahlten Urlaub gewähren. Bei unbezahltem Urlaub ruht die Arbeits- sowie die Lohnzahlungspflicht, die sonstigen gegenseitigen Rechte und Pflichten bleiben jedoch aufrecht (inbesondere Mitteilungspflichten). Dauert ein unbezahlter Urlaub länger als vier Wochen, entfällt der Versicherungsschutz des Betriebes. Mitarbeitende müssen vor Antritt des Urlaubs die Versicherungsfragen (Unfall, Pensionskasse usw.) regeln. Allfällige Versicherungsbeiträge haben sie selbst zu tragen. 6.Lohn 6.1 Lohnabrechnung und Lohnzahlung, 13. Monatslohn Der Lohn wird monatlich abgerechnet und jeweils spätestens bis 25. eines Monats elektronisch auf das Bank- oder Postcheck-Konto des Mitarbeiters überwiesen. Vom Bruttolohn werden die jeweils geltenden Abzüge für die gesetzlichen und betrieblichen Personalversicherungen sowie bei quellensteuerpflichtigen Mitarbeitenden für die Quellensteuer vorgenommen. Bei Stundenlohn-Mitarbeitern wird auf der Lohnabrechnung sowie im Arbeitsvertrag die Entschädigung für den Ferienlohn sowie für das 13. Monatssalär – sofern im Einzelarbeitsvertrag beim 13. Monatssalärs vereinbart wurde – extra ausgewiesen. Allen übrigen Mitarbeitern wird das 13. Monatssalär (Jahreslohn inkl. AHV-pflichtige Lohnzulagen geteilt durch 12) oder der entsprechende Anteil im Dezember ausbezahlt – sofern im Einzelarbeitsvertrag beim 13. Monatssalärs vereinbart wurde. Bei unbezahlten Absenzen sowie beim Ein- und Austritt im betreffenden Kalenderjahr erfolgt eine anteilsmässige Kürzung. Lohnvorschüsse werden nur im Umfang der im betreffenden Monat bereits geleisteten Arbeit gewährt. 6.2Zulagen Es werden die gesetzlich vorgesehen Lohnzulagen für Sonntags- und vorübergehende Nachtarbeit, für Rufbereitschaft und Piketteinsätze sowie für die Arbeit an Feiertagen gemäss separater Zulagenordnung ausgerichtet. Kinder-/Ausbildungszulagen werden nach den gesetzlichen Bestimmungen entrichtet. 6.3 Lohnfortzahlung bei Krankheit und Unfall Bei Krankheit und Unfall wird der durchschnittlich bisher erzielte Verdienst während 30 Tagen ausbezahlt. Nach Ablauf der 30 Tage erhalten die Mitarbeitenden die Leistungen der Unfall- bzw. der betrieblichen Krankentaggeldversicherung. Die Leistungen der Krankentaggeld- und Unfallversicherung richten sich nach den gültigen Versicherungsbedingungen und gesetzlichen Vorschriften. Die Arbeitgeberin zahlt bei Leistungskürzungen oder bei Ablehnung der Leistungspflicht durch die Versicherungen maximal die gemäss OR 324a (Basler-, Berner-, Zürcher-Skala) geschuldete Lohnfortzahlung. Mitarbeitende können in begründeten Fällen als Voraussetzung für die Lohnfortzahlung verpflichtet werden, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Der Versicherungsschutz beginnt und endet in der Regel mit dem Arbeitsverhältnis. Hingegen besteht bei bereits eingetretenem Krankentaggeldbezug in der Regel eine Lohnfortzahlung auch 16 über Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus (gemäss vertraglicher Vereinbarung zwischen Arbeitgeberin und Krankentaggeldversicherung). Sofern nicht sofort eine neue Stelle angetreten wird, endet der Unfallversicherungsschutz nach 30 Tagen nach der letzten Lohnzahlung. Die Unfallversicherung kann bei Bedarf auf Kosten des Mitarbeitenden um maximal 180 Tage verlängert werden. Die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers endet spätestens mit dem Austritt des Mitarbeiters. 6.4 Lohnfortzahlung im Stundenlohn bei Krankheit und Unfall Mitarbeitenden im Stundenlohn wird bei einer Krankheits- oder Unfallabwesenheit bis 30 Tage die Arbeitszeit vergütet, für welche sie zur Arbeit eingeteilt wurden. Bei einer Krankheitsdauer ab 30 Tagen wird der monatliche Durchschnittslohn der letzten 12 Monate während der Dauer gemäss vertraglichen Versicherungsbedingungen ausbezahlt. 6.5 Lohnfortzahlung bei Niederkunft Die Mitarbeiterin hat einen Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen (98 Tage; ev. freiwillig erweitern auf 16 Wochen 100 % unter Anrechnung der Versicherungsleistung). Der gesetzliche Anspruch auf Mutterschaftsurlaub steht auch Mitarbeiterinnen im durch die Arbeitgeberin gekündigten Arbeitsverhältnis sowie Mitarbeiterinnen auf Abruf zu. Die Mitarbeiterinnen angehalten die Schwangerschaft möglichst frühzeitig mitzuteilen. Der Entschädigungsanspruch entsteht am Tag der Geburt. In begründeten Fällen kann der Bezug auf den Zeitpunkt verschoben werden, an welchem das Kind aus dem Spital nachhause kommt. Er endet vorzeitig, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise wieder aufnimmt. Das Taggeld entspricht 80 % des AHV-beitragspflichtigen Einkommens bis zum gesetzlichen Maximum gemäss EOG. Leistet die EO keine Mutterschaftsleistung, besteht ein Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin im Rahmen von Art. 324a OR. 6.6 Lohnfortzahlung im Todesfall Hinterlassen verstorbene Mitarbeitende Ehegatten, einen oder eine eingetragenen Partner oder Partnerin, minderjährige Kinder oder bei Fehlen dieser Erben andere Personen, denen gegenüber sie eine Unterstützungspflicht zu erfüllen hatten, so wird der Lohn für einen weiteren Monat, nach fünfjähriger Dienstdauer für zwei weitere Monate ausgerichtet. Das Arbeitsverhältnis erlischt jedoch mit dem Tod des Arbeitnehmers. 6.7Dienstjubiläum Die Arbeitgeberin entrichtet folgende Dienstaltersgeschenke: (freiwillige Leistungen!) • Mit vollendeten 10 Jahren CHF 1’000.– • Mit vollendeten 20 Jahren CHF 2’000.– • Mit vollendeten 30 Jahren CHF 4’000.– • Mit vollendeten 40 Jahren CHF 5’000.– Diese Zahlungen sind AHV/ALV-pflichtig und steuerpflichtig. 17 7.Versicherungen 7.1 Berufliche Vorsorge Gemäss Gesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) sind Mitarbeitende ab vollendetem 17. Altersjahr gegen die wirtschaftlichen Folgen von Invalidität und vorzeitigem Tod versichert (Risikoversicherung) und haben ab 1. Januar nach Vollendung des 24. Altersjahres im Rahmen der Pensionskasse Beiträge an ihre Altersvorsorge zu leisten. Über Leistungen, Beiträge usw. informiert das Reglement der Pensionskasse. 7.2Krankentaggeld Der Betrieb hat zur Deckung des Lohnausfalls bei Krankheit eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen. Die Prämie wird je zur Hälfte vom Betrieb und den Mitarbeitenden bezahlt. 7.3Unfall Alle Mitarbeitenden mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von acht und mehr Stunden sind gegen Berufsunfälle (BU) und Nichtberufsunfälle (NBU) versichert. Mitarbeitende mit tieferem Beschäftigungsgrad sind nur gegen Berufsunfälle versichert. Die Prämie für Berufsunfälle geht zu Lasten des Betriebes. Die Prämie für die Nichtberufs­unfallVersicherung geht zu Lasten der Mitarbeitenden. Die Deckung der Unfallversicherung erlischt 30 Tage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 7.4Haftpflichtversicherung Die Mitarbeitenden sind durch den Betrieb für die im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verursachten Personen- und Sachschäden versichert. 8. Nutzung von Internet und betrieblichen Infrastrukturen Die von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Informations- und Kommunika­tionsmittel sowie Kopierer sind für geschäftliche Zwecke bestimmt. Auf Zusehen hin toleriert die Arbeitgeberin eine geringfügige private Nutzung, soweit dadurch die Interessen der Arbeitgeberin nicht beeinträchtigt werden. Jeder Mitarbeiter trägt Eigenverantwortung für die Nutzung dieser Strukturen. Nicht gestattet ist die private Nutzung von Chat-Plattformen und kostenpflichtigen Dienstleistungen einschliesslich das Herunterladen und Installieren von Dateien und Programmen und das Kopieren von geschäftlichen Dateien und Programmen zu privaten zwecken. Soweit die Speicherung von privaten Daten zulässig ist, sind diese auf den durch die Arbeitgeberin dafür eingerichteten lokalen Ordnern («Eigene Dateien») abzulegen. Der Vorgesetzte schränkt die Nutzung ein, sofern dies aufgrund der geforderten Arbeitsleistung oder anderen betrieblichen Gründen notwendig ist. Nicht gestattet ist die Nutzung der Informations- und Kommunikationsmittel zum Empfang und zur Verbreitung rassistischer, pornografischer, sexistischer, oder sonst diskriminierender, widerrechtlicher oder unsittlicher Inhalte sowie zur Verbreitung von Persönlichkeits- und/oder ehrverletzender Äusserungen. Weiter ist jegliche Nutzung der Informations- und Kommunikationsmittel für kommerzielle Zwecke ausserhalb der Tätigkeit der Arbeitgeberin untersagt. 18 Mit den von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Informations- und Kommunikationsmitteln dürfen Downloads von Software sowie die Installation von Hard- und Software nur mit schriftlicher Genehmigung der Arbeitgeberin vorgenommen werden. Fest installierte Informatik- und Telekommunikationsmittel dürfen nicht entfernt werden. Die Weitergabe von Passwörtern an Dritte (auch Mitarbeiter) ist untersagt. Beim Verlassen des Arbeitsplatzes – auch für kurze Zeit – ist die Arbeitsstation zu sperren. Die Arbeitgeberin überprüft die Einhaltung der Nutzungsregelung betreffend Internet und E-Mail stichprobenweise anonym. Besteht ein begründeter Verdacht auf Missbrauch, kann die Praxisinhaberin eine personenbezogene Überprüfung anordnen. Die Sanktionen bei Verstössen gegen diese Nutzungsregelung reichen je nach der Schwere des Missbrauchs von einer Verwarnung bis zur fristlosen Entlassung bei Nutzung von Websites mit rechtswidrigen, sexistischen, pornografischen oder rassistischen Inhalten. Der Inhalt von E-Mails bleibt als Teil der Privatsphäre auf jeden Fall geschützt. Missbrauch muss auf Grund der E-Mail-Adressierung festgestellt werden. 9. Sanktionen bei Pflichtverletzungen und Beschwerderecht Bei Pflichtverletzungen werden je nach Schwere des Vergehens folgende Sanktionen einzeln oder kombiniert ausgesprochen: –Ermahnung –Verwarnung –Kündigungsandrohung – Kündigung (bei schwerwiegendem Vertrauensbruch fristlos). Die Massnahmen werden schriftlich protokolliert, von beiden Parteien unterzeichnet und im Personaldossier während drei Jahren aufbewahrt. Der Mitarbeiter erhält Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Der Mitarbeiter kann sich bei Meinungsverschiedenheiten mit Mitarbeitenden oder Vorgesetzten an die Geschäftsleitung wenden. Diese ergreift nach Anhörung der Betroffenen die notwendigen Massnahmen zur Behebung der Störung. 10. Gesundheitsschutz, Hygienevorschriften, Kleidervorschriften Der Gesundheitsschutz, die Hygiene- sowie die Kleidervorschriften sind in betrieblichen Weisungen geregelt. 11.Schlussbestimmung Die Praxisinhaberin hat dieses Reglement am…. genehmigt. Es tritt per 1.1.20.. in Kraft und ersetzt das Reglement vom 1.1.20.. sowie alle früheren Weisungen. Ort, Datum, Unterschriften 19 Anhänge zum Personalreglement: Je nach Bedarf: –Jahresarbeitszeitreglement –Zulagenordnung –Weiterbildungsreglement – Weisungen Gesundheitsschutz – Weisungen Kleidervorschriften 1 Anhang 2 Arbeitszeugnis Briefkopf Arztpraxis Arbeitszeugnis Herr/Frau Titel, X, geb. am Datum, von (Heimatort bzw. Nationalität), arbeitet(e) vom (Anstel­ lungsbeginn) bis (offizielles Enddatum) in unserer Firma (Name) als (Funktion) in einem Pensum von … %. Unser Unternehmen ist (Kurzbeschrieb, freiwillig – nur in Bezug auf die berufliche Weiterent­ wicklung des Arbeitnehmers wichtig). Herr/Frau X konnte dank seinem/ihrem grossen Fachwissen und der breiten Erfahrung bereits nach kurzer Einarbeitung als … zu … befördert werden. Insbesondere aufgrund seiner/ihrer tol­ len Erfolge mit dem Projekt … wurden ihm/ihr zusätzliche Kompetenzen als… eingeräumt und die Verantwortung für … übertragen. Die Aufgaben von Herrn/Frau X umfassten im Wesentlichen: Herr/Frau X überzeugte durch seine/ihre enorme Identifikation mit dem Unternehmen, seine/ ihre hohe Auffassungsgabe und zielgerichtete Kreativität mit jederzeit besten Leistungen. Sein/ihr Fachwissen hielt er/sie durch regelmässige Weiterbildungen auf dem neusten Stand seines/ihres Gebietes und gab dieses anschaulich und mit für das gesamte Unternehmen von grossem Nutzen an unsere Mitarbeitenden weiter. Herr/Frau X arbeitet äusserst weitblickend, zuverlässig und termintreu, seine/ihre Führungs­ kompetenz ist vorbildlich und motivierend. Er/sie schafft eine äusserst förderliche Teamatmos­ phäre und er/sie gewinnt junge Talente zuverlässig und langfristig für unsere Unternehmung. Als Vorgesetzter ist er/sie integer, diskret, durchsetzungsfähig und überzeugend, als Geschäfts­ partner/-in und Kolleg/-in integer, loyal und sehr geschätzt. Wir kennen und schätzen Herrn/Frau X nur als absolut vertrauenswürdig und ergebnisstarke/-n Mitarbeitende/-n. Herr/Frau X verlässt uns auf eigenen Wunsch, was wir ausserordentlich bedauern. Seine/ihre Beweggründe können wir jedoch nachvollziehen. Wir wünschen Herr/Frau X … und freuen uns, gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt er­ neut mit Herrn/Frau X zusammenzuarbeiten. Ort, Datum Unterschrift 1 Unterschrift 2 1 Anhang 3 Schreiben an behandelnden Arzt/Ärztin betreffend qualifiziertes Arztzeugnis Briefkopf Arztpraxis Adresse behandelnder Arzt Strasse Nr. Strasse Nr. PLZ Ort PLZ Ort Ort, Datum Arbeitsunfähigkeitszeugnis Sehr geehrter Herr/Frau Dr. X Uns liegt ein von Ihnen ausgestelltes Arbeitsunfähigkeitszeugnis für unsere/-n Mitarbeiter/-in Herrn/Frau Z vor (Beilage 1), in welchem Sie Arbeitsunfähigkeit «zu 100 %» und «bis auf weiteres» bescheinigen. Nach Rücksprache mit Herrn/Frau Z bitten wir Sie, dieses Zeugnis näher zu qualifizieren. Sie helfen damit Herrn/Frau Z, den Kontakt zu seiner/ihrer Arbeitsstelle zu halten und uns, sorgfältiger planen zu können. Anbei finden Sie die durch Herrn/Frau Z unterzeichnete Erklärung zur Entbindung vom ärztlichen Berufsgeheimnis (Beilage 1). Gerne wollen Sie uns die unten stehenden Fragen immer in Bezug auf die durch Herrn/Frau Z auszuübende Funktion und Aufgaben (Beilage 2, Stellenbeschrieb) beantworten. Herzlichen Dank! Mit bestem Dank für Ihre Bemühungen und Freundlichen Grüssen Unterschrift 1 Kopie geht an: Herrn/Frau Z 2 Fragebogen qualifiziertes Arbeitsunfähigkeitszeugnis 1. Bezieht sich die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit auf ein 100 %-Pensum oder auf das bei uns bestehende X-%-Pensum? 2. Sind Prognosen über den Heilungsverlauf möglich? Ab wann ist davon auszugehen, dass Herr/ Frau Z stufenweise wieder mit der Arbeitsaufnahme beginnen kann und in welchem Ausmass? 3. Gibt es Aufgaben im beiliegenden Stellenbeschrieb, welche Herr/Frau Z weiterhin ausführen kann? Falls ja, welche, und in welchem Masse? (auf 100 Stellenprozent gerechnet)? 4.Gibt es alternative Tätigkeiten zum vorgelegten Stellenbeschrieb, welche aus gesundheit­ lichen Gründen durch Herrn/Frau Z verrichtet werden könnten? 5.In welchem Rhythmus sind ärztliche Untersuchungen zielführend? Bitte begrenzen Sie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit entsprechend. 6. Empfehlen Sie anderweitige Unterstützungsmassnahmen, welche den/die Mitarbeitende/-n in seiner/ihrer Rehabilitation unterstützen können? 7. Haben Sie weitere Anmerkungen/Empfehlungen? Beilage 1 Verzicht auf das ärztliche Berufsgeheimnis Der/Die Unterzeichnete entbindet die behandelnden Ärzte/Ärztinnen und ihre Hilfspersonen von der Wahrung des Berufsgeheimnisses in Bezug auf die unten aufgeführten Fragen und ermächtigt sie, diese dem Arbeitgeber wahrheitsgemäss zu beantworten und die der Heilung dienlichen Auskünfte zu erteilen. Der/die Unterzeichnete Ort , den Beilage 2 Stellenbeschrieb für Herrn/Frau Z. 1 Anhang 4 Aufhebungsvereinbarung Aufhebungsvereinbarung zwischen AA (nachgenannt Arbeitgeber/-in) und BB (nachgenannt Arbeitnehmer/-in) A. Präambel Der/die Arbeitnehmer/-in ist bei der Arbeitgeberin seit Eintrittsdatum gemäss Arbeitsvertrag in der Funktion als aktuelle Funktion tätig. Das aktuelle Brutto-Jahresgehalt beträgt CHF … Das Arbeitsverhältnis soll im gegenseitigen Einvernehmen auf Initiative des/der Arbeitgeber/-in/Arbeitnehmer/-in aufgehoben werden. Zu diesem Zweck schliessen die Parteien für die gütliche Auseinandersetzung die nachfolgende Vereinbarung ab. B. Vereinbarung 1. Aufhebung/Aufhebungszeitpunkt Der Arbeitsvertrag wird im gegenseitigen Einvernehmen per sofort/per Datum der Unterzeichnung aufgehoben. 2. Lohnzahlungen (inkl. Spesenpauschale) 2.1 Die Parteien einigen sich auf [ ] eine Lohn- und Spesenzahlung, so wie wenn der Arbeitsvertrag heute ordentlich gekündigt worden wäre (13. Monatslohn pro rata temporis). [ ] eine Pauschalzahlung von netto CHF … 2.2 Der vereinbarte (Gesamt-)Betrag ist zur Zahlung fällig [ ] per Datum … [ ] in x Raten, erstmals per Ende des Monats X, danach jeweils per Ende der folgenden Monate. 3. Bonus (evtl.) Dem/der Arbeitnehmer/-in wird ein Bonus in Höhe von CHF … ausbezahlt, sofern (nicht)…. per DATUM. 4. Freistellung (evtl.) 5. Rückgabe der Arbeitgebergegenstände Der/die Arbeitnehmer/-in hat der Arbeitgeberin die unten aufgeführten Gegenstände [ ] am genaues Datum an Person abzuliefern. Es sind dies: Schlüssel, Dossiers, Mitarbeiterausweis, Personalfahrzeug, Arbeitskleidung… (usw.) 2 6.Besondere Geheimhaltungspflicht und Stillschweigen über Vereinbarungsinhalte Die Parteien vereinbaren, dass die Treue- und Geschäftsgeheimniswahrungs-Pflicht in der Qualität wie bei laufendem Arbeitsverhältnis fortbesteht. Über sämtliche Kenntnisse betreffend Patienten, Angehörige, Mitarbeitende sowie betreffend interne Abläufe und Prozesse, welche er/sie sich durch seine/ihre Tätigkeit erworben hat, sowie über den Inhalt der vorliegenden Vereinbarung verpflichtet sich der/die Arbeitnehmer/-in, Stillschweigen zu bewahren. Der/die Arbeitnehmer/-in erklärt darüber hinaus, der Arbeitgeberin alle pendenten Dossiers, Akten, Datenträger, auch namentlich solche wie Businesspläne, Marketingkonzepte, Patienten-, Kunden- und Lieferantenlisten und Einkaufs- bzw. Verkaufskonditionen und dergleichen mehr zurückgeben zu haben. 7. Konkurrenzverbot (evtl.) 8. Kommunikationsregelung im Team, gegenüber Kunden usw. (evtl.) 9. Arbeitszeugnis Der/die Arbeitnehmer/-in erhält per Datum der Unterzeichnung ein Arbeitszeugnis, welches dem im Anhang befindlichen Zeugnis – Entwurf entspricht. 10. Per Saldo-Klausel Die Parteien erklären sich mit Unterzeichnung der vorliegenden Vereinbarung als per Saldo aller aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüche auseinandergesetzt. 11.Mediationsklausel Sollten sich bei der Abwicklung der vorliegenden Vereinbarung Unstimmigkeiten ergeben, so verpflichten sich die Parteien, diese mittels Mediationsverfahren zu bereinigen. Als Mediator/-in bestimmen die Parteien einvernehmlich PERSON. Ort, Datum Ort, Datum Der/Die Arbeitnehmer/in Für die Arbeitgeberin 1 Anhang 5 Änderungskündigung Briefkopf Arztpraxis Adresse Mitarbeiter Strasse Nr. Strasse Nr. PLZ Ort PLZ Ort Ort, Datum Änderung Ihrer Anstellungsbedingungen/Änderungskündigung Liebe Mitarbeitende, Sehr geehrte Damen und Herren Anbei finden Sie die geplanten und Ihnen bereits mündlich unterbreiteten Änderungen unseres Personalreglements, welche per (Datum 1 – Ablauf der längsten Kündigungsfrist) eingeführt werden sollen. Bitte prüfen Sie diese sorgfältig. Selbstverständlich stehen wir Ihnen für Ihre Fragen gerne zur Verfügung. Sollten Sie mit den damit einhergehenden Änderungen Ihres Arbeitsvertrages nicht einverstanden sein, bitten wir Sie, und dies bis spätestens DATUM 2 (Datum Poststempel) eingeschrieben mitzuteilen. In diesem Falle gilt das vorliegende Schreiben gleichzeitig als Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses per Datum 1. Wir werden uns diesfalls mit Ihnen betreffend Austrittsverfahren in Verbindung setzen. Bei Stillschweigen Ihrerseits gehen wir von Ihrem Einverständnis mit den geplanten Änderungen Ihrer arbeitsvertraglichen Grundlagen per Datum 1 aus. In diesem Fall müssen Sie nichts weiter unternehmen. Selbstverständlich hoffen wir, möglichst vollumfänglich auf Sie alle weiterhin zählen zu dürfen. Für Ihre bisher geleisteten Dienste danken wir Ihnen an dieser Stelle wieder einmal ganz herzlich. Freundliche Grüsse Ort, Datum Unterschrift 1 Unterschrift 2 1 Anhang 6 Gesetzliche Rahmenbedingungen für Tierärztinnen und Tierärzte Die wichtigsten bundesrechtlichen Erlasse: Lebensmittelgesetzgebung • SR 817.0 Lebensmittelgesetz vom 9. Oktober 1992 (LMG) • SR 817.02 Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 23. November 2005 (LGV) • SR 817.190 Verordnung vom 23. November 2005 über das Schlachten und die Fleischkontrolle (VSFK) • SR 817.190.1 Verordnung des EVD vom 23. November 2005 über die Hygiene beim Schlachten (VHyS) • SR 916.341 Verordnung vom 26. November 2003 über den Schlachtvieh- und Fleischmarkt (Schlachtviehverordnung, SV) • SR 916.351.0 Milchprüfungsverordnung vom 20. Oktober 2010 (MiPV) • SR 916.351.021.1 Verordnung des WBF vom 23. November 2005 über die Hygiene bei der Milchproduktion (VHyMP) Tierseuchengesetzgebung • SR 916.40 Tierseuchengesetz vom 1. Juli 1966 (TSG) • SR 916.401 Tierseuchenverordnung vom 27. Juni 1995 (TSV) • SR 916.402 Verordnung vom 16. November 2011 über die Aus-, Weiter- und Fort­ bildung der Personen im öffentlichen Veterinärwesen • SR 916.314.1 Verordnung über die Unterstützung des Beratungs- und Gesundheitsdienstes in der Schweinehaltung vom 27. Juni 1984 (SGDV) • SR 916.405.4 Verordnung über die Unterstützung des Beratungs- und Gesundheitsdienstes für Kleinwiederkäuer (BGKV) vom 13.1.1999 • SR 916.441.22 Verordnung vom 25. Mai 2011 über die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten (VTNP) • SR 916.443. 10 Verordnung vom 18. April 2007 über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten (EDAV) • SR 916.443.106 Verordnung des EVD vom 16. Mai 2007 über die Kontrolle der Ein- und Durchfuhr von Tieren und Tierprodukten (EDAV-Kontrollverordnung) • SR 916.443.12 Verordnung vom 18. April 2007 über die Ein- und Durchfuhr von Tieren aus Drittstaaten im Luftverkehr (EDTV) • SR 916.443.13 Verordnung vom 27. August 2008 über die Ein- und Durchfuhr von Tierprodukten aus Drittstaaten im Luftverkehr (EDTpV) • SR 916.443.14 Verordnung über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Heim­tieren vom 28. November 2014 (EDAV-Ht) 2 Tierschutzgesetzgebung • SR 455 Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (TSchG) • SR 455.1 Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV) • SR 455.109.1 Verordnung des EVD vom 5. September 2008 über Aus­bildungen in der Tierhaltung und im Umgang mit Tieren • SR 455.110.1 Verordnung des BVET vom 27. August 2008 über die Haltung von Nutztieren und Haustieren • SR 0.452 Europäisches Übereinkommen vom 6. November 2003 über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport (revidiert) • SR 0.454 Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen vom 10. März 1976 • SR 0.457 Europäisches Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere vom 18. März 1986 • SR 0.456 Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren vom 13. November 1987 Artenschutzgesetzgebung • SR 453 Bundesgesetz über den Verkehr mit Tieren und Pflanzen geschützter Arten vom 16. März 2012 (BGCITES) • SR 453.1 Verordnung des EDI über die Kontrolle des Verkehrs mit Tieren und Pflanzen geschützter Arten vom 4. September 2013(CITES-Kontrollverordnung) • SR 0.453 Übereinkommen vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (mit Anhängen I-IV) Heilmittelgesetzgebung • SR 812.121 Bundesgesetz über die Betäubungsmittel vom 3. Oktober 1951 (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) • SR 812. 121.1 Verordnung vom 25. Mai 2011 über die Betäubungsmittelkontrolle (Betäubungsmittelkontrollverordnung, BetmKV) • SR 812.21 Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) • SR 812.212.1 Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Bewilligungen im Arzneimittelbereich (Arzneimittel-Bewilligungsverordnung, AMBV) • SR 812.212.21 Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittel (Arzneimittelverordnung, VAM) • SR 812.212.27 Verordnung vom 18. August 2004 über die Tierarzneimittel (Tierarzneimittelverordnung, TAMV) 3 Weitere Erlasse • SR 818.141.1 Verordnung vom 13. Januar 1999 über die Meldung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Melde-Verordnung) • SR 811.11 Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die universitären Medizinal­ berufe (Medizinalberufegesetz, MedBG) Interne Erlasse der GST •Standesordnung • Ausführungsbestimmungen zur Standesordnung • Ethische Grundsätze für den Tierarzt vom 9. Juni 2005 • Korrekter Umgang mit Tierarzneimitteln ISBN 978-3-033-04981-9 9 783033 049819