„Wer hätte das gedacht: Harnwegsinfekte schützen vor Blasenkrebs“ – unter dieser Über11. Jahrgang · Nr. 3/2009 schrift titelten die Uro-News bereits im März diesen Jahres den Kurzbericht über eine Studie an 1.586 Patienten aus der University of Southern California, Los Angeles, Inhalt USA. Blaseninfekte in der Vorgeschichte schützen Frauen vor einem Tumor der Blase und die Risikoreduktion Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen Bericht vom Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms 4 größer, je häufiger die Frauen einen Blaseninfekt gehabt 8 hatten. Wahrscheinlich entfalten die üblicherweise bei Blaseninfekten eingesetzten Antibiotika eine sich positiv auswirkende Zytotoxizität [Jiang X. et al. Br J Cancer]. 12 Annähernd 100.000 neue Krebserkrankungen pro Jahr Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion: eine Aufgabe für den onkologischen Pharmazeuten 18 Impfungen für Patienten mit Tumorerkrankungen? 24 PSA Test: Pro und Kontra 26 Kommentar vom Herausgeber 29 betreffen das Fachgebiet der Urologie. Der OnlineDatenbank der Gesundheitsberichterstattung (GBE) des Bundes ist zu entnehmen, dass der Prostatakrebs mit etwa 48.650 Erkrankungsfällen im Jahr 2002 die häufigste Krebsneuerkrankung bei Männern ist und der Anstieg der Prostatakrebsraten auf die Einführung des PSA-Tests zurückgeführt wird. Die unter Experten kontrovers geführte Diskussion über dessen Stellenwert Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) stellt sich vor 33 1. NZW in Dresden vom 12. bis 13. Juni 2009 35 „Supportivtherapie in der Onkologie feiert 20. Geburtstag“ 46 in der Früherkennung des Prostatakarzinoms wird in der heute vorliegenden Ausgabe der „Onkologischen Pharmazie“ von Prof. Jürgen Breul vorgestellt. Neben weiteren Beiträgen zur Schwerpunktthematik „Urologische Tumoren“ finden Sie, liebe Leser, unseren Leitartikel zur Initiierung einer flächendeckenden, Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr – seit 27 Jahren im Dienste der Betroffenen 54 „Maligner“ Leydigzelltumor des Hodens – ein kasuistischer Beitrag 58 Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom für das Auftreten eines Blasenkrebses war sogar umso EDITORIAL Inhalt/Editorial nationalen Informations- und Schulungskampagne der DGOP mit dem Ziel der Therapieoptimierung für onkologische Patienten, die unter dem Motto des Beitrages „Kompetente Antworten auf scheinbar einfache Fragen“ steht. Ebenso praxisrelevant sind die Berichterstattun- 61 gen zu den wissenschaftlichen Höhepunkten des 1. NZW Dresden, zum diesjährigen ASCO in Orlando und vom Fachpresse-Workshop Supportivtherapie. Ständige Rubriken Zur onkologischen Praxis gehört auch die Politik, die uns Testiertes interaktives Selbststudium 22 Buchbesprechungen 50 Impressum 52 Who is who 53 die Rahmenbedingungen vorgibt. Hierzu finden Sie den aktuellen Kommentar des Herausgebers auf Seite 30. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre! Ihre Karla Domagk Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 3 Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen Von Jürgen Barth, Gießen D ie „klinische Erfahrung“ zeigt: orale Zytostatika sind die beratungsintensivsten Arzneimittel, die wir haben. Es bedarf einer hohen Compliance, um den erwünschten Therapieerfolg zu gewährleisten. Die Antwort auf die scheinbar leichte Frage: „Wie muss ich die Tabletten/Kapseln einnehmen? “ lautet nicht: „Mit dem Mund.“ Non-Compliance oder Falschanwendung wegen ungenügender Patientenunterweisung können nicht nur den Therapieerfolg bedrohen, sondern im schlimmsten Fall auch das Leben des Patienten. So verstarb eine junge Frau, weil sie über 7 Tage 200 mg Lomustin eingenommen hatte. Lomustin wird jedoch in einem 6 Wochenintervall appliziert. Grund für dieses Unglück ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Nicht-Unterweisung des verordnenden Arztes und das Nicht-Hinterfragen des abgebenden Pharmazeuten, ob der Patientin bekannt ist, wie sie das Medikament einzunehmen hat – also weil zwei Leute geschwiegen haben [1]. zeitige Nahrungsaufnahme um 10-20%. Die resultierende AUC sinkt ebenfalls um 1020%. Daher sollte Chlorambucil nüchtern eingenommen werden. Die Fachinformation Leukeran® (Stand 2006) empfiehlt die Einnahme mindestens eine halbe Stunde vor der Mahlzeit. Ungeklärt ist, ob dieser Abstand ausreicht. Die Resorption von Melphalan wird kompetitiv durch Aminosäuren, insbesondere L-Leucin vermindert [2]. Patienten sollten Leucin-reiche Lebensmittel (Tab. 1) während der Melphalan-Therapie meiden oder die Substanz sollte nüchtern eingenommen werden, da die Bioverfügbarkeit nüchtern 85% beträgt und mit einer Mahlzeit auf 58% sinkt. Bei diversen „klassischen“ Zytostatika finden sich Bioverfügbarkeitsprobleme bei der Einnahme mit oder ohne Nahrung. Während Chlorambucil eine Bioverfügbarkeit (BV) von 70-80% aufweist, kommt es zu einer verzögerten Resorption durch gleich- Sehr problematisch ist die BV von Etoposid. Neben inter- und intraindividuellen Schwankungen hängt sie von der eingenommenen Dosis ab. Erhöht man die Dosis ausgehend von 100 mg auf 200 mg, 300 mg, 400 mg und 600 mg per Einzelgabe, so erfolgt keinesfalls eine analoge Erhöhung der AUC um 100%, 200%, 300% oder 500%, sondern weniger, wie in der folgenden Tabelle 2 [nach 3] abzulesen ist. Tab. 1: Leucinreiche Nahrungsmittel, auf die während einer Melphalan-Therapie verzichtet werden sollte (Angaben jeweils pro 100 g des Lebensmittels): In der Konsequenz heißt das aber für den Pharmazeuten, dass er die Patientenfrage: „Ich habe heute morgen meine Etoposiddosis vergessen. Soll ich heute Abend die doppelte Do- Orale Zytostatika sis einnehmen? “ mit: “Nein“ zu beantworten hat. Vinorelbin in oraler Darreichungsform befindet sich in einer flüssigkeitsgefüllten Weichgelatinekapsel. Bei den Flüssigkeiten handelt es sich u. a. um Ethanol 99,5 %, Glycerol, Macrogol 400, Glycerol 85 %. Diese Mischung kann bei Haut- vor allem Schleimhautkontakt zu Irritationen bis hin zu Schleimhautnekrosen führen. Die Patienten sind, auch gemäß eines Warnhinweises in der Fachinformation, angewiesen, nicht auf die Kapsel zu beißen bzw. dürfen die Kapseln vor der Einnahme keine Beschädigungen aufweisen. Das bedeutet, dass Oralia – wie hier – auch ein erklärungsbedürftiges Produkt sind. Ähnlich auch Treosulfan oral. Das zur palliativen Monotherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms nach Versagen platinhaltiger Standardtherapien zugelassene Medikament darf im Fall von Schluckbeschwerden (ältere Frauen?) nicht auf ein mit Wasser gefülltes Glas aufgestreut werden. Es kommt zur sofortigen Abspaltung kleiner Mengen Methansulfonsäure, die der gesamten Flüssigkeit sofort einen pH Wert von 1 verleiht. Auch so etwas muss der Patientin kommuniziert werden. Das Alkylanz Procarbazin wirkt in therapeutischen Dosierungen als Hemmstoff der Monoaminoxidase (MAO), wofür die Substanz ursprünglich synthetisiert wurde [4]. Durch gleichzeitig zugeführte tyraminreiche Nahrung kommt es bei Patienten zu klinisch relevanten hypertensiven Krisen. Weizenkeime: 2170 mg Thunfisch: 2170 mg Erdnüsse: 2050 mg Lachs: 1770 mg Dosis Etoposid [mg] Geschätzte AUC-Erhöhung [%] Gemessene AUC-Erhöhung im Median [%] Rindfleisch, Filet: 1700 mg 200 100 84 Kichererbsen: 1460 mg 300 200 145 Hüttenkäse: 1230 mg 400 300 173 Reis, unpoliert: 690 mg 600 500 262 Tab. 2: Mit der Dosis erhöht sich nicht die AUC von Etoposid [nach 3] 4 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen durch die Gabe von Folaten erhöht (modul ier t). Ob das auch bei dem oralen Fluorouracilderivat Capecitabin notwendig ist, wurde im Rahmen einer Phase II-Studie geprüft. Die maximal tolerable Dosis (MTD) lag bei 60 mg/d Calciumfolinat (CF) und 2000 mg/m² Capecitabin (zugelassene Dosis ohne CF = 2500 mg/m²/d aufgeteilt in 2 Einzeldosen). Die Dosis limitierenden Toxizitäten (DLT) waren Diarrhö und Hand-Fuß-Syndrom (HFS). Letztendlich hat man sich für eine CF-freie Zulassung und höhere Capecitabindosis entschieden. Tyraminreich sind z. B. Käse, eingelegter Hering, Hefeextrakte. Relevante Interaktionen Aber auch andere Life-Style Produkte inklusive (hoch dosierter) Vitamine können für unerwünschte Interaktionen sorgen. So kann allein die Nicht-Beachtung von Interaktionen mit Vitaminen oder Vitamin-ähnlichen Verbindungen, die Toxizität eines Medikaments bedrohlich erhöhen. Bekanntermaßen wird die Toxizität aber auch die Effektivität von i.v.-Fluorouracil Im Oktober 2001 wurde bei einer 51jährigen Patientin mit rezidiviertem Mammakarzinom eine Capecitabintherapie begonnen. Ohne dass die Onkologen davon Kenntnis hatten, nahm die Patientin bereits Wochen vor der geplanten Therapie mindestens 15 mg CF pro Tag ein – also lediglich ¼ dessen, was in der o.g. Studie untersucht wurde. Das war ihr auf ihre Bitte hin, von einem Allgemeinmediziner zur „Prävention der durch Chemotherapie induzierbaren Schleimhautkolitis“ verschrieben worden. Am 8. Tag der Capecitabintherapie entwickelte die Patientin eine Grad IV-Diarrhö, ein Erbrechen und ein Hand-Fuß-Syndrom, beides Grad III. Die Patientin verstarb am 5. Dezember 2001 an septischem Schock und vaskulärem Kollaps [5]. Anfang 2009 erschien ein Artikel mit dem Titel: Capecitabine: Have We Got the Dose Right? [6] in dem es unter anderen Aspekten auch darum geht, dass es in US-amerikanischen Studien mit Capecitabin auffällig viel und erhöhte Capecitabintoxizität im Vergleich zu europäischen Studien gibt. Die Autoren spekulieren, ob der Grund dafür nicht in einer aggressiven Politik „of folic acid fortifying“ zu suchen ist. So werden in den USA Mehl, Maismehl, Reis, Teigwaren und andere Getreideprodukte mit 140 µg Folsäure pro 100 g angereichert. Was heißt das nun? Zum einen, dass Patienten dahingehend beraten werden müssen, zu einer Capecitabintherapie zusätzlich keine Folate einzunehmen und nicht auch noch die „grüne-Blatt-Diät“ (Nahrungsumstellung auf „gesunde“ und damit Folat reichere vegetarische Ernährung) begonnen werden muss. Zum anderen, dass bitte keine (Multi-)Vitaminpräparate eingenommen werden dürfen, jedenfalls dann nicht, wenn sie Folate enthalten. In dem Zusammenhang sei auch auf Präparate zur Verschönerung von Haut, Haar und Nagel hingewiesen, die auch als Haar- und Nagelvitamine im Handel sind. Das bedeutet aber auch, dass ein Pharmazeut solchen Patienten derartige Produkte nicht nur nicht empfiehlt, sondern davon aktiv abrät. Neben Enzymhemmstoffen und Induktoren –Stichwort CYP P450 3A4- kann aber auch der Genuss von Tabak für eine Enzyminduktion sorgen. So bewirkt gleichzeitiges Rauchen mit einer Erlotinib-Einnahme, dass die Clearance erhöht und die Serumkonzentration erniedrigt wird[7]. Es besteht also das Risiko subtherapeutischer Spiegel. Ein weiterer Problempunkt, insbesondere bei den neuen antineoplastischen Substanzen aus der Klasse der niedermolekularen Kinaseinhibitoren (smKI = small molecular Kinase Inhibitors) ist die Diarrhö. Stuhlanalysen nach smKIs zeigen die Merkmale einer sekretorischen Diarrhö, nämlich: Viel Natrium Kein Schleim Kein Blut Keine Clost ridium dif f icile Tox ine (damit auch keine pseudomembranöse Enterokolitis) Histopathologisch keine Beschädigung der Darmmukosa Im normalen Kolon sind Natriumabsorption und Chloridsekretion unter Beteiligung Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 5 Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen Tab. 3: CTCAE der Diarrhoe Toxizitätsgrad Diarrhoe 1 Anstieg auf < 4 Stühle/Tag über den Ausgangswert 2 Anstieg auf 4-6 Stühle/Tag über den Ausgangswert; Indikation für intravenöse Flüssigkeiten < 24 h; keine Beeinträchtigung des Alltagslebens 3 Anstieg auf > 7 Stühle/Tag über den Ausgangswert; Inkontinenz; intravenöse Flüssigkeiten > 24 h; Hospitalisierung; Beeinträchtigung des Alltagslebens 4 Lebensbedrohliche Folgen (z.B. hämodynamischer Kollaps) 5 Tod *modifiziert nach: Allgemeine Terminologiekriterien des National Cancer Institute für unerwünschte Ereignisse bei Krebstherapie V.3.0 (CTCAE). http://ctep.cancer.gov/forms/CTCAEv3.pdf von EGFR gesteuert. EGFR scheint ein negativer Regulator der Chloridsekretion zu sein. Es kommt daher zu einer erhöhten Chloridausscheidung durch EGFR Inhibitoren (Erlotinib, Gefitinib, Lapatinib) wegen der Blockade dieser Regulationsschleife mit den Symptomen einer sekretorische Diarrhö[8]. Das ist aber nicht der alles erklärende Pathomechanismus, zumal das nur für die EGFR-Antagonisten zutrifft, andere smKI aber ebenfalls gastrointestinale Probleme hervorrufen. Es ist derzeit nicht bekannt, ob es sich bei diesen Nebenwirkungen um enterohepatisch zirkulierende Metabolite handelt oder ob es sich um Effekte der KIs an intestinalen Epithelzellen handelt. Zurück zum Patienten. Wenn auch für so manchen schwer vorstellbar, so muss Diarrhö definiert und dem Patienten erklärt werden. Des Weiteren muss er unterwiesen werden, wie er sich beim Eintritt dieser Nebenwirkung zu verhalten hat. Der Unterweiser tut gut daran, sich davon zu überzeugen, dass der Patient das auch verstanden hat. Im Folgenden die Toxizitätsgrade einer Diarrhö nach Common Merke: Jede nächtliche, medikamentös bedingte Diarrhö ist eine Grad 3 Toxizität! Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE) der Version 3. Zur therapeutischen Intervention einer smKI induzierten Diarrhö kommt folgendes in Frage: Bei Eintritt des ersten ungeformten Stuhls ist der Patient angewiesen Loperamid 2-4 mg alle 2 Stunden einzunehmen. besteht die Diarrhoe weiterhin, erfolgt nach 48 Stunden die zusätzliche Gabe von Ciprofloxazin, zur Vermeidung/Prophylaxe einer Durchbruchperitonitis. Persistiert die Diarrhö, erfolgt nach 72 Stunden: Hospitalisation + i.v. Hydratation Als Reserve-Antidiarrhoika bleiben dann Octreotid / Budesonid / Opiumtinktur Neuartige Toxizitäten Gerade bei den smKI, die in überwiegender Anzahl als orale Darreichungsform zur Verfügung stehen, zeigen sich neuartige Toxizitäten. Diese Arzneimittel-kausalen Toxizitäten müssen jedoch als solche erkannt und zugeordnet werden. Praktisch können alle Organe von den Toxizitäten der smKI betroffen sein. Sei es die „klassische“ Myelosuppression, wie sie beim Einsatz von 6 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Imatinib, Dasatinib, Sorafenib oder Sunitinib eintreten kann oder die Kardiotoxizität, verursacht durch Hemmstoffe der Abelsonkinase. Das Fusionsprotein BCR/ABL fungiert bei der Philadelphiachromosom positiven chronisch myeloischen Leukämie als molekularer Treiber dieser Hämoblastose. Die Normalvariante ABL fungiert in kontraktilen Kardiomyozyten jedoch als Apoptoseprotektor indem es, dort zellwandgebunden, das endoplasmatische Retikulum vor oxidativem Stress schützt. Tritt dieser durch (BCR/)ABL-Hemmstoffe ein, so wird Zytokin mediiert Cytochrom C aus Mitochondrien freigesetzt und der Kardiomyozyt stirbt ab. Klinisch zeigt sich das Bild einer Herzinsuffizienz. Merke: Die Abelsonkinase fungiert in vielen Geweben als Apoptoseinduktor. In kontraktilen Kardiomyoz y ten schützt sie vor oxidativem Stress und ist Apoptoseprotektor. Jedoch: auch die Multi-Kinaseinhibitoren Sunitinib und Sorafenib sind kardiotoxisch. Sunitinib inhibiert die (off-Target) ribosomale S6 Kinase (RSK). Dadurch kommt es zur Freisetzung des pro-apoptotischen Faktors BAD und in der Folge BAX. Die Zelle wird apoptotisch. Sorafenib hemmt die RAF1 Kinase und unterbricht damit die „große“ extrazellulär regulierte ERK-Kaskade. Dieser Kaskade wird eine Rolle im kardialen Zellüberleben unterstellt, insbesondere unter Stressbedingungen[9]. Thyreotoxizität wird unter hinreichend langer Gabe von Sunitinib gesehen[10, 11]. Ein Klasseneffekt der antiangiogenen Substanzen ist eine Blutdruckerhöhung, die sekundär in einer Herzinsuffizienz münden kann[12-14]. Nicht unerwähnt bleiben soll die Lebertoxizität der smKI. Durch Interaktionen der ATP-Mimetika mit hepatischen Membrantransportern kann die Absorption von unkonjugiertem Bilirubin oder die Exkretion des Bilirubinglukuronids in die Galle pathologisch verändert werden. Sorafenib und Kompetente Antworten auf scheinbar leichte Fragen Erlotinib zeigen bei metabolischen in-vitro Experimenten, dass sie die Phase II Konjugation von Bilirubin mittels UGT1A1 (UDP Glucuronosyltransferase 1) inhibieren können. Aus dem Grunde zeigt sich gelegentlich ein erhöhtes Bilirubin unter der Therapie [8]. Gallensalze werden über den extrazellulären Signal-regulierten Kinaseweg und über den p38 Mitogen-aktivierten Proteinkinase Downstream des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors gesteuert [15]. Hepatozyten sind reich an EGF-Rezeptoren. Wird der Rezeptor durch einen EGFR-Antagonisten gehemmt, so wird auch der Transport der Gallensalze deutlich vermindert und man sieht das Erscheinungsbild eines Ikterus. Diese Rezeptorenhemmung auf Hepatozyten kann auch die Ursache für einen Leberzelluntergang sein, was sich durch eine zunächst asymptomatische Transaminasenerhöhung zeigt und zu einer Hepatitis führen kann. Eine Transaminasenerhöhung sieht man relativ häufig innerhalb der ersten 3 Monate auch unter einer Imatinibtherapie. Allerdings kann dieses Phänomen deutlich später (>1 Jahr) auftreten. Das gilt für Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren und chronisch myeloischen Leukämien. Bei letzteren in 4% der Fälle im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium oder bei leukämischen Infiltraten in der Leber [8, 16]. Diese Phänomene sollen nochmals verdeutlichen, dass eine orale Chemotherapie nicht die Therapie „an der langen Leine“ ist, sondern der Patient nach einer Initialphase – sofern dort keine symptomatische Toxizität auftritt – eher öfter als seltener von seinem behandelnden Arzt gesehen werden muss. Es gilt das Herz, den Blutdruck, die Leber und weitere Organe zu überwachen, interventionell zu behandeln oder gar die Medikation aus- oder abzusetzen. Orale Zytostatikatherapie ist keine „kleine, untoxische Chemotherapie“! Allein die bisher aufgeführten Fakten und Beispiele machen deutlich, dass die orale Zytostatikatherapie nicht die „kleine, unto- xische Chemotherapie“ ist. Ein Höchstmaß an Sachkunde bezüglich der Patientenberatung und –unterweisung ist nötig. Das wiederum setzt die Substanzpharmakologie und das Erkennen bedrohlicher Nebenwirkungen voraus. Denn der Patient bekommt das Rezept von seinem Arzt, der ihn auch aufklärt und unterweist. Im „richtigen Leben“ stehen die Patienten jedoch vor der Pflege oder in der Apotheke mit (beginnenden) Nebenwirkungen, die aber als solche erkannt werden müssen. Das gilt insbesondere für die neuartigen Toxizitäten der smKI, die (noch) nicht allgemein oder gar vollumfänglich bekannt sind, da auch „off-target Kinasen“ mit derzeit unbekannter Konsequenz gehemmt werden können. Es ist daher nicht auszuschließen, dass zukünftig weitere, neue, derzeit unbekannte Nebenwirkungen und/oder Organtoxizitäten auftreten werden, insbesondere wenn der Wirkstoff zu einer Chronifizierung der Krebserkrankung führt und über lange Zeiträume eingenommen werden muss. Die DGOP nimmt diese Herausforderung an und wird eine flächendeckende, nationale Informations- und Schulungskampagne für alle Apotheken mit dem Ziel der Therapieoptimierung für onkologische Patienten starten, die unter dem Motto dieses Beitrages: „Kompetente Antworten auf scheinbar einfache Fragen“ durchgeführt werden wird. 6. Midgley R, Kerr DJ. Capecitabine: have we got the dose right? Nat Clin Pract Oncol 2009; 6:17-24. 7. Hamilton M, Wolf JL, Rusk J, et al. Effects of smoking on the pharmacokinetics of erlotinib. Clin Cancer Res 2006;12: 2166-71. 8. Loriot Y, Perlemuter G, Malka D, et al. Drug insight: gastrointestinal and hepatic adverse effects of molecular-targeted agents in cancer therapy. Nat Clin Pract Oncol 2008;5:268-78. 9. Force T, Krause DS, Van Etten RA. Molecular mechanisms of cardiotoxicity of tyrosine kinase inhibition. Nat Rev Cancer 2007;7:332-44. 10. Desai J, Yassa L, Marqusee E, et al. Hypothyroidism after sunitinib treatment for patients with gastrointestinal stromal tumors. Ann Intern Med 2006;145: 660-4. 11. Rini BI, Tamaskar I, Shaheen P, et al. Hypothyroidism in patients with metastatic renal cell carcinoma treated with sunitinib. J Natl Cancer Inst 2007; 99: 81-3. 12. Verheul HM, Pinedo HM. Possible molecular mechanisms involved in the toxicity of angiogenesis inhibition. Nat Rev Cancer 2007;7: 475-85. 13. Veronese ML, Mosenkis A, Flaherty KT, et al. Mechanisms of hypertension associated with BAY 43-9006. 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Cancer Chemother Pharmacol 1989;24: 329-31. 4. Massoud M, Armand JP, Ribrag V. Procarbazine in haematology: an old drug with a new life? Eur J Cancer 2004; 40: 1924-7. 5. Clippe C, Freyer G, Milano G, Trillet-Lenoir V. Lethal toxicity of capecitabine due to abusive folic acid prescription? Clin Oncol (R Coll Radiol) 2003;15: 299-300. Autor: Jürgen Barth Apotheker für Klinische Pharmazie -ONKOLOGISCHE PHARMAZIEStiL-Studienzentrale Justus-Liebig-Universität Medizinische Klinik IV Universitätsklinik Klinikstraße 36 35385 Gießen Tel: 0641-99-42603 Fax: 0641-99-42609 Email: [email protected]. uni-giessen.de Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 7 KONGRESSBERICHT © ASCO/Todd Buchanan 2009 ASCO-Meeting 2009 in Orlando Bericht vom Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology Von G. J. Wiedemann und W. Wagner Trend geht zu unabhängigen Studien und hochgradig individualisierter Therapie Es ist so simpel, wie es klingt: mehr öffentliche Gelder für unabhängige Forschung, mehr verlässliche Ergebnisse, mehr Nutzen für die Patienten. Auf dem diesjährigen ASCO-Meeting wurden etliche solcher unabhängigen Studien vorgestellt. Sie liefern unter anderem wichtige Erkenntnisse, welche Patienten nicht von einer bestimmten Behandlung profitieren. Bisher ist diese Art von Forschung fast ausschließlich eine Domäne der Amerikaner, in Europa müssten dafür dringend mehr öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden. Die US- Zahlen zu Therapieerfolgen können sich sehen lassen: Von 1993 bis 2002 sank die krebsbedingte Todesrate jährlich um ein Prozent, von 2002 bis 2005 jährlich um 1,8 Prozent. Das mittlere 5-Jahresüberleben stieg auf 66 Prozent, verglichen mit 50 Prozent in den 8 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 70er-Jahren. Der Trend ist ähnlich in Europa, dennoch gibt es hier noch Aufholbedarf und nach wie vor genügend Anlass für europäische Forscher und onkologisch arbeitende Apotheker und Ärzte, die großen amerikanischen Fachkongresse zu besuchen bzw. deren Ergebnisse aufmerksam zu verfolgen. Interessante Schwerpunktthemen waren in diesem Jahr besonders ASCO-Meeting 2009 in Orlando • individualisierte Therapieregime für ältere Patienten • die Identifizierung von Patienten, die am ehesten von einer bestimmten Therapie profitieren werden (um unerwünschte Nebenwirkungen und unnötige Kosten zu vermeiden). Für die klinische Arbeit besonders wichtige Studien werden im Folgenden kurz zusammengefasst: Bronchialkarzinom Pemetrexed als Erhaltungstherapie verlängert Überleben durch die Kombination von Docetaxel mit der neuen Substanz Vandetanib (Zactima®) im Vergleich zur alleinigen Therapie mit Docetaxel.. Der Wirkstoff ist ein oraler Inhibitor der VEGFR- EGFR- und RET-Signalwege. (Herbst et al. Abstract # 8003) Hormonersatztherapie erhöht Sterberisiko von Frauen mit Bronchialkarzinom Eine Subgruppenanalyse der Women´s Health Initiative Study zeigt, dass eine kombinierte Hormonersatztherapie mit Östrogenen und Gestagenen für rauchende Frauen mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom das Sterberisiko erhöht. Im direkten Vergleich starben zeigte, dass die intramuskuläre Injektion von 30 mg Octreotid alle 4 Wochen die Zeit bis zum Tumorprogress von 6 Monaten (Placebo) auf 14,3 Monate deutlich verlängert. Das mediane Gesamtüberleben liegt zurzeit bei mehr als 77,4 Monaten (Placebo 73,7 Monate). (Arnold et al. Abstract # 4508) Bevacizumab bietet keinen Vorteil bei Kolonkarzinomen im Stadium UICC II und III Eine Phase III Studie an 2720 Patienten zeigte, dass die Zugabe von Bevacizumab (Avastin®) zur adjuvanten FOLFOX6 – Standardtherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Kolonkarzinom das progressions- © ASCO/Todd Buchanan 2009 In einer Phase III Studie an 663 Patienten zeigte sich, dass eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed (Alimta®) das Überleben beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom signifikant verlängert (13,4 vs. 10,6 Monate). Patienten mit Plattenepithelkarzinomen hatten keinen Vorteil von dieser Erhaltungstherapie. Zurzeit ist Pemetrexed in Kombination mit Cisplatin zugelassen als Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen/metastasierten Adenokarzinom und als alleinige Therapie im Rezidiv. (Belani et al. Abstract # 8000) Zwei Targeted Therapies besser als eine In einer Phase III Studie konnte nachgewiesen werden, dass bei Patienten mit fortgeschrittenem/metastasiertem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom das rezidivfreie Überleben verlängert werden kann, wenn die Erhaltungstherapie mit Bevacizumab (Avastin®) mit Erlotinib (Tarceva®) kombiniert wird. (Miller et al. Abstract # 8002) Vorteil durch neuen Mehrfach-TargetWirkstoff Einer Phase II -Studie mit 1391 Patienten zufolge verlängert sich das progressionsfreie Überleben von Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom 27 von 800 Raucherinnen, die gleichzeitig eine Hormontherapie erhielten, aber nur 19 von 838 Raucherinnen ohne Hormonbehandlung. (Chlebowski et al. Abstract # 1500) Gastrointestinale Tumoren Octreotid LAR verlängert deutlich progressionsfreies Überleben bei metastasierten neuroendokrinen gastro-entero-pankreatischen Tumoren Zurzeit wird Octreotid (Sandostatin) bei neuroendokrinen Tumoren zur Symptomkontrolle eingesetzt. Eine Studie an 89 Patienten freie Überleben nicht verlängert.(Wolmark et al. Abstract # 4) Adjuvante Standardtherapien beim Pankreaskarzinom gleichwertig Ein direkter Vergleich der gebräuchlichsten adjuvanten Standardtherapien beim Pankreaskarzinom (Gemcitabine vs. 5-FU + Folinsäure) zeigte keinen Unterschied hinsichtlich des Überlebens. Unerwünschte Nebenwirkungen traten unter Gemcitabine seltener auf. (Neoptolemos et al. Abstract # 4505) Standardtherapie des Analkarzinoms durch große Studie bestätigt Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 9 ASCO-Meeting 2009 in Orlando Eine Phase III Studie an 940 Patienten zeigte, dass die Standardtherapie (Bestrahlung plus 5-FU/Mitomycin) beibehalten werden sollte und dass eine Erhaltungstherapie mit Cisplatin und 5-FU nicht effektiv ist. (James et al. Abstract # 4009) Keine bessere Tumorkontrolle durch Zugabe von Oxaliplatin Die Zugabe von Oxaliplatin (6mal 60mg/m 2 wöchentlich)zur präoperativen Radiochemotherapie (insgesamt 50,4 Gy plus 225mg 5-FU /m 2 täglich) verbessert nicht die lokale Tumorkontrolle bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen. Dies zeigt eine Phase III Studie an 747 Patienten. Eine vorläufige Analyse lässt allerdings die Reduzierung von Fernmetastasen durch das Oxaliplatin vermuten. (Aschele et al. Abstract # 4008) Trastuzumab verlängert Überleben bei HER2-positivem Magenkarzinom In einer großen Phase III Studie an 3807 Patienten mit lokal fortgeschrittenem, rezi- diviertem oder metastasiertem sowie HER2positivem Magenkarzinom erhielt die Verum-Gruppe die Standardchemotherapie (5-FU oder Capecitabine und Cisplatin) zu- 10 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 züglich Trastuzumab (Herceptin®), die Kontrollgruppe lediglich die Standardtherapie. Das mediane Überleben betrug in der Trastuzumab-Gruppe 13,8 Monate vs. 11,1 Monate. (Van Cutsem et al. Abstract # 4509) ASCO-Meeting 2009 in Orlando Brustkrebs und gynäkologische Tumoren Neue Targeted Therapy gegen Brustkrebs: PARP-Inhibitoren Zwei neue Studien präsentierten Ergebnisse zur Wirksamkeit so genannter PARP-Inhibitoren bei schwer therapierbarem, „dreifach negativem“ Brustkrebs, bei dem weder Östrogen- und Gestagenrezeptoren noch HER2-neu exprimiert werden. PARP steht für Poly-ADP-Ribose-Polymerase, ein Reparaturenzym der DNA, das in der Lage ist, chemotherapieinduzierte DNA-Schäden bei Tumorzellen zu reparieren. 1. Längeres Überleben mit Kombination Die erste Studie (Phase II, 86 Patientinnen mit dreifach negativem metastasiertem Mammakarzinom) zeigte, dass die Zugabe des PARP-Inhibitors BSI-201 zur Standardchemotherapie (Gemcitabine plus Carboplatin) in einem deutlich längeren progressionsfreien und Gesamtüberleben resultierte (medianes Gesamtüberleben 9,2 vs. 5,7 Monate). Die Gesamtansprechrate unter der Kombination war 48 Prozent (vs.16 Prozent). Rund 62 Prozent der Patientinnen in der BSI-201 Gruppe hatten einen klinischen Benefit, dagegen nur 21 Prozent der Frauen unter Chemotherapie allein. (O´Shaugnessy et al. Abstract # 3) 2. Effekte bei BRCA-Mutation Die zweite Phase II Studie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib wurde an 54 Patientinnen mit BRCA-Mutationen durchgeführt. Olaparib alleine führte in 40 Prozent zum Ansprechen des Tumors. Vermutlich addiert sich die Hemmung der DNA-Reparaturmechanismen zur ohnehin verminderten DNA-Reparatur bei Mutationen des BRCA-Gens. Olaparib wurde gut vertragen, die wichtigsten unerwünschten Wirkungen waren milde Fatigue, Übelkeit und Erbrechen. (Tutt et al. Abstract # 501) Gemcitabine zusätzlich zu Standard-Radiochemotherapie verbessert Überleben bei lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom Eine Phase III Multicenter-Studie an 259 Patientinnen verglich den Effekt einer Radiochemotherapie mit Cisplatin (50mg/m 2 Tag 1), externer Bestrahlung (50,4 Gy in 28 Einzeldosen) und Brachytherapie (30-35 Gy) allein und in Kombination mit Gemcitabine (6mal 125mg/m 2 pro Woche während der Bestrahlung; dann adjuvant zwei 21-tägige Zyklen, 1000mg/m2 an Tag 1 und 8). Nach 3 Jahren betrug das progressionsfreie Überleben 74 Prozent in der Gemcitabine-Gruppe und 65 Prozent in der Kontrollgruppe unter Standardtherapie. Das Gesamtüberleben lag bei 78 vs. 69 Prozent. (Duenas-González et al. Abstract # 5507) Auf der Website www.asco.org/ascov2/meetings/ ASCO+annual+meeting gibt es viele interessante Informationen zum Kongress. Autoren Prof. Dr. Günther J. Wiedemann, Ravensburg [email protected] Prof. Dr. Wolfgang Wagner, Osnabrück [email protected] Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 11 Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms Von Martin G. Friedrich, Krefeld Der Harnblasentumor – unterschätzt und unpopulär Tumorerkrankungen der Harnblase sind die neunthäufigste Krebserkrankung weltweit (357.000 Fälle 2002) und mit 145.000 Todesfällen weltweit die 13. häufigste krebsbedingte Todesursache (1). In den USA stellt der Harnblasenkrebs die fünfthäufigste Krebserkrankung dar, jedoch den teuersten Krebs bezogen auf die Kosten von Diagnose bis zum Tod (2). Der Harnblasenkrebs ist selten im öffentlichen Fokus, es sei denn, Popstars wie Dave Gahan von Depeche Mode müssen sich einen Blasentumor entfernen lassen. Zwar ist vielen Menschen bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Rauchen (Nikotin) und Lungenkrebs gibt, nicht jedoch, dass Nikotin die bedeutendste Noxe des Blasentumors darstellt. In Deutschland erkranken nach neuesten Erkenntnissen jährlich ca. 28.750 Menschen an Harnblasenkarzinom, und zwar Männer etwa dreimal häufiger als Frauen (RKI 2008). In 33 % der Fälle handelt es sich bei Primärdiagnose um muskelinvasive und in 67 % der Neuerkrankungen um nicht muskelinvasive Harnblasentumore (3). Harnblasentumore stellen den größten Anteil der Krebserkrankungen des Urothelsystems dar, denn nur 5 % der Neoplasien treten im oberen Teil des Urothelsystems auf (4). Die Prognose bei Harnblasenkrebs hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnose, dem Grad der Ausbreitung und davon ob, es sich bei Diagnose um einen nicht muskelinvasiven oder muskelinvasiven Tumor handelt. Entsprechend schwanken die Angaben zur 5-Jahresüberlebensrate von 50 % (3) und > 70 Jahre (RKI 2008). Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass nicht muskelinvasive Harnblasentumore nur in wenigen Ausnahmefällen letale Verläufe nehmen (3). Allerdings muss auch konstatiert werden, dass sich die 5-Jahresüberlebensraten bezogen auf Blasenkrebs insgesamt in den letzten Jahren nicht verbessert haben (4). Die Biologie des Harnblasentumors ist weiterhin nicht ausreichend verstanden, und auch wenn sich Detektionszeitpunkt und systemische Therapie verbessert haben, so hängt doch die Mortalitätsrate stark vom Wissens- und Erfahrungsgrad des behandelnden Arztes ab. Aktuell wurde in einer amerikanischen Studie festgestellt, dass der Tod von 31,2 % – 46,8 % der an Blasenkrebs gestorbenen Patienten möglicherweise vermeidbar gewesen wäre, wenn der behandelnde Arzt andere Therapieentscheidungen getroffen hätte (3). Es wurde festgestellt, dass die Entscheidung des Arztes zu drastischeren Therapiemaßnahmen wie beispielsweise systemischer Chemotherapie, radikaler Zystektomie oder Radiotherapie für das Überleben zahlreicher Patienten vorteilhaft gewesen wäre. Allerdings wurde auch festgestellt, dass durch eine teilweise erhebliche Komorbidität der Patienten nicht immer die bestmögliche, also radikalste Therapieoption möglich ist. Außerdem wird nicht nur 12 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 durch diese Autoren immer wieder darauf verwiesen, dass es zu wenig fundierte Erkenntnisse über die Biologie der Blasentumore gibt. Zur Erforschung des Harnblasentumors werden mehr Forschungsmittel benötigt Mehr Wissen über den relativ heterogenen Blasentumor erfordert mehr Forschungsmittel und mehr Engagement. Leider liegt die Erforschung des Urothelkarzinoms deutlich hinter anderen Tumorentitäten zurück. Anhand von Daten des NIH Research Portfolio Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms Krebs NIH-Forschungsmittel 2008 Krebs allgemein 5.570 Mio. USD Brustkrebs 726 Mio. USD Prostatakarzinom 290 Mio. USD Kolorektales Karzinom 274 Mio. USD Gehirntumor 194 Mio. USD Lungenkrebs 169 Mio. USD Ovarialkarzinom 96 Mio. USD Zervixkarzinom 69 Mio. USD Gebärmutterkrebs 16 Mio. USD Harnblasenkrebs < 0,5 Mio. USD Tab. 1: Forschungsmittel 2008 des NIH (RCDC) zur Krebserforschung Organ Zelllinien insgesamt Humane Tumorzelllinien Lung 313 253 Breast 153 131 Kidney 148 54 Prostate 45 27 Bladder 31 27 Tab. 2: Zelllinien der ATCC, Stand Juli 2009 Online Reporting Tools stellt sich Verteilung der Forschungsmittel beispielhaft dar (Tab. 1). Es fällt auf, dass die Forschungsmittel für den Blasentumor nicht aufgeführt sind, da sie < $ 500.000 betragen. Die Forschungsintensität lässt sich auch anhand der etablierten Zelllinien der jeweiligen Tumorentität ableiten. So waren im Juli 2009 bei der ATCC nur 27 humane Harnblasentumorzelllinien zu erwerben (Tab. 2). Im Vergleich mit anderen Tumorentitäten fällt auf, wie unterrepräsentiert der Blasentumor ist. Bei der DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH) sind aktuell 643 Zelllinien erfasst, von denen nur 15 (2,3 %) von humanen Blasentumoren abstammen. Auch im „In Vitro Cell Line Screening Project (IVCLSP)” des National Cancer Institutes (NCI) ist von den analysierten 60 Zelllinien nicht eine des Blasentumors enthalten. Der ideale Blasentumor-Marker wird noch gesucht Dabei ist eine konzertierte und strukturierte Grundlagenerforschung des Harnblasentumors sehr wichtig, um beispielsweise verlässliche und vergleichbare molekulare Marker zu gewinnen. Solche Marker werden für Detektion, Überwachung und zur Prognose von Rezidivrate und Progressionsrate benötigt. Sie würden zur Kostenersparnis beitragen, in dem Patienten stratifiziert und der individuell idealen Therapie zugeführt werden könnten. Weiterhin könnte die Prognose verbessert werden, wenn Patienten mit einer Risikokonstellation entsprechend rechtzeitig radikal therapiert werden könnten. Im Rahmen der Nachsorge von Patienten mit einem nicht muskelinvasiven Urothelkarzinom könnten Zystoskopien seltener und eventuell später notwendig sein, und auch die Detektion von Rezidiven des oberen Urothelsystems wäre möglich. Auch in der Früherkennung des Harnblasenkarzinoms wäre ein Marker sinnvoll, der ähnlich dem PSA beim Prostatakarzinom zum Screening geeignet ist. Leider steht aktuell kein Marker als Goldstandard zur Verfügung, vielleicht müssten es auch mehrere Marker in Kombination sein, um der molekularen Heterogenität des Urothelkarzinoms gerecht zu werden. Aktuell wird der Zellproliferationsmarker Ki-67 als prognostischer Markern des Urothelkarzinoms diskutiert, denn Ki-67 korreliert mit schlechten Überlebensraten und fortschreitender Erkrankung nach radikaler Zystektomie (5). Während Ki-67 per Microarray und Immunhistochemie nachgewiesen werden muss, haben Urinmarker den Vorteil einer relativ einfachen Nachweismethode. Zahlreiche Assays stehen inzwischen zur Verfügung, beispielsweise für NMP22, BLCA-4 und Survivin (6). In Tabelle 3 sind sowohl im Urin nachweisbare als auch zellbasierte Marker dargestellt, die in aktuellen Reviews zu dieser Thematik beschrieben werden (7 - 9). Der bekannteste und am besten evaluierte Marker beim Harnblasenkarzinom ist NMP22, ein Marker, der inzwischen in vielen urologischen Praxen auf Patientenwunsch eingesetzt wird. Insgesamt 2072 Patienten wurden in NMP22-Studien eingeschlossen (Tab. 4). NMP22 ist einer der wenigen Marker, die auch in einer internationalen Phase III-Studien evaluiert wurden (10). Die NMP22-Sensitivität betrug für die Diagnostik 55,7 % und zur Surveillance 49,5 % (11). Die Sensitivität der meisten untersuchten Marker lag zwischen 30 % und 96 %, die Spezifität erreichte in einigen Studien 100 %, lag im Allgemeinen jedoch deutlich darunter (Tab. 4). Die mangelnde Spezifität ist auch der Grund, weshalb die European Association of Urology keine positive Empfehlung für Urintests auf molekularer Basis ausspricht Marker Biologie / Klinik Lösliche Urin-Marker Hämaturie, Bladder Tumor Antigen (BAT), NMP 22, NMP 52, BLCA-4, Survivin, Hyaluronsäure, Hyaluronidase, Cytokeratin 8, 18, 19, 20 Zellbasierte Marker Telomerase, FISH (z.B. CEP 3, CEP7, CEP17, LSI 9p21), ImmunoCyt (Mucin-Antigene), Mikrosatelliten DNA-Analyse, DD23, Fibrin-Fibrinogen Degradationsprodukte Genetische Marker Chromosomale Abberationen (z.B. Chromosom 9, 17), Polymorphismen, DNA-Methylierung (z.B. CDH1, RUNX3, APC) Marker zur Prognose und Therapieansprache Matrix Metalloproteinase 2 und 9, uPA und uPAR, Wachstumsfaktoren (z.B. EGF, FGF, CD44), lösliches Fas, Caspase-3, Bcl-2 Marker zur Überwachung FGFR3, BLCA-4, Telomerase, Tumorassoziierter Trypsininhibitor (TATI), CXCL1 (Chemokine) Tab. 3: Marker in der Evaluierung zur Detektion, Überwachung und Prognose des Harnblasenkarzinoms. Modifiziert nach Volpe et al. 2008, Van Tilborg et al. 2009, Kim & Kim 2009. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 13 Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms (12), sondern nur auf die zusätzlichen Kosten verweist. So stellen Marker vorerst weiterhin nur eine Ergänzung zur Zytologie dar. Zystoskopie und transurethrale Resektion bestimmen den Therapieerfolg Da zur Diagnostik also viele Marker noch in der Studienphase sind, nur wenige standardisiert zur Verfügung stehen und keiner von den Richtlinien empfohlen wird, und erst recht kein Marker zur Überwachung und Prognose eingesetzt werden kann, hängt der Therapieerfolg weiterhin von zwei Faktoren ab: dem Urologen und dem Pathologen. Speziell zum Einfluss des Pathologen auf die Therapieentscheidung des Urologen wurde aktuell eine retrospektive Studie publiziert (13). Insgesamt 213 pathologische Befunde urologischer Erkrankungen (Prostatakarzinom 55 %, Blasenkrebs 39 %, andere urologische Tumore 6 %) wurden erneut bewertet und mit den Originaldiagnosen verglichen Es kam bei 10 % der Fälle zu abweichenden Neubewertung (8 % schwere Abweichung, 2 % kleine Abweichung). Konkret hatte diese Neubewertung die Vermeidung, Verschiebung oder Marker Patienten (summiert) Sensitivität (%) Spezifität (%) NMP22 2072 49 – 68 66 – 87 FISH 514 30 – 64 90 – 95 CYFRA21.1 446 73 41 HA-HAse 228 86 61 Mikrosatelliten-Analyse 228 58 73 Immucyt 216 84 78 Methylierung 215 75 – 86 8 – 100 Telomerase 200 96 96 BCLA-4 129 89 – 96 95 – 100 sFas 122 75 50 UBC 88 54 97 TATI 80 86 - CXCL1 67 70 81 Survivin 50 82 90 FGFR3 0 - - Tab. 4: Sensitivität und Spezifität von Markern des Blasenkarzinoms modifiziert nach Van Tilborg et al. 2009. Sensitivität und Spezifität basieren auf der Rezidivrate im Follow-Up der Studien. Methode Intention Transurethrale Resektion der Blase (TUR-B) • Vollständige Entfernung (R0) nicht muskelinvasiver Harnblasentumore Frühinstillation • Direkte Toxizität auf und Adhäsionshemmung von zirkulierenden Tumorzellen • Ablative Wirkung auf residuale Tumorzellen Initialtherapie • Vermeidung von Frührezidiven • Behandlung der Resttumore Erhaltungstherapie • Vermeidung von Spätrezidiven Tab. 5: Die drei Phasen der intravesikalen Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms 14 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Durchführung von 6 radikalen Zystektomien zur Folge (13). So bleiben die Qualität der Zystoskopie und transurethralen Resektion der Blase (TUR-B) die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der primären Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms. Beide Eingriffe werden normalerweise unter Weißlicht durchgeführt. Die Erfolgsrate der Zystoskopie kann durch die photodynamische Diagnostik (PDD) verbessert werden, sofern keine Faktoren vorliegen, die zu falsch-positiven Ergebnissen führen könnten (Entzündung, vor kurzem durchgeführte TUR-B oder intravesikale Therapie). In einer prospektiven Studie wurden die Diagnosebefunde verglichen, die sowohl unter Weißlicht als auch Fluoreszenz bei vorheriger Applikation von Hexylaminolävulinsäure (HAL) ermittelt wurden (14). 18 Patienten mit multifokalen, rezidivierenden nicht muskelinvasiven Harnblasentumoren waren in der Studie eingeschlossen. Durch die photodynamische Diagnose wurden bei 44 % der Patienten zusätzliche pathologische Befunde entdeckt, die unter Weißlicht nicht bemerkt wurden. Diese Ergebnisse schließen sich nahtlos an die Ergebnisse zahlreicher anderer Studien an, in denen bereits festgestellt wurde, dass in der Fluoreszenzzystoskopie gegenüber der Weißlichtzystoskopie mehr Läsionen detektiert werden können (15). Die meisten Studien mit porphyrinbasierter Fluoreszenz wurden allerdings mit 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) durchgeführt, und auch für Hypericin, der dritten möglichen Substanz, liegen positive Ergebnisse vor (16). Zur Optimierung der Therapie des Carcinoma in situ (CIS) wird die Fluoreszenz-gestützte Detektion und Resektion als Option bereits in den Leitlinien der European Association of Urology (EAU) empfohlen (12). Der nächste und zugleich essentielle Schritt in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms ist die TUR-B (17), deren Ziel die komplette makro- und mikroskopische Entfernung des Blasenkrebs ist. Es wird diskutiert, ob die Qualität der TUR-B anhand der Rezidivrate validiert werden kann (17), da die Rezidivrate 3 Monate nach TUR-B von 3 % bis 20 % schwanken kann (18). Bei den meisten Rezidiven (bis zu 81 %) handelt es sich um Residualtumore (19). Die EAU empfiehlt deshalb die komplette Entfernung des Tumorgewebes, bis hin zur Entnahme von Detrusorgewebe (20). Als Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms Qualitätskontrolle für eine komplette TUR sollten im Rahmen der TUR-B tumorfreie Gewebeproben von Tumorrand und Tumorgrund (mit Muskelgewebe) vorliegen. Sind in den Biopsien von Rand und Grund noch Tumorgewebe nachweisbar, so ist von einer R1 Situation auszugehen, und es muss eine Nachresektion erfolgen (20). Die intravesikale Therapie als wichtige Komponente in der risikoadaptierten Therapie Der TUR-B schließt sich die risikoadaptierte Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms mit unterschiedlichen intravesikalen Schemata an. Die intravesikale Therapie gliedert sich in drei Abschnitte (Tab. 5), für die nach den aktuellen Richtlinien risikoabhängige Therapieempfehlungen vorliegen (Abb. 1). Die Frühinstillation, die bis spätestens 24 Stunden nach der TUR-B erfolgen sollte, kann mit Mitomycin C, Epirubicin oder Doxorubicin durchgeführt werden. Mit Mitomycin C 40 mg konnte beispielsweise die Rezidivrate um bis zu 50 % reduziert werden (21). Eine Metaanalyse von 7 randomisierten Studien zur Frühinstillation (22) wies nach, dass durch eine einzige Frühinstillation die Anzahl der Patienten mit Rezidiven um 12 % gesenkt werden konnte, das Rezidivrisiko um bis zu 39 %. Die number-needed-to-treat betrug 8,5. Diese überzeugenden Daten veranlassten die EAU, die Frühinstillation als Standard in der Behandlung nicht muskelinvasiver Harnblasentumore zu empfehlen (12). Für intravesikal appliziertes Gemcitabin in der Frühinstillation konnte kein Vorteil nachgewiesen werden (23). Durch die einmalige Gabe von Gemcitabin wurde kein Vorteil bezüglich des rezidivfreien Überlebens im Vergleich zu Plazebo nachgewiesen. Die Frühinstillation, auch perioperative Instillation genannt, wurde wiederholt bezüglich Effektivität und Kosten bewertet. Für die Frühinstillation sprechen die hohe Senkung der Rezidivraten, die gute Verträglichkeit und die Kostenersparnis im Vergleich zu den ansonsten notwendigen operativen Eingriffen (24). Während die Frühinstillation sowohl bei low, intermediate und high risk Tumoren empfohlen wird, werden Initial- und Erhaltungstherapie nur bei intermediate und TUR-B + 1 x Frühinstillation z. B. MMC 40 mg Low Risk Intermediate Risk High Risk Solitäre, primäre low-grade Ta Multiple oder rezidivierende low-grade Tumore Jeder T1 und/oder G3 und/oder CIS Kontrolle Initial- & Erhaltungstherapie z. B. MMC 20 mg Initial- & Erhaltungstherapie BCG Bei Rezidiv Bei Rezidiv oder Progression: Initial- & Erhaltungstherapie z. B. MMC 40 mg oder BCG Bei Rezidiv oder Progression Zystektomie Abb. 1: Algorithmus der risikoadaptierten Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms nach Lamm et al. 2008. MMC = Mitomycin C. high risk Tumoren durchgeführt. Es stehen verschiedene Chemotherapeutika zur intravesikalen Therapie zur Verfügung, am häufigsten werden jedoch Mitomycin C 20 mg und 40 mg in der Konzentration von 1 mg/ml eingesetzt. Zur intravesikalen Immuntherapie wird Bacillus Calmette-Guérin (BCG) eingesetzt, ein attenuiertes Mycobacterium bovis. Bei der Therapie mit BCG wird eine intensive Immunstimulation im Urothel und benachbarten Gewebe angestrebt. Aus diesem Grund ist die Lebendkeimzahl relevanter als eine definierte Keimkonzentration oder Gewichtsangabe. Sowohl bei der intravesikalen Chemo- als Immuntherapie gibt es bis heute keine Standardschemata, die von den relevanten nationalen und internationalen Organisationen empfohlen werden könnten (12), da die Studien bezüglich Wirkstoff, Dosierung, Patientenselektion, Schema und Beobachtungszeitraum zu heterogen waren (Tab. 6). In der Praxis und unabhängig von offiziellen Empfehlungen haben sich einige Schemata und Wirkstoffe bewährt und etabliert. haben sich die Schemata mit den längsten Erhaltungsphasen bewährt. Das ist zum einen das Schema nach Schwaibold (26), bei dem Patienten mit intermediate risk Tumoren maximal 40 Instillationen Mitomycin C erhalten. Die dosisintensive Applikation in der Initialphase kombiniert mit der langen Erhaltungsphase führte zur Senkung des Rezidivrisikos um 47 % (26). Auch bezüglich des Progressionsrisikos bei high risk Patienten überzeugte dieses Schema. Es war effektiver in der Progressionsvermeidung als die beiden dosisextensiveren Studienarme mit Doxorubicin bzw. Mitomycin und der dosisintensiven aber kurzen Verabreichung von Mitomycin (26). Auch das Schema nach Friedrich (25), ebenfalls ein Mitomycin-Schema mit hoher Dosisintensität in der Initialphase und einer langen Erhaltungsphase ist nachweislich sehr wirksam. In diesem Schema erhalten intermediate und high risk Patienten insgesamt bis zu 42 Instillationen. Das Rezidivrisiko konnte durch dieses Schema um 62 % gesenkt werden (HR 0,38; 95 % CI, 0,21; 0,69). Bei der intravesikalen Chemotherapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms Bei der intravesikalen Immuntherapie (BCG-Therapie) des nicht muskelinvasiven Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 15 Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms Wirkstoff Initialtherapie Erhaltungstherapie Studie Mitomycin 20 mg 6 Instillationen (1 x pro Woche) 36 Instillationen (1 x pro Monat) Friedrich et al. 2007 (25) Mitomycin 20 mg 8 Instillationen (1 x pro Woche) 32 Instillationen (1 x pro Monat) Schwaibold et al. 1997 (26) Mitomycin 30 - 40 mg 5 Instillationen (1 x pro Woche) 24 Instillationen (1 x pro Monat) Rintala et al. 1991 (27) Mitomycin 40 mg 6 Instillationen (1 x pro Woche) 12 Instillationen (1 x pro Monat) + 4 Instillationen (1 x pro Quartal) Malmström et al. 1999 (28) BCG 6 Instillationen (1 x pro Woche) 21 Instillationen (3 im wöchentlichem Abstand jeweils 3, 6, 12, 18, 24, 30, 36 Monate nach TUR) Lamm et al. 2000 (29) BCG 6 Instillationen (1 x pro Woche) 12 Instillationen (1 x pro Monat) + 4 Instillationen (1 x pro Quartal) Malmström et al. 1999 (28) BCG 5 Instillationen (1 x pro Woche) 24 Instillationen (1 x pro Monat) Rintala et al. 1991 (27) Unabhängig davon, ob nun mit einem Chemotherapeutikum oder BCG das nicht muskelinvasive Harnblasenkarzinom therapiert wird, ist wichtig, dass eine Erhaltungstherapie erfolgt. Dies wurde aktuell eindrucksvoll belegt (30), denn in einer Metaanalyse wurden 2.820 Patienten-individuelle Daten reevaluiert. Mit Mitomycin C wurden 1.383 und mit BCG 1.437 Patienten therapiert. In 71 % der Fälle handelte es sich um Primärtumore (54 % Ta, 43 % T1, 25 % G1, 58 % G2, 16 % G3). Die Risikostratifizierung ergab 3 % low risk, 74 % intermediate risk und 23 % high risk Tumore. Das mediane Follow-Up betrug 4,4 Jahre. Unterschiede in der Effektivität der beiden untersuchten Instillationstherapien konnten nur bezüglich des Rezidivrisikos ermittelt werden (Tab. 7). Es konnten keine signifikanten Unterschiede bezüglich Progression, krebsspezifischer Überlebens- Priv.-Doz. Dr. med. Martin G. Friedrich Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie HELIOS Klinikum Krefeld Lutherplatz 40 47805 Krefeld Literatur 1. Bischoff CJ, Clark PE. Bladder Cancer. Curr Opin Oncol (2009), 21:272-277. 2. Lotan Y, Kamat AM, Porter MP, Robinson VL, Shore N, Jewett M, Schelhammer PF, DeVere White R, Quale D, Lee CT, on behalf of the Bladder Cancer Think Tank, the Society of Urologic Oncology, and the Bladder Cancer Advocacy Network, Cancer (2009), doi 10.1002/ cncr.24463. 3. Morris D, Weizer AZ, Ye Z, Dunn RL, Montie JE, Hollenbeck BK. Understanding bladder cancer death. Cancer (2009) 115:1011-1020. Tab. 6: Intravesikale Schemata der Initial- und Erhaltungstherapie Harnblasenkarzinoms hat sich das Schema nach Lamm (29) durchgesetzt. Nach der dosisintensiven Initialtherapie folgt in festgelegten mehrmonatigen Abständen eine Boost-Applikation von 3 BCG-Instillationen in wöchentlichem Abstand. Diese 3er-Gabe scheint das Immunsystem besonders effektiv zu stimulieren (12). Lamm und Kollegen konnten zeigen, dass das rezidivfreie Überleben unter BCG-Erhaltungstherapie mehr als doppelt so lang ist als ohne Erhaltungstherapie (76,8 Monate vs. 35,7 Monate, p < 0,0001). Autor rate und Gesamtüberleben nachgewiesen werden (30). Durch die Studie von Malmström muss die immer wiederkehrende Frage nach der optimalen intravesikalen Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms neu diskutiert werden. Im besonderen Fokus ist dabei die Rezidiv- und Progressionsprophylaxe bei intermediate risk Patienten. Bis vor kurzem bestand Einigkeit, dass BCG die optimale Therapie bei diesen Patienten bezüglich Progression und Überlebensrate ist, und die EAU-Richtlinien waren entsprechend formuliert. Doch durch die aktuelle Datenlage sollte die bisherige Empfehlung modifiziert werden (31) und es bleibt abzuwarten, wie die EAU reagieren wird (32). 4. David KA, Mallin K, Milowsky MI, Ritchey J, Carroll PR, Nanus DM. Surveillance of urothelial carcinoma. Cancer (2009) 115:1435-1447. 5. Margulis V, Lotan Y, Karakiewicz PI, Fradet Y, Ashfaq R, Capitanio U, Montorsi F, bastian PJ, Nielsen ME, Müler SC, Rigaud J, Heukamp LC, Netto G, Lerner SP, Sagalowski AI, Shariat SF. 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Vergleich BCG- vs. MMC-Therapie Rezidivrisiko Signifikanz Mit BCGErhaltungstherapie 32 % Senkung des Rezidivrisikos im Vergleich zur MMC-Therapie p < 0,0001 Ohne BCGErhaltungstherapie 28 % Erhöhung des Rezidivrisikos im Vergleich zur MMC-Therapie p < 0,006 Mit und ohne BCGErhaltungstherapie (alle Schemata) Kein signifikanter Unterschied zwischen BCGund MMC-Therapie, jedoch ein nicht signifikanter Trend zugunsten der BCG-Therapie. p = 0,09 Tab. 7: Vergleich der intravesikalen Erhaltungstherapien mit Mitomycin (MMC) oder BCG. Nach Malmström et al. 2009. 16 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Aktuelle Themen in der Therapie des nicht muskelinvasiven Harnblasenkarzinoms 8. Van Tilborg AAG, Bangma CH, Zwarthoff EC. Bladder cancer biomarkers and their role in surveillance and screening. Int. J Urol (2009) 16:23-30. 9. Volpe A, Racioppi M, D´Agostino D, Cappa E, Gardi M, Totaro A, Pinto F, Sacco E, Marangi F, Palermo G, Bassi PF. 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Jahrgang | Nr. 3/2009 | 17 Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion: eine Aufgabe für den onkologischen Pharmazeuten Von Tilman Schöning, Heidelberg Z ytostatika sind Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite. Eine eingeschränkte Nierenfunktion kann die Ausscheidung dieser Arzneimittel beeinträchtigen. Infolge der sich daraus ergebenden Kumulation von Zytostatika und deren aktiver Metabolite können die Toxizitäten ein akzeptables Maß überschreiten. Für Zytostatika, welche zu einem bedeutenden Anteil unverändert oder als toxischer Metabolit renal eliminiert werden, muss daher die Notwendigkeit einer Dosisreduktion abgewogen werden. Dies gilt auch für Substanzen, welche ein nephrotoxisches Potential besitzen. Die Kriterien und Grundlagen welche die Entscheidung beeinflussen können, werden anschließend dargestellt. Inulin, sowie die Radioisotope [51Cr]-EDTA und [Tc99m]-DTPA stellen im Hinblick auf die Genauigkeit des Verfahrens den Goldstandard dar, da sie dosislinear unverändert glomerulär filtriert werden [4, 5]. Sie haben aber den Nachteil, dass ihre Anwendung in der klinischen Routine zu aufwendig ist. Besser anwendbar und daher weit verbreitet ist die Bestimmung der Creatinin-Clearance. Creatinin (griechisch, Crea=Fleisch), welches endogen im Wesentlichen aus Muskelmasse freigesetzt wird, wird dennoch nicht vollständig glomerulär, sondern auch zu Teilen tubulär sezerniert. Daher ist die CreatininClearance (CrCl) im Vergleich zur glomerulären Filtrationsrate (GFR) meist etwas erhöht [5, 6]. Zudem ist seine Blutkonzentration abhängig von Muskelmasse, Alter, Geschlecht und Entzündungsprozessen. Dies kann zu einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Nierenfunktion führen. Weiterhin ist zu beachten, dass in der Regel erst nach einem etwa 50%igen Abfall der Nierenfunktion ein Anstieg des Serumcreatinin-Wertes erfolgt („kreatininblinder Bereich“). Pharmakotherapie schließt immer die Kenntnis und Berücksichtigung von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik eines Arzneistoffs ein. Da es sich bei Zytostatika um Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite handelt, kann eine verminderte Elimination verbunden mit höheren Plasmakonzentrationen relativ schnell zu verstärkter Toxizität führen. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist bei indizierter Chemotherapie gegebenenfalls genau abzuwägen, welche zytotoxische Substanz zu verabreichen ist. Beträgt dabei der Anteil der renalen Elimination 30% oder mehr, kann eine Dosisanpassung notwendig werden. Basierend auf allgemeinen pharmakokinetischen und pharmakologischen Prinzipien kann bei einer mittleren bis stark eingeschränkten Nierenfunktion (30 - 60 ml/min Kreatinin-Clearance) davon ausgegangen werden, daß diese bei einem Arzneistoff mit linearer Pharmakokinetik mit 35 - 40% renaler Elimination zu einem signifikanten Anstieg der AUC (Fläche unter Plasmakonzentrations-Zeitkurve) führt [1, 2]. Neben der Pharmakokinetik kann auch die Pharmakodynamik einen entscheidenden Einfluss auf die Toxizität eines Arzneistoffes nehmen. So kann eine mögliche Nephrotoxizität von Zytostatika bei bereits eingeschränkter Nierenfunktion die Ausscheidungsstörung weiter verstärken. individuellen Situation des Patienten getroffen werden. Weitere Informationen über Allgemeinzustand, weiteren Organfunktionen, Therapieausrichtung und Behandlungsalternativen, sowie einer möglichen Vorbehandlung des Patienten sind zur Entscheidungsfindung unbedingt notwendig. Eignung für routinemässige Bestimmung in der Klinik Zunächst ist eine Bestimmung über Sammelurin möglich [7]. Hierbei wird der Urin des Patienten über eine definierte Zeitspanne, meist 24 Stunden, gesammelt. Ebenso wird parallel der Creatinin-Wert aus dem Serum bestimmt. Voraussetzung für eine möglichst exakte Bestimmung ist die Beachtung folgender Punkte: Eine Therapieentscheidung bzw. Dosierungsempfehlung sollte nur unter Betrachtung der Erhalt reproduzierbarer Ergebnisse über den gesammten GFR-Wertebereich kein Fleischgenuss, keine körperliche Belastung während der Sammelperiode Bestimmung der Nierenfunktion Die Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate ist weitgehend anerkannt als geeignete Methode zur Bestimmung der Nierenfunktion [3]. Normalwerte bei nierengesunden Patienten liegen meist zwischen 75 und 125 ml/min. Die Bestimmung der GFR kann vielfältig erfolgen. Die angewandte Methode nimmt erheblichen Einfluss auf die erhaltenen Werte. Substanzen zur Abschätzung der GFR sollten optimalerweise die folgenden Eigenschaften haben: ausschließlich glomeruläre Filtration kein Metabolismus kein pharmakologischer Effekt 18 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Vorteile der GFR-Bestimmung über die CrCl sind die einfache Konzentrationsbestimmung in Blut und Harn, akzeptable Kosten des klinischen Routinemonitorings, sowie dass Creatinin endogen vorhanden ist und nicht von außen zugeführt werden muss. Die Ermittelung der CrCl kann über verschiedene Wege erfolgen. Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion möglichst Beginn morgens, optimale Dauer 24 h vor Sammelbeginn Blase vollständig entleeren lassen vor Beendigung Blase nochmals vollständig in das Sammelgefäß entleeren ausreichende Volumenaufnahme gewährleisten (1,5-2 l) In keinem Fall sollte der Patient im Übermaß hydratisiert werden („Niere spülen“), dies kann zu überhöhten CrCl-Werten führen, welche eine teilweise erhebliche Überschätzung der eigentlichen GFR zur Folge haben. Eine weitere, in vielen Fällen verwendete Alternative der CrCl-Bestimmung ist die Berechnung unter Einsatz des aktuellen Serumcreatinin-Wertes. Hierbei ist zu beachten, dass auch die Art der Creatinin-Bestimmung aus dem Serum die erhaltenen Werte beeinflussen kann [8]. Dennoch ist auch dieser Ansatz mit einem Fehlerrisiko behaftet. Neben den bis dato am häufigsten eingesetzten Formeln nach Jeliffle [9], sowie Cockroft-Gault [10, 11] existieren zahlreiche weitere Formeln [12]. Eine Möglichkeit zur Abschätzung der GFR ist die sogenannte MDRD („Modification of diet in renal disease“)-Formel [13]. Die inzwischen häufig angewandte Formel wurde ursprünglich nur an Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz validiert. Sie besitzt im Bereich von 20-70 ml/min ihre höchste Genauigkeit. Zudem ist die Formel auf eine Körperoberfläche (KOF) von 1,73 m 2 normiert. Dies bedeutet, dass im Falle einer größeren Abweichung der KOF des Patienten eine Anpassung des berechneten Wertes stattfinden muss. Da all dies bei der Anwendung im Zusammenhang mit nierengesunden Patienten einen nicht unwesentlichen Bias zur Folge haben kann, wurde auf Basis der MDRD-Formel die sogenannte Mayo-Formel entwickelt und an nierengesunden Patienten validiert [14]. Weiterhin ist besondere Vorsicht bei kachektischen oder adipösen Patienten geboten. Bei der häufig angewandten Cockroft-Gault-Formel geht neben dem Alter und dem SerumCreatinin-Wert das Gewicht der Patienten in die Berechnung der CrCl ein. Grundlage dafür stellt die Hypothese dar, dass schwerere Patienten einen höheren Anteil an Muskelmasse besitzen, was einen höheren freien endogenen Kreatinin-Anteil begünstigt. Dies führt allerdings zu erheblichen Abweichungen im Falle von kachektischen, sowie adi- pösen Patienten, da hier, bezogen zum Körpergewicht, der Anteil an Muskelmasse eher gering ist. Dies führt zur Berechnung von teils erheblich überhöhten CrCl-Werten. In diesen Fällen sollten folgende Empfehlungen beachtet werden, um annähernd korrekte Angaben zur renalen Ausscheidungskapazität zu erhalten [18, 19, 20]: bei adpösen Patienten mit BMI > 27 kg/ m 2 sollte zur Berechnung der CrCl das angepasste idealisierte Körpergewicht (AIBW=adjusted ideal body weight) verwendet werden, bei kachektischen Patienten sollten zur Berechnung der CrCl keine Serum-Kreatinin-Werte unterhalb 0,8 mg/dl verwendet werden, im besonderen sollten durch Berechnung erhaltene CrCl-Werte oberhalb von 120 ml/min kritisch überprüft werden, vor allem bei älteren Patienten. Mehrere Untersuchungen konnten zeigen, dass es in Abhängigkeit von der jeweils verwendeten Formel sowie der eigentlichen Nierenfunktion des Patienten zu erheblichen Über- und Unterschätzungen der GFR kommen kann [15, 16]. So führt die Anwendung der Jeliffle-, sowie der Cockroft-Gault-Formel bei tatsächlichen CrCl-Werten von < 50 ml/min zu einer Überschätzung, sowie bei CrCl-Werten von > 70 ml/min zu einer Unterschätzung der tatsächlich vorhandenen Werte [17]. Holweger et al. entwickelten daraufhin einen Algorithmus, welcher zunächst die Bestimmung der CrCl nach der MDRD-Formel vorsieht. Liegt der erhaltene Wert zwischen 45-95 ml/min, so kann dieser verwendet werden. Bei erhaltenen Werten unterhalb von 50 ml/min wird empfohlen, die CrCl unter Einsatz der Salazar-Corcoran-Formel nachzubestimmen, da diese Formel im Bereich < 45 ml/min die genausten Werte ergibt. Liegt der Wert oberhalb von 95 ml/min, so ist die Wright-Formel zur Nachbestimmung zu verwenden. Dieser Algorithmus sollte nach Angaben der Autoren noch an einer größeren Zahl an Patienten evaluiert werden, ist aber ein begrüßenswerter Handlungsansatz. Der Einsatz der richtigen Formel, sowie die kritische Bewertung der erhaltenen Ergebnisse stellt eine wichtige Grundlage für die Dosisfindung dar. Soll beispielsweise für Carboplatin die Dosis nach AUC mittels der Calvert-Formel berechnet werden [21], so können überschätzte CrCl-Werte zu einer nicht unerheblichen Überdosierung führen [18]. Weitere Einflussfaktoren Bei chronischer Niereninsuffizienz und damit verbundener nachlassender Filtrationsleistung wird die Elimination harnpflichtiger Substanzen beeinträchtigt. Kann die verminderte renale Ausscheidung nicht durch eine erhöhte hepatisch-biliäre Ausscheidung kompensiert werden, kommt es zur Akkumulation dieser Stoffe. Dabei sind auch mögliche aktive oder sogar toxische Metabolite der Muttersubstanz zu berücksichtigen, die bei einer verminderten renalen Ausscheidung akkumulieren können. Aber nicht nur die Ausscheidung, sondern auch Bioverfügbarkeit, Verteilung, Proteinbindung und Metabolismus von Arzneistoffen können unter einer verminderten Nierenfunktion verändert sein, weshalb nicht zwangsläufig nur die überwiegend renal eliminierten Arzneistoffe von einer veränderten Kinetik betroffen sein müssen [22, 23]. Urämisch bedingte gastrointestinale Störungen bzw. ein erhöhter gastraler pH-Wert können den resorbierten Anteil einer Substanz und damit deren Bioverfügbarkeit herabsetzen. Eine veränderte Struktur von Albumin, das Vorliegen einer Hypoalbuminämie und die urämische Stoffwechsellage kann die Plasmaproteinbindung saurer Pharmaka reduzieren. Basische Arzneistoffe hingegen weisen häufig eine unveränderte bzw. in einzelnen Fällen eine erhöhte Proteinbindung auf. Klinisch relevant wird dieser Aspekt allerdings meist erst bei einer Proteinbindung > 80% und einer gleichzeitig veränderten Gesamtclearance [23]. Vorgehen Der Anteil der Niere an der Gesamt-Clearance ist substanzspezifisch. Soll eine Dosisanpasungs-Beratung bei Niereninsuffizienz angeboten werden, so empfiehlt es sich zunächst den renal ausgeschiedenen Anteil der entsprechenden Tumortherapeutika, sowie deren aktiver (und toxischer!) Metabolite zu ermitteln. Hierbei sollte, wo möglich, auf Primärliteratur zurückgegriffen werden. Ist dies nicht immer möglich, so können auch bereits erstellte Monographien wie Drugdex® oder Übersichtsarbeiten verwendet werden Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 19 Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion [2, 25, 26, 29]. Dabei sollte jedoch unbedingt auf die Validität der Daten geachtet werden (Quellen, Referenzen). Ist für ein definiertes Arzneimittel der renale Anteil (1- Q 0) an der Ausscheidung bekannt, so kann bei Vorliegen der eGFR die individuelle Ausscheidungskapazität (Q ) des Patienten nach folgender Formel einfach bestimmt werden [27]: Q = (1-Q 0) x eGFR +Q 100 0 Q = individuelle Ausscheidungskapazität Q 0 = substanzspezifischer, extrarenaler Ausscheidungsanteil eGFR = indidividuell geschätzte glomeruläre Filtrationsrate Der für Q erhaltene Wert bildet die Grundlage für eine möglicherweise notwendige Dosisanpassung. Dennoch darf sich eine Empfehlung nicht allein auf die theoretische Bestimmung von Q stützen, sondern sollte nun durch Bezugnahme auf die klinische Situation des Patienten individualisiert werden. Hierzu sind die folgenden Informationen einzuholen: Warum liegt eine Niereninsuffizienz vor? Eventuell medikamentös bedingt? Gibt es weitere Organfunktionseinschränkungen, welche Einfluss auf Verstoffwechselung, Ausscheidung und Grad der Toxizität haben können? Ist die einzusetzende Substanz per se nephrotoxisch und kann möglicherweise zu einer weiteren Verschlechterung der Niereninsuffizienz führen? Lässt der Allgemeinzustand des Patienten eine intensive Therapie zu? Ist der Patient bereits intensiv vorbehandelt, bestehen diesbezüglich Einschränkungen (z.B. Knochenmarksreserven)? Wie ist die Therapieintention (kurativ/palliativ)? Gibt es möglicherweise Alternativen zu einer Dosisreduktion (Zyklusverlängerung, ebenfalls einsetzbare extrarenal ausgeschiedene Substanzen)? Weitere Angaben können im Einzelfall releden. Methotrexat akkumuliert in pathologivant sein. Auf Basis der gesammelten Inforschen Flüssigkeitsansammlungen, wie Ermationen, sowie der nun bekannten Pharmagüssen oder Aszites, was seine Ausscheidung kokinetik muss eine Entscheidung über eine erheblich beeinflussen kann (Abb. 1). mögliche Dosisanpassung getroffen werden. Zudem kann Methotrexat selbst nephrotoEs ist dabei zu betonen, dass jede Entscheixisch sein (Abb. 2). Die tubuläre Ausscheidung auf Basis größtmöglicher Evidenz zu dung, sowie der hohe Bindungsanteil an Plastreffen ist, es sich jedoch meist um sorgfältig maeiweißen kann durch andere Arzneimittel abgewogene Einzelfallentscheidungen hanbeeinträchtigt werden (Abb. 3). delt. Im Falle einer kurativen Therapieintention steht dabei das Ziel einer höchstmöglichen Dosisintensität • Serum-Albumin-Bindung: 50-70% im Vordergrund, wel• rasche Verteilung im gesamten Körperwasserraum che dem Patienten die • Akkumulation in Flüsssigkeitsreservoirs (third space) Chance auf Heilung • vorwiegend renale Elimination durch tubuläre Sekretion erhält. Dies bedeu(~90%) tet dennoch nicht, • schlecht löslich in sauren Medien (pH < 7) unkalkulierbare Risi• renale MTX-Clearance wird beeinflußt durch: Grad an ken einzugehen. Wird Hydrierung, Urin-Flow, Urin-Alkalisierung und andere der Patient bereits in Medikamente palliativer Intention behandelt, so ist der Abb. 1: Pharmakokinetik von Methotrexat Faktor Lebensqualität in der Regel stärker zu gewichten. In jedem Fall gilt jedoch: Aufgrund der genannten Faktoren ist eine Die getroffene Entscheidung sollte nach optimale Supportivtherapie, welche bereits Behandlung hinsichtlich Verträglichkeit, einen Tag vor der MTX-Gabe zu erfolgen Toxizität und Effektivität überprüft und für hat, sowie eine aktive Überwachung des Paeinen nächsten möglicherweise anstehenden tienten nach Verabreichung erforderlich. Therapiezyklus angepasst werden. Hinsichtlich Details hierzu wird auf die aktuelle Fachliteratur verwiesen. Therapiebeispiele Fall 1 Zunächst gilt es, die oben beschriebenen Informationen einzuholen. Hieraus ergeben sich folgende Details: 37-jähriger Patient, 66 kg, 175 cm, BurkittLymphom, Erstdiagnose 08/06, mediastinal manifestiert Creatinin-Clearance wurde aus dem aktuellen Serumkreatinin-Wert unter Verwendung der MDRD-Formel erhalten CrCl 56 ml/min, Serumkreatinin 1,5 mg/dl Patient war initial mit kompensiertem Nierenversagen vorstellig, seitdem Besserung der Nierenfunktion Therapie: Hoelzer B-NHL Block B1: Methotrexat 1500 mg/m2 über 24h Frage: Soll eine Dosisreduktion stattfinden? Vorgehen Zunächst sollte die Pharmakokinetik von Methotrexat eingehend betrachtet werden. Methotrexat wird in erheblichem Maße renal eliminiert, überwiegend durch tubuläre Sekretion. Weiterhin ist Methotrexat schlecht löslich in sauren Medien. Entscheidend für eine effektive Elimination ist daher eine ausreichende Hydratation des Patienten und es muss eine Alkalisierung des Harns stattfin- 20 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 erster Zyklus wurde aufgrund Nierenversagens, sowie Pleuraerguss ohne Methotrexat verabreicht Erguss ist nach wie vor vorhanden, Patient besitzt eine Drainage, so dass nur sehr geringe Ergussmengen vorhanden sind Leberfunktion: Transaminasen leicht erhöht, Bilirubin normwertig Therapieintention: kurativ, die dosisintensive Chemotherapie mit Methotrexat stellt hier einen erheblichen Faktor für die Heilungschance dar Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion Präzipitation von MTX und seiner schwer löslichen Metabolite in den Nierentubuli und direkter nephrotoxischer Effekt Risikofaktoren: • • • • • „Third-Space-Reservoire“ (Aszites, Ödeme, Pleura- und Perikardergüsse) bereits vorliegende Niereninsuffizienz Harnabflussstörungen (Obstruktionen etc.) niedriges Plasmaeiweiß Einnahme weiterer nephrotoxischer oder durch tubuläre Sekretion ausgeschiedener Arzneimittel Abb 2: Ursache der MTX-induzierten Nephrotoxizität hält eine auf den ersten Blick irreführende Information, nämlich die Angabe der CrCl. Da der Patient dialysepflichtig ist, liegt eine terminale Niereninsuffizienz vor. Es gilt nun zu klären, ob der Patient überhaupt noch eine renale Restausscheidung besitzt. Bei der angegebenen CrCl handelt es sich um einen rein theoretischen Wert, wenn dieser rechnerisch unter Einsatz des Serumcreatinin-Wertes und des Alters des Patienten mittels einer Formel bestimmt worden ist. Die Nachfrage ergibt hier, dass der Patient anurisch ist. Weiterhin gilt es die oben beschriebenen Informationen einzuholen. Hieraus ergeben sich folgende Details: a) Verhinderung der tubulären Sekretion von MTX Aminoglykoside, NSAR, Salicylate, Sulfonamide1, Trimethoprim1, Probenecid, Penicillin Creatinin-Clearance wurde aus dem aktuellen Serumcreatinin-Wert unter Verwendung der MDRD-Formel erhalten (Kepinol = Sulfamethoxazol/Trimethoprim) 1 Patient ist bereits seit Jahren anurisch, kein Zusammenhang mit der Tumorerkrankung b) Verdrängung von MTX aus Eiweißbindung Sulfonamide, Salycylate, Tranquilizer, Barbiturate, Tetrazykline, Omeprazol, Phenylbutazon, Phenytoin, Diuretika, Doxorubicin, Probenecid Leberfunktionsparameter normwertig Therapieintention: zunächst kurativ Abb. 3: Wechselwirkungen mit der Gefahr der Erhöhung einer MTX-Toxizität keine Begleitmedikation mit Wechselwirkungs-Potential Derzeitige Begleitmedikation: Kepinol® forte Pantozol® 40 Fluconazol 400 Furosemid 20 1-0-1 1-0-0 1-0-0 1-0-0 Nun sollte die individuelle Ausscheidungskapazität (Q ) nach oben angegebener Formel berechnet werden, wobei von einem Q 0-Wert von 0,2 auszugehen ist. Q = (1 - 0,2) x 0,56 + 0,2 = 0,65 Empfehlung Der mittels MDRD-Formel berechnete Wert für die GFR kann verwendet werden. Auf Basis dieses Wertes (56 ml/min) beträgt die Ausscheidungskapazität für Methotrexat zwei Drittel im Vergleich zur normalen Nierenfunktion. Daher muss die Dosis um ein Drittel (33%) reduziert werden. Vor Therapiebeginn sollte ein Ultraschall gemacht werden, um die verbliebenen Ergussmengen zu eruieren. Es dürfen keine wesentlichen Mengen vorhanden sein, da sonst die Gefahr einer MTX-Ausscheidungsstörung besteht, deren Maß nicht voraussagbar ist. Die leicht erhöhten Leberwerte stellen keine Reduktionsindikaton dar. MTX ist zwar lebertoxisch und kann selbst zu einer Erhöhung der Leberwerte führen, das Risiko eines Leberversagens ist aber in diesem Fall sehr gering. Zudem ist die Leber in nur sehr geringem Maße an Metabolismus und Elimination beteiligt. Begleitmedikationen, wie Kepinol® forte oder Pantozol®, welche die Ausscheidung von MTX beeinflussen können, müssen ab dem Tag vor der Gabe bis zur vollständigen Ausscheidung von MTX pausiert werden. Eine engmaschige Überwachung, sowie die Durchführung einer optimalen Supportivtherapie werden empfohlen. Fall 2 53-jähriger Patient 70 kg, 172 cm. Erstdiagnose neuroendokrines Karzinom. Verordnete Therapie: Carboplatin AUC 5, Etoposid 120 mg/m2. Patient ist dialysepflichtig. CrCl 9,3 ml/min, Serumkreatinin 6,3 mg/dl. Frage: Kann die verordnete Therapie so verabreicht werden? Vorgehen Es ist zunächst die individuelle Situation des Patienten zu klären. Die Anforderung ent- Dialyse erfolgt jeden zweiten Tag Patient ist bis dato nicht vorbehandelt In diesem Fall wird zudem eine intensivere Recherche hinsichtlich Daten zum Einsatz der beiden verordneten Substanzen bei dialysepflichtigen Patienten notwendig. Hinsichtlich der Hintergründe wird auf die vorhandene Literatur verwiesen [25, 29] Empfehlung Da der Patient anurisch ist und keine nennenswerte renale Restausscheidung besitzt, kann die nach MDRD berechnete CrCl nicht zur Dosisberechnung herangezogen werden. Vielmehr muss eine CrCl von 0 ml/min zur Dosisberechnung nach Calvert herangezogen werden [30, 31]: Carboplatin-Dosis = 5 x (0 + 25) = 125 mg Carboplatin sollte an einem dialysefreien Tag verabreicht werden, eine Dialyse darf frühestens nach 16 Stunden durchgeführt werden [32]. Etoposid wird zu einem recht hohen Anteil von etwa 40-60% über eine Zeit von mehreren Tagen renal eliminiert. Ein Teil der renalen Elimination kann wahrscheinlich hepatisch Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 21 Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 3/2009 Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion 1. Für eine Dosierungsempfehlung unter Betrachtung der individuellen Situation des Patienten sollten u.a. folgende Informationen eingeholt werden: B- kein Fleischgenuss, keine körperliche Belastung während der Sammelperiode A- Allgemeinzustand C- vor Sammelbeginn und vor Beendigung Blase vollständig entleeren lassen B- Vorbehandlung D- intensive körperliche Betätigung C- weitere Organfunktionen 4. Zur Bestimmung der individuellen Ausscheidungskapazität (Q) des Patienten für ein definiertes Arzneimittel werden folgende Parameter herangezogen: D- Therapieausrichtung 2. Substanzen zur Abschätzung der GFR sollten u.a. folgende Eigenschaften haben: A- Eignung für routinemässige Bestimmung in der Klinik A- aktueller Serumcreatinin-Wert B- freies Bilirubin C- substanzspezifischer, extrarenaler Ausscheidungsanteil (Q 0 ) B- ausschließlich intravenöse Verabreichung D- individuell geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) C- ausschließlich glomeruläre Filtration D- kein Metabolismus Richtige Antworten zum Beitrag „Radikalfänger in der Onkologie – Erfahrungen mit Amifostin“ 3. Voraussetzung für eine möglichst exakte GFR-Bestimmung mittels Sammelurin ist die Beachtung folgender Punkte: A- ausreichende Volumenaufnahme gewährleisten (1,5-2 l) in „Onkologische Pharmazie“ Heft 1/2009 1: B, C, D 2: B, D 3: C, D 4: A Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2009 Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforderlichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende FaxNummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg! Name: Vorname: Einrichtung: Straße: Per Fax: +49-40-79 14 03 02 „Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion“ (Onkologische Pharmazie Nr. 3/2009) Meine Antwort (X) lautet bei: Frage 1: A B C D Frage 2: A B C D Frage 3: A B C D Frage 4: A B C D 22 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 PLZ/Ort: Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium-DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl. Datum: Unterschrift: Dosierung von Tumortherapeutika bei eingeschränkter Nierenfunktion kompensiert werden [33]. Dennoch ist eine Dosisreduktion von etwa 40-50% zu empfehlen [32]. Die Verabreichung kann unabhängig vom Dialysezeitpunkt erfolgen, da Etoposid als nicht dialysabel angesehen werden muss [34]. Die getroffene Entscheidung sollte nach Behandlung hinsichtlich Verträglichkeit, Toxizität und Effektivität überprüft und für einen nächsten möglicherweise anstehenden Therapiezyklus angepasst werden. Ausblick Aus den genannten Gründen ist das Feld der Dosisfindungsberatung eine wichtige Kernaufgabe des onkologischen Pharmazeuten. Oft liegen nur wenige Daten, Studien und Fallberichte vor. Hierin liegt die eigentliche Aufgabe des Pharmazeuten: Die Bewertung der vorliegenden Daten und Erfahrungen hinsichtlich Methodik der Gewinnung und Aussagekräftigkeit sowie die Übertragung der wenigen Evidenzen auf die jeweilige klinische Situation. Im optimalen Fall ist das Ergebnis der Beratung eine definierte (!) Empfehlung, welche auf Basis der vorhandenen Daten, sowie der individuellen klinischen Situation des Patienten unter Einbezug der genannten Kriterien getroffen wurde. Literatur 1. 2. 3. Sauer H: Dosismodifikationen. In: Schmoll HJ, Höffken K, Possinger K. Kompendium Internistische Onkologie Teil1, 2. Auflage 1996 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York (ISBN3-540-58370) 14.7 66074 Kintzel PE, Dorr RT. Antitumor Treatment: Anticancer drug renal toxicity and elimination: dosing guidelines for altered function. Cancer Treatment Reviews 1995; 21: 33 – 64 National Kidney Foundation. 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Diese Hinweise sind in einer Expertengruppe erarbeitet worden, es erfolgte eine nicht näher beschriebene Abstimmung mit betroffenen Fachgesellschaften (1). Tumorpatienten werden in den Hinweisen unter der Gruppe der sekundären Immundefekte subsumiert; andere hier eingeordnete Leiden sind HIV-Infektionen, Zustände nach Organtransplantation oder Stammzelltransplantation. In einer Präambel betont die STIKO (Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut), dass bei Patienten mit Immundefizienz folgende Problembereiche zu beachten seien: Es ist generell bei diesen Patienten von einem erhöhten Infektionsrisiko durch impfpräventable Erkrankungen auszugehen. Die Durchführung der empfohlenen Schutzimpfungen ist deshalb für diese Patientengruppen besonders wichtig. Der Impferfolg ist allerdings nicht immer erreichbar; die Nutzung von Titerbestimmungen wird ausdrücklich geraten. Bei gestörter bzw. unterdrückter Immunabwehr kann bei der Durchführung von Lebendimpfungen ein erhöhtes Impfrisiko bestehen, so dass lebende Impferreger (in der Regel Viren) lange Zeit absolut kontraindiziert waren. Auch heute sind Ausnahmen hiervon nur in Kenntnis der immunologischen Restfunktion des Patienten möglich. Totimpfstoffe sind für Patienten mit Immundefizienz ohne besonderes Risiko. Kombinationsimpfstoffe sind auf Grund ihrer einfachen Handhabbarkeit der Gabe der Einzelimpfstoffe vorzuziehen. Bei gesicherter immunologischer Restfunktion ist eine jährliche Impfung gegen Influenza durchaus sinnvoll. Bei immundefizienten Patienten ist besonderer Wert auf die Umgebungsprophylaxe, Expositionsprophylaxe und Postexpositionsprophylaxe zu legen. In der Umgebung des Patienten sollte möglichst konsequent und umfassend geimpft werden. Zu Reiseimpfungen bei Immundefizienz gibt es nur wenige valide Daten. Auch hier wird auf die besondere Notwendigkeit der Expositionsprophylae hingewiesen. Zu folgenden Einzelimpfungen nimmt die STIKO im Hinblick auf Reiseimpfungen Stellung: Impfungen gegen FSME und Hepatitis A stellen kein Problem dar, da es sich hierbei um Totimpfstoffe handelt. 24 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Impfungen gegen Typhus sollten die risikoärmeren Totimpfstoffe (Vi Kapsel-Polysaccharid-Vakzine; VICPS) verwendet werden. Impfungen gegen Gelbfieber sind als Lebendimpfung kontraindiziert. Für Impfungen gegen Cholera wird keine Empfehlung ausgesprochen. Zu Impfungen mit Lebendimpfstoffen konkretisiert die STIKO für onkologische Patienten zwei Eckpunkte: Patienten sollten mindestens 12 Monate in Remission sein. Die Lymphozytenzahl sollte > 1.500 Gpt/ µl sein. Tabelle 1 fasst die speziellen Hinweise der STIKO für Patienten mit onkologischer Grunderkrankung nochmals zusammen. Ein Blick auf die vom Robert-Koch-Institut übernommenen Referenzarbeiten mag verdeutlichen, dass die Datenlage insbesondere im Bereich der erwachsenen Patienten noch extrem unzureichend ist. Mit Blick auf die besondere Problematik der Impfungen von Kindern mit hämato-onkologischen Erkrankungen sei auf eine Arbeit aus dem Haunerschen Kinderspital München verwiesen, die sich dieser Problematik ausführlich annimmt (2). Impfungen für Patienten mit Tumorerkrankungen? Referenzen 1 Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut: Hinweise zu Impfungen für Patienten mit Immundefizienz. 10. November 2005 2 Graubner UB, Liese J, Belohradsky BH: Impfungen. Klein. Pädiatr 2001; 213 Sonderheft 1: A77-A83 3 Nilsson A et al.: Current chemotherapy protocols for childhood acute lymphoblastic leukemia induce loss of humoral immunity to viral vaccination antigen. 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Jens Büntzel Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Südharz-Krankenhaus Nordhausen gGmbH Dr. Robert-Koch Straße 39 99734 Nordhausen Erläuternder Text Referenzen Generell sind die zugelassenen Impfstoffe bei onkologischen Patienten mit nicht eingeschränkter Immunfunktion sicher und zeigen den gleichen Nutzen wie bei Gesunden. Zu Patienten mit Radiotherapie oder Chemotherapie gibt es nur retrospektive Daten, die sich auf hämatologische Patienten beziehen. Es ist auf Grund der Immunsuppression nur mit einer eingeschränkten oder einer fehlenden Impfantwort zu rechnen. 3, 4 Totimpfstoffe Die Applikation ist unbedenklich, die spezifische Immunantwort aber unsicher. Wenn möglich erst drei Monate nach Chemotherapie impfen. Lebendimpfstoffe Unter Chemotherapie/Immunsuppression grundsätzlich kontraindiziert. In Remission (>12 Monate), nach Abschluss der Therapie (inkl. Bestrahlung) bei normaler Lymphozytenzahl (>1.500 Gpt/l) möglich. Speziell D(D)TPa/IPV/Hepatitis B Hepatitis-B-Impfung reduziert das Risiko eines hepatozellulären Karzinoms. Konjugatimpfstoffe Hib bei Mb. Hodgkin und Leukämie für Kinder empfohlen, möglichst 10-14 Tage vor Behandlungsbeginn. Pneumokokken: Bei Mb. Hodgkin und Leukämie empfohlen, insbesondere nach Splenektomie. Möglichst vor Therapie. Serologische Kontrolle der Impfantwort. Meningokokken: Aus theoretischen Überlegungen zu empfehlen. Masern, Mumps, Röteln (MMR) Unter Chemotherapie oder Immunsuppression kontraindiziert. Nach Abschluss der onkologischen Therapie (12 Monate), vollständiger Remission und normalen Lymphozytenzahl (s.o.) möglich. 5, 6, 7, 8, 9 10 11, 12 Varizella-Zoster Virus(VZV) Vorgehen wie bei Masern. Influenza Einmal jährlich empfohlen. Unter Chemotherapie/ Immunsuppression eventuell unzureichende Immunantwort. Kontaktpersonen ebenfalls impfen. 13, 14, 15 Tab. 1: Empfehlungen der STIKO zu onkologischen Patienten Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 25 PSA-Test: Pro und Kontra Zur Früherkennung des Prostatakarzinoms PSA-Test: Pro und Kontra Von Jürgen Breul, Freiburg D ie Diskussion über den Stellenwert des PSA Tests in der Früherkennung des Prostatakarzinoms wird unter Experten kontrovers geführt. Die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Serum zur Diagnostik des Prostatakarzinoms hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren immer mehr Patienten in einem lokal begrenzten, potenziell kurablen Stadium diagnostiziert wurden. Im Rahmen zweier großer randomisierter Studien wurde überprüft, ob die PSA-Bestimmung zum Screening (Massenuntersuchung von gesunden Männern) geeignet ist. Die Ergebnisse der Studien haben in einigen Fragen Antworten erbracht, in anderen aber eine Reihe von neuen Fragen aufgeworfen, die Gegenstand intensiver Diskussion sind. Die europäische Screening-Studie hat im Wesentlichen zu zwei Erkenntnissen geführt: Auf der einen Seite eine Reduktion der Todesrate am Prostatakarzinom durch das Screening um 27 Prozent - auf der anderen Seite ein erhebliches Maß an Überdiagnose und Übertherapie. Berechnungen gehen von 48 Behandlungen aus, um ein Menschenleben zu retten. Abb. 1 PSA Molekül mit gebundenem Antikörper (grau) www.chemgapedia Das Prostatakarzinom Das Prostatakarzinom ist in den westlichen Industrieländern der häufigste Tumor des Mannes. In Deutschland wird die Zahl der Neuerkrankungen auf 58.000 pro Jahr geschätzt. Etwa 11.000 Männer versterben jährlich an dieser Erkrankung. Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung liegt bei 68 Jahren. Das Risiko eines Mannes während seines Lebens mit einem Prostatakarzinom diagnostiziert zu werden, beträgt 13 Prozent. Ein Viertel aller neu entdeckten Karzinome des Mannes sind in der Prostata lokalisiert. Das Prostatakarzinom steht mit 11 Prozent an zweiter Stelle der tumorbedingten Todesursachen. Das bedeutet, dass nur ca. ein Drittel der erkrankten Männer an dem Karzinom verstirbt. Der Krankheitsverlauf ist extrem heterogen. So kann das Karzinom unbehandelt in kurzer Zeit zum Tode führen. Es gibt aber durchaus Verläufe, bei denen der Betroffene ohne Therapie über viele Jahre ohne Beeinträch- 26 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 tigung durch den Tumor bleibt. So reicht das Behandlungsspektrum vom abwartenden Beobachten über die medikamentöse Therapie bis zur Operation und Bestrahlung. Auch multimodale Therapiekonzepte werden bei aggressiven und/oder fortgeschrittenen Karzinomen eingesetzt. Zur Diagnostik steht neben der digitalenrektalen Abtastung der Prostata die PSA-Bestimmung im Serum zur Verfügung. Das PSA ist eine Protease, die zur Verflüssigung des Ejakulats erforderlich ist. Sie wird ausschließlich von den Prostatadrüsenzellen gebildet. Bei Erkrankungen der Prostata (gutartige Vergrößerung, Entzündung und Karzinom) sind die Werte höher als bei Normalbefunden der Prostata. Das PSA ist also kein tumorsondern ein organspezifischer Marker. Dies erklärt auch die besondere Problematik: Es gibt keinen eindeutigen Grenzwert, ab dem PSA-Werte als pathologisch erhöht gelten. So liegt bei Werten um 1 ng/ml bereits in 5 Prozent der Fälle ein Karzinom vor, bei Werten um 4 ng/ml (oft als Grenzwert angegeben) bereits in 25 Prozent und bei 10 ng/ml in 60 Prozent. Wenn man den Schwellenwert sehr niedrig wählt (z.B. 1 ng/ml), wird man fast alle Prostatakarzinome erfassen, aber eine viel zu hohe Rate von falsch positiven Befunden haben - eine hohe Sensitivität bei sehr niedriger Spezifität. Eine unverantwortlich hohe Anzahl von Patienten würde mit der potenziellen Karzinomdiagnose konfrontiert und müsste sich einer Biopsie unterziehen. Wählt man eine Schwellenwert von 10 ng/ml, so übersieht man viel zu viele Karzinome niedrige Sensitivität bei höherer Spezifität. In Tab. 1 sind die Kriterien aufgelistet, die für ein sinnvolles Screening erfüllt sein müssen. Für das Prostatakarzinom sind die meisten Punkte gegeben - nur die Frage nach einem sinnvollen Testsystem bleibt unklar. Aus diesem Grunde wurde in zwei Studien überprüft, ob die PSA-Bestimmung für ein Screening geeignet sein kann. PSA-Test: Pro und Kontra Screeningstudien In einer in sieben europäischen Ländern durchgeführten Studie wurden zwischen 1990 und 2006 162.243 Männer im Alter zwischen 55 und 70 Jahren zufällig einer Screening Gruppe mit einer PSA Bestimmung alle 4 Jahre und einer Kontrollgruppe ohne PSA Bestimmung zugelost. Die entscheidende Frage war: Versterben in der Screeninggruppe weniger Männer am Prostatakarzinom? In der Screeninggruppe wurde in 8,2 Prozent und in der Kontrollgruppe in 4,8 Prozent der Fälle ein Prostatakarzinom diagnostiziert. In der Screeninggruppe fand sich weiterhin eine 20prozentige Reduktion der Todesrate am Karzinom. Die Daten wurden so interpretiert, dass 1.410 Männer untersucht und 48 behandelt werden müssen, um das Leben eines Patienten zu retten. Gleichzeitig wurde die amerikanische Screeningstudie für Tumore der Prostata, der Lunge, des Kolons und der Ovarien (PLCO) publiziert. In dieser Studie fand sich keine Reduktion der Todesrate für das Prostatakarzinom durch eine PSA Bestimmung. Abb. 2: Kernspinbild eines lokal-fortgeschrittenen Prostatakarzinoms Tab. 1: Kriterien für ein sinnvolles Screening Voraussetzungen Für PSA erfüllt? Bemerkung 1. Krankheit muss für die Volksgesundheit von Bedeutung sein ja Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes und zählt zu den häufigsten tumorbedingten Todesursachen 2. sie muss gut bzw. bei früherer Erkennung deutlich besser behandelbar sein ja In einer randomisierten Studie ist die Radikale Prostatektomie der verzögerten Hormontherapie signifikant überlegen. 3. das Testverfahren soll eine hohe Sensitivität und Spezifität aufweisen, d.h. der Test soll die gesuchte Erkrankung (die bestehenden Risikofaktoren) mit möglichst großer Sicherheit nachweisen oder ausschließen können. nur bedingt PSA weist - je nach Schwellenwert - eine zufriedenstellende Sensitivität aber eine schlechte Spezifität auf. Das bedeutet zu viele falsch positive Befunde. 4. die Untersuchung soll zeit- und kostengünstig sein. ja Einfacher Bluttest. Kostenpunkt ca. 30 € 5. die Untersuchung soll den zu Untersuchenden möglichst wenig belasten. ja Blutentnahme weniger problematisch als z.B. eine Röntgenuntersuchung oder eine Darmspiegelung Beide Studien haben in der Fach- und Laienpresse große Aufmerksamkeit erfahren und wurden vereinfacht meist dahingehend interpretiert, dass eine PSA Bestimmung keinen Sinn macht. In der täglichen Praxis hat sich diese Berichterstattung deutlich ausgewirkt. Sehr viele Patienten nahmen und nehmen von einer PSA-Bestimmung Abstand. Daten und Fakten Die amerikanische Studie erlaubt keine definitive Aussage zum Effekt der PSA-Bestimmung. Im so genannten Kontrollarm, also der Gruppe, die keine PSA Bestimmung erhalten sollten, ließen 52 Prozent (!) der Patienten doch einen PSA-Wert bestimmen, aus dem dann auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen wurden. Ein Teil der Patienten, bei denen der PSA-Wert bestimmt werden sollte, ließ den Test gar nicht durchführen. Beide Faktoren verwässern die Resultate in erheblicher Weise. Der Untersuchungszeitraum betrug zudem nur sieben Jahre. In der Europäischen Studie zeigt sich ein Unterschied zwischen den Armen frühesten nach acht Jahren. Die Amerikanische Studie war Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 27 PSA-Test: Pro und Kontra einfach zu kurz angelegt, um überhaupt einen Unterschied feststellen zu können. Wesentlich aussagekräftiger ist die europäische Studie. Allerdings war das „opportunistische Screening“ und die „Kontamination“ auch hier ein Problem. Bei 20 Prozent wurde entgegen dem Protokoll in der Kontrollgruppe doch ein PSA-Wert bestimmt. Wird dies berücksichtigt, so beträgt der Rückgang der Todesrate 27 Prozent. In Deutschland allein beachteter Effekt der PSA-Bestimmung war, dass auch um 30 Prozent weniger Patienten mit Fernmetastasen diagnostiziert wurden. Ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität, der wiederum zusätzlich fast 3.000 Männer in Deutschland betreffen würde. Etwa 1.400 Männer müssten untersucht werden, um ein Leben zu retten. Ähnliche Zahlen gelten allerdings auch für das Mammographiescreening beim Mammakarzinom. Auch hier wird eine 25-prozentige Reduktion der Todesrate durch die Mammographie unterstellt (prospektiv randomisierte Studien fehlen). Also ganz ähnliche Zahlen wie für das Prostatakarzinom, wobei berücksichtigt werden muss, dass eine Blutuntersuchung weniger belastend ist, als eine Röntgenuntersuchung. Berechnungen gehen davon aus, dass es durch das PSA-Screening zu einer Überdiagnose in 55 Prozent der Fälle kommt. Auch müssten 48 Patienten „betreut“ werden (nicht alle sind, wie oben erwähnt, behandelt worden), um ein Menschenleben zu retten. Die mathematischen MoRadikaloperation des Prostatakrebes mit Lupenbrille delle, die diesen Berechnungen zugrunde liegen, sind unter Statistikern nicht unumstritten. Unter wären das in jedem Jahr fast 3.000 Männer, Verwendung andere Modelle liegt die Rate die nicht am Prostatakarzinom versterben an Überdiagnose bei 27 Prozent - immer noch müssten. eine zu hohe Quote. Ein weiteres Problem der Studien ist, dass bei einem erhöht gemessenen PSA-Wert auch eine Konsequenz erfolgen muss. Das Zusammenfassung alleinige Angebot, eine PSA-Bestimmung Es kann als gesichert gelten, dass die PSAdurchführen zu lassen, wird nicht zu einem Bestimmung zu einer Senkung der TodesraEffekt auf die Todesrate führen. Es muss auch te am Prostatakarzinom um ca. 30 Prozent eine Biopsie und, im positiven Fall, eine Beführt. handlung erfolgen. Im schwedischen Arm der Studie sind 30 Prozent der diagnostiEs hat sich aber auch gezeigt, dass für das zierten Karzinome ohne Therapie geblieben Prostatakarzinom ein signifikantes Problem (watchful waiting). Ein weiterer, zu wenig der Überdiagnose besteht. Zu viele Patienten 28 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 würden mit der potenziellen Karzinomdiagnose konfrontiert und einer Biopsie unterzogen. Von den gefundenen Karzinomen müssen viele gar nicht behandelt werden. Aus diesem Grunde kann ein Massenscreening mittels PSA-Bestimmung nicht empfohlen werden. Der PSA-Test ist aber weiterhin das wichtigste Hilfsmittel zur Frühdiagnostik des Prostatakarzinoms und ist in vielen Fällen unverzichtbar. Er bietet uns die Möglichkeit einer Diagnose in einem heilbaren Stadium. Sinnvoll erscheint eine Untersuchung von Risikogruppen. Diese können durch eine PSA Bestimmung um das 40. Lebensjahr identifiziert werden. Liegen die Werte bereits zu diesem Zeitpunkt über dem Altersdurchschnitt, so ist das Risiko,im weiteren Leben ein Prostatakarzinom zu entwickeln, gegenüber Männern mit Werten unterhalb des Mittelwertes deutlich erhöht. Auch bei eine familiären Belastung sollten regelmäßig PSA-Bestimmungen erfolgen. Nicht geklärt durch die erwähnten Studien sind die Fragen nach der Lebensqualität und der Kosten-Nutzen Relation. In diese Überlegungen müssen dann auch die Probleme einer Palliativbehandlung bei fortschreitenden Tumoren eingehen. Aus den Studien ergeben sich folgende Aufgaben für die nahe Zukunft: 1. Die Entwicklung besserer Testsysteme mit höher Sensitivität und Spezifität 2. Methoden zu etablieren, die uns zuverlässig erlauben, die Tumore, die behandelt werden müssen von denen zu unterscheiden, die beobachtet werden können. Autor: Prof. Dr. med. Jürgen Breul Lorettokrankenhaus Mercystraße 6-14 79100 Freiburg [email protected] Kommentar vom Herausgeber Kommentar vom Herausgeber der „Onkologischen Pharmazie“ Klaus Meier Alles Vortreffliche ist ebenso schwierig wie selten (Spinoza, 1623) Den Aufforderungen, das Richtige zu tun und das Schlechte zu lassen, zum Trotz hat der Bundestag auf Anraten des Gesundheitsausschusses die 15. AMG-Novelle beschlossen. Diese wurde quasi tags darauf am 23. Juli im Bundesanzeiger veröffentlicht und damit rechtskräftig. Wie es künftig um Preisgestaltung und Abrechnungstechnik bestellt sein wird, muss uns das Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Tarifverbänden weisen. Die DGOP e.V. hat mit dem Ziel, die Patientenversorgung zu verbessern, ihre Argumente zuletzt durch die Übersendung der QuapoS 4 an jeden Abgeordneten des Bundestages eingebracht und wird nimmer müde, für diese Ziele mit Aktionen und Publikationen einzutreten. In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte von hoher Aktualität: Die multidisziplinäre Zusammenarbeit in der Entwicklung von Standards und die Sicherstellung der Patientenversorgung durch Intensivierung der pharmazeutischen Beratungstätigkeit. Wie soll das vonstatten gehen, werde ich oft gefragt, wenn doch die Rahmenbedingungen immer schlechter werden? 1. Multidisziplinarität Die Deutsche Krebsgesellschaft, in der wir eine AG gegründet haben, um die Interessen aller Onkologischen Pharmazeuten gebündelt einzubringen, fördert die Bildung von Organkrebs- und Onkologischen Zentren, um die Qualität der Patientenversorgung zu erhöhen. Die fachlichen Anforderungen an Onkologische Zentren wurden in speziellen Erhebungsbögen festgelegt und stellen die Basis für Zertifizierungen Onkologischer Zentren dar. In diesem Zusammenhang wird in dem von den Kliniken auszufüllenden Erhebungsbogen im Kapitel „Allgemeine Angaben zum Onkologischen Zentrum“ in Punkt 1.9 die Apotheke nicht nur erwähnt, sondern auch die Anforderungen, die an sie zu stellen sind, ausdrücklich formuliert. So werden neben der grundsätzlichen Qualifikation als Apotheker als erwünschte Zusatzqualifikation die Weiterbildung der Kammern und die der DGOP ausgeführt. Neben den allgemein anerkannten Tätigkeiten des versorgenden Apothekers wird auch die aktive Teilnahme des Apothekers an den Tumorkonferenzen des Zentrums gefordert. Letztlich wird die externe Abnahme eines QM-Systems empfohlen mit der Formulierung „z.B. apothekenspezifisches QM in der Zytostatika-Herstellung (DGOP)“. Hierzu können Sie auf der DGOP-Homepage (http://www.dgop.org/zer tifizierung_schnellabfrage.php) bereits vorab feststellen, ob Sie alle Voraussetzungen in die DGOP-Zertifizierung nach QuapoS einbringen. 2. Dienstleistungspauschale Die pharmazeutische Dienstleistung ist mehr als nur die Herstellung applikationsfertiger Zytostatika-Lösungen. Dies wird auch in der Stellungnahme der ABDA zur 15.AMG-Novelle vom 29. April deutlich. Unter weiteren Anregungen wird das Medikamentenmanagement als zukünftige Verpflichtung für die Apotheken angesprochen und das Modell der „Zeitraumverordnung“ vorgestellt, durch die der Apotheke bei der Aushändigung der Medikamente an chronisch Kranke eine größere Kompetenz zugesprochen werden soll. Wenn jetzt im Rahmen der AMG-Novellierung eine Herstellungspauschale von 70 Euro (wenn auch unter anderen Vorzeichen) auftaucht, die in keiner Weise per se einen Bezug zu pharmazeutischer Beratung und Betreuung aufweist, dann müssen wir umgehend große Anstrengungen unternehmen, damit statt der Herstellungspauschale eine Dienstleistungspauschale fixiert wird. Dem §13 wird nicht die Zukunft gehören. Nur überdimensionale oder überregional agierende Apotheken, oftmals finanziell getragen von einzelnen Pharmafirmen, werden hier den Gewinn ziehen. Da ist es nicht unvorstellbar, auch in dieser Zeit gleich mehrere, kapitalintensive Geräte, wie z.B. Herstellungsroboter aufzustellen, um in ganz Deutschland eine flächendeckende, wenn auch nicht patientennahe Großversorgung im Bereich der Zytostatika-Herstellung zu implementieren. Zum einen lassen sich dann Rabatte für die Kostenträger generieren, zum anderen kann die noch bestehende ortsnahe Versorgung noch stärker unter Druck gesetzt werden. Aus diesem Grund geht kein Weg daran vorbei, die pharmazeutische Beratung als notwendigen Bestandteil der Gesamtversorgung onkologischer Patienten einzubringen. Die DGOP wird in diesem Zusammenhang an die gesamte pharmazeutische Öffentlichkeit treten und im Laufe der nächsten 6 Monate zur Verdeutlichung der pharmazeutischen Beratungsmöglichkeiten Inhalte und Instrumentarien in regionalen Schulungsveranstaltungen präsentieren. Wir sind sicher, dass sich viele onkologisch tätige Apotheker zur Unterstützung bereit erklären, um der Bevölkerung die Kompetenz und Fähigkeit der Pharmazeutischen Betreuung vor Augen zu führen und der vorhandenen Nachfrage durch Krebspatienten „Vortreffliches“ zukommen zu lassen. Klaus Meier, August 2009 Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 29 30 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Pharmazeutische Betreuung KURZMELDUNG Pharmazeutische Betreuung onkologischer Patienten unter Therapie mit Capecitabin Mündliche Gruppen-Prüfung im Rahmen der PTA Weiterqualifizierung: „PTA Onkologie (DGOP)“ Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden: am 12. Juni 2009 Bruns, Christina /Moers Neubert, Katrin / Dresden Reinelt, German / Berlin Im Rahmen seiner Dissertation zeigte Sven Simons, dass Pharmazeutische Betreuung einen signifikanten Beitrag zur Complianceförderung von Patienten unter per os applizierbarer Chemotherapie leisten kann. Die Dissertation wurde an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn unter der Leitung von Prof. Dr. U. Jaehde und Prof. Dr. H. Schweim angefertigt und am 6. April 2009 verteidigt. Diese Arbeit ist 2009 im Verlag Dr. Hut unter der ISBN 978-3-86853024-7 erschienen und abzurufen unter: URL: http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online/math_nat_fak/2009/ simons_sven Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 31 Pflanzlicher Wirkstoff gegen Prostatakarzinom ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG Pressemitteilung der Deutschen Krebshilfe Pflanzlicher Wirkstoff gegen Prostatakarzinom Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern in Deutschland. Wenn der Tumor der Vorsteherdrüse früh genug erkannt wird, sind die Heilungschancen meist sehr gut. Doch sobald sich Tochtergeschwülste – so genannte Metastasen – gebildet haben, gibt es nur noch wenige Therapieoptionen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts untersuchen jetzt Privatdozent Dr. Peter Burfeind und Privatdozent Dr. Paul Thelen, beide Universitätsklinikum Göttingen, ob ein pflanzlicher Wirkstoff aus einem Liliengewächs beim metastasierten Prostatakarzinom wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Forschungsprojekt mit 300.800 Euro. Während Prostatakrebs in westlichen Gesellschaften eine der häufigsten Krebsarten bei Männern ist, spielt dieser Tumor in asiatischen Ländern wie China, Japan und Indien nur eine untergeordnete Rolle. „Die Ursache dafür liegt wahrscheinlich in der asiatisch geprägten Ernährung mit viel pflanzlicher Kost anstatt tierischer Eiweiße und Fette“, erklärt Burfeind vom Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Göttingen. „Experten vermuten, dass die Krebsvermeidenden Effekte der Nahrung in erster Linie auf Pflanzeninhaltsstoffe mit schwach östrogenen Eigenschaften zurückzuführen sind.“ Diese so genannten Isoflavone haben ähnliche Eigenschaften wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen und werden daher auch als „Phyto-Östrogene“ bezeichnet. Das Prostatakarzinom wächst bei fast allen Patienten hormonabhängig. Dabei stimuliert insbesondere das männliche Geschlechtshormon Testosteron das Krebswachstum. Doch auch das weibliche Hormon Östrogen wird in kleinen Mengen von den Hoden und im Fettgewebe produziert. Es fungiert im männlichen Stoff wechsel und damit auch in der Prostata als Gegenspieler des Testosterons und kann so auch das Wachstum von Tumorzellen bremsen. Bei der Entstehung eines bösartigen Tumors der Prostata sind diese hormonabhängigen Signalwege aber in vielen Fällen gestört. Infolge der genetischen Veränderungen (Mutationen) geht dann vom Östrogen der gleiche wachstumsfördernde Stimulus aus wie vom Testosteron. Die Göttinger Arbeitsgruppe hat nun ein Phyto-Östrogen mit tumorspezifischer Wirkung identifiziert, das genau dort eingreift, wo das Östrogen das Zellwachstums beeinflusst: Das Isoflavon mit dem wissenschaftlichen Namen Tectorigenin bindet an die Zelloberfläche der Krebszellen und vermag so unter anderem modulierende Östrogen-Si- 32 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 gnalwege wiederherzustellen, die im Prostatakarzinom eine Tumor-verhindernde Funktion einnehmen. Tectorigenin stammt aus der Wurzel des Liliengewächses Belamcanda chinensis. Diese Heilpflanze wird in der traditionellen chinesischen und koreanischen Medizin eingesetzt. „Wir wollen nun untersuchen, ob Tectorigenin zur Therapie beim Prostatakarzinom angewendet werden kann“, erklärt Thelen vom Zentrum für Chirurgie, Urologische Klinik der Universität Göttingen. Erste Experimente seien vielversprechend: So konnten die Wissenschaftler bereits im Labor mit Extrakten aus Belamcanda chinensis das Wachstum von Krebszellen hemmen und sogar im Tiermodell die Ausbreitung eines Tumors verlangsamen. „Zudem ist es denkbar, dass diese Substanz eines Tages auch vorbeugend gegen Prostatakrebs eingesetzt werden könnte“, so der Wissenschaftler. Bis zur Anwendung in klinischen Studien besteht jedoch noch weiterer Forschungsbedarf. Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern. Jedes Jahr erkranken über 58.000 Menschen neu daran. Rund 11.600 Betroffene sterben jährlich an einem bösartigen Tumor der Vorsteherdrüse. Die Deutsche Krebshilfe bietet einen allgemeinverständlichen blauen Ratgeber „Prostatakrebs“ an. Diese Broschüre kann kostenlos bestellt werden bei: Deutsche Krebshilfe, Postfach 1467, 53004 Bonn, oder im Internet unter www.krebshilfe.de heruntergeladen werden. Bonn, 17. Juni 2009 Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) stellt sich vor D er Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) ist die Dachorganisation der Prostatakrebs-Selbsthilfegruppen in Deutschland mit sechs überregionalen Gliederungen. Der Verband wurde im Jahr 2000 gegründet. Aktuell gehören ihm über 200 Selbsthilfegruppen an. Der BPS ist damit europaweit die größte und weltweit die zweitgrößte Organisation von an Prostatakrebs Betroffenen. Der BPS ist ein gemeinnütziger Verein unter der Schirmherrschaft der Deutschen Krebshilfe und ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, in der BAG Selbsthilfe, Gründungsmitglied der europäischen Prostatakrebsvereinigung „Europa UOMO“ und mit fünf Patientenvertretern im Gemeinsamen Bundesausschuss tätig. Der BPS informiert und berät Betroffene und ihre Angehörigen durch umfangreiches schriftliches Informationsmaterial (diverse Broschüren und ein dreimal jährlich erscheinendes Magazin), das auf Anfrage kostenlos erhältlich ist. Auf der BPS-eigenen Homepage (www.prostatakrebs-bps.de) sind vielfältige Informationen abrufbar. Zum Austausch steht den Betroffenen auch das Forum der Homepage zur Verfügung. Seit Februar 2008 erhalten Betroffene über die Patienten-Beratungshotline Informationen und Beratung durch ein speziell geschultes Team von Mitbetroffenen. Ziele und Aufgaben In gesundheitspolitischer Hinsicht setzt sich der BPS für eine verbesserte, beitragsfreie Früherkennung sowie eine schnellere Umsetzung von neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden ein. Ferner arbeitet er zurzeit an Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 33 Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. der Organisation eines Kompetenznetzes für Schwerstbetroffene sowie an der Erstellung eines zentralen Registers aller existierenden und laufenden Studien zum Prostatakrebs. Vertreter des BPS haben mitgewirkt an der S3-Leitlinie zur Behandlung des Prostatakarzinoms. Der BPS plädiert für eine kontinuierliche Überprüfung und Veränderung, der Leitlinie, um sie ständig auf der Höhe neuester medizinischer Entwicklung zu wissen. Damit verbindet der BPS auch die Hoffnung auf die fortlaufende Qualifizierung der Ärzte auf Basis des jeweils neuesten Standes der Medizin. Der BPS wird sich ebenfalls an der Formulierung einer Patientenleitlinie beteiligen. Der BPS ist mit einem Vertreter in der Kommission der Deutschen Krebsgesellschaft für die Zertifizierung von Prostatakarzinomzentren vertreten. Diese Kommission erarbeitet und aktualisiert die Zertifizierungskriterien zur Anerkennung als Prostatakarzinomzentrum. Die Zentren müssen eine interdisziplinäre Behandlung der Patienten auf Basis der Zertifizierungskriterien und in vertraglich fixierter und standardisierter Kooperation mit niedergelassenen Fachärzten nachweisen können. Ein weiteres zu erfüllendes Merkmal ist der Nachweis einer Kooperation mit einer Selbsthilfegruppe. Dieser Nachweis muss in schriftlicher Form bestehen und die Art der Zusammenarbeit beschreiben. Der BPS unterstützt die erste Versorgungsstudie des lokal begrenzten Prostatakrebs im deutschsprachigen Raum. Die HAROW Studie prüft die Lebensqualität und den Verlauf der Erkrankung bei Hormontherapie, Aktiver Überwachung, Radiotherapie, Operation, Warten und Beobachten. Aus den Selbsthilfegruppen des BPS haben sich 500 Patienten am retrospektiven Teil der HAROW Studie beteiligt. Der prospektive Teil der Studie soll bis Ende 2012 insgesamt 5.000 Patienten umfassen. Bis Mitte März 2009 wurden bereits 513 Patienten eingeschlossen. Das ursprüngliche Ziel, 250 Studienärzte zu gewinnen, ist hingegen bereits überschritten. Zurzeit sind 314 Ärzte in die Studie eingeschlossen worden, die von der Stiftung Männergesundheit getragen wird. Ständige Ziele des BPS sind die tägliche Hilfe für Betroffene durch die bestehenden Selbsthilfegruppen und mit der Hilfe unserer Patienten-Beratungshotline. Ein Aufbau weiterer Selbsthilfegruppen und ihre Qualifizierung sind ebenfalls Teil unseres Zielekatalogs. Die Stimme der Patienten in den Gremien der Gesundheitspolitik hörbar zu machen und damit sowohl die Versorgung als auch die Forschung für bessere Therapien zu verstärken, sind weitere Aufgaben des BPS. Ihnen haben sich die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitglieder unseres Verbandes verschrieben. Sie leisten diesen Dienst in der Überzeugung, dass sie damit Betroffene und ihre Nächsten motivieren und ihnen helfen bei der Bewältigung der Erkrankung Prostatakrebs. Erwartungen an die Onkologischen Pharmazeuten Der BPS dankt der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie für die von ihr angestoßene Zusammenarbeit. So wird es gelingen, den Apothekerinnen und Apothekern die Interessen der Prostatakrebspatienten und die Programmatik des BPS zu kommunizieren. Die Unterstützung der DGOP für die Bundesapothekerkammer bei der zertifizierten Fortbildung in der onkologischen Pharmazie tätigen Apothekerinnen und Apotheker ist für Patienten wichtig und hilfreich. Mit der für diesen Herbst geplanten Beratungskam- pagne der DGOP - „Kompetente Antworten auf scheinbar einfache Fragen - Apotheken beraten onkologische Patienten“ verbinden wir eine verbesserte Wahrnehmung der Problemstellungen zytostatisch behandelter Patienten und als Ergebnis praktische Hilfen. Nach der Vorstellung des BPS sollten diese und andere Bemühungen der DGOP ihren Ausdruck durch eine Erkennbarkeit ihrer Mitglieder finden, erarbeiten sie doch damit einen Beratungsmehrwert für Krebspatienten. Wünschenswert wäre auch, dass in DGOP Mitgliedsapotheken ein Diskretionsbereich existiert, in dem Patienten mit Apothekerinnen und Apothekern über ihre Therapie, ihren Zustand, Eigenbeobachtungen etc. sprechen können. DGOP Apotheken mit ihren Kenntnissen den Selbsthilfegruppen durch Beratung und Vorträge helfen. DGOP Apothekerinnen und Apotheker sich um Zugang zu den Qualitätszirkeln der Ärzte bemühen. DGOP Apothekerinnen und Apotheker Kooperationen mit Ärzten eingehen und Patienten beraten. Mit diesen Schritten sind sowohl eine größere Therapietreue als auch die Reduzierung von Neben- und unerwünschten Wechselwirkungen erreichbar. Kontakt: Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e. V. Alte Straße 4 30989 Gehrden Tel. 05108 926646 Fax. 05108 926647 E-Mail [email protected] www.prostatakrebs-bps.de 29. - 31. Januar 2010 Hamburg-Harburg 34 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 1. NZW in Dresden 1. NZW in Dresden vom 12. bis 13. Juni 2009 V om 11.-12. Juni 2009 fand der 1. NZWDresden in der sächsische Landeshauptstadt Dresden statt. Für das jüngste „Kind“ der NZW-Familie unter Schirmherrschaft der Sächsischen Landesapothekerkammer und sein innovatives Kongresskonzept war Dresden mit seinen Kulturgütern das passende Ambiente. So vereinte der NZW-Dresden ein hochkarätig besetztes Symposium zum Thema „Arbeitssicherheit“ mit praxisnaher Fortbildung, Zertifikatskursen der DGOP und interaktiver Industrieausstellung mit Live-Präsentationen. Mit dem polnischen Programmteil des 1. NZW-Dresden wurde die Tradition der Polnisch-Deutschen Konferenzen für Onkologische Pharmazie (PDOP) fortgesetzt. Bereits im 6. Jahr wurde polnischen und deutschen Apothekern die Möglichkeit der gemeinsamen Fortbildung und des Erfahrungsaustausches geboten und der Blick über den Tellerrand durch die Simultanübersetzung komfortabel gestaltet. Auch der nächste NZW-Dresden vom 18.-19. Juni 2010 garantiert praxisnahe Fortbildung – mit Sicherheit! Inhalt: Arzneimittel- & Arbeitssicherheit bei Arzneimitteln mit toxischem Potential – Der Spagat im Vorschriftendschungel Jürgen Barth, Gießen Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung von Zytostatika-Arbeitsplätzen Dr. Rudolf Schierl, München Neue molekulare Wirkmechanismen von Zytostatika Prof. Dr. Jerzy Pałka, Bialystok (Polen) Die MEWIP-Studie – Ergebnisse, Konsequenzen und Empfehlungen für die Praxis Dr. André Heinemann, Köln Fluoreszenzgestützte Operation maligner Gliome Dr. Carsten Schoof, Cottbus Kongressberichterstattung: Dr. Gudrun Heyn, Berlin Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg 1. NZW in Dresden Arbeitssicherheit bei Arzneimitteln mit toxischem Potential Vortrag von Jürgen Barth, Gießen Bei der Herstellung von Arzneimitteln garantieren Apotheker die Einhaltung höchster Anforderungen an die Arzneimittelqualität. Doch per Gesetz sind sie nicht nur ihren Patienten verpflichtet. Auch ihr Personal und sich selber müssen sie vor Gefahren bewahren. Dies gilt insbesondere, wenn mit kanzerogenen, mutagenen oder reproduktionstoxischen (KMR-) Arzneimitteln umgegangen werden muss. Inzwischen regelt eine Vielzahl an nationalen und internationalen Rechtsvorschriften die Herstellung, Verabreichung und Entsorgung von Zytostatika. „Dies macht es in der Praxis sehr schwer, den Überblick zu behalten“, sagte Jürgen Barth von der Universitätsklinik Gießen auf dem 1. Onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress NZW-Dresden (Abb. 1). Vor den 350 Teilnehmern zeigte der Leitlinienbevollmächtigte der DGOP anhand von Vorschlägen auf, wie ein möglicher Weg durch den Vorschriftendschungel aussehen könnte. Besonders die Anforderungen an den Personenschutz haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Noch im letzten Jahrhundert waren zweckbestimmte Produkte, wie Arzneimittel, Lebensmittelzusatzstoffe und Kosmetika nicht dem Chemikaliengesetz und der Gefahrstoffverordnung unterworfen. Heute ist dies anders. So gelten inzwischen alle Arzneimittel als potenziell gefährliche Substanzen, obwohl sie nicht als solche gekennzeichnet werden (Abb. 2). „Die qualitativen Anforderungen von Apothekern, Ärzten und Patienten an diese ‚gefährlichen‘ Arzneimittel werden im Gefahrstoffrecht jedoch nicht berücksichtigt“, sagte Barth. Gemäß Gefahrstoffverordnung ist bei einem berufsmäßigen Umgang mit Arzneimitteln eine Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes erforderlich. Alle Apotheken, Krankenhäuser und Arztpraxen sind dazu verpflichtet. Noch vor der Aufnahme einer Tätigkeit muss sie der Arbeitgeber durchführen. Zu seinen Aufgaben gehört es, die dazu nötigen Informationen zu beschaffen, Schutzmaßnahmen festzulegen und für das Vorliegen einer Betriebsanweisung zu sorgen. Doch die Gefährdungsbeurteilung eines Arbeitsplatzes oder eines Medikamentes ist in der Praxis nicht einfach. So muss sich der verantwortliche Apotheker mit einer Fülle von Informationen auseinandersetzen. Selbst auf dem Sicherheitsdatenblatt von Acetylsalicylsäure wird darauf verwiesen, dass es schädlich beim Verschlucken ist (Abb. 3). Abb. 1: Rechtsvorschriften für den berufsbedingten Umgang mit Zytostatika 36 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 Ein Verzeichnis von Stoffen, die als krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuft werden, enthält die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 905. Obwohl die TRGS noch auf dem Stand von 1998 ist, sind ihre Regelungen nach wie vor gültig. Für den Apotheker besonders wichtig ist darin eine Vorschrift über die Erfordernis von Schutzmaßnahmen. Demnach sind sie auch dann zu treffen, wenn dem Arbeitgeber Erkenntnisse vorliegen, dass ein Stoff als kanzerogen, mutagen oder reproduktionstoxisch einzustufen wäre. Somit könnte selbst Vitamin C unter diese Regelung fallen, denn in Studien wurde nachgewiesen, dass die Substanz die Bildung von Genotoxinen fördert. „Doch dies funktioniert nur mit Zellkulturen im Reagenzglas“, sagte Barth. Der Rat für die Praxis lautet: Pharmazeuten sollten das Gefährdungspotential einer Substanz nicht nach allgemeinen Informationen beurteilen, sondern nur darauf eingehen, welches Gefährdungspotential bei einem berufsbedingten Umgang vorliegt. Abb. 2: Ehemalige und nun gültige Regelungen 1. NZW in Dresden Abb. 3: Sicherheitsdatenblatt von Acetylsalicylsäure So müssen auch die unzähligen Informationen zur Gefährlichkeit von Arzneimitteln während der Schwangerschaft kritisch hinterfragt werden. Zu den sicherheitsrelevanten Substanzen, die schwere Schäden bei Kindern hervorrufen können und gleichzeitig bei der Arzneimittel-Herstellung in Apotheken eine Rolle spielen, gehören Proteine. Gefährlich machen sie ihre reproduktionstoxischen Eigenschaften sowohl für Frauen als auch für Männer. Beim Umgang mit monoklonalen Antikörpern sind daher Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich. Darauf weist etwa auch die Bundesgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hin (Abb. 4). Abb. 4: Monoklonale Antikörper erfordern Arbeitsschutzmaßnahmen Welche Bedingungen bei der Herstellung von Zytostatika zu beachten sind, ist in der EU-Leitlinie des PIC/S PE 010-3 geregelt. Bei Rechtsstreitigkeiten ist sie als antizipierendes Gutachten eine wichtige Orientierungshilfe für die Urteilsfällung. Im Oktober 2008 wurde die derzeit gültige Fassung des Guide to Good Practices for the Preparation of Medicinal Products in Healthcare Establishments veröffentlicht. Demnach ist in den Herstellungsstätten von Zytostatika ein Filter mit angemessener Wirksamkeit und eine Demarkationslinie zum Umkleidebereich erforderlich. Außerdem sollte der Zugang über eine Schleuse erfolgen. Abb. 5: Erforderliche Häufigkeit eines Umgebungsmonitoring Auch die Reinraumbedingungen sind in dem EU-Guide festgelegt. So wird im kritischen Bereich die Reinraumklasse A benötigt. Erreicht werden kann dies etwa mit LaminarAir-Flow-Geräten oder Biohazard safety Cabinets. Für den Hintergrundbereich hat sich die Reinraumklasse B durchgesetzt. Doch auch dies ist technisch noch recht anspruchsvoll. Die EU-Leitlinie enthält daher eine Öffnungsklausel. „Nach einer Risikoanalyse darf von den Forderungen abgewichen werden“, sagte Barth. Ein sinnvoller Rat für die Praxis könnte deshalb lauten: Die Luftkeimzahl im kontrollierten Hintergrundbereich muss geeignet sein, unter Herstellungsbedingungen die Reinraumklasse A im kritischen Bereich aufrecht zu erhalten. Nachgewiesen werden kann dies über ein Umgebungsmonitoring unter Herstellungsbedingungen (Abb. 5), durch eine gute und dokumentierte Personalschulung sowie Herstellungsanweisungen, in denen beispielsweise niedergelegt ist, welche Weiterverarbeitungsfristen für Ausgangsprodukte einzuhalten sind. Zudem ist ein Hygieneplan für das Personal und für die Betriebsräume aufzustellen. Auch eine repräsentative Nährmedienabfüllung zur Prozess- und zur Personalvalidierung ist sinnvoll. Damit die Öffnungsklausel wirksam werden kann, ist es wichtig, alle Maßnahmen zu dokumentieren. [Bericht: Dr. Gudrun Heyn] Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 37 1. NZW in Dresden Empfehlungswerte zur Gefährdungsbeurteilung von Zytostatika-Arbeitsplätzen Vortrag von Dr. Rudolf Schierl, München Zytostatika werden aufgrund ihrer zytotoxischen Eigenschaften als cancerogen, mutagen und reproduktionstoxisch (cmr-Arzneimittel) eingestuft. In der Zytostatikazubereitung spielt die dermale Aufnahme über kontaminierte Flächen eine wichtige Rolle. Um das gesundheitliche Risiko für das zubereitende Personal zu minimieren, sind Kontaminationen zu vermeiden. Dazu stellte Herr Dr. Schierl, Institut für Arbeitsmedizin der LMU München, eine Studie vor, in der 2245 Wischproben aus 102 Apotheken auf Kontaminationen mit Platin (1008 Proben, 99% positive Wischproben) und 5-Fluorouracil (1237 Proben, 75% positive Wischproben) analysiert wurden. Seit 2009 können mit der neuen MUC-Methode auch weitere Zytostatika bestimmt werden. Dabei stellte sich heraus, dass die LAF-Werkbänke (100% bzw. 85% positive Proben) und das Lager (100% bzw. 76% positive Proben), also Regale und Schubladen im Zytostatikazubereitungsraum besonders stark belastet waren. Die Kontamination des Lagers ist vermutlich eine Folge der Außenkontamination der angelieferten Ampullen. Anhand der Ergebnisse der Wischproben-Studie wurden von Herrn Dr. Schierl Empfehlungswerte erarbeitet, die Grenzen von akzeptablen bzw. optimierbaren Flächenkontaminationen festlegen. Voraussetzung für die Ableitung von Empfehlungswerten sind neben einem validierten Wischprobenverfahren (Tab. 1), das alle Arbeitsbereiche erfasst, eine sensitive Analytik sowie eine große Anzahl an Ergebnissen (n >1000). Der erste Empfehlungswert (EW1, akzeptabel) entspricht dem Mittelwert des Medians (50. Perzentil) aller zehn Standard-Probenahmeorte (wie z.B. Fußboden vor LAF, Lager, Ablage, Materialschleuse, Pactosafe). Der zweite Empfehlungswert (EW2, optimierbar) leitet sich vom Mittelwert des 75. Perzentils ab (Abb. 1). Zur anschaulicheren Darstellung der Empfehlungswerte wurde ein sogenanntes Ampelprinzip (Abb.2) eingeführt. Ferner zeigte sich, dass die gemessenen Kontami- nationswerte unabhängig vom Ausmaß der Zytostatikaherstellung sind. senen Werte einzuordnen und somit einen Anreiz zur Optimierung der Arbeitsplatzsicherheit darstellen. Die Einführung der Empfehlungswerte soll den Apotheken helfen, die bei Ihnen gemes- [Bericht: Dr. Brigitte Hübner] Wischproben LMU - Fluorouracil (FU) pg/cm² 80 60 40 75. Perz. 20 Abb 1: Untersuchte Wischproben 0 0 1 2 162 F LA en Bod 136 en Bod er Lag 3 126 4 5 200 . ber Vor 123 LAF 6 7 177 er. chb Na 8 58 a Abf ll 9 82 55 ort er nsf nsp Tra Tra 10 118 ere And Empfohlene Grenzwerte (EW) für Zytostatikakontaminationen in Apotheken Abb. 2: Das „Ampelprinzip“ mit den empfohlenen Grenzwerten (EW) Substanz Lösemittel zum Wischen Bestimmungsmethode Nachweisgrenze ng/Probe bzw. pg/cm2 Platin Salzsäure (2%) Voltametrie 0.02 0.05 5-Fluorouracil Methanol GC/MS 0.2 0.5 CP, IF,GC, Mtx, Dtx, Ptx Wasser GC/MS 0.2 0.5 *bei 20x20cm Cyclophosphamid (CP), Ifosfamid (IF), Gemcitabin (GC), Methotrexat (Mtx), Docetaxel (Dtx), Paclitaxel (Ptx) Tab.1: Validiertes Wischverfahren (seit 2000) 38 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 11 1. NZW in Dresden Neue molekulare Wirkmechanismen von Zytostatika Vortrag von Prof. Dr. Jerzy Pałka, Bialystok Die Fortschritte in der Krebstherapie beruhen, so Professor Jerzy Palka, auf der rasanten Entwicklung im Bereich der Molekularbiologie, also der Entdeckung von Wachstumsfaktoren, wie Epidermal Growth Factor (EGF) und Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) sowie Adhäsivproteinen und deren Rezeptoren. Insbesondere die Aufklärung verschiedener Signaltransduktionswege, die dann letztendlich die Genexpression regulieren, war bedeutend. Im Verlauf einer Tumorerkrankung ist diese Signalübertragung häufig gestört. Der Gefäßwachstumsfaktor VEGF bindet an die Rezeptoren auf der Gefäß-Endothelzelle und aktiviert im Zellinneren eine Tyrosinkinasedomäne. Tyrosinkinasen regulieren neben Serin-Threoninkinasen Zellwachstum, Stoffwechsel, Zelldifferenzierung und den programmierten Zelltod (Apoptose). Diese angiogenen Signale werden an den Zellkern weitergeleitet, um dort Gene zu aktivieren, die letztendlich zu Zellwachstum, Differenzierung, Gefäßneubildung und Apoptose führen. Dieser Signaling-Pathway kann, wie im Falle der EGFR-Signaltransduktion (Abb. 1) über mehrere Wege sehr komplex sein. Neue Antitumorwirkstoffe basieren oftmals entweder auf einer Hemmung der EGF- und/oder VEGF-Rezeptoren auf der Endothelialzelle oder der nachgeschalteten Signaltransduktionswege (Ras-Inhibitoren, PKC-Inhibitoren). Bei den derzeit verfügbaren monoklonale Antikörpern Cetuximab und Panitumomab handelt es sich um Antikörper gegen den EGF-Rezeptor. Eine duale Hemmung beider Rezeptoren ist ebenfalls möglich. Zu den endogenen Proteinen, welche die Angiogenese inhibieren, zählen Proteine wie Angio- und Endostatin, Interferone, natürliche Inhibitoren der Matrixmetalloproteinase (TIMP-1 - 3). Diese natürlichen Inhibitoren der Matrixmetalloproteinasen (MMP), körpereigene Endopeptidasen, agieren in Verbindung mit Wachstumsfaktoren und spielen insbesondere bei Zell-Zell- und Zell-Extrazellulärmatrix-Interaktionen eine entscheidende Rolle. MMP werden von der Endothelialzelle sezerniert und bauen die Abb. 1: EGFR-Signaltransduktion Extrazellulärmatrix proteolytisch ab. Sie besitzen eine Schlüsselrolle in der Tumorentwicklung, weshalb ihre Antagonisten, als therapeutischer Ansatz in den Fokus des Interesses rücken. Zu den synthetischen MMP-Inhibitoren der ersten Generation zählen Marimastat und Batimastat Es befinden sich laut Professor Palka bereits zahlreiche Medikamente, die gezielt in diese molekularen Mechanismen der Zelle eingreifen, in der klinischen Prüfung (Tab.1). [Bericht: Dr. Brigitte Hübner] Wirkungsmechanismus Arzneistoffe in klinischer Prüfung Integrin-Rezeptor-Blockade Vitaxin, EMD 121974 Hemmstoffe der Signaltransduktionswege Proteinkinase C (PKC) Inhibitoren: Bryostatin, Staurosporin, Edelfosin Src Inhibitoren: Herbamycin Ras-Inhibitoren: BMS-214662 Inhibitoren des Multi-Drug-Resistence (MDR)-Gens Biridocar Matrix-Metalloproteinase (MMP)-Inhiboitoren Marimastat, Bay 12-9566, Neovastat Tab. 1: Neuartige Antitumorwirkstoffe in klinischen Studien Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 39 1. NZW in Dresden MEWIP-Studie: Ergebnisse, Konsequenzen und Praxisempfehlungen Vortrag von Dr. André Heinemann, Köln Zytostatika-Medikamente besitzen c (cancerogene), m (mutagene) und r (reproduktions-toxische) Eigenschaften, so dass bei der zentralen Zytostatikazubereitung in Apotheken strikte Arbeits-Schutzmaßnahmen einzuhalten sind. Im Zeitraum von 2006 bis 2007 wurde von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) die MEWIP-Studie (Monitoring-Effekt-Studie für Wischproben in Apotheken) durchgeführt, um Daten zur Umgebungsbelastung mit Zytostatika zu gewinnen und die Entstehung und Verbreitung von Kontaminationen aufzuklären. Ferner sollten die Auswirkungen des Wischproben-Monitorings untersucht werden. Dazu wurden in 130 Zytostatika zubereitenden Apotheken ingesamt 1272 Wischproben gesammelt und auf 8 Zytostatika (5-Fluorouracil, Cyclophosphamid, Docetaxel, Etoposid, Gemcitabin, Ifosfamid, Methotrexat und Paclitaxel) hin untersucht. Die Proben wurden jeweils an drei ausgewählten Flächen (Fußboden unter der Werkbank, häufig genutzte Arbeitsfläche sowie Kühlschranktüre) in regelmäßigen Abständen genommen (Abb 1 und 2) und der Gehalt an Kontamination mit analytischen Methoden (LC-MS/MS) bestimmt. Die teilnehmenden Apotheken wurden in zwei Gruppen eingeteilt: In Gruppe A erfolgte die Wischprobennahme quartalsweise, wobei den Apotheken die Messergebnisse stets mitgeteilt wurden. In Gruppe B wurden die Wischproben nur zu Beginn und am Ende der Studie genommen. Die Messergebnisse wurden erst nach Abschluss des Monitorings mitgeteilt (Abb. 3). Erwartungsgemäß nahm die Anzahl positiver Wischproben in der Gruppe A im Studienverlauf ab, während in Gruppe B das Ausmaß der Kontamination bis zum Ende der Probenahme unverändert blieb. Beim Umgang mit cmr-Arzneistoffen gibt es derzeit keine Grenzwerte im Sinne eines sicheren Expositionslevels, deren Einhaltung durch entsprechende Maßnahmen gewähr- Abb. 1: Anteil positiver Wischproben nach Probenahmeort leistet und kontrolliert werden könnte. Zur Bewertung der Umgebungsbelastung mit Zytostatika und der Belastungssituation kann einerseits ein Biomonitoring, aber auch das Verfahren der Wischprobennahme genutzt werden. Gegenüber dem Biomonitoring bietet das Wischprobenmonitoring den Vorteil, Informationen zu Kontaminationsursachen und Verbesserungsmöglichkeiten zu liefern. Es hat sich daher als kostengünstiges Verfahren zur Sicherung und Verbesserung des Arbeitsschutzes erwiesen. Die MEWIP-Studie hat ferner nach den Ausführungen von Herrn Dr. Heinemann gezeigt, dass in den meisten Apotheken die Maßnahmen zum Mitarbeiterschutz gewissenhaft umgesetzt werden und bereits ein relativ hoher Standard existiert. Beim Anteil positiver Wischproben konnte folgende Reihenfolge hinsichtlich der Intensität der Kontamination festgestellt werden: 73% der positiven Wischproben wurden auf dem Fußboden gefunden. Die Arbeitsfläche war zu 61% und der Kühlschrank zu 49% kontaminiert (Abb. 2). Es bestand ferner keine Korrelation zwischen Kontamination bzw. Umgebungsbelastung und Zubereitungsanzahl. Dies bedeutet, dass auch Apotheken mit hohem Zubereitungs- 40 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 zahlen infolge einer konsequenten Einhaltung der Arbeitshygiene ein geringes Kontaminationslevel im Zytostatika-Arbeitsraum erzielen können. Aus den Daten lassen sich ferner folgende Handlungsempfehlungen sowie ergänzende Handlungsempfehlungen für die Praxis (Abb. 4)) ableiten: • Wischdesinfektion der Arzneimittelflaschen Auf der Basis der Studienergebnisse ist eine Wischdesinfektion aller Arzneimittelflaschen zu empfehlen. Studienteilnehmer, die eine Sprühdesinfektion oder keine Desinfektion der eingesetzten Zytostatikaflaschen durchgeführt haben, wiesen signifikant höhere Kontaminationswerte auf. • Fortluftführung Bezüglich der Luftführung der Sicherheitswerkbänke im Herstellungsraum wurde im Rahmen der Studie eine positive Tendenz zu Gunsten von Fortluftsystemen beobachtet. Dieser Effekt war jedoch nicht statistisch signifikant. Daher wird bei Umbzw. Neubaumaßnahmen die Realisierung 1. NZW in Dresden der Fortluftführung für alle Zytostatikawerkbänke empfohlen. Auswahl der Probenahmeorte • Regelmäßiges Wischprobenmonitoring In der MEWIP-Studie konnte ein positiver Effekt eines regelmäßigen Monitorings auf das Kontaminationslevel gezeigt werden. Da Zytostatikakontaminationen in der Regel visuell nicht erkannt werden können, ist das Umgebungsmonitoting mit Wischproben zur gezielten Optimierung der Arbeitsabläufe und Effektivitätskontrolle der Maßnahmen hilfreich. Die Auswertung des Fragebogens zur Datenerhebung und Beurteilung der aktuellen Arbeitssituation der Zytostatikaherstellung in deutschen Apotheken kann dem Beitrag von Frau Hadtstein in der Ausgabe 02/2009 Onkologische Pharmazie entnommen werden. Am häufigsten benutzte Arbeitsfläche Kühlschranktür inkl. Türgriff Fußboden vor Zytostatikawerkbank Abb. 2: Auswahl der Probenahmeorte Erwarteter Verlauf der Belastung - Studiengruppen A und B 3000 2000 Der Abschlussbericht zur MEWIP-Studie kann unter www.bgw-online.de oder www. pharmna-monitor.de heruntergeladen werden. 1000 500 200 100 [Bericht: Dr. Brigitte Hübner] 50 Keine Mitteilung der Ergebnisse 20 Keine Mitteilung der Ergebnisse Gruppe B Abb. 3: Erwarteter Verlauf der Belastung während der MEWIP-Studie Abb. 4: Ergänzende Handlungsempfehlungen für die Praxis in Apotheken (1) (2) Gesamtsubstanzbelastung (ng/cm²) 10 5 Mitteilung der Ergebnisse (1. Messung) 2 1 Gruppe A Mitteilung der Ergebnisse (2. Messung) 0,5 0,2 Mitteilung der Ergebnisse (3. u. 4. Messung) 0,1 0,05 1 2 3 4 5 Wischprobe Ergänzende Handlungsempfehlungen für die Praxis Substanzverschleppungen vermeiden • Handschuhe bei jedem Kontakt mit zytostatikahaltigen Flaschen tragen • Reinigen der Ampullenflaschen vor der Herstellung oder bereits vor dem Einlagern (Reinigung z. B. in alter/überzähliger Werkbank) • Darauf achten, dass es beim Reinigen nicht zur Umverteilung von Zytostatika kommt • System aus doppelten Handschuhen beim Reinigen tragen und danach direkt wechseln • Bei Desinfektion der Flaschen ebenfalls beachten, dass anhaftende Zytostatikarückstände gelöst und verteilt werden können Flüssigkeitsaufnehmende Unterlagen einsetzen Substanzanhaftungen können von Behältern auf Abstellflächen übertragen werden. Unterlagen daher regelmäßig wechseln! Tabletts oder Boxen für den Transport verwenden ...auch auf kurzen Wegen (z. B. von Arbeitsfläche zur Werkbank) Bereichs- bzw. Überschuhe wechseln Wechseln der Schuhe beziehungsweise Überschuhe beim Verlassen sowohl des Herstellungsraums als auch des Zytostatikabereichs Papierlose Dokumentationen bevorzugen Übertragung von Zytostatikaresten durch Dokumente die vermeintlich „saubere“ Bereiche kontanimieren könnten, wir vermieden. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 41 1. NZW in Dresden Fluoreszenzgestützte Operation maligner Gliome Vortrag von Dr. Carsten Schoof, Cottbus Immer noch zählen Glioblastome zu den bösartigsten Tumoren. Doch in den letzten Jahren sind die Überlebenschancen der Patienten deutlich gestiegen. „Diese Entwicklung verdanken wir neben einer verbesserten Chemotherapie auch einer neuen operativen Methodik“, sagte Chefarzt Dr. Carsten Schoof vom Carl-Thiem-Klinikum Cottbus auf dem 1. Onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress NZW-Dresden. 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) heißt die fluoreszierende Substanz, mit deren Hilfe bei einer Operation das maligne Gewebe sichtbar gemacht werden kann. Besonders randständiges und infiltrierendes Tumorgewebe lässt sich so wesentlich besser erkennen und präziser entfernen. 5-ALA ist ein körpereigener Stoff, der sich deutlich stärker in Tumorzellen als in Körperzellen anreichert, wenn er systemisch gegeben wird. Durch eine Reihe enzymatischer Reaktionen wird das Prodrug zu fluoreszierenden Porphyrinen, vor allem zu Protoporphyrin IX (PP IX) metabolisiert. Bei der Operation wird diese Eigenschaft genutzt. „Wir bestrahlen das Gehirn mit Dunkelviolettlicht, sodass PP-IX zum Leuchten angeregt wird und der Kontrastmittel-aufnehmende Tumor wird sichtbar“, sagte Schoof (Abb. 1 und 2). In Deutschland erkranken jedes Jahr 3 von 100.000 Einwohnern neu an einem Glioblastom. Zumeist sind die Patienten bei der Diagnosestellung in einem mittleren Alter um die 53 Jahre, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen. Die Tumore entstehen ohne Beteiligung von Metastasen direkt im Gehirn. Die Prognose der Patienten ist nicht besonders günstig. Vor allem bunte Glioblastome (Glioblastome multiforme) wachsen sehr schnell und aggressiv, was ihre Behandlung nicht gerade einfach macht. Doch noch eine weitere Eigenschaft der Hirntumore erschwert die Therapie deutlich: Während der Zentralbereich eines Glioblastoma multiforme durch sein nekrotisches oder solides Gewebe für den Operateur gut zu erkennen ist, stellt der Randbereich eine große Herausforderung dar. In der Regel ist er gut durchblutet, so dass der Übergang zum Gesunden mit den bislang üblichen Operati- 5-ALA in Cottbus Dunkelviolettlicht (400 nm) wird mit einem Joystick zugeschaltet (durch die hohe Lichtintensität überstrahlt das OP-Gebiet) Abb. 1: Fluoreszenzgestützte Tumorresektion; Derselbe Tumor (temporales Glioblastom) mit Weißlicht und Dunkelviolettlicht. Der Resttumor leuchtet hellrosa auf! Abb. 2: Unterschiedliches Erscheinungsbild desselben Tumors ohne und mit Hilfe von 5-ALA onsmethoden nur schwer zu identifizieren ist. Zudem gibt es in der Peripherie immer wieder einzelne Tumorzellen, die versprengt in das Interstitium infiltrieren (Abb. 3). se, vermindert ein perfokales Tumorödem, ermöglicht eine Applikation lokaler Therapeutika und verbessert die Erfolgschancen von Zusatztherapien. Zur Therapie von Glioblastomen empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie das Tumorgewebe operativ zu entfernen, soweit dies möglich ist. Dabei hat die Vermeidung neuer permanenter neurologischer Defizite eindeutig Vorrang vor der kompletten Resektion des Tumors. Nur wenn wichtige Hirnbereiche geschont werden, kann die Lebensqualität der Patienten erhalten oder sogar wiedergewonnen werden. Doch selbst wenn das maligne Gewebe nur teilweise entfernt werden kann, profitieren die Patienten von einer Resektion. Sie sichert die Diagnose, reduziert die Raumforderung der Tumormas- Nach der Resektion oder der Biopsie ist heute eine lokale Strahlentherapie Mittel der Wahl. Außerdem wird eine begleitende oder erhaltende Chemotherapie durchgeführt. Auch eine lokale Chemotherapie mit einem Depot-Wirkstoff ist möglich. Gleich nach der operativen Entfernung des Tumors wird das Implantat gezielt in die Operationshöhle gesetzt. Bei Rezidiven kann eine Therapieentscheidung dagegen nur individuell getroffen werden. 42 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 „Vor allem durch die Chemotherapie mit dem Alkylans Temozolomid sowie der loka- 1. NZW in Dresden Chirurgische Therapie Der Wert einer möglichst kompletten Tumorresektion gegenüber einer Teilresektion oder einer Biopsie (z.B. stereotaktische PE) war vor der 5-ALA-Studie nicht eindeutig bewiesen. len Chemotherapie mit Carmustin-haltigen Gliadel-Wafern hat sich die Prognose der Patienten in den letzten Jahren deutlich verbessert“, sagte Schoof. So wird heute mit der Kombination von Resektion, Bestrahlung, systemischer und lokaler Chemotherapie eine mittlere Gesamtüberlebensrate von 21 Monaten erreicht. Viele Jahrzehnte betrug sie trotz Operation und Bestrahlung dagegen nur etwa ein Jahr. Mit Hilfe der fluoreszenzgestützten neuen Operationstechnik ist jetzt sogar noch eine weitere Steigerung möglich. Dazu erhalten die Patienten 20 mg 5-Aminolävulinsäure pro Kilogramm Körpergewicht in einer frisch zubereiteten Trinklösung drei Stunden vor dem Eingriff. Alleine durch die komplettere Tumorresektion mit Hilfe von 5-ALA steigt die mittlere Überlebenszeit der Patienten auf 17,9 Monate im Vergleich zu 12,9 Monaten ohne 5ALA, wenn die Patienten zusätzlich eine Radiotherapie erhalten (Abb. 4). Außerdem zeigt eine Multicenter-Studie, dass Kontrastmittel-aufnehmendes Tumorgewebe mit der neuen Methode bei 65 Prozent der Patienten komplett entfernt werden kann, während bei einer üblichen Resektion die vollständige Entfernung nur bei 36 Prozent der Patienten gelingt. 6 Monate nach der OP konnte zudem bei 41 Prozent der 5-ALA-Patienten kein Rezidivtumor im MRT nachgewiesen. Dagegen waren in der Vergleichsgruppe nur noch 20 Prozent der Patienten Rezidiv-frei. Bezüglich der Häufigkeit von schweren oder leichten Nebenwirkungen gab es keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen. Eine komplette Entfernung allein durch die Operation ist nicht möglich! Abb. 3: Ohne 5-ALA ist die möglichst vollständige Entfernung des Tumors deutlich erschwert Chirurgische Therapie mit 5-ALA Vorteile der fluoreszenz-gestützten Tumorresektion: Auswertung der Überlebenskurven nach Kaplan-Meier: Pat. ohne KM-aufnehmenden Tumorrest hatten eine mittlere ÜZ von 17,9 Mon. im Vgl. zu 12,9 Mon. mit im MRT sichtbaren Tumorrest! Abb. 4: Deutlicher Überlebensvorteil der Patienten, die mit Hilfe von 5-ALA Kontrastmittel (KM) operiert werden Bei der Anwendung von 5-ALA sind jedoch einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. So sollten Haut und Augen der Patienten in den ersten 24 Stunden nach der Gabe des Arzneimittels keinen intensiven Lichtquellen ausgesetzt sein. Außerdem ist die gleichzeitige Gabe anderer potenziell phototoxischer Substanzen, wie etwa Tetrazyklinen oder Sulfonamiden, zu vermeiden. Auch hepatotoxische Substanzen sollten in den ersten 24 Stunden nicht gegeben werden. Vorsicht ist zudem bei Patienten mit einer schweren kardiovaskulären Erkrankung geboten, da 5-ALA den Blutdruck etwas zu senken vermag. Seit der Zulassung von 5-ALA HCL (Gliolan®) im September 2007 sind in Cottbus 50 Glioblastom-Patienten mit Hilfe des Prodrugs operiert worden. „Wir haben bisher jedoch noch nie Probleme gehabt“, sagte Schoof. [Bericht: Dr. Gudrun Heyn] Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 2/2009 | 43 PTA auf dem pharmazeutisch-onkologischen Fachkongress NZW INTERVIEW PTA auf dem pharmazeutisch-onkologischen Fachkongress NZW Interview mit zwei Teilnehmern Der NZW – das sind nicht nur Apotheker – sondern auch Fachleute mit anderen pharmazeutischen Berufen, die immer häufiger ihren Weg nach Hamburg finden. In diesem Jahr nahmen an dem PTA-Kongress über 100 PTAs teil. Freitags fand das Exklusiv-Programm für die PTAs im Allgemeinen Krankenhaus Harburg (AK Harburg) statt. Für die Onkologische Pharmazie diskutierte unser Redaktionsmitglied Dr. Gabriele Gentschew mit Frank Lehmann und mit Manfred Viets. Frank Lehmann arbeitet als PTA im Vivantes Klinikum Neukölln, während Manfred Viets aus dem Klinikum Oldenburg kommt. Bei der Exklusivität setzte auch gleich die Kritik ein. Die Themen und Arbeitsgruppen sollten unabhängig von der Berufsgruppe frei wählbar sein, forderte Manfred Viets. Sein Kollege Frank Lehmann pfl ichtete ihm bei und wunderte sich über den Sinn der Trennung. Frank Lehmann, der seit mehr als einem Jahrzehnt in der zentralen Zytostatika-Herstellung als PTA in der Klinikapotheke arbeitet, fragt sich doch hin und wieder, wie hoch seine persönliche Belastung ist und wollte den neuesten Stand der Dinge sehen. „Immerhin will ich die Rente gesund erleben“ schmunzelt er. Über die Qualitätsverbesserung im täglichen Arbeiten berichtet Manfred Viets: nach dem letzten NZW konnte das Einmalwischsystem auf seinen Vorschlag hin in der KrankhausApotheke gut umgesetzt werden. Außerdem hat der seit 17 Jahren in der Herstellung arbeitende PTA es sich zur Aufgabe gemacht, sich um die technische Wartung der Reinraumtechnik zu kümmern. Wichtig für beide ist der Informationsaustausch mit anderen PTAs, vor allem interessiert es die Krankenhaus-PTAs, die selbst keinen Kontakt zu den Patienten haben, über die Arbeit in öffentlichen Apotheken zu hören. Komplizierte Vorträge mit unübersichtlichen Diagrammen wurden mit deren Worten kommentiert: „Unseren Kunden können wir das so nicht erklären!“ Gabriele Gentschew Besonders interessant ist für (Onkologische Pharmazie), Frank Lehmann die IndusFrank Lehmann und trieausstellung. Hier konnte Manfred Viets (v.l.n.r.) er beispielsweise verschiedene Spikes selbst ausprobieren. Für Manfred Viets waren die Handschuhe Thema. Welche Wünsche hätten Sie nun an ihren Arbeitsplatz? „Eine bessere personelle Ausstattung!“ kommt als klares Statement. „Es ist manchmal anstrengend Stunde um Stunde davor zu sitzen und ohne Wechsel zu arbeiten“ berichtet Manfred Viets. „Im Alltag bestimmt das medizinische Versorgungszentrum als Kunde das Pausenverhalten in der Apotheke“, klagt Frank Lehmann. Da fällt dann die Frühstückspause einfach aus. Würden Sie anderen PTAs den Kongress empfehlen? „Auf jeden Fall!“ antwortet Frank Lehmann. „Man wird am Arbeitsplatz ernster genommen, weil man in Hamburg-Harburg auf Kongress war. Ich bin her gekommen, um eine Bestätigung für mein Arbeiten zu Hause zu bekommen. Hier sehe ich, dass es ganz ok ist, was wir machen.“ Manfred Viets stimmt zu: „Ich bin bereits das dritte mal hier und komme auch gern zum vierten mal wieder! 44 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 PTA auf dem pharmazeutisch-onkologischen Fachkongress NZW Der PTA-Kongress im Rahmen des NZW Von Claudia Woeste, Berlin D as letzte Wochenende im Januar ist seit nunmehr 17 Jahren für den NZW reserviert, der im Kongresshotel Lindtner in Hamburg-Harburg stattfindet. Dieser pharmazeutisch-onkologische Fachkongress richtet sich in erster Linie an pharmazeutisches Personal, das in der Zytostatikaherstellung tätig ist. Hierzu zählen Apotheker/innen, Pharmazieingenieure/innen und pharmazeutisch technische Assistenten/innen(PTA). Diese haben im Rahmen des Kongresses die Möglichkeit, sich in Haupt- und Kurzvorträgen, Satelliten-Symposien, zahlreichen Workshops, Zertifi katskursen sowie in der Industrieausstellung über Neuerungen, Änderungen und Tendenzen in diesem umfangreichen Themenbereich zu informieren und im persönlichen Gespräch ihre praktischen Erfahrungen auszutauschen. Aufgrund der stetig steigenden Attraktivität des NZW und damit auch konsequent steigender Teilnehmerzahl an PTA`s wurde vor 7 Jahren ein eigener Kongressteil für diese Berufsgruppe geschaffen. Da im Medienzentrum des Allgemeinen Krankenhauses Harburg (AKH) ein zusätzlicher ausreichend großer Vortragsraum zur Verfügung steht, findet der NZW-PTA ganz in der Nähe zum Kongresshotel am Samstag Vormittag statt. Durch den bereitgestellten Bus-Shuttle hat jede/r Teilnehmerin/ er über den PTA-Kongress hinaus die Möglichkeit, an allen Veranstaltungen des NZW teilzunehmen. Die Themen der Vorträge auf dem PTAKongress und dessen speziell zugeschnittene Workshops können von PTA`s selbst vorgeschlagen werden. Die Referenten werden durch das Wissenschaftliche Komitee des Kongresses angefragt und ausgesucht. Ein Schwerpunkt bei der Auswahl ist hierbei der Bezug zur täglichen Praxis sowohl im Offizin- als auch im Krankenhausbereich. Hierin eingeschlossen ist auch die Vermittlung von theoretischem Wissen zu den neuen Wirkstoff klassen wie monoklonale Antikörper und Tyrosinkinasehemmer, auch wenn dieses manchmal von einigen Teilnehmern als „schwerverdauliche Kost“ angesehen wird - was wirkt wo und wie und worin liegen die Unterschiede zu den klassischen Zytostatika? In diesem Jahr stand daher der 7. PTAKongress unter dem zukunftsweisenden Thema „Orale Chemotherapien“. Ein sehr praxisrelevantes Thema, da die Einführung oraler Zytostatika und Tyrosinkinasehemmer in die onkologische Therapie nicht nur eine Verlagerung in den ambulanten Bereich mit sich bringt und damit eine intensive Beratung und pharmazeutische Betreuung des onkologischen Patienten erfordern wird. Ein Beispiel zur Informationsweitergabe wurde am Nachmittag im Workshop „Visuell unterstützte Patientenaufklärung zur Erhöhung der Compliance in der oralen Zytostatikatherapie“ vermittelt und anhand von Beispielen in kleinen Gruppen erarbeitet. Deshalb ist im Beratungsgespräch mit dem/der Patienten/in besonderer Wert auf den Zeitpunkt der Einnahme sowie die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und/oder Nahrungsmitteln zu legen. Gut geschultes und trainiertes Apothekenpersonal ist sowohl in der Zytostatikaherstellung als auch in der Beratung unerlässlich. Ziel aller in diesem Bereich tätigen Berufsgruppen ist die höchstmögliche Sicherheit für die onkologischen Patienten im Alltag zu gewährleisten. Um diesem Ziel näher zu kommen, ist der NZW-PTA bestens geeignet. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 45 Supportivtherapie in der Onkologie „Supportivtherapie in der Onkologie feiert 20. Geburtstag“ Konferenzbericht vom Fachpresse-Workshop Supportivtherapie am 10. Juli 2009 Von Bettina Reich, Hamburg S upportive Maßnahmen in der Onkologie sind viel mehr als nur unterstützende Begleittherapien, betonte Professor Dr. med. Hans-Joachim Schmoll, Direktor der Klinik für Innere Medizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Moderator des Jubiläums-Workshops. Die Supportivtherapie umfasst die Prävention und das Management unerwünschter Wirkungen einer Tumorerkrankung und der onkologischen Therapie über den gesamten Zeitraum der Erkrankung hinweg und bedeutet auch die Verbesserung der Rehabilitation und des Überlebens. Der Hallenser Onkologe führte aus: “Selbst nach 20 Jahren Supportivtherapie lässt sich feststellen: Wir müssen noch weiterhin daran arbeiten, dass die Supportivtherapie essentieller Bestandteil eines jeglichen modernen Tumortherapiekonzeptes ist und die supportiven Maßnahmen weiterhin optimiert werden”. Unter diesem Aspekt wurden im Fachpresse-Workshop vier wichtige Themenkomplexe behandelt: Die orale Mukositis stellt nicht nur eine subjektiv stark belastende Nebenwirkung dar, sondern kann auch zum dosislimitierenden Faktor werden. Daher sollte eine entsprechende leitliniengerechte Behandlung und adäquate Mundhygiene obligat sein. Ebenso ist eine konsequente antiemetische Prophylaxe ein wesentlicher Bestandteil onkologischer Konzepte. Die Schmerztherapie ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler der onkologischen Supportivtherapie. Der Knochen ist bei vielen Tumorentitäten einer der häufigsten Metastasierungsorte. Bisphosphonate stellen die Behandlungsmethode der Wahl bei Knochenmetastasen dar. Intravenös oder oral verabreicht, senken sie die Zahl skelettaler Komplikationen. 46 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Orale Mukositis – intensivierte Mundhygiene mit zentraler Stellung im Supportivkonzept Die orale Mukositis ist eine der häufigsten Nebenwirkungen einer Strahlen- und/oder Hochdosis-Chemotherapie, die die Patienten sehr belastet. Bei Patienten, die sich einer simultanen Radio-Chemotherapie unterziehen müssen wie z. B. bei Kopf-Hals-Tumoren, ist die Lage noch drastischer: „Nahezu jeder Patient entwickelt mindestens eine Mukositis Grad II bis III“, erläuterte Professorin Dr. med. Petra Feyer, Berlin, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin (ASORS). Risikofaktoren für eine Mukositis sind vor allem eine zeitgleich laufende Chemotherapie mit Substanzen, die an der Schleimhaut angreifen, wie z.B. 5-FU. Als patientenseitige Risikofaktoren erweisen sich schlechte Mundhygiene, Rauchen und Alkohol. Die Folgen der Erosion der Epithelzellen in Mund- und Rachenraum werden laut Feyer noch häufig unterschätzt. Tatsache ist jedoch, dass eine orale Mukositis sehr schmerzhaft ist und die Fähigkeit des Patienten beeinträchtigt, zu essen oder überhaupt etwas zu schlucken. Der Allgemeinzustand und die Lebensqualität der Patienten sind deutlich vermindert, zum Teil muss die Behandlung unterbrochen oder modifiziert werden mit den Folgen einer Verschlechterung der Tumorheilungsaussichten (Abb. 1). Verlängerte Krankenhausaufenthalte, parenterale Ernährung, Medikamente gegen Schmerzen und Infektionen belasten zudem das finanzielle Budget. „Eine orale Mukositis ist für den Patienten nicht nur quälend, sondern wirkt sich auch ungünstig auf seine Prognose aus, denn die Schädigung oder der Verlust des Mund- und Rachenepithels erleichtert das Eindringen von Bakterien, Pilzen oder Viren und kann damit Ausgangspunkt einer lebensbedrohlichen Infektion oder Sepsis sein“, ergänzte die Expertin. Supportivtherapie in der Onkologie 5-HT 3-Rezeptorantagonisten und NK 1-Rezeptorantagonisten bei einem Großteil der Patienten verhindert werden“, sagte Professor Dr. med. Hans-Joachim Schmoll, Halle (Abb. 2). Um verbesserte Ergebnisse zu erzielen, müsse allerdings eine optimale, an den Leitlinien orientierte antiemetische Prophylaxe durchgeführt werden. So sollte laut der aktuellen Leitlinien (www.mascc.org) bei hoch emetogener Chemotherapie (HEC) an Tag 1 ein Dreierregime bestehend aus Aprepitant (Emend®) plus Setron/Dexamethason gegeben werden. Dabei ist laut Schmoll darauf zu achten, dass das Steroid möglichst niedrig dosiert verabreicht wird, da durch diese Substanz einige unerwünschte Wirkungen auf die Therapie resultieren können. Mukositis Erhöhtes Sepsisrisiko Linderung der LQ und Compliance dosislimitierend Therapiepausen Dosiskompromisse Therapieabbrüche Erhöhte Mortalität Schlechtere Tumorkontrolle Abb. 1: Mukositis und deren Konsequenzen Eine adäquate Behandlung oder – noch besser – eine Prophylaxe der Mukositis sollte daher das Ziel sein. In den Leitlinien der DEGRO (Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie) und der ASORS nehmen Zahnund Mundhygiene eine zentrale Stellung ein. Die aktuellen Leitlinien der MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) zum Management der oralen Mukositis (www.mascc.org) stellen explizit die Möglichkeit der Prävention heraus. So besitzt eine gründliche Zahnsanierung vor Beginn der Behandlung einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus ist die professionelle Mundpflege zusammen mit regelmäßigen Mundspülungen ein guter Ansatz für die Mukositis-Prävention. Die Mundspülung mit einer übersättigten CalciumphosphatLösung (Caphosol®) konnte ihre Effektivität in klinischen Studien unter Beweis stellen. In einer randomisierten Doppelblindstudie [4] ließen sich durch Caphosol® bei Patienten mit einer Knochenmarkstransplantation im Vergleich zur Kontrollgruppe folgende Parameter signifikant reduzieren: Dauer der Mukositis (- 49%), Schmerzdauer (- 63%), Einnahmedauer von Morphinen (- 69%), Gesamtmenge an verwendetem Morphin (- 72 %) und Peak-Level der Mukositis (- 67%). Ergebnisse aus dem COMFORTBeobachtungs-Register unterstützen diese überzeugenden Daten. Eine Arbeit von Miyamato et al. (MASCC 2009) belegte den Benefit einer konsequenten Mundspülung mit Caphosol® hinsichtlich Reduktion der oralen Mukositis in Inzidenz und Schwere. Weiterführende Studien sind geplant. „Mit einfach durchzuführenden Methoden wie einer Mundspülung mit Caphosol® erzielen wir im klinischen Alltag gute Ergebnisse und empfehlen sie daher unseren Patienten“, unterstrich Feyer. Emesisprophylaxe bei moderat emetogener Chemotherapie – Therapiefortschritte mit AprepitantKombination „Übelkeit und Erbrechen zählen zwar nach wie vor zu den am meisten gefürchteten Nebenwirkungen einer Chemotherapie, konnten aber in den vergangenen Jahren durch die Verfügbarkeit effektiver Substanzen wie Bei moderat-emetogenen Chemotherapien (MEC) beschränkt sich die Leitlinien-Empfehlung des Dreierregimes derzeit auf Anthrazyklin- und Cyclophosphamid- (AC) haltige Kombinationen. „Jedoch könnte eine zum diesjährigen amerikanischen Krebskongress vorgestellte Phase-III-Studie dazu beitragen, das Vorgehen bei moderater Emesis weiter zu optimieren“, so Schmoll weiter. In diese plazebokontrollierte Untersuchung wurden 848 Patienten mit einem Mamma-, Lungen-, Ovarial- oder kolorektalem Karzinom eingeschlossen [6]. Ca. 52% der Patienten erhielten eine nicht AC-basierte Chemotherapie. Randomisiert bekamen die Patienten ent- Entwicklung von Substanzen zur Prävention von Übelkeit und Erbrechen Erster oraler NK1 Rezeptorantagonist Erster oraler NK1 Rezeptorantagonist Erster 5-HT³ Rezeptorantagonist Weitere Erkenntnisse zur verzögerten Emesis Kombination Dexamethason + 5-HT³ Rezeptorantagonist Dexamethason Hochdosiertes Metoclopramid (Serotonin) Kombinationstherapie Vorhersagekräftige Variablen identifizieren Phenothiazine (Dopamin) 1960er 1970er 1980er 1990er 2003 2008 5-HT = Serotonin Rezeptor Typ 3; NK1 = Neuronikin 1 ³ Abb. 2: Substanzen zur Prävention von Übelkeit und Erbrechen Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 47 Supportivtherapie in der Onkologie weder eine Kombination aus Ondansetron (Tag 1 bis 3) und Dexamethason (an Tag 1) plus Plazebo (Kontrollarm) oder eine Dreierkombination aus Aprepitant (125 mg an Tag 1, 80 mg an Tag 2 und 3), Ondansetron und Dexamethason (jeweils an Tag 1). Während im Kontrollarm nur 62% der Patienten den primären Endpunkt erreichten, d.h. innerhalb von fünf Tagen nach Beginn der Chemotherapie kein Erbrechen hatten, war der Anteil im Aprepitant-Arm mit 76% signifikant höher (p < 0,01). Auch ein komplettes Ansprechen, definiert als kein Erbrechen und keine Bedarfsmedikation, war bei zusätzlicher Aprepitant-Gabe signifikant häufiger als mit der Zweierkombination (69% vs. 56%; p < 0,01). Der Studienleiter Schmoll bemerkte: „Betrachtet man nur die akute Phase, so zeigte sich bei 92% der Patienten im Aprepitant-Arm im Gegensatz zu 84% in der Kontrollgruppe ein signifikanter Unterschied. D.h. fast alle Patienten im Aprepitant-Arm hatten kein Erbrechen.“ Auch in der verzögerten Phase setzte sich die signifikante Überlegenheit des Aprepitant-Regimes fort (p<0,01). Von dem Aprepitant-haltigen Schema profitierten alle Studienteilnehmer unabhängig von der Art der Chemotherapie (AC- oder nicht-AC-haltig) und der Art des Tumors. Damit bietet die Kombinations-Prophylaxe mit Aprepitant bei einer Vielzahl moderat emetogener Regime und über AC-basierte Schemata hinaus - einen signifikant besseren Schutz vor Übelkeit und Erbrechen als ein konventionelles Zweierregime aus einem 5-HT 3-Rezeptorantagonisten und Dexamethason. Schmoll fasste zusammen: „Auf der Basis dieser Studie lässt sich die antiemetische Therapie vereinfachen und optimieren. Ich gehe davon aus, dass diese Änderungen in die Leitlinien – spätestens beim nächsten Update Ende des Jahres – übernommen werden.“ Retardiertes Oxycodon/ Naloxon: Weniger Schmerzen, gute Verträglichkeit und mehr Lebensqualität Während die Emesisleitlinien eine fundierte Anleitung zu einer optimalen Therapie bieten, stellt sich die Sachlage bei Tumorpatienten mit Schmerzen weitaus komplizierter dar. Das seit 1986 existierende Stufenschema der WHO erweist sich mehr und mehr als Behinderung. „Dieses Schema ist der häufigste Grund für Untertherapie, Chronifizierung und Neben- Wie muss ein ideales Opioid beschaffen sein? keine Varibilität in der Bildung von aktiven Metaboliten (Opioid als prodrug) kein Interaktionspotential sichere Galenik keine Immunsuppression starke Analgesie, kein Ceiling Effekt wenig opioidtypische Nebenwirkungen Abb. 3: Kriterien für optimale Opioide wirkungen”, berichtete Dr. med. Thomas Nolte vom Schmerz- und Palliativzentrum Rhein/ Main in Wiesbaden. Bei einer differenzierten Analgesie, die stark wirksam und gleichzeitig verträglich ist, können jedoch bei bis zu 90% der Tumorpatienten die Schmerzen sehr gut oder sogar vollständig gelindert werden. Basis einer Tumorschmerztherapie sind laut Nolte – unabhängig vom WHO-Schema – die Opioide. “Allerdings Opioid ist nicht gleich Opioid”, gab Nolte zu bedenken. Eine hohe analgetische Wirksamkeit bei guter Steuerbarkeit und sehr guter Verträglichkeit zeichnet ein optimales Opioid für die Tumorschmerztherapie seiner Meinung nach aus (Abb. 3). Mit dem retardiertem Oxycodon/Naloxon (Targin®) liegt ein solches Medikament vor. Der Opioid-Agonist Oxycodon entfaltet seine gute schmerzlindernde Wirkung systemisch durch Aktivierung peripherer und zentraler OpioidRezeptoren. Der Opioid-Antagonist Naloxon hingegen dient bei oraler Einnahme der Prophylaxe und Therapie einer Opioid-induzierten Obstipation, ohne die systemische analgetische Wirkung von Oxycodon zu beeinflussen. So gewährleistet die fixe Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon den gewünschten schmerzlindernden Effekt und erhält gleichzeitig die normale Funktion des Darms. Targin® gibt es in vier Wirkstärken. Neben der 10mg/5 mg und 20mg/ 10 mg Retardtablette ist die Fixkombination seit Kurzem auch als 5mg/2,5mg und 40mg/ 20 mg Dosierung verfügbar. Diese vier flexiblen Dosierungsoptionen ermöglichen eine individuell-abgestimmte Schmerztherapie mit nur einer Substanz und damit ohne umstellungsbedingte Nebenwirkungen, unterstrich der Schmerzexperte. 48 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Wie gut Oxycodon/Naloxon auf die Bedürfnisse der Tumorpatienten ausgerichtet ist, zeigt eine aktuelle Subgruppenanalyse von 1.178 Tumorpatienten [3]. In dieser nicht-interventionellen Multicenterstudie waren 18,6% der Tumorpatienten mit einem WHO-Stufe I Analgetikum und 38% mit einem WHOStufe II Analgetikum vorbehandelt. 35,3% erhielten bereits ein starkes Opioid der WHOStufe III. Durch die Umstellung auf das Kombinationspräparat nahm die Schmerzintensität in der gesamten Subgruppe innerhalb der vierwöchigen Beobachtungsphase auf der Numerischen Ratingskala (NR-Skala) von 5,5 auf 3,0 ab. Das entspricht einer Schmerzreduktion um durchschnittlich 45%. Bei Patienten, die auf der WHO-Stufe II vorbehandelt waren, betrug die Reduktion der Schmerzintensität sogar 52%. Zudem erreichten die Patienten eine normale Darmfunktion (Reduktion Bowel Function Index (BFI): 23,7 Punktwerte) und gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit, Obstipation und Bauchschmerzen nahmen deutlich ab. Dementsprechend beurteilten 88% der Ärzte nach vier Wochen die Therapie mit Oxycodon/Naloxon als “viel besser” oder “besser” verträglich im Vergleich zur Vortherapie. Die gute Schmerzreduktion und Verträglichkeit fand ihren Niederschlag ebenfalls in einer deutlichen Erhöhung der Lebensqualität: In der gesamten Subgruppe erhöhte sich die Lebensqualität signifikant um 71%, in der Gruppe auf WHO-SchemaII-Vorbehandelten stieg dieser Wert sogar um 80%. „Jedoch profitierten alle Patienten mit einer deutlichen Lebensqualitätserhöhung von der Behandlung mit Oxycodon/Naloxon, sogar bei Patienten, die vorher schon starke Opioide der WHO-Stufe III erhalten hatten, konnte eine Lebensqualitätserhöhung um 54% verzeichnet werden“, resümierte Nolte. Nebenwirkungsprofil entscheidend bei Optimierung der Bisphosphonattherapie Der Knochen ist ein häufiger Metastasierungsort, z.B. beim Mamma- und Prostatakarzinom. Bei bis zu 85% aller Frauen mit Mammakarzinom kommt es zur Entwicklung ossärer Metastasen. „Patientinnen mit Knochenmetastasen überleben heute teilweise sehr lange mit ihrer Erkrankung. Diese Betroffenen haben nur dann eine gute Lebensqualität, wenn wir als Ärzte konsequent gegen Knochenmetastasen vorgehen und unnöti- Supportivtherapie in der Onkologie ge Nebenwirkungen vermeiden“, unterstrich Professor Dr. med. Ingo J. Diel, Mannheim. Denn es gibt mittlerweile wirksame Behandlungsmethoden, die nicht nur die Symptome lindern, sondern die auch das Wachstum der Metastasen hemmen. Bisphosphonate sind dabei die Mittel der Wahl. Der Experte verwies darauf, dass sich diese Substanzgruppe insbesondere durch die Forschungsanstrengungen bei Roche enorm entwickelt hat: Rund 20 Jahre ist es her, seit das Bisphosphonat der ersten Generation Etidronat (Diphos®) eingeführt wurde. Mit Clodronat (Ostac®) – einem Bisphosphonat der zweiten Generation, welches intravenös (1500 mg/über 4h alle 3-4 Wochen) oder oral (2 x 520 mg/tgl.) verabreicht werden kann – wurden die Bisphosphonate weiterhin optimiert. Einen Höhepunkt der Entwicklung stellte laut Diel die Einführung von Ibandronat (Bondronat®), dem stickstoffhaltigen Bisphosphonat der dritten Generation (Abb. 4) dar, welches seit Oktober 2003 zur Behandlung von Knochenmetastasen bei Brustkrebs als Infusion (6 mg alle 3-4 Wochen) und als Tablette (50 mg täglich) zur Verfügung steht. Aus der Gruppe der Bisphosphonate der dritten Generation ist nur Ibandronat sowohl oral als intravenös verfügbar. So kann bei starken Knochenschmerzen, die einen schnellen Wirkungseintritt erforderlich machen, Ibandronat als Infusion verabreicht werden. Ansonsten haben die Patienten die Möglichkeit, entsprechend ihren Bedürfnissen zwischen Infusion oder Tablette zu wählen. Beide Applikationsformen haben eine vergleichbare Effektivität in Zulassungsstudien belegt. Warum die Einführung von Ibandronat in seinen Augen einen neuen Maßstab setzt, machte Diel in der Hauptsache am Verträglichkeitsprofil fest. Denn hinsichtlich der Effektivität unterscheiden sich die vier in der Onkologie heute verwendeten Bisphosphonate Clodronat, Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat nur geringfügig. “Angesichts der ähnlichen Wirksamkeit sollten bei der Substanzwahl vor allem Überlegungen zum Nebenwirkungsspektrum im Mittelpunkt stehen, um die Patienten nicht noch zusätzlich durch die Supportivtherapie zu belasten”, so der Knochenspezialist. Bei zwei unerwünschten Wirkungen unter Bisphosphonattherapie zeigen sich die substanzspezifischen Unterschiede besonders deutlich: Bei der renalen Verträglichkeit und den Bisphosphonat-assoziierten Kieferosteonekrosen (BP-ONJ). Die Nierenverträglichkeit der Bisphosphonate ist besonders bei intravenöser Verabreichung von Bedeutung und spielt bei der oralen Applikation aufgrund der geringen Resorption kaum eine Rolle. Für i.v. Ibandronat konnte in Studien eine günstige Nierenverträglichkeit mit stabilen Serum-Kreatininwerten im Chemische Struktur der Bisphosphonate O O- CH ³ O- P C P O- OH O- O O etidronate O- CI O- P C P O- CI O- O O O- S O- P C P O- CI O- clodronate tiludronate NH ² (CH )5 O² NH ² (CH ) O²³ Abschließend ging Diel auf das Potenzial ein, welches Bisphosphonate in der adjuvanten Situation gezeigt haben. Eigene Untersuchungen als auch die Studie von Powles et al. an Clodronat bestätigten, dass Bisphosphonate vor der Entwicklung von Metastasen schützen können. Der Effekt von Ibandronat in der adjuvanten Therapie wird momentan in der GAIN-Studie an 3.025 Patientinnen sowie in der ICE-Intergroup-Untersuchung bei Frauen ≥65 Jahren überprüft. Diel sagte abschließend: „Bisphosphonate sind Substanzen mit einem hohen Potenzial. Vom adjuvanten Einsatz erwarte ich in der Zukunft noch einmal einen deutlichen Zugewinn für unsere Patienten“. Literatur: Onkologisch O Langzeitverlauf über 4 Jahre nachgewiesen werden [1; 2; 5]. Die beobachtete Inzidenz renaler Nebenwirkungen war insgesamt niedrig und bewegte sich auf Plazeboniveau. So ist - im Gegensatz zu anderen Bisphosphonaten - bei i.v. Ibandronat laut Fachinformation eine obligatorische Überprüfung der Nierenfunktion vor jeder Applikation nicht notwendig. Hinsichtlich der zweiten Nebenwirkung, bei der es unter den Bisphosphonaten wesentliche Unterschiede gibt, führte Diel aus, dass eine kumulative Betrachtung aller berichteten Fälle von Kieferosteonekrosen eine sehr geringe Inzidenz im Zusammenhang mit einer Ibandronat-Therapie zeigt: Die Daten vom Juli 2007 aus dem Deutschen Zentralregister Kiefernekrosen in der Charité Berlin zeigen, dass 68,2% der Patienten mit Kieferosteonekrosen Zoledronsäure, 20,8% Pamidronat und 4,6% Ibandronat erhalten hatten. 1 Bergner R. et al. Onkologie 2006;29:534-540 genutzt 2 Lühe A. et al. Toxicol In Vitro. 2008;22(4):899-909 3 Nolte T. et al. EAPC 2009, Abstract 11 OO NH ² (CH ) O²² P C P O- OH O- O- O O pamidronate P C P O- OH O- O NH O- P C P O- H O- incadronate O O neridronate CH ³ O- O- O- O O N C P OH O- P O- OH O- CH O- (CH )2 O² P C O O O olpadronate O ³ N (CH )4 ² P C P OH O- ibandronate CH ² O- P C P O- OH O- CH ³ 4 Papas A. et al. Bone Marrow Transplant 2003; 31(8):705-12 O 6 Schmoll H.-J. et al. ASCO 2009, Abstract 9626 N OO 5 Pecherstorfer M. et al. Clin Drug Invest 2006; 26: 315–322 N (CH ) O²² O- O- risedronate alendronate CH ³ O- P N O CH ² Autorin: O- P C P O- OH O- zoledronate O Bettina Reich Eulenstraße 85 22763 Hamburg Abb. 4: Chemische Struktur der Bisphosphonate Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 49 Buchbesprechung Buchbesprechungen Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten Das Patientendilemma Warum wir nicht die Medikamente bekommen, die wir brauchen Von Heide Neukirchen Heyne Verlag, München 2009 256 Seiten, 17,95 Euro ISBN 978-3-453-15637-1 An jedem Arbeitstag werden in Deutschland 20 Millionen Euro für klinische Studien ausgegeben. Was genau läuft da eigentlich? Schließlich sind klinische Studien der Schlüssel zu Leitlinien, Evidenzbasierter Medizin, Empfehlungen der Fachgesellschaften und zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen. Wer macht diese Studien, wer finanziert sie, wie verlässlich sind ihre Ergebnisse und, last but not least: was treibt eigentlich die freiwilligen Versuchspersonen an und welche Risiken gehen sie ein? Die Wirtschaftsjournalistin Heide Neukirchen legt das vielfältige Geflecht von Interessen und Motivationen frei, das hinter klinischen Studien steckt. Finanzielle Interessen der forschenden Pharmaunternehmen und, als Kehrseite der Medaille, finanzielle Engpässe bei der pharmaunabhängigen Forschung werden deutlich. Eine umfangreiche und hartnäckige Recherche bei Pharmafirmen, unabhängigen Instituten wie dem IQWIG, bei Ethikkommissionen und wissenschaftlichen Tagungen förderte nicht selten aber auch Unerwartetes und Widersprüchliches zu Tage. Wir alle wollen, dass Medikamente einen hohen Sicherheitsstandard haben und vor Markteinführung an großen Patientenzahlen getestet sind. Zur Teilnahme an einer klinischen Studie bereit sind aber in der Regel nur diejenigen, die von der Stan- dardbehandlung keine Heilung erhoffen können oder die sich aus Geldmangel als Probanden verdingen. Im Selbstversuch als Teilnehmerin an einer Studie spürt Heide Neukirchen den Motiven solcher Probandenprofis nach, die sich auch von stark medienwirksamen Pannen wie der lebensbedrohlichen Erkrankung von sechs jungen Männern bei der Testung eine neuen Wirkstoffs in Großbritannien nicht abschrecken lassen. Breiten Raum nimmt in dem Buch auch die Behinderung klinischer Forschung durch eine ausufernde Bürokratisierung ein. Wer im Detail erfährt, welche Hürden hier zu nehmen sind und welche Fallstricke lauern, wird so manches Mal verwundert den Kopf schütteln. Und sich nicht der Argumentation der Autorin verschließen können, dass die Preisentwicklung bei neu zugelassenen Pharmaka nicht zuletzt den Aufwand widerspiegelt, der wegen dieser Bürokratisierung bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe geleistet werden muss. Überhaupt hält die Autorin mit dezidierten Meinungen nicht hinterm Berg. Man merkt ihr an, wie sehr manche Entwicklungen sie stören – nicht zuletzt die 50 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Tendenz, klinische Studien in Länder der Dritten Welt auszulagern, wo „vielleicht nicht so genau hingeschaut wird“. Ein aufschlussreiches Glossar und ein umfangreiches Literatur verzeichnis komplettieren dieses auch für Laien gut lesbare Sachbuch, das neben fundierter Information auch interessante Anekdoten bietet. Buchbesprechung Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten Ich lebe von Annemarie Giegler, Templin/Uckermark Medizin im 20. Jahrhundert Fortschritte und Grenzen der Heilkunde seit 1900 Ein Frühlingstag. Die Luft voll Wärme. Fliederduft zieht durch die Straßen. In hundert Farben sprießt grün. Hier tulpenrot, dort honielb die Blumen blüh’n. Von Dominik Groß und Hans Joachim Winckelmann (Hrsg.) Ärztliche Praxis Edition, 2008 ISBN 978-3-936506-33-4 344 Seiten, 29,90 Euro Der Titel ist nüchtern, das Buch ist es nicht. Denn hier wird nicht nur eine Kette der beeindruckenden Erfindungen, Entdeckungen und Entwicklungen der Medizin in den vergangenen gut hundert Jahren aneinandergereiht, sondern auch der gesellschaftliche, kulturelle und gesundheitspolitische Kontext mit einbezogen. Denn ungeachtet aller grandiosen Fortschritte gibt es nicht nur positive Entwicklungen, moralisch-ethische Fragen sind im Laufe der letzten Jahre, z.B. auf dem Gebiet der Gentechnik, Humangenetik und Stammzellforschung immer stärker in den Vordergrund gerückt. In zwei großen Abschnitten trägt das Buch diesen unterschiedlichen Aspekten Rechnung. Rund 200 Seiten stellen Fortschritte und Grenzen der medizinischen Entwicklung dar. Hier gibt es beispielsweise Kapitel über die Entwicklung der Infektionslehre, der operativen Heilkunde, der Transplantationsmedizin oder der Diagnostik. Für Apotheker von besonderem Interesse ist das Kapitel über die Entwicklung der Pharmakotherapie, die im 20. Jahrhundert von der Industrialisierung der Pharmaherstellung geprägt war. Der Bogen spannt sich von der Aspirin-Herstellung im großen Umfang zu Beginn des Jahrhunderts über die Massenproduktion von Insulin in den 1920er Jahren, Impfstoffe in den 30er Jahren, Antibiotika in den 40er Jahren, Psychopharmaka in den 50er Jah- ren, „die Pille“ in den 60er Jahren bis hin zur Biotechnologierevolution am Ende des Jahrhunderts. Im zweiten Abschnitt des Buches werden Medizin und Gesellschaf t in Beziehung gesetzt. Ein Kapitel ist hier der Medizin im Nationalsozialismus gewidmet, auch der Umgang mit medizinischen Herausforderungen in der „Dritten Welt“ wird von der Kolonialmedizin bis zu „Global Health“ unter anderem thematisiert. Anhänge bieten einen Überblick über die Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin sowie ein umfassendes Literaturverzeichnis. Fazit: Ein auch für medizinisch und historisch wenig vorgebildete Leser geeignetes Buch mit vielen interessanten Fotos, das zum entspannten Schmökern einlädt und wie nebenbei sehr viel Wissen vermittelt. Ein kurzer Weg nur. Es ist ein Ch k, alljährlich, fast Routine. Die Hände tasten, fühlen, suchen. Ein Druck und wieder tasten. Ein Knot en, r hts! Zurückerinnern r hts fi ng’s auch bei der Mutter an. Krebs? Das war, als sich der Tag verdunkelte und schwarz die Sonne ward, die Lerche vom Himmel fi el, und voller Angst die Schwalben fl üchten in ihr Nt. Ein heller Sonnenstrahl wärmt zögernd meine Hand. Wo Licht ist und Wärme, ist Leben. Wo Leben, ist Hoff nung! Ich lebe! Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 51 Nutzen und Risiken der Krebs-Früherkennung ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG Pressemitteilung der Deutschen Krebshilfe Nutzen und Risiken der Krebs-Früherkennung Ist mit meiner Gesundheit alles in Ordnung? Was kann ich tun, um gesund zu bleiben? Welchen Nutzen haben Krebs-Früherkennungsuntersuchungen? Was bezahlt die Krankenkasse? Und welche Zusatzleistungen lohnen sich? Die Deutsche Krebshilfe setzt sich dafür ein, dass die von den gesetzlichen Krankenkassen angebotenen Früherkennungsuntersuchungen genutzt werden, da Tumorerkrankungen im Frühstadium mit großer Wahrscheinlichkeit heilbar sind. Manche Untersuchungsverfahren, die als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten werden, bergen jedoch erhebliche Risiken, die gegen den möglichen Nutzen abgewogen werden müssen. Die Stiftung Warentest unterzieht die derzeit in Deutschland und Österreich angebotenen Tests zur KrebsFrüherkennung einer regelmäßigen wissenschaftlichen Überprüfung. Besucher der HERAUSGEBER: Klaus Meier, Soltau VERLAG: onkopress, Ziegelhofstraße 43, 26121 Oldenburg, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825 CHEFREDAKTEURIN: Dr. Karla Domagk, Cottbus Website der Deutschen Krebshilfe können die Informationen der Stiftung Warentest ab sofort kostenfrei abrufen. Früh erkannt, ist Krebs fast immer heilbar. Dies gilt insbesondere für Krebserkrankungen der Haut, der Brust, des Darms, des Gebärmutterhalses und der Prostata. KrebsFrüherkennungsuntersuchungen gehören daher zu den Standardleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Darüber hinaus werden Untersuchungen angeboten, für deren Kosten der Versicherte selbst auf kommen muss. Manche dieser Untersuchungen sind sinnvoll und nützlich. Bei anderen hingegen ist der Nutzen umstritten oder nicht bewiesen. Die Stiftung Warentest lässt die derzeit angebotenen Krebs-Früherkennungsmethoden wissenschaftlich überprüfen und anhand publizierter Daten auf ihre Leistungsfähigkeit REDAKTION: Dr. Susan Bischoff, Berlin; Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Dr. Doris Haider, Wien; Gerald Hensel, Leipzig; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Thomas Schubert, Mönchengladbach; Wioletta Sekular, Krefeld; Gisela Sprossmann-Günther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg. WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT: Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg. 52 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 hin untersuchen. So sollen interessierte Bürger die angebotenen Tests besser beurteilen können. Auf dieser Grundlage auf bauend, können die persönliche Motivation einbezogen und die Risikolage abgewogen werden. Die Ergebnisse der umfangreichen Analysen wurden veröffentlicht in dem Buch „Untersuchungen zur Früherkennung – Krebs: Nutzen und Risiken“ (Stiftung Warentest, 2005) und werden regelmäßig aktualisiert. Besuchern der Internetseite der Deutschen Krebshilfe stehen die Bewertungen der Stiftung Warentest ab sofort kostenfrei zur Verfügung: Über einen Link auf www. krebshilfe.de/test-frueherkennung.html gelangen Internetnutzer direkt auf die Seiten der Stiftung Warentest zum Thema „KrebsFrüherkennung“. Bonn, 29. Juni 2009 Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf vertrauen, dass Autoren und Redaktion größte Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung. Ein Markenzeichen kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, auch wenn ein Hinweis auf etwa bestehende Schutzrechte fehlt. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Who is who Who is who Von Doris Haider, Wien Heute: a.o. Univ. Prof. Mag. pharm. Dr. Martin Czejka Martin Czejka, stellvertretender Leiter des Departments für Klinische Pharmazie und Diagnostik der Universität Wien und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für angewandte Pharmakokinetik ist ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet der onkologischen Pharmakokinetik. Bestimmungen während laufender Chemotherapien ist es möglich, das Schicksal der verabreichten Arzneistoffe unmittelbar am Patienten zu verfolgen. Dadurch resultieren die Antworten zu Fragen, die während der Therapie für das Behandlungsteam wesentlich sind: Prof. Czejka ist in vielen Fachgesellschaften tätig, wobei vor allem die Gesellschaft Central European Society for Anticancer Drug Research-EWIV (CESAR) hervorzuheben ist. In namhaften europäischen Fachgesellschaften ist Prof. Czejka seit Jahren Mitglied: wie ÖGBA, ESCP, ASOP, OePhG oder ISOPP. • Ist die gewählte Dosis ausreichend? Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Apotheker und Onkologen, um neue Chemotherapieschemata zu optimieren, therapeutisches Drugmonitoring durchzuführen und mögliche Arzneistoffinteraktionen zu verifizieren. Die medikamentöse Therapie stellt für den onkologischen Patienten ein besonders heikles und sensibles Unterfangen dar, da diese hochwirksamen Medikamente möglichst optimal und schonend verabreicht werden müssen. Hierbei können sich Apotheker und behandelnder Onkologen im Sinne der Optimierung der Therapie auf wertvolle Weise ergänzen. Darüber hinaus liefert die Visualisierung derartiger Chemotherapien durch Messung von Blut- und Gewebskonzentrationen Kenntnisse über das Schicksal des verabreichten Arzneistoffs im einzelnen Patienten und über die individuelle Optimierung der Effizienz der Chemotherapie. Durch pharmakokinetische • Gibt es abweichendes Verhalten im Körper? • Sind Konzentrationen für den Patienten optimal? • Verändern andere Arzneistoffe die Konzentration im Blut? • Ist der Metabolismus verändert? Weiteres untersucht Prof. Czejka in präklinischen Experimenten. Seine Forschungsergebnisse präsentiert er regelmäßig auf internationalen hochkarätigen Kongressen (ASCO, ESMO, EORTC, AACR). Die Gründung der Fachgesellschaft „Österreichische Gesellschaf t für angewandte Pharmakokinetik“ (= ASAP: Austrian Society of Applied Pharmacokinetics) durch Prof. Czejka hat in Österreich die wissenschaftliche Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker intensiviert. Prof. Czejka, der es geschafft hat, in dieser Gesellschaft Ärzte und Apotheker gleichberechtigt an einen Tisch zu holen, steht der Gesellschaft seit Jahren vor. Ihm ist es wichtig, das Gebiet der Pharmakokinetik einem „breiteren“ Publikum vorzustellen. Auf http://www.asap.or.at finden Sie nähere Informationen zur jährlichen Ausschreibung des Förderungspreises „ASAP award“. Ich kenne Prof. Czejka noch von meinem Studium, wo er uns als „Frischlinge“ oft an unsere Grenzen gebracht hat. Rückblickend bin ich ihm dankbar für diese optimale Förderung, die ich in Kombination mit seinem speziellen Humor sehr zu schät zen gelernt habe. Er ist einer der wenigen Menschen, die es verstehen, komplexe Zusammenhänge verständlich darzustellen. Vor allem aber die Zusammenarbeit in gemeinsamen Projek ten gestaltet sich durch sein enormes Fachwissen, sein Engagement und seine Verlässlichkeit sehr angenehm. Prof. Czejka trägt sein Herz nicht auf der Zunge, umso größeren Wert findet seine Anerkennung, die nie überschäumend aber in ihrer Aufrichtigkeit nicht zu übertreffen ist. Während er an der Wiener Uni die Studenten auf Trab hält, hält er sich selber sportlich fit – laufen, mountainbiken, schwimmen, wandern, skifahren – und findet seinen Ausgleich auch beim Gitarrespielen. Mag. Dr. Doris Haider Sozialmedizinisches Zentrum Süd – Kaiser-Franz-Josef-Spital mit Gottfried von Preyer‘schem Kinderspital Kundratstrasse 3, 1100 Wien, Österreich Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 53 Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr – seit 27 Jahren im Dienste der Betroffenen Von György Irmey, Heidelberg Die Gesellschaft Um Patienten, Ärzte und Therapeuten über ganzheitliche Methoden der Krebsbehandlung zu informieren, wurde im Oktober 1982 die GESELLSCHAFT FÜR BIOLOGISCHE KREBSABWEHR (GfBK e. V.) als gemeinnütziger Verein zur Förderung biologischer Heilverfahren bei Krebs in Heidelberg gegründet. Sie ist heute mit 25.000 Mitgliedern und Förderern die größte ganzheitliche Beratungsorganisation im deutschsprachigen Raum. Ihre Arbeit wird ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und private Spenden unterstützt. Seit dem Jahr 2005 führt sie das ihr vom Zentralinstitut für Soziale Fragen in Berlin (DZI) zuerkannte Deutsche Spendensiegel. Wir leben in einer Zeit der vielfältigen und schnellen Kommunikationsformen. Immer schneller geschehen die Dinge um uns herum und nicht nur der Krebskranke ist aufgrund der Erkrankung einem scheinbar allmächtigen Zeitdruck ausgesetzt. Der Informationsaustausch der Betroffenen untereinander wie auch zwischen Patient und Therapeut kommt zu kurz. Tumorzerstörende Therapien können zwar schnell und viel erreichen, sie schwächen aber auch die körpereigenen Regulationskräfte, die für die Genesung wichtig sind. Mit ihrem umfassenden Informations- und Beratungsangebot auf dem Gebiet der komplementären Onkologie möchte die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr Zeichen für mehr Menschlichkeit und hoffnungsvolle Empathie in der Medizin setzen. Die Krebserkrankung ist nie die Erkrankung eines einzelnen Organs oder Körperteils, sondern stets eine Erkrankung des ganzen Menschen als körperliche und seelische Einheit. Erst Abb. 1: Das Samariterhaus in Heidelberg 2009 die Begegnung mit dem kranken Menschen und nicht nur mit der Krankheit macht eine sinnvolle Wegbegleitung möglich. Der Individualität des Patienten wird von der heutigen Medizin zu wenig Rechnung getragen. Vor zwei Jahren hat die Gesellschaft neue Beratungsräume mit bedeutendem historischen Hintergrund im Samariterhaus in Heidelberg-Bergheim bezogen. Das Samariterhaus (Abb. 1) wurde als Heil- und Pfle- geanstalt für Krebskranke vor über hundert Jahren von Professor Vincent Czerny neben dem ersten Deutschen Krebsforschungsinstitut gegründet. Die Zentrale Beratungsstelle in Heidelberg wird im Jahre 2009 von acht regionalen Beratungsstellen in ihrer Arbeit unterstützt. Bei den engagierten Helferinnen und Helfern in der Zentralen Heidelberger Beratungsstelle Prof. Vinzenz Czerny geb.1842 in Trautenau/Böhmen, gest. 1916 in Heidelberg Vinzenz Czerny gilt als einer der fortschrittlichsten Persönlichkeiten des auslaufenden 19. Jahrhunderts. Seit 1877 auf dem Lehrstuhl für Chirurgie der Universität Heidelberg erkannte er, dass chirurgische Eingriffe allein nicht zu den gewünschten langfristigen Erfolgen in der Krebsbehandlung führten und etablierte die Zusammenarbeit zwischen operativer Medizin. Strahlentherapie und Innere Medizin. Damit erkannte Czerny als einer der ersten den interdisziplinären Charakter des Faches Onkologie. 54 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr und den regionalen Beratungsstellen konnten sich in den vergangenen Jahren mehrere 100.000 Betroffene und Angehörige wie auch therapeutisch Tätige direkt Rat und Hilfe holen. Die Aufgaben Die Kernaufgabe der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr ist die Information von Patienten, Angehörigen, Ärzten und Interessierten über die vielfältigen Möglichkeiten biologischer Therapien bei Krebs. Die zweite Hauptaufgabe der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr ist die individuelle und persönliche Beratung von Patienten und deren Angehörigen. Die individuelle Beratung steht allen Patienten, Angehörigen und Ärzten ohne finanzielle Verpflichtung zur Verfügung. Um mehr Menschen mit den Möglichkeiten naturheilkundlicher Krebstherapien vertraut zu machen und den Bekanntheitsgrad dieser Therapien zu steigern, veranstaltet die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr regelmäßig Vortragsveranstaltungen, Seminare und Kongresse. Die Entwicklung „Erst wird das Neue belächelt, dann bekämpft und schließlich ist man schon immer dafür gewesen“ Diese ironisch selbstkritische Einschätzung über den Fortschritt in der Wissenschaft allgemein und in der Medizin im Besonderen scheint auch für die von der Gesellschaft vertretenen Ideen und Methoden zuzutreffen. Die Phase des Belächelns war recht kurz. Das große Echo, das die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr in der Öffentlichkeit, vor allem aber bei den Betroffenen fand, führte den Verein vor allem in Medizinerkreisen in eine nicht immer faire vorurteilsfreie Realität. Tatsache ist auch heute, dass es weder von Seiten der wissenschaftlich-onkologischen Medizin noch von Seiten einer ganzheitlichkomplementär ausgerichteten Heilkunde Patentrezepte zur Heilung der Krebserkrankung gibt. Nur ein ganzheitlich-individuell geprägtes Vorgehen kann dem mit einer Tumorerkrankung konfrontierten Betroffenen Wege zur Bewältigung seiner Krankheit weisen. Vieles, was von der Gesellschaft am Anfang formuliert und von anderen als exotisch angesehen wurde, ist heute Bestandteil der konventionellen oder so genannten Schulmedizin geworden. Dass die seelische Verarbeitung des Krankheitsprozesses ganz wesentlich für den Verlauf des Krankheitsbildes ist, wird zumindest theoretisch genauso wenig in Frage gestellt wie die Zusammenhänge von Krebs und Ernährung. Bei den begleitenden komplementären Wegen der Entspannung, der enormen Bedeutung von Bewegungsübungen, dem Einsatz orthomolekularer Substanzen, immunmodulierender Therapien und den Hy- perthermieverfahren zur Verringerung der Nebenwirkungen aggressiver Therapien bei Chemo- und Strahlentherapien gibt es viele Annäherungspunkte der gegensätzlichen Auffassungen in der Medizin. Dennoch hört immer noch manch ein Patient, der in der Klinik Ärzte auf die Misteltherapie anspricht, den Satz: „da können Sie sich auch eine Frikadelle auf den Bauch legen...“. Der angestrebte Brückenschlag zwischen den oft immer noch konkurrierenden medizinischen Richtungen kommt unserer Meinung nach gerade für die Betroffenen frustrierend langsam voran. Bundesfamilienministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der GfBK im Mai 2007: In der Notsituation einer Krebserkrankung ist es gut zu wissen, dass es eine Patientenorganisation gibt, die auf dem Gebiet der komplementären, alternativen und ganzheitlichen Krebsbehandlung kompetente Beratung und Hilfe anbietet - nicht in Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur Schulmedizin. Alternative, komplementäre Methoden sind immer sinnvoll, wenn Nutzen und Risiko stimmen und sie individuell zum Patienten oder zur Patientin passen. Gerade viele der unvermeidlichen und quälenden Nebenwirkungen der Krebstherapie lassen sich durch den Einsatz komplementärer Maßnahmen lindern. Beratung, Selbsthilfe und die Öffnung neuer, anderer Horizonte sind die Stärken der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr. Ernährung, Bewegung, Entspannung – all dies ist nicht Medizin im engeren Sinne, aber als Salutogenese Voraussetzung für körperliche und seelische Gesundheit. Indem die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr in ihrer Beratung auf diese Zusammenhänge aufmerksam macht, öffnet sie den Erkrankten einen Horizont über die Krankheit hinaus – ganz wichtig gerade bei einer so schwer wiegenden Diagnose wie Krebs. Vielleicht am wichtigsten zur Stärkung der Gesundheit sind andere Menschen. Das ist natürlich zu allererst die Familie, der Freundeskreis. Das können aber auch andere Betroffene sein, die die gleichen Erfahrungen machen oder gemacht haben und dadurch “auf der gleichen Wellenlänge” sind. Durch den Austausch kann es gelingen, nicht nur praktische Hilfe, sondern auch neue Motivation und Hoffnung zur Bewältigung der Krankheit und zur Verbesserung der eigenen Lebenssituation zu bekommen. Therapie ist immer auch Begleitung durch die Krankheit hindurch. Deshalb ist Selbsthilfe so wichtig. Das Netzwerk der Selbsthilfeorganisationen und -vereinigungen, zu dem die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr gehört, kann auch bei Krebs hilfreiche Unterstützung bieten. Die Selbsthilfe in Deutschland ist differenziert und vielfältig. Selbsthilfeorganisationen und -vereinigungen erbringen umfangreiche Unterstützungsleistungen und verstehen sich als Agenturen zur Stärkung der Motivation, Eigenverantwortung und freiwilligen Hilfen. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf die professionelle Medizin: Die Selbsthilfe bringt mit ihrer Eigeninitiative ein neues Wissen, das “Expertentum des Betroffenseins”, in die Versorgung ein und trägt so zu Qualitätsverbesserungen und zu einer Stärkung der Patientenperspektive bei. Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 55 Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr In einer Zeit der Überflutung mit Informationen sind vielseitige oder unabhängige Orientierungshilfen für Therapeuten und Patienten gleichermaßen notwendig. Die Fähigkeit, gute von schlechten Angeboten zu trennen, kann nur auf dem Nährboden guter Information gedeihen. War anfänglich die Förderung von Forschungsvorhaben das wichtigste Ziel, zeigte die Arbeit der ersten Jahre, dass die Nachfrage von Patienten, Angehörigen aber auch Ärzten und Therapeuten nach neutralen Informationen zum Thema biologische und ganzheitliche Therapien enorm groß war. Dem Bedürfnis der Patienten nachkommend, wird in den neunziger Jahren die unabhängige Information und Beratung von Patienten zum verpflichtenden Schwerpunkt der Vereinsarbeit. Viele Patienten und Betroffene erfuhren durch unsere einzigartigen Tagungen und Kongresse, durch zahlreiche Vorträge bei Selbsthilfegruppen und Nachsorgeorganisationen, durch Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen und Internet von den Möglichkeiten und Chancen einer zusätzlichen komplementären Behandlung. Bei den Kongressen der Gesellschaft steht der Patient von Anbeginn an nicht nur thematisch im Mittelpunkt, sondern kann sich selbst vielfältig aktiv am Kongressprogramm beteiligen: in Kursen, Seminaren, Diskussionsrunden, mit dem persönlichen Gespräch auf einer Augenhöhe zwischen Arzt und Patient und im Dialog der Patienten untereinander. Das Angebot Annähernd 50 Informationsblätter und schriften können von der Gf BK kostenfrei angefordert oder über das Internet (www.biokrebs.de) heruntergeladen werden. Ebenso ist es jederzeit möglich, kostenfrei kurzfristige Gesprächstermine telefonisch oder persönlich mit einem der beratenden Ärztinnen oder Ärzte zu vereinbaren. Die individuelle Beratung kann telefonisch, persönlich, schriftlich, per E-Mail erfolgen. Die Beraterinnen und Berater der Gesellschaft sind nicht nur Übermittler der Wortinformation, sondern versuchen direkt oder auch zwischen den Zeilen stets die Empathie, das Mitgefühl sichtbar werden zu lassen, um die immanente Angst im Alleinsein mit der Krankheit zu überwinden. Unsere wesentlichste Säule ist die Botschaft des “Füreinander-Daseins”, der kompetenten Beratung, der menschlichen Zuwendung und der Übermittlung gelebter Erfahrung aus eigener Erkenntnis oder eigenem Erleiden. Mit einer ganzheitlichen Behandlung - die im Prinzip bei allen Krebserkrankungen anwendbar ist- werden folgende Ziele verfolgt: Wiederherstellung und Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte Milderung der Nebenwirkungen und Folgeschäden aggressiver Therapien Erhöhung der Heilungschancen Verbesserung und Erhaltung der Lebensqualität Grundsätzlich basiert eine biologische Begleitbehandlung auf einem Konzept der „vier Säulen“: Psychische Stabilisierung Körperliche Aktivierung 56 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Stoffwechsel-Regulation und Ernährungsberatung Immunregulation und -stimulation mit natürlichen Mitteln und Methoden. Der 14. Internationale Kongress für Biologische Krebsabwehr, der vom 8. bis 10. Mai 2009 in Heidelberg stattfand, endete mit einem Appell zu einem radikalen Umdenken in der Behandlung von Krebspatienten. „Nicht die Krebserkrankung, sondern der ganze Mensch muss im Mittelpunkt von Medizin und Forschung stehen“. In der kommenden Ausgabe der „Onkologischen Pharmazie“ wird ein weiterführender Artikel zu den Möglichkeiten und Grenzen der Biologischen Krebsabwehr erscheinen. Autor: Dr. med. György Irmey, Ärztlicher Direktor der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e.V. Voßstraße 3, 69115 Heidelberg 0 62 21-13 80 20 Weitere Informationen und Beratung: Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V., Voßstraße 3 69115 Heidelberg Tel.: 06221-138020 www.biokrebs.de Lebender Kolumnentitel Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 57 „Maligner“ Leydigzelltumor des Hodens „Maligner“ Leydigzelltumor des Hodens – ein kasuistischer Beitrag Von Franz Theissig, Cottbus Einleitung Tumoren des Hodens sind mit 1-2% aller Tumorerkrankungen selten. Keimzelltumoren des Hodens machen etwa 90 % aller Tumoren des Hodens aus. Eine genetische Disposition wird diskutiert und ist sehr wahrscheinlich. Die Tumoren entstehen aus einer maligne entarteten primordialen Keimzelle über das Vorstadium einer testikulären intraepithelialen Neoplasie. Die maligne entarteten Keimzellen können sich in 2 Richtungen differenzieren, einmal in Seminome (40-55% der Hodentumoren) und zum anderen in Nichtseminome (4060% der Hodentumoren). Eine präoperative Diagnostik ist bis auf paraklinische Untersuchungen nicht indiziert. Bei den histologischen Untersuchungen wird die WHO-Klassifikation angewendet, wobei von entscheidender Bedeutung vor allen Dingen das T-Stadium sowie eine Blut- oder Lymphgefäßinvasion sind. Neben den Keimzelltumoren gibt es aber auch noch wesentlich seltenere sogenannte Keimstrangstromatumoren, zu denen Leydig- und Sertolizelltumoren, Granulosazellneoplasien und solche der Thekom/Fibromgruppe gehören. Im Folgenden wird über einen „malignen“ Leydigzelltumor berichtet. Kasuistik Es handelte sich um einen 72 Jahre alten Patienten (N.N.), bei dem einen Monat vor stationärer Aufnahme eine Entzündung des Nebenhodens diagnostiziert wurde, die unter entsprechender antibiotischer Therapie schnell rückläufig war. Auffällig blieb jedoch eine weiterbestehende schmerzlose tumorverdächtige Hodenschwellung, die Anlass zu einer Semikastratio auf der linken Seite war. Paraklinisch ergaben sich nur Normalbefunde. Wesentliche Begleiterkrankungen konnten ebenfalls nicht eruiert werden. Abb. 1: Große polygonale Tumorzellen mit eosinophilem Zytoplasma (Pat. N.N.) Makroskopie Das Operationspräparat (Semikastratio) wog insgesamt 69 g und bestand aus einem 4,3 x 3,5 x 3,5 cm großen Hoden und einem 0,5, x 1,2 x 0,7 cm großen Nebenhoden. Anhängend ein 12,5 cm langer Samenstranganteil. Im Hodenparenchym selbst fand sich ein unregelmäßig begrenzter, 4 x 1,5 x 1 cm großer, weißlicher Tumor, der auf das Organ beschränkt war. Mikroskopie Bei der histologischen Untersuchung fanden sich folgende Strukturen: Mittelgroße bis polygonale Zellen mit eosinophilem Plasma 58 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Abb. 2: Zell-und Kernpolymorphie, zentral eine pathologische Mitose (Pat. N.N.) Lebender Kolumnentitel und klaren Zellgrenzen (Abb.1). Das Stroma stellenweise vakuolisiert. Stellenweise Lipofuszinpigment erkennbar, darüber hinaus stellenweise aber stärkergradige Zell- und Kernatypien, zwei- und mehrkernige Tumorzellen, reichlich Mitosen und Nekrosen (Abb.2-5). Auch Gefäßeinbrüche wurden gefunden (Abb.6). Hilfreich – wie oben bereits erwähnt – ist die Absicherung der Diagnose durch ergänzende immunhistochemische Untersuchungen, hier speziell die mit Alpha-1Inhibin und neuerdings mit Calretinin. Bei immunhistochemischen Zusatzuntersuchungen konnten folgende positive Reaktionen beobachtet werden, die mit Vimentin, Calretinin (Abb.7) und Alpha-1-Inhibin. • Kim I, Young RH, Scully RE (1985): Leydig cell tumors of the testis. A clinico-pathological analysis of 40 cases and review of the literature. Am J Surg Pathol 9: 177-192. Aus diesem Grunde wurde die Diagnose eines „malignen“ Leydigzelltumors gestellt (ICDO: M 8650/3). Diskussion: Die Keimstrangstromatumoren und insbesondere hier die Leydigzellneoplasien sind insgesamt sehr selten und machen nur etwa 2 % aller testikulären Neoplasien aus. Es existieren zwei Häufigkeitsgipfel, zum einen präpuberal um das 5. Lebensjahr, hier kombiniert mit einer Pseudopubertas praecox infolge Androgenproduktion des Tumorgewebes. Der andere Häufigkeitsgipfel liegt um das 35. Lebensjahr, aber auch – wie in unserem Fall – treten sie in noch höherem Lebensalter auf. Noch seltener ist eine doppelseitige Manifestation. Ätiologische Faktoren sind nicht bekannt. Leydigzelltumoren sind bei Kindern immer benigne und sollen im Erwachsenenalter in etwa 10 % maligne sein. Kriterien der Malignität sind Gefäßeinbrüche, ein Tumordurchmesser > 5 cm, Nekrosen, Pseudozysten, Hämorrhagien und eine gesteigerte Anzahl an Mitosen. Ein Großteil dieser Kriterien war bei unserem Patienten erfüllt. Letztlich beweisend für die Malignität ist aber lediglich das Auftreten von Metastasen. Wichtige Differentialdiagnosen sind eine diffuse oder knotenförmige Leydigzellhyperplasie bei Klinefelter-Syndrom bzw. Nebennierenrindenzellnester bei adrenogenitalem Syndrom. Abb. 3: Histologischer Nachweis eines Riesenkerns (Pat. N.N.) Literatur: • Mostofi FK, Price EB (1973). Tumors of the Male Genital System. 2nd Edition. AFIP: Washington, DC. • Ulbright TM, Amin MB, Young RH (1999). Tumors of the Testis, Adnexa, Spermatic Cord and Scrotum. AFIP: Washington. • Sesterhenn IA, Mostofi FK, Davis CJ (1986). 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Am J Surg Pathol 22: 1361-1367. • Augusto D, Leteurtre E et al (2002). Calretinin: a valuable marker of normal and neoplastic cell of the testis. Appl. Immunohistochem Mol Morphol. 10: 159-162. Autor: Abb. 6: Histologischer Nachweis eines Gefäßeinbruchs (Pat. N.N.) Priv.-Doz. Dr. med. Franz Theissig Carl-Thiem-Klinikum gGmbH Cottbus Institut für Pathologie Thiemstraße 111 03048 Cottbus [email protected] Abb. 7: Immunhistochemische Zusatzuntersuchung mit Calretinin (Pat. N.N.) Lebender Kolumnentitel 60 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom Von Uwe Zimmermann und Sebastian Ruppin, Greifswald Einleitung Das Nierenzellkarzinom gehört mit ca. 15 500 geschätzten Neuerkrankungen pro Jahr zu den zehn häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Inzidenz ist im Zeitraum von 1980 bis 2004 bei beiden Geschlechtern gestiegen, bei Männern hat sie sich fast verdoppelt. Das mittlere Erkrankungsalter für Männer liegt bei ca. 67 Jahren und für Frauen bei ca. 71 Jahren. Die Ätiologie der Nierenzellkarzinome ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Bekannte Risikofaktoren sind eine familiäre Disposition im Rahmen des hereditären Von-Hippel-Lindau-Syndroms, eine Adipositas, aktiver und passiver Nikotinkonsum, eine chronische Niereninsuffizienz, die Exposition mit Halogenkohlenwasserstoffen und Cadmium (1). Histopathologisch und molekularpathologisch lassen sich heute phänotypisch und genotypisch verschiedene Typen von Nierenzellkarzinomen unterscheiden. Das klarzellige Nierenzellkarzinom ist mit ca. 75% der häufigste Tumortyp. Ein hoher Gehalt an Neutralfetten und Glykogen, der durch eine metabolische Fehlsteuerung bedingt ist, gibt den Zellen histomorphologisch ein charakteristisches pflanzenzellähnliches Aussehen. Das Antigenmuster entspricht weitgehend dem der proximalen Tubuluszellen, weshalb postuliert worden ist, dass es seinen Ursprung in diesen hat (2). Es tritt sowohl sporadisch als auch hereditär auf. In der selteneren hereditären Form ist es mit dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom vergesellschaftet. In beiden Formen lässt sich bereits in sehr kleinen Tumoren eine Mutation oder Deletion des Von-Hippel-Lindau-Tumorsuppressorgens (VHL), welches auf dem kurzen Arm des Chromosoms 3 (3p25-26) lokalisiert ist, nachweisen (3-5). Das zweithäufigste Nierenzellkarzinom ist mit ca. 12 % das papilläre Nierenzellkarzinom, von dem histomorphologisch zwei Subtypen, Subtyp 1 mit kleinen Epithelien und Subtyp 2 mit eosinophilen zylindrischen Epithelien, unterschieden werden können. Aufgrund der großen Übereinstimmung des Antigenmusters mit den Zellen des proximalen Tubulus wird der Ursprungsort in diesen postuliert. Papilläre Nierenzellkarzinome können ebenfalls sporadisch und hereditär auftreten. Molekulargenetisch wird bei diesen Tumoren eine Mutation des MET-Proto-Onkogens auf dem langen Arm des Chromosoms 7 (7q31) beobachtet. In dieser Region wird für einen Thyrosinkinaserezeptor kodiert. Die Folge der Mutation ist eine Aktivierung des ras-Signalweges. Dies führt zu einer Verbesserung der Zellmigration und zu einer Abnahme der Apoptosefrequenz. Im weiteren Verlauf kommt es dann in diesen Tumoren zu einer Trisomie 7, Tri- und Tetrasomie 17 und Veränderungen an den Chromosomen 9, 11, 14, 20 (3, 4). Das chromophobe Nierenzellkarzinom, das in ca. 5% aller Fälle diagnostiziert wird, entwickelt sich aus den Schaltzellen des Typs B des kortikalen Sammelgangsystems. Zytogenetisch lässt sich bei diesen Tumoren ein Verlust der Chromosomen 1, 2, 3, 6, 10, 13, 17, 21 und Y nachweisen (3, 4). Seltene Nierenzellkarzinome, die in jeweils weniger als 1% der Fälle vorkommen, sind das Sammelgangkarzinom, das tubolo-muzinöse Nierenzellkarzinom, das Nierenzellkarzinom vom urothelialen oder neuroendokrinen Typ und nicht klassifizierbare Nierenzellkarzinome. Ergebnisse der bisherigen Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten, deren Tumoren in frühen Stadien diagnostiziert werden (T1-T2 bis 7cm, keine Metastasierung), beträgt 80-90%, für lokal fortgeschrittene und metastasierte Tumoren ca. 10% (1). Etwa 30% der Patienten haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits ein disseminiertes Tumorleiden. Die Verbesserung der 5-Jahres-Überlebenszeit in den letzten Jahrzehnten ist hauptsächlich durch eine Diagnostik in früheren Stadien, die durch den Einsatz der Sonografie, der Computertomografie und der Magnetresonanztomografie bedingt ist, verbesserten chirurgischen Verfahren und der Verbesserung der palliativen Therapie erreicht worden (6). Die Eingruppierung von Patienten mit fortgeschrittenen metastasierten Tumoren basiert auf den vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center (MSKCC) Score. Das Progressionsrisiko erhöht sich durch folgende Faktoren: Niedriger Hämoglobinwert (< Normalwert) Erhöhter korrigierter Kalziumwert ( > 10 mg/dl) erhöhter Laktathydrogenasewert ( > 1,5-facher Normwert) Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 61 Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom schlechter Performancestatus (KarnofskyIndex < 80) Zeit von der Erstdiagnose bis zur Therapie (< 1 Jahr) keine Tumornephrektomie. Patienten, die diese Kriterien nicht erfüllen, haben eine gute Prognose. Liegen ein bis zwei Faktoren vor, haben die Patienten eine mittlere Prognose und bei drei und mehr Faktoren ist die Prognose schlecht. Die alleinige Gabe von Chemotherapeutika bei einem disseminierten Tumorleiden ist fast wirkungslos (7). Nur bei sarkomatoidem Wachstumsmuster, sehr schnell proliferierenden oder nicht klar- Mitbeteiligung des Immunsystems bei dieser Erkrankung. Zytotoxische und modulierende Immuntherapeutika wie Interferone und Interleukine wurden darauf hin in der Behandlung des disseminierten Tumorleidens eingesetzt. Die am häufigsten als Einzelsubstanzen eingesetzten Immuntherapeutika sind Interleukin 2 (IL-2) und Interferon-α-2a (IFN-α-2a). Beide Substanzen wurden auch in Kombination untereinander und mit den Chemotherapeutika Vinblastin (Vin) und 5-Fluorouracil (5FU) und mit 13-cis-Retinolsäure (13-cis-Rs) verabreicht. Die Beurteilung des Therapieerfolges ist problematisch, weil eine Vielzahl von Studien mit unterschied- P13K Wachstumsfaktoren (VEGF/PDGF) AKT TK-Rezeptor quitiniert und anschließend im Proteasom abgebaut wird. Durch Mutation und/oder Inaktivierung des VHL-Gens oder Hypoxie bindet HIF 1α in klarzelligen Nierenzellkarzinomen nicht mehr an den VHL-Komplex, sondern an HIF 1ß. Dieser Komplex bindet im Zellkern an das HIF-Responsible-Element (HRE) und führt zur Aktivierung des Vascular Endothelial Growth Factors A (VEGF-A) und des Plateled Derived Growth Factors (PDGF). Die Wachstumsfaktoren werden in den extrazellulären Raum abgegeben und binden an stromale und endotheliale Rezeptortyrosinkinasen (RTK´s), die dann die stromale Proliferation und die mTOR Nucleus (VEGFR 1-3, PDGFR α+β) Angiogenese Zellproliferation Abb. 1: Signaltransduktionswege, die durch die zielgerichtete Therapie beeinflusst werden Raf/Ras zelligen Nierenzellkarzinomen sollte ein alleiniger Einsatz erwogen werden (8, 9). Die European Association of Urology empfiehlt in Ihren Leitlinien von 2007 die Gabe von 5-Fluorouracil nur in Kombination mit einer Immuntherapie (10). Eine palliative Bestrahlung von Metastasen ist sinnvoll, wenn sie im Skelettsystem oder im Cerebrum lokalisiert sind. Darüber hinaus kann eine Bestrahlung erwogen werden, wenn die Metastasen zu Belüftungsstörungen der Lunge führen. Wenn es möglich ist, sollten solitäre Metastasen jeglicher Lokalisation chirurgisch entfernt werden. Die klinischen Beobachtungen, dass es zu seltenen Spontanremissionen kommen kann, Metastasen noch nach über 20 Jahren diagnostiziert werden, es zu spontanen Regressionen von Metastasen nach der Entfernung des Primärtumors kommt und die Inzidenz bei immunsupprimierten Patienten erhöht ist, gaben Hinweise auf eine MEK lichen Dosierungen, Applikationsarten und Applikationsintervallen geprüft worden sind (Tab. 1.). Erschwerend wirkt sich weiterhin das Fehlen von placebokontrollierten Studien aus. In einer Meta-Analyse der CochraneCollaboration ist nur für die IFN-α Therapie ein Überlebensvorteil von durchschnittlich 3,8 Monaten gefunden worden (11). Zielgerichtete Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms Durch die Grundlagenforschung wurden entscheidende molekulare Mechanismen, die im Zusammenhang mit der Funktion des VHL-Tumorsuppressorgens stehen, in der Tumorgenese des Nierenzellkarzinoms aufgedeckt. Im nicht karzinomatösen Gewebe bindet der VHL-Komplex den Hypoxy inducible Faktor 1α (HIF 1α), der ubi- 62 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 ERK Angiogenese stimulieren. Sie binden ebenfalls an Rezeptortyrosinkinasen, die auf Tumorzellen lokalisiert sind, und beeinflussen die Tumorzellproliferation über den RAS/ Raf/MEK und den Phosphatidylinositol-3Kinase-AKT-Signalweg (16). Über letzteren Signalweg wird das mammalian Target of Rapamycin (mTOR) stimuliert, dass die Proteintranslokation von Zellzyklusproteinen kontrolliert, die für die Zellprogression mit verantwortlich sind. Diese Signalwege können durch neu entwickelte Medikamente zielgerichtet beeinflusst werden (Abb. 1, Tab. 2). Bevacizumab, ein monokloaler Antikörper, bindet an das lösliche VEGF, verhindert damit die Bindung an RTK´s und die Signaltransduktion. Die RTK´s können auch direkt durch Sunitinib und Sorafenib inhibiert werden. Temsirolimus und Everolimus inhibieren mTOR. Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom Tab. 1: Auswahl von Phase-III-Studien zur Immuntherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (12-15) Sunitinib (Sutent®) Sunitinib hemmt die Rezeptortyrosinkinasen VEGFR 1-3, PDGFR- α Negrier / IL-2 + IFN-α-2a + 5FU 8,2 vs. 1,4 nach 12 Mo. 131 und –ß, Fms-like-Tyro2000 vs. (p = 0,1) 52% vs. 53% sinkinase 3 (FLT3) und IL-2 + IFN-α-2a (p = n.s.) c-Kit. In der ZulassungsMotzer / 2000 IFN-α-2a 12 vs. 6 15 vs. 15 284 studie wurden 750 Pativs. (p=0,14) (p = n.s.) enten behandelt. Im Arm IFN-α-2a + 13-cis-Rs A erhielten die Patienten Sunitinib oral, im Arm Atzpodien / IL-2 + IFN-α-2a + 5FU +/31 vs. 26 vs. 20 25 vs. 27 vs. 16. 341 2004 13-cis-Rs (p = n.s.) (p = 0,0044 / 0,0227) B IFN-α subcutan. Die vs. objektive AnsprechraIFN-α-2a + Vin te betrug im SunitinibMcDermott / IL-2 192 23 vs. 9,9 17,5 vs. 13 Arm 31% und im IFN-α 2005 vs. (p = 0,18) (p = 0,24) Arm 6% (p = 0,001). Das IL2 + IFN-α-2a progressionsfreie Überleben war für Patienten in allen Risikogruppen des am deutlichsten von der Bevacizumab-IFN-α MSKCC-Scores, die mit Sunitinib behandelt Ergebnisse aus klinischen Studien Therapie. Das PFS verlängerte sich im Verwurden, signifikant länger (11,2 Monate vs. gleich zur IFN-α-Placebo Gruppe von 4,5 auf 5,1 Monate, p < 0,000001) (18). In einer neuBevacizumab (Avastin®) 10,2 Monate (p < 0,0001). Die Tumormassen eren Analyse betrug die objektive AnsprechIn der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie verringerten sich bei 70% der Patienten in rate für Sunitinib 38% und für IFN-α 8%. für Bevacizumab wurden 641 unbehandelte der Bevacizumabgruppe und bei 39% der Das progressionsfreie Überleben veränderte Patienten therapiert. In einem BehandlungsPatienten in der Kontrollgruppe. Das Gesich nicht. Das mediane Gesamtüberleben arm (A) erhielten die Patienten intravenös samtüberleben in der IFN-α Placebogruppe für Patienten, die mit Sunitinib therapiert Bevacizumab in Kombination mit IFN-α betrug 19,8 Monate. Zum Zeitpunkt der wurden, war 26,4 Monate und für Patiensubcutan. Im anderen Behandlungsarm (B), Veröffentlichung der Studie konnte zum ten, die mit IFN-α therapiert wurden 21,8 der als Kontrolle diente, wurde IFN-α mit Gesamtüberleben der Patienten, die mit der Monate. Dieser Unterschied war statistisch einem Placebo appliziert. Die objektive AnKombination Bevacizumab plus IFN-α benicht signifikant (p = 0,051) (19). sprechrate im Bevacizumabarm betrug 31,4% handelt worden, keine Angabe gemacht werSorafenib (Nexavar®) im Kontrollarm 12,8%. Der Unterschied den, weil es noch nicht erreicht worden ist. war statistisch signifikant (p < 0, 0001). Das Die Wirksamkeit der Kombinationstherapie Das oral applizierte Sorafenib hemmt als progressionsfreie Überleben (PFS) betrug im von Bevacizumab plus IFN-α wurde durch Multityrosinkinasehemmer VEGFR 1-3, Kontrollarm 5,4 Monate. Patienten, die mit eine Dosisreduktion, die aufgrund von NePDGFR-ß, FLT3, c-Kit und Raf. In der der Bevacizumab IFN-α Kombination bebenwirkungen vorgenommen werden musste, Phase-III-Studie wurden 903 Patienten behandelt wurden, hatten ein progressionsfreies von IFN-α nicht wesentlich beeinflusst. Das handelt mit einer objektiven Ansprechrate Überleben von 10,2 Monaten (p < 0,0001). PFS betrug wie in der gesamten Population von 10% für Sorafinib und 2% für Placebo Patienten mit einer intermediären Prognose 12,4 Monate (17). (p < 0.001). Das PFS betrug für Sorafinib nach MSKCC-Kriterien profitierten dabei 5,5 und für Placebo 2,8 Monate (p < 0,01). Der Unterschied war unabhängig vom Alter, dem Zeitpunkt der Diagnose, der MeTab. 2: Substanzen und deren Zielproteine der Tumor- und Endothelzelle tastasenlokalisation (Lunge, Leber), dem MSKCC-Score und von einer vorherigen Substanz Zielproteine der Tumor- und Endothelzellen Zytokintherapie statistisch signifikant. AufBevacizumab VEGF grund dieser Ergebnisse wurde die Studie entblindet und 485 Patienten der PlaceboSorafenib VEGFR 1-3, PDGFR-ß, FLT3, c-Kit, Raf gruppe wurden mit Sorafenib therapiert. Das Gesamtüberleben betrug durchschnittlich Sunitinib VEGFR 1-3, PDGFR- α,ß, FLT3, c-Kit für die Sorafenibgruppe 17,8 Monate und Temsirolimus mTOR für die Placebogruppe 14,3 Monate. Das Sterberisiko der Patienten, die mit SoraEverolimus mTOR fenib behandelt wurden, verringerte sich. Autor / Jahr Substanzen und Applikationsschemata Patienten (n) Responserate (%) Gesamtüberleben/ Monate Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 | 63 Neue therapeutische Optionen beim metastasierten Nierenzellkarzinom Der Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant (20, 21). Temsirolimus (Torisel®) Der intravenös zu applizierende mTOR Inhibitor Temsirolimus wurde in einer dreiarmigen Phase-III-Studie, in die 626 Patienten mit einer schlechten Prognose nach MSKCC Kriterien eingeschlossen wurden, getestet. Im Arm A erhielten die Patienten Temsirolimus, im Arm B IFN-α subcutan und im Arm C die Kombination von Temsirolimus und IFN-α subcutan. Die objektive Ansprechrate betrug im Temsirolimus-Arm 8,6%, im IFN-α-Arm Für Everolimus wird die Zulassung bei Nierenzellkarzinom nach Versagen einer Therapie mit einem Tyrosinkinasehemmer in Deutschland erwartet (Handelsname in den USA: Afinitor). Unter dem Handelsnamen Certican ist der Wirkstoff in der Prophylaxe der Transplantatabstoßung bereits auf dem deutschen Markt verfügbar. Nebenwirkungen der Therapie Die häufigsten Nebenwirkungen dieser Substanzen sind Anämie, Thrombopenie, Neu- Tab. 3: Derzeitiger Zulassungsstatus und Dosis für die zielgerichtete Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms Substanz Indikation Dosis Bevacizumab 1st Line in Kombination mit IFN-α 10 mg/kg KG alle 14 Tage, IFN-α 3-9 Mio I.E. 3-mal wö. Sunitinib 1st und 2nd Line Monotherapie 50 mg/d 28d dann 14d Pause Sorafenib 2nd Line Monotherapie 2 x 400mg/d Temsirolimus 1st Line Monotherapie schlechte Prognose MSKCC-Score 25 mg/wö. 4,8% und im Kombinationsarm 8,1%. Das mediane Überleben war im Arm A mit 10,9 Monaten signifikant länger als im Arm B mit 7,3 Monaten und im Kombinationsarm C mit 8,4 Monaten (p = 0.0078). Das PFS war im Temsirolimus-Arm mit 5,5 Monaten gegenüber dem IFN-α-Arm mit 3,1 Monaten und dem Kombinationsarm mit 4,7 Monaten am deutlichsten verlängert (22). Everolimus Everolimus, ein oral zu applizierender mTOR Inhibitor, konnte nach Versagen einer Sunitinib- und/oder Sorafenibtherapie das PFS im Vergleich mit Placebo statistisch signifikant von 1,9 auf 4 Monate verlängern (p = 0.0001). Das relative Progressionsrisiko wurde um 70% reduziert (23). Bevacizumab, Sunitinib, Sorafenib und Temsirolimus sind zugelassene Medikamente in der Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms. Der aktuelle Zulassungsstatus ist in der Tabelle 3 aufgeführt. tropenie und gastrointestinale Symptome wie Nausea und Diarrhö. Das Hand-FußSyndrom wird verstärkt bei der Gabe von Sorafenib und Sunitinib beobachtet. Unter der Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren kommt es weiterhin zu Veränderungen der Schilddrüsenfunktion und Herzfunktion mit entsprechenden klinischen Symptomen, weshalb ein regelmäßiges Monitoring durchgeführt werden muss. Temsirolimus kann auch bei nicht diabetischen Patienten eine Hyperglykämie und Hypercholesterolämie auslösen, die eine medikamentöse Therapie notwendig machen können. Im Allgemeinen muss bei Auftreten von Nebenwirkungen die Dosis reduziert werden. Ob es damit auch zu einer verringerten Wirkung kommt, kann zurzeit noch nicht beurteilt werden. Zusammenfassung Die therapeutischen Möglichkeiten in der Behandlung des metastasierten Nierenzell- 64 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 karzinoms sind durch die zielgerichtete Therapie mit neuen Medikamenten entscheidend erweitert worden. Substanzielle Fortschritte sind bei den objektiven Ansprechraten und dem progressionsfreien Überleben erreicht worden. Für Temsirolimus konnte das Gesamtüberleben von Patienten mit einer schlechten Prognose verlängert werden. In weiteren Studien werden die Fragen zur Kombinationstherapie, die optimale Patientenauswahl, die Therapiedauer, die Wirkung der Therapie bei Dosisreduktionen und der Einsatz bei unterschiedlichen histopathologischen Nierenzellkarzinomen beantwortet werden müssen. Literatur 1. Krebs in Deutschland 2003–2004 Häufigkeiten und Trends, Dachdokumentation GEKID und RKI; ISBN 978-3-896006-182-9; 78-82; (www.rki.de) 2. Thoenes W, Störkel S, Rumpelt HJ et al: Histopathology and classification of renal tumors (adenomas, oncocytomas, and carcinomas). The basic cytological and histopathological elements and their use for diagnostics. Path Res Pract 1986; 181: 125-143 3. Störkel S, van den Berg E: Morphologische Klassifikation und Zytogenetik humaner epithelialer Nierenzelltumoren. Verh Dtsch Ges Path 1995; 79: 643-650 4. Störkel S: Molekulargentische Klassifikation der Nierentumoren. Verh Dtsch Ges Path 2002; 86: 28-39 5. 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Zimmermann Klinik und Poliklinik für Urologie Klinikum der Ernst-Moritz-ArndtUniversität (AöR) Fleischmannstraße 42-44 17475 Greifswald E-Mail: [email protected] VORANKÜNDIGUNG „Methodik klinischer Prüfung in der Onkologie“ Seminar: 12. Zentraleuropäisches Seminar der European School of Oncology – deutschsprachiges Programm Veranstalter: ESO-d / ACR-ITR VIEnna / LBI-ACR VIEnna – CTO Seminarleiter: Univ.-Prof.Dr. Christian Dittrich (Wien,A) Approbation: 21 DFP-Punkte für das Fach Innere Medizin (Hämato-Onkologie) Akkreditierung: 15 ESMO-MORA Punkte der Kategorie 1 Termin: Ort: Auskunft: 26. - 28. November 2009 Hotel Schloss Wilhelminenberg Wien Angewandte Krebsforschung – Institution für Translationale Forschung Wien (ACR-ITR VIEnna) c/o Bernardgasse 24/2, A-1070 Wien Tel: 0043 1 523 35 94 Fax: 0043 1 523 35 944 E-Mail: [email protected] Arzneimittelsicherheit im internationalen Handel ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG ++ PRESSEMITTEILUNG Pressemitteilung der Max-Pharma s.r.o. Arzneimittelsicherheit im internationalen Handel – Partnerschaften für die Zukunft Anlässlich eines Forums zur Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa trafen sich am 29. Juli 2009 Politiker und Wirtschaftsvertreter im tschechischen Asch (Egerland/Vogtland). Auf Einladung der Arbeitsgruppe Hochfranken „Zukunftsregion Vierländer e.V.“ wurden insbesondere die deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen in Oberfranken, Sachsen, Thüringen beleuchtet und deren weitere Entwicklung vorangetrieben. Nach lebendigen Vorträgen und Diskussionen besuchte die Delegationen das ortsansässige Unternehmen Max-Pharm s.r.o. Die Max-Pharm s.r.o. ist ein auf onkologische Arzneimittel spezialisiertes, internationales Pharmaunternehmen, das mittels eines auf IT-Hochtechnologie gestützten Qualitätssicherungssystems Handel mit Onkologika und Spezialpharmazeutika in Deutschland, Osteuropa und China betreibt. Im Zuge des Forums wurde die Max-Pharm s.r.o. offiziell und in Echtzeit an eine neuentwickelte Version des Qualitätssicherungssystems angeschlossen. Dabei konnten sich die politischen Vertreter, hierunter MdB Dr. Hans-Peter Friedrich stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, sowie Ralf Bornkessel, MDL in Thüringen von der CDU, von der Funktionsweise und Leistungsfähigkeit des Systems überzeugen. Das Kernstück bilden in die Arzneimittelpackung eingearbeiteten RFID (Radio-FrequenzIdentifikation) -Transponder. Damit ist die Echtzeit-Abfrage der Identität, Originalität, Qualität und Herkunft des Arzneimittels jederzeit und jederorts möglich. Durch Ein- bindung in eine speziell entwickelte IT-Infrastruktur wird im Sinne der FDA Richtlinien sowie EPCGlobal / EPCIS auch Fälschungssicherheit gewährleistet. Bisher wurde diese neue Entwicklung der XQS-Service GmbH hauptsächlich in China vorangetrieben. Drahoslav Zdarek Direktor Marketing & Sales International Max-Pharma s.r.o. [email protected] IT-Infrastruktur des Qualitätssicherungs-Systems IT-Infrastruktur des Qualitätssicherungs-System Pulk-Lesegerät 66 | Onkologische Pharmazie | 11. Jahrgang | Nr. 3/2009 RFID-Tags