Schwerpunkt: Energiewende Experimentelle Klima- und Biodiversitätsforschung zum Anfassen Exkursion in den Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth Von Sophie Spille, Potsdam W ie auch in den Jahren zuvor, ging die diesjährige Jahrestagung des VGöD in Bayreuth mit einem Angebot an verschiedenen Exkursionen zu Ende. Trotz grauer, tiefhängender Wolken und ersten Regentropfen machte sich ein Teil der Tagungsteilnehmenden zu Fuß auf den Weg, um mit Frau Prof. Dr. Anke Jentsch die experimentelle Klima- und Biodiversitätsforschung im ÖkologischBotanischen Garten der Universität Bayreuth kennenzulernen. Die auf den Versuchsflächen (Abbildung 1) durchgeführten, sogenannten Eventund Signalexperimente dienen nicht nur der wissenschaftlichen Forschung, sondern bieten außerdem interessierten Studierenden die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln. Bei einem Eventexperiment werden die Umwelteinflüsse auf ein System entsprechend der Fragestellung kontrolliert, beziehungsweise künstlich nachgeahmt, während das betrachtete System als abhängige Variable weitgehend natürlich bleibt. Dadurch ist es möglich, die Reaktion eines natürlichen Systems auf ein bestimmtes Ereignis oder eine dauerhafte Umweltveränderung zu beobachten. Ein solches experimentel- les Design verfügt über eine hohe interne Validität. Denn durch die Konstanthaltung und Steuerung der äußeren Einflüsse werden Störvariablen verhindert, sodass die gemessene Veränderung der abhängigen Variablen (beispielsweise Pflanzenwachstum) einzig und allein auf die Variation der unabhängigen Faktoren (zum Beispiel Hitze) zurückzuführen ist. Die externe Validität ist hingegen niedrig, was bedeutet, dass die Ergebnisse des Experiments schlecht verallgemeinert und somit schwer auf andere Systeme angewendet werden können. Abbildung 1: Versuchsflächen der Universität Bayreuth, Foto: Jonathan Neumann. 36 FORUM GEOÖKOL. 25 (1), 2014 Schwerpunkt: Energiewende Zur Veranschaulichung der Eventexperimente präsentierte Frau Prof. Dr. Jentsch zwei Beispiele: Zunächst erläuterte sie das Experiment einer achtjährigen Sommerdürre. In diesem Experiment wurde die Versuchsfläche über einen Zeitraum von acht Jahren von Niederschlägen abgeschirmt und durch Wärmestrahler erhitzt. Entgegen der Erwartungen ergaben sich keine sichtbaren Effekte auf die Biomasse als wichtigste Kenngröße des Pflanzenwachstums. Bei genauerer artenspezifischer Betrachtung wurde jedoch eine starke Veränderung in dem massenhaften Verhältnis der Arten untereinander deutlich: Bei bestimmten Pflanzenarten hatte sich die Biomasse reduziert, während andere einen Zuwachs der Biomasse erkennen ließen. Vermutet wird, dass bei erhöhtem Stress jene Arten profitieren, die unter gewöhnlichen Umweltbedingungen von konkurrenzstärkeren Arten an Extremstandorte verdrängt werden. Unter neuen Umweltbedingungen ändern sich jedoch die Anforderungen an die Pflanzen und es sind andere Eigenschaften und Strategien gefragt als zuvor. Dadurch sind gewisse Arten plötzlich im Vorteil. Das Ergebnis macht deutlich: Eine gewöhnliche Wiese der gemäßigten Zone zeigt Stabilität gegenüber Dürre. Dies lässt sich jedoch vorerst nur bezüglich des Parameters Biomasse bestätigen. Ein problematischer Aspekt kann beispielsweise die Veränderung der phänologischen Zyklen der Pflanzen sein. Denn durch die Sommerdürre kann sich die Blütenbildung einiger Pflanzenarten verschieben. Fällt diese nun in einen Zeitraum, in welchem keine bestäubenden Insekten aktiv sind, können sich jene Arten, die auf Fremdbestäubung angewiesen sind, nicht reproduzieren und drohen, lokal auszusterben. Auch wenn die Pflanzenbiomasse gegenüber Dürre stabil zu sein scheint, zeigt sich also, dass die komplexen Wechselwirkungen der Vegetation mit ihrer biotischen FORUM GEOÖKOL. 25 (1), 2014 und abiotischen Umwelt oft unvorhersehbar sind. Als zweites Beispiel wurde das Experiment einer dreimonatigen Dürre erklärt, bei dem die Versuchsfläche über den Zeitraum einer kompletten Vegetationsperiode trocken gehalten wurde. Erwartungsgemäß trockneten alle Pflanzen aus. Erstaunliche Ergebnisse lieferte jedoch die anschließende Bewässerung: Ein großer Anteil der Pflanzen erholte sich oder trieb neu aus, da früh genug vor der Austrocknung eine Aussamung erfolgt war. Die Ergebnisse der Experimente zeigen auf, wie wichtig der Erhalt extensiver Kulturlandschaften wie Weiden und Wiesen für die Stabilität und den Erhalt der Artenvielfalt sein kann. In der konventionellen Landwirtschaft sind durch Nischenbildung viele neue Arten entstanden – Landnutzung und Artenschutz schließen sich also nicht per se aus. Intensive Landnutzung und Monokulturen reduzieren allerdings die Stabilität gegenüber Umweltschwankungen enorm. Angesichts des gegenwärtigen, anthropogen verursachten Ungleichgewichts der Geosysteme werden letztere jedoch zunehmend extremer – die derzeitige intensive Landnutzung kann demnach keineswegs ein sinnvolles Zukunftsmodell für unsere Nahrungsmittelproduktion sein. Das Signalexperiment ist komplementär zum Eventexperiment – hier wird anstatt einer natürlich gegebenen Versuchsfläche ein entsprechend der Fragestellung kontrolliertes System unter natürlichen Umwelteinflüssen untersucht. Dadurch ergibt sich eine niedrige interne Validität, aber eine hohe externe Validität. Als Beispiel für Signalexperimente stelle Frau Prof. Dr. Jentsch Mesokosmen vor. Mesokosmen sind möglichst naturnahe Bodensegmente, die von ihrer Umgebung abgeschirmt und gezielt mit den zu betrachtenden Arten bepflanzt werden. Dies wird beispielsweise durch abgesägte, senkrecht in den Boden eingebettete Plastikrohre (Durchmesser etwa 30 cm) realisiert, die mit homogen durchmischtem Bodenmaterial befüllt werden. Sie bieten die Möglichkeit, künstliche Artenzusammensetzungen zu beobachten, insbesondere den Konkurrenzdruck oder die Symbiosen der Arten untereinander sowie die Reaktion der Arten auf Bewässerung oder Düngung. Zum Schluss gab es eine Führung durch die Gewächshäuser. Als weltweite Besonderheit gilt in Bayreuth das Gewächshaus für tropische Hochgebirgspflanzen mit einer sehr aufwendigen Nachahmung der Klimaverhältnisse. Hier werden sowohl die starken Temperaturschwankungen zwischen Hitze am Tag und Frost in der Nacht als auch die Schwankungen der Windgeschwindigkeit gesteuert. Eindrucksvoll war außerdem das größte Blatt der Welt, beheimatet im Nebelwald. Als solches ist es zunächst kaum auszumachen, denn es entspricht in Größe und Erscheinung fast einem Baum. Drückt man jedoch in den „Stamm" so fliegt die Täuschung auf – die Elastizität des Materials verrät, dass es nicht verholzt ist. Sophie Spille studiert in Potsdam Geoökologie und ist Mitglied des Fachschaftsrates. 37