OnkPharm 0908.indd - Deutsche Gesellschaft für Onkologische

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„Wer hätte das gedacht: Harnwegsinfekte schützen vor Blasenkrebs“ – unter dieser Über11. Jahrgang · Nr. 3/2009
schrift titelten die Uro-News
bereits im März diesen Jahres
den Kurzbericht über eine Studie an 1.586 Patienten
aus der University of Southern California, Los Angeles,
Inhalt
USA. Blaseninfekte in der Vorgeschichte schützen Frauen vor einem Tumor der Blase und die Risikoreduktion
Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen
Bericht vom Jahreskongress der American Society
of Clinical Oncology
Aktuelle Themen in der Therapie des nicht
muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
4
größer, je häufiger die Frauen einen Blaseninfekt gehabt
8
hatten. Wahrscheinlich entfalten die üblicherweise bei
Blaseninfekten eingesetzten Antibiotika eine sich positiv
auswirkende Zytotoxizität [Jiang X. et al. Br J Cancer].
12
Annähernd 100.000 neue Krebserkrankungen pro Jahr
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter
Nierenfunktion: eine Aufgabe für den onkologischen
Pharmazeuten
18
Impfungen für Patienten mit Tumorerkrankungen?
24
PSA Test: Pro und Kontra
26
Kommentar vom Herausgeber
29
betreffen das Fachgebiet der Urologie. Der OnlineDatenbank der Gesundheitsberichterstattung (GBE)
des Bundes ist zu entnehmen, dass der Prostatakrebs
mit etwa 48.650 Erkrankungsfällen im Jahr 2002 die
häufigste Krebsneuerkrankung bei Männern ist und
der Anstieg der Prostatakrebsraten auf die Einführung
des PSA-Tests zurückgeführt wird. Die unter Experten
kontrovers geführte Diskussion über dessen Stellenwert
Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.
(BPS) stellt sich vor
33
1. NZW in Dresden vom 12. bis 13. Juni 2009
35
„Supportivtherapie in der Onkologie
feiert 20. Geburtstag“
46
in der Früherkennung des Prostatakarzinoms wird in
der heute vorliegenden Ausgabe der „Onkologischen
Pharmazie“ von Prof. Jürgen Breul vorgestellt.
Neben weiteren Beiträgen zur Schwerpunktthematik
„Urologische Tumoren“ finden Sie, liebe Leser, unseren Leitartikel zur Initiierung einer flächendeckenden,
Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr –
seit 27 Jahren im Dienste der Betroffenen
54
„Maligner“ Leydigzelltumor des Hodens –
ein kasuistischer Beitrag
58
Neue therapeutische Optionen beim metastasierten
Nierenzellkarzinom
für das Auftreten eines Blasenkrebses war sogar umso
EDITORIAL
Inhalt/Editorial
nationalen Informations- und Schulungskampagne der
DGOP mit dem Ziel der Therapieoptimierung für onkologische Patienten, die unter dem Motto des Beitrages
„Kompetente Antworten auf scheinbar einfache Fragen“
steht. Ebenso praxisrelevant sind die Berichterstattun-
61
gen zu den wissenschaftlichen Höhepunkten des 1. NZW
Dresden, zum diesjährigen ASCO in Orlando und vom
Fachpresse-Workshop Supportivtherapie.
Ständige Rubriken
Zur onkologischen Praxis gehört auch die Politik, die uns
Testiertes interaktives Selbststudium
22
Buchbesprechungen
50
Impressum
52
Who is who
53
die Rahmenbedingungen vorgibt. Hierzu finden Sie den
aktuellen Kommentar des Herausgebers auf Seite 30.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!
Ihre Karla Domagk
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 3
Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen
Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen
Von Jürgen Barth, Gießen
D
ie „klinische Erfahrung“ zeigt: orale Zytostatika sind die beratungsintensivsten Arzneimittel, die wir haben. Es bedarf einer hohen Compliance, um den erwünschten
Therapieerfolg zu gewährleisten. Die Antwort auf die scheinbar leichte Frage: „Wie muss
ich die Tabletten/Kapseln einnehmen? “ lautet nicht: „Mit dem Mund.“
Non-Compliance oder Falschanwendung
wegen ungenügender Patientenunterweisung können nicht nur den Therapieerfolg
bedrohen, sondern im schlimmsten Fall
auch das Leben des Patienten. So verstarb
eine junge Frau, weil sie über 7 Tage 200 mg
Lomustin eingenommen hatte. Lomustin
wird jedoch in einem 6 Wochenintervall
appliziert. Grund für dieses Unglück ist mit
hoher Wahrscheinlichkeit die Nicht-Unterweisung des verordnenden Arztes und das
Nicht-Hinterfragen des abgebenden Pharmazeuten, ob der Patientin bekannt ist, wie
sie das Medikament einzunehmen hat – also
weil zwei Leute geschwiegen haben [1].
zeitige Nahrungsaufnahme um 10-20%. Die
resultierende AUC sinkt ebenfalls um 1020%. Daher sollte Chlorambucil nüchtern
eingenommen werden. Die Fachinformation Leukeran® (Stand 2006) empfiehlt die
Einnahme mindestens eine halbe Stunde
vor der Mahlzeit. Ungeklärt ist, ob dieser
Abstand ausreicht.
Die Resorption von Melphalan wird kompetitiv durch Aminosäuren, insbesondere
L-Leucin vermindert [2]. Patienten sollten
Leucin-reiche Lebensmittel (Tab. 1) während der Melphalan-Therapie meiden oder
die Substanz sollte nüchtern eingenommen
werden, da die Bioverfügbarkeit nüchtern
85% beträgt und mit einer Mahlzeit auf 58%
sinkt.
Bei diversen „klassischen“ Zytostatika finden sich Bioverfügbarkeitsprobleme bei der
Einnahme mit oder ohne Nahrung. Während Chlorambucil eine Bioverfügbarkeit
(BV) von 70-80% aufweist, kommt es zu
einer verzögerten Resorption durch gleich-
Sehr problematisch ist die BV von Etoposid.
Neben inter- und intraindividuellen Schwankungen hängt sie von der eingenommenen
Dosis ab. Erhöht man die Dosis ausgehend
von 100 mg auf 200 mg, 300 mg, 400 mg
und 600 mg per Einzelgabe, so erfolgt keinesfalls eine analoge Erhöhung der AUC
um 100%, 200%, 300% oder 500%, sondern
weniger, wie in der folgenden Tabelle 2 [nach
3] abzulesen ist.
Tab. 1: Leucinreiche Nahrungsmittel, auf die
während einer Melphalan-Therapie verzichtet
werden sollte (Angaben jeweils pro 100 g des
Lebensmittels):
In der Konsequenz heißt das aber für den
Pharmazeuten, dass er die Patientenfrage:
„Ich habe heute morgen meine Etoposiddosis
vergessen. Soll ich heute Abend die doppelte Do-
Orale Zytostatika
sis einnehmen? “ mit: “Nein“ zu beantworten hat.
Vinorelbin in oraler Darreichungsform
befindet sich in einer flüssigkeitsgefüllten
Weichgelatinekapsel. Bei den Flüssigkeiten handelt es sich u. a. um Ethanol 99,5 %,
Glycerol, Macrogol 400, Glycerol 85 %.
Diese Mischung kann bei Haut- vor allem
Schleimhautkontakt zu Irritationen bis hin
zu Schleimhautnekrosen führen. Die Patienten sind, auch gemäß eines Warnhinweises
in der Fachinformation, angewiesen, nicht
auf die Kapsel zu beißen bzw. dürfen die
Kapseln vor der Einnahme keine Beschädigungen aufweisen. Das bedeutet, dass Oralia
– wie hier – auch ein erklärungsbedürftiges
Produkt sind.
Ähnlich auch Treosulfan oral. Das zur palliativen Monotherapie des fortgeschrittenen
Ovarialkarzinoms nach Versagen platinhaltiger Standardtherapien zugelassene Medikament darf im Fall von Schluckbeschwerden (ältere Frauen?) nicht auf ein mit Wasser
gefülltes Glas aufgestreut werden. Es kommt
zur sofortigen Abspaltung kleiner Mengen
Methansulfonsäure, die der gesamten Flüssigkeit sofort einen pH Wert von 1 verleiht.
Auch so etwas muss der Patientin kommuniziert werden.
Das Alkylanz Procarbazin wirkt in therapeutischen Dosierungen als Hemmstoff
der Monoaminoxidase (MAO), wofür die
Substanz ursprünglich synthetisiert wurde
[4]. Durch gleichzeitig zugeführte tyraminreiche Nahrung kommt es bei Patienten zu
klinisch relevanten hypertensiven Krisen.
Weizenkeime:
2170 mg
Thunfisch:
2170 mg
Erdnüsse:
2050 mg
Lachs:
1770 mg
Dosis Etoposid
[mg]
Geschätzte AUC-Erhöhung
[%]
Gemessene AUC-Erhöhung
im Median [%]
Rindfleisch, Filet:
1700 mg
200
100
84
Kichererbsen:
1460 mg
300
200
145
Hüttenkäse:
1230 mg
400
300
173
Reis, unpoliert:
690 mg
600
500
262
Tab. 2: Mit der Dosis erhöht sich nicht die AUC von Etoposid [nach 3]
4 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen
durch die Gabe
von Folaten erhöht (modul ier t). Ob das
auch bei dem oralen Fluorouracilderivat Capecitabin notwendig ist,
wurde im Rahmen einer
Phase II-Studie geprüft. Die
maximal tolerable Dosis (MTD) lag bei
60 mg/d Calciumfolinat (CF) und 2000 mg/m²
Capecitabin (zugelassene Dosis ohne CF
= 2500 mg/m²/d aufgeteilt in 2 Einzeldosen).
Die Dosis limitierenden Toxizitäten (DLT)
waren Diarrhö und Hand-Fuß-Syndrom
(HFS). Letztendlich hat man sich für eine
CF-freie Zulassung und höhere Capecitabindosis entschieden.
Tyraminreich sind z. B. Käse, eingelegter
Hering, Hefeextrakte.
Relevante Interaktionen
Aber auch andere Life-Style Produkte inklusive (hoch dosierter) Vitamine können für
unerwünschte Interaktionen sorgen. So kann
allein die Nicht-Beachtung von Interaktionen mit Vitaminen oder Vitamin-ähnlichen
Verbindungen, die Toxizität eines Medikaments bedrohlich erhöhen.
Bekanntermaßen wird die Toxizität aber
auch die Effektivität von i.v.-Fluorouracil
Im Oktober 2001 wurde bei einer
51jährigen Patientin mit rezidiviertem Mammakarzinom eine
Capecitabintherapie begonnen.
Ohne dass die Onkologen davon
Kenntnis hatten, nahm die Patientin bereits Wochen vor der geplanten Therapie mindestens 15 mg CF
pro Tag ein – also lediglich ¼ dessen,
was in der o.g. Studie untersucht wurde. Das war ihr auf ihre Bitte hin, von
einem Allgemeinmediziner zur „Prävention der durch Chemotherapie induzierbaren
Schleimhautkolitis“ verschrieben worden. Am
8. Tag der Capecitabintherapie entwickelte die Patientin eine Grad IV-Diarrhö, ein
Erbrechen und ein Hand-Fuß-Syndrom,
beides Grad III. Die Patientin verstarb am
5. Dezember 2001 an septischem Schock und
vaskulärem Kollaps [5].
Anfang 2009 erschien ein Artikel mit dem
Titel: Capecitabine: Have We Got the Dose
Right? [6] in dem es unter anderen Aspekten
auch darum geht, dass es in US-amerikanischen Studien mit Capecitabin auffällig
viel und erhöhte Capecitabintoxizität im
Vergleich zu europäischen Studien gibt. Die
Autoren spekulieren, ob der Grund dafür
nicht in einer aggressiven Politik „of folic
acid fortifying“ zu suchen ist. So werden in
den USA Mehl, Maismehl, Reis, Teigwaren und andere Getreideprodukte mit 140 µg
Folsäure pro 100 g angereichert. Was heißt
das nun? Zum einen, dass Patienten dahingehend beraten werden müssen, zu einer
Capecitabintherapie zusätzlich keine Folate einzunehmen und nicht auch noch die
„grüne-Blatt-Diät“ (Nahrungsumstellung
auf „gesunde“ und damit Folat reichere vegetarische Ernährung) begonnen werden
muss. Zum anderen, dass bitte keine (Multi-)Vitaminpräparate eingenommen werden dürfen, jedenfalls dann nicht, wenn sie
Folate enthalten. In dem Zusammenhang
sei auch auf Präparate zur Verschönerung
von Haut, Haar und Nagel hingewiesen,
die auch als Haar- und Nagelvitamine im
Handel sind. Das bedeutet aber auch, dass
ein Pharmazeut solchen Patienten derartige
Produkte nicht nur nicht empfiehlt, sondern
davon aktiv abrät.
Neben Enzymhemmstoffen und Induktoren
–Stichwort CYP P450 3A4- kann aber auch
der Genuss von Tabak für eine Enzyminduktion sorgen. So bewirkt gleichzeitiges
Rauchen mit einer Erlotinib-Einnahme,
dass die Clearance erhöht und die Serumkonzentration erniedrigt wird[7]. Es besteht
also das Risiko subtherapeutischer Spiegel.
Ein weiterer Problempunkt, insbesondere
bei den neuen antineoplastischen Substanzen aus der Klasse der niedermolekularen
Kinaseinhibitoren (smKI = small molecular
Kinase Inhibitors) ist die Diarrhö. Stuhlanalysen nach smKIs zeigen die Merkmale einer
sekretorischen Diarrhö, nämlich:
Viel Natrium
Kein Schleim
Kein Blut
Keine Clost ridium dif f icile Tox ine
(damit auch keine pseudomembranöse
Enterokolitis)
Histopathologisch keine Beschädigung
der Darmmukosa
Im normalen Kolon sind Natriumabsorption und Chloridsekretion unter Beteiligung
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 5
Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen
Tab. 3: CTCAE der Diarrhoe
Toxizitätsgrad
Diarrhoe
1
Anstieg auf < 4 Stühle/Tag über den Ausgangswert
2
Anstieg auf 4-6 Stühle/Tag über den Ausgangswert; Indikation
für intravenöse Flüssigkeiten < 24 h; keine Beeinträchtigung des
Alltagslebens
3
Anstieg auf > 7 Stühle/Tag über den Ausgangswert; Inkontinenz;
intravenöse Flüssigkeiten > 24 h; Hospitalisierung; Beeinträchtigung
des Alltagslebens
4
Lebensbedrohliche Folgen (z.B. hämodynamischer Kollaps)
5
Tod
*modifiziert nach: Allgemeine Terminologiekriterien des National Cancer Institute für unerwünschte Ereignisse bei
Krebstherapie V.3.0 (CTCAE). http://ctep.cancer.gov/forms/CTCAEv3.pdf
von EGFR gesteuert. EGFR scheint ein
negativer Regulator der Chloridsekretion
zu sein. Es kommt daher zu einer erhöhten
Chloridausscheidung durch EGFR Inhibitoren (Erlotinib, Gefitinib, Lapatinib) wegen
der Blockade dieser Regulationsschleife mit
den Symptomen einer sekretorische Diarrhö[8]. Das ist aber nicht der alles erklärende
Pathomechanismus, zumal das nur für die
EGFR-Antagonisten zutrifft, andere smKI
aber ebenfalls gastrointestinale Probleme
hervorrufen. Es ist derzeit nicht bekannt,
ob es sich bei diesen Nebenwirkungen um
enterohepatisch zirkulierende Metabolite
handelt oder ob es sich um Effekte der KIs
an intestinalen Epithelzellen handelt.
Zurück zum Patienten.
Wenn auch für so manchen schwer vorstellbar, so muss Diarrhö definiert und dem Patienten erklärt werden. Des Weiteren muss
er unterwiesen werden, wie er sich beim
Eintritt dieser Nebenwirkung zu verhalten hat. Der Unterweiser tut gut daran, sich
davon zu überzeugen, dass der Patient das
auch verstanden hat. Im Folgenden die Toxizitätsgrade einer Diarrhö nach Common
Merke:
Jede nächtliche, medikamentös
bedingte Diarrhö ist eine
Grad 3 Toxizität!
Terminology Criteria for Adverse Events
(CTCAE) der Version 3.
Zur therapeutischen Intervention einer smKI
induzierten Diarrhö kommt folgendes in
Frage:
Bei Eintritt des ersten ungeformten Stuhls
ist der Patient angewiesen
 Loperamid 2-4 mg alle 2 Stunden einzunehmen.
 besteht die Diarrhoe weiterhin, erfolgt
nach 48 Stunden die zusätzliche Gabe von
Ciprofloxazin, zur Vermeidung/Prophylaxe
einer Durchbruchperitonitis.
Persistiert die Diarrhö, erfolgt  nach 72
Stunden: Hospitalisation + i.v. Hydratation
Als Reserve-Antidiarrhoika bleiben dann
Octreotid / Budesonid / Opiumtinktur
Neuartige Toxizitäten
Gerade bei den smKI, die in überwiegender Anzahl als orale Darreichungsform zur
Verfügung stehen, zeigen sich neuartige
Toxizitäten. Diese Arzneimittel-kausalen
Toxizitäten müssen jedoch als solche erkannt
und zugeordnet werden. Praktisch können
alle Organe von den Toxizitäten der smKI
betroffen sein. Sei es die „klassische“ Myelosuppression, wie sie beim Einsatz von
6 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Imatinib, Dasatinib, Sorafenib oder Sunitinib eintreten kann oder die Kardiotoxizität,
verursacht durch Hemmstoffe der Abelsonkinase. Das Fusionsprotein BCR/ABL fungiert bei der Philadelphiachromosom positiven chronisch myeloischen Leukämie als
molekularer Treiber dieser Hämoblastose.
Die Normalvariante ABL fungiert in kontraktilen Kardiomyozyten jedoch als Apoptoseprotektor indem es, dort zellwandgebunden, das endoplasmatische Retikulum
vor oxidativem Stress schützt. Tritt dieser
durch (BCR/)ABL-Hemmstoffe ein, so wird
Zytokin mediiert Cytochrom C aus Mitochondrien freigesetzt und der Kardiomyozyt
stirbt ab. Klinisch zeigt sich das Bild einer
Herzinsuffizienz.
Merke:
Die Abelsonkinase fungiert in vielen
Geweben als Apoptoseinduktor.
In kontraktilen Kardiomyoz y ten
schützt sie vor oxidativem Stress und
ist Apoptoseprotektor.
Jedoch: auch die Multi-Kinaseinhibitoren
Sunitinib und Sorafenib sind kardiotoxisch.
Sunitinib inhibiert die (off-Target) ribosomale S6 Kinase (RSK). Dadurch kommt
es zur Freisetzung des pro-apoptotischen
Faktors BAD und in der Folge BAX. Die
Zelle wird apoptotisch. Sorafenib hemmt
die RAF1 Kinase und unterbricht damit die
„große“ extrazellulär regulierte ERK-Kaskade. Dieser Kaskade wird eine Rolle im kardialen Zellüberleben unterstellt, insbesondere
unter Stressbedingungen[9]. Thyreotoxizität
wird unter hinreichend langer Gabe von Sunitinib gesehen[10, 11].
Ein Klasseneffekt der antiangiogenen Substanzen ist eine Blutdruckerhöhung, die sekundär in einer Herzinsuffizienz münden
kann[12-14].
Nicht unerwähnt bleiben soll die Lebertoxizität der smKI. Durch Interaktionen der
ATP-Mimetika mit hepatischen Membrantransportern kann die Absorption von
unkonjugiertem Bilirubin oder die Exkretion
des Bilirubinglukuronids in die Galle pathologisch verändert werden. Sorafenib und
Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen
Erlotinib zeigen bei metabolischen in-vitro
Experimenten, dass sie die Phase II Konjugation von Bilirubin mittels UGT1A1 (UDP
Glucuronosyltransferase 1) inhibieren können. Aus dem Grunde zeigt sich gelegentlich
ein erhöhtes Bilirubin unter der Therapie [8].
Gallensalze werden über den extrazellulären Signal-regulierten Kinaseweg und über
den p38 Mitogen-aktivierten Proteinkinase
Downstream des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors gesteuert [15]. Hepatozyten
sind reich an EGF-Rezeptoren. Wird der
Rezeptor durch einen EGFR-Antagonisten
gehemmt, so wird auch der Transport der
Gallensalze deutlich vermindert und man
sieht das Erscheinungsbild eines Ikterus.
Diese Rezeptorenhemmung auf Hepatozyten
kann auch die Ursache für einen Leberzelluntergang sein, was sich durch eine zunächst
asymptomatische Transaminasenerhöhung
zeigt und zu einer Hepatitis führen kann.
Eine Transaminasenerhöhung sieht man
relativ häufig innerhalb der ersten 3 Monate
auch unter einer Imatinibtherapie. Allerdings kann dieses Phänomen deutlich später
(>1 Jahr) auftreten. Das gilt für Patienten
mit gastrointestinalen Stromatumoren und
chronisch myeloischen Leukämien. Bei letzteren in 4% der Fälle im fortgeschrittenen
Erkrankungsstadium oder bei leukämischen
Infiltraten in der Leber [8, 16].
Diese Phänomene sollen nochmals verdeutlichen, dass eine orale Chemotherapie
nicht die Therapie „an der langen Leine“ ist,
sondern der Patient nach einer Initialphase
– sofern dort keine symptomatische Toxizität auftritt – eher öfter als seltener von
seinem behandelnden Arzt gesehen werden
muss. Es gilt das Herz, den Blutdruck, die
Leber und weitere Organe zu überwachen,
interventionell zu behandeln oder gar die
Medikation aus- oder abzusetzen.
Orale Zytostatikatherapie ist keine
„kleine, untoxische Chemotherapie“!
Allein die bisher aufgeführten Fakten und
Beispiele machen deutlich, dass die orale
Zytostatikatherapie nicht die „kleine, unto-
xische Chemotherapie“ ist. Ein Höchstmaß an
Sachkunde bezüglich der Patientenberatung
und –unterweisung ist nötig. Das wiederum
setzt die Substanzpharmakologie und das
Erkennen bedrohlicher Nebenwirkungen
voraus. Denn der Patient bekommt das Rezept von seinem Arzt, der ihn auch aufklärt
und unterweist. Im „richtigen Leben“ stehen
die Patienten jedoch vor der Pflege oder in
der Apotheke mit (beginnenden) Nebenwirkungen, die aber als solche erkannt werden
müssen. Das gilt insbesondere für die neuartigen Toxizitäten der smKI, die (noch) nicht
allgemein oder gar vollumfänglich bekannt
sind, da auch „off-target Kinasen“ mit derzeit
unbekannter Konsequenz gehemmt werden
können. Es ist daher nicht auszuschließen,
dass zukünftig weitere, neue, derzeit unbekannte Nebenwirkungen und/oder Organtoxizitäten auftreten werden, insbesondere
wenn der Wirkstoff zu einer Chronifizierung
der Krebserkrankung führt und über lange
Zeiträume eingenommen werden muss.
Die DGOP nimmt diese Herausforderung
an und wird eine flächendeckende, nationale
Informations- und Schulungskampagne für
alle Apotheken mit dem Ziel der Therapieoptimierung für onkologische Patienten starten, die unter dem Motto dieses Beitrages:
„Kompetente Antworten auf scheinbar einfache Fragen“ durchgeführt werden wird.
6. Midgley R, Kerr DJ. Capecitabine: have we got the
dose right? Nat Clin Pract Oncol 2009; 6:17-24.
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Autor:
Jürgen Barth
Apotheker für Klinische Pharmazie
-ONKOLOGISCHE PHARMAZIEStiL-Studienzentrale
Justus-Liebig-Universität
Medizinische Klinik IV
Universitätsklinik
Klinikstraße 36
35385 Gießen
Tel: 0641-99-42603
Fax: 0641-99-42609
Email: [email protected].
uni-giessen.de
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 7
KONGRESSBERICHT
© ASCO/Todd Buchanan 2009
ASCO-Meeting 2009 in Orlando
Bericht vom Jahreskongress der American Society
of Clinical Oncology
Von G. J. Wiedemann und W. Wagner
Trend geht zu unabhängigen Studien
und hochgradig individualisierter
Therapie
Es ist so simpel, wie es klingt: mehr öffentliche Gelder für unabhängige Forschung, mehr
verlässliche Ergebnisse, mehr Nutzen für die
Patienten. Auf dem diesjährigen ASCO-Meeting wurden etliche solcher unabhängigen
Studien vorgestellt. Sie liefern unter anderem
wichtige Erkenntnisse, welche Patienten nicht
von einer bestimmten Behandlung profitieren.
Bisher ist diese Art von Forschung fast ausschließlich eine Domäne der Amerikaner, in
Europa müssten dafür dringend mehr öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden.
Die US- Zahlen zu Therapieerfolgen können
sich sehen lassen: Von 1993 bis 2002 sank die
krebsbedingte Todesrate jährlich um ein Prozent, von 2002 bis 2005 jährlich um 1,8 Prozent. Das mittlere 5-Jahresüberleben stieg auf
66 Prozent, verglichen mit 50 Prozent in den
8 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
70er-Jahren. Der Trend ist ähnlich in Europa,
dennoch gibt es hier noch Aufholbedarf und
nach wie vor genügend Anlass für europäische
Forscher und onkologisch arbeitende Apotheker und Ärzte, die großen amerikanischen
Fachkongresse zu besuchen bzw. deren Ergebnisse aufmerksam zu verfolgen.
Interessante Schwerpunktthemen waren in
diesem Jahr besonders
ASCO-Meeting 2009 in Orlando
• individualisierte Therapieregime für ältere
Patienten
• die Identifizierung von Patienten, die am
ehesten von einer bestimmten Therapie
profitieren werden (um unerwünschte Nebenwirkungen und unnötige Kosten zu
vermeiden).
Für die klinische Arbeit besonders wichtige
Studien werden im Folgenden kurz zusammengefasst:
Bronchialkarzinom
Pemetrexed als Erhaltungstherapie verlängert Überleben
durch die Kombination von Docetaxel mit der
neuen Substanz Vandetanib (Zactima®) im
Vergleich zur alleinigen Therapie mit Docetaxel.. Der Wirkstoff ist ein oraler Inhibitor
der VEGFR- EGFR- und RET-Signalwege.
(Herbst et al. Abstract # 8003)
Hormonersatztherapie erhöht Sterberisiko
von Frauen mit Bronchialkarzinom
Eine Subgruppenanalyse der Women´s Health
Initiative Study zeigt, dass eine kombinierte
Hormonersatztherapie mit Östrogenen und
Gestagenen für rauchende Frauen mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom das Sterberisiko erhöht. Im direkten Vergleich starben
zeigte, dass die intramuskuläre Injektion von
30 mg Octreotid alle 4 Wochen die Zeit bis
zum Tumorprogress von 6 Monaten (Placebo) auf 14,3 Monate deutlich verlängert. Das
mediane Gesamtüberleben liegt zurzeit bei
mehr als 77,4 Monaten (Placebo 73,7 Monate).
(Arnold et al. Abstract # 4508)
Bevacizumab bietet keinen Vorteil bei Kolonkarzinomen im Stadium UICC II und III
Eine Phase III Studie an 2720 Patienten
zeigte, dass die Zugabe von Bevacizumab
(Avastin®) zur adjuvanten FOLFOX6 – Standardtherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Kolonkarzinom das progressions-
© ASCO/Todd Buchanan 2009
In einer Phase III Studie an
663 Patienten zeigte sich,
dass eine Erhaltungstherapie
mit Pemetrexed (Alimta®)
das Überleben beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom signifikant verlängert
(13,4 vs. 10,6 Monate). Patienten mit Plattenepithelkarzinomen hatten keinen
Vorteil von dieser Erhaltungstherapie. Zurzeit ist
Pemetrexed in Kombination mit Cisplatin zugelassen
als Erstlinientherapie beim
fortgeschrittenen/metastasierten Adenokarzinom und
als alleinige Therapie im Rezidiv. (Belani et al. Abstract
# 8000)
Zwei Targeted Therapies
besser als eine
In einer Phase III Studie konnte nachgewiesen werden, dass bei Patienten mit fortgeschrittenem/metastasiertem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom das rezidivfreie
Überleben verlängert werden kann, wenn die
Erhaltungstherapie mit Bevacizumab (Avastin®) mit Erlotinib (Tarceva®) kombiniert
wird. (Miller et al. Abstract # 8002)
Vorteil durch neuen Mehrfach-TargetWirkstoff
Einer Phase II -Studie mit 1391 Patienten
zufolge verlängert sich das progressionsfreie
Überleben von Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom
27 von 800 Raucherinnen, die gleichzeitig
eine Hormontherapie erhielten, aber nur 19
von 838 Raucherinnen ohne Hormonbehandlung. (Chlebowski et al. Abstract # 1500)
Gastrointestinale Tumoren
Octreotid LAR verlängert deutlich progressionsfreies Überleben bei metastasierten neuroendokrinen gastro-entero-pankreatischen Tumoren
Zurzeit wird Octreotid (Sandostatin) bei neuroendokrinen Tumoren zur Symptomkontrolle eingesetzt. Eine Studie an 89 Patienten
freie Überleben nicht verlängert.(Wolmark et
al. Abstract # 4)
Adjuvante Standardtherapien beim Pankreaskarzinom gleichwertig
Ein direkter Vergleich der gebräuchlichsten
adjuvanten Standardtherapien beim Pankreaskarzinom (Gemcitabine vs. 5-FU + Folinsäure) zeigte keinen Unterschied hinsichtlich des
Überlebens. Unerwünschte Nebenwirkungen
traten unter Gemcitabine seltener auf. (Neoptolemos et al. Abstract # 4505)
Standardtherapie des Analkarzinoms durch
große Studie bestätigt
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 9
ASCO-Meeting 2009 in Orlando
Eine Phase III Studie an 940 Patienten zeigte, dass die Standardtherapie
(Bestrahlung plus 5-FU/Mitomycin)
beibehalten werden sollte und dass
eine Erhaltungstherapie mit Cisplatin
und 5-FU nicht effektiv ist. (James et
al. Abstract # 4009)
Keine bessere Tumorkontrolle durch
Zugabe von Oxaliplatin
Die Zugabe von Oxaliplatin (6mal
60mg/m 2 wöchentlich)zur präoperativen Radiochemotherapie (insgesamt
50,4 Gy plus 225mg 5-FU /m 2 täglich)
verbessert nicht die lokale Tumorkontrolle bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen. Dies zeigt eine Phase
III Studie an 747 Patienten. Eine vorläufige Analyse lässt allerdings die Reduzierung von Fernmetastasen durch
das Oxaliplatin vermuten. (Aschele et
al. Abstract # 4008)
Trastuzumab verlängert Überleben bei
HER2-positivem Magenkarzinom
In einer großen Phase III Studie an 3807
Patienten mit lokal fortgeschrittenem, rezi-
diviertem oder metastasiertem sowie HER2positivem Magenkarzinom erhielt die Verum-Gruppe die Standardchemotherapie
(5-FU oder Capecitabine und Cisplatin) zu-
10 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
züglich Trastuzumab (Herceptin®), die Kontrollgruppe lediglich die Standardtherapie.
Das mediane Überleben betrug in der Trastuzumab-Gruppe 13,8 Monate vs. 11,1 Monate.
(Van Cutsem et al. Abstract # 4509)
ASCO-Meeting 2009 in Orlando
Brustkrebs und gynäkologische
Tumoren
Neue Targeted Therapy gegen Brustkrebs:
PARP-Inhibitoren
Zwei neue Studien präsentierten Ergebnisse
zur Wirksamkeit so genannter PARP-Inhibitoren bei schwer therapierbarem, „dreifach negativem“ Brustkrebs, bei dem weder
Östrogen- und Gestagenrezeptoren noch
HER2-neu exprimiert werden. PARP steht
für Poly-ADP-Ribose-Polymerase, ein Reparaturenzym der DNA, das in der Lage ist,
chemotherapieinduzierte DNA-Schäden bei
Tumorzellen zu reparieren.
1. Längeres Überleben mit Kombination
Die erste Studie (Phase II, 86 Patientinnen
mit dreifach negativem metastasiertem Mammakarzinom) zeigte, dass die Zugabe des
PARP-Inhibitors BSI-201 zur Standardchemotherapie (Gemcitabine plus Carboplatin)
in einem deutlich längeren progressionsfreien
und Gesamtüberleben resultierte (medianes
Gesamtüberleben 9,2 vs. 5,7 Monate). Die
Gesamtansprechrate unter der Kombination
war 48 Prozent (vs.16 Prozent). Rund 62 Prozent der Patientinnen in der BSI-201 Gruppe
hatten einen klinischen Benefit, dagegen nur
21 Prozent der Frauen unter Chemotherapie
allein. (O´Shaugnessy et al. Abstract # 3)
2. Effekte bei BRCA-Mutation
Die zweite Phase II Studie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib wurde an 54 Patientinnen mit
BRCA-Mutationen durchgeführt. Olaparib
alleine führte in 40 Prozent zum Ansprechen
des Tumors. Vermutlich addiert sich die Hemmung der DNA-Reparaturmechanismen zur
ohnehin verminderten DNA-Reparatur bei
Mutationen des BRCA-Gens. Olaparib wurde
gut vertragen, die wichtigsten unerwünschten
Wirkungen waren milde Fatigue, Übelkeit und
Erbrechen. (Tutt et al. Abstract # 501)
Gemcitabine zusätzlich zu Standard-Radiochemotherapie verbessert Überleben bei
lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom
Eine Phase III Multicenter-Studie an 259
Patientinnen verglich den Effekt einer Radiochemotherapie mit Cisplatin (50mg/m 2
Tag 1), externer Bestrahlung (50,4 Gy in 28
Einzeldosen) und Brachytherapie (30-35 Gy)
allein und in Kombination mit Gemcitabine
(6mal 125mg/m 2 pro Woche während der
Bestrahlung; dann adjuvant zwei 21-tägige
Zyklen, 1000mg/m2 an Tag 1 und 8). Nach 3
Jahren betrug das progressionsfreie Überleben 74 Prozent in der Gemcitabine-Gruppe
und 65 Prozent in der Kontrollgruppe unter
Standardtherapie. Das Gesamtüberleben lag
bei 78 vs. 69 Prozent. (Duenas-González et
al. Abstract # 5507)
Auf der Website
www.asco.org/ascov2/meetings/
ASCO+annual+meeting
gibt es viele interessante
Informationen zum Kongress.
Autoren
Prof. Dr. Günther J. Wiedemann, Ravensburg
[email protected]
Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Osnabrück
[email protected]
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 11
Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
Aktuelle Themen in der
Therapie des nicht
muskelinvasiven
Harnblasenkarzinoms
Von Martin G. Friedrich, Krefeld
Der Harnblasentumor – unterschätzt und unpopulär
Tumorerkrankungen der Harnblase sind die neunthäufigste
Krebserkrankung weltweit (357.000 Fälle 2002) und mit 145.000
Todesfällen weltweit die 13. häufigste krebsbedingte Todesursache (1). In den USA stellt der Harnblasenkrebs die fünfthäufigste
Krebserkrankung dar, jedoch den teuersten Krebs bezogen auf die
Kosten von Diagnose bis zum Tod (2). Der Harnblasenkrebs ist
selten im öffentlichen Fokus, es sei denn, Popstars wie Dave Gahan
von Depeche Mode müssen sich einen Blasentumor entfernen lassen.
Zwar ist vielen Menschen bekannt, dass es einen Zusammenhang
zwischen Rauchen (Nikotin) und Lungenkrebs gibt, nicht jedoch,
dass Nikotin die bedeutendste Noxe des Blasentumors darstellt.
In Deutschland erkranken nach neuesten Erkenntnissen jährlich ca. 28.750 Menschen an
Harnblasenkarzinom, und zwar Männer etwa
dreimal häufiger als Frauen (RKI 2008). In
33 % der Fälle handelt es sich bei Primärdiagnose um muskelinvasive und in 67 % der
Neuerkrankungen um nicht muskelinvasive
Harnblasentumore (3). Harnblasentumore
stellen den größten Anteil der Krebserkrankungen des Urothelsystems dar, denn nur
5 % der Neoplasien treten im oberen Teil des
Urothelsystems auf (4).
Die Prognose bei Harnblasenkrebs hängt
stark vom Zeitpunkt der Diagnose, dem
Grad der Ausbreitung und davon ob, es sich
bei Diagnose um einen nicht muskelinvasiven oder muskelinvasiven Tumor handelt.
Entsprechend schwanken die Angaben zur
5-Jahresüberlebensrate von 50 % (3) und
> 70 Jahre (RKI 2008). Grundsätzlich kann
festgehalten werden, dass nicht muskelinvasive Harnblasentumore nur in wenigen
Ausnahmefällen letale Verläufe nehmen (3).
Allerdings muss auch konstatiert werden, dass
sich die 5-Jahresüberlebensraten bezogen auf
Blasenkrebs insgesamt in den letzten Jahren
nicht verbessert haben (4).
Die Biologie des Harnblasentumors ist weiterhin nicht
ausreichend verstanden, und
auch wenn sich Detektionszeitpunkt und systemische Therapie
verbessert haben, so hängt doch die
Mortalitätsrate stark vom Wissens- und
Erfahrungsgrad des behandelnden Arztes
ab.
Aktuell wurde in einer amerikanischen Studie
festgestellt, dass der Tod von 31,2 % – 46,8 %
der an Blasenkrebs gestorbenen Patienten
möglicherweise vermeidbar gewesen wäre,
wenn der behandelnde Arzt andere Therapieentscheidungen getroffen hätte (3). Es wurde
festgestellt, dass die Entscheidung des Arztes
zu drastischeren Therapiemaßnahmen wie
beispielsweise systemischer Chemotherapie,
radikaler Zystektomie oder Radiotherapie für
das Überleben zahlreicher Patienten vorteilhaft gewesen wäre. Allerdings wurde auch
festgestellt, dass durch eine teilweise erhebliche Komorbidität der Patienten nicht immer
die bestmögliche, also radikalste Therapieoption möglich ist. Außerdem wird nicht nur
12 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
durch diese Autoren immer wieder darauf
verwiesen, dass es zu wenig fundierte Erkenntnisse über die Biologie der Blasentumore gibt.
Zur Erforschung des
Harnblasentumors werden mehr
Forschungsmittel benötigt
Mehr Wissen über den relativ heterogenen
Blasentumor erfordert mehr Forschungsmittel und mehr Engagement. Leider liegt die
Erforschung des Urothelkarzinoms deutlich
hinter anderen Tumorentitäten zurück. Anhand von Daten des NIH Research Portfolio
Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
Krebs
NIH-Forschungsmittel 2008
Krebs allgemein
5.570 Mio. USD
Brustkrebs
726 Mio. USD
Prostatakarzinom
290 Mio. USD
Kolorektales
Karzinom
274 Mio. USD
Gehirntumor
194 Mio. USD
Lungenkrebs
169 Mio. USD
Ovarialkarzinom
96 Mio. USD
Zervixkarzinom
69 Mio. USD
Gebärmutterkrebs
16 Mio. USD
Harnblasenkrebs
< 0,5 Mio. USD
Tab. 1: Forschungsmittel 2008 des NIH
(RCDC) zur Krebserforschung
Organ
Zelllinien
insgesamt
Humane
Tumorzelllinien
Lung
313
253
Breast
153
131
Kidney
148
54
Prostate
45
27
Bladder
31
27
Tab. 2: Zelllinien der ATCC, Stand Juli 2009
Online Reporting Tools stellt sich Verteilung
der Forschungsmittel beispielhaft dar (Tab. 1).
Es fällt auf, dass die Forschungsmittel für
den Blasentumor nicht aufgeführt sind, da sie
< $ 500.000 betragen. Die Forschungsintensität lässt sich auch anhand der etablierten
Zelllinien der jeweiligen Tumorentität ableiten. So waren im Juli 2009 bei der ATCC
nur 27 humane Harnblasentumorzelllinien
zu erwerben (Tab. 2).
Im Vergleich mit anderen Tumorentitäten
fällt auf, wie unterrepräsentiert der Blasentumor ist. Bei der DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen
GmbH) sind aktuell 643 Zelllinien erfasst,
von denen nur 15 (2,3 %) von humanen Blasentumoren abstammen. Auch im „In Vitro
Cell Line Screening Project (IVCLSP)” des
National Cancer Institutes (NCI) ist von
den analysierten 60 Zelllinien nicht eine des
Blasentumors enthalten.
Der ideale Blasentumor-Marker wird
noch gesucht
Dabei ist eine konzertierte und strukturierte
Grundlagenerforschung des Harnblasentumors sehr wichtig, um beispielsweise verlässliche und vergleichbare molekulare Marker
zu gewinnen. Solche Marker werden für Detektion, Überwachung und zur Prognose von
Rezidivrate und Progressionsrate benötigt.
Sie würden zur Kostenersparnis beitragen,
in dem Patienten stratifiziert und der individuell idealen Therapie zugeführt werden
könnten. Weiterhin könnte die Prognose
verbessert werden, wenn Patienten mit einer
Risikokonstellation entsprechend rechtzeitig radikal therapiert werden könnten. Im
Rahmen der Nachsorge von Patienten mit
einem nicht muskelinvasiven Urothelkarzinom könnten Zystoskopien seltener und
eventuell später notwendig sein, und auch
die Detektion von Rezidiven des oberen
Urothelsystems wäre möglich. Auch in der
Früherkennung des Harnblasenkarzinoms
wäre ein Marker sinnvoll, der ähnlich dem
PSA beim Prostatakarzinom zum Screening geeignet ist. Leider steht aktuell kein
Marker als Goldstandard zur Verfügung,
vielleicht müssten es auch mehrere Marker
in Kombination sein, um der molekularen
Heterogenität des Urothelkarzinoms gerecht
zu werden.
Aktuell wird der Zellproliferationsmarker Ki-67
als prognostischer Markern des Urothelkarzinoms diskutiert, denn Ki-67 korreliert mit
schlechten Überlebensraten und fortschreitender Erkrankung nach radikaler Zystektomie (5). Während Ki-67 per Microarray und
Immunhistochemie nachgewiesen werden
muss, haben Urinmarker den Vorteil einer
relativ einfachen Nachweismethode. Zahlreiche Assays stehen inzwischen zur Verfügung,
beispielsweise für NMP22, BLCA-4 und
Survivin (6). In Tabelle 3 sind sowohl im Urin
nachweisbare als auch zellbasierte Marker
dargestellt, die in aktuellen Reviews zu dieser
Thematik beschrieben werden (7 - 9).
Der bekannteste und am besten evaluierte Marker beim Harnblasenkarzinom ist
NMP22, ein Marker, der inzwischen in vielen urologischen Praxen auf Patientenwunsch
eingesetzt wird. Insgesamt 2072 Patienten
wurden in NMP22-Studien eingeschlossen (Tab. 4). NMP22 ist einer der wenigen
Marker, die auch in einer internationalen
Phase III-Studien evaluiert wurden (10). Die
NMP22-Sensitivität betrug für die Diagnostik 55,7 % und zur Surveillance 49,5 % (11).
Die Sensitivität der meisten untersuchten
Marker lag zwischen 30 % und 96 %, die Spezifität erreichte in einigen Studien 100 %, lag
im Allgemeinen jedoch deutlich darunter
(Tab. 4). Die mangelnde Spezifität ist auch
der Grund, weshalb die European Association of Urology keine positive Empfehlung
für Urintests auf molekularer Basis ausspricht
Marker
Biologie / Klinik
Lösliche
Urin-Marker
Hämaturie, Bladder Tumor Antigen (BAT), NMP 22, NMP 52, BLCA-4,
Survivin, Hyaluronsäure, Hyaluronidase, Cytokeratin 8, 18, 19, 20
Zellbasierte Marker
Telomerase, FISH (z.B. CEP 3, CEP7, CEP17, LSI 9p21), ImmunoCyt
(Mucin-Antigene), Mikrosatelliten DNA-Analyse, DD23, Fibrin-Fibrinogen Degradationsprodukte
Genetische Marker
Chromosomale Abberationen (z.B. Chromosom 9, 17), Polymorphismen, DNA-Methylierung (z.B. CDH1, RUNX3, APC)
Marker zur Prognose und Therapieansprache
Matrix Metalloproteinase 2 und 9, uPA und uPAR, Wachstumsfaktoren (z.B. EGF, FGF, CD44), lösliches Fas, Caspase-3, Bcl-2
Marker zur Überwachung
FGFR3, BLCA-4, Telomerase, Tumorassoziierter Trypsininhibitor
(TATI), CXCL1 (Chemokine)
Tab. 3: Marker in der Evaluierung zur Detektion, Überwachung und Prognose des Harnblasenkarzinoms. Modifiziert nach Volpe et al. 2008, Van Tilborg et al. 2009, Kim & Kim 2009.
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 13
Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
(12), sondern nur auf die zusätzlichen Kosten
verweist. So stellen Marker vorerst weiterhin
nur eine Ergänzung zur Zytologie dar.
Zystoskopie und transurethrale
Resektion bestimmen den
Therapieerfolg
Da zur Diagnostik also viele Marker noch
in der Studienphase sind, nur wenige standardisiert zur Verfügung stehen und keiner
von den Richtlinien empfohlen wird, und
erst recht kein Marker zur Überwachung und
Prognose eingesetzt werden kann, hängt der
Therapieerfolg weiterhin von zwei Faktoren
ab: dem Urologen und dem Pathologen. Speziell zum Einfluss des Pathologen auf die Therapieentscheidung des Urologen wurde aktuell eine retrospektive Studie publiziert (13).
Insgesamt 213 pathologische Befunde urologischer Erkrankungen (Prostatakarzinom
55 %, Blasenkrebs 39 %, andere urologische
Tumore 6 %) wurden erneut bewertet und mit
den Originaldiagnosen verglichen Es kam bei
10 % der Fälle zu abweichenden Neubewertung (8 % schwere Abweichung, 2 % kleine
Abweichung). Konkret hatte diese Neubewertung die Vermeidung, Verschiebung oder
Marker
Patienten
(summiert)
Sensitivität
(%)
Spezifität
(%)
NMP22
2072
49 – 68
66 – 87
FISH
514
30 – 64
90 – 95
CYFRA21.1
446
73
41
HA-HAse
228
86
61
Mikrosatelliten-Analyse
228
58
73
Immucyt
216
84
78
Methylierung
215
75 – 86
8 – 100
Telomerase
200
96
96
BCLA-4
129
89 – 96
95 – 100
sFas
122
75
50
UBC
88
54
97
TATI
80
86
-
CXCL1
67
70
81
Survivin
50
82
90
FGFR3
0
-
-
Tab. 4: Sensitivität und Spezifität von Markern des Blasenkarzinoms modifiziert nach Van Tilborg
et al. 2009. Sensitivität und Spezifität basieren auf der Rezidivrate im Follow-Up der Studien.
Methode
Intention
Transurethrale Resektion
der Blase (TUR-B)
• Vollständige Entfernung (R0) nicht muskelinvasiver Harnblasentumore
Frühinstillation
• Direkte Toxizität auf und Adhäsionshemmung von zirkulierenden Tumorzellen
• Ablative Wirkung auf residuale Tumorzellen
Initialtherapie
• Vermeidung von Frührezidiven
• Behandlung der Resttumore
Erhaltungstherapie
• Vermeidung von Spätrezidiven
Tab. 5: Die drei Phasen der intravesikalen Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
14 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Durchführung von 6 radikalen Zystektomien
zur Folge (13).
So bleiben die Qualität der Zystoskopie und
transurethralen Resektion der Blase (TUR-B)
die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der primären Therapie des nicht muskelinvasiven
Harnblasenkarzinoms. Beide Eingriffe werden normalerweise unter Weißlicht durchgeführt. Die Erfolgsrate der Zystoskopie
kann durch die photodynamische Diagnostik
(PDD) verbessert werden, sofern keine Faktoren vorliegen, die zu falsch-positiven Ergebnissen führen könnten (Entzündung, vor
kurzem durchgeführte TUR-B oder intravesikale Therapie). In einer prospektiven Studie
wurden die Diagnosebefunde verglichen, die
sowohl unter Weißlicht als auch Fluoreszenz
bei vorheriger Applikation von Hexylaminolävulinsäure (HAL) ermittelt wurden (14).
18 Patienten mit multifokalen, rezidivierenden
nicht muskelinvasiven Harnblasentumoren
waren in der Studie eingeschlossen. Durch
die photodynamische Diagnose wurden bei
44 % der Patienten zusätzliche pathologische
Befunde entdeckt, die unter Weißlicht nicht
bemerkt wurden. Diese Ergebnisse schließen
sich nahtlos an die Ergebnisse zahlreicher
anderer Studien an, in denen bereits festgestellt wurde, dass in der Fluoreszenzzystoskopie gegenüber der Weißlichtzystoskopie
mehr Läsionen detektiert werden können (15).
Die meisten Studien mit porphyrinbasierter
Fluoreszenz wurden allerdings mit 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) durchgeführt, und
auch für Hypericin, der dritten möglichen
Substanz, liegen positive Ergebnisse vor (16).
Zur Optimierung der Therapie des Carcinoma
in situ (CIS) wird die Fluoreszenz-gestützte
Detektion und Resektion als Option bereits
in den Leitlinien der European Association
of Urology (EAU) empfohlen (12).
Der nächste und zugleich essentielle Schritt
in der Therapie des nicht muskelinvasiven
Harnblasenkarzinoms ist die TUR-B (17),
deren Ziel die komplette makro- und mikroskopische Entfernung des Blasenkrebs
ist. Es wird diskutiert, ob die Qualität der
TUR-B anhand der Rezidivrate validiert werden kann (17), da die Rezidivrate 3 Monate
nach TUR-B von 3 % bis 20 % schwanken
kann (18). Bei den meisten Rezidiven (bis zu
81 %) handelt es sich um Residualtumore (19).
Die EAU empfiehlt deshalb die komplette
Entfernung des Tumorgewebes, bis hin zur
Entnahme von Detrusorgewebe (20). Als
Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
Qualitätskontrolle für eine komplette TUR
sollten im Rahmen der TUR-B tumorfreie
Gewebeproben von Tumorrand und Tumorgrund (mit Muskelgewebe) vorliegen. Sind
in den Biopsien von Rand und Grund noch
Tumorgewebe nachweisbar, so ist von einer
R1 Situation auszugehen, und es muss eine
Nachresektion erfolgen (20).
Die intravesikale Therapie als
wichtige Komponente in der
risikoadaptierten Therapie
Der TUR-B schließt sich die risikoadaptierte
Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms mit unterschiedlichen intravesikalen Schemata an. Die intravesikale Therapie gliedert sich in drei Abschnitte (Tab.
5), für die nach den aktuellen Richtlinien
risikoabhängige Therapieempfehlungen vorliegen (Abb. 1).
Die Frühinstillation, die bis spätestens 24
Stunden nach der TUR-B erfolgen sollte,
kann mit Mitomycin C, Epirubicin oder Doxorubicin durchgeführt werden. Mit Mitomycin C 40 mg konnte beispielsweise die
Rezidivrate um bis zu 50 % reduziert werden
(21). Eine Metaanalyse von 7 randomisierten
Studien zur Frühinstillation (22) wies nach,
dass durch eine einzige Frühinstillation die
Anzahl der Patienten mit Rezidiven um 12 %
gesenkt werden konnte, das Rezidivrisiko
um bis zu 39 %. Die number-needed-to-treat betrug 8,5. Diese überzeugenden Daten
veranlassten die EAU, die Frühinstillation
als Standard in der Behandlung nicht muskelinvasiver Harnblasentumore zu empfehlen
(12). Für intravesikal appliziertes Gemcitabin
in der Frühinstillation konnte kein Vorteil
nachgewiesen werden (23). Durch die einmalige Gabe von Gemcitabin wurde kein
Vorteil bezüglich des rezidivfreien Überlebens
im Vergleich zu Plazebo nachgewiesen. Die
Frühinstillation, auch perioperative Instillation genannt, wurde wiederholt bezüglich
Effektivität und Kosten bewertet. Für die
Frühinstillation sprechen die hohe Senkung
der Rezidivraten, die gute Verträglichkeit
und die Kostenersparnis im Vergleich zu den
ansonsten notwendigen operativen Eingriffen (24).
Während die Frühinstillation sowohl bei
low, intermediate und high risk Tumoren
empfohlen wird, werden Initial- und Erhaltungstherapie nur bei intermediate und
TUR-B
+
1 x Frühinstillation
z. B. MMC 40 mg
Low
Risk
Intermediate
Risk
High
Risk
Solitäre, primäre
low-grade Ta
Multiple oder
rezidivierende
low-grade Tumore
Jeder
T1 und/oder G3
und/oder CIS
Kontrolle
Initial- & Erhaltungstherapie
z. B. MMC 20 mg
Initial- & Erhaltungstherapie
BCG
Bei Rezidiv
Bei Rezidiv oder
Progression:
Initial- &
Erhaltungstherapie
z. B. MMC 40 mg
oder BCG
Bei Rezidiv oder
Progression
Zystektomie
Abb. 1: Algorithmus der risikoadaptierten Therapie des nicht muskelinvasiven
Harnblasenkarzinoms nach Lamm et al. 2008. MMC = Mitomycin C.
high risk Tumoren durchgeführt. Es stehen
verschiedene Chemotherapeutika zur intravesikalen Therapie zur Verfügung, am häufigsten werden jedoch Mitomycin C 20 mg
und 40 mg in der Konzentration von 1 mg/ml
eingesetzt. Zur intravesikalen Immuntherapie wird Bacillus Calmette-Guérin (BCG)
eingesetzt, ein attenuiertes Mycobacterium
bovis. Bei der Therapie mit BCG wird eine
intensive Immunstimulation im Urothel und
benachbarten Gewebe angestrebt. Aus diesem
Grund ist die Lebendkeimzahl relevanter als
eine definierte Keimkonzentration oder Gewichtsangabe. Sowohl bei der intravesikalen
Chemo- als Immuntherapie gibt es bis heute
keine Standardschemata, die von den relevanten nationalen und internationalen Organisationen empfohlen werden könnten (12), da
die Studien bezüglich Wirkstoff, Dosierung,
Patientenselektion, Schema und Beobachtungszeitraum zu heterogen waren (Tab. 6).
In der Praxis und unabhängig von offiziellen
Empfehlungen haben sich einige Schemata
und Wirkstoffe bewährt und etabliert.
haben sich die Schemata mit den längsten
Erhaltungsphasen bewährt. Das ist zum einen das Schema nach Schwaibold (26), bei
dem Patienten mit intermediate risk Tumoren maximal 40 Instillationen Mitomycin C
erhalten. Die dosisintensive Applikation in
der Initialphase kombiniert mit der langen
Erhaltungsphase führte zur Senkung des Rezidivrisikos um 47 % (26). Auch bezüglich des
Progressionsrisikos bei high risk Patienten
überzeugte dieses Schema. Es war effektiver
in der Progressionsvermeidung als die beiden
dosisextensiveren Studienarme mit Doxorubicin bzw. Mitomycin und der dosisintensiven
aber kurzen Verabreichung von Mitomycin
(26). Auch das Schema nach Friedrich (25),
ebenfalls ein Mitomycin-Schema mit hoher
Dosisintensität in der Initialphase und einer
langen Erhaltungsphase ist nachweislich sehr
wirksam. In diesem Schema erhalten intermediate und high risk Patienten insgesamt bis zu
42 Instillationen. Das Rezidivrisiko konnte
durch dieses Schema um 62 % gesenkt werden
(HR 0,38; 95 % CI, 0,21; 0,69).
Bei der intravesikalen Chemotherapie des
nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
Bei der intravesikalen Immuntherapie
(BCG-Therapie) des nicht muskelinvasiven
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 15
Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms
Wirkstoff
Initialtherapie
Erhaltungstherapie
Studie
Mitomycin
20 mg
6 Instillationen
(1 x pro Woche)
36 Instillationen (1 x pro Monat)
Friedrich et al.
2007 (25)
Mitomycin
20 mg
8 Instillationen
(1 x pro Woche)
32 Instillationen (1 x pro Monat)
Schwaibold et al.
1997 (26)
Mitomycin
30 - 40 mg
5 Instillationen
(1 x pro Woche)
24 Instillationen (1 x pro Monat)
Rintala et al.
1991 (27)
Mitomycin
40 mg
6 Instillationen
(1 x pro Woche)
12 Instillationen (1 x pro Monat)
+ 4 Instillationen (1 x pro Quartal)
Malmström et al.
1999 (28)
BCG
6 Instillationen
(1 x pro Woche)
21 Instillationen (3 im wöchentlichem Abstand jeweils 3, 6, 12,
18, 24, 30, 36 Monate nach TUR)
Lamm et al.
2000 (29)
BCG
6 Instillationen
(1 x pro Woche)
12 Instillationen (1 x pro Monat)
+ 4 Instillationen (1 x pro Quartal)
Malmström et al.
1999 (28)
BCG
5 Instillationen
(1 x pro Woche)
24 Instillationen (1 x pro Monat)
Rintala et al.
1991 (27)
Unabhängig davon, ob nun mit einem Chemotherapeutikum oder BCG das nicht
muskelinvasive Harnblasenkarzinom therapiert wird, ist wichtig, dass eine Erhaltungstherapie erfolgt. Dies wurde aktuell
eindrucksvoll belegt (30), denn in einer
Metaanalyse wurden 2.820 Patienten-individuelle Daten reevaluiert. Mit Mitomycin C wurden 1.383 und mit BCG 1.437
Patienten therapiert. In 71 % der Fälle handelte es sich um Primärtumore (54 % Ta,
43 % T1, 25 % G1, 58 % G2, 16 % G3). Die
Risikostratifizierung ergab 3 % low risk,
74 % intermediate risk und 23 % high risk
Tumore. Das mediane Follow-Up betrug 4,4
Jahre. Unterschiede in der Effektivität der
beiden untersuchten Instillationstherapien
konnten nur bezüglich des Rezidivrisikos
ermittelt werden (Tab. 7). Es konnten keine signifikanten Unterschiede bezüglich
Progression, krebsspezifischer Überlebens-
Priv.-Doz. Dr. med. Martin G. Friedrich
Direktor der Klinik für Urologie
und Kinderurologie
HELIOS Klinikum Krefeld
Lutherplatz 40
47805 Krefeld
Literatur
1. Bischoff CJ, Clark PE. Bladder Cancer. Curr Opin Oncol
(2009), 21:272-277.
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Tab. 6: Intravesikale Schemata der Initial- und Erhaltungstherapie
Harnblasenkarzinoms hat sich das Schema
nach Lamm (29) durchgesetzt. Nach der
dosisintensiven Initialtherapie folgt in festgelegten mehrmonatigen Abständen eine
Boost-Applikation von 3 BCG-Instillationen
in wöchentlichem Abstand. Diese 3er-Gabe
scheint das Immunsystem besonders effektiv zu stimulieren (12). Lamm und Kollegen konnten zeigen, dass das rezidivfreie
Überleben unter BCG-Erhaltungstherapie
mehr als doppelt so lang ist als ohne Erhaltungstherapie (76,8 Monate vs. 35,7 Monate,
p < 0,0001).
Autor
rate und Gesamtüberleben nachgewiesen
werden (30).
Durch die Studie von Malmström muss die
immer wiederkehrende Frage nach der optimalen intravesikalen Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms neu diskutiert werden. Im besonderen Fokus ist dabei
die Rezidiv- und Progressionsprophylaxe bei
intermediate risk Patienten. Bis vor kurzem
bestand Einigkeit, dass BCG die optimale Therapie bei diesen Patienten bezüglich
Progression und Überlebensrate ist, und die
EAU-Richtlinien waren entsprechend formuliert. Doch durch die aktuelle Datenlage
sollte die bisherige Empfehlung modifiziert
werden (31) und es bleibt abzuwarten, wie die
EAU reagieren wird (32).
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Vergleich BCG- vs.
MMC-Therapie
Rezidivrisiko
Signifikanz
Mit BCGErhaltungstherapie
32 % Senkung des Rezidivrisikos im Vergleich
zur MMC-Therapie
p < 0,0001
Ohne BCGErhaltungstherapie
28 % Erhöhung des Rezidivrisikos im Vergleich
zur MMC-Therapie
p < 0,006
Mit und ohne BCGErhaltungstherapie
(alle Schemata)
Kein signifikanter Unterschied zwischen BCGund MMC-Therapie, jedoch ein nicht signifikanter Trend zugunsten der BCG-Therapie.
p = 0,09
Tab. 7: Vergleich der intravesikalen Erhaltungstherapien mit Mitomycin (MMC) oder BCG. Nach
Malmström et al. 2009.
16 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
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Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 17
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion
Dosierung von Tumortherapeutika bei
eingeschränkter Nierenfunktion: eine Aufgabe
für den onkologischen Pharmazeuten
Von Tilman Schöning, Heidelberg
Z
ytostatika sind Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite. Eine eingeschränkte
Nierenfunktion kann die Ausscheidung dieser Arzneimittel beeinträchtigen. Infolge
der sich daraus ergebenden Kumulation von Zytostatika und deren aktiver Metabolite können die Toxizitäten ein akzeptables Maß überschreiten. Für Zytostatika, welche zu einem
bedeutenden Anteil unverändert oder als toxischer Metabolit renal eliminiert werden,
muss daher die Notwendigkeit einer Dosisreduktion abgewogen werden. Dies gilt auch
für Substanzen, welche ein nephrotoxisches Potential besitzen.
Die Kriterien und Grundlagen welche die Entscheidung beeinflussen können, werden
anschließend dargestellt.
Inulin, sowie die Radioisotope [51Cr]-EDTA
und [Tc99m]-DTPA stellen im Hinblick auf
die Genauigkeit des Verfahrens den Goldstandard dar, da sie dosislinear unverändert
glomerulär filtriert werden [4, 5]. Sie haben
aber den Nachteil, dass ihre Anwendung in
der klinischen Routine zu aufwendig ist. Besser anwendbar und daher weit verbreitet ist
die Bestimmung der Creatinin-Clearance.
Creatinin (griechisch, Crea=Fleisch), welches
endogen im Wesentlichen aus Muskelmasse
freigesetzt wird, wird dennoch nicht vollständig glomerulär, sondern auch zu Teilen
tubulär sezerniert. Daher ist die CreatininClearance (CrCl) im Vergleich zur glomerulären Filtrationsrate (GFR) meist etwas
erhöht [5, 6]. Zudem ist seine Blutkonzentration abhängig von Muskelmasse, Alter,
Geschlecht und Entzündungsprozessen. Dies
kann zu einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Nierenfunktion führen. Weiterhin ist zu
beachten, dass in der Regel erst nach einem
etwa 50%igen Abfall der Nierenfunktion ein
Anstieg des Serumcreatinin-Wertes erfolgt
(„kreatininblinder Bereich“).
Pharmakotherapie schließt immer die Kenntnis und Berücksichtigung von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik eines Arzneistoffs
ein. Da es sich bei Zytostatika um Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite
handelt, kann eine verminderte Elimination
verbunden mit höheren Plasmakonzentrationen relativ schnell zu verstärkter Toxizität
führen. Bei Patienten mit eingeschränkter
Nierenfunktion ist bei indizierter Chemotherapie gegebenenfalls genau abzuwägen,
welche zytotoxische Substanz zu verabreichen ist. Beträgt dabei der Anteil der renalen
Elimination 30% oder mehr, kann eine Dosisanpassung notwendig werden. Basierend
auf allgemeinen pharmakokinetischen und
pharmakologischen Prinzipien kann bei einer
mittleren bis stark eingeschränkten Nierenfunktion (30 - 60 ml/min Kreatinin-Clearance) davon ausgegangen werden, daß diese
bei einem Arzneistoff mit linearer Pharmakokinetik mit 35 - 40% renaler Elimination zu
einem signifikanten Anstieg der AUC (Fläche
unter Plasmakonzentrations-Zeitkurve) führt
[1, 2]. Neben der Pharmakokinetik kann auch
die Pharmakodynamik einen entscheidenden
Einfluss auf die Toxizität eines Arzneistoffes
nehmen. So kann eine mögliche Nephrotoxizität von Zytostatika bei bereits eingeschränkter Nierenfunktion die Ausscheidungsstörung
weiter verstärken.
individuellen Situation des Patienten getroffen werden. Weitere Informationen über Allgemeinzustand, weiteren Organfunktionen,
Therapieausrichtung und Behandlungsalternativen, sowie einer möglichen Vorbehandlung des Patienten sind zur Entscheidungsfindung unbedingt notwendig.
Eignung für routinemässige Bestimmung
in der Klinik
Zunächst ist eine Bestimmung über Sammelurin möglich [7]. Hierbei wird der Urin des
Patienten über eine definierte Zeitspanne,
meist 24 Stunden, gesammelt. Ebenso wird
parallel der Creatinin-Wert aus dem Serum
bestimmt. Voraussetzung für eine möglichst
exakte Bestimmung ist die Beachtung folgender Punkte:
Eine Therapieentscheidung bzw. Dosierungsempfehlung sollte nur unter Betrachtung der
Erhalt reproduzierbarer Ergebnisse über
den gesammten GFR-Wertebereich
kein Fleischgenuss, keine körperliche Belastung während der Sammelperiode
Bestimmung der Nierenfunktion
Die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate ist weitgehend anerkannt als geeignete
Methode zur Bestimmung der Nierenfunktion [3]. Normalwerte bei nierengesunden
Patienten liegen meist zwischen 75 und
125 ml/min.
Die Bestimmung der GFR kann vielfältig
erfolgen. Die angewandte Methode nimmt
erheblichen Einfluss auf die erhaltenen Werte.
Substanzen zur Abschätzung der GFR sollten
optimalerweise die folgenden Eigenschaften
haben:
ausschließlich glomeruläre Filtration
kein Metabolismus
kein pharmakologischer Effekt
18 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Vorteile der GFR-Bestimmung über die CrCl
sind die einfache Konzentrationsbestimmung
in Blut und Harn, akzeptable Kosten des klinischen Routinemonitorings, sowie dass Creatinin endogen vorhanden ist und nicht von
außen zugeführt werden muss.
Die Ermittelung der CrCl kann über verschiedene Wege erfolgen.
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion
möglichst Beginn morgens, optimale Dauer 24 h
vor Sammelbeginn Blase vollständig entleeren lassen
vor Beendigung Blase nochmals vollständig in das Sammelgefäß entleeren
ausreichende Volumenaufnahme gewährleisten (1,5-2 l)
In keinem Fall sollte der Patient im Übermaß
hydratisiert werden („Niere spülen“), dies kann
zu überhöhten CrCl-Werten führen, welche
eine teilweise erhebliche Überschätzung der
eigentlichen GFR zur Folge haben.
Eine weitere, in vielen Fällen verwendete Alternative der CrCl-Bestimmung ist die Berechnung unter Einsatz des aktuellen Serumcreatinin-Wertes. Hierbei ist zu beachten, dass auch
die Art der Creatinin-Bestimmung aus dem
Serum die erhaltenen Werte beeinflussen kann
[8]. Dennoch ist auch dieser Ansatz mit einem
Fehlerrisiko behaftet. Neben den bis dato am
häufigsten eingesetzten Formeln nach Jeliffle
[9], sowie Cockroft-Gault [10, 11] existieren
zahlreiche weitere Formeln [12]. Eine Möglichkeit zur Abschätzung der GFR ist die sogenannte MDRD („Modification of diet in renal
disease“)-Formel [13]. Die inzwischen häufig
angewandte Formel wurde ursprünglich nur
an Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz validiert. Sie besitzt im Bereich von 20-70
ml/min ihre höchste Genauigkeit. Zudem ist
die Formel auf eine Körperoberfläche (KOF)
von 1,73 m 2 normiert. Dies bedeutet, dass im
Falle einer größeren Abweichung der KOF
des Patienten eine Anpassung des berechneten
Wertes stattfinden muss.
Da all dies bei der Anwendung im Zusammenhang mit nierengesunden Patienten einen
nicht unwesentlichen Bias zur Folge haben
kann, wurde auf Basis der MDRD-Formel
die sogenannte Mayo-Formel entwickelt und
an nierengesunden Patienten validiert [14].
Weiterhin ist besondere Vorsicht bei kachektischen oder adipösen Patienten geboten. Bei
der häufig angewandten Cockroft-Gault-Formel geht neben dem Alter und dem SerumCreatinin-Wert das Gewicht der Patienten
in die Berechnung der CrCl ein. Grundlage
dafür stellt die Hypothese dar, dass schwerere Patienten einen höheren Anteil an Muskelmasse besitzen, was einen höheren freien
endogenen Kreatinin-Anteil begünstigt. Dies
führt allerdings zu erheblichen Abweichungen im Falle von kachektischen, sowie adi-
pösen Patienten, da hier, bezogen zum Körpergewicht, der Anteil an Muskelmasse eher
gering ist. Dies führt zur Berechnung von
teils erheblich überhöhten CrCl-Werten. In
diesen Fällen sollten folgende Empfehlungen
beachtet werden, um annähernd korrekte Angaben zur renalen Ausscheidungskapazität zu
erhalten [18, 19, 20]:
bei adpösen Patienten mit BMI > 27 kg/
m 2 sollte zur Berechnung der CrCl das
angepasste idealisierte Körpergewicht
(AIBW=adjusted ideal body weight) verwendet werden,
bei kachektischen Patienten sollten zur
Berechnung der CrCl keine Serum-Kreatinin-Werte unterhalb 0,8 mg/dl verwendet werden,
im besonderen sollten durch Berechnung
erhaltene CrCl-Werte oberhalb von 120
ml/min kritisch überprüft werden, vor
allem bei älteren Patienten.
Mehrere Untersuchungen konnten zeigen, dass
es in Abhängigkeit von der jeweils verwendeten
Formel sowie der eigentlichen Nierenfunktion des Patienten zu erheblichen Über- und
Unterschätzungen der GFR kommen kann
[15, 16]. So führt die Anwendung der Jeliffle-,
sowie der Cockroft-Gault-Formel bei tatsächlichen CrCl-Werten von < 50 ml/min zu einer
Überschätzung, sowie bei CrCl-Werten von
> 70 ml/min zu einer Unterschätzung der tatsächlich vorhandenen Werte [17].
Holweger et al. entwickelten daraufhin einen
Algorithmus, welcher zunächst die Bestimmung der CrCl nach der MDRD-Formel
vorsieht. Liegt der erhaltene Wert zwischen
45-95 ml/min, so kann dieser verwendet werden. Bei erhaltenen Werten unterhalb von
50 ml/min wird empfohlen, die CrCl unter
Einsatz der Salazar-Corcoran-Formel nachzubestimmen, da diese Formel im Bereich
< 45 ml/min die genausten Werte ergibt.
Liegt der Wert oberhalb von 95 ml/min, so
ist die Wright-Formel zur Nachbestimmung
zu verwenden. Dieser Algorithmus sollte nach
Angaben der Autoren noch an einer größeren
Zahl an Patienten evaluiert werden, ist aber
ein begrüßenswerter Handlungsansatz.
Der Einsatz der richtigen Formel, sowie die
kritische Bewertung der erhaltenen Ergebnisse stellt eine wichtige Grundlage für die
Dosisfindung dar. Soll beispielsweise für Carboplatin die Dosis nach AUC mittels der Calvert-Formel berechnet werden [21], so können
überschätzte CrCl-Werte zu einer nicht unerheblichen Überdosierung führen [18].
Weitere Einflussfaktoren
Bei chronischer Niereninsuffizienz und damit
verbundener nachlassender Filtrationsleistung wird die Elimination harnpflichtiger
Substanzen beeinträchtigt. Kann die verminderte renale Ausscheidung nicht durch
eine erhöhte hepatisch-biliäre Ausscheidung
kompensiert werden, kommt es zur Akkumulation dieser Stoffe. Dabei sind auch mögliche
aktive oder sogar toxische Metabolite der
Muttersubstanz zu berücksichtigen, die bei
einer verminderten renalen Ausscheidung
akkumulieren können.
Aber nicht nur die Ausscheidung, sondern
auch Bioverfügbarkeit, Verteilung, Proteinbindung und Metabolismus von Arzneistoffen
können unter einer verminderten Nierenfunktion verändert sein, weshalb nicht zwangsläufig nur die überwiegend renal eliminierten
Arzneistoffe von einer veränderten Kinetik
betroffen sein müssen [22, 23].
Urämisch bedingte gastrointestinale Störungen
bzw. ein erhöhter gastraler pH-Wert können
den resorbierten Anteil einer Substanz und
damit deren Bioverfügbarkeit herabsetzen.
Eine veränderte Struktur von Albumin, das
Vorliegen einer Hypoalbuminämie und die
urämische Stoffwechsellage kann die Plasmaproteinbindung saurer Pharmaka reduzieren.
Basische Arzneistoffe hingegen weisen häufig
eine unveränderte bzw. in einzelnen Fällen eine
erhöhte Proteinbindung auf. Klinisch relevant
wird dieser Aspekt allerdings meist erst bei
einer Proteinbindung > 80% und einer gleichzeitig veränderten Gesamtclearance [23].
Vorgehen
Der Anteil der Niere an der Gesamt-Clearance ist substanzspezifisch.
Soll eine Dosisanpasungs-Beratung bei Niereninsuffizienz angeboten werden, so empfiehlt
es sich zunächst den renal ausgeschiedenen
Anteil der entsprechenden Tumortherapeutika,
sowie deren aktiver (und toxischer!) Metabolite
zu ermitteln. Hierbei sollte, wo möglich, auf
Primärliteratur zurückgegriffen werden. Ist
dies nicht immer möglich, so können auch
bereits erstellte Monographien wie Drugdex®
oder Übersichtsarbeiten verwendet werden
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 19
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion
[2, 25, 26, 29]. Dabei sollte jedoch unbedingt
auf die Validität der Daten geachtet werden
(Quellen, Referenzen).
Ist für ein definiertes Arzneimittel der renale
Anteil (1- Q 0) an der Ausscheidung bekannt,
so kann bei Vorliegen der eGFR die individuelle Ausscheidungskapazität (Q ) des Patienten nach folgender Formel einfach bestimmt
werden [27]:
Q = (1-Q 0) x
eGFR
+Q
100
0
Q = individuelle Ausscheidungskapazität
Q 0 = substanzspezifischer, extrarenaler
Ausscheidungsanteil
eGFR = indidividuell geschätzte glomeruläre Filtrationsrate
Der für Q erhaltene Wert bildet die Grundlage
für eine möglicherweise notwendige Dosisanpassung. Dennoch darf sich eine Empfehlung
nicht allein auf die theoretische Bestimmung
von Q stützen, sondern sollte nun durch Bezugnahme auf die klinische Situation des Patienten individualisiert werden.
Hierzu sind die folgenden Informationen
einzuholen:
Warum liegt eine Niereninsuffizienz vor?
Eventuell medikamentös bedingt?
Gibt es weitere Organfunktionseinschränkungen, welche Einfluss auf Verstoffwechselung, Ausscheidung und Grad der Toxizität haben können?
Ist die einzusetzende Substanz per se nephrotoxisch und kann möglicherweise zu
einer weiteren Verschlechterung der Niereninsuffizienz führen?
Lässt der Allgemeinzustand des Patienten
eine intensive Therapie zu?
Ist der Patient bereits intensiv vorbehandelt, bestehen diesbezüglich Einschränkungen (z.B. Knochenmarksreserven)?
Wie ist die Therapieintention (kurativ/palliativ)?
Gibt es möglicherweise Alternativen zu
einer Dosisreduktion (Zyklusverlängerung,
ebenfalls einsetzbare extrarenal ausgeschiedene Substanzen)?
Weitere Angaben können im Einzelfall releden. Methotrexat akkumuliert in pathologivant sein. Auf Basis der gesammelten Inforschen Flüssigkeitsansammlungen, wie Ermationen, sowie der nun bekannten Pharmagüssen oder Aszites, was seine Ausscheidung
kokinetik muss eine Entscheidung über eine
erheblich beeinflussen kann (Abb. 1).
mögliche Dosisanpassung getroffen werden.
Zudem kann Methotrexat selbst nephrotoEs ist dabei zu betonen, dass jede Entscheixisch sein (Abb. 2). Die tubuläre Ausscheidung auf Basis größtmöglicher Evidenz zu
dung, sowie der hohe Bindungsanteil an Plastreffen ist, es sich jedoch meist um sorgfältig
maeiweißen kann durch andere Arzneimittel
abgewogene Einzelfallentscheidungen hanbeeinträchtigt werden (Abb. 3).
delt. Im Falle einer kurativen Therapieintention steht dabei das Ziel
einer höchstmöglichen Dosisintensität
• Serum-Albumin-Bindung: 50-70%
im Vordergrund, wel• rasche Verteilung im gesamten Körperwasserraum
che dem Patienten die
• Akkumulation in Flüsssigkeitsreservoirs (third space)
Chance auf Heilung
• vorwiegend renale Elimination durch tubuläre Sekretion
erhält. Dies bedeu(~90%)
tet dennoch nicht,
• schlecht löslich in sauren Medien (pH < 7)
unkalkulierbare Risi• renale MTX-Clearance wird beeinflußt durch: Grad an
ken einzugehen. Wird
Hydrierung, Urin-Flow, Urin-Alkalisierung und andere
der Patient bereits in
Medikamente
palliativer Intention
behandelt, so ist der
Abb. 1: Pharmakokinetik von Methotrexat
Faktor Lebensqualität in der Regel stärker zu gewichten. In jedem Fall gilt jedoch:
Aufgrund der genannten Faktoren ist eine
Die getroffene Entscheidung sollte nach
optimale Supportivtherapie, welche bereits
Behandlung hinsichtlich Verträglichkeit,
einen Tag vor der MTX-Gabe zu erfolgen
Toxizität und Effektivität überprüft und für
hat, sowie eine aktive Überwachung des Paeinen nächsten möglicherweise anstehenden
tienten nach Verabreichung erforderlich.
Therapiezyklus angepasst werden.
Hinsichtlich Details hierzu wird auf die
aktuelle Fachliteratur verwiesen.
Therapiebeispiele
Fall 1
Zunächst gilt es, die oben beschriebenen
Informationen einzuholen. Hieraus ergeben
sich folgende Details:
37-jähriger Patient, 66 kg, 175 cm, BurkittLymphom, Erstdiagnose 08/06, mediastinal
manifestiert
Creatinin-Clearance wurde aus dem aktuellen Serumkreatinin-Wert unter Verwendung der MDRD-Formel erhalten
CrCl 56 ml/min, Serumkreatinin 1,5 mg/dl
Patient war initial mit kompensiertem
Nierenversagen vorstellig, seitdem Besserung der Nierenfunktion
Therapie:
Hoelzer B-NHL Block B1: Methotrexat
1500 mg/m2 über 24h
Frage: Soll eine Dosisreduktion stattfinden?
Vorgehen
Zunächst sollte die Pharmakokinetik von
Methotrexat eingehend betrachtet werden.
Methotrexat wird in erheblichem Maße renal
eliminiert, überwiegend durch tubuläre Sekretion. Weiterhin ist Methotrexat schlecht
löslich in sauren Medien. Entscheidend für
eine effektive Elimination ist daher eine ausreichende Hydratation des Patienten und es
muss eine Alkalisierung des Harns stattfin-
20 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
erster Zyklus wurde aufgrund Nierenversagens, sowie Pleuraerguss ohne Methotrexat verabreicht
Erguss ist nach wie vor vorhanden, Patient
besitzt eine Drainage, so dass nur sehr
geringe Ergussmengen vorhanden sind
Leberfunktion: Transaminasen leicht erhöht, Bilirubin normwertig
Therapieintention: kurativ, die dosisintensive Chemotherapie mit Methotrexat
stellt hier einen erheblichen Faktor für
die Heilungschance dar
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion
Präzipitation von MTX und seiner schwer löslichen Metabolite in den Nierentubuli
und direkter nephrotoxischer Effekt
Risikofaktoren:
•
•
•
•
•
„Third-Space-Reservoire“ (Aszites, Ödeme, Pleura- und Perikardergüsse)
bereits vorliegende Niereninsuffizienz
Harnabflussstörungen (Obstruktionen etc.)
niedriges Plasmaeiweiß
Einnahme weiterer nephrotoxischer oder durch tubuläre Sekretion ausgeschiedener Arzneimittel
Abb 2: Ursache der MTX-induzierten Nephrotoxizität
hält eine auf den ersten Blick irreführende
Information, nämlich die Angabe der CrCl.
Da der Patient dialysepflichtig ist, liegt eine
terminale Niereninsuffizienz vor. Es gilt nun
zu klären, ob der Patient überhaupt noch eine
renale Restausscheidung besitzt. Bei der angegebenen CrCl handelt es sich um einen rein
theoretischen Wert, wenn dieser rechnerisch
unter Einsatz des Serumcreatinin-Wertes und
des Alters des Patienten mittels einer Formel
bestimmt worden ist. Die Nachfrage ergibt
hier, dass der Patient anurisch ist.
Weiterhin gilt es die oben beschriebenen Informationen einzuholen. Hieraus ergeben sich
folgende Details:
a) Verhinderung der tubulären Sekretion von MTX
Aminoglykoside, NSAR, Salicylate, Sulfonamide1, Trimethoprim1, Probenecid,
Penicillin
Creatinin-Clearance wurde aus dem aktuellen Serumcreatinin-Wert unter Verwendung der MDRD-Formel erhalten
(Kepinol = Sulfamethoxazol/Trimethoprim)
1
Patient ist bereits seit Jahren anurisch, kein
Zusammenhang mit der Tumorerkrankung
b) Verdrängung von MTX aus Eiweißbindung
Sulfonamide, Salycylate, Tranquilizer, Barbiturate, Tetrazykline, Omeprazol,
Phenylbutazon, Phenytoin, Diuretika, Doxorubicin, Probenecid
Leberfunktionsparameter normwertig
Therapieintention: zunächst kurativ
Abb. 3: Wechselwirkungen mit der Gefahr der Erhöhung einer MTX-Toxizität
keine Begleitmedikation mit Wechselwirkungs-Potential
Derzeitige Begleitmedikation:
Kepinol® forte
Pantozol® 40
Fluconazol 400
Furosemid 20
1-0-1
1-0-0
1-0-0
1-0-0
Nun sollte die individuelle Ausscheidungskapazität (Q ) nach oben angegebener Formel
berechnet werden, wobei von einem Q 0-Wert
von 0,2 auszugehen ist.
Q = (1 - 0,2) x 0,56 + 0,2 = 0,65
Empfehlung
Der mittels MDRD-Formel berechnete Wert
für die GFR kann verwendet werden. Auf Basis
dieses Wertes (56 ml/min) beträgt die Ausscheidungskapazität für Methotrexat zwei Drittel im
Vergleich zur normalen Nierenfunktion. Daher
muss die Dosis um ein Drittel (33%) reduziert
werden. Vor Therapiebeginn sollte ein Ultraschall gemacht werden, um die verbliebenen
Ergussmengen zu eruieren. Es dürfen keine
wesentlichen Mengen vorhanden sein, da sonst
die Gefahr einer MTX-Ausscheidungsstörung
besteht, deren Maß nicht voraussagbar ist. Die
leicht erhöhten Leberwerte stellen keine Reduktionsindikaton dar. MTX ist zwar lebertoxisch
und kann selbst zu einer Erhöhung der Leberwerte führen, das Risiko eines Leberversagens
ist aber in diesem Fall sehr gering. Zudem ist
die Leber in nur sehr geringem Maße an Metabolismus und Elimination beteiligt. Begleitmedikationen, wie Kepinol® forte oder Pantozol®,
welche die Ausscheidung von MTX beeinflussen können, müssen ab dem Tag vor der Gabe
bis zur vollständigen Ausscheidung von MTX
pausiert werden. Eine engmaschige Überwachung, sowie die Durchführung einer optimalen
Supportivtherapie werden empfohlen.
Fall 2
53-jähriger Patient 70 kg, 172 cm. Erstdiagnose neuroendokrines Karzinom.
Verordnete Therapie: Carboplatin AUC 5,
Etoposid 120 mg/m2.
Patient ist dialysepflichtig. CrCl 9,3 ml/min,
Serumkreatinin 6,3 mg/dl.
Frage: Kann die verordnete Therapie so verabreicht werden?
Vorgehen
Es ist zunächst die individuelle Situation des
Patienten zu klären. Die Anforderung ent-
Dialyse erfolgt jeden zweiten Tag
Patient ist bis dato nicht vorbehandelt
In diesem Fall wird zudem eine intensivere
Recherche hinsichtlich Daten zum Einsatz
der beiden verordneten Substanzen bei dialysepflichtigen Patienten notwendig. Hinsichtlich der Hintergründe wird auf die vorhandene Literatur verwiesen [25, 29]
Empfehlung
Da der Patient anurisch ist und keine nennenswerte renale Restausscheidung besitzt,
kann die nach MDRD berechnete CrCl nicht
zur Dosisberechnung herangezogen werden.
Vielmehr muss eine CrCl von 0 ml/min zur
Dosisberechnung nach Calvert herangezogen
werden [30, 31]:
Carboplatin-Dosis = 5 x (0 + 25) = 125 mg
Carboplatin sollte an einem dialysefreien
Tag verabreicht werden, eine Dialyse darf
frühestens nach 16 Stunden durchgeführt
werden [32].
Etoposid wird zu einem recht hohen Anteil
von etwa 40-60% über eine Zeit von mehreren
Tagen renal eliminiert. Ein Teil der renalen
Elimination kann wahrscheinlich hepatisch
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 21
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion
Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 3/2009
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion
1. Für eine Dosierungsempfehlung unter Betrachtung der
individuellen Situation des Patienten sollten u.a. folgende Informationen eingeholt werden:
B- kein Fleischgenuss, keine körperliche Belastung während
der Sammelperiode
A- Allgemeinzustand
C- vor Sammelbeginn und vor Beendigung Blase vollständig
entleeren lassen
B- Vorbehandlung
D- intensive körperliche Betätigung
C- weitere Organfunktionen
4. Zur Bestimmung der individuellen Ausscheidungskapazität (Q) des Patienten für ein definiertes Arzneimittel
werden folgende Parameter herangezogen:
D- Therapieausrichtung
2. Substanzen zur Abschätzung der GFR sollten u.a. folgende Eigenschaften haben:
A- Eignung für routinemässige Bestimmung in der Klinik
A- aktueller Serumcreatinin-Wert
B- freies Bilirubin
C- substanzspezifischer, extrarenaler Ausscheidungsanteil (Q 0 )
B- ausschließlich intravenöse Verabreichung
D- individuell geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR)
C- ausschließlich glomeruläre Filtration
D- kein Metabolismus
Richtige Antworten zum Beitrag „Radikalfänger in der
Onkologie – Erfahrungen mit Amifostin“
3. Voraussetzung für eine möglichst exakte GFR-Bestimmung
mittels Sammelurin ist die Beachtung folgender Punkte:
A- ausreichende Volumenaufnahme gewährleisten (1,5-2 l)
in „Onkologische Pharmazie“ Heft 1/2009
1: B, C, D
2: B, D
3: C, D
4: A
Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2009
Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel
in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforderlichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der
Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende FaxNummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig
sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg!
Name:
Vorname:
Einrichtung:
Straße:
Per Fax: +49-40-79 14 03 02
„Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion“
(Onkologische Pharmazie Nr. 3/2009)
Meine Antwort (X) lautet bei:
Frage 1:
A
B
C
D
Frage 2:
A
B
C
D
Frage 3:
A
B
C
D
Frage 4: A
B
C
D
22 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
PLZ/Ort:
Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen
persönlich beantwortet habe.
Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes
interaktives Selbststudium-DGOP“ bitte ich um die Registrierung
meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl.
Datum:
Unterschrift:
Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion
kompensiert werden [33]. Dennoch ist eine
Dosisreduktion von etwa 40-50% zu empfehlen [32]. Die Verabreichung kann unabhängig
vom Dialysezeitpunkt erfolgen, da Etoposid
als nicht dialysabel angesehen werden muss
[34]. Die getroffene Entscheidung sollte nach
Behandlung hinsichtlich Verträglichkeit, Toxizität und Effektivität überprüft und für einen nächsten möglicherweise anstehenden
Therapiezyklus angepasst werden.
Ausblick
Aus den genannten Gründen ist das Feld der
Dosisfindungsberatung eine wichtige Kernaufgabe des onkologischen Pharmazeuten.
Oft liegen nur wenige Daten, Studien und
Fallberichte vor. Hierin liegt die eigentliche
Aufgabe des Pharmazeuten: Die Bewertung
der vorliegenden Daten und Erfahrungen
hinsichtlich Methodik der Gewinnung und
Aussagekräftigkeit sowie die Übertragung der
wenigen Evidenzen auf die jeweilige klinische
Situation. Im optimalen Fall ist das Ergebnis
der Beratung eine definierte (!) Empfehlung,
welche auf Basis der vorhandenen Daten, sowie der individuellen klinischen Situation
des Patienten unter Einbezug der genannten
Kriterien getroffen wurde.
Literatur
1.
2.
3.
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increasing dosages of etoposide in a chronic hemodialysis patient. Cancer Treat Rep 1985; 69(11):
p. 1279-82.
Autor:
Tilman Schöning
Fachapotheker für Klinische Pharmazie
Univ.-Klinikum Heidelberg, Apotheke
Pharmazeutisch-Onkologisches Zentrum
Im Neuenheimer Feld 670, 69120 Heidelberg
e-mail: Tilman.Schoening@
med.uni-heidelberg.de
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 23
Lebender Kolumnentitel
Impfungen für Patienten
mit Tumorerkrankungen?
Von Jens Büntzel, Nordhausen
D
ie ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut hat zuletzt im Jahre 2005
Hinweise zu Impfungen für Patienten mit Immundefizienz herausgegeben, die auch
aktuell als Richtlinien gelten. Diese Hinweise sind in einer Expertengruppe erarbeitet
worden, es erfolgte eine nicht näher beschriebene Abstimmung mit betroffenen Fachgesellschaften (1).
Tumorpatienten werden in den Hinweisen
unter der Gruppe der sekundären Immundefekte subsumiert; andere hier eingeordnete
Leiden sind HIV-Infektionen, Zustände nach
Organtransplantation oder Stammzelltransplantation.
In einer Präambel betont die STIKO (Ständige
Impfkommission am Robert-Koch-Institut),
dass bei Patienten mit Immundefizienz folgende Problembereiche zu beachten seien:
Es ist generell bei diesen Patienten von
einem erhöhten Infektionsrisiko durch
impfpräventable Erkrankungen auszugehen. Die Durchführung der empfohlenen
Schutzimpfungen ist deshalb für diese Patientengruppen besonders wichtig.
Der Impferfolg ist allerdings nicht immer
erreichbar; die Nutzung von Titerbestimmungen wird ausdrücklich geraten.
Bei gestörter bzw. unterdrückter Immunabwehr kann bei der Durchführung von
Lebendimpfungen ein erhöhtes Impfrisiko bestehen, so dass lebende Impferreger
(in der Regel Viren) lange Zeit absolut
kontraindiziert waren. Auch heute sind
Ausnahmen hiervon nur in Kenntnis der
immunologischen Restfunktion des Patienten möglich.
Totimpfstoffe sind für Patienten mit Immundefizienz ohne besonderes Risiko.
Kombinationsimpfstoffe sind auf Grund
ihrer einfachen Handhabbarkeit der Gabe
der Einzelimpfstoffe vorzuziehen.
Bei gesicherter immunologischer Restfunktion ist eine jährliche Impfung gegen
Influenza durchaus sinnvoll.
Bei immundefizienten Patienten ist besonderer Wert auf die Umgebungsprophylaxe,
Expositionsprophylaxe und Postexpositionsprophylaxe zu legen. In der Umgebung
des Patienten sollte möglichst konsequent
und umfassend geimpft werden.
Zu Reiseimpfungen bei Immundefizienz gibt
es nur wenige valide Daten. Auch hier wird
auf die besondere Notwendigkeit der Expositionsprophylae hingewiesen. Zu folgenden
Einzelimpfungen nimmt die STIKO im Hinblick auf Reiseimpfungen Stellung:
Impfungen gegen FSME und Hepatitis A
stellen kein Problem dar, da es sich hierbei
um Totimpfstoffe handelt.
24 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Impfungen gegen Typhus sollten die risikoärmeren Totimpfstoffe (Vi Kapsel-Polysaccharid-Vakzine; VICPS) verwendet
werden.
Impfungen gegen Gelbfieber sind als Lebendimpfung kontraindiziert.
Für Impfungen gegen Cholera wird keine
Empfehlung ausgesprochen.
Zu Impfungen mit Lebendimpfstoffen konkretisiert die STIKO für onkologische Patienten zwei Eckpunkte:
Patienten sollten mindestens 12 Monate
in Remission sein.
Die Lymphozytenzahl sollte > 1.500 Gpt/
µl sein.
Tabelle 1 fasst die speziellen Hinweise der
STIKO für Patienten mit onkologischer
Grunderkrankung nochmals zusammen.
Ein Blick auf die vom Robert-Koch-Institut
übernommenen Referenzarbeiten mag verdeutlichen, dass die Datenlage insbesondere
im Bereich der erwachsenen Patienten noch
extrem unzureichend ist.
Mit Blick auf die besondere Problematik der
Impfungen von Kindern mit hämato-onkologischen Erkrankungen sei auf eine Arbeit
aus dem Haunerschen Kinderspital München
verwiesen, die sich dieser Problematik ausführlich annimmt (2).
Impfungen für Patienten mit Tumorerkrankungen?
Referenzen
1
Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO)
am Robert-Koch-Institut: Hinweise zu Impfungen
für Patienten mit Immundefizienz. 10. November
2005
2
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Klein. Pädiatr 2001; 213 Sonderheft 1: A77-A83
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childhood acute lymphoblastic leukemia induce loss
of humoral immunity to viral vaccination antigen.
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pre-S2 antigen in children with cancer. Pediatr Hematol Oncol 2002; 19(4): 227-233
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vaccination in children receiving cancer chemotherapy. Indian Pediatr 2000; 37(8): 882-886
9
Meral A, Sevinir B, Gunay U: Efficacy of immunization
against hepatitis B virus infection in children with
cancer. Med Pediatr Oncol 2000; 35(1): 47-51
10 Shenep JL et al: Response of immunocomromised
children with solid tumors to a conjugate vaccine
for Haemophilus influenzae type b. J Pediatr 1994;
125(4): 581-584
11 Mitus A et al: Attenuated measles vaccine in children
with acute leukaemia. Am J Dis Child 1962; 159:
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12 Efstratiou A, Maple C: Diphtheria. Laboratory diagnosis of diphtheria 1994:15
13 Kempe A et al: Influenza in children with cancer. J
Pediatr 1989; 115(1): 33-39
14 Brydak LB et al: Immunogenicity of subunit trivalent
influenza vaccine in children with acute lymphoblastic leukemia. Pediatr Infect Dis J 1998; 17(2):
125-129
15 Chisholm JC et al: Response to influenza immunisation during vtreatment for cancer. Arch Dis Child
2001; 84(6): 496-500
Autor:
PD Dr. med. habil. Jens Büntzel
Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde
Südharz-Krankenhaus Nordhausen gGmbH
Dr. Robert-Koch Straße 39
99734 Nordhausen
Erläuternder Text
Referenzen
Generell
sind die zugelassenen Impfstoffe bei onkologischen Patienten
mit nicht eingeschränkter Immunfunktion sicher und zeigen
den gleichen Nutzen wie bei Gesunden. Zu Patienten mit
Radiotherapie oder Chemotherapie gibt es nur retrospektive
Daten, die sich auf hämatologische Patienten beziehen. Es ist
auf Grund der Immunsuppression nur mit einer eingeschränkten
oder einer fehlenden Impfantwort zu rechnen.
3, 4
Totimpfstoffe
Die Applikation ist unbedenklich, die spezifische Immunantwort
aber unsicher. Wenn möglich erst drei Monate nach
Chemotherapie impfen.
Lebendimpfstoffe
Unter Chemotherapie/Immunsuppression grundsätzlich
kontraindiziert.
In Remission (>12 Monate), nach Abschluss der Therapie (inkl.
Bestrahlung) bei normaler Lymphozytenzahl (>1.500 Gpt/l)
möglich.
Speziell
D(D)TPa/IPV/Hepatitis B
Hepatitis-B-Impfung reduziert das Risiko eines hepatozellulären
Karzinoms.
Konjugatimpfstoffe
Hib bei Mb. Hodgkin und Leukämie für Kinder empfohlen,
möglichst 10-14 Tage vor Behandlungsbeginn.
Pneumokokken: Bei Mb. Hodgkin und Leukämie empfohlen,
insbesondere nach Splenektomie. Möglichst vor Therapie.
Serologische Kontrolle der Impfantwort.
Meningokokken: Aus theoretischen Überlegungen zu
empfehlen.
Masern, Mumps, Röteln (MMR)
Unter Chemotherapie oder Immunsuppression kontraindiziert.
Nach Abschluss der onkologischen Therapie (12 Monate),
vollständiger Remission und normalen Lymphozytenzahl (s.o.)
möglich.
5, 6, 7, 8, 9
10
11, 12
Varizella-Zoster Virus(VZV)
Vorgehen wie bei Masern.
Influenza
Einmal jährlich empfohlen. Unter Chemotherapie/
Immunsuppression eventuell unzureichende Immunantwort.
Kontaktpersonen ebenfalls impfen.
13, 14, 15
Tab. 1: Empfehlungen der STIKO zu onkologischen Patienten
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 25
PSA-Test: Pro und Kontra
Zur Früherkennung des Prostatakarzinoms
PSA-Test: Pro und Kontra
Von Jürgen Breul, Freiburg
D
ie Diskussion über den Stellenwert des PSA Tests in der Früherkennung des Prostatakarzinoms wird unter Experten kontrovers geführt.
Die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Serum zur Diagnostik des
Prostatakarzinoms hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren immer mehr Patienten in
einem lokal begrenzten, potenziell kurablen Stadium diagnostiziert wurden. Im Rahmen
zweier großer randomisierter Studien wurde überprüft, ob die PSA-Bestimmung zum
Screening (Massenuntersuchung von gesunden Männern) geeignet ist. Die Ergebnisse
der Studien haben in einigen Fragen Antworten erbracht, in anderen aber eine Reihe von
neuen Fragen aufgeworfen, die Gegenstand intensiver Diskussion sind. Die europäische
Screening-Studie hat im Wesentlichen zu zwei Erkenntnissen geführt: Auf der einen Seite
eine Reduktion der Todesrate am Prostatakarzinom durch das Screening um 27 Prozent
- auf der anderen Seite ein erhebliches Maß an Überdiagnose und Übertherapie. Berechnungen gehen von 48 Behandlungen aus, um ein Menschenleben zu retten.
Abb. 1
PSA Molekül mit gebundenem
Antikörper (grau)
www.chemgapedia
Das Prostatakarzinom
Das Prostatakarzinom ist in den westlichen
Industrieländern der häufigste Tumor des
Mannes. In Deutschland wird die Zahl der
Neuerkrankungen auf 58.000 pro Jahr geschätzt. Etwa 11.000 Männer versterben
jährlich an dieser Erkrankung. Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung liegt bei
68 Jahren. Das Risiko eines Mannes während
seines Lebens mit einem Prostatakarzinom
diagnostiziert zu werden, beträgt 13 Prozent.
Ein Viertel aller neu entdeckten Karzinome
des Mannes sind in der Prostata lokalisiert.
Das Prostatakarzinom steht mit 11 Prozent
an zweiter Stelle der tumorbedingten Todesursachen. Das bedeutet, dass nur ca. ein
Drittel der erkrankten Männer an dem Karzinom verstirbt.
Der Krankheitsverlauf ist extrem heterogen.
So kann das Karzinom unbehandelt in kurzer
Zeit zum Tode führen. Es gibt aber durchaus Verläufe, bei denen der Betroffene ohne
Therapie über viele Jahre ohne Beeinträch-
26 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
tigung durch den Tumor bleibt. So reicht
das Behandlungsspektrum vom abwartenden
Beobachten über die medikamentöse Therapie
bis zur Operation und Bestrahlung. Auch
multimodale Therapiekonzepte werden bei
aggressiven und/oder fortgeschrittenen Karzinomen eingesetzt.
Zur Diagnostik steht neben der digitalenrektalen Abtastung der Prostata die PSA-Bestimmung im Serum zur Verfügung. Das PSA
ist eine Protease, die zur Verflüssigung des
Ejakulats erforderlich ist. Sie wird ausschließlich von den Prostatadrüsenzellen gebildet.
Bei Erkrankungen der Prostata (gutartige
Vergrößerung, Entzündung und Karzinom)
sind die Werte höher als bei Normalbefunden
der Prostata. Das PSA ist also kein tumorsondern ein organspezifischer Marker.
Dies erklärt auch die besondere Problematik: Es gibt keinen eindeutigen Grenzwert,
ab dem PSA-Werte als pathologisch erhöht
gelten. So liegt bei Werten um 1 ng/ml bereits
in 5 Prozent der Fälle ein Karzinom vor, bei
Werten um 4 ng/ml (oft als Grenzwert angegeben) bereits in 25 Prozent und bei 10 ng/ml
in 60 Prozent. Wenn man den Schwellenwert
sehr niedrig wählt (z.B. 1 ng/ml), wird man
fast alle Prostatakarzinome erfassen, aber eine
viel zu hohe Rate von falsch positiven Befunden haben - eine hohe Sensitivität bei sehr
niedriger Spezifität. Eine unverantwortlich
hohe Anzahl von Patienten würde mit der
potenziellen Karzinomdiagnose konfrontiert
und müsste sich einer Biopsie unterziehen.
Wählt man eine Schwellenwert von 10 ng/ml,
so übersieht man viel zu viele Karzinome niedrige Sensitivität bei höherer Spezifität.
In Tab. 1 sind die Kriterien aufgelistet, die für
ein sinnvolles Screening erfüllt sein müssen.
Für das Prostatakarzinom sind die meisten
Punkte gegeben - nur die Frage nach einem
sinnvollen Testsystem bleibt unklar. Aus diesem Grunde wurde in zwei Studien überprüft,
ob die PSA-Bestimmung für ein Screening
geeignet sein kann.
PSA-Test: Pro und Kontra
Screeningstudien
In einer in sieben europäischen Ländern
durchgeführten Studie wurden zwischen 1990
und 2006 162.243 Männer im Alter zwischen
55 und 70 Jahren zufällig einer Screening
Gruppe mit einer PSA Bestimmung alle 4
Jahre und einer Kontrollgruppe ohne PSA
Bestimmung zugelost. Die entscheidende
Frage war: Versterben in der Screeninggruppe
weniger Männer am Prostatakarzinom?
In der Screeninggruppe wurde in 8,2 Prozent
und in der Kontrollgruppe in 4,8 Prozent der
Fälle ein Prostatakarzinom diagnostiziert.
In der Screeninggruppe fand sich weiterhin
eine 20prozentige Reduktion der Todesrate
am Karzinom. Die Daten wurden so interpretiert, dass 1.410 Männer untersucht und
48 behandelt werden müssen, um das Leben
eines Patienten zu retten.
Gleichzeitig wurde die amerikanische Screeningstudie für Tumore der Prostata, der Lunge, des Kolons und der Ovarien (PLCO)
publiziert. In dieser Studie fand sich keine
Reduktion der Todesrate für das Prostatakarzinom durch eine PSA Bestimmung.
Abb. 2: Kernspinbild eines lokal-fortgeschrittenen Prostatakarzinoms
Tab. 1: Kriterien für ein sinnvolles Screening
Voraussetzungen
Für PSA erfüllt?
Bemerkung
1. Krankheit muss für die Volksgesundheit von Bedeutung sein
ja
Das Prostatakarzinom ist der
häufigste Tumor des Mannes
und zählt zu den häufigsten tumorbedingten Todesursachen
2. sie muss gut bzw. bei früherer
Erkennung deutlich besser behandelbar sein
ja
In einer randomisierten Studie
ist die Radikale Prostatektomie
der verzögerten Hormontherapie signifikant überlegen.
3. das Testverfahren soll eine hohe
Sensitivität und Spezifität aufweisen, d.h. der Test soll die gesuchte Erkrankung (die bestehenden
Risikofaktoren) mit möglichst
großer Sicherheit nachweisen oder
ausschließen können.
nur bedingt
PSA weist - je nach Schwellenwert - eine zufriedenstellende
Sensitivität aber eine schlechte
Spezifität auf. Das bedeutet zu
viele falsch positive Befunde.
4. die Untersuchung soll zeit- und
kostengünstig sein.
ja
Einfacher Bluttest. Kostenpunkt ca. 30 €
5. die Untersuchung soll den zu
Untersuchenden möglichst wenig
belasten.
ja
Blutentnahme weniger problematisch als z.B. eine Röntgenuntersuchung oder eine
Darmspiegelung
Beide Studien haben in der Fach- und Laienpresse große Aufmerksamkeit erfahren und
wurden vereinfacht meist dahingehend interpretiert, dass eine PSA Bestimmung keinen
Sinn macht. In der täglichen Praxis hat sich
diese Berichterstattung deutlich ausgewirkt.
Sehr viele Patienten nahmen und nehmen von
einer PSA-Bestimmung Abstand.
Daten und Fakten
Die amerikanische Studie erlaubt keine definitive Aussage zum Effekt der PSA-Bestimmung. Im so genannten Kontrollarm, also der
Gruppe, die keine PSA Bestimmung erhalten
sollten, ließen 52 Prozent (!) der Patienten
doch einen PSA-Wert bestimmen, aus dem
dann auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen wurden. Ein Teil der Patienten,
bei denen der PSA-Wert bestimmt werden
sollte, ließ den Test gar nicht durchführen.
Beide Faktoren verwässern die Resultate in
erheblicher Weise. Der Untersuchungszeitraum betrug zudem nur sieben Jahre. In der
Europäischen Studie zeigt sich ein Unterschied zwischen den Armen frühesten nach
acht Jahren. Die Amerikanische Studie war
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 27
PSA-Test: Pro und Kontra
einfach zu kurz angelegt, um überhaupt einen
Unterschied feststellen zu können.
Wesentlich aussagekräftiger ist die europäische Studie. Allerdings war das „opportunistische Screening“ und die „Kontamination“
auch hier ein Problem. Bei 20 Prozent wurde
entgegen dem Protokoll in der Kontrollgruppe doch ein PSA-Wert bestimmt. Wird dies
berücksichtigt, so beträgt der Rückgang der
Todesrate 27 Prozent. In Deutschland allein
beachteter Effekt der PSA-Bestimmung war,
dass auch um 30 Prozent weniger Patienten
mit Fernmetastasen diagnostiziert wurden.
Ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität,
der wiederum zusätzlich fast 3.000 Männer
in Deutschland betreffen würde.
Etwa 1.400 Männer müssten untersucht
werden, um ein Leben zu retten. Ähnliche
Zahlen gelten allerdings auch für das Mammographiescreening beim Mammakarzinom. Auch hier wird eine
25-prozentige Reduktion
der Todesrate durch die
Mammographie unterstellt
(prospektiv randomisierte
Studien fehlen). Also ganz
ähnliche Zahlen wie für
das Prostatakarzinom, wobei berücksichtigt werden
muss, dass eine Blutuntersuchung weniger belastend
ist, als eine Röntgenuntersuchung.
Berechnungen gehen davon aus, dass es durch das
PSA-Screening zu einer
Überdiagnose in 55 Prozent der Fälle kommt.
Auch müssten 48 Patienten
„betreut“ werden (nicht alle
sind, wie oben erwähnt,
behandelt worden), um ein
Menschenleben zu retten.
Die mathematischen MoRadikaloperation des Prostatakrebes mit Lupenbrille
delle, die diesen Berechnungen zugrunde liegen,
sind unter Statistikern
nicht unumstritten. Unter
wären das in jedem Jahr fast 3.000 Männer,
Verwendung andere Modelle liegt die Rate
die nicht am Prostatakarzinom versterben
an Überdiagnose bei 27 Prozent - immer noch
müssten.
eine zu hohe Quote.
Ein weiteres Problem der Studien ist, dass
bei einem erhöht gemessenen PSA-Wert
auch eine Konsequenz erfolgen muss. Das
Zusammenfassung
alleinige Angebot, eine PSA-Bestimmung
Es kann als gesichert gelten, dass die PSAdurchführen zu lassen, wird nicht zu einem
Bestimmung zu einer Senkung der TodesraEffekt auf die Todesrate führen. Es muss auch
te am Prostatakarzinom um ca. 30 Prozent
eine Biopsie und, im positiven Fall, eine Beführt.
handlung erfolgen. Im schwedischen Arm
der Studie sind 30 Prozent der diagnostiEs hat sich aber auch gezeigt, dass für das
zierten Karzinome ohne Therapie geblieben
Prostatakarzinom ein signifikantes Problem
(watchful waiting). Ein weiterer, zu wenig
der Überdiagnose besteht. Zu viele Patienten
28 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
würden mit der potenziellen Karzinomdiagnose konfrontiert und einer Biopsie unterzogen. Von den gefundenen Karzinomen
müssen viele gar nicht behandelt werden.
Aus diesem Grunde kann ein Massenscreening mittels PSA-Bestimmung nicht
empfohlen werden. Der PSA-Test ist aber
weiterhin das wichtigste Hilfsmittel zur
Frühdiagnostik des Prostatakarzinoms und
ist in vielen Fällen unverzichtbar.
Er bietet uns die Möglichkeit einer Diagnose
in einem heilbaren Stadium.
Sinnvoll erscheint eine Untersuchung von
Risikogruppen. Diese können durch eine
PSA Bestimmung um das 40. Lebensjahr
identifiziert werden. Liegen die Werte bereits zu diesem Zeitpunkt über dem Altersdurchschnitt, so ist das Risiko,im weiteren
Leben ein Prostatakarzinom zu entwickeln,
gegenüber Männern mit Werten unterhalb
des Mittelwertes deutlich erhöht. Auch bei
eine familiären Belastung sollten regelmäßig
PSA-Bestimmungen erfolgen.
Nicht geklärt durch die erwähnten Studien
sind die Fragen nach der Lebensqualität und
der Kosten-Nutzen Relation. In diese Überlegungen müssen dann auch die Probleme einer Palliativbehandlung bei fortschreitenden
Tumoren eingehen.
Aus den Studien ergeben sich folgende Aufgaben für die nahe Zukunft:
1. Die Entwicklung besserer Testsysteme
mit höher Sensitivität und Spezifität
2. Methoden zu etablieren, die uns zuverlässig erlauben, die Tumore, die behandelt
werden müssen von denen zu unterscheiden, die beobachtet werden können.
Autor:
Prof. Dr. med. Jürgen Breul
Lorettokrankenhaus
Mercystraße 6-14
79100 Freiburg
[email protected]
Kommentar vom Herausgeber
Kommentar vom Herausgeber
der „Onkologischen Pharmazie“
Klaus Meier
Alles Vortreffliche ist ebenso schwierig
wie selten
(Spinoza, 1623)
Den Aufforderungen, das Richtige zu tun und
das Schlechte zu lassen, zum Trotz hat der
Bundestag auf Anraten des Gesundheitsausschusses die 15. AMG-Novelle beschlossen.
Diese wurde quasi tags darauf am 23. Juli im
Bundesanzeiger veröffentlicht und damit
rechtskräftig.
Wie es künftig um Preisgestaltung und
Abrechnungstechnik bestellt sein wird,
muss uns das Ergebnis der Verhandlungen
zwischen den Tarifverbänden weisen. Die
DGOP e.V. hat mit dem Ziel, die Patientenversorgung zu verbessern, ihre Argumente
zuletzt durch die Übersendung der QuapoS 4
an jeden Abgeordneten des Bundestages
eingebracht und wird nimmer müde, für
diese Ziele mit Aktionen und Publikationen
einzutreten.
In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte
von hoher Aktualität:
Die multidisziplinäre Zusammenarbeit in
der Entwicklung von Standards und die
Sicherstellung der Patientenversorgung
durch Intensivierung der pharmazeutischen
Beratungstätigkeit.
Wie soll das vonstatten gehen, werde ich oft
gefragt, wenn doch die Rahmenbedingungen
immer schlechter werden?
1. Multidisziplinarität
Die Deutsche Krebsgesellschaft, in der wir
eine AG gegründet haben, um die Interessen
aller Onkologischen Pharmazeuten gebündelt einzubringen, fördert die Bildung von
Organkrebs- und Onkologischen Zentren,
um die Qualität der Patientenversorgung zu
erhöhen. Die fachlichen Anforderungen an
Onkologische Zentren wurden in speziellen
Erhebungsbögen festgelegt und stellen die
Basis für Zertifizierungen Onkologischer
Zentren dar.
In diesem Zusammenhang wird in dem von
den Kliniken auszufüllenden Erhebungsbogen im Kapitel „Allgemeine Angaben zum
Onkologischen Zentrum“ in Punkt 1.9 die
Apotheke nicht nur erwähnt, sondern auch
die Anforderungen, die an sie zu stellen sind,
ausdrücklich formuliert.
So werden neben der grundsätzlichen
Qualifikation als Apotheker als erwünschte
Zusatzqualifikation die Weiterbildung der
Kammern und die der DGOP ausgeführt.
Neben den allgemein anerkannten Tätigkeiten des versorgenden Apothekers wird
auch die aktive Teilnahme des Apothekers
an den Tumorkonferenzen des Zentrums
gefordert.
Letztlich wird die externe Abnahme eines
QM-Systems empfohlen mit der Formulierung „z.B. apothekenspezifisches QM in der
Zytostatika-Herstellung (DGOP)“.
Hierzu können Sie auf der DGOP-Homepage (http://www.dgop.org/zer tifizierung_schnellabfrage.php) bereits vorab
feststellen, ob Sie alle Voraussetzungen
in die DGOP-Zertifizierung nach QuapoS
einbringen.
2. Dienstleistungspauschale
Die pharmazeutische Dienstleistung ist
mehr als nur die Herstellung applikationsfertiger Zytostatika-Lösungen. Dies wird
auch in der Stellungnahme der ABDA zur
15.AMG-Novelle vom 29. April deutlich.
Unter weiteren Anregungen wird das Medikamentenmanagement als zukünftige Verpflichtung für die Apotheken angesprochen
und das Modell der „Zeitraumverordnung“
vorgestellt, durch die der Apotheke bei
der Aushändigung der Medikamente an
chronisch Kranke eine größere Kompetenz
zugesprochen werden soll.
Wenn jetzt im Rahmen der AMG-Novellierung eine Herstellungspauschale von
70 Euro (wenn auch unter anderen Vorzeichen) auftaucht, die in keiner Weise per se
einen Bezug zu pharmazeutischer Beratung
und Betreuung aufweist, dann müssen wir
umgehend große Anstrengungen unternehmen, damit statt der Herstellungspauschale
eine Dienstleistungspauschale fixiert wird.
Dem §13 wird nicht die Zukunft gehören. Nur
überdimensionale oder überregional agierende Apotheken, oftmals finanziell getragen
von einzelnen Pharmafirmen, werden hier den
Gewinn ziehen. Da ist es nicht unvorstellbar,
auch in dieser Zeit gleich mehrere, kapitalintensive Geräte, wie z.B. Herstellungsroboter
aufzustellen, um in ganz Deutschland eine
flächendeckende, wenn auch nicht patientennahe Großversorgung im Bereich der
Zytostatika-Herstellung zu implementieren.
Zum einen lassen sich dann Rabatte für die
Kostenträger generieren, zum anderen kann
die noch bestehende ortsnahe Versorgung
noch stärker unter Druck gesetzt werden.
Aus diesem Grund geht kein Weg daran
vorbei, die pharmazeutische Beratung als
notwendigen Bestandteil der Gesamtversorgung onkologischer Patienten einzubringen.
Die DGOP wird in diesem Zusammenhang an
die gesamte pharmazeutische Öffentlichkeit
treten und im Laufe der nächsten 6 Monate
zur Verdeutlichung der pharmazeutischen
Beratungsmöglichkeiten Inhalte und Instrumentarien in regionalen Schulungsveranstaltungen präsentieren.
Wir sind sicher, dass sich viele onkologisch
tätige Apotheker zur Unterstützung bereit
erklären, um der Bevölkerung die Kompetenz und Fähigkeit der Pharmazeutischen
Betreuung vor Augen zu führen und der vorhandenen Nachfrage durch Krebspatienten
„Vortreffliches“ zukommen zu lassen.
Klaus Meier, August 2009
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 29
30 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Pharmazeutische Betreuung
KURZMELDUNG
Pharmazeutische Betreuung
onkologischer Patienten unter
Therapie mit Capecitabin
Mündliche Gruppen-Prüfung
im Rahmen der PTA
Weiterqualifizierung:
„PTA Onkologie (DGOP)“
Folgende PTAs haben diese Prüfung
bestanden:
am 12. Juni 2009
Bruns, Christina /Moers
Neubert, Katrin / Dresden
Reinelt, German / Berlin
Im Rahmen seiner Dissertation zeigte Sven Simons, dass Pharmazeutische Betreuung einen signifikanten Beitrag zur Complianceförderung von Patienten unter per os applizierbarer Chemotherapie
leisten kann.
Die Dissertation wurde an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn
unter der Leitung von Prof. Dr. U. Jaehde und Prof. Dr. H. Schweim
angefertigt und am 6. April 2009 verteidigt.
Diese Arbeit ist 2009 im Verlag Dr. Hut unter der ISBN 978-3-86853024-7 erschienen und abzurufen unter:
URL: http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online/math_nat_fak/2009/
simons_sven
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 31
Pflanzlicher Wirkstoff gegen Prostatakarzinom
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG
Pressemitteilung der Deutschen Krebshilfe
Pflanzlicher Wirkstoff gegen Prostatakarzinom
Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei
Männern in Deutschland. Wenn der Tumor der Vorsteherdrüse früh genug erkannt
wird, sind die Heilungschancen meist sehr
gut. Doch sobald sich Tochtergeschwülste
– so genannte Metastasen – gebildet haben,
gibt es nur noch wenige Therapieoptionen.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts untersuchen jetzt Privatdozent Dr. Peter Burfeind und Privatdozent Dr. Paul Thelen,
beide Universitätsklinikum Göttingen, ob
ein pflanzlicher Wirkstoff aus einem Liliengewächs beim metastasierten Prostatakarzinom wirkungsvoll eingesetzt
werden kann. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Forschungsprojekt mit
300.800 Euro.
Während Prostatakrebs in westlichen Gesellschaften eine der häufigsten Krebsarten bei Männern ist, spielt dieser Tumor
in asiatischen Ländern wie China, Japan
und Indien nur eine untergeordnete Rolle.
„Die Ursache dafür liegt wahrscheinlich in
der asiatisch geprägten Ernährung mit viel
pflanzlicher Kost anstatt tierischer Eiweiße
und Fette“, erklärt Burfeind vom Institut für
Humangenetik, Universitätsklinikum Göttingen. „Experten vermuten, dass die Krebsvermeidenden Effekte der Nahrung in erster
Linie auf Pflanzeninhaltsstoffe mit schwach
östrogenen Eigenschaften zurückzuführen
sind.“ Diese so genannten Isoflavone haben
ähnliche Eigenschaften wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen und werden daher
auch als „Phyto-Östrogene“ bezeichnet.
Das Prostatakarzinom wächst bei fast allen
Patienten hormonabhängig. Dabei stimuliert
insbesondere das männliche Geschlechtshormon Testosteron das Krebswachstum.
Doch auch das weibliche Hormon Östrogen
wird in kleinen Mengen von den Hoden und
im Fettgewebe produziert. Es fungiert im
männlichen Stoff wechsel und damit auch in
der Prostata als Gegenspieler des Testosterons und kann so auch das Wachstum von
Tumorzellen bremsen. Bei der Entstehung
eines bösartigen Tumors der Prostata sind
diese hormonabhängigen Signalwege aber in
vielen Fällen gestört. Infolge der genetischen
Veränderungen (Mutationen) geht dann vom
Östrogen der gleiche wachstumsfördernde
Stimulus aus wie vom Testosteron.
Die Göttinger Arbeitsgruppe hat nun ein
Phyto-Östrogen mit tumorspezifischer Wirkung identifiziert, das genau dort eingreift,
wo das Östrogen das Zellwachstums beeinflusst: Das Isoflavon mit dem wissenschaftlichen Namen Tectorigenin bindet an die
Zelloberfläche der Krebszellen und vermag
so unter anderem modulierende Östrogen-Si-
32 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
gnalwege wiederherzustellen, die im Prostatakarzinom eine Tumor-verhindernde Funktion
einnehmen.
Tectorigenin stammt aus der Wurzel des Liliengewächses Belamcanda chinensis. Diese
Heilpflanze wird in der traditionellen chinesischen und koreanischen Medizin eingesetzt.
„Wir wollen nun untersuchen, ob Tectorigenin zur Therapie beim Prostatakarzinom
angewendet werden kann“, erklärt Thelen vom
Zentrum für Chirurgie, Urologische Klinik
der Universität Göttingen. Erste Experimente
seien vielversprechend: So konnten die Wissenschaftler bereits im Labor mit Extrakten
aus Belamcanda chinensis das Wachstum von
Krebszellen hemmen und sogar im Tiermodell die Ausbreitung eines Tumors verlangsamen. „Zudem ist es denkbar, dass diese
Substanz eines Tages auch vorbeugend gegen
Prostatakrebs eingesetzt werden könnte“, so
der Wissenschaftler. Bis zur Anwendung
in klinischen Studien besteht jedoch noch
weiterer Forschungsbedarf.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei
Männern. Jedes Jahr erkranken über 58.000
Menschen neu daran. Rund 11.600 Betroffene sterben jährlich an einem bösartigen
Tumor der Vorsteherdrüse. Die Deutsche
Krebshilfe bietet einen allgemeinverständlichen blauen Ratgeber „Prostatakrebs“
an. Diese Broschüre kann kostenlos bestellt werden bei: Deutsche Krebshilfe,
Postfach 1467, 53004 Bonn, oder im Internet
unter www.krebshilfe.de heruntergeladen
werden.
Bonn, 17. Juni 2009
Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.
Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.
(BPS) stellt sich vor
D
er Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) ist die Dachorganisation
der Prostatakrebs-Selbsthilfegruppen in Deutschland mit sechs überregionalen
Gliederungen. Der Verband wurde im Jahr 2000 gegründet. Aktuell gehören ihm über
200 Selbsthilfegruppen an. Der BPS ist damit europaweit die größte und weltweit die
zweitgrößte Organisation von an Prostatakrebs Betroffenen.
Der BPS ist ein gemeinnütziger Verein unter
der Schirmherrschaft der Deutschen Krebshilfe und ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, in der BAG
Selbsthilfe, Gründungsmitglied der europäischen Prostatakrebsvereinigung „Europa
UOMO“ und mit fünf Patientenvertretern im
Gemeinsamen Bundesausschuss tätig.
Der BPS informiert und berät Betroffene
und ihre Angehörigen durch umfangreiches schriftliches Informationsmaterial (diverse Broschüren und ein dreimal jährlich
erscheinendes Magazin), das auf Anfrage
kostenlos erhältlich ist. Auf der BPS-eigenen Homepage (www.prostatakrebs-bps.de)
sind vielfältige Informationen abrufbar. Zum
Austausch steht den Betroffenen auch das
Forum der Homepage zur Verfügung. Seit
Februar 2008 erhalten Betroffene über die
Patienten-Beratungshotline Informationen
und Beratung durch ein speziell geschultes
Team von Mitbetroffenen.
Ziele und Aufgaben
In gesundheitspolitischer Hinsicht setzt sich
der BPS für eine verbesserte, beitragsfreie
Früherkennung sowie eine schnellere Umsetzung von neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden ein. Ferner arbeitet er zurzeit an
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 33
Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.
der Organisation eines Kompetenznetzes für
Schwerstbetroffene sowie an der Erstellung
eines zentralen Registers aller existierenden
und laufenden Studien zum Prostatakrebs.
Vertreter des BPS haben mitgewirkt an der
S3-Leitlinie zur Behandlung des Prostatakarzinoms. Der BPS plädiert für eine kontinuierliche Überprüfung und Veränderung,
der Leitlinie, um sie ständig auf der Höhe
neuester medizinischer Entwicklung zu wissen. Damit verbindet der BPS auch die Hoffnung auf die fortlaufende Qualifizierung der
Ärzte auf Basis des jeweils neuesten Standes
der Medizin. Der BPS wird sich ebenfalls
an der Formulierung einer Patientenleitlinie
beteiligen.
Der BPS ist mit einem Vertreter in der Kommission der Deutschen Krebsgesellschaft für
die Zertifizierung von Prostatakarzinomzentren vertreten. Diese Kommission erarbeitet
und aktualisiert die Zertifizierungskriterien zur
Anerkennung als Prostatakarzinomzentrum.
Die Zentren müssen eine interdisziplinäre Behandlung der Patienten auf Basis der
Zertifizierungskriterien und in vertraglich
fixierter und standardisierter Kooperation
mit niedergelassenen Fachärzten nachweisen
können. Ein weiteres zu erfüllendes Merkmal
ist der Nachweis einer Kooperation mit einer
Selbsthilfegruppe. Dieser Nachweis muss in
schriftlicher Form bestehen und die Art der
Zusammenarbeit beschreiben.
Der BPS unterstützt die erste Versorgungsstudie des lokal begrenzten Prostatakrebs im
deutschsprachigen Raum. Die HAROW Studie prüft die Lebensqualität und den Verlauf
der Erkrankung bei Hormontherapie, Aktiver
Überwachung, Radiotherapie, Operation,
Warten und Beobachten. Aus den Selbsthilfegruppen des BPS haben sich 500 Patienten
am retrospektiven Teil der HAROW Studie
beteiligt.
Der prospektive Teil der Studie soll bis Ende
2012 insgesamt 5.000 Patienten umfassen. Bis
Mitte März 2009 wurden bereits 513 Patienten
eingeschlossen. Das ursprüngliche Ziel, 250
Studienärzte zu gewinnen, ist hingegen bereits
überschritten. Zurzeit sind 314 Ärzte in die
Studie eingeschlossen worden, die von der
Stiftung Männergesundheit getragen wird.
Ständige Ziele des BPS sind die tägliche Hilfe
für Betroffene durch die bestehenden Selbsthilfegruppen und mit der Hilfe unserer Patienten-Beratungshotline. Ein Aufbau weiterer
Selbsthilfegruppen und ihre Qualifizierung
sind ebenfalls Teil unseres Zielekatalogs.
Die Stimme der Patienten in den Gremien der
Gesundheitspolitik hörbar zu machen und damit sowohl die Versorgung als auch die Forschung für bessere Therapien zu verstärken,
sind weitere Aufgaben des BPS. Ihnen haben
sich die ehrenamtlichen und hauptamtlichen
Mitglieder unseres Verbandes verschrieben.
Sie leisten diesen Dienst in der Überzeugung,
dass sie damit Betroffene und ihre Nächsten
motivieren und ihnen helfen bei der Bewältigung der Erkrankung Prostatakrebs.
Erwartungen an die Onkologischen
Pharmazeuten
Der BPS dankt der Deutschen Gesellschaft
für Onkologische Pharmazie für die von ihr
angestoßene Zusammenarbeit. So wird es
gelingen, den Apothekerinnen und Apothekern die Interessen der Prostatakrebspatienten
und die Programmatik des BPS zu kommunizieren.
Die Unterstützung der DGOP für die Bundesapothekerkammer bei der zertifizierten
Fortbildung in der onkologischen Pharmazie
tätigen Apothekerinnen und Apotheker ist
für Patienten wichtig und hilfreich. Mit der
für diesen Herbst geplanten Beratungskam-
pagne der DGOP - „Kompetente Antworten
auf scheinbar einfache Fragen - Apotheken
beraten onkologische Patienten“ verbinden wir
eine verbesserte Wahrnehmung der Problemstellungen zytostatisch behandelter Patienten
und als Ergebnis praktische Hilfen.
Nach der Vorstellung des BPS sollten diese
und andere Bemühungen der DGOP ihren
Ausdruck durch eine Erkennbarkeit ihrer
Mitglieder finden, erarbeiten sie doch damit
einen Beratungsmehrwert für Krebspatienten.
Wünschenswert wäre auch, dass
in DGOP Mitgliedsapotheken ein Diskretionsbereich existiert, in dem Patienten
mit Apothekerinnen und Apothekern über
ihre Therapie, ihren Zustand, Eigenbeobachtungen etc. sprechen können.
DGOP Apotheken mit ihren Kenntnissen
den Selbsthilfegruppen durch Beratung
und Vorträge helfen.
DGOP Apothekerinnen und Apotheker
sich um Zugang zu den Qualitätszirkeln
der Ärzte bemühen.
DGOP Apothekerinnen und Apotheker
Kooperationen mit Ärzten eingehen und
Patienten beraten.
Mit diesen Schritten sind sowohl eine größere
Therapietreue als auch die Reduzierung von
Neben- und unerwünschten Wechselwirkungen erreichbar.
Kontakt:
Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e. V.
Alte Straße 4
30989 Gehrden
Tel. 05108 926646
Fax. 05108 926647
E-Mail [email protected]
www.prostatakrebs-bps.de
29. - 31. Januar 2010
Hamburg-Harburg
34 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
1. NZW in Dresden
1. NZW in Dresden
vom 12. bis 13. Juni 2009
V
om 11.-12. Juni 2009 fand der 1. NZWDresden in der sächsische Landeshauptstadt Dresden statt.
Für das jüngste „Kind“ der NZW-Familie
unter Schirmherrschaft der Sächsischen Landesapothekerkammer und sein innovatives
Kongresskonzept war Dresden mit seinen
Kulturgütern das passende Ambiente. So
vereinte der NZW-Dresden ein hochkarätig
besetztes Symposium zum Thema „Arbeitssicherheit“ mit praxisnaher Fortbildung, Zertifikatskursen der DGOP und interaktiver Industrieausstellung mit Live-Präsentationen.
Mit dem polnischen Programmteil des
1. NZW-Dresden wurde die Tradition der
Polnisch-Deutschen Konferenzen für Onkologische Pharmazie (PDOP) fortgesetzt.
Bereits im 6. Jahr wurde polnischen und
deutschen Apothekern die Möglichkeit der
gemeinsamen Fortbildung und des Erfahrungsaustausches geboten und der Blick über
den Tellerrand durch die Simultanübersetzung komfortabel gestaltet.
Auch der nächste NZW-Dresden vom
18.-19. Juni 2010 garantiert praxisnahe Fortbildung – mit Sicherheit!
Inhalt:
Arzneimittel- & Arbeitssicherheit bei Arzneimitteln
mit toxischem Potential – Der Spagat im
Vorschriftendschungel
Jürgen Barth, Gießen
Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung von
Zytostatika-Arbeitsplätzen
Dr. Rudolf Schierl, München
Neue molekulare Wirkmechanismen von Zytostatika
Prof. Dr. Jerzy Pałka, Bialystok (Polen)
Die MEWIP-Studie – Ergebnisse, Konsequenzen und
Empfehlungen für die Praxis
Dr. André Heinemann, Köln
Fluoreszenzgestützte Operation maligner Gliome
Dr. Carsten Schoof, Cottbus
Kongressberichterstattung:
Dr. Gudrun Heyn, Berlin
Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg
1. NZW in Dresden
Arbeitssicherheit bei Arzneimitteln
mit toxischem Potential
Vortrag von Jürgen Barth, Gießen
Bei der Herstellung von Arzneimitteln garantieren Apotheker die Einhaltung höchster
Anforderungen an die Arzneimittelqualität.
Doch per Gesetz sind sie nicht nur ihren
Patienten verpflichtet. Auch ihr Personal
und sich selber müssen sie vor Gefahren bewahren. Dies gilt insbesondere, wenn mit
kanzerogenen, mutagenen oder reproduktionstoxischen (KMR-) Arzneimitteln umgegangen werden muss. Inzwischen regelt eine
Vielzahl an nationalen und internationalen
Rechtsvorschriften die Herstellung, Verabreichung und Entsorgung von Zytostatika.
„Dies macht es in der Praxis sehr schwer, den
Überblick zu behalten“, sagte Jürgen Barth
von der Universitätsklinik Gießen auf dem
1. Onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress NZW-Dresden (Abb. 1). Vor den 350
Teilnehmern zeigte der Leitlinienbevollmächtigte der DGOP anhand von Vorschlägen auf, wie ein möglicher Weg durch den
Vorschriftendschungel aussehen könnte.
Besonders die Anforderungen an den Personenschutz haben in den letzten Jahrzehnten
deutlich zugenommen. Noch im letzten Jahrhundert waren zweckbestimmte Produkte,
wie Arzneimittel, Lebensmittelzusatzstoffe
und Kosmetika nicht dem Chemikaliengesetz
und der Gefahrstoffverordnung unterworfen.
Heute ist dies anders. So gelten inzwischen
alle Arzneimittel als potenziell gefährliche
Substanzen, obwohl sie nicht als solche gekennzeichnet werden (Abb. 2). „Die qualitativen Anforderungen von Apothekern,
Ärzten und Patienten an diese ‚gefährlichen‘
Arzneimittel werden im Gefahrstoffrecht
jedoch nicht berücksichtigt“, sagte Barth.
Gemäß Gefahrstoffverordnung ist bei einem berufsmäßigen Umgang mit Arzneimitteln eine Gefährdungsbeurteilung des
Arbeitsplatzes erforderlich. Alle Apotheken,
Krankenhäuser und Arztpraxen sind dazu
verpflichtet. Noch vor der Aufnahme einer
Tätigkeit muss sie der Arbeitgeber durchführen. Zu seinen Aufgaben gehört es, die
dazu nötigen Informationen zu beschaffen,
Schutzmaßnahmen festzulegen und für das
Vorliegen einer Betriebsanweisung zu sorgen.
Doch die Gefährdungsbeurteilung eines Arbeitsplatzes oder eines Medikamentes ist in
der Praxis nicht einfach. So muss sich der
verantwortliche Apotheker mit einer Fülle
von Informationen auseinandersetzen. Selbst
auf dem Sicherheitsdatenblatt von Acetylsalicylsäure wird darauf verwiesen, dass es
schädlich beim Verschlucken ist (Abb. 3).
Abb. 1: Rechtsvorschriften für den berufsbedingten Umgang
mit Zytostatika
36 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009
Ein Verzeichnis von Stoffen, die als krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuft werden, enthält die Technische Regel für Gefahrstoffe
(TRGS) 905. Obwohl die TRGS noch auf
dem Stand von 1998 ist, sind ihre Regelungen nach wie vor gültig. Für den Apotheker
besonders wichtig ist darin eine Vorschrift
über die Erfordernis von Schutzmaßnahmen. Demnach sind sie auch dann zu treffen,
wenn dem Arbeitgeber Erkenntnisse vorliegen, dass ein Stoff als kanzerogen, mutagen
oder reproduktionstoxisch einzustufen wäre.
Somit könnte selbst Vitamin C unter diese Regelung fallen, denn in Studien wurde
nachgewiesen, dass die Substanz die Bildung
von Genotoxinen fördert. „Doch dies funktioniert nur mit Zellkulturen im Reagenzglas“,
sagte Barth.
Der Rat für die Praxis lautet:
Pharmazeuten sollten das Gefährdungspotential einer Substanz nicht nach
allgemeinen Informationen beurteilen,
sondern nur darauf eingehen, welches
Gefährdungspotential bei einem berufsbedingten Umgang vorliegt.
Abb. 2: Ehemalige und nun gültige Regelungen
1. NZW in Dresden
Abb. 3: Sicherheitsdatenblatt von Acetylsalicylsäure
So müssen auch die unzähligen Informationen zur Gefährlichkeit von Arzneimitteln
während der Schwangerschaft kritisch hinterfragt werden. Zu den sicherheitsrelevanten
Substanzen, die schwere Schäden bei Kindern hervorrufen können und gleichzeitig bei
der Arzneimittel-Herstellung in Apotheken
eine Rolle spielen, gehören Proteine. Gefährlich machen sie ihre reproduktionstoxischen
Eigenschaften sowohl für Frauen als auch für
Männer. Beim Umgang mit monoklonalen
Antikörpern sind daher Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich. Darauf weist etwa auch
die Bundesgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hin
(Abb. 4).
Abb. 4: Monoklonale Antikörper erfordern Arbeitsschutzmaßnahmen
Welche Bedingungen bei der Herstellung
von Zytostatika zu beachten sind, ist in der
EU-Leitlinie des PIC/S PE 010-3 geregelt.
Bei Rechtsstreitigkeiten ist sie als antizipierendes Gutachten eine wichtige Orientierungshilfe für die Urteilsfällung. Im Oktober
2008 wurde die derzeit gültige Fassung des
Guide to Good Practices for the Preparation
of Medicinal Products in Healthcare Establishments veröffentlicht. Demnach ist in den
Herstellungsstätten von Zytostatika ein Filter mit angemessener Wirksamkeit und eine
Demarkationslinie zum Umkleidebereich
erforderlich. Außerdem sollte der Zugang
über eine Schleuse erfolgen.
Abb. 5: Erforderliche Häufigkeit eines Umgebungsmonitoring
Auch die Reinraumbedingungen sind in dem
EU-Guide festgelegt. So wird im kritischen
Bereich die Reinraumklasse A benötigt. Erreicht werden kann dies etwa mit LaminarAir-Flow-Geräten oder Biohazard safety
Cabinets. Für den Hintergrundbereich hat
sich die Reinraumklasse B durchgesetzt.
Doch auch dies ist technisch noch recht anspruchsvoll. Die EU-Leitlinie enthält daher
eine Öffnungsklausel. „Nach einer Risikoanalyse darf von den Forderungen abgewichen
werden“, sagte Barth.
Ein sinnvoller Rat für die Praxis
könnte deshalb lauten:
Die Luftkeimzahl im kontrollierten
Hintergrundbereich muss geeignet
sein, unter Herstellungsbedingungen
die Reinraumklasse A im kritischen
Bereich aufrecht zu erhalten.
Nachgewiesen werden kann dies über ein
Umgebungsmonitoring unter Herstellungsbedingungen (Abb. 5), durch eine gute und
dokumentierte Personalschulung sowie Herstellungsanweisungen, in denen beispielsweise niedergelegt ist, welche Weiterverarbeitungsfristen für Ausgangsprodukte
einzuhalten sind. Zudem ist ein Hygieneplan
für das Personal und für die Betriebsräume aufzustellen. Auch eine repräsentative
Nährmedienabfüllung zur Prozess- und zur
Personalvalidierung ist sinnvoll. Damit die
Öffnungsklausel wirksam werden kann, ist es
wichtig, alle Maßnahmen zu dokumentieren.
[Bericht: Dr. Gudrun Heyn]
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 37
1. NZW in Dresden
Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung
von Zytostatika-Arbeitsplätzen
Vortrag von Dr. Rudolf Schierl, München
Zytostatika werden aufgrund ihrer zytotoxischen Eigenschaften als cancerogen, mutagen
und reproduktionstoxisch (cmr-Arzneimittel)
eingestuft. In der Zytostatikazubereitung
spielt die dermale Aufnahme über kontaminierte Flächen eine wichtige Rolle. Um das
gesundheitliche Risiko für das zubereitende
Personal zu minimieren, sind Kontaminationen zu vermeiden.
Dazu stellte Herr Dr. Schierl, Institut für
Arbeitsmedizin der LMU München, eine
Studie vor, in der 2245 Wischproben aus 102
Apotheken auf Kontaminationen mit Platin
(1008 Proben, 99% positive Wischproben)
und 5-Fluorouracil (1237 Proben, 75% positive
Wischproben) analysiert wurden. Seit 2009
können mit der neuen MUC-Methode auch
weitere Zytostatika bestimmt werden. Dabei
stellte sich heraus, dass die LAF-Werkbänke
(100% bzw. 85% positive Proben) und das
Lager (100% bzw. 76% positive Proben), also
Regale und Schubladen im Zytostatikazubereitungsraum besonders stark belastet waren.
Die Kontamination des Lagers ist vermutlich
eine Folge der Außenkontamination der angelieferten Ampullen. Anhand der Ergebnisse
der Wischproben-Studie wurden von Herrn
Dr. Schierl Empfehlungswerte erarbeitet,
die Grenzen von akzeptablen bzw. optimierbaren Flächenkontaminationen festlegen.
Voraussetzung für die Ableitung von Empfehlungswerten sind neben einem validierten
Wischprobenverfahren (Tab. 1), das alle Arbeitsbereiche erfasst, eine sensitive Analytik sowie eine große Anzahl an Ergebnissen
(n >1000).
Der erste Empfehlungswert (EW1, akzeptabel) entspricht dem Mittelwert des Medians
(50. Perzentil) aller zehn Standard-Probenahmeorte (wie z.B. Fußboden vor LAF, Lager, Ablage, Materialschleuse, Pactosafe). Der
zweite Empfehlungswert (EW2, optimierbar)
leitet sich vom Mittelwert des 75. Perzentils
ab (Abb. 1). Zur anschaulicheren Darstellung
der Empfehlungswerte wurde ein sogenanntes Ampelprinzip (Abb.2) eingeführt. Ferner
zeigte sich, dass die gemessenen Kontami-
nationswerte unabhängig vom Ausmaß der
Zytostatikaherstellung sind.
senen Werte einzuordnen und somit einen
Anreiz zur Optimierung der Arbeitsplatzsicherheit darstellen.
Die Einführung der Empfehlungswerte soll
den Apotheken helfen, die bei Ihnen gemes-
[Bericht: Dr. Brigitte Hübner]
Wischproben LMU - Fluorouracil (FU)
pg/cm²
80
60
40
75. Perz.
20
Abb 1:
Untersuchte
Wischproben
0
0
1
2
162
F
LA
en
Bod
136
en
Bod
er
Lag
3
126
4
5
200
.
ber
Vor
123
LAF
6
7
177
er.
chb
Na
8
58
a
Abf
ll
9
82
55
ort
er
nsf
nsp
Tra
Tra
10
118
ere
And
Empfohlene Grenzwerte (EW) für Zytostatikakontaminationen in Apotheken
Abb. 2:
Das „Ampelprinzip“ mit
den empfohlenen
Grenzwerten (EW)
Substanz
Lösemittel
zum Wischen
Bestimmungsmethode
Nachweisgrenze
ng/Probe bzw. pg/cm2
Platin
Salzsäure (2%)
Voltametrie
0.02
0.05
5-Fluorouracil
Methanol
GC/MS
0.2
0.5
CP, IF,GC, Mtx,
Dtx, Ptx
Wasser
GC/MS
0.2
0.5
*bei 20x20cm
Cyclophosphamid (CP), Ifosfamid (IF), Gemcitabin (GC), Methotrexat (Mtx), Docetaxel (Dtx), Paclitaxel (Ptx)
Tab.1: Validiertes Wischverfahren (seit 2000)
38 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009
11
1. NZW in Dresden
Neue molekulare Wirkmechanismen von Zytostatika
Vortrag von Prof. Dr. Jerzy Pałka, Bialystok
Die Fortschritte in der Krebstherapie beruhen, so Professor Jerzy Palka, auf der rasanten
Entwicklung im Bereich der Molekularbiologie, also der Entdeckung von Wachstumsfaktoren, wie Epidermal Growth Factor (EGF)
und Vascular Endothelial Growth Factor
(VEGF) sowie Adhäsivproteinen und deren
Rezeptoren. Insbesondere die Aufklärung
verschiedener Signaltransduktionswege, die
dann letztendlich die Genexpression regulieren, war bedeutend. Im Verlauf einer Tumorerkrankung ist diese Signalübertragung
häufig gestört.
Der Gefäßwachstumsfaktor VEGF bindet an
die Rezeptoren auf der Gefäß-Endothelzelle
und aktiviert im Zellinneren eine Tyrosinkinasedomäne. Tyrosinkinasen regulieren
neben Serin-Threoninkinasen Zellwachstum,
Stoffwechsel, Zelldifferenzierung und den
programmierten Zelltod (Apoptose). Diese
angiogenen Signale werden an den Zellkern
weitergeleitet, um dort Gene zu aktivieren,
die letztendlich zu Zellwachstum, Differenzierung, Gefäßneubildung und Apoptose führen. Dieser Signaling-Pathway kann, wie im
Falle der EGFR-Signaltransduktion (Abb. 1)
über mehrere Wege sehr komplex sein. Neue
Antitumorwirkstoffe basieren oftmals entweder auf einer Hemmung der EGF- und/oder
VEGF-Rezeptoren auf der Endothelialzelle
oder der nachgeschalteten Signaltransduktionswege (Ras-Inhibitoren, PKC-Inhibitoren).
Bei den derzeit verfügbaren monoklonale
Antikörpern Cetuximab und Panitumomab
handelt es sich um Antikörper gegen den
EGF-Rezeptor. Eine duale Hemmung beider
Rezeptoren ist ebenfalls möglich.
Zu den endogenen Proteinen, welche die
Angiogenese inhibieren, zählen Proteine
wie Angio- und Endostatin, Interferone,
natürliche Inhibitoren der Matrixmetalloproteinase (TIMP-1 - 3). Diese natürlichen
Inhibitoren der Matrixmetalloproteinasen
(MMP), körpereigene Endopeptidasen, agieren in Verbindung mit Wachstumsfaktoren
und spielen insbesondere bei Zell-Zell- und
Zell-Extrazellulärmatrix-Interaktionen eine
entscheidende Rolle. MMP werden von der
Endothelialzelle sezerniert und bauen die
Abb. 1:
EGFR-Signaltransduktion
Extrazellulärmatrix proteolytisch ab. Sie
besitzen eine Schlüsselrolle in der Tumorentwicklung, weshalb ihre Antagonisten,
als therapeutischer Ansatz in den Fokus des
Interesses rücken. Zu den synthetischen
MMP-Inhibitoren der ersten Generation zählen Marimastat und Batimastat
Es befinden sich laut Professor Palka bereits
zahlreiche Medikamente, die gezielt in diese
molekularen Mechanismen der Zelle eingreifen, in der klinischen Prüfung (Tab.1).
[Bericht: Dr. Brigitte Hübner]
Wirkungsmechanismus
Arzneistoffe in klinischer Prüfung
Integrin-Rezeptor-Blockade
Vitaxin, EMD 121974
Hemmstoffe der Signaltransduktionswege
Proteinkinase C (PKC) Inhibitoren:
Bryostatin, Staurosporin, Edelfosin
Src Inhibitoren: Herbamycin
Ras-Inhibitoren: BMS-214662
Inhibitoren des Multi-Drug-Resistence
(MDR)-Gens
Biridocar
Matrix-Metalloproteinase (MMP)-Inhiboitoren
Marimastat, Bay 12-9566, Neovastat
Tab. 1: Neuartige Antitumorwirkstoffe in klinischen Studien
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 39
1. NZW in Dresden
MEWIP-Studie: Ergebnisse, Konsequenzen und
Praxisempfehlungen
Vortrag von Dr. André Heinemann, Köln
Zytostatika-Medikamente besitzen c (cancerogene), m (mutagene) und r (reproduktions-toxische) Eigenschaften, so dass bei der
zentralen Zytostatikazubereitung in Apotheken strikte Arbeits-Schutzmaßnahmen
einzuhalten sind.
Im Zeitraum von 2006 bis 2007 wurde von
der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) die
MEWIP-Studie (Monitoring-Effekt-Studie für Wischproben in Apotheken) durchgeführt, um Daten zur Umgebungsbelastung
mit Zytostatika zu gewinnen und die Entstehung und Verbreitung von Kontaminationen
aufzuklären. Ferner sollten die Auswirkungen
des Wischproben-Monitorings untersucht
werden. Dazu wurden in 130 Zytostatika
zubereitenden Apotheken ingesamt 1272
Wischproben gesammelt und auf 8 Zytostatika (5-Fluorouracil, Cyclophosphamid,
Docetaxel, Etoposid, Gemcitabin, Ifosfamid,
Methotrexat und Paclitaxel) hin untersucht.
Die Proben wurden jeweils an drei ausgewählten Flächen (Fußboden unter der Werkbank, häufig genutzte Arbeitsfläche sowie
Kühlschranktüre) in regelmäßigen Abständen
genommen (Abb 1 und 2) und der Gehalt an
Kontamination mit analytischen Methoden
(LC-MS/MS) bestimmt. Die teilnehmenden
Apotheken wurden in zwei Gruppen eingeteilt: In Gruppe A erfolgte die Wischprobennahme quartalsweise, wobei den Apotheken
die Messergebnisse stets mitgeteilt wurden.
In Gruppe B wurden die Wischproben nur
zu Beginn und am Ende der Studie genommen. Die Messergebnisse wurden erst nach
Abschluss des Monitorings mitgeteilt (Abb.
3). Erwartungsgemäß nahm die Anzahl positiver Wischproben in der Gruppe A im Studienverlauf ab, während in Gruppe B das
Ausmaß der Kontamination bis zum Ende
der Probenahme unverändert blieb.
Beim Umgang mit cmr-Arzneistoffen gibt
es derzeit keine Grenzwerte im Sinne eines
sicheren Expositionslevels, deren Einhaltung
durch entsprechende Maßnahmen gewähr-
Abb. 1: Anteil positiver Wischproben nach Probenahmeort
leistet und kontrolliert werden könnte. Zur
Bewertung der Umgebungsbelastung mit
Zytostatika und der Belastungssituation kann
einerseits ein Biomonitoring, aber auch das
Verfahren der Wischprobennahme genutzt
werden. Gegenüber dem Biomonitoring bietet
das Wischprobenmonitoring den Vorteil, Informationen zu Kontaminationsursachen und
Verbesserungsmöglichkeiten zu liefern. Es
hat sich daher als kostengünstiges Verfahren
zur Sicherung und Verbesserung des Arbeitsschutzes erwiesen. Die MEWIP-Studie hat
ferner nach den Ausführungen von Herrn
Dr. Heinemann gezeigt, dass in den meisten
Apotheken die Maßnahmen zum Mitarbeiterschutz gewissenhaft umgesetzt werden und
bereits ein relativ hoher Standard existiert.
Beim Anteil positiver Wischproben konnte
folgende Reihenfolge hinsichtlich der Intensität der Kontamination festgestellt werden:
73% der positiven Wischproben wurden auf
dem Fußboden gefunden. Die Arbeitsfläche
war zu 61% und der Kühlschrank zu 49%
kontaminiert (Abb. 2).
Es bestand ferner keine Korrelation zwischen
Kontamination bzw. Umgebungsbelastung
und Zubereitungsanzahl. Dies bedeutet, dass
auch Apotheken mit hohem Zubereitungs-
40 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009
zahlen infolge einer konsequenten Einhaltung
der Arbeitshygiene ein geringes Kontaminationslevel im Zytostatika-Arbeitsraum erzielen
können.
Aus den Daten lassen sich ferner folgende
Handlungsempfehlungen sowie ergänzende Handlungsempfehlungen für die Praxis
(Abb. 4)) ableiten:
• Wischdesinfektion der Arzneimittelflaschen
Auf der Basis der Studienergebnisse ist
eine Wischdesinfektion aller Arzneimittelflaschen zu empfehlen. Studienteilnehmer, die eine Sprühdesinfektion oder keine
Desinfektion der eingesetzten Zytostatikaflaschen durchgeführt haben, wiesen
signifikant höhere Kontaminationswerte
auf.
• Fortluftführung
Bezüglich der Luftführung der Sicherheitswerkbänke im Herstellungsraum wurde im Rahmen der Studie eine positive
Tendenz zu Gunsten von Fortluftsystemen
beobachtet. Dieser Effekt war jedoch nicht
statistisch signifikant. Daher wird bei Umbzw. Neubaumaßnahmen die Realisierung
1. NZW in Dresden
der Fortluftführung für alle Zytostatikawerkbänke empfohlen.
Auswahl der Probenahmeorte
• Regelmäßiges Wischprobenmonitoring
In der MEWIP-Studie konnte ein positiver Effekt eines regelmäßigen Monitorings auf das Kontaminationslevel gezeigt
werden. Da Zytostatikakontaminationen
in der Regel visuell nicht erkannt werden
können, ist das Umgebungsmonitoting mit
Wischproben zur gezielten Optimierung
der Arbeitsabläufe und Effektivitätskontrolle der Maßnahmen hilfreich.
Die Auswertung des Fragebogens zur Datenerhebung und Beurteilung der aktuellen
Arbeitssituation der Zytostatikaherstellung in
deutschen Apotheken kann dem Beitrag von
Frau Hadtstein in der Ausgabe 02/2009 Onkologische Pharmazie entnommen werden.
Am häufigsten benutzte
Arbeitsfläche
Kühlschranktür
inkl. Türgriff
Fußboden vor
Zytostatikawerkbank
Abb. 2: Auswahl der Probenahmeorte
Erwarteter Verlauf der Belastung
- Studiengruppen A und B
3000
2000
Der Abschlussbericht zur MEWIP-Studie
kann unter www.bgw-online.de oder www.
pharmna-monitor.de heruntergeladen werden.
1000
500
200
100
[Bericht: Dr. Brigitte Hübner]
50
Keine Mitteilung
der Ergebnisse
20
Keine Mitteilung
der Ergebnisse
Gruppe B
Abb. 3: Erwarteter Verlauf der Belastung
während der MEWIP-Studie
Abb. 4: Ergänzende Handlungsempfehlungen
für die Praxis in Apotheken (1) (2)
Gesamtsubstanzbelastung (ng/cm²)
10
5
Mitteilung der
Ergebnisse
(1. Messung)
2
1
Gruppe A
Mitteilung der
Ergebnisse
(2. Messung)
0,5
0,2
Mitteilung der
Ergebnisse (3. u.
4. Messung)
0,1
0,05
1
2
3
4
5
Wischprobe
Ergänzende Handlungsempfehlungen für die Praxis
Substanzverschleppungen vermeiden
• Handschuhe bei jedem Kontakt mit zytostatikahaltigen Flaschen
tragen
• Reinigen der Ampullenflaschen vor der Herstellung oder bereits
vor dem Einlagern (Reinigung z. B. in alter/überzähliger Werkbank)
• Darauf achten, dass es beim Reinigen nicht zur Umverteilung
von Zytostatika kommt
• System aus doppelten Handschuhen beim Reinigen tragen und
danach direkt wechseln
• Bei Desinfektion der Flaschen ebenfalls beachten, dass anhaftende Zytostatikarückstände gelöst und verteilt werden können
Flüssigkeitsaufnehmende Unterlagen einsetzen
Substanzanhaftungen können von Behältern auf Abstellflächen übertragen werden. Unterlagen daher regelmäßig wechseln!
Tabletts oder Boxen für den Transport verwenden
...auch auf kurzen Wegen (z. B. von Arbeitsfläche zur Werkbank)
Bereichs- bzw. Überschuhe wechseln
Wechseln der Schuhe beziehungsweise Überschuhe beim Verlassen
sowohl des Herstellungsraums als auch des Zytostatikabereichs
Papierlose Dokumentationen bevorzugen
Übertragung von Zytostatikaresten durch Dokumente die vermeintlich
„saubere“ Bereiche kontanimieren könnten, wir vermieden.
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 41
1. NZW in Dresden
Fluoreszenzgestützte Operation maligner Gliome
Vortrag von Dr. Carsten Schoof, Cottbus
Immer noch zählen Glioblastome zu den
bösartigsten Tumoren. Doch in den letzten
Jahren sind die Überlebenschancen der Patienten deutlich gestiegen. „Diese Entwicklung
verdanken wir neben einer verbesserten Chemotherapie auch einer neuen operativen Methodik“, sagte Chefarzt Dr. Carsten Schoof
vom Carl-Thiem-Klinikum Cottbus auf dem
1. Onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress NZW-Dresden. 5-Aminolävulinsäure
(5-ALA) heißt die fluoreszierende Substanz,
mit deren Hilfe bei einer Operation das maligne Gewebe sichtbar gemacht werden kann.
Besonders randständiges und infiltrierendes
Tumorgewebe lässt sich so wesentlich besser
erkennen und präziser entfernen.
5-ALA ist ein körpereigener Stoff, der sich
deutlich stärker in Tumorzellen als in Körperzellen anreichert, wenn er systemisch gegeben
wird. Durch eine Reihe enzymatischer Reaktionen wird das Prodrug zu fluoreszierenden
Porphyrinen, vor allem zu Protoporphyrin IX
(PP IX) metabolisiert. Bei der Operation wird
diese Eigenschaft genutzt. „Wir bestrahlen
das Gehirn mit Dunkelviolettlicht, sodass
PP-IX zum Leuchten angeregt wird und der
Kontrastmittel-aufnehmende Tumor wird
sichtbar“, sagte Schoof (Abb. 1 und 2).
In Deutschland erkranken jedes Jahr 3 von
100.000 Einwohnern neu an einem Glioblastom. Zumeist sind die Patienten bei der
Diagnosestellung in einem mittleren Alter
um die 53 Jahre, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen. Die Tumore
entstehen ohne Beteiligung von Metastasen
direkt im Gehirn. Die Prognose der Patienten ist nicht besonders günstig. Vor allem
bunte Glioblastome (Glioblastome multiforme) wachsen sehr schnell und aggressiv,
was ihre Behandlung nicht gerade einfach
macht. Doch noch eine weitere Eigenschaft
der Hirntumore erschwert die Therapie deutlich: Während der Zentralbereich eines Glioblastoma multiforme durch sein nekrotisches
oder solides Gewebe für den Operateur gut
zu erkennen ist, stellt der Randbereich eine
große Herausforderung dar. In der Regel ist
er gut durchblutet, so dass der Übergang zum
Gesunden mit den bislang üblichen Operati-
5-ALA in Cottbus
Dunkelviolettlicht (400 nm) wird mit einem Joystick zugeschaltet (durch die
hohe Lichtintensität überstrahlt das OP-Gebiet)
Abb. 1: Fluoreszenzgestützte Tumorresektion;
Derselbe Tumor (temporales Glioblastom) mit Weißlicht und Dunkelviolettlicht.
Der Resttumor leuchtet hellrosa auf!
Abb. 2: Unterschiedliches Erscheinungsbild desselben Tumors ohne und mit Hilfe von 5-ALA
onsmethoden nur schwer zu identifizieren ist.
Zudem gibt es in der Peripherie immer wieder
einzelne Tumorzellen, die versprengt in das
Interstitium infiltrieren (Abb. 3).
se, vermindert ein perfokales Tumorödem,
ermöglicht eine Applikation lokaler Therapeutika und verbessert die Erfolgschancen
von Zusatztherapien.
Zur Therapie von Glioblastomen empfiehlt
die Deutsche Gesellschaft für Neurologie
das Tumorgewebe operativ zu entfernen,
soweit dies möglich ist. Dabei hat die Vermeidung neuer permanenter neurologischer
Defizite eindeutig Vorrang vor der kompletten
Resektion des Tumors. Nur wenn wichtige
Hirnbereiche geschont werden, kann die Lebensqualität der Patienten erhalten oder sogar
wiedergewonnen werden. Doch selbst wenn
das maligne Gewebe nur teilweise entfernt
werden kann, profitieren die Patienten von
einer Resektion. Sie sichert die Diagnose,
reduziert die Raumforderung der Tumormas-
Nach der Resektion oder der Biopsie ist heute
eine lokale Strahlentherapie Mittel der Wahl.
Außerdem wird eine begleitende oder erhaltende Chemotherapie durchgeführt. Auch
eine lokale Chemotherapie mit einem Depot-Wirkstoff ist möglich. Gleich nach der
operativen Entfernung des Tumors wird das
Implantat gezielt in die Operationshöhle gesetzt. Bei Rezidiven kann eine Therapieentscheidung dagegen nur individuell getroffen
werden.
42 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009
„Vor allem durch die Chemotherapie mit
dem Alkylans Temozolomid sowie der loka-
1. NZW in Dresden
Chirurgische Therapie
Der Wert einer möglichst kompletten Tumorresektion gegenüber einer Teilresektion oder einer Biopsie (z.B. stereotaktische PE) war vor der
5-ALA-Studie nicht eindeutig bewiesen.
len Chemotherapie mit Carmustin-haltigen
Gliadel-Wafern hat sich die Prognose der
Patienten in den letzten Jahren deutlich verbessert“, sagte Schoof. So wird heute mit der
Kombination von Resektion, Bestrahlung,
systemischer und lokaler Chemotherapie eine
mittlere Gesamtüberlebensrate von 21 Monaten erreicht. Viele Jahrzehnte betrug sie trotz
Operation und Bestrahlung dagegen nur etwa
ein Jahr. Mit Hilfe der fluoreszenzgestützten
neuen Operationstechnik ist jetzt sogar noch
eine weitere Steigerung möglich. Dazu erhalten die Patienten 20 mg 5-Aminolävulinsäure
pro Kilogramm Körpergewicht in einer frisch
zubereiteten Trinklösung drei Stunden vor
dem Eingriff.
Alleine durch die komplettere Tumorresektion mit Hilfe von 5-ALA steigt die mittlere
Überlebenszeit der Patienten auf 17,9 Monate im Vergleich zu 12,9 Monaten ohne 5ALA, wenn die Patienten zusätzlich eine
Radiotherapie erhalten (Abb. 4). Außerdem
zeigt eine Multicenter-Studie, dass Kontrastmittel-aufnehmendes Tumorgewebe mit der
neuen Methode bei 65 Prozent der Patienten komplett entfernt werden kann, während
bei einer üblichen Resektion die vollständige
Entfernung nur bei 36 Prozent der Patienten
gelingt. 6 Monate nach der OP konnte zudem
bei 41 Prozent der 5-ALA-Patienten kein Rezidivtumor im MRT nachgewiesen. Dagegen
waren in der Vergleichsgruppe nur noch 20
Prozent der Patienten Rezidiv-frei. Bezüglich
der Häufigkeit von schweren oder leichten
Nebenwirkungen gab es keinen Unterschied
zwischen beiden Gruppen.
Eine komplette Entfernung allein durch die Operation ist nicht möglich!
Abb. 3: Ohne 5-ALA ist die möglichst vollständige Entfernung des Tumors deutlich erschwert
Chirurgische Therapie mit 5-ALA
Vorteile der fluoreszenz-gestützten Tumorresektion:
Auswertung der Überlebenskurven nach Kaplan-Meier:
Pat. ohne KM-aufnehmenden Tumorrest hatten eine mittlere ÜZ von 17,9 Mon.
im Vgl. zu 12,9 Mon. mit im MRT sichtbaren Tumorrest!
Abb. 4: Deutlicher Überlebensvorteil der Patienten, die mit Hilfe von 5-ALA Kontrastmittel (KM)
operiert werden
Bei der Anwendung von 5-ALA sind jedoch
einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten.
So sollten Haut und Augen der Patienten
in den ersten 24 Stunden nach der Gabe des
Arzneimittels keinen intensiven Lichtquellen
ausgesetzt sein. Außerdem ist die gleichzeitige Gabe anderer potenziell phototoxischer
Substanzen, wie etwa Tetrazyklinen oder
Sulfonamiden, zu vermeiden. Auch hepatotoxische Substanzen sollten in den ersten
24 Stunden nicht gegeben werden. Vorsicht
ist zudem bei Patienten mit einer schweren
kardiovaskulären Erkrankung geboten, da
5-ALA den Blutdruck etwas zu senken vermag. Seit der Zulassung von 5-ALA HCL
(Gliolan®) im September 2007 sind in Cottbus 50 Glioblastom-Patienten mit Hilfe des
Prodrugs operiert worden. „Wir haben bisher jedoch noch nie Probleme gehabt“, sagte
Schoof. [Bericht: Dr. Gudrun Heyn]
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 43
PTA auf dem pharmazeutisch-onkologischen Fachkongress NZW
INTERVIEW
PTA auf dem pharmazeutisch-onkologischen Fachkongress NZW
Interview mit zwei Teilnehmern
Der NZW – das sind nicht nur Apotheker
– sondern auch Fachleute mit anderen pharmazeutischen Berufen, die immer häufiger
ihren Weg nach Hamburg finden.
In diesem Jahr nahmen an dem PTA-Kongress über 100 PTAs teil. Freitags fand das
Exklusiv-Programm für die PTAs im Allgemeinen Krankenhaus Harburg (AK Harburg)
statt. Für die Onkologische Pharmazie diskutierte unser Redaktionsmitglied Dr. Gabriele Gentschew mit Frank Lehmann und
mit Manfred Viets. Frank Lehmann arbeitet
als PTA im Vivantes Klinikum Neukölln,
während Manfred Viets aus dem Klinikum
Oldenburg kommt.
Bei der Exklusivität setzte auch gleich die
Kritik ein. Die Themen und Arbeitsgruppen
sollten unabhängig von der Berufsgruppe frei
wählbar sein, forderte Manfred Viets. Sein
Kollege Frank Lehmann pfl ichtete ihm bei
und wunderte sich über den Sinn der Trennung.
Frank Lehmann, der seit mehr als einem Jahrzehnt in der zentralen Zytostatika-Herstellung
als PTA in der Klinikapotheke arbeitet, fragt
sich doch hin und wieder, wie hoch seine persönliche Belastung ist und wollte den neuesten
Stand der Dinge sehen. „Immerhin will ich die
Rente gesund erleben“ schmunzelt er.
Über die Qualitätsverbesserung im täglichen
Arbeiten berichtet Manfred Viets: nach dem
letzten NZW konnte das Einmalwischsystem
auf seinen Vorschlag hin in der KrankhausApotheke gut umgesetzt werden. Außerdem
hat der seit 17 Jahren in der Herstellung arbeitende PTA es sich zur Aufgabe gemacht,
sich um die technische Wartung der Reinraumtechnik zu kümmern.
Wichtig für beide ist der Informationsaustausch mit anderen PTAs, vor allem interessiert es die Krankenhaus-PTAs, die selbst
keinen Kontakt zu den Patienten haben,
über die Arbeit in öffentlichen Apotheken zu hören.
Komplizierte Vorträge mit
unübersichtlichen Diagrammen wurden mit deren Worten kommentiert: „Unseren
Kunden können wir das so
nicht erklären!“
Gabriele Gentschew
Besonders interessant ist für
(Onkologische Pharmazie),
Frank Lehmann die IndusFrank Lehmann und
trieausstellung. Hier konnte
Manfred Viets (v.l.n.r.)
er beispielsweise verschiedene Spikes selbst ausprobieren. Für Manfred Viets waren die Handschuhe Thema.
Welche Wünsche hätten Sie nun an ihren
Arbeitsplatz?
„Eine bessere personelle Ausstattung!“ kommt als klares
Statement. „Es ist manchmal
anstrengend Stunde um Stunde davor zu sitzen und ohne
Wechsel zu arbeiten“ berichtet
Manfred Viets. „Im Alltag bestimmt das medizinische Versorgungszentrum als Kunde
das Pausenverhalten in der
Apotheke“, klagt Frank Lehmann. Da fällt
dann die Frühstückspause einfach aus.
Würden Sie anderen PTAs den Kongress
empfehlen?
„Auf jeden Fall!“ antwortet Frank Lehmann.
„Man wird am Arbeitsplatz ernster genommen, weil man in Hamburg-Harburg auf
Kongress war. Ich bin her gekommen, um
eine Bestätigung für mein Arbeiten zu Hause
zu bekommen. Hier sehe ich, dass es ganz ok
ist, was wir machen.“
Manfred Viets stimmt zu: „Ich bin bereits das
dritte mal hier und komme auch gern zum
vierten mal wieder!
44 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
PTA auf dem pharmazeutisch-onkologischen Fachkongress NZW
Der PTA-Kongress im Rahmen des NZW
Von Claudia Woeste, Berlin
D
as letzte Wochenende im Januar
ist seit nunmehr 17 Jahren für den
NZW reserviert, der im Kongresshotel
Lindtner in Hamburg-Harburg stattfindet. Dieser pharmazeutisch-onkologische
Fachkongress richtet sich in erster Linie an
pharmazeutisches Personal, das in der Zytostatikaherstellung tätig ist. Hierzu zählen Apotheker/innen, Pharmazieingenieure/innen und pharmazeutisch technische
Assistenten/innen(PTA). Diese haben im
Rahmen des Kongresses die Möglichkeit,
sich in Haupt- und Kurzvorträgen, Satelliten-Symposien, zahlreichen Workshops,
Zertifi katskursen sowie in der Industrieausstellung über Neuerungen, Änderungen
und Tendenzen in diesem umfangreichen
Themenbereich zu informieren und im
persönlichen Gespräch ihre praktischen
Erfahrungen auszutauschen.
Aufgrund der stetig steigenden Attraktivität des NZW und damit auch konsequent steigender Teilnehmerzahl an PTA`s
wurde vor 7 Jahren ein eigener Kongressteil für diese Berufsgruppe geschaffen.
Da im Medienzentrum des Allgemeinen
Krankenhauses Harburg (AKH) ein zusätzlicher ausreichend großer Vortragsraum zur Verfügung steht, findet der
NZW-PTA ganz in der Nähe zum
Kongresshotel am Samstag Vormittag statt. Durch den bereitgestellten
Bus-Shuttle hat jede/r Teilnehmerin/
er über den PTA-Kongress hinaus die
Möglichkeit, an allen Veranstaltungen des NZW teilzunehmen.
Die Themen der Vorträge auf dem PTAKongress und dessen speziell zugeschnittene Workshops können von PTA`s selbst
vorgeschlagen werden. Die Referenten
werden durch das Wissenschaftliche Komitee des Kongresses angefragt und ausgesucht. Ein Schwerpunkt bei der Auswahl
ist hierbei der Bezug zur täglichen Praxis
sowohl im Offizin- als auch im Krankenhausbereich. Hierin eingeschlossen ist
auch die Vermittlung von theoretischem
Wissen zu den neuen Wirkstoff klassen wie
monoklonale Antikörper und Tyrosinkinasehemmer, auch wenn dieses manchmal
von einigen Teilnehmern als „schwerverdauliche Kost“ angesehen wird - was wirkt
wo und wie und worin liegen die Unterschiede zu den klassischen Zytostatika?
In diesem Jahr stand daher der 7. PTAKongress unter dem zukunftsweisenden
Thema „Orale Chemotherapien“. Ein sehr
praxisrelevantes Thema, da die Einführung
oraler Zytostatika und Tyrosinkinasehemmer in die onkologische Therapie nicht
nur eine Verlagerung in den ambulanten
Bereich mit sich bringt und damit eine
intensive Beratung und pharmazeutische
Betreuung des onkologischen Patienten
erfordern wird.
Ein Beispiel zur Informationsweitergabe
wurde am Nachmittag im Workshop „Visuell unterstützte Patientenaufklärung zur
Erhöhung der Compliance in der oralen
Zytostatikatherapie“ vermittelt und anhand von Beispielen in kleinen Gruppen
erarbeitet. Deshalb ist im Beratungsgespräch mit dem/der Patienten/in besonderer Wert auf den Zeitpunkt der Einnahme
sowie die Wechselwirkungen mit anderen
Medikamenten und/oder Nahrungsmitteln zu legen.
Gut geschultes und trainiertes Apothekenpersonal ist sowohl in der Zytostatikaherstellung als auch in der Beratung
unerlässlich. Ziel aller in diesem Bereich
tätigen Berufsgruppen ist die höchstmögliche Sicherheit für die onkologischen Patienten im Alltag zu gewährleisten.
Um diesem Ziel näher zu kommen, ist der
NZW-PTA bestens geeignet.
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 45
Supportivtherapie in der Onkologie
„Supportivtherapie in der Onkologie
feiert 20. Geburtstag“
Konferenzbericht vom Fachpresse-Workshop Supportivtherapie am 10. Juli 2009
Von Bettina Reich, Hamburg
S
upportive Maßnahmen in der Onkologie sind viel mehr als nur unterstützende Begleittherapien, betonte Professor Dr. med. Hans-Joachim Schmoll, Direktor der
Klinik für Innere Medizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und
Moderator des Jubiläums-Workshops. Die Supportivtherapie umfasst die Prävention und
das Management unerwünschter Wirkungen einer Tumorerkrankung und der onkologischen Therapie über den gesamten Zeitraum der Erkrankung hinweg und bedeutet auch
die Verbesserung der Rehabilitation und des Überlebens. Der Hallenser Onkologe führte aus: “Selbst nach 20 Jahren Supportivtherapie lässt sich feststellen: Wir müssen noch
weiterhin daran arbeiten, dass die Supportivtherapie essentieller Bestandteil eines jeglichen modernen Tumortherapiekonzeptes ist und die supportiven Maßnahmen weiterhin
optimiert werden”. Unter diesem Aspekt wurden im Fachpresse-Workshop vier wichtige
Themenkomplexe behandelt: Die orale Mukositis stellt nicht nur eine subjektiv stark belastende Nebenwirkung dar, sondern kann auch zum dosislimitierenden Faktor werden.
Daher sollte eine entsprechende leitliniengerechte Behandlung und adäquate Mundhygiene
obligat sein. Ebenso ist eine konsequente antiemetische Prophylaxe ein wesentlicher Bestandteil onkologischer Konzepte. Die Schmerztherapie ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler
der onkologischen Supportivtherapie. Der Knochen ist bei vielen Tumorentitäten einer
der häufigsten Metastasierungsorte. Bisphosphonate stellen die Behandlungsmethode der
Wahl bei Knochenmetastasen dar. Intravenös oder oral verabreicht, senken sie die Zahl
skelettaler Komplikationen.
46 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Orale Mukositis – intensivierte
Mundhygiene mit zentraler Stellung
im Supportivkonzept
Die orale Mukositis ist eine der häufigsten
Nebenwirkungen einer Strahlen- und/oder
Hochdosis-Chemotherapie, die die Patienten
sehr belastet. Bei Patienten, die sich einer simultanen Radio-Chemotherapie unterziehen
müssen wie z. B. bei Kopf-Hals-Tumoren,
ist die Lage noch drastischer: „Nahezu jeder
Patient entwickelt mindestens eine Mukositis
Grad II bis III“, erläuterte Professorin Dr.
med. Petra Feyer, Berlin, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in
der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin (ASORS). Risikofaktoren für eine Mukositis sind vor allem eine zeitgleich laufende
Chemotherapie mit Substanzen, die an der
Schleimhaut angreifen, wie z.B. 5-FU. Als
patientenseitige Risikofaktoren erweisen sich
schlechte Mundhygiene, Rauchen und Alkohol. Die Folgen der Erosion der Epithelzellen
in Mund- und Rachenraum werden laut Feyer
noch häufig unterschätzt. Tatsache ist jedoch,
dass eine orale Mukositis sehr schmerzhaft
ist und die Fähigkeit des Patienten beeinträchtigt, zu essen oder überhaupt etwas zu
schlucken. Der Allgemeinzustand und die
Lebensqualität der Patienten sind deutlich
vermindert, zum Teil muss die Behandlung
unterbrochen oder modifiziert werden mit
den Folgen einer Verschlechterung der Tumorheilungsaussichten (Abb. 1). Verlängerte
Krankenhausaufenthalte, parenterale Ernährung, Medikamente gegen Schmerzen und
Infektionen belasten zudem das finanzielle
Budget. „Eine orale Mukositis ist für den
Patienten nicht nur quälend, sondern wirkt
sich auch ungünstig auf seine Prognose aus,
denn die Schädigung oder der Verlust des
Mund- und Rachenepithels erleichtert das
Eindringen von Bakterien, Pilzen oder Viren und kann damit Ausgangspunkt einer
lebensbedrohlichen Infektion oder Sepsis
sein“, ergänzte die Expertin.
Supportivtherapie in der Onkologie
5-HT 3-Rezeptorantagonisten und NK 1-Rezeptorantagonisten bei einem Großteil der
Patienten verhindert werden“, sagte Professor Dr. med. Hans-Joachim Schmoll, Halle
(Abb. 2). Um verbesserte Ergebnisse zu erzielen, müsse allerdings eine optimale, an den
Leitlinien orientierte antiemetische Prophylaxe durchgeführt werden. So sollte laut der
aktuellen Leitlinien (www.mascc.org) bei
hoch emetogener Chemotherapie (HEC) an
Tag 1 ein Dreierregime bestehend aus Aprepitant (Emend®) plus Setron/Dexamethason gegeben werden. Dabei ist laut Schmoll
darauf zu achten, dass das Steroid möglichst
niedrig dosiert verabreicht wird, da durch diese Substanz einige unerwünschte Wirkungen
auf die Therapie resultieren können.
Mukositis
Erhöhtes
Sepsisrisiko
Linderung der LQ
und Compliance
dosislimitierend
Therapiepausen
Dosiskompromisse
Therapieabbrüche
Erhöhte
Mortalität
Schlechtere
Tumorkontrolle
Abb. 1: Mukositis und deren Konsequenzen
Eine adäquate Behandlung oder – noch besser – eine Prophylaxe der Mukositis sollte
daher das Ziel sein. In den Leitlinien der
DEGRO (Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie) und der ASORS nehmen Zahnund Mundhygiene eine zentrale Stellung
ein. Die aktuellen Leitlinien der MASCC
(Multinational Association of Supportive
Care in Cancer) zum Management der oralen
Mukositis (www.mascc.org) stellen explizit
die Möglichkeit der Prävention heraus. So
besitzt eine gründliche Zahnsanierung vor
Beginn der Behandlung einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus ist die professionelle
Mundpflege zusammen mit regelmäßigen
Mundspülungen ein guter Ansatz für die
Mukositis-Prävention. Die Mundspülung
mit einer übersättigten CalciumphosphatLösung (Caphosol®) konnte ihre Effektivität
in klinischen Studien unter Beweis stellen.
In einer randomisierten Doppelblindstudie
[4] ließen sich durch Caphosol® bei Patienten mit einer Knochenmarkstransplantation
im Vergleich zur Kontrollgruppe folgende
Parameter signifikant reduzieren: Dauer der
Mukositis (- 49%), Schmerzdauer (- 63%),
Einnahmedauer von Morphinen (- 69%),
Gesamtmenge an verwendetem Morphin
(- 72 %) und Peak-Level der Mukositis
(- 67%). Ergebnisse aus dem COMFORTBeobachtungs-Register unterstützen diese überzeugenden Daten. Eine Arbeit von
Miyamato et al. (MASCC 2009) belegte den
Benefit einer konsequenten Mundspülung
mit Caphosol® hinsichtlich Reduktion der
oralen Mukositis in Inzidenz und Schwere.
Weiterführende Studien sind geplant. „Mit
einfach durchzuführenden Methoden wie
einer Mundspülung mit Caphosol® erzielen
wir im klinischen Alltag gute Ergebnisse
und empfehlen sie daher unseren Patienten“,
unterstrich Feyer.
Emesisprophylaxe bei moderat
emetogener Chemotherapie –
Therapiefortschritte mit AprepitantKombination
„Übelkeit und Erbrechen zählen zwar nach
wie vor zu den am meisten gefürchteten Nebenwirkungen einer Chemotherapie, konnten aber in den vergangenen Jahren durch
die Verfügbarkeit effektiver Substanzen wie
Bei moderat-emetogenen Chemotherapien
(MEC) beschränkt sich die Leitlinien-Empfehlung des Dreierregimes derzeit auf Anthrazyklin- und Cyclophosphamid- (AC) haltige
Kombinationen. „Jedoch könnte eine zum
diesjährigen amerikanischen Krebskongress
vorgestellte Phase-III-Studie dazu beitragen,
das Vorgehen bei moderater Emesis weiter
zu optimieren“, so Schmoll weiter. In diese
plazebokontrollierte Untersuchung wurden
848 Patienten mit einem Mamma-, Lungen-,
Ovarial- oder kolorektalem Karzinom eingeschlossen [6]. Ca. 52% der Patienten erhielten eine nicht AC-basierte Chemotherapie.
Randomisiert bekamen die Patienten ent-
Entwicklung von Substanzen zur Prävention
von Übelkeit und Erbrechen
Erster oraler NK1 Rezeptorantagonist
Erster oraler NK1 Rezeptorantagonist
Erster 5-HT³ Rezeptorantagonist
Weitere Erkenntnisse zur verzögerten Emesis
Kombination Dexamethason + 5-HT³ Rezeptorantagonist
Dexamethason
Hochdosiertes Metoclopramid (Serotonin)
Kombinationstherapie
Vorhersagekräftige Variablen identifizieren
Phenothiazine
(Dopamin)
1960er
1970er
1980er
1990er
2003
2008
5-HT = Serotonin Rezeptor Typ 3; NK1 = Neuronikin 1
³
Abb. 2: Substanzen zur Prävention von Übelkeit und Erbrechen
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 47
Supportivtherapie in der Onkologie
weder eine Kombination aus Ondansetron
(Tag 1 bis 3) und Dexamethason (an Tag 1)
plus Plazebo (Kontrollarm) oder eine Dreierkombination aus Aprepitant (125 mg an Tag
1, 80 mg an Tag 2 und 3), Ondansetron und
Dexamethason (jeweils an Tag 1). Während
im Kontrollarm nur 62% der Patienten den
primären Endpunkt erreichten, d.h. innerhalb
von fünf Tagen nach Beginn der Chemotherapie kein Erbrechen hatten, war der Anteil
im Aprepitant-Arm mit 76% signifikant höher
(p < 0,01). Auch ein komplettes Ansprechen,
definiert als kein Erbrechen und keine Bedarfsmedikation, war bei zusätzlicher Aprepitant-Gabe signifikant häufiger als mit der
Zweierkombination (69% vs. 56%; p < 0,01).
Der Studienleiter Schmoll bemerkte: „Betrachtet man nur die akute Phase, so zeigte
sich bei 92% der Patienten im Aprepitant-Arm
im Gegensatz zu 84% in der Kontrollgruppe
ein signifikanter Unterschied. D.h. fast alle
Patienten im Aprepitant-Arm hatten kein
Erbrechen.“ Auch in der verzögerten Phase
setzte sich die signifikante Überlegenheit des
Aprepitant-Regimes fort (p<0,01). Von dem
Aprepitant-haltigen Schema profitierten alle
Studienteilnehmer unabhängig von der Art
der Chemotherapie (AC- oder nicht-AC-haltig) und der Art des Tumors. Damit bietet die
Kombinations-Prophylaxe mit Aprepitant bei
einer Vielzahl moderat emetogener Regime und über AC-basierte Schemata hinaus - einen
signifikant besseren Schutz vor Übelkeit und
Erbrechen als ein konventionelles Zweierregime aus einem 5-HT 3-Rezeptorantagonisten
und Dexamethason. Schmoll fasste zusammen: „Auf der Basis dieser Studie lässt sich
die antiemetische Therapie vereinfachen und
optimieren. Ich gehe davon aus, dass diese
Änderungen in die Leitlinien – spätestens
beim nächsten Update Ende des Jahres – übernommen werden.“
Retardiertes Oxycodon/ Naloxon:
Weniger Schmerzen, gute
Verträglichkeit und mehr
Lebensqualität
Während die Emesisleitlinien eine fundierte
Anleitung zu einer optimalen Therapie bieten,
stellt sich die Sachlage bei Tumorpatienten mit
Schmerzen weitaus komplizierter dar. Das seit
1986 existierende Stufenschema der WHO
erweist sich mehr und mehr als Behinderung.
„Dieses Schema ist der häufigste Grund für
Untertherapie, Chronifizierung und Neben-
Wie muss ein ideales
Opioid beschaffen sein?
keine Varibilität in der Bildung von
aktiven Metaboliten (Opioid als
prodrug)
kein Interaktionspotential
sichere Galenik
keine Immunsuppression
starke Analgesie, kein Ceiling Effekt
wenig opioidtypische
Nebenwirkungen
Abb. 3: Kriterien für optimale Opioide
wirkungen”, berichtete Dr. med. Thomas Nolte
vom Schmerz- und Palliativzentrum Rhein/
Main in Wiesbaden. Bei einer differenzierten
Analgesie, die stark wirksam und gleichzeitig
verträglich ist, können jedoch bei bis zu 90%
der Tumorpatienten die Schmerzen sehr gut
oder sogar vollständig gelindert werden. Basis
einer Tumorschmerztherapie sind laut Nolte – unabhängig vom WHO-Schema – die
Opioide. “Allerdings Opioid ist nicht gleich
Opioid”, gab Nolte zu bedenken. Eine hohe
analgetische Wirksamkeit bei guter Steuerbarkeit und sehr guter Verträglichkeit zeichnet ein
optimales Opioid für die Tumorschmerztherapie seiner Meinung nach aus (Abb. 3). Mit
dem retardiertem Oxycodon/Naloxon (Targin®) liegt ein solches Medikament vor. Der
Opioid-Agonist Oxycodon entfaltet seine gute
schmerzlindernde Wirkung systemisch durch
Aktivierung peripherer und zentraler OpioidRezeptoren. Der Opioid-Antagonist Naloxon
hingegen dient bei oraler Einnahme der Prophylaxe und Therapie einer Opioid-induzierten
Obstipation, ohne die systemische analgetische
Wirkung von Oxycodon zu beeinflussen. So
gewährleistet die fixe Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon
den gewünschten schmerzlindernden Effekt
und erhält gleichzeitig die normale Funktion des Darms. Targin® gibt es in vier Wirkstärken. Neben der 10mg/5 mg und 20mg/
10 mg Retardtablette ist die Fixkombination
seit Kurzem auch als 5mg/2,5mg und 40mg/
20 mg Dosierung verfügbar. Diese vier flexiblen Dosierungsoptionen ermöglichen eine
individuell-abgestimmte Schmerztherapie mit
nur einer Substanz und damit ohne umstellungsbedingte Nebenwirkungen, unterstrich
der Schmerzexperte.
48 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Wie gut Oxycodon/Naloxon auf die Bedürfnisse der Tumorpatienten ausgerichtet ist,
zeigt eine aktuelle Subgruppenanalyse von
1.178 Tumorpatienten [3]. In dieser nicht-interventionellen Multicenterstudie waren 18,6%
der Tumorpatienten mit einem WHO-Stufe
I Analgetikum und 38% mit einem WHOStufe II Analgetikum vorbehandelt. 35,3%
erhielten bereits ein starkes Opioid der WHOStufe III. Durch die Umstellung auf das Kombinationspräparat nahm die Schmerzintensität
in der gesamten Subgruppe innerhalb der vierwöchigen Beobachtungsphase auf der Numerischen Ratingskala (NR-Skala) von 5,5 auf
3,0 ab. Das entspricht einer Schmerzreduktion
um durchschnittlich 45%. Bei Patienten, die
auf der WHO-Stufe II vorbehandelt waren,
betrug die Reduktion der Schmerzintensität
sogar 52%. Zudem erreichten die Patienten
eine normale Darmfunktion (Reduktion Bowel Function Index (BFI): 23,7 Punktwerte) und gastrointestinalen Beschwerden wie
Übelkeit, Obstipation und Bauchschmerzen
nahmen deutlich ab. Dementsprechend beurteilten 88% der Ärzte nach vier Wochen
die Therapie mit Oxycodon/Naloxon als “viel
besser” oder “besser” verträglich im Vergleich
zur Vortherapie. Die gute Schmerzreduktion
und Verträglichkeit fand ihren Niederschlag
ebenfalls in einer deutlichen Erhöhung der
Lebensqualität: In der gesamten Subgruppe
erhöhte sich die Lebensqualität signifikant
um 71%, in der Gruppe auf WHO-SchemaII-Vorbehandelten stieg dieser Wert sogar um
80%. „Jedoch profitierten alle Patienten mit
einer deutlichen Lebensqualitätserhöhung
von der Behandlung mit Oxycodon/Naloxon,
sogar bei Patienten, die vorher schon starke
Opioide der WHO-Stufe III erhalten hatten,
konnte eine Lebensqualitätserhöhung um 54%
verzeichnet werden“, resümierte Nolte.
Nebenwirkungsprofil entscheidend
bei Optimierung der
Bisphosphonattherapie
Der Knochen ist ein häufiger Metastasierungsort, z.B. beim Mamma- und Prostatakarzinom. Bei bis zu 85% aller Frauen mit
Mammakarzinom kommt es zur Entwicklung
ossärer Metastasen. „Patientinnen mit Knochenmetastasen überleben heute teilweise sehr
lange mit ihrer Erkrankung. Diese Betroffenen haben nur dann eine gute Lebensqualität, wenn wir als Ärzte konsequent gegen
Knochenmetastasen vorgehen und unnöti-
Supportivtherapie in der Onkologie
ge Nebenwirkungen vermeiden“, unterstrich
Professor Dr. med. Ingo J. Diel, Mannheim.
Denn es gibt mittlerweile wirksame Behandlungsmethoden, die nicht nur die Symptome
lindern, sondern die auch das Wachstum der
Metastasen hemmen. Bisphosphonate sind dabei die Mittel der Wahl. Der Experte verwies
darauf, dass sich diese Substanzgruppe insbesondere durch die Forschungsanstrengungen
bei Roche enorm entwickelt hat: Rund 20 Jahre ist es her, seit das Bisphosphonat der ersten
Generation Etidronat (Diphos®) eingeführt
wurde. Mit Clodronat (Ostac®) – einem Bisphosphonat der zweiten Generation, welches
intravenös (1500 mg/über 4h alle 3-4 Wochen)
oder oral (2 x 520 mg/tgl.) verabreicht werden
kann – wurden die Bisphosphonate weiterhin
optimiert. Einen Höhepunkt der Entwicklung
stellte laut Diel die Einführung von Ibandronat (Bondronat®), dem stickstoffhaltigen Bisphosphonat der dritten Generation (Abb. 4)
dar, welches seit Oktober 2003 zur Behandlung von Knochenmetastasen bei Brustkrebs
als Infusion (6 mg alle 3-4 Wochen) und als
Tablette (50 mg täglich) zur Verfügung steht.
Aus der Gruppe der Bisphosphonate der dritten Generation ist nur Ibandronat sowohl oral
als intravenös verfügbar. So kann bei starken
Knochenschmerzen, die einen schnellen Wirkungseintritt erforderlich machen, Ibandronat
als Infusion verabreicht werden. Ansonsten
haben die Patienten die Möglichkeit, entsprechend ihren Bedürfnissen zwischen Infusion
oder Tablette zu wählen. Beide Applikationsformen haben eine vergleichbare Effektivität
in Zulassungsstudien belegt.
Warum die Einführung von Ibandronat in
seinen Augen einen neuen Maßstab setzt,
machte Diel in der Hauptsache am Verträglichkeitsprofil fest. Denn hinsichtlich der
Effektivität unterscheiden sich die vier in
der Onkologie heute verwendeten Bisphosphonate Clodronat, Pamidronat, Ibandronat
und Zoledronat nur geringfügig. “Angesichts
der ähnlichen Wirksamkeit sollten bei der
Substanzwahl vor allem Überlegungen zum
Nebenwirkungsspektrum im Mittelpunkt
stehen, um die Patienten nicht noch zusätzlich
durch die Supportivtherapie zu belasten”, so
der Knochenspezialist. Bei zwei unerwünschten Wirkungen unter Bisphosphonattherapie
zeigen sich die substanzspezifischen Unterschiede besonders deutlich: Bei der renalen
Verträglichkeit und den Bisphosphonat-assoziierten Kieferosteonekrosen (BP-ONJ).
Die Nierenverträglichkeit der Bisphosphonate
ist besonders bei intravenöser Verabreichung
von Bedeutung und spielt bei der oralen Applikation aufgrund der geringen Resorption
kaum eine Rolle. Für i.v. Ibandronat konnte
in Studien eine günstige Nierenverträglichkeit mit stabilen Serum-Kreatininwerten im
Chemische Struktur der Bisphosphonate
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³
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etidronate
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clodronate
tiludronate
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(CH ) O²³
Abschließend ging Diel auf das Potenzial ein,
welches Bisphosphonate in der adjuvanten
Situation gezeigt haben. Eigene Untersuchungen als auch die Studie von Powles et al. an
Clodronat bestätigten, dass Bisphosphonate
vor der Entwicklung von Metastasen schützen
können. Der Effekt von Ibandronat in der
adjuvanten Therapie wird momentan in der
GAIN-Studie an 3.025 Patientinnen sowie in
der ICE-Intergroup-Untersuchung bei Frauen
≥65 Jahren überprüft. Diel sagte abschließend:
„Bisphosphonate sind Substanzen mit einem
hohen Potenzial. Vom adjuvanten Einsatz
erwarte ich in der Zukunft noch einmal einen
deutlichen Zugewinn für unsere Patienten“.
Literatur:
Onkologisch
O
Langzeitverlauf über 4 Jahre nachgewiesen
werden [1; 2; 5]. Die beobachtete Inzidenz renaler Nebenwirkungen war insgesamt niedrig
und bewegte sich auf Plazeboniveau. So ist
- im Gegensatz zu anderen Bisphosphonaten
- bei i.v. Ibandronat laut Fachinformation eine
obligatorische Überprüfung der Nierenfunktion vor jeder Applikation nicht notwendig.
Hinsichtlich der zweiten Nebenwirkung, bei
der es unter den Bisphosphonaten wesentliche Unterschiede gibt, führte Diel aus, dass
eine kumulative Betrachtung aller berichteten
Fälle von Kieferosteonekrosen eine sehr geringe Inzidenz im Zusammenhang mit einer
Ibandronat-Therapie zeigt: Die Daten vom
Juli 2007 aus dem Deutschen Zentralregister
Kiefernekrosen in der Charité Berlin zeigen,
dass 68,2% der Patienten mit Kieferosteonekrosen Zoledronsäure, 20,8% Pamidronat und
4,6% Ibandronat erhalten hatten.
1 Bergner R. et al. Onkologie 2006;29:534-540
genutzt
2 Lühe A. et al. Toxicol In Vitro. 2008;22(4):899-909
3 Nolte T. et al. EAPC 2009, Abstract 11
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pamidronate
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ibandronate
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³
4 Papas A. et al. Bone Marrow Transplant 2003;
31(8):705-12
O
6 Schmoll H.-J. et al. ASCO 2009, Abstract 9626
N
OO
5 Pecherstorfer M. et al. Clin Drug Invest 2006; 26:
315–322
N
(CH ) O²²
O-
O-
risedronate
alendronate
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P
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²
Autorin:
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P
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OH
O-
zoledronate
O
Bettina Reich
Eulenstraße 85
22763 Hamburg
Abb. 4: Chemische Struktur der Bisphosphonate
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 49
Buchbesprechung
Buchbesprechungen
Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten
Das Patientendilemma
Warum wir nicht die Medikamente bekommen, die wir brauchen
Von Heide Neukirchen
Heyne Verlag, München 2009
256 Seiten, 17,95 Euro
ISBN 978-3-453-15637-1
An jedem Arbeitstag werden in Deutschland
20 Millionen Euro für klinische Studien
ausgegeben. Was genau läuft da eigentlich? Schließlich sind klinische Studien der
Schlüssel zu Leitlinien, Evidenzbasierter Medizin, Empfehlungen der Fachgesellschaften
und zum Leistungskatalog der Gesetzlichen
Krankenkassen. Wer macht diese Studien,
wer finanziert sie, wie verlässlich sind ihre
Ergebnisse und, last but not least: was treibt
eigentlich die freiwilligen Versuchspersonen
an und welche Risiken gehen sie ein?
Die Wirtschaftsjournalistin Heide Neukirchen
legt das vielfältige Geflecht von Interessen
und Motivationen frei, das hinter klinischen
Studien steckt. Finanzielle Interessen der
forschenden Pharmaunternehmen und, als
Kehrseite der Medaille, finanzielle Engpässe
bei der pharmaunabhängigen Forschung
werden deutlich. Eine umfangreiche und
hartnäckige Recherche bei Pharmafirmen,
unabhängigen Instituten wie dem IQWIG, bei
Ethikkommissionen und wissenschaftlichen
Tagungen förderte nicht selten aber auch Unerwartetes und Widersprüchliches zu Tage.
Wir alle wollen, dass Medikamente einen
hohen Sicherheitsstandard haben und vor
Markteinführung an großen Patientenzahlen getestet sind. Zur Teilnahme an einer
klinischen Studie bereit sind aber in der
Regel nur diejenigen, die von der Stan-
dardbehandlung keine
Heilung erhoffen können
oder die sich aus Geldmangel als Probanden
verdingen. Im Selbstversuch als Teilnehmerin an
einer Studie spürt Heide
Neukirchen den Motiven
solcher Probandenprofis
nach, die sich auch von
stark medienwirksamen
Pannen wie der lebensbedrohlichen Erkrankung
von sechs jungen Männern
bei der Testung eine neuen
Wirkstoffs in Großbritannien
nicht abschrecken lassen.
Breiten Raum nimmt in dem
Buch auch die Behinderung
klinischer Forschung durch
eine ausufernde Bürokratisierung ein. Wer im Detail erfährt,
welche Hürden hier zu nehmen
sind und welche Fallstricke
lauern, wird so manches Mal
verwundert den Kopf schütteln.
Und sich nicht der Argumentation der Autorin verschließen können, dass
die Preisentwicklung bei neu zugelassenen
Pharmaka nicht zuletzt den Aufwand widerspiegelt, der wegen dieser Bürokratisierung
bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe geleistet werden muss. Überhaupt hält die Autorin
mit dezidierten Meinungen nicht hinterm
Berg. Man merkt ihr an, wie sehr manche
Entwicklungen sie stören – nicht zuletzt die
50 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Tendenz, klinische Studien in Länder der
Dritten Welt auszulagern, wo „vielleicht nicht
so genau hingeschaut wird“.
Ein aufschlussreiches Glossar und ein
umfangreiches Literatur verzeichnis komplettieren dieses auch für Laien gut lesbare
Sachbuch, das neben fundierter Information
auch interessante Anekdoten bietet.
Buchbesprechung
Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten
Ich lebe
von Annemarie Giegler,
Templin/Uckermark
Medizin im 20. Jahrhundert
Fortschritte und Grenzen der Heilkunde seit 1900
Ein Frühlingstag.
Die Luft voll Wärme.
Fliederduft zieht durch die Straßen.
In hundert Farben sprießt  grün.
Hier tulpenrot, dort honielb
die Blumen blüh’n.
Von Dominik Groß und Hans Joachim Winckelmann (Hrsg.)
Ärztliche Praxis Edition, 2008
ISBN 978-3-936506-33-4
344 Seiten, 29,90 Euro
Der Titel ist nüchtern, das Buch ist es nicht.
Denn hier wird nicht nur eine Kette der beeindruckenden Erfindungen, Entdeckungen
und Entwicklungen der Medizin in den vergangenen gut hundert Jahren aneinandergereiht, sondern auch der gesellschaftliche,
kulturelle und gesundheitspolitische Kontext
mit einbezogen. Denn ungeachtet aller grandiosen Fortschritte gibt es nicht nur positive
Entwicklungen, moralisch-ethische Fragen
sind im Laufe der letzten Jahre, z.B. auf dem
Gebiet der Gentechnik, Humangenetik und
Stammzellforschung immer stärker in den
Vordergrund gerückt.
In zwei großen Abschnitten trägt das Buch
diesen unterschiedlichen Aspekten Rechnung. Rund 200 Seiten stellen Fortschritte
und Grenzen der medizinischen Entwicklung
dar. Hier gibt es beispielsweise Kapitel über
die Entwicklung der Infektionslehre, der
operativen Heilkunde, der Transplantationsmedizin oder der Diagnostik. Für Apotheker
von besonderem Interesse ist das Kapitel
über die Entwicklung der Pharmakotherapie,
die im 20. Jahrhundert von der Industrialisierung der Pharmaherstellung geprägt war.
Der Bogen spannt sich von der Aspirin-Herstellung im großen Umfang zu Beginn des
Jahrhunderts über die Massenproduktion
von Insulin in den 1920er Jahren, Impfstoffe
in den 30er Jahren, Antibiotika in den 40er
Jahren, Psychopharmaka in den 50er Jah-
ren, „die Pille“ in den 60er Jahren bis hin
zur Biotechnologierevolution am Ende des
Jahrhunderts.
Im zweiten Abschnitt des Buches werden
Medizin und Gesellschaf t in Beziehung
gesetzt. Ein Kapitel ist hier der Medizin im
Nationalsozialismus gewidmet, auch der
Umgang mit medizinischen Herausforderungen in der „Dritten Welt“ wird von der
Kolonialmedizin bis zu „Global Health“ unter
anderem thematisiert.
Anhänge bieten einen Überblick über die Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin
sowie ein umfassendes Literaturverzeichnis.
Fazit: Ein auch für medizinisch und historisch
wenig vorgebildete Leser geeignetes Buch
mit vielen interessanten Fotos, das zum
entspannten Schmökern einlädt und wie
nebenbei sehr viel Wissen vermittelt.
Ein kurzer Weg nur.
Es ist ein Ch k,
alljährlich, fast Routine.
Die Hände tasten, fühlen, suchen.
Ein Druck und wieder tasten.
Ein Knot en, r hts!
Zurückerinnern r hts fi ng’s auch bei der Mutter an.
Krebs?
Das war, als sich der Tag verdunkelte
und schwarz die Sonne ward,
die Lerche vom Himmel fi el,
und voller Angst die Schwalben
fl üchten in ihr Nt.
Ein heller Sonnenstrahl wärmt
zögernd meine Hand.
Wo Licht ist und Wärme,
ist Leben.
Wo Leben, ist Hoff nung!
Ich lebe!
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 51
Nutzen und Risiken der Krebs-Früherkennung
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG
Pressemitteilung der Deutschen Krebshilfe
Nutzen und Risiken der Krebs-Früherkennung
Ist mit meiner Gesundheit alles in Ordnung?
Was kann ich tun, um gesund zu bleiben?
Welchen Nutzen haben Krebs-Früherkennungsuntersuchungen? Was bezahlt die
Krankenkasse? Und welche Zusatzleistungen lohnen sich?
Die Deutsche Krebshilfe setzt sich dafür
ein, dass die von den gesetzlichen Krankenkassen angebotenen Früherkennungsuntersuchungen genutzt werden, da Tumorerkrankungen im Frühstadium mit großer
Wahrscheinlichkeit heilbar sind. Manche
Untersuchungsverfahren, die als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten
werden, bergen jedoch erhebliche Risiken,
die gegen den möglichen Nutzen abgewogen werden müssen. Die Stiftung Warentest
unterzieht die derzeit in Deutschland und
Österreich angebotenen Tests zur KrebsFrüherkennung einer regelmäßigen wissenschaftlichen Überprüfung. Besucher der
HERAUSGEBER:
Klaus Meier, Soltau
VERLAG:
onkopress,
Ziegelhofstraße 43,
26121 Oldenburg,
www.onkopress.de
ISSN-Nr.: 1437-8825
CHEFREDAKTEURIN:
Dr. Karla Domagk, Cottbus
Website der Deutschen Krebshilfe können
die Informationen der Stiftung Warentest
ab sofort kostenfrei abrufen.
Früh erkannt, ist Krebs fast immer heilbar.
Dies gilt insbesondere für Krebserkrankungen der Haut, der Brust, des Darms, des
Gebärmutterhalses und der Prostata. KrebsFrüherkennungsuntersuchungen gehören
daher zu den Standardleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Darüber hinaus werden Untersuchungen angeboten, für deren
Kosten der Versicherte selbst auf kommen
muss. Manche dieser Untersuchungen sind
sinnvoll und nützlich. Bei anderen hingegen ist der Nutzen umstritten oder nicht
bewiesen.
Die Stiftung Warentest lässt die derzeit angebotenen Krebs-Früherkennungsmethoden
wissenschaftlich überprüfen und anhand publizierter Daten auf ihre Leistungsfähigkeit
REDAKTION:
Dr. Susan Bischoff, Berlin; Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel,
Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.;
Dr. Doris Haider, Wien; Gerald Hensel, Leipzig;
Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Dr. Petra Jungmayr,
Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling;
Thomas Schubert, Mönchengladbach; Wioletta Sekular,
Krefeld; Gisela Sprossmann-Günther, Berlin; Dr. Robert
Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg.
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT:
Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt.
Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter
Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie,
Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik
Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader,
Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische
Universität Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg.
52 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
hin untersuchen. So sollen interessierte Bürger die angebotenen Tests besser beurteilen
können. Auf dieser Grundlage auf bauend,
können die persönliche Motivation einbezogen und die Risikolage abgewogen werden.
Die Ergebnisse der umfangreichen Analysen
wurden veröffentlicht in dem Buch „Untersuchungen zur Früherkennung – Krebs:
Nutzen und Risiken“ (Stiftung Warentest,
2005) und werden regelmäßig aktualisiert.
Besuchern der Internetseite der Deutschen
Krebshilfe stehen die Bewertungen der
Stiftung Warentest ab sofort kostenfrei
zur Verfügung: Über einen Link auf www.
krebshilfe.de/test-frueherkennung.html gelangen Internetnutzer direkt auf die Seiten
der Stiftung Warentest zum Thema „KrebsFrüherkennung“.
Bonn, 29. Juni 2009
Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen sind vorbehalten und
bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt
eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird
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Who is who
Who is who
Von Doris Haider, Wien
Heute: a.o. Univ. Prof. Mag. pharm. Dr. Martin Czejka
Martin Czejka, stellvertretender Leiter des
Departments für Klinische Pharmazie und
Diagnostik der Universität Wien und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für
angewandte Pharmakokinetik ist ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet
der onkologischen Pharmakokinetik.
Bestimmungen während laufender Chemotherapien ist es möglich, das Schicksal der
verabreichten Arzneistoffe unmittelbar am
Patienten zu verfolgen. Dadurch resultieren
die Antworten zu Fragen, die während der
Therapie für das Behandlungsteam wesentlich sind:
Prof. Czejka ist in vielen Fachgesellschaften
tätig, wobei vor allem die Gesellschaft Central European Society for Anticancer Drug
Research-EWIV (CESAR) hervorzuheben ist.
In namhaften europäischen Fachgesellschaften ist Prof. Czejka seit Jahren Mitglied: wie
ÖGBA, ESCP, ASOP, OePhG oder ISOPP.
• Ist die gewählte Dosis
ausreichend?
Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen
Tätigkeit steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Apotheker und Onkologen, um neue Chemotherapieschemata zu
optimieren, therapeutisches Drugmonitoring
durchzuführen und mögliche Arzneistoffinteraktionen zu verifizieren.
Die medikamentöse Therapie stellt für den
onkologischen Patienten ein besonders
heikles und sensibles Unterfangen dar, da
diese hochwirksamen Medikamente möglichst optimal und schonend verabreicht
werden müssen.
Hierbei können sich Apotheker und behandelnder Onkologen im Sinne der Optimierung
der Therapie auf wertvolle Weise ergänzen.
Darüber hinaus liefert die Visualisierung
derartiger Chemotherapien durch Messung
von Blut- und Gewebskonzentrationen Kenntnisse über das Schicksal des verabreichten
Arzneistoffs im einzelnen Patienten und über
die individuelle Optimierung der Effizienz der
Chemotherapie. Durch pharmakokinetische
• Gibt es abweichendes
Verhalten im Körper?
• Sind Konzentrationen für
den Patienten optimal?
• Verändern andere Arzneistoffe die Konzentration
im Blut?
• Ist der Metabolismus verändert?
Weiteres untersucht Prof. Czejka in präklinischen Experimenten. Seine Forschungsergebnisse präsentiert er regelmäßig auf
internationalen hochkarätigen Kongressen
(ASCO, ESMO, EORTC, AACR).
Die Gründung der Fachgesellschaft „Österreichische Gesellschaf t für angewandte
Pharmakokinetik“ (= ASAP: Austrian Society
of Applied Pharmacokinetics) durch Prof.
Czejka hat in Österreich die wissenschaftliche Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker
intensiviert. Prof. Czejka, der es geschafft
hat, in dieser Gesellschaft Ärzte und Apotheker gleichberechtigt an einen Tisch zu holen,
steht der Gesellschaft seit Jahren vor. Ihm ist
es wichtig, das Gebiet der Pharmakokinetik
einem „breiteren“ Publikum vorzustellen.
Auf http://www.asap.or.at finden Sie nähere
Informationen zur jährlichen Ausschreibung
des Förderungspreises „ASAP award“.
Ich kenne Prof. Czejka noch von meinem
Studium, wo er uns als „Frischlinge“ oft an
unsere Grenzen gebracht hat. Rückblickend
bin ich ihm dankbar für diese optimale Förderung, die ich in Kombination mit seinem speziellen
Humor sehr zu schät zen
gelernt habe. Er ist einer
der wenigen Menschen, die
es verstehen, komplexe Zusammenhänge verständlich
darzustellen.
Vor allem aber die Zusammenarbeit in gemeinsamen
Projek ten gestaltet sich
durch sein enormes Fachwissen, sein Engagement und seine Verlässlichkeit sehr angenehm. Prof. Czejka trägt
sein Herz nicht auf der Zunge, umso größeren
Wert findet seine Anerkennung, die nie überschäumend aber in ihrer Aufrichtigkeit nicht
zu übertreffen ist.
Während er an der Wiener Uni die Studenten
auf Trab hält, hält er sich selber sportlich fit
– laufen, mountainbiken, schwimmen, wandern, skifahren – und findet seinen Ausgleich
auch beim Gitarrespielen.
Mag. Dr. Doris Haider
Sozialmedizinisches Zentrum Süd –
Kaiser-Franz-Josef-Spital mit
Gottfried von Preyer‘schem Kinderspital
Kundratstrasse 3, 1100 Wien, Österreich
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 53
Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr
Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr –
seit 27 Jahren im Dienste der Betroffenen
Von György Irmey, Heidelberg
Die Gesellschaft
Um Patienten, Ärzte und Therapeuten über ganzheitliche Methoden der Krebsbehandlung zu
informieren, wurde im Oktober
1982 die GESELLSCHAFT FÜR BIOLOGISCHE KREBSABWEHR (GfBK
e. V.) als gemeinnütziger Verein
zur Förderung biologischer Heilverfahren bei Krebs in Heidelberg
gegründet.
Sie ist heute mit 25.000 Mitgliedern und Förderern die größte
ganzheitliche Beratungsorganisation im deutschsprachigen Raum.
Ihre Arbeit wird ausschließlich
durch Mitgliedsbeiträge und private Spenden unterstützt.
Seit dem Jahr 2005 führt sie das
ihr vom Zentralinstitut für Soziale
Fragen in Berlin (DZI) zuerkannte
Deutsche Spendensiegel.
Wir leben in einer Zeit der vielfältigen und schnellen Kommunikationsformen.
Immer schneller geschehen die Dinge um
uns herum und nicht nur der Krebskranke
ist aufgrund der Erkrankung einem scheinbar allmächtigen Zeitdruck ausgesetzt. Der
Informationsaustausch der Betroffenen untereinander wie auch zwischen Patient und
Therapeut kommt zu kurz. Tumorzerstörende
Therapien können zwar schnell und viel erreichen, sie schwächen aber auch die körpereigenen Regulationskräfte, die für die Genesung
wichtig sind.
Mit ihrem umfassenden Informations- und
Beratungsangebot auf dem Gebiet der komplementären Onkologie möchte die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr Zeichen
für mehr Menschlichkeit und hoffnungsvolle Empathie in der Medizin setzen. Die
Krebserkrankung ist nie die Erkrankung eines
einzelnen Organs oder Körperteils, sondern
stets eine Erkrankung des ganzen Menschen
als körperliche und seelische Einheit. Erst
Abb. 1: Das Samariterhaus in Heidelberg 2009
die Begegnung mit dem kranken Menschen
und nicht nur mit der Krankheit macht eine
sinnvolle Wegbegleitung möglich. Der Individualität des Patienten wird von der heutigen
Medizin zu wenig Rechnung getragen.
Vor zwei Jahren hat die Gesellschaft neue
Beratungsräume mit bedeutendem historischen Hintergrund im Samariterhaus in
Heidelberg-Bergheim bezogen. Das Samariterhaus (Abb. 1) wurde als Heil- und Pfle-
geanstalt für Krebskranke vor über hundert
Jahren von Professor Vincent Czerny neben
dem ersten Deutschen Krebsforschungsinstitut gegründet.
Die Zentrale Beratungsstelle in Heidelberg
wird im Jahre 2009 von acht regionalen Beratungsstellen in ihrer Arbeit unterstützt.
Bei den engagierten Helferinnen und Helfern
in der Zentralen Heidelberger Beratungsstelle
Prof. Vinzenz Czerny
geb.1842 in Trautenau/Böhmen, gest. 1916 in Heidelberg
Vinzenz Czerny gilt als einer der fortschrittlichsten Persönlichkeiten des auslaufenden
19. Jahrhunderts. Seit 1877 auf dem Lehrstuhl für Chirurgie der Universität Heidelberg
erkannte er, dass chirurgische Eingriffe allein nicht zu den gewünschten langfristigen
Erfolgen in der Krebsbehandlung führten und etablierte die Zusammenarbeit zwischen
operativer Medizin. Strahlentherapie und Innere Medizin. Damit erkannte Czerny
als einer der ersten den interdisziplinären Charakter des Faches Onkologie.
54 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr
und den regionalen Beratungsstellen konnten sich in den vergangenen Jahren mehrere 100.000 Betroffene und Angehörige wie
auch therapeutisch Tätige direkt Rat und
Hilfe holen.
Die Aufgaben
Die Kernaufgabe der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr ist die Information von
Patienten, Angehörigen, Ärzten und Interessierten über die vielfältigen Möglichkeiten
biologischer Therapien bei Krebs.
Die zweite Hauptaufgabe der Gesellschaft für
Biologische Krebsabwehr ist die individuelle und persönliche Beratung von Patienten
und deren Angehörigen. Die individuelle
Beratung steht allen Patienten, Angehörigen
und Ärzten ohne finanzielle Verpflichtung
zur Verfügung.
Um mehr Menschen mit den Möglichkeiten
naturheilkundlicher Krebstherapien vertraut
zu machen und den Bekanntheitsgrad dieser Therapien zu steigern, veranstaltet die
Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr
regelmäßig Vortragsveranstaltungen, Seminare und Kongresse.
Die Entwicklung
„Erst wird das Neue belächelt, dann bekämpft und schließlich ist man schon
immer dafür gewesen“
Diese ironisch selbstkritische Einschätzung
über den Fortschritt in der Wissenschaft allgemein und in der Medizin im Besonderen
scheint auch für die von der Gesellschaft vertretenen Ideen und Methoden zuzutreffen.
Die Phase des Belächelns war recht kurz. Das
große Echo, das die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr in der Öffentlichkeit, vor
allem aber bei den Betroffenen fand, führte
den Verein vor allem in Medizinerkreisen in
eine nicht immer faire vorurteilsfreie Realität.
Tatsache ist auch heute, dass es weder von
Seiten der wissenschaftlich-onkologischen
Medizin noch von Seiten einer ganzheitlichkomplementär ausgerichteten Heilkunde Patentrezepte zur Heilung der Krebserkrankung
gibt. Nur ein ganzheitlich-individuell geprägtes Vorgehen kann dem mit einer Tumorerkrankung konfrontierten Betroffenen Wege
zur Bewältigung seiner Krankheit weisen.
Vieles, was von der Gesellschaft am Anfang
formuliert und von anderen als exotisch angesehen wurde, ist heute Bestandteil der konventionellen oder so genannten Schulmedizin
geworden. Dass die seelische Verarbeitung
des Krankheitsprozesses ganz wesentlich für
den Verlauf des Krankheitsbildes ist, wird zumindest theoretisch genauso wenig in Frage
gestellt wie die Zusammenhänge von Krebs
und Ernährung. Bei den begleitenden komplementären Wegen der Entspannung, der
enormen Bedeutung von Bewegungsübungen,
dem Einsatz orthomolekularer Substanzen,
immunmodulierender Therapien und den Hy-
perthermieverfahren zur Verringerung der
Nebenwirkungen aggressiver Therapien bei
Chemo- und Strahlentherapien gibt es viele Annäherungspunkte der gegensätzlichen
Auffassungen in der Medizin.
Dennoch hört immer noch manch ein Patient, der in der Klinik Ärzte auf die Misteltherapie anspricht, den Satz: „da können Sie
sich auch eine Frikadelle auf den Bauch legen...“.
Der angestrebte Brückenschlag zwischen den
oft immer noch konkurrierenden medizinischen Richtungen kommt unserer Meinung
nach gerade für die Betroffenen frustrierend
langsam voran.
Bundesfamilienministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen
anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der GfBK im Mai 2007:
In der Notsituation einer Krebserkrankung ist es gut zu wissen, dass es eine
Patientenorganisation gibt, die auf dem
Gebiet der komplementären, alternativen und ganzheitlichen Krebsbehandlung
kompetente Beratung und Hilfe anbietet
- nicht in Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur Schulmedizin. Alternative, komplementäre Methoden sind immer
sinnvoll, wenn Nutzen und Risiko stimmen und sie individuell zum Patienten
oder zur Patientin passen. Gerade viele
der unvermeidlichen und quälenden Nebenwirkungen der Krebstherapie lassen
sich durch den Einsatz komplementärer
Maßnahmen lindern.
Beratung, Selbsthilfe und die Öffnung
neuer, anderer Horizonte sind die Stärken der Gesellschaft für Biologische
Krebsabwehr. Ernährung, Bewegung,
Entspannung – all dies ist nicht Medizin
im engeren Sinne, aber als Salutogenese
Voraussetzung für körperliche und seelische Gesundheit. Indem die Gesellschaft
für Biologische Krebsabwehr in ihrer Beratung auf diese Zusammenhänge aufmerksam macht, öffnet sie den Erkrankten
einen Horizont über die Krankheit hinaus
– ganz wichtig gerade bei einer so schwer
wiegenden Diagnose wie Krebs.
Vielleicht am wichtigsten zur Stärkung
der Gesundheit sind andere Menschen.
Das ist natürlich zu allererst die Familie,
der Freundeskreis. Das können aber auch
andere Betroffene sein, die die gleichen
Erfahrungen machen oder gemacht haben
und dadurch “auf der gleichen Wellenlänge” sind. Durch den Austausch kann es gelingen, nicht nur praktische Hilfe, sondern
auch neue Motivation und Hoffnung zur
Bewältigung der Krankheit und zur Verbesserung der eigenen Lebenssituation zu
bekommen. Therapie ist immer auch Begleitung durch die Krankheit hindurch.
Deshalb ist Selbsthilfe so wichtig. Das
Netzwerk der Selbsthilfeorganisationen
und -vereinigungen, zu dem die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr
gehört, kann auch bei Krebs hilfreiche
Unterstützung bieten. Die Selbsthilfe in
Deutschland ist differenziert und vielfältig. Selbsthilfeorganisationen und -vereinigungen erbringen umfangreiche Unterstützungsleistungen und verstehen sich als
Agenturen zur Stärkung der Motivation,
Eigenverantwortung und freiwilligen
Hilfen. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf
die professionelle Medizin: Die Selbsthilfe
bringt mit ihrer Eigeninitiative ein neues
Wissen, das “Expertentum des Betroffenseins”, in die Versorgung ein und trägt so
zu Qualitätsverbesserungen und zu einer
Stärkung der Patientenperspektive bei.
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 55
Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr
In einer Zeit der Überflutung mit Informationen sind vielseitige oder unabhängige Orientierungshilfen für Therapeuten und Patienten
gleichermaßen notwendig. Die Fähigkeit,
gute von schlechten Angeboten zu trennen,
kann nur auf dem Nährboden guter Information gedeihen.
War anfänglich die Förderung von Forschungsvorhaben das wichtigste Ziel, zeigte
die Arbeit der ersten Jahre, dass die Nachfrage von Patienten, Angehörigen aber auch
Ärzten und Therapeuten nach neutralen Informationen zum Thema biologische und
ganzheitliche Therapien enorm groß war.
Dem Bedürfnis der Patienten nachkommend,
wird in den neunziger Jahren die unabhängige Information und Beratung von Patienten zum verpflichtenden Schwerpunkt der
Vereinsarbeit.
Viele Patienten und Betroffene erfuhren durch
unsere einzigartigen Tagungen und Kongresse, durch zahlreiche Vorträge bei Selbsthilfegruppen und Nachsorgeorganisationen,
durch Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen und
Internet von den Möglichkeiten und Chancen
einer zusätzlichen komplementären Behandlung. Bei den Kongressen der Gesellschaft
steht der Patient von Anbeginn an nicht nur
thematisch im Mittelpunkt, sondern kann
sich selbst vielfältig aktiv am Kongressprogramm beteiligen: in Kursen, Seminaren,
Diskussionsrunden, mit dem persönlichen
Gespräch auf einer Augenhöhe zwischen Arzt
und Patient und im Dialog der Patienten untereinander.
Das Angebot
Annähernd 50 Informationsblätter und schriften können von der Gf BK kostenfrei
angefordert oder über das Internet (www.biokrebs.de) heruntergeladen werden. Ebenso
ist es jederzeit möglich, kostenfrei kurzfristige Gesprächstermine telefonisch oder persönlich mit einem der beratenden Ärztinnen
oder Ärzte zu vereinbaren. Die individuelle Beratung kann telefonisch, persönlich,
schriftlich, per E-Mail erfolgen.
Die Beraterinnen und Berater der Gesellschaft sind nicht nur Übermittler der Wortinformation, sondern versuchen direkt oder
auch zwischen den Zeilen stets die Empathie, das Mitgefühl sichtbar werden zu lassen, um die immanente Angst im Alleinsein
mit der Krankheit zu überwinden. Unsere
wesentlichste Säule ist die Botschaft des
“Füreinander-Daseins”, der kompetenten
Beratung, der menschlichen Zuwendung und
der Übermittlung gelebter Erfahrung aus
eigener Erkenntnis oder eigenem Erleiden.
Mit einer ganzheitlichen Behandlung - die
im Prinzip bei allen Krebserkrankungen
anwendbar ist- werden folgende Ziele verfolgt:
Wiederherstellung und Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte
Milderung der Nebenwirkungen und Folgeschäden aggressiver Therapien
Erhöhung der Heilungschancen
Verbesserung und Erhaltung der Lebensqualität
Grundsätzlich basiert eine biologische Begleitbehandlung auf einem Konzept der „vier
Säulen“:
Psychische Stabilisierung
Körperliche Aktivierung
56 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Stoffwechsel-Regulation und Ernährungsberatung
Immunregulation und -stimulation mit
natürlichen Mitteln und Methoden.
Der 14. Internationale Kongress für Biologische Krebsabwehr, der vom 8. bis 10. Mai
2009 in Heidelberg stattfand, endete mit
einem Appell zu einem radikalen Umdenken in der Behandlung von Krebspatienten.
„Nicht die Krebserkrankung, sondern der
ganze Mensch muss im Mittelpunkt von
Medizin und Forschung stehen“.
In der kommenden Ausgabe der „Onkologischen Pharmazie“ wird ein weiterführender
Artikel zu den Möglichkeiten und Grenzen
der Biologischen Krebsabwehr erscheinen.
Autor:
Dr. med. György Irmey,
Ärztlicher Direktor der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e.V.
Voßstraße 3,
69115 Heidelberg
0 62 21-13 80 20
Weitere Informationen und
Beratung:
Gesellschaft für Biologische
Krebsabwehr e. V.,
Voßstraße 3
69115 Heidelberg
Tel.: 06221-138020
www.biokrebs.de
Lebender Kolumnentitel
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 57
„Maligner“ Leydigzelltumor des Hodens
„Maligner“
Leydigzelltumor
des Hodens –
ein kasuistischer
Beitrag
Von Franz Theissig, Cottbus
Einleitung
Tumoren des Hodens sind mit 1-2% aller
Tumorerkrankungen selten. Keimzelltumoren des Hodens machen etwa 90 % aller
Tumoren des Hodens aus. Eine genetische
Disposition wird diskutiert und ist sehr
wahrscheinlich.
Die Tumoren entstehen aus einer maligne
entarteten primordialen Keimzelle über das
Vorstadium einer testikulären intraepithelialen Neoplasie.
Die maligne entarteten Keimzellen können
sich in 2 Richtungen differenzieren, einmal
in Seminome (40-55% der Hodentumoren)
und zum anderen in Nichtseminome (4060% der Hodentumoren).
Eine präoperative Diagnostik ist bis auf
paraklinische Untersuchungen nicht indiziert.
Bei den histologischen Untersuchungen wird
die WHO-Klassifikation angewendet, wobei von entscheidender Bedeutung vor allen
Dingen das T-Stadium sowie eine Blut- oder
Lymphgefäßinvasion sind.
Neben den Keimzelltumoren gibt es aber
auch noch wesentlich seltenere sogenannte
Keimstrangstromatumoren, zu denen Leydig- und Sertolizelltumoren, Granulosazellneoplasien und solche der Thekom/Fibromgruppe gehören.
Im Folgenden wird über einen „malignen“
Leydigzelltumor berichtet.
Kasuistik
Es handelte sich um einen 72 Jahre alten
Patienten (N.N.), bei dem einen Monat vor
stationärer Aufnahme eine Entzündung des
Nebenhodens diagnostiziert wurde, die unter
entsprechender antibiotischer Therapie schnell
rückläufig war. Auffällig blieb jedoch eine
weiterbestehende schmerzlose tumorverdächtige Hodenschwellung, die Anlass zu einer
Semikastratio auf der linken Seite war.
Paraklinisch ergaben sich nur Normalbefunde. Wesentliche Begleiterkrankungen konnten ebenfalls nicht eruiert werden.
Abb. 1: Große polygonale Tumorzellen mit
eosinophilem Zytoplasma (Pat. N.N.)
Makroskopie
Das Operationspräparat (Semikastratio) wog
insgesamt 69 g und bestand aus einem 4,3 x
3,5 x 3,5 cm großen Hoden und einem 0,5, x
1,2 x 0,7 cm großen Nebenhoden. Anhängend
ein 12,5 cm langer Samenstranganteil.
Im Hodenparenchym selbst fand sich ein
unregelmäßig begrenzter, 4 x 1,5 x 1 cm großer, weißlicher Tumor, der auf das Organ
beschränkt war.
Mikroskopie
Bei der histologischen Untersuchung fanden
sich folgende Strukturen: Mittelgroße bis
polygonale Zellen mit eosinophilem Plasma
58 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Abb. 2: Zell-und Kernpolymorphie, zentral eine
pathologische Mitose (Pat. N.N.)
Lebender Kolumnentitel
und klaren Zellgrenzen (Abb.1). Das Stroma
stellenweise vakuolisiert. Stellenweise Lipofuszinpigment erkennbar, darüber hinaus
stellenweise aber stärkergradige Zell- und
Kernatypien, zwei- und mehrkernige Tumorzellen, reichlich Mitosen und Nekrosen
(Abb.2-5). Auch Gefäßeinbrüche wurden
gefunden (Abb.6).
Hilfreich – wie oben bereits erwähnt – ist
die Absicherung der Diagnose durch ergänzende immunhistochemische Untersuchungen, hier speziell die mit Alpha-1Inhibin und neuerdings mit Calretinin.
Bei immunhistochemischen Zusatzuntersuchungen konnten folgende positive Reaktionen beobachtet werden, die mit Vimentin,
Calretinin (Abb.7) und Alpha-1-Inhibin.
• Kim I, Young RH, Scully RE (1985): Leydig cell
tumors of the testis. A clinico-pathological analysis of 40 cases and review of the literature. Am
J Surg Pathol 9: 177-192.
Aus diesem Grunde wurde die Diagnose eines
„malignen“ Leydigzelltumors gestellt (ICDO: M 8650/3).
Diskussion:
Die Keimstrangstromatumoren und insbesondere hier die Leydigzellneoplasien sind
insgesamt sehr selten und machen nur etwa
2 % aller testikulären Neoplasien aus.
Es existieren zwei Häufigkeitsgipfel, zum
einen präpuberal um das 5. Lebensjahr, hier
kombiniert mit einer Pseudopubertas praecox
infolge Androgenproduktion des Tumorgewebes. Der andere Häufigkeitsgipfel liegt
um das 35. Lebensjahr, aber auch – wie in
unserem Fall – treten sie in noch höherem
Lebensalter auf.
Noch seltener ist eine doppelseitige Manifestation. Ätiologische Faktoren sind nicht
bekannt.
Leydigzelltumoren sind bei Kindern immer
benigne und sollen im Erwachsenenalter in
etwa 10 % maligne sein.
Kriterien der Malignität sind Gefäßeinbrüche, ein Tumordurchmesser > 5 cm, Nekrosen, Pseudozysten, Hämorrhagien und eine
gesteigerte Anzahl an Mitosen.
Ein Großteil dieser Kriterien war bei unserem
Patienten erfüllt.
Letztlich beweisend für die Malignität ist aber
lediglich das Auftreten von Metastasen.
Wichtige Differentialdiagnosen sind eine
diffuse oder knotenförmige Leydigzellhyperplasie bei Klinefelter-Syndrom bzw. Nebennierenrindenzellnester bei adrenogenitalem
Syndrom.
Abb. 3: Histologischer Nachweis eines
Riesenkerns (Pat. N.N.)
Literatur:
• Mostofi FK, Price EB (1973). Tumors of the Male
Genital System. 2nd Edition. AFIP: Washington,
DC.
• Ulbright TM, Amin MB, Young RH (1999). Tumors
of the Testis, Adnexa, Spermatic Cord and Scrotum. AFIP: Washington.
• Sesterhenn IA, Mostofi FK, Davis CJ (1986). Testicular tumours in infants and children. In: Advances in the Biosciences Germ Cell Tumours
II, WG Jones, ed Pergamon Press: Oxford, pp.
173-184.
Abb. 4: Histologischer Nachweis
einer Riesenzelle (Pat. N.N.)
• Balsitis M, Sokol M (1990). Ossifying malignant
Leydig (interstitial) cell tumour of the testis. Histopathology 16: 597-601.
• Minkowitz S, Soloway H, Soscia J (1965) Ossifying
interstitial cell tumor of the testes. J Urol 94: 592595.
• McCluggage WG, Shanks JH, Arthur K, Banerjee
SS (1998). Cellular proliferation and nuclear ploidy assessments augment established prognostic
factors in predicting malignancy in testicular
Leydig cell tumours. Histopathology 33: 361368.
Ab. 5: Histologischer Nachweis von
Nekrosen (Pat. N.N.)
• Cheville JC, Sebo TJ, Lager DJ, Bostwick DG, Farrow GM (1998). Leydig cell tumor of the testis: a
clinicopathologic, DNA content, and MIB-1 comparison of nonmetastasizing and metastasizing
tumors. Am J Surg Pathol 22: 1361-1367.
• Augusto D, Leteurtre E et al (2002). Calretinin: a
valuable marker of normal and neoplastic cell of
the testis. Appl. Immunohistochem Mol Morphol.
10: 159-162.
Autor:
Abb. 6: Histologischer Nachweis eines
Gefäßeinbruchs (Pat. N.N.)
Priv.-Doz. Dr. med. Franz Theissig
Carl-Thiem-Klinikum gGmbH Cottbus
Institut für Pathologie
Thiemstraße 111
03048 Cottbus
[email protected]
Abb. 7: Immunhistochemische Zusatzuntersuchung
mit Calretinin (Pat. N.N.)
Lebender Kolumnentitel
60 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom
Neue therapeutische Optionen
beim metastasierten Nierenzellkarzinom
Von Uwe Zimmermann und Sebastian Ruppin, Greifswald
Einleitung
Das Nierenzellkarzinom gehört mit ca.
15 500 geschätzten Neuerkrankungen pro Jahr
zu den zehn häufigsten Krebserkrankungen
in Deutschland. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Inzidenz ist im Zeitraum
von 1980 bis 2004 bei beiden Geschlechtern
gestiegen, bei Männern hat sie sich fast verdoppelt. Das mittlere Erkrankungsalter für
Männer liegt bei ca. 67 Jahren und für Frauen
bei ca. 71 Jahren. Die Ätiologie der Nierenzellkarzinome ist bis heute nicht eindeutig
geklärt. Bekannte Risikofaktoren sind eine
familiäre Disposition im Rahmen des hereditären Von-Hippel-Lindau-Syndroms, eine
Adipositas, aktiver und passiver Nikotinkonsum, eine chronische Niereninsuffizienz, die
Exposition mit Halogenkohlenwasserstoffen
und Cadmium (1). Histopathologisch und
molekularpathologisch lassen sich heute phänotypisch und genotypisch verschiedene Typen von Nierenzellkarzinomen unterscheiden.
Das klarzellige Nierenzellkarzinom ist mit
ca. 75% der häufigste Tumortyp. Ein hoher
Gehalt an Neutralfetten und Glykogen, der
durch eine metabolische Fehlsteuerung bedingt ist, gibt den Zellen histomorphologisch
ein charakteristisches pflanzenzellähnliches
Aussehen. Das Antigenmuster entspricht
weitgehend dem der proximalen Tubuluszellen, weshalb postuliert worden ist, dass
es seinen Ursprung in diesen hat (2). Es tritt
sowohl sporadisch als auch hereditär auf. In
der selteneren hereditären Form ist es mit
dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom vergesellschaftet. In beiden Formen lässt sich bereits
in sehr kleinen Tumoren eine Mutation oder
Deletion des Von-Hippel-Lindau-Tumorsuppressorgens (VHL), welches auf dem kurzen
Arm des Chromosoms 3 (3p25-26) lokalisiert
ist, nachweisen (3-5). Das zweithäufigste Nierenzellkarzinom ist mit ca. 12 % das papilläre
Nierenzellkarzinom, von dem histomorphologisch zwei Subtypen, Subtyp 1 mit kleinen
Epithelien und Subtyp 2 mit eosinophilen zylindrischen Epithelien, unterschieden werden
können. Aufgrund der großen Übereinstimmung des Antigenmusters mit den Zellen des
proximalen Tubulus wird der Ursprungsort
in diesen postuliert. Papilläre Nierenzellkarzinome können ebenfalls sporadisch und
hereditär auftreten. Molekulargenetisch
wird bei diesen Tumoren eine Mutation
des MET-Proto-Onkogens auf dem langen
Arm des Chromosoms 7 (7q31) beobachtet.
In dieser Region wird für einen Thyrosinkinaserezeptor kodiert. Die Folge der Mutation ist eine Aktivierung des ras-Signalweges.
Dies führt zu einer Verbesserung der Zellmigration und zu einer Abnahme der Apoptosefrequenz. Im weiteren Verlauf kommt es
dann in diesen Tumoren zu einer Trisomie 7,
Tri- und Tetrasomie 17 und Veränderungen
an den Chromosomen 9, 11, 14, 20 (3, 4). Das
chromophobe Nierenzellkarzinom, das in ca.
5% aller Fälle diagnostiziert wird, entwickelt
sich aus den Schaltzellen des Typs B des kortikalen Sammelgangsystems. Zytogenetisch
lässt sich bei diesen Tumoren ein Verlust der
Chromosomen 1, 2, 3, 6, 10, 13, 17, 21 und Y
nachweisen (3, 4). Seltene Nierenzellkarzinome, die in jeweils weniger als 1% der Fälle
vorkommen, sind das Sammelgangkarzinom,
das tubolo-muzinöse Nierenzellkarzinom, das
Nierenzellkarzinom vom urothelialen oder
neuroendokrinen Typ und nicht klassifizierbare Nierenzellkarzinome.
Ergebnisse der bisherigen Therapie
des metastasierten
Nierenzellkarzinoms
Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit
von Patienten, deren Tumoren in frühen Stadien diagnostiziert werden (T1-T2 bis 7cm,
keine Metastasierung), beträgt 80-90%, für
lokal fortgeschrittene und metastasierte Tumoren ca. 10% (1). Etwa 30% der Patienten
haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits
ein disseminiertes Tumorleiden. Die Verbesserung der 5-Jahres-Überlebenszeit in
den letzten Jahrzehnten ist hauptsächlich
durch eine Diagnostik in früheren Stadien,
die durch den Einsatz der Sonografie, der
Computertomografie und der Magnetresonanztomografie bedingt ist, verbesserten
chirurgischen Verfahren und der Verbesserung der palliativen Therapie erreicht worden
(6). Die Eingruppierung von Patienten mit
fortgeschrittenen metastasierten Tumoren
basiert auf den vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center (MSKCC) Score. Das
Progressionsrisiko erhöht sich durch folgende
Faktoren:
Niedriger Hämoglobinwert (< Normalwert)
Erhöhter korrigierter Kalziumwert
( > 10 mg/dl)
erhöhter Laktathydrogenasewert
( > 1,5-facher Normwert)
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 61
Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom
schlechter Performancestatus (KarnofskyIndex < 80)
Zeit von der Erstdiagnose bis zur Therapie
(< 1 Jahr)
keine Tumornephrektomie.
Patienten, die diese Kriterien nicht erfüllen,
haben eine gute Prognose. Liegen ein bis zwei
Faktoren vor, haben die Patienten eine mittlere Prognose und bei drei und mehr Faktoren
ist die Prognose schlecht. Die alleinige Gabe
von Chemotherapeutika bei einem disseminierten Tumorleiden ist fast wirkungslos (7).
Nur bei sarkomatoidem Wachstumsmuster,
sehr schnell proliferierenden oder nicht klar-
Mitbeteiligung des Immunsystems bei dieser
Erkrankung. Zytotoxische und modulierende Immuntherapeutika wie Interferone und
Interleukine wurden darauf hin in der Behandlung des disseminierten Tumorleidens
eingesetzt. Die am häufigsten als Einzelsubstanzen eingesetzten Immuntherapeutika
sind Interleukin 2 (IL-2) und Interferon-α-2a
(IFN-α-2a). Beide Substanzen wurden auch
in Kombination untereinander und mit den
Chemotherapeutika Vinblastin (Vin) und
5-Fluorouracil (5FU) und mit 13-cis-Retinolsäure (13-cis-Rs) verabreicht. Die Beurteilung
des Therapieerfolges ist problematisch, weil
eine Vielzahl von Studien mit unterschied-
P13K
Wachstumsfaktoren
(VEGF/PDGF)
AKT
TK-Rezeptor
quitiniert und anschließend im Proteasom
abgebaut wird. Durch Mutation und/oder
Inaktivierung des VHL-Gens oder Hypoxie
bindet HIF 1α in klarzelligen Nierenzellkarzinomen nicht mehr an den VHL-Komplex,
sondern an HIF 1ß. Dieser Komplex bindet
im Zellkern an das HIF-Responsible-Element (HRE) und führt zur Aktivierung
des Vascular Endothelial Growth Factors
A (VEGF-A) und des Plateled Derived
Growth Factors (PDGF). Die Wachstumsfaktoren werden in den extrazellulären Raum
abgegeben und binden an stromale und endotheliale Rezeptortyrosinkinasen (RTK´s),
die dann die stromale Proliferation und die
mTOR
Nucleus
(VEGFR 1-3,
PDGFR α+β)
Angiogenese
Zellproliferation
Abb. 1: Signaltransduktionswege, die durch
die zielgerichtete Therapie beeinflusst werden
Raf/Ras
zelligen Nierenzellkarzinomen sollte ein alleiniger Einsatz erwogen werden (8, 9). Die
European Association of Urology empfiehlt
in Ihren Leitlinien von 2007 die Gabe von
5-Fluorouracil nur in Kombination mit einer
Immuntherapie (10). Eine palliative Bestrahlung von Metastasen ist sinnvoll, wenn sie im
Skelettsystem oder im Cerebrum lokalisiert
sind. Darüber hinaus kann eine Bestrahlung erwogen werden, wenn die Metastasen
zu Belüftungsstörungen der Lunge führen.
Wenn es möglich ist, sollten solitäre Metastasen jeglicher Lokalisation chirurgisch
entfernt werden. Die klinischen Beobachtungen, dass es zu seltenen Spontanremissionen kommen kann, Metastasen noch nach
über 20 Jahren diagnostiziert werden, es zu
spontanen Regressionen von Metastasen nach
der Entfernung des Primärtumors kommt
und die Inzidenz bei immunsupprimierten
Patienten erhöht ist, gaben Hinweise auf eine
MEK
lichen Dosierungen, Applikationsarten und
Applikationsintervallen geprüft worden sind
(Tab. 1.). Erschwerend wirkt sich weiterhin
das Fehlen von placebokontrollierten Studien
aus. In einer Meta-Analyse der CochraneCollaboration ist nur für die IFN-α Therapie
ein Überlebensvorteil von durchschnittlich 3,8
Monaten gefunden worden (11).
Zielgerichtete Therapie des
metastasierten Nierenzellkarzinoms
Durch die Grundlagenforschung wurden
entscheidende molekulare Mechanismen,
die im Zusammenhang mit der Funktion
des VHL-Tumorsuppressorgens stehen, in
der Tumorgenese des Nierenzellkarzinoms
aufgedeckt. Im nicht karzinomatösen Gewebe bindet der VHL-Komplex den Hypoxy inducible Faktor 1α (HIF 1α), der ubi-
62 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
ERK
Angiogenese stimulieren. Sie binden ebenfalls an Rezeptortyrosinkinasen, die auf Tumorzellen lokalisiert sind, und beeinflussen
die Tumorzellproliferation über den RAS/
Raf/MEK und den Phosphatidylinositol-3Kinase-AKT-Signalweg (16). Über letzteren
Signalweg wird das mammalian Target of
Rapamycin (mTOR) stimuliert, dass die
Proteintranslokation von Zellzyklusproteinen kontrolliert, die für die Zellprogression
mit verantwortlich sind. Diese Signalwege
können durch neu entwickelte Medikamente
zielgerichtet beeinflusst werden (Abb. 1, Tab.
2). Bevacizumab, ein monokloaler Antikörper, bindet an das lösliche VEGF, verhindert
damit die Bindung an RTK´s und die Signaltransduktion. Die RTK´s können auch
direkt durch Sunitinib und Sorafenib inhibiert werden. Temsirolimus und Everolimus
inhibieren mTOR.
Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom
Tab. 1: Auswahl von Phase-III-Studien zur Immuntherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (12-15)
Sunitinib (Sutent®)
Sunitinib hemmt die Rezeptortyrosinkinasen
VEGFR 1-3, PDGFR- α
Negrier /
IL-2 + IFN-α-2a + 5FU
8,2 vs. 1,4
nach 12 Mo.
131
und –ß, Fms-like-Tyro2000
vs.
(p = 0,1)
52% vs. 53%
sinkinase 3 (FLT3) und
IL-2 + IFN-α-2a
(p = n.s.)
c-Kit. In der ZulassungsMotzer / 2000
IFN-α-2a
12 vs. 6
15 vs. 15
284
studie wurden 750 Pativs.
(p=0,14)
(p = n.s.)
enten behandelt. Im Arm
IFN-α-2a + 13-cis-Rs
A erhielten die Patienten
Sunitinib oral, im Arm
Atzpodien /
IL-2 + IFN-α-2a + 5FU +/31
vs.
26
vs.
20
25
vs.
27
vs.
16.
341
2004
13-cis-Rs
(p = n.s.)
(p = 0,0044 / 0,0227)
B IFN-α subcutan. Die
vs.
objektive AnsprechraIFN-α-2a + Vin
te betrug im SunitinibMcDermott /
IL-2
192
23 vs. 9,9
17,5 vs. 13
Arm 31% und im IFN-α
2005
vs.
(p = 0,18)
(p = 0,24)
Arm 6% (p = 0,001). Das
IL2 + IFN-α-2a
progressionsfreie Überleben war für Patienten in
allen Risikogruppen des
am deutlichsten von der Bevacizumab-IFN-α
MSKCC-Scores, die mit Sunitinib behandelt
Ergebnisse aus klinischen Studien
Therapie. Das PFS verlängerte sich im Verwurden, signifikant länger (11,2 Monate vs.
gleich zur IFN-α-Placebo Gruppe von 4,5 auf
5,1 Monate, p < 0,000001) (18). In einer neuBevacizumab (Avastin®)
10,2 Monate (p < 0,0001). Die Tumormassen
eren Analyse betrug die objektive AnsprechIn der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie
verringerten sich bei 70% der Patienten in
rate für Sunitinib 38% und für IFN-α 8%.
für Bevacizumab wurden 641 unbehandelte
der Bevacizumabgruppe und bei 39% der
Das progressionsfreie Überleben veränderte
Patienten therapiert. In einem BehandlungsPatienten in der Kontrollgruppe. Das Gesich nicht. Das mediane Gesamtüberleben
arm (A) erhielten die Patienten intravenös
samtüberleben in der IFN-α Placebogruppe
für Patienten, die mit Sunitinib therapiert
Bevacizumab in Kombination mit IFN-α
betrug 19,8 Monate. Zum Zeitpunkt der
wurden, war 26,4 Monate und für Patiensubcutan. Im anderen Behandlungsarm (B),
Veröffentlichung der Studie konnte zum
ten, die mit IFN-α therapiert wurden 21,8
der als Kontrolle diente, wurde IFN-α mit
Gesamtüberleben der Patienten, die mit der
Monate. Dieser Unterschied war statistisch
einem Placebo appliziert. Die objektive AnKombination Bevacizumab plus IFN-α benicht signifikant (p = 0,051) (19).
sprechrate im Bevacizumabarm betrug 31,4%
handelt worden, keine Angabe gemacht werSorafenib (Nexavar®)
im Kontrollarm 12,8%. Der Unterschied
den, weil es noch nicht erreicht worden ist.
war statistisch signifikant (p < 0, 0001). Das
Die Wirksamkeit der Kombinationstherapie
Das oral applizierte Sorafenib hemmt als
progressionsfreie Überleben (PFS) betrug im
von Bevacizumab plus IFN-α wurde durch
Multityrosinkinasehemmer VEGFR 1-3,
Kontrollarm 5,4 Monate. Patienten, die mit
eine Dosisreduktion, die aufgrund von NePDGFR-ß, FLT3, c-Kit und Raf. In der
der Bevacizumab IFN-α Kombination bebenwirkungen vorgenommen werden musste,
Phase-III-Studie wurden 903 Patienten behandelt wurden, hatten ein progressionsfreies
von IFN-α nicht wesentlich beeinflusst. Das
handelt mit einer objektiven Ansprechrate
Überleben von 10,2 Monaten (p < 0,0001).
PFS betrug wie in der gesamten Population
von 10% für Sorafinib und 2% für Placebo
Patienten mit einer intermediären Prognose
12,4 Monate (17).
(p < 0.001). Das PFS betrug für Sorafinib
nach MSKCC-Kriterien profitierten dabei
5,5 und für Placebo 2,8 Monate (p < 0,01).
Der Unterschied war unabhängig vom Alter, dem Zeitpunkt der Diagnose, der MeTab. 2: Substanzen und deren Zielproteine der Tumor- und Endothelzelle
tastasenlokalisation (Lunge, Leber), dem
MSKCC-Score und von einer vorherigen
Substanz
Zielproteine der Tumor- und Endothelzellen
Zytokintherapie statistisch signifikant. AufBevacizumab
VEGF
grund dieser Ergebnisse wurde die Studie
entblindet und 485 Patienten der PlaceboSorafenib
VEGFR 1-3, PDGFR-ß, FLT3, c-Kit, Raf
gruppe wurden mit Sorafenib therapiert. Das
Gesamtüberleben betrug durchschnittlich
Sunitinib
VEGFR 1-3, PDGFR- α,ß, FLT3, c-Kit
für die Sorafenibgruppe 17,8 Monate und
Temsirolimus
mTOR
für die Placebogruppe 14,3 Monate. Das
Sterberisiko der Patienten, die mit SoraEverolimus
mTOR
fenib behandelt wurden, verringerte sich.
Autor / Jahr
Substanzen und
Applikationsschemata
Patienten (n)
Responserate (%)
Gesamtüberleben/
Monate
Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 63
Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom
Der Unterschied war jedoch nicht statistisch
signifikant (20, 21).
Temsirolimus (Torisel®)
Der intravenös zu applizierende mTOR Inhibitor Temsirolimus wurde in einer dreiarmigen Phase-III-Studie, in die 626 Patienten
mit einer schlechten Prognose nach MSKCC
Kriterien eingeschlossen wurden, getestet. Im
Arm A erhielten die Patienten Temsirolimus,
im Arm B IFN-α subcutan und im Arm C die
Kombination von Temsirolimus und IFN-α
subcutan. Die objektive Ansprechrate betrug
im Temsirolimus-Arm 8,6%, im IFN-α-Arm
Für Everolimus wird die Zulassung bei Nierenzellkarzinom nach Versagen einer Therapie mit einem Tyrosinkinasehemmer in
Deutschland erwartet (Handelsname in den
USA: Afinitor). Unter dem Handelsnamen
Certican ist der Wirkstoff in der Prophylaxe
der Transplantatabstoßung bereits auf dem
deutschen Markt verfügbar.
Nebenwirkungen der Therapie
Die häufigsten Nebenwirkungen dieser Substanzen sind Anämie, Thrombopenie, Neu-
Tab. 3: Derzeitiger Zulassungsstatus und Dosis für die zielgerichtete Therapie des metastasierten
Nierenzellkarzinoms
Substanz
Indikation
Dosis
Bevacizumab
1st Line in Kombination mit IFN-α
10 mg/kg KG alle 14 Tage, IFN-α
3-9 Mio I.E. 3-mal wö.
Sunitinib
1st und 2nd Line Monotherapie
50 mg/d 28d dann 14d Pause
Sorafenib
2nd Line Monotherapie
2 x 400mg/d
Temsirolimus
1st Line Monotherapie
schlechte Prognose MSKCC-Score
25 mg/wö.
4,8% und im Kombinationsarm 8,1%. Das
mediane Überleben war im Arm A mit 10,9
Monaten signifikant länger als im Arm B
mit 7,3 Monaten und im Kombinationsarm
C mit 8,4 Monaten (p = 0.0078). Das PFS
war im Temsirolimus-Arm mit 5,5 Monaten
gegenüber dem IFN-α-Arm mit 3,1 Monaten
und dem Kombinationsarm mit 4,7 Monaten
am deutlichsten verlängert (22).
Everolimus
Everolimus, ein oral zu applizierender mTOR
Inhibitor, konnte nach Versagen einer Sunitinib- und/oder Sorafenibtherapie das PFS im
Vergleich mit Placebo statistisch signifikant
von 1,9 auf 4 Monate verlängern (p = 0.0001).
Das relative Progressionsrisiko wurde um
70% reduziert (23).
Bevacizumab, Sunitinib, Sorafenib und Temsirolimus sind zugelassene Medikamente in der
Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms. Der aktuelle Zulassungsstatus ist in
der Tabelle 3 aufgeführt.
tropenie und gastrointestinale Symptome
wie Nausea und Diarrhö. Das Hand-FußSyndrom wird verstärkt bei der Gabe von
Sorafenib und Sunitinib beobachtet. Unter
der Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren
kommt es weiterhin zu Veränderungen der
Schilddrüsenfunktion und Herzfunktion
mit entsprechenden klinischen Symptomen,
weshalb ein regelmäßiges Monitoring durchgeführt werden muss. Temsirolimus kann
auch bei nicht diabetischen Patienten eine
Hyperglykämie und Hypercholesterolämie
auslösen, die eine medikamentöse Therapie
notwendig machen können. Im Allgemeinen
muss bei Auftreten von Nebenwirkungen die
Dosis reduziert werden. Ob es damit auch zu
einer verringerten Wirkung kommt, kann
zurzeit noch nicht beurteilt werden.
Zusammenfassung
Die therapeutischen Möglichkeiten in der
Behandlung des metastasierten Nierenzell-
64 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
karzinoms sind durch die zielgerichtete Therapie mit neuen Medikamenten entscheidend
erweitert worden. Substanzielle Fortschritte sind bei den objektiven Ansprechraten
und dem progressionsfreien Überleben erreicht worden. Für Temsirolimus konnte das
Gesamtüberleben von Patienten mit einer
schlechten Prognose verlängert werden.
In weiteren Studien werden die Fragen zur
Kombinationstherapie, die optimale Patientenauswahl, die Therapiedauer, die Wirkung
der Therapie bei Dosisreduktionen und der
Einsatz bei unterschiedlichen histopathologischen Nierenzellkarzinomen beantwortet
werden müssen.
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placebo-controlled phase III trial. Lancet 2008; 372:
449-456
Autor:
PD Dr. med. habil. U. Zimmermann
Klinik und Poliklinik für Urologie
Klinikum der Ernst-Moritz-ArndtUniversität (AöR)
Fleischmannstraße 42-44
17475 Greifswald
E-Mail: [email protected]
VORANKÜNDIGUNG
„Methodik klinischer Prüfung in der Onkologie“
Seminar:
12. Zentraleuropäisches
Seminar der European
School of Oncology
– deutschsprachiges
Programm
Veranstalter:
ESO-d / ACR-ITR VIEnna /
LBI-ACR VIEnna – CTO
Seminarleiter: Univ.-Prof.Dr. Christian
Dittrich (Wien,A)
Approbation:
21 DFP-Punkte für das
Fach Innere Medizin
(Hämato-Onkologie)
Akkreditierung: 15 ESMO-MORA Punkte
der Kategorie 1
Termin:
Ort:
Auskunft:
26. - 28. November 2009
Hotel Schloss
Wilhelminenberg Wien
Angewandte Krebsforschung – Institution
für Translationale
Forschung Wien (ACR-ITR
VIEnna)
c/o Bernardgasse 24/2,
A-1070 Wien
Tel: 0043 1 523 35 94
Fax: 0043 1 523 35 944
E-Mail:
[email protected]
Arzneimittelsicherheit im internationalen Handel
++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG
Pressemitteilung der Max-Pharma s.r.o.
Arzneimittelsicherheit im internationalen Handel –
Partnerschaften für die Zukunft
Anlässlich eines Forums zur Stärkung der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa trafen sich am 29. Juli 2009 Politiker und
Wirtschaftsvertreter im tschechischen Asch
(Egerland/Vogtland). Auf Einladung der
Arbeitsgruppe Hochfranken „Zukunftsregion Vierländer e.V.“ wurden insbesondere
die deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen in Oberfranken, Sachsen, Thüringen
beleuchtet und deren weitere Entwicklung vorangetrieben. Nach lebendigen
Vorträgen und Diskussionen besuchte die Delegationen das ortsansässige
Unternehmen Max-Pharm
s.r.o.
Die Max-Pharm s.r.o. ist
ein auf onkologische Arzneimittel spezialisiertes,
internationales Pharmaunternehmen, das mittels
eines auf IT-Hochtechnologie gestützten Qualitätssicherungssystems
Handel mit Onkologika
und Spezialpharmazeutika
in Deutschland, Osteuropa und China betreibt.
Im Zuge des Forums wurde die Max-Pharm
s.r.o. offiziell und in Echtzeit an eine neuentwickelte Version des Qualitätssicherungssystems angeschlossen. Dabei konnten sich
die politischen Vertreter, hierunter MdB
Dr. Hans-Peter Friedrich stellvertretender
Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, sowie
Ralf Bornkessel, MDL in Thüringen von
der CDU, von der Funktionsweise und Leistungsfähigkeit des Systems überzeugen. Das
Kernstück bilden in die Arzneimittelpackung
eingearbeiteten RFID (Radio-FrequenzIdentifikation) -Transponder. Damit ist die
Echtzeit-Abfrage der Identität, Originalität,
Qualität und Herkunft des Arzneimittels
jederzeit und jederorts möglich. Durch Ein-
bindung in eine speziell entwickelte IT-Infrastruktur wird im Sinne der FDA Richtlinien
sowie EPCGlobal / EPCIS auch Fälschungssicherheit gewährleistet. Bisher wurde diese
neue Entwicklung der XQS-Service GmbH
hauptsächlich in China vorangetrieben.
Drahoslav Zdarek
Direktor Marketing & Sales International
Max-Pharma s.r.o.
[email protected]
IT-Infrastruktur des Qualitätssicherungs-Systems
IT-Infrastruktur des
Qualitätssicherungs-System
Pulk-Lesegerät
66 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009
RFID-Tags
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