VL Motivation 6 - Erwartung Wert Motiv

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Professur für
Allgemeine Psychologie
Vorlesung im WS 2011/12
Motivation, Volition, Handeln
Kognitive Ansätze:
Erwartung-Wert-Theorien
Prof. Dr. Thomas Goschke
1
Überblick und Lernziele







3
Kognitive Ansätze in der Motivationsforschung
Erwartung-Wert-Theorien
Motive
Leistungsmotivation
Risikowahl-Modell von Atkinson
Empirische Befunde zum Risikowahl-Modell
Kausalattributionen und Selbstbewertung
Literaturempfehlungen
Rudolph, U. (2003). Motivationspsychologie. Beltz PVU. (Kap. 5 + 6)
Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (2010). Motivation und Handeln (4.
Aufl.). Berlin: Springer. (Kapitel 5 + 6).
4
Ebenen der Verhaltenssteuerung
Reflexe und
Instinkte
Angeborene Reaktionsprogramme, die in fixer Weise durch spezifische
Reizbedingungen ausgelöst werden
Bedürfnismodulation
Modulation von Reaktionsdispositionen durch aktuell angeregte
Bedürfnisse / Triebzustände
Assoziatives
Lernen
Erfahrungsabhängige Bildung/Veränderung von Assoziationen
zwischen Reizen, Reaktionen und deren Konsequenzen
Intentionale
Handlungen
Motivation durch Erwartungen (antizipierte Konsequenzen) und
Anreize (Bewertung der Konsequenzen) des Verhaltens;
Zielgerichtetes Handeln
Volitionale
Selbstregulation
Antizipation zukünftiger Bedürfnisse
Metakognitive Strategien der Selbstkontrolle;
Unterdrückung konkurrierender Motivationstendenzen oder
Gewohnheiten zugunsten langfristiger Ziele
5
Willenspsych.
Assoziationismus
Kognitive u.
Persönlichkeitspsychol. Ansätze
James
1890
Freud
1900, 1915
Lewin
1926, 1935
Thorndike
1898, 1911
Pawlow
1909/1927
Tolman,
1932, 1952
Duffy
1932, 1962
Hull
1943, 1952
Murray
1938
McClelland
1953, 1961
8
Heider
1958
Heckhausen
1967, 1980
Weiner
1972
Lorenz
1937, 1943
Hebb
1949, 1953
Bindra
1959
Mowrer
1950, 1960
Atkinson
1957, 1970
McDougall
1908
Skinner
1938, 1953
Spence
1956, 1960
Kuhl,
1983, 1994
Instinkttheoret.
Darwin
1859
Wundt
1874, 1896
Ach
1910
Aktivationstheoret.
Miller
1948, 1959
Berlyne
1960, 1967
Sokolov
1958
Tinbergen
1951
Eysenck
1967
Gollwitzer
1990
Kognitive Ansätze
Volitionstheorien
Moderne
Lerntheorien
Psychophysiologie
Biopsychologie
Moderne
Evolutionsps.
Die „kognitive Wende“ in der Motivationspsychologie

40er- 50er Jahre
•
•
Hull: Fokus auf Trieb und Gewohnheit
Vorläufer kognitiver Ansätze:
-

50er Jahre
•
•
•
•
12
Hull/Spence: Anreize
Spence: fragmentarische antizipatorische Zielreaktion
Tolman: Erwartung (exepectancy)
Mowrer: Erwartungsemotionen
Bolles: Erwartungen über Reaktions-Folge-Kontingenzen
•
wachsende Unzufriedenheit mit Beschränkungen
(neo)behavioristischer Ansätze
Entstehung der Kognitiven Psychologie (z.B. Neisser,1967)
Fokus auf mentale Repräsentationen und nicht direkt
beobachtbare Prozesse der Informationsverarbeitung
Erwartungen, Bewertungen und Ziele als motivierende Faktoren
Wichtigster theoretischer Ansatz: Erwartung-Wert-Theorien
Merkmale zielgerichteter Handlungen

Handlungs-Effekt-Antizipationen und Zielrepräsentationen
•
•

Affekt-Antizipation und Bewertung von Zielen
•
•
14
Antizipation von Handlungseffekten und alternativen Zielen
Subjektive Einschätzungen der Erreichbarkeit von Zielen
Antizipation der affektiven Konsequenzen von Zielzuständen
Bewertung der Attraktivität von Zielen
Intentionale Handlungssteuerung
Effekt-Antizipation und Zielrepräsentationen
Repräsentation erwarteter
Handlungseffekte
Aktionx
Effektx
Aktiony
Effekty
Aktionz
Effektz
Bildung von Zielen / Auswahl
von Handlungen aufgrund
von Bewertungen
antizipierter Effekte
Effektx
Aktionx
Reaktionen
Reize
Sensoren
16
Erlernte
Assoziationen
Effektoren
(Lotze, 1852; James, 1890; Prinz, 1998;
Goschke, 2004; Haggard, 2005; Hommel, 2001)
Arten von Erwartungen
S
S
Situation
E
H
H
Handlung
TätigkeitsspezifischeVollzugsanreize
E
E
Ergebnis
F
Folgen
Anreize künftiger
Zustände
17
Nach Heckhausen, 1989; Rheinberg, 1997
Verschiedene Erwartungen: Beispiele

Situations-Ergebnis-Erwartung
• Welches Ergebnis ist zu erwarten, wenn ich nicht handle?
- Wie wahrscheinlich ist es, eine Prüfung zu schaffen, ohne sich darauf
vorzubereiten?

Situations-Handlungs-Erwartung
• Kann eine Handlung in einer Situation ausgeführt werden?
- Habe ich bis zur Prüfung noch genügend Zeit, um mir die Literatur
zu beschaffen und sie durchzuarbeiten?

Handlungs-Ergebnis-Erwartung
• Kann ich das Ergebnis durch eigenes Handeln beeinflussen?
- Wie wahrscheinlich ist es, durch Lernen eine gute Note zu erlangen?

18
Ergebnis-Folge-Erwartung
• Wird ein Handlungsergebnis auch die erwünschten Folgen nach
sich ziehen?
- Steigern gute Noten wirklich die Chance auf einen guten Job?
Erwartungen im erweiterten kognitiven
Motivationsmodell (nach Heckhausen & Rheinberg, 1980)
Erscheint das Ergebnis durch
die Situation bereits festgelegt?
ja
Tue nichts!
nein
Tue nichts!
nein
Tue nichts!
nein
Tue nichts!
nein
Kann ich das Ergebnis durch
eigenes Handeln beeinflussen?
ja
Sind mir die möglichen Folgen
des Ergebnisses wichtig genug?
ja
Zieht das Ergebnis auch die
gewünschten Folgen nach sich?
ja
19
Handeln!
Anreize




20
Ziel des Verhaltens ist die Maximierung positiver und Minimierung
negativer Affekte (These des Hedonismus)
Motivation durch antizipierte Affekte
• reale oder vorgestellte Situationen, die mit der Antizipation positiver
bzw. negativer Affekten einhergehen  Annäherungs- bzw.
Meidungstendenzen
Anreize = Aspekte einer Situation, die mit positiven oder negativen
Affekten assoziiert sind und einen Motivationszustand anregen können
• Angeborene Anreize: Schmerzreize, Nahrung
• Erlernte Anreize: durch Assoziation mit angeborenen Anreizen
• Tätigkeitszentrierte Anreize: intrinsische Motivation
• Ergebniszentrierte Anreize: extrinsische Motivation
Motivation = ergibt sich aus Interaktion von situativen Anreizen und
personenseitigen Bedürfnissen, Motiven und Erwartungen
Das Grundmodell kognitiver Motivationstheorien
Person
(Motive, Ziele, Erwartungen)
Motivation
Verhalten
Situation
(Anreize; Gelegenheiten)
21
Nach: Rheinberg, 1995
Überblick und Lernziele







22
Kognitive Ansätze in der Motivationsforschung
Erwartung-Wert-Theorien
Motive
Leistungsmotivation
Risikowahl-Modell von Atkinson
Empirische Befunde zum Risikowahl-Modell
Kausalattributionen und Selbstbewertung
Historische Wurzeln von Erwartung-Wert-Theorien

Blaise Pascal (1623-1662)
•

Ökonomische Entscheidungstheorie (von Neumann &
Morgenstern, 1944); Edwards, 1962)
•

Rationale Entscheidungsregel: Wähle das Ziel, bei dem das
Produkt von möglichem Gewinn und Gewinnwahrscheinlichkeit
maximal ist  Erwartung X Wert
Psychologische Ansätze: Kurt Lewin (1935); Lewin, Dembo,
Festinger & Sears (1944)
•
•
•
23
Bei der Auswahl eines Ziels sollte der erwartete Wert des
Handlungsziels und die Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen,
berücksichtigt werden
Verhalten = Funktion von Person und Situation
Motivation beruht auf Einschätzung der Valenz (Anreiz, Wert)
und Erreichbarkeit (Potenz, Erfolgswahrscheinlichkeit) von Zielen
Weiterentwicklungen: Feather (1959); Vroom, (1964); Atkinson
(1957); Heckhausen (1963) u.a.
Erwartung und Wert

Erwartung (Erfolgswahrscheinlichkeit)
•
•

Wert (Valenz)
•
•
24
Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, ein Ziel erreichen zu
können
Beruht auf Wissen über Zusammenhänge zwischen
Ereignissen, Handlungen und deren Konsequenzen
Subjektiver Anreiz eines Ziels
Beruht auf emotionaler Bewertung eines vorgestellten
Zielzustands  Affekt-Antizipation
Erwartung x Wert
Wette 1: 12 €, wenn Sie aus 4 Karten eine bestimmte Karte ziehen
Wette 2: 200 €, wenn Sie aus 36 Karten eine bestimmte Karte ziehen
Für welche Alternative entscheiden Sie sich?
Wahrscheinlichkeit
Wahrscheinlichkeit x Wert
Erwarteter
durchschnittlicher
Gewinn
Wette 1
1/4 = .25
.25 x 12
3,00 €
Wette 2
1/36 = 0.0278
.0278 x 200
5,56 €
25
Erwartung x Wert
Erfolgserwartung
Wert/
Anreiz
ExW
0,1
0,1
0,01
0,9
0,9
0,1
0,09
0,09

Motivation (ExW)
0,1












0,5
0,5
0,25



0,9
27
0,9
0,81


Wert







Erwartungs-Wert-Theorien:
Vier Anmerkungen

Subjektive Erfolgserwartung ≠ objektive Erfolgswahrscheinlichkeit!
•

Subjektiver Anreiz ≠ objektiver Nutzen!
•

Verhalten, das einer Erwartung x Wert-Regel genügt, ist auch bei Tieren
(Fische, Vögel) beobachtet worden, die vermutlich nicht über bewusste
Repräsentationen von Erfolgswahrscheinlichkeiten und Anreizen verfügen
Menschen weichen in ihrem Verhalten mehr oder weniger stark von einer
optimalen Erwartung-Wert-Regel ab
•
37
Menschen können sich im Irrtum darüber befinden, welche emotionalen
Konsequenzen das Eintreten eines Ereignisses für sie haben wird
Erwartungen und Werte müssen nicht immer bewusst sein!
•

Wahrscheinlichkeit eines Handlungsergebnisses kann falsch eingeschätzt
werden
Z.B. impulsives oder habituelles Verhalten
Subjektive Voraussage von Ereignissen und
objektive Auftretenswahrscheinlichkeit
38
Irwin, 1953
Überblick und Lernziele






43
Kognitive Ansätze in der Motivationsforschung
Erwartung-Wert-Theorien
Motive
Risikowahl-Modell von Atkinson
Empirische Befunde zum Risikowahl-Modell
Kausalattributionen und Selbstbewertung
Motive



Wovon hängt es ab, ob eine Person ein Ziel als
erstrebenswert ansieht?
Warum sind bestimmte Zielzustände für manche Personen
erstrebenswert, während andere diesen Zielen gleichgültig
gegenüber stehen oder sie sogar zu vermeiden versuchen?
Zwei Ursachen:
•
•
44
Intraindividuelle Schwankungen von Bedürfnissen oder
Trieben
Interindividuell unterschiedlich stark ausgeprägte Motive
Motive



46
Murray (1938):
• Bereitschaft, unter bestimmten Umständen in spezifischer
Weise zu reagieren
Rheinberg (2000):
• Intraindividuell konstante, interindividuell variierende
Personenmerkmale, die für die Bevorzugung von Anreizklassen
(z.B. Macht, Leistung) verantwortlich sind und durch Anreize
in einer Situation angeregt werden
Heckhausen (1989):
• Situationsübergreifende Disposition, Zielzustände einer
bestimmten Thematik (z.B. Leistung, Macht, Anschluss) positiv
oder negativ zu bewerten („Wertungsdisposition“) und
bestimmte Klassen von Zielen anzustreben bzw. zu vermeiden
Murray, H. A. (1938). Explorations in personality. New York: Oxford University Press.
Rheinberg, F. (2002). Motivation. Stuttgart: Kohlhammer.
Heckhausen, H. (1989). Motivation und Handeln (2. Aufl.). Heidelberg: Springer.
Motive

Motive sind Konstrukte zur Erklärung von
•
intraindividueller Stabilität im Verhalten:
- Warum verhält sich eine Person in verschiedenen Situationen
ähnlich?
•
interindividueller Variabilität im Verhalten
- Warum verhalten sich verschiedene Personen in ähnlichen
Situationen unterschiedlich (z.B. leistungs- vs. machtorientiert)?
47
Motive, Motivation und Affektantizipation



Motivationszustände sind eng mit Emotionen verknüpft
Emotionen signalisieren, ob Zielerreichung gefährdet ist
oder man ihr näher kommt (Dörner: „Lageberichte“ über
den aktuellen Motivationszustand)
Motivation beruht auf antizipierten Affektveränderungen
•
•

48
Z.B. antizipierte Freude/Stolz beim Gedanken an einen Erfolg
Z.B. antizipierte Trauer/Scham beim Gedanken an einen
Misserfolg
Motive beeinflussen, welche Affekte durch Ziele einer
bestimmten Thematik ausgelöst werden, d.h. wie
erstrebenswert ein Ziel erscheint
Motive und Anreize



50
Anreize = Aspekte einer Situation, die Möglichkeiten zur
Erreichung motivthematischer Ziele signalisieren
anreizhaltige Situationsaspekte haben einen
„Aufforderungscharakter“ (Lewin, 1926) und ziehen
Aufmerksamkeit auf sich
Motive werden durch (tatsächliche oder vorgestellte)
Anreize angeregt
Motiv als Dispositionskonstrukt

Ob sich Motive im Verhalten ausdrücken, hängt davon ab
•
•
•

Wie sich Motive im Verhalten ausdrücken, hängt davon ab
•
•
52
ob ein Motiv durch situative Anreize angeregt wird
ob die Situation Gelegenheiten zur Verfolgung
motivspezifischer Ziele enthält
ob das Motiv kurz zuvor bereits befriedigt wurde („Sättigung“)
welche Handlungen im Verhaltensrepertoire der Person sind
welche Handlungen sie als zieldienlich betrachtet
Motiv vs. Motivation

Motiv („trait“)
•

persönliche Disposition, Zielzustände einer bestimmten
Thematik (z.B. Leistung, Macht, Anschluss) positiv oder
negativ zu bewerten
Motivation („state“)
Zustand, in dem personenseitige Motive durch situative
Anreize angeregt werden
• Aktuelle Tendenz, ein Ziel durch eigenes Verhalten
anzustreben oder zu vermeiden
 Ausrichtung des Denkens u. der Aufmerksamkeit auf das Ziel
•
53
Das Grundmodell kognitiver Motivationstheorien
Person
(Motive, Erwartungen)
Motivation
Verhalten
Situation
(Anreize; Gelegenheiten)
54
Nach: Rheinberg, 1995
Klassifikation von Motiven
• Ein bzw. zwei grundlegende Motive (Freud: Libido vs. Destrudo)
• Viele verschiedene Motive (Cattell, McDougall, Murray)
• Hierarchie von Motiven (Maslow)
56
Murrays Liste von psychogenen Bedürfnissen
57
n Abasement
Erniedrigung
n Achievement
Leistung
n Affiliation
sozialer Anschluß
n Aggression
Aggression
n Autonomy
Unabhängigkeit
n Counteraction
Widerständigkeit
n Defendance
Selbstgerechtigkeit
n Deference
Unterwürfigkeit
n Dominance
Machtausübung
n Exhibition
Selbstdarstellung
n Harmavoidance
Leidvermeidung
n Infavoidance
Mißerfolgsmeidung
n Nurturance
Fürsorglichkeit
n Order
Ordnung
n Play
Spiel
n Rejection
Zurückweisung
n Sentience
Sinnhaftigkeit
n Sex
Sexualität
n Succorance
Abhängigkeit
n Understanding
Verstehen (Einsicht)
Primäre („biologische“) vs. sekundäre („soziale“)
Motive
Primäre Motive









•
•
58
Hunger
Durst
Ausscheidung
Konstante Körpertemperatur
Sauerstoff (Atmung)
Schlaf
Vermeidung von Schmerz
Sexualität
Neugier und Exploration
Sekundäre Motive






Leistung
Kompetenz
Anschluss/ Intimität
Macht
Selbstachtung
u.a.
Auch biologische Motive sind in ihren Ausdrucksformen durch kulturelle
Einflüsse und Lernerfahrungen beeinflusst
Auch soziale Motive können als evolutionäre Anpassungen an
grundlegende Erfordernisse des Überlebens und der Fortpflanzung
betrachtet werden
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Abraham H. Maslow (1908-1970):
Vertreter der humanistischen
Psychologie
Selbstverwirklichung
Selbstachtung
Soziale Bindungen
Sicherheit
Physiologische Bedürfnisse
59
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Physiologische Bedürfnisse
(physiological needs) :
Hunger
Durst
Sexualität
Diese Bedürfnisse dienen der Homöostase
(Aufrechterhaltung des physiologischen
Gleichgewichts)
60
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Sicherheits-Bedürfnisse
(safety needs):
Sicherheit und Schutz vor Schmerz,
Furcht, Angst und Ungeordnetheit,
Bedürfnis nach schützender Abhängigkeit,
nach Ordnung, Gesetzlichkeit und
Verhaltensregelung
61
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Soziale Bindungs-Bedürfnisse
( needs for belongingness and love):
Bedürfnisse nach Liebe,
nach Geborgenheit, nach
sozialem Anschluss, nach
Identifikation
62
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Selbstachtungs-Bedürfnisse
(esteem needs):
Bedürfnisse nach Leistung,
nach Geltung,
nach Zustimmung
63
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Selbstverwirklichungs-Bedürfnisse
(self-actualization needs):
Selbsterfüllung in der
Realisierung der eigenen
angelegten Möglichkeiten
und Fähigkeiten, Bedürfnis
nach Verstehen und Einsicht
64
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Selbstverwirklichung
Selbstachtung
Soziale Bindungen
Sicherheit
Physiologische Bedürfnisse
65
1. Höhere Bedürfnisse stellen jüngere
evolutionäre Entwicklungen dar.
2. Je höher Bedürfnisse sind, umso weniger
wichtiger sind sie für das Überleben
3. Höhere Bedürfnisse sind für die Person
weniger dringlich.
4. Auf einem höheren Bedürfnisniveau zu
leben, bedeutet längeres Leben, weniger
Krankheit, besseren Schlaf, usw.
5. Befriedigung höherer Bedürfnisse führt zu
mehr Glück und innerem Reichtum
Motive als evolutionäre Anpassungen

Motive sind stammesgeschichtliche Anpassungen an grundlegende
Erfordernisse des Überlebens und der Fortpflanzung
•


66
Streben nach Kompetenz, positiven Beziehungen und Macht betrifft grundlegende
adaptive Anforderungen an sozial organisierte Lebewesen
Die psychobiologischen Systeme, die Motiven zugrunde liegen,
haben vermutlich teilweise eine genetische Basis:
•
Grundmotive sind in vielen Kulturen vorhanden
•
Homologe Motivsysteme bei nichtmenschlichen Primaten
Die individuelle Ausprägung und der Ausdruck von Motiven hängt
von kulturellen Einflüssen und Lernerfahrungen ab
•
z.B. Hunger: Nahrungsvorlieben, Tischsitten etc.
•
z.B. individuelles Leistungsstreben in verschiedenen Kulturen
Soziale Basismotive

Anschlussmotiv
•

Machtmotiv
•

Bestreben, auf andere Einfluss zu nehmen und sich dadurch
stark und bedeutsam zu fühlen
Leistungsmotiv
•
69
Bestreben, positive Beziehungen zu anderen aufzunehmen,
aufrecht zu erhalten oder gestörte Beziehungen wieder
herzustellen
Leistungsmotiv: Bestreben, eine Sache besonders gut zu
machen, etwas Anspruchsvolles zu schaffen und stolz auf das
Geschaffte und die eigene Kompetenz sein zu können
Definition des Leistungsmotivs




70
Leistungshandeln: Verhalten, an das ein Gütestandard angelegt
wird (McClelland et al., 1953)
• sachimmanent (Gelingen oder Misslingen)
• autonom (Vergleich mit eigener früherer Leistung)
• sozial (Vergleich mit den Leistungen anderer)
Leistungsmotiv: Disposition „die eigene Tüchtigkeit in jenen
Tätigkeiten zu steigern oder hoch zu halten, in denen man einen
Gütemaßstab für verbindlich hält und deren Ausführung deshalb
gelingen oder misslingen kann“ (Heckhausen, 1965)
McClelland: LM spiegelt generalisierte Belohnungserwartung für
Leistung/Erfolg bzw. generalisierte Bestrafungserwartung für
Misserfolg
Leistungmotiv wird durch die Antizipation von leistungsbezogenen
Affekten (Stolz vs. Scham) angeregt
Evolutionäre Funktion des Leistungsmotivs

Lebewesen, deren körperlichen und geistigen Fähigkeiten
weitgehend auf Lernprozessen beruhen, müssen
Verhaltensmöglichkeit aktiv erproben, üben und verbessern
•

71
Funktion des Spiels; kleinkindliche Freude am „Selber
machen“, Lernen und Aufgaben meistern (Karl Bühler:
„Funktionslust“)
Leistungsmotiv als „hedonistisch verankerter
Selbstoptimierungsmechanismus“ (Rheinberg & Fries,
2001)
Natur und Kultur des Leistungsmotivs




72
Genetische Prädisposition ist plausibel
• Das Bestreben, Kompetenzen zu erwerben und Dinge gut zu
können brachte vermutlich einen Selektionsvorteil mit sich
Aber: Individuelle Ausprägung des Leistungsmotivs hängt von
Sozialisationsbedingungen ab
• Z.B. Förderung der Selbständigkeit des Kindes
Ausprägung und Ausdrucksformen des Leistungsmotivs variieren
je nach Normen, Werte, Erziehungspraktiken einer Kultur
Individuelles Leistungsmotiv = Ergebnis der Interaktion von Natur
und Kultur!
Wie kann man Motive messen?

Gefahr zirkulärer Definitionen:
•
•

Motive müssen unabhängig vom zu erklärenden Verhalten
gemessen werden
•
•

Motiv-Fragebögen
projektive Verfahren (z.B. Thematischer Apperzeptionstest
(TAT); Murray (1938)
Idee projektiver Tests:
•
•
74
Leistungshandeln als Indikator für Leistungsmotiv
Leistungsmotiv als Erklärung für Leistungshandeln
Motive drücken sich im Verhalten aus, ohne dass Person
befragt werden muss
Motive manifestieren sich in Fantasievorstellungen
(„Projektionen“), die Probanden in mehrdeutigen Situationen
produzieren
Thematischer Apperzeptionstest (TAT)
75
Ein Bild aus dem TAT von Heckhausen (1963) zur
Erfassung des Leistungsmotivs

Probanden sollen zu mehrdeutigen Bild
eine Geschichte aufschreiben und
folgende Punkte berücksichtigen:
•
•
•
•


Was geschieht hier? Wer sind die
Personen?
Was denken, fühlen und wollen die
beteiligten Personen?
Wie es zu der Situation gekommen?
Wie wird die Situation weitergehen?
Cover-Story: Es gehe um Untersuchung
von Fantasie und Vorstellungsfähigkeit
Inhaltsanalytische Auswertung
(Häufigkeit von motivspezifischen
Inhalten)
Murray (1938): „Eine Person sagt bei der Interpretation einer mehrdeutigen Situation
76
gewöhnlich
ebenso viel über ihre eigene Persönlichkeit aus wie über das Ereignis“
TAT und Leistungsmotiv

McClelland, Atkinson, Clark & Lowell (1953)
•
•

Zwei Komponenten des Leistungsmotiv
•
•
77
Entwicklung eines standardisierten Auswertungsverfahrens für
TAT-Geschichten
Inhaltsanalyse: Auszählung von leistungsthematischen
Inhalten
Hoffnung auf Erfolg: Neigung, Stolz über erbrachte Leistungen
zu empfinden (Annäherungskomponente)
Furcht vor Misserfolg: Neigung, Scham bei Mißerfolg zu
empfinden (Meidenkomponente)
Inhaltskategorien: „Hoffnung auf Erfolg“

Bedürfnis nach Leistung und Erfolg (B)
•

Instrumentelle Tätigkeit zur Zielerreichung (I)
•

z.B. „Die Hausaufgabe macht ihm Spaß.“
Erfolgsthema (Th)
•
78
z.B. „Der Meister klopft ihm anerkennend auf die Schulter.“
Positiver Gefühlszustand (G+)
•

z.B. „Er ist sicher, dass seine Arbeit ein Erfolg wird.“
Lob infolge guter Leistung (L)
•

z.B. „Der Schüler denkt konzentriert über die Aufgabe nach.“
Erfolgserwartung (E)
•

z.B. „Er will einen neuen Apparat konstruieren.“
überwiegend erfolgsgerichteter Inhalt der Geschichte
Inhaltskategorien: „Furcht vor Misserfolg“

Bedürfnis nach Misserfolgsmeidung (Bm)
•

Instrumentelle Tätigkeit zur Vermeidung eines Misserfolgs (Im)
•

79
z.B. „ Dass mir auch dieser Fehler passieren musste.“
Misserfolg (M)
•

z.B. „ Um die Prüfung zu bestehen, musst Du Dich mehr anstrengen.“
Negative Gefühle (G-)
•

z.B. „Wenn es diesmal nicht gelingt, bin ich blamiert“
Kritik und Tadel (T)
•

z.B. „Der Schüler versteckt sich, um nicht aufgerufen zu werden.“
Misserfolgsungewissheit oder Erfolgsgewissheit (Em)
•

z.B. „Er hofft, dass der Meister von dem Fehler nichts merkt.“
z.B. „Der Lehrling hat das Werkstück verdorben.“
Misserfolgsthema (Thm)
•
überwiegend misserfolgsgetönter Inhalt der Geschichte
Beispiele für TAT-Geschichten
Anschluss-Intimität
Die beiden Frauen sind nicht nur
Kommilitonen, sie sind auch schon
seit Jahren die besten Freundinnen.
Sie kennen sich schon seit der
Grundschule, wo sie immer alles
zusammen gemacht haben. Eine der
beiden ist mit ihren Eltern
weggezogen, und so verloren sie
sich für lange Jahre aus den Augen,
worüber beide traurig waren. Der
Zufall wollte es, dass sie in
derselben Stadt ein Chemiestudium
aufnahmen. Als sie sich in der ersten
Vorlesung wiedersahen, waren sie
überrascht und glücklich.
80
Macht
Anna verspürte ein Grollen im
Bauch. Nun ist sie doch dieser alten
Schachtel ausgeliefert und muss
sich von ihr prüfen lassen. Sie weiß,
dass Dr. Müller sie hasst und
genüsslich durchfallen lassen wird.
Es ist ja auch kein Wunder. Anna hat
seit Monaten eine Affäre mit dem
Ehemann von Dr. Müller – ein
berühmter Fernsehstar – aber nicht
aus Liebe, sondern um der miesen
Kröte eins auszuwischen. Anna ahnt
nicht, dass Dr. Müller längst
dahinter gekommen ist und schon an
dem Gift arbeitet, dass Anna
umbringen wird.
Leistung
Dr. Maertens und ihre Assistentin
überprüfen noch einmal ihre
Ergebnisse, dann sind sie sich
sicher: Das jahrelange Arbeiten hat
sich gelohnt. Als erste haben sie
einen Impfstoff gegen AIDS
synthetisieren können. Die vielen
Entbehrungen und die Rückschläge,
die sie in Kauf nehmen mussten,
verlieren jetzt ihre Bedeutung.
Wichtig ist nur, dass sie es geschafft
haben. Sie sind Stolz auf ihre
Leistung
Messung des Leistungsmotivs


81
Validierung des TAT
• Probanden bearbeiteten den TAT in entspannter Atmosphäre
oder nach Anregung des Leistungsmotivs (z.B. durch oder
Misserfolgs-Rückmeldung in einer Aufgabe)
Nach Anregung des Leistungsmotivs produzierten Probanden
mehr leistungsbezogene Inhalte:
• Bedürfnis, ein Leistungsziel zu erreichen
• Erfolgs-/Misserfolgserwartungen
• Positive oder negative Gefühlszustände
• Instrumentelle Aktivitäten zur Zielerreichung
• Hindernisse auf dem Weg zum Ziel
• Hilfreiche Unterstützung
Messung des Leistungsmotivs
82
Gütekriterien und Probleme des TAT





Aufwand: hoch
Objektivität: Übereinstimmung ist bei trainierten
Auswertern zufriedenstellend (Inter-Rater-Korrelationen >
.80)
Split-Half-Reliabilität: Gering, da verschiedene Bilder sehr
verschiedenen motivthematischen Bezug haben
Re-Test-Reliabilität: Gering bis mässig (Retestintervall von
3-5 Wochen: zwischen .40 und .60)
Situative Einflüsse: Instruktionsseffekte (Winter & Stewart
(1977)
•
•
•

83
Sich in ehemalige Testsituation hineinversetzen und möglichst
ähnliche Geschichten schreiben: .61
Sich nicht darum kümmern, ob Geschichten ähnlich sind: .58
Möglichst neuartige Geschichten schreiben: .27
State oder trait?
Validität des TAT


84
Kann von den produzierten Inhalten tatsächlich auf Motive
geschlossen werden?
Geringe Korrelationen mit Motiv-Fragebögen: mangelnde
Validität oder Unabhängigkeit von impliziten Motiven und
expliziten Zielen?
Meta-Analyse zum Zusammenhang
von projektiven Tests und Motiv-Fragebögen



Analyse von 105 Studien zum Leistungsverhalten (Spangler, 1992)
Ergebnis: Kennwerte für das Leistungsmotiv, die mittels projektiver
Tests (TAT) und über Selbstbeurteilung (Fragebögen) gemessen
wurden, korrelierten über Studien hinweg nur schwach (r = .09)
Eine gängige Interpretation: TAT erfüllt nur unzureichende
Gütekriterien für einen Motivtest
• Mäßige innere Konsistenz: geringe Korrelationen der Motivwerte
für verschiedene Bilder
• Mäßige zeitliche Stabilität und Retest-Reliabilität
• Ungeklärte Validität: Spiegeln Inhalte der Geschichten wirklich die
Motive der Person?
Spangler (1992). Validity of questionnaire and TAT measures of need of
achievement: Two meta-analyses. Psychological Bulletin, 112, 140-154.
Alternative Interpretation

Alternative Interpretation der geringen Korrelation von TAT
und Fragebögen (McClelland et al., 1989)
•
Beide Instrumente erfassen unterschiedliche Arten von
Motiven
•
Fragebögen: "explizite" (bewusste, verbalisierbare) Ziele
(motivationales Selbstbild; self-attributed motives)
•
TAT: "implizite" (unbewusste) Motive
Semi-projektive Verfahren: Das Multi-Motiv-Gitter
JA
NEIN
Man ist froh, den anderen getroffen
zu haben
Hier Einfluß haben wollen
Sich hier den Erfolg zutrauen
An mangelnde spezielle Fähigkeiten
denken
Die Macht anderer befürchten
Man fürchtet, den anderen zu
langweilen
88
Sokolowski, K., Schmalt, H.-D., Langens, Th. & Puca, R. M. (2000). Assessing achievement, affiliation, and power
motives all at once - the Multi-Motive Grid (MMG). Journal of Personality Assessment, 74, 126-145.
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