Graphentheorie 2 im Wintersemester 2015/16 - Dr. Oliver Schaudt - Universität zu Köln Mathematisches Institut Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 0 Grundlegende Definitionen 2 1 Gerichtete Graphen 1.1 Wege in gerichteten Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kreise in gerichteten Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 5 6 2 Flüsse und Zirkulationen 9 2.1 Gruppenwertige Flüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2 Flüsse & Färbungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.3 Flussvermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3 Graphenfärbungen 3.1 Kritische Graphen . . . . . . . . . . 3.2 Die Vermutung von Hadwiger . . . . 3.3 Färbungen von Graphen auf Flächen 3.4 Listenfärbungen . . . . . . . . . . . . 3.5 Färbungen von Hypergraphen . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 20 23 25 27 32 34 Mitschrift der Vorlesung von Dario Antweiler. Keine Garantie auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Lob, Kritik, Kommentare an [email protected]. Lizensiert unter (CC BY-SA 4.0). Stand 14. März 2016. 0 Grundlegende Definitionen Definition. Ein Graph ist ein geordnetes Paar G = (V, E) von Knoten und Kanten. Dabei ist V eine endliche Menge und E eine Menge von 2-elementigen Teilmengen von V . Die beiden Elemente x, y einer solchen Teilmenge heißen adjazent, benachbart oder verbunden. Definition. Bei einem Multigraphen sind einelementige Kanten und mehrfache Kopien von Kanten erlaubt, dass sind sogenannte Schlingen bzw. Multikanten. Definition. Sind die Kanten eines (Multi-)Graphen geordnete Paare, dann heißt er gerichtet. Definition. Durch Vergessen dieser Orientierung der Kanten eines gerichteten Graphen erhält man den zugrundeliegenden (Multi-)Graphen. Ist G ein gerichteter Graph mit zugrundeliegendem (Multi-)Graphen G0 , dann heißt G Orientierung von G0 . Definition. Eine stabile (oder unabhängige) Menge X in einem Graphen G = (V, E) ist eine Teilmenge der Knoten, sodass für alle x, y ∈ X gilt {x, y} ∈ / E. Definition. Der Graph G heißt k-partit, wenn eine Partition der Knoten V mit k Klassen existiert, sodass jede Klasse eine stabile Menge ist. Jeder Graph ist |V |-partit, wenn V die Menge der Knoten ist. Ein k-partiter Graph heißt auch k-färbbar. Dann heißen die Klassen der Partition Farbklassen. 2-partite Graphen heißen bipartit. Definition. Die chromatische Zahl χ (G) eines Graphen G ist das kleinste k für das G k-färbbar ist. Definition. Ein Pfad in einem Graphen G = (V, E) ist eine Folge von Knoten und Kanten (v1 , e1 , v2 , e2 , . . . , ek−1 , vk ) bei der {vi , vi+1 } = ei für alle 1 ≤ i ≤ k − 1. Sind die Knoten des Pfades paarweise verschieden, dann sprechen wir von einem Weg. Sind die Knoten in {v1 , . . . , vk−1 } paarweise verschieden und v1 = vk , dann sprechen wir von einem Kreis. Die Länge eines Pfades (Wegs, Kreises) ist die Anzahl der vorkommenden Kanten. Definition. Ein Graph G heißt zusammenhängend, wenn für je zwei Knoten x, y ein Weg von x nach y existiert. Andernfalls heißt der Graph unzusammenhängend. 19.10.15 VL01 1 GERICHTETE GRAPHEN 3 Satz 0.1. Ein Graph ist bipartit genau dann, wenn jeder Kreis gerade Länge hat. Beweis. "⇒": Starte in einem Knoten. Jede Kante in einem Kreis wechselt die Partition, daher hat er gerade Länge. "⇐": Markiere die Knoten in einer Breitensuche jeweils abwechselnd schwarz und weiß. Kein Knoten wird zweifarbig markiert, sonst gäbe es einen ungeraden Kreis. So ergibt sich eine Bipartition. 1 Gerichtete Graphen Definition. Ein gerichteter Pfad in einem gerichteten Graphen G = (V, E) ist eine Folge (v1 , e1 , v2 , . . . , ek−1 , vk ) mit {v1 , . . . , vk } ⊆ V , {e1 , . . . , ek−1 } ⊆ E und ei = (vi , vi+1 ) für alle 1 ≤ i ≤ k − 1. Sind die Knoten paarweise verschieden, dann spricht man von einem gerichteten Weg. Sind die Knoten vi paarweise verschieden für i = 1, . . . , k − 1, und v1 = vk , so spricht man von einem gerichteten Kreis. 23.10.15 VL02 Definition. Ein Knoten u ∈ V ist von v aus erreichbar, wenn es einen gerichteten Weg von v nach u gibt. Gegenseitige Erreichbarkeit definiert eine Äquivalenzrelation auf V . Deren Klassen nennt man starke Zusammenhangskomponenten (ZHK). Hat G nur eine starke ZHK, so heißt G stark zusammenhängend. 1.1 Wege in gerichteten Graphen Definition. Sei G ein gerichteter Graph und G0 der zugrundeliegende (Multi-)Graph. Die Länge eines gerichteten Weges/Kreises ist die Anzahl seiner Kanten. Bemerkung. Gerichtete Wege in G ergeben ungerichtete Wege in G0 . Andersherum gilt das nicht! Satz 1.1. Sei G schlingenfrei und G0 der zugrundeliegende Graph von G. Dann hat G einen gerichteten Weg der Länge χ (G0 ) − 1. Beweis. Sei F eine minimale Menge an Kanten, sodass H = (V, E \ F ) keinen gerichteten Kreis enthält. Sei k die Länge des längsten gerichteten Weges in H. Jedem Knoten v ∈ V ordnen wir die Farbe c (v) = i zu, wobei i ∈ {1, . . . , k + 1} und i − 1 ist die Länge des längsten Weges welcher in v startet. Wir zeigen jetzt, dass benachbarte Knoten nie diesselbe Farbe erhalten. Sei P = (u, . . . , v) ein gerichteter Weg in H mit u 6= v. Dann gilt c (u) ≥ c (v) + Länge (P ) > c (v) Sei e = (u, v) eine beliebige Kante von G. Ist e ∈ E \ F , dann gilt c (u) 6= c (v) Ist e ∈ F , dann enthält der Graph (V, (E \ F ) ∪ e) einen gerichteten Kreis C, der e enthält. Also gibt es einen gerichteten Weg C \e in H, also gilt c (u) 6= c (v). Damit ist c eine Färbung von G0 mit k + 1 Farben und k + 1 ≥ χ (G0 ). Bemerkung. Der Satz ist bestmöglich: Jeder schlingenfreie Multigraph G besitzt eine Orientierung, dessen längster Weg die Länge χ (G0 ) − 1 hat. 26.10.15 VL03 1 GERICHTETE GRAPHEN 4 1 5 2 4 3 Abbildung 1: Ein Turnier T Definition. Ein Turnier ist eine Orientierung eines vollständigen Graphen. Korollar 1.2. Jedes Turnier hat einen gerichteten Weg, der alle Knoten des Turniers beinhaltet. Beweis. Sei T ein Turnier auf n Knoten. Dann ist der zugrundeliegende Graph von T gleich Kn . Aus χ (Kn ) = n und Satz 1.1 folgt die Behauptung. Definition. Solch ein Weg nennt man Hamiltonweg. Definition. Sei G ein gerichteter Graph und u ∈ V . Wir setzen − NG (u) = {v ∈ V (G) | (v, u) ∈ E (G)} und + NG (u) = {v ∈ V (G) | (u, v) ∈ E (G)} als die Vorgänger bzw. Nachfolger von u. Satz 1.3. Sei G ein schlingenfreier, gerichteter Graph mit zugrundeliegendem Graphen G0 . Dann hat G0 eine stabile Menge X, sodass jeder Knoten aus G über einen gerichteten Weg mit höchstens zwei Knoten von X aus erreicht werden kann. Beweis. Per Induktion über n. Für n = 1 gilt die Aussage offenbar. Sei nun v ∈ V beliebig und H = G \ ({v} ∪ {N + (v)}). Sei Y eine stabile Menge in H mit der gewünschten Eigenschaft. Dann ist Y ebenfalls stabil in G0 . Ist v ∈ N + (u) für ein u ∈ Y , dann ist X = Y und wir sind fertig. Ist v ∈ / N + (u) für alle u ∈ Y , so ist X = Y ∪ {v} stabil und hat die gewünschte Eigenschaft. Korollar 1.4. Jedes Turnier enthält einen Knoten, von dem aus jeder andere Knoten in zwei Schritten erreichbar ist. Beweis. Stabile Mengen in vollständigen Graphen haben Größe 1. 1 GERICHTETE GRAPHEN 1.2 5 Kreise in gerichteten Graphen Bemerkung. Korollar 1.2 kann verstärkt werden, wenn starker Zusammenhang gilt. Satz 1.5. Sei T ein stark zusammenhängendes Turnier. Dann liegt jeder Knoten von T auf einem gerichteten Kreis der Länge k für 3 ≤ k ≤ n. Beweis. Beweis per Induktion über k. Sei u ∈ V beliebig. Sei L = NT+ (u) und R = NT− (u). Es gilt L ∩ R = ∅, L ∪ R ∪ {u} = V und L, R 6= ∅ da T stark zusammenhängend ist. Zudem existieren l ∈ L, r ∈ R, sodass (l, r) ∈ E (T ). Also liegt u auf dem gerichteten Kreis (u, l, r, u). Angenommen < n. Sagen wir C = (u = v1 , v2 , . . . , vk , v1 ). S u liegt auf einem Kreis der Länge kS + − Seien L = v∈V (C) NT (v) \ V (C) und R = v∈V (C) NT (v) \ V (C). • Falls L ∩ R 6= ∅, dann wähle x ∈ L ∩ R. Dann existieren i, j ∈ {1, . . . , k} mit (vi , x) , (x, vj ) ∈ E (T ). OBdA ist i < j. Wähle r ∈ {i + 1, . . . , j} kleinstmöglich, sodass (x, vr ) ∈ E. Das ist wohldefiniert, da (x, vj ) ∈ E (T ). Dann ist C 0 = (u = v1 , v2 , . . . , vr−1 , x, vr , . . . , vk , v1 ) ein gerichteter Kreis der Länge k + 1. • Falls L ∩ R = ∅ gilt L, R 6= ∅ und es existiert eine Kante (l, r) , l ∈ L, r ∈ R. Dann ist C 0 = (v1 , l, r, v3 , . . . , vk , v1 ) ein gerichteter Kreis der Länge k + 1. Definition. Man sagt dann: T ist knoten-panzyklisch. 30.10.15 VL04 Korollar 1.6. Jedes stark zusammenhängende Turnier hat einen Hamiltonkreis. Satz 1.7. Das Problem, zu entscheiden, ob ein gerichteter Graph einen Hamiltonkreis hat, ist NP-vollständig. Beweis. Reduktion auf das 3SAT-Problem. unvollst. Korollar 1.8. Das Problem, zu entscheiden, ob ein gerichteter Graph einen Hamiltonweg hat, ist NP-vollständig. Beweis. Analog zum Beweis des Satzes, aber keine Identifikation von s1 und tN . Satz 1.9. Sei G ein schlingenfreier, gerichteter Graph und n die Anzahl seiner Knoten. Hat jeder Knoten mindestens n2 viele Vorgänger und mindestens n2 viele Nachfolger, dann hat G einen Hamiltonkreis. 1 GERICHTETE GRAPHEN 6 Beweis. Angenommen G hat keinen Hamiltonkreis. Sei C ein gerichteter Kreis maximaler Länge mit C = (v1 , . . . , vl , v1 ). Nach Übung gilt l > n2 . Sei P ein längster Weg in G \ V (C) mit P = (u1 , u2 , . . . , um+1 ). Sei S = {i | (vi−1 , u1 ) ∈ E} und T = {i | (um+1 , vi ) ∈ E}. Es − gilt S ∩ T = ∅, da sonst C nicht maximal war. Es gilt NG (u1 ) ⊆ V (P ) ∪ V (C), sonst wäre P nicht maximal. Also gilt − N (u1 ) ≤ m + |S| G Nach Voraussetzung ist also n − ≤ NG (u1 ) ≤ m + |S| 2 bzw. |S| ≥ n −m 2 und analog n −m 2 Es gilt n ≥ l + m + 1 und l > n2 also m < n2 . Somit ist |S| ≥ 1 und |T | ≥ 1. Außerdem |S ∪ T | ≥ n − 2m ≥ l − m + 1. Sei OBdA 2 ∈ S und i + 1 ∈ T . Dann ist OBdA j ∈ / T für alle j ∈ {2, . . . , i} und j ∈ / S für alle j ∈ {3, . . . , i + 1}. Da |S ∪ T | ≥ l − m + 1 gilt i ≤ m. Dies liegt daran, dass v2 , . . . , vi weder u1 als Nachfolger, noch um+1 als Vorgänger haben. Also ist |S ∪ T | ≤ l − (i − 1). Sei C 0 = (v1 , u1 , u2 , . . . , um+1 , vi+1 , . . . , vl , v1 ). C 0 ist ein gerichteter Kreis in G mit Länge l + m − (i − 1) = l + m + 1 − i und mit i ≤ m gilt l + m + 1 − i ≥ l + 1. Dies ist ein Widerspruch zur Maximalität von C. |T | ≥ Bemerkung. Satz 1.9 verallgemeinert den Satz von Dirac über ungerichtete Graphen. (Korollar 6.13 im Skript von Prof. Schrader) 1.3 Anwendungsbeispiele Job sequencing Gegeben N viele Jobs J1 , . . . , JN und eine Maschine. Zusätzlich ist eine Adjustmentmatrix T = (tij )1≤i,j≤N gegeben mit tij ∈ R≥0 . Wird Job Jj direkt nach Ji erledigt, kostet dies tij viele Zeiteinheiten. In welcher Reihenfolge sollen die Jobs erledigt werden? Das Problem ist NP-schwer. Folgende Heuristik liefert eine Approximation, die aber beliebig schlecht im Vergleich zur Optimallösung sein kann: • Definiere den Graphen G = {Ji }i=1,...,N , E mit E = {(Ji , Jj ) | tij ≤ tji , i 6= j} 02.11.15 VL05 • Suche einen Hamiltonweg in G • Sortiere die Jobs entsprechend ihrem Vorkommmen im Hamiltonweg • G hat einen Hamiltonweg, da G ein Turnier enthält Einbahnstraßensysteme Gegeben ein ungerichteter Graph G. Gesucht ist eine Orientierung G0 von G, sodass G0 stark zusammenhängend ist. Notwendige Bedingungen sind sicherlich: • G ist zusammenhängend • G besitzt keine Schnittkante, d.h. keine Kante e, mit G \ e ist unzusammenhängend. Definition. Erfüllt ein Graph G die beiden obigen Eigenschaften, so heißt der Graph G 2-kantenzusammenhängend. Satz 1.10. Ein Graph hat genau dann eine stark zusammenhängende Orientierung, wenn er 2-kanten-zusammenhängend ist. 06.11.15 VL06 1 GERICHTETE GRAPHEN 7 Beweis. "⇒": Entfernen wir in G die Kante e = (u, v), ist u weiterhin von v aus erreichbar und G \ e bleibt zusammenhängend. "⇐": Sei G = (V, E) 2-kanten-zusammenhängend und e = {x, y} ∈ E. Dann ist G \ e zusammenhängend und es gibt einen Weg P von x nach y in G \ e. Sei C der Kreis P + e. Setze G0 = C und iterativ: • Ist V (Gi ) 6= V , dann wähle eine Kante e = (u, v), sodass u ∈ V (Gi ) , v ∈ / V (Gi ) • ui+1 = u, vi+1 = v • Es gibt in G \ e einen Weg Q von v nach V (Gi ) • Erweitere Gi um die Knoten und Kanten von Q • Sei k so, dass V (Gk ) = V (G) • Orientiere G0 , . . . , Gk beliebig, aber konsistent für jedes Gi • Sei G0 der enstandene gerichtete Graph • G0 ist stark zusammenhängend nach Konstruktion, alle Kanten außerhalb können beliebig orientiert werden, der so enstehende Graph G00 erfüllt die benötigten Eigenschaften Q v C u Abbildung 2: Situation im Beweis von Satz 1.10 Definition. Ein Graph G heißt k-kanten-zusammenhängend, wenn die Entfernung von beliebigen k − 1 Kanten den Graphen nicht unzusammenhängend macht. Definition. Ein Graph G heißt k-kanten-stark-zusammenhängend, wenn er nach Entfernung von beliebigen k − 1 Kanten immer noch stark zusammenhängend ist. Satz 1.11 (Nash-Williams, 1940). Ein k-kanten-zusammenhängender Graph hat eine k-kanten-stark-zusammenhängende Orientierung. (ohne Beweis) 09.11.15 VL07 Rangfolgen in Turnieren Definition. Sei G = (V, E) ein gerichteter Graph mit Knoten {v1 , . . . , vn }. Die Adjazenzmatrix A = (aij )1≤i,j≤n von G ist gegeben durch 1 GERICHTETE GRAPHEN 8 ( aij = 1 falls (vi , vj ) ∈ E 0 sonst Definition. Der Abstand distG (u, v) von u nach v ist die kleinste Länge eines gerichteten Weges von u nach v in G, sonst ∞. Definition. Der Durchmesser diam (G) von G ist gleich maxu,v∈V distG (u, v). Satz 1.12. Sei T ein Turnier auf n ≥ 5 Knoten, welches stark zusammenhängend ist. Dann gilt Adiam(T )+3 > 0. Beweis. Der (i, j)-te Eintrag von Ak ist genau die Anzahl der Pfade von vi nach vj der Länge k. Sei V = {v1 , . . . , vn }. Also ist zu zeigen, dass es zwischen vi und vj für alle i, j ∈ {1, . . . , n} einen gerichteten Pfad der Länge genau diam (T ) + 3 gibt. Wegen 0 ≤ distT (vi , vj ) ≤ diam (T ) ≤ n − 1 gilt 3 ≤ diam (T ) − distT (vi , vj ) + 3 ≤ n + 2 • Sei diam (T ) − distT (vi , vj ) + 3 ≤ n. Nach Satz 1.5 existiert ein Kreis C der Länge diam (T ) − distT (vi , vj ) + 3 durch vj . Zusammen mit dem kürzesten Weg von vi nach vj ergibt sich ein Pfad der Länge diam (T ) + 3. • Sei diam (T ) − distT (vi , vj ) + 3 = n + 1 bzw. n + 2. Wähle einen Kreis C durch vj der Länge diam (T ) − distT (vi , vj ). Der Kreis existiert, da diam (T ) − distT (vi , vj ) ≥ n − 2 ≥ 3. Gehe nun entlang eines kürzesten gerichteten Weges von vi nach vj , dann entlang C, dann entlang eines Kreises der Länge 3 durch vj . Dieser Pfad hat insgesamt Länge diam (T ) + 3. vi vi vj C vj C Abbildung 3: Situation im Beweis von Satz 1.12 Definition. Eine reelle, quadratische Matrix M heißt primitiv, falls es ein k ∈ N gibt 0 mit M k > 0 für alle k 0 ≥ k. 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 9 Korollar 1.13. Die Adjazenzmatrix eines Turniers T auf n Knoten ist primitiv genau dann, wenn T stark zusammenhängend ist und n ≥ 4. Beweis. "⇒": Ist T nicht stark zusammenhängend, existieren vi , vj ∈ V , sodass es keine Pfad von vi nach vj gibt. Also ist Ak ij = 0 für alle k ∈ N. Ist n ≤ 3, dann ist A nicht primitiv. "⇐": Für n ≥ 5 gilt Satz 1.12, für n = 4 ist nur das folgendes Turnier stark zusammenhängend mit A9 > 0: Abbildung 4: Das einzige stark zsh. Turnier T auf 4 Knoten 13.11.15 VL08 Satz von Perron-Frobenius. Ist M eine primitive Matrix, dann existiert ein eindeutiges Paar aus Eigenwert r > 0 und Eigenvektor s, sodass gilt lim k→∞ M r k ·1=s (ohne Beweis) Verfahren zur Rangfolgenerstellung • Ist ein stark zusammenhängendes Turnier auf 3 Knoten gegeben, dann bewerte alle Spieler gleich • Gilt n ≥ 4, bewerte gemäß des Perron-Frobenius-Vektor s • Bewerte Spieler aus verschiedenen starken Zusammenhangskomponenten entsprechend der Kantenrichtung zwischen den starken Zusammenhangskomponenten → Computational Social Choice Abbildung 5: Bewertung der ZHK 2 Flüsse und Zirkulationen Definition. Sei G = (V, E) ein gerichteter Multigraph. Ein Fluss in G ist eine Abbildung f : E → R mit der Eigenschaft, dass für alle x ∈ V gilt 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN δf (x) = 10 X X f (e) − e=(y,x)∈E f (e) e=(x,y)∈E δf (x) nennen wir Bilanz oder Nettofluss in x bzgl. f . Schlingen heben sich in der Rechnung weg. −10 3 10 7 0 3 Abbildung 6: Ein Z-Fluss 2.1 Gruppenwertige Flüsse Definition. Sei H eine abelsche Gruppe. Ein H-wertiger Fluss ist eine Abbildung f : E → H, für welche die Flusserhaltung gilt. Ein H-Fluss ist ein H-wertiger Fluss, der keiner Kante das neutrale Element zuweißt. Bemerkung. Es ergeben sich folgende Fragen: • Welche Graphen haben H-Flüsse? • Wieviele verschiedene H-Flüsse existieren? • Reicht es aus, sich auf bekannte Gruppen zu beschränken? Satz 2.1 (Tutte, 1954). Zu jedem gerichteten Multigraphen G = (V, E) existiert ein Polynom P mit der Eigenschaft: Für jede endliche Gruppe H gibt es genau P (|H| − 1) viele H-Flüsse. P heißt Flusspolynom. Beweis. Induktion über die Anzahl der Kanten, die keine Schlingen sind. Sind alle Kanten m von G Schlingen, ist jede Abbildung f : E → H \ {e} ein H-Fluss. Es gibt (|H| − 1) viele H-Flüsse, also ist P (k) = k m das gesuchte Polynom. Sei nun e0 = (x, y) ∈ E mit x 6= y. Betrachte G1 = G \ e0 und G2 = G/e0 . Nach Induktion existieren Flusspolynome P1 und P2 von G1 und G2 . Sei H eine beliebige endliche, abelsche Gruppe und k = |H| − 1. Wir zeigen, dass die Anzahl der H-Flüsse auf G gleich P2 (k) − P1 (k) ist. • Die Anzahl der H-Flüsse auf G1 (bzw. P1 (k)) ist gleich der Anzahl der H-wertigen Flüsse f in G mit f (e0 ) = 0 und f (e) 6= 0 für alle e ∈ E \ {e0 }. Die Menge dieser H-wertigen Flüsse auf G1 sei F1 . Also ist |F1 | = P1 (k) • Die Anzahl der H-Flüsse f in G2 ist die Anzahl der H-wertigen Flüsse f in G mit f (e) 6= 0 für alle e ∈ E \ {e0 }. Diese H-wertigen Flüsse auf G seien in der Menge F2 versammelt. Dann gilt |F2 | = P2 (k). 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 11 Es gilt, dass die H-Flüsse auf G genau in F2 \ F1 sind. Also |F | = |F2 | − |F1 | = P2 (k) − P1 (k) =: P (k) Sei f ein H-Fluss in G2 . Wir definieren den H-wertigen Fluss g in G mit g (e) = f (e) für alle e ∈ E \ {e0 } und setzen X X g (e0 ) = g (e) − g (e) e=(x0 ,x)∈E e=(x,x0 )∈E\{e0 } Wir zeigen jetzt, dass die Flusserhaltung in x und y erfüllt ist. δg (x) X = e=(x0 ,x)∈E X = g (e) e=(x,x0 )∈E X g (e) − e=(x0 ,x)∈E = X g (e) − g (e) − g (e0 ) e=(x,x0 )∈E\{e0 } 0 Genauso δg (y) X = e=(y 0 ,y)∈E X = e=(y 0 ,y)∈E X g (e) − g (e) e=(y,y 0 )∈E X g (e) − g (e) + e=(y,y 0 )∈E X X g (e) − e=(x0 ,x)∈E = δf (x = y) + g (y, x) + g (x, y) − g (y, x) − g (x, y) = 0 g (e) e=(x,x0 )∈E 16.11.15 VL09 Korollar 2.2. Die Existenz eines H-Flusses hängt nur von |H| ab. Definition. Ein k-Fluss ist ein Z-wertiger Fluss f mit f (e) ∈ {±1, . . . , ± (k − 1)} für alle Kanten e ∈ E. 1 −2 1 3 1 1 1 Abbildung 7: Ein 4-Fluss Definition. Die Flusszahl ϕ (G) ist die kleinste Zahl k, für die G einen k-Fluss besitzt oder ∞, wenn es keinen k-Fluss gibt. Bemerkung. Es ergeben sich folgende Fragen: 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 12 • Welche Verbindung haben H-Flüsse mit k-Flüssen? • Für welche Graphen G ist ϕ (G) < ∞? • Wieso ist ϕ überhaupt interessant? Lemma 2.3. Hat G einen k-Fluss, dann hat G einen Zk -Fluss, wobei n o Zk = 0, 1, . . . , (k − 1) , + die Gruppe der Restklassen ist. Beweis. Sei f ein k-Fluss auf G. Sei g : E → Zk definiert durch g (e) = f (e) für alle e ∈ E. Es gilt g (e) = f (e) 6= 0 für alle e ∈ E. Auch die Flusserhaltung gilt, da die Abbildung Z → Zk mit i 7→ i ein Gruppenhomomorphismus ist. 1 2 1 3 1 1 1 Abbildung 8: Ein Z4 -Fluss Satz 2.4. Ein gerichteter Multigraph G hat einen k-Fluss genau dann, wenn er einen Zk -Fluss hat. Beweis. • "⇒": Gilt nach Lemma 2.3. • "⇐": Wir wählen aus der nichtleeren (!) Menge F der Abbildungen f : E → {±1, . . . , ± (k − 1)} P mit f (e) = g (e) für alle e ∈ E eine Abbildung f0 , die minimal bzgl. v∈V |δf0 (v)| > 0 ist und zeigen, dass wir immer daraus einen Abbildung konstruieren können, welche die Minimalität verletzt. Drehe geeignete Kanten so um, dass f0 (e) ≥ 0 für alle e ∈ E. Wähle einen Knoten x mit δf0 (x) < 0 und sei X die Menge der von x aus durch gerichtete Wege erreichbare Knoten. Dann gibt es in X einen Knoten y mit δf0 (x) > 0 und einen Weg in X von x nach y. Reduziere den Fluss auf diesen Kanten und es entsteht ein Fluss f0000 mit X X δf 000 (v) < |δf0 (v)| 0 v∈V v∈V Dies ist ein Widerspruch zur Minimalität von f0 . Daher gibt es in F immer einen P k-Fluss f mit v∈V |δf (v)| = 0. gekürzt. 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 13 X G x Abbildung 9: Situation im Beweis von Satz 2.4 Bemerkung. Damit gilt G hat einen k-Fluss ⇔ G hat einen Zk -Fluss ⇔ G hat einen H-Fluss für jede abelsche Gruppe H mit Ordnung k Bemerkung. Die Existenz von k-Flüssen und H-Flüssen ist unabhängig von der Richtung der Kanten. Somit hängt die Existenz von k- und H-Flüssen nur vom zugrundeliegenden Graphen ab. 20.11.15 VL10 Definition. Wir sagen, dass ein ungerichteter Multigraph G einen k- bzw. H-Fluss besitzt, wenn eine (und damit jede) Orientierung des Graphen einen k- bzw. H-Fluss hat. Dann definieren wir ϕ (G) dementsprechend. Satz 2.5. 1. G hat einen 2-Fluss genau dann, wenn jeder Knoten geraden Grad hat 2. Ein kubischer Graph (= 3-regulär) hat einen 3-Fluss genau dann, wenn er bipartit ist 3. Ein Graph hat einen 4-Fluss genau dann, wenn er die Vereinigung zweier Graphen ist, in denen jeder Knoten geraden Grad hat 4. Jeder 4-kantenzusammenhängende Graph hat einen 4-Fluss 5. Ein kubischer Graph hat genau dann einen 4-Fluss, wenn er 3-kantenfärbbar ist Beweis. → − 1. Nach Satz 2.4 existiert ein 2-Fluss genau dann, wenn ein Z2 -Fluss existiert. Sei G eine beliebige Orientierung eines Graphen G. ”⇒”: Ist f ein Z2 -Fluss, dann ist δf (v) = 0 → − für alle v ∈ V , d.h. d (v) = |N (v)| ≡ 0 mod 2. ”⇐”: Setze g (e) = 1 für alle e ∈ E . g ist ein Z2 -Fluss, da δg (v) = d (v) = 0. 2. Übung. Idee: "⇒": Auf jedem Kreis müssen abwechselnd die Flusswerte 1 und 2 sein. Daher kann kein Kreis ungerade Länge haben. "⇐": Orientiere konsistent in eine Richtung mit f ≡ 1. 3. Sei G ein Graph und D = (V, E) eine Orientierung von G. "⇒": Angenommen D hat einen 4-Fluss. Dann hat Dauch einen Z2 × Z2 -Fluss f . Sei Gi = (V, Ei ) mit Ei ⊆ E für i = 1, 2. Dabei ist Ei = e ∈ E | f (e)i 6= 0 . Jede Kante e ∈ E kommt in mindestens einer der beiden Mengen vor, da f (e) 6= (0, 0) für alle S2 S2 e ∈ E, also E = i=1 Ei und i=1 Gi = G. Zudem haben G1 , G2 jeweils einen Z2 Fluss, d.h. nach a) haben die zugrundelegenden Graphen G1 und G2 die Eigenschaft, dass jeder Knoten geraden Grad hat. 24.11.15 VL11 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 14 "⇐": Sei G = G1 ∪G2 ein Graph mit der Eigenschaft, dass jeder Knoten geraden Grad hat. Sei D eine Orientierung von G und seien D1 und D2 die Einschränkung dieser Orientierung auf G1 bzw. G2 . Nach a) existiert ein Z2 -Fluss fi auf Gi , i = 1, 2. Sei f folgender Fluss definiert für jede e ∈ E: ( ( ! f2 (e) = 1 falls e ∈ E (G2 ) f1 (e) = 1 falls e ∈ E (G1 ) , f (e) = 0 sonst 0 sonst Es gilt δf (v) = 0, 0 für alle v ∈ V , da dies für f1 , f2 bereits gilt. Da E ⊆ E1 ∪ E2 gilt f (e) 6= 0, 0 für alle e ∈ E. Folglich hat G einen Z2 × Z2 -Fluss und somit einen 4-Fluss. 4. Wir brauchen folgenden Satz: Ein 4-kanten-zsh. Graph hat zwei kantendisjnkte Spannbäume. Sei G = (V, E) ein 4-kantenzsh. Graph. Sei D eine Orientierung von G. Seien T1 , T2 die beiden kantendisjunkten Spannbäume. Für jede Kante e ∈ E \ Ti existiert genau ein Fundamentalkreis Ce,i in Ti + e. Sei Fe,i der Z4 -wertige Fluss in D, der auf allen Kanten gleich 0 ist, welche nicht aufCe,i liegen und gleich i oder −i sonst. Sei P / E (T1 ). Zudem ist δf1 ≡ 0. f1 = f . Es gilt f1 (e) ∈ 1, 3 für alle e ∈ e∈E(T / 1 ) e,1 P Sei E0 = {e ∈ E | f1 (e) = 0} und f2 (e) = Es gilt e∈E0 fe,2 . Sei f = f1 + f2 . f (e)= f2 (e) = 2 für alle e ∈ E . Für alle e ∈ E \ E gilt f (e) ∈ 1, 3 , weil 0 0 1, 3 + n · 2 = 1, 3 . Damit ist f ein Z4 -Fluss. 5. Sei G = (V, E) ein kubischer Graph und D = (V, E) eine Orientierung von G. "⇒": Sei f ein Z2 × Z2 -Fluss auf D. Sei π : Z2 × Z2 \ (0, 0) → {1, 2, 3} − eine Bijektion. Für e ∈ E sei → e die entsprechende Kante in D. Für alle e ∈ E setze → − 0 c (e) = π (f ( e )). Seien e, e ∈ E zwei verschiedene Kanten mit einem gemeinsamen → −0 → − 0 Knoten v. Angenommen c (e) = c (e ), so gilt f ( e ) = f e . Unabhängig von der Orientierung von e, e0 hebt sich deren Flusswert in der Bilanz von v weg. Somit ist → −00 f e = 0, 0 , wobei e00 die dritte Kante ist, die an v anliegt. Dies ist ein Widerspruch, da f ein Fluss ist. Also ist c eine 3-Kantenfärbung. − − "⇐": Sei c : E → {1, 2, 3} eine 3-Kantenfärbung von G. Für jedes → e ∈ E sei f (→ e)= π −1 (c (e)). Es gilt (0, 0) ∈ / Imf . Außerdem gilt δf (v) = X (u,v)∈E = X X f (u, v) − f (v, u) (v,u)∈E π −1 (c (u, v)) (u,v) = (1, 0) + (0, 1) + (1, 1) = (0, 0) Damit ist f ein Z2 × Z2 -Fluss. Definition. Sei T ein aufspannender Baum in G = (V, E). Für jede Kante e ∈ E\E (T ) existiert genau ein Kreis Ce in T + e. Dann heißt Ce Fundamentalkreis. 2.2 Flüsse & Färbungen 27.11.15 VL12 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 15 Definition. Ein Multigraph heißt planar, wenn er in die Ebene gezeichnet werden kann, sodass sich keine zwei Kanten kreuzen. Definition. Jeder planare Multigraph G hat einen dualen Graphen G∗ . Der duale Graph ist eindeutig für eine feste planare Einbettung. Abbildung 10: Ein Graph G und sein dualer Graph G∗ . ∗ Bemerkung. Es gilt (G∗ ) = G. Satz 2.6. Sei G ein planarer Multigraph ohne Schlingen. Dann gilt χ (G) = ϕ (G∗ ). Beweis. Sei G ein schlingenfreier Multigraph und T ein normaler Spannbaum in G mit Wurzel r. Sei D = (V, E) eine Orientierung von G. Dabei sollen alle Kanten in T von der Wurzel wegorientiert, also {u, v} ∈ E (T ) mit u ≤T v zu (u, v) orientiert. Kanten in E (G) \ E (T ) sind entgegen der Baumordnung orientiert. r u v Abbildung 11: Ein normaler Spannbaum mit Wurzel r • "≤": Da G schlingenfrei ist, ist χ (G) , ϕ (G∗ ) ∈ N. Sei D∗ eine Orientierung von G∗ und f ein Zk -Fluss auf D∗. Dabei ist k = ϕ (G∗ ). Ohne Beweis: Es gibt eine Abbildung g : E (D) → 1, . . . , k − 1 wie folgt: – sind e ∈ E (D) und e∗ ∈ E (D∗ ) duale Kanten, dann ist g (e) = ±f (e∗ ) 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 16 – ist C = (v1 , e1 , . . . , vr , er , v1 ) ein Kreis in G, dann gilt X X g (ei ) − g (ej ) = 0 ei =(vi ,vi+1 ) ej =(vj+1 ,vj ) Dabei sei vk+1 = v1 . Drehen wir die Kanten auf dem Kreis C um, welche entgegen der Kreisrichtung orientiert sind und invertieren deren g-Werte, dann summieren sich die g-Werte der Kreiskanten zu 0. Der Beweis benötigt die Dualität von Kreisen und Schnitten bei planaren Graphen und die Orientierbarkeit der Ebene. Für alle u ∈ V (G) setze X c (u) = g (e) ∈ Zk e∈E(P ) wobei P der eindeutige Weg von r nach u in T ist. Die Abbildung c ist eine k-Färbung, d.h. |Im (c)| ≤ k und c (u) 6= c (v) für alle {u, v} ∈ E (G). Seien {u, v} ∈ E (G) mit oBdA e = (u, v). Ist e ∈ E (T ), dann ist c (v) − c (u) = g (e) 6= 0. Ist e = {u, v} ∈ E (G) \ E (T ), dann ist X g (e) c (u) − c (v) = e∈Puv wobei Puv ein Weg von v nach u in T ist und oBdA e = (u, v). Da Puv ∪e ein gerichteter Kreis ist, gilt X g (e) = −g (e) e∈Puv Daher ist X g (e) 6= 0 e∈Puv und somit c (u) − c (v) 6= 0. Also ist c eine k-Färbung von G. 2 1 3 2 1 3 -8 2 2 -8 Abbildung 12: Die Dualität von Kreisen und Schnitten in planaren Graphen • "≥": Es sei c eine k-Färbung von G mit χ (G) = k. Setze − g (→ e ) = c (u) − c (v) → → − − − − für alle → e = (u, v) auf T . Setze g fort auf die übrigen Kanten → e ∈ E T , sodass sich die g-Werte auf den gerichteten Fundamentalkreisen zu 0 aufaddieren. Über das Dualisierungsargument erhalten wir einen Zk -Fluss f auf D∗ und damit auf G∗ . Bemerkung. Der Satz gilt selbst für Graphen mit Schlingen, dann sind beide Seiten = ∞. 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 17 Definition. Sei T ein Baum mit Wurzel r und u, v ∈ V (t). Ist u auf dem Weg von r nach v, so schreiben wir u ≤T v. Diese Halbordnung heißt Baumordnung von (T, r). Definition. Einen Spannbaum T mit Wurzel r eines Multigraphen G nennen wir normal, falls für alle e = (u, v) ∈ E (G) \ E (T ) gilt u <T v oder v <T u. Lemma 2.7. Jeder zusammenhängende Multigraph hat einen normalen Spannbaum. Dessen Wurzel ist beliebig wählbar aus allen Knoten des Multigraphen. Beweis. Durchmustere den Graphen mit DFS. Dieser Suchbaum ist normal. (→ Übung) 2.3 Flussvermutungen Bemerkung. Ein Multigraph mit Schnittkante hat keinen k-Fluss. Satz 2.8. Jeder Multigraph ohne Schnittkante hat einen k-Fluss für ein k ∈ N. Beweis. → Übung. Idee: Keine Schnittkante ⇒ 2-zsh. ⇒ ∃ stark zsh. Orientierung. Jede Kante (u, v) liegt auf einem gerichteten Kreis Cuv . Setze fuv ≡ 1 auf Cuv und addiere alle fuv zu f auf. Dies ist ein m-Fluss auf G. Vermutung 2.9 (Tutte, 1954). Jeder Multigraph ohne Schnittkante hat einen 5-Fluss. Bemerkung. Sei P der Petersen-Graph. P ist kubisch, aber nicht 3-kantenfärbbar. Somit hat P keinen 4-Fluss. Es gilt ϕ (P ) = 5. 1 1 5 5 2 4 4 2 3 3 Abbildung 13: Der Petersen-Graph Vermutung 2.10 (Tutte, 1966). Jeder Multigraph ohne Schnittkante, der den PetersenGraphen nicht als Minor enthält, besitzt einen 4-Fluss. Definition. Wir nennen den Graphen H Minor vom Graphen G, wenn H aus G durch Knoten- oder Kantenlöschungen bzw. Kantenkontraktionen hervorgeht. 30.11.15 VL13 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 18 Definition. Einen kubischen Graphen ohne 4-Fluss bzw. ohne 3-Kanten-Färbung nennt man einen Snark. Bemerkung. Vermutung 2.10 besagt: Jeder Snark hat den Petersen-Graphen als Minor. Ein Beweis wurde 1999 von Robertson, Seymour angekündigt, aber ist noch nicht vollständig publiziert. Dieser sogenannte ”Snark-Satz” impliziert den 4-Farben-Satz. Beweis. Sei G planar mit einer Einbettung im R2 . Dann können wir G triangulieren, d.h. jedes Gebiet von G ist ein Dreieck. Damit ist G∗ kubisch und ebenfalls planar. Wegen der Planarität enthält G∗ den Petersen-Graphen nicht als Minor. Damit ist G∗ kein Snark. Also ist G∗ kubisch und 3-kanten-färbbar, hat also einen 4-Fluss. Mit Satz 2.6 gilt dann χ (G) = ϕ (G∗ ) ≤ 4 und G ist 4-färbbar. Vermutung 2.11 (Tutte, 1972). Sei G ein Multigraph ohne einen Schnitt bestehend aus genau einer oder genau drei Kanten. Dann existiert ein 3-Fluss auf G. Bemerkung. Vermutung 2.11 ist wesentlich stärker als unser Satz 2.5.4, nach dem jeder 4-kanten-zusammenhängende Graph einen 4-Fluss besitzt. Bemerkung. Alle 3 Vermutungen gelten für planare Graphen. Vermutung 2.11 folgt für planare Graphen aus dem Satz 2.6 und dem folgenden Satz. Satz von Grötzsch 2.12. Jeder planare Graph ohne Dreieck ist 3-färbbar. (ohne Beweis) 04.12.15 VL14 Satz 2.13 (Seymour, 1981). Jeder Graph ohne Schnittkante hat einen 6-Fluss. Beweis. Idee: Zerlege den Graphen in disjunkte Teilgraphen Hj , wobei Hj durch genau eine Sj−1 oder zwei Kanten mit i=1 Hi verbunden ist und jeder Knoten in Hj geraden Grad hat. H0 H1 H2 H3 H4 Abbildung 14: Aufteilung des Graphen G in Teilgraphen Hi Sei G = (V, E) ein Graph ohne Schnittkante. OBdA ist G zusammenhängend. Damit ist G 2-kantenzusammenhängend. Wir konstruieren eine Folge H0 , . . . , Hk von disjunkten Teilgraphen von G. Jedes Hi hat die Eigenschaft, dass alle Knoten geraden Grad haben und 2 FLÜSSE UND ZIRKULATIONEN 19 Sk es gilt i=0 V (Hi ) = V . Zudem konstruiere Kantenmengen F1 , . . . , Fk ⊆ E mit 1 ≤ |Fi | ≤ Si−1 2, i = 1, . . . , k, wobei Fi von Hi nach j=0 Hj geht. Wir schreiben H i = (H0 ∪ · · · ∪ Hi ) + (F1 ∪ · · · ∪ Fi ) für alle i = 0, . . . , k. H i ist zusammenhängend, i = 0, . . . , k per Induktion. Als H0 wählen wir einen einzelnen Knoten aus G. Sagenwir, H0 , . . . , Hi−1 und F1 . . . , Fi−1 seien schon wie gewünscht definiert. OBdA gilt V H i−1 ( V . Wir wählen Xi ⊆ V \ V H i−1 mit • Xi 6= ∅ und • Xi ist minimal gewählt so, dass es höchstens eine Kante zwischen Xi und V \ V H i−1 \ Xi gibt. V Hi 1 V n V Hi 1 n Xi Fi Xi Abbildung 15: Situation im Beweis von Satz 2.13 ( Grafikfehler ) Die Wahl von Xi ist wohldefiniert, da V \ V H i−1 alle gewünschten Eigenschaften (außer der Minimalität) hat. Da G 2-kantenzusammenhängend ist, existieren Kanten zwischen Xi und V H i−1 . Wähle Fi als zwei (falls möglich) oder eine solche Kante. Wegen der Minimalität ist der von Xi induzierte Teilgraph G [Xi ] 2-kantenzusamenhängend. (Satz von Menger: Zwischen je zwei Knoten aus G [Xi ] existiert ein Paar von kantendisjunkten Wegen) Haben die Kanten Fi zwei verschiedene Endpunkte in Xi , dann wähle Hi als die Vereinigung von zwei kantendisjunkten Wegen in G [Xi ] zwischen diesen Endknoten. Wegen der Kantendisjunktheit hat jeder Knoten in Hi geraden Grad. x y Abbildung 16: Zwei kantendisjunkte Wege enthalten nur Knoten mit geraden Grad Haben die Kanten aus Fi nur einen Endknoten in Xi , dann wähle Hi gleich diesem Knoten. Wir setzen H = H k , wenn V H k = V . Sei E 0 = E \E (H). Sei D eine Orientierung von G. Wir definieren Z3 -wertige Flüsse fk , . . . , f0 auf D. Für jedes e ∈ E 0 existiert ein Kreis Ce durch e in H + e, da H zusammenhängend ist. Sei fe P ein Z3 -wertiger Fluss in D, welcher genau auf dem Kreis Ce ungleich 0 ist. 0 0 Sei fk = e∈E 0 fe . Es gilt fk (e) 6= 0 für alle e ∈ E , denn jede Kante e wird genau ein Mal mit einem Flusswert belegt. Induktiv seien fk , . . . , fi konstruiert, so dass fi (e) 6= Sk 0 für alle e ∈ E 0 ∪ j=i+1 Fj . OBdA sei i > 0. Wir wollen fi−1 so konstruieren, dass fi−1 (e) 6= 0 zusätzlich für alle e ∈ Fi . Ist |Fi | = 1, sagen wir Fi = {e}, dann setzen wir 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 20 fi−1 = fi . Wir müssen fi−1 (e) 6= 0 zeigen. Wegen |Fi | = 1 existiert in G nur eine Kante zwischen Hi−1 undXi . Wegen der Wahl von Xi existiert höchstens eine Kante zwischen Xi und V \ V H i−1 Xi . Da G 2-kantenzusammenhängend ist, existiert eine solche Kante e0 Sk tatsächlich. Es gilt e0 ∈ E 0 ∪ j=i+1 Fj . Also ist fi (e0 ) 6= 0. Da {e, e0 } ein Schnitt ist, gilt fi (e0 ) = ±fi (e). Also fi−1 (e) = fi (e) 6= 0. Sei nun |Fi | = 2, sagen wir Fi = {e1 , e2 }.Ist fi (e1 ) 6= 0 und fi (e2 ) 6= 0, setze fi−1 = fi . Sei nun also fi (e1 ) = 0 und oBdA fi (e2 ) ∈ 0, 1 . Sei C ein Kreis in H i−1 ∪ Fi ∪ Hi = H i durch e1 und e2 . Sei g ein Z3 -wertiger Fluss auf D, welcher • nur auf C von 0 verschieden ist und • g (e2 ) = 1 erfüllt S Damit gilt g (e1 ) 6= 0. Da C ⊆ H i gilt g (e) = 0 für alle e ∈ E 0 ∪ j>i Fj . Also ist fi+1 := fi +g der gesuchte Fluss. Schließlich ist f0 ein Z3 -wertiger Fluss auf D mit f0 (e) 6= 0 Sk für alle e ∈ E 0 ∪ i=1 Fi . Sei σ : Z3 → Z6 eine Abbildung mit i 7→ 2i. Dann ist f := σ ◦ fo ein Z6 -wertiger Fluss, weiterhin mit der gewünschten Eigenschaft. Sei gi ein 2-Fluss auf Hi für alle i = 0, . . . , k. Sei g i der entsprechende Z6 -Fluss auf D, für alle i = 0 . . . , k, Pk also g i (e) ∈ 1, −1 = 5 . Dann ist f + i=0 g i ein Z6 -Fluss auf D. Nach Satz 2.4 gilt die Behauptung. 3 Graphenfärbungen 3.1 Kritische Graphen Bemerkung. Ist k ≥ 3, dann ist das Entscheidungsproblem ”Ist ein gegebener Graph G k-färbbar?” NP-vollständig. Demnach können wir nicht auf eine gutartige Charakterisierung der k-färbbaren Graphen (wie Satz 0.1) hoffen, sobald k ≥ 3. Definition. Einen Graphen G = (V, E) nennen wir kritisch, wenn gilt χ (H) < χ (G) für alle echten Teilgraphen H von G. Ist χ (G) = k, so heißt G k-kritisch. Bemerkung. Nach Satz 0.1 sind die 3-kritischen Graphen genau die Kreise mit ungerader Länge. Bemerkung. Der Grötzsch-Graph ist 4-kritisch. Abbildung 17: Der Grötzsch-Graph Satz 3.1. Ist G k-kritisch, dann gilt δ (G) ≥ k − 1, wobei δ (G) der Minimalgrad von G ist. 07.12.15 VL15 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 21 Beweis. Angenommen δ (G) < k − 1. Sei v ∈ V mit d (v) = δ (G). Da G k-kritisch ist, Sk−1 gilt χ (G − v) = k − 1. Sei V \ {v} = i=1 Vi eine (k − 1)-Färbung von G − v. Da v k − 2 oder weniger Nachbarn in V (G − v) hat, ist oBdA N (v) ∩ Vk−1 = ∅. Somit ist Sk−2 V = i=1 Vi ∪ (Vk−1 ∪ {v}) eine (k − 1)-Färbung von G. Wiederspruch zu χ (G) = k. Korollar 3.2. In jedem k-chromatischen Graphen gibt es mindestens k Knoten vom Grad mindestens k − 1. Beweis. In jedem k-chromatische Graph gibt es einen k-kritischen Teilgraphen H. Jeder Knoten in H hat Grad mindestens k − 1, nach Satz 3.1. Satz 3.3. Jeder k-kritische Graph ist (k − 1)-kantenzusammenhängend. Beweis. Wir zeigen zuerst folgende Aussage: Sei H = (V, E) ein Graph mit V = X ∪ Y und X ∩ Y = ∅. Seien H [X] und H [Y ] r-färbbar und |{{x, y} ∈ E | x ∈ X und y ∈ Y }| ≤ r − 1. Dann ist H r-färbbar. −1 Seien cx bzw. cy r-Färbungen von H [X] bzw. H [Y ]. Seien Xi = c−1 x (i) und Yi = cy (i) für alle i = 1, . . . , r. Definiere den bipartiten Graphen B auf 2r Kanten. Dabei sei V (B) = {Xi , Yi | i = 1, . . . , r} und E (B) = {{Xi , Yi } | @x ∈ Xi , y ∈ Yi , (x, y) ∈ E (H)} Suche ein Matching in B, welches alle Knoten aus X überdeckt. Das Matching ist dann perfekt. Ist {Xi , Yj } eine Matchingkante, dann ist Xi ∪ Yj stabil und eine Farbklasse einer r-Färbung von H. Nach dem Satz von Hall hat B ein perfektes Matching genau dann, wenn für alle Teilmengen Z ⊆ {X1 , . . . , Xr } gilt [ |N (Z)| = N (z) ≥ |Z| z∈Z Sei Z also beliebig gewählt, sagen wir Z = {X1 , . . . , Xs }. Angenommen |N (Z)| < s, oBdA N (Z) ⊆ {Y1 , . . . , Ys−1 }. Es gibt mindestens s · (r − s + 1) viele Nichtkanten in B. Es gilt s · (r − s + 1) − r = r (s − 1) − s (s − 1) ≥ 0. Somit gibt es r viele Nichtkanten in B. Damit ist v |{{x, y} | x ∈ X, y ∈ Y }| ≥ |{{Xi , Yi } | x ∈ Xi , y ∈ Yi , {x, y} ∈ E}| = # Nichtkanten in B ≥ r Dies ist ein Widerspruch zur Voraussetzung. Somit hat B ein perfektes Matching und daher ist H r-färbbar. Also gilt die Behauptung. ˙ mit X, Y 6= ∅. Angenommen es Sei nun G ein k-kritischer Graph und V (G) = X ∪Y existieren höchstens (k − 2) viele Kanten zwischen X und Y . Nach der Definition von kkritisch, sind G [X] und G [Y ] (k − 1)-färbbar. Wegen der geraden gezeigten Behauptung für r = k − 1 ist G dann (k − 1)-färbbar. Dies ist ein Widerspruch zu G k-kritisch. 11.12.15 VL16 Definition. Eine (Knoten-)Schnittmenge ist eine Menge von Knoten X ⊆ V (G) eines Graphen G mit der Eigenschaft, dass G − X mehr ZHK als G hat. 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 22 Y1 X1 X2 Y2 .. . Xr .. . Z N (Z) Z N (Z) Yr Abbildung 18: Bipartiter Graph B aus dem Beweis von Satz 3.3 Satz 3.4. In einem kritischen Graphen gibt es keine Schnittmenge, die eine Clique ist. Beweis. Spezialfall von Übungsaufgabe. Idee: Sei S eine Schnittmenge. Angenommen S ist eine Clique und Ci seien die ZHK von G\S. Dann hat Ci ∪S eine (k − 1)-Färbung ci . OBdA ist ci |S = cj |S für alle i, j. Dann lassen sich die Färbungen ci zu einer (k − 1)-Färbung c von G zusammenfügen. Dies ist ein Widerspruch zu G k-kritisch. Bemerkung. Insbesondere haben kritische Graphen keine Schnittknoten. Angenommen G kritisch hat eine Schnittmenge {u, v}. Dann gibt es keine Kante {u, v} nach Satz 3.4. Definition. Seien V1 , . . . , Vr die Knotenmengen der Zusammenhangskomponenten von G \ {u, v}. Wir setzen Gi = [Vi ∪ {u, v}] und nennen Gi eine {u, v}-Komponente. Eine {u, v}-Komponente Gi nennen wir vom • Typ 1, falls c (u) = c (v) für jede (k − 1)-Färbung von Gi ist • Typ 2, falls c (u) 6= c (v) für jede (k − 1)-Färbung von Gi ist Satz 3.5. Sei G k-kritisch mit Schnittmenge {u, v}. Dann gilt 1. G hat genau zwei {u, v}-Komponenten G1 , G2 ; G1 hat Typ 1 und G2 hat Typ 2 2. Die beiden Graphen G1 + {u, v} und G2 / {u, v} sind k-kritisch, wobei G2 / {u, v} die Verschmelzung von u, v meint Beweis. 1. Wegen χ (G) = k ist jede {u, v}-Komponente (k − 1)-färbbar. Ist keine {u, v}-Komponente vom Typ 1, dann hat jede {u, v}-Komponente Gi eine (k − 1)-Färbung ci mit ci (u) 6= ci (v). OBdA ist ci (u) = 1 und ci (v) = 2 für alle i. Damit ist die Zusammenführung der ci eine (k − 1)-Färbung von G. Dies ist ein Widerspruch zu G k-kritisch. Analog folgt die Existenz einer {u, v}-Komponente vom Typ 2. Seien diese beiden Komponenten G1 und G2 . Da G1 vom Typ 1 und G2 vom Typ 2 ist, gibt es keine (k − 1)-Färbung von G1 ∪ G2 . Also ist χ (G1 ∪ G2 ) ≥ k und daher ist G = G1 ∪ G2 . 2. Sei H1 = G1 + {u, v}. Da G1 vom Typ 1 ist, gilt χ (H1 ) ≥ k. Offensichtlich ist auch χ (H1 ) ≤ k, d.h. χ (H1 ) = k. Wir zeigen: H1 ist k-kritisch, da H1 − e (k − 1)-färbbar ist, für jede Kante e ∈ E (H1 ). Der Fall e = {u, v} ist klar, da χ (H1 − e) = χ (G1 ) ≤ k − 1. Sei also e ∈ E (H1 ) \ {u, v}. Betrachte G \ e. Sei c eine (k − 1)-Färbung von 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 23 G \ e. Da e ∈ E (G1 ) ist c eingeschränkt auf V (G2 ) eine (k − 1)-Färbung von G2 . Da G2 vom Typ 2 ist, gilt c (u) 6= c (v). Somit ist c auch eine (k − 1)-Färbung von (G \ e) + {u, v} ⊇ H1 \ e. Also χ (H1 \ e) ≤ k − 1. Analog ist G2 / {u, v} k-kritisch. G1 G2 Abbildung 19: Situation im Beweis von Satz 3.5 14.12.15 VL17 Korollar 3.6. Sei G ein k-kritischer Graph mit Schnittmenge {u, v}. Dann gilt d (u) + d (v) ≥ 3k − 5 Beweis. Seien G1 , G2 die {u, v}-Komponenten nach Satz 3.5. Seien H1 = G1 + {u, v} und H2 = G2 / {u, v}. Wir wissen: H1 , H2 sind k-kritisch, d.h. δ (H1 ) , δ (H2 ) ≥ k − 1. Somit ist dH1 (u) + dH1 (v) ≥ 2k − 2 und dH2 (u = v) ≥ k − 1. Also dG1 (u) + dG1 (v) ≥ 2k − 4 und dG2 (u) + dG2 (v) ≥ k − 1. Zusammen also dG (u) + dG (v) ≥ 3k − 5 3.2 Die Vermutung von Hadwiger Vermutung 3.7 (Hadwiger, 1943). Sei G ein Graph mit χ (G) = k. Dann enthält G einen vollständigen Kk als Minor. Bemerkung. Der Fall k = 5 impliziert den Vier-Farben-Satz. Beweis. Sei G planar. Dann enthält G keinen K5 als Minor. Damit ist aber χ (G) ≤ 4 nach der Vermutung. Bemerkung. Die Fälle mit k ≤ 6 sind gelöst, für k = 5, 6 von Robertson/Seymour/Thomas (1993). Der Beweis benutzt den Vier-Farben-Satz. Ab k = 7 ist die Vermutung offen. Satz 3.8. Sei k ∈ {1, 2, 3, 4}. Jeder Graph mit χ (G) = k enthält einen Kk als Minor. Beweis. Fallunterscheidung: k ≤ 2 ist trivial. Sei k = 3. Dann enthält G einen ungeraden Kreis und damit einen K3 als Minor. Sei k = 4. Wir zeigen folgende stärkere Eigenschaft: G enthält K4 als topologischen Minor, d.h. K4 geht aus G duch Löschen von Knoten oder Kanten und dem Unterdrücken von Knoten vom Grad 2 hervor. OBdA ist G 4-kritisch. Damit ist δ (G) ≥ 3 und G ist zusammenhängend; es gibt sogar keinen Schnittknoten in G. Induktion über n ≥ 4: Existiert eine Schnittmenge der Größe 2, sagen {u, v}, dann betrachte die beiden {u, v}-Komponenten G1 und G2 . Nach Induktion hat G1 + {u, v} einen K4 als topologischen Minor. Sei H der Teilgraph von G1 + {u, v} der sich zu K4 kontrahieren lässt. 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 24 Abbildung 20: Situation im Beweis von Satz 3.8, Fall 1 Ist H ⊆ G, so sind wir fertig. Andernfalls lässt sich die Kante {u, v} durch einen Weg in G2 von u nach v ersetzen. Andernfalls ist G 3-zusammenhängend. Wegen δ (G) ≥ 3 hat G einen Kreis C der Länge mindestens 4. Wir wählen u, v ∈ C, sodass der Abstand zwischen u und v auf C mindestens 2 ist. Da G 3-zusammenhängend ist, gibt es einen Weg P , der • weder u noch v enthält und • die beiden Teilstücke von C \ {u, v} verbindet OBdA ist V (P ) ∩ V (C) = {x, y}). Es gilt {u, v} ∩ {x, y} = ∅ und x, y haben Abstand 2 auf C. Wir wählen einen Weg Q, der weder x noch y enthält und die beiden Teilstücke von C \ {x, y} verbindet. OBdA V (Q) ∩ V (C) = {u, v}). Ist P ∩ Q = ∅ lässt sich C + P + Q zu einem K4 kontrahieren. Sei also P ∩ Q 6= ∅. Dann sei P 0 das kürzeste Anfangsstück von P (von x aus gesehen) mit Endknoten in Q. Dann lässt sich C + P 0 + Q zu einem K4 kontrahieren. u u Q x Q y y x P0 P v v Abbildung 21: Situation im Beweis von Satz 3.8, Fall 2 18.12.15 VL18 Ex-Vermutung von Hajós 3.9. Ein Graph G mit χ (G) = r hat Kr als topologischen Minor. Bemerkung. Die Vermutung gilt für r ≤ 4, ist falsch für r ≥ 7 und offen für r = 5, 6. Bemerkung. Vermutung 3.7 sagt, dass die eindeutige, größte Klasse von H-Minor-freien Graphen, für die χ ≤ r gilt, die Klasse der Kr+1 -freien Graphen ist. (d.h. es reicht aus den Kr+1 als Minor zu verbieten, um χ = r zu erreichen) 3.3 Färbungen von Graphen auf Flächen Bemerkung. Planare Graphen sind die Graphen, die kreuzungsfrei in den R2 eingebettet werden können. Frage: Was ist mit anderen Flächen, z.B. einem Torus? 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 25 Definition. Eine Fläche ist ein topologischer Raum, lokal homöomorph zum R2 . Ist die Fläche kompakt, dann ist sie eine geschlossene Fläche. Geschlossene Flächen sind (bis auf Homöomorphie) klassifiert. Definition. Bei der zusammenhängenden Summe von zwei Flächen schneiden wir von beiden Flächen ein kleines Stück heraus und verbinden die Löcher durch einen Schlauch. Abbildung 22: Verbundene Summe zweier Tori Satz 3.10 (Klassifikation geschlossener Flächen). Ist F eine geschlossene Fläche, dann ist F homöomorph zu genau einer dieser Flächen: • S2 • die zusammenhängende Summe von Tori T 2 • die zusammenhängende Summe von projektiven Ebenen RP 2 (ohne Beweis) Definition. Eine Triangulierung einer Fläche ist ein eingebetteter Graph ohne Kreuzungen, sodass jedes Gebiet ein Dreieck ist. Definition. Die Euler-Charakteristik χ einer Fläche F ist definiert durch χ = n − m + f, wobei n die Anzahl der Knoten, m die Anzahl der Kanten und f die Anzahl der Gebiete einer (jeder) Triangulation ist. Satz von Euler-Poincaré. Ist G = (V, E) ein Graph, eingebettet auf F , dann gilt |E| ≤ 3 · |V | − 3 · χ. Bemerkung. Es gilt • χ S2 = 2 21.12.15 VL19 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 26 • χ T 2 ⊕ · · · ⊕ T 2 = 2 (1 − k), wobei k die Anzahl der Tori T 2 ist • χ RP 2 ⊕ · · · ⊕ RP 2 = 2 − k, wobei k die Anzahl der projektiven Ebenen RP 2 ist Satz 3.11. Sei F eine Fläche mit χ ≤ 0. Die chromatische Zahl eines auf F eingebetteten Graphen G ist höchstens p 1 7 + 49 − 24χ h (χ) = 2 p bzw. O |χ| . Beweis. Sei G k-chromatisch. OBdA ist G k-kritisch. Also ist δ (G) ≥ k − 1. Angenommen k ≥ h + 1. Es gilt n ≥ h + 1. Zudem ist m ≤ 3n − 3χ, also δ (G) ≤ 2m 6χ 6χ ≤6− ≤6− h h h+1 Daher ist h ≤ δ (G) ≤ 6 − 6χ h+1 d.h. h2 − 5h + 6 (χ − 1) ≤ 0 Nach pq-Formel gilt p 1 7 + 49 − 24χ 2 Dies ist ein Widerspruch zur Annahme. h< Definition. Die chromatische Zahl einer Fläche F ist die größte chromatische Zahl eines auf F eingebetteten Graphen. Satz 3.12. Sei F eine Fläche mit χ ≤ 0 und χ (F ) ∈ / {−1, −2, −7}. Wenn es einen h-kritischen Graphen auf F gibt, so ist dieser gleich Kh . Beweis. unvollst. Bemerkung. Der Satz gilt auch für χ (F ) ∈ {−1, −2, −7}. 11.01.16 VL20 Satz 3.13. Die chromatische Zahl von T 2 ist 7 und die von RP 2 ⊕ RP 2 ist 6. Beweis. Es gilt √ 1 h (0) = 7 + 49 − 24 · 0 = 7 2 und |E (K7 )| = 21 = 3 · 7 − 3 · 0 = 3 · n − 3 · χ Somit würde K7 , sofern einbettbar, die Fläche T2 bzw. RP 2 ⊕ RP 2 triangulieren. Wir zeigen: Die einzige durch K7 triangulierbare Fläche ist T 2 . Sei F eine durch K7 triangulierte Fläche. Die Trinagulierung liegt bis auf auf Permutation der Knoten schon fest. Dann ist F homöomorph zu T 2 . Also ist die chromatische Zahl von T 2 gleich 7. Die chromatische Zahl von RP 2 ⊕ RP 2 ist nach Satz 3.11 höchstens 6. Damit ist sie tatsächlich 6, denn der K6 ist auf RP 2 ⊕ RP 2 einbettbar. 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 27 Bemerkung. Mit Ausnahme der Kleinschen Flasche ist die chromatische Zahl jeder Fläche mit χ ≤ 0 gleich h (χ). Bemerkung. Die chromatische Zahl von RP 2 ist 6. Die chromatische Zahl von S 2 ist 4 und entspricht dem Vierfarbensatz. 3.4 Listenfärbungen Bemerkung. Gegeben N Ereignisse 1, . . . , N , jeweils mit einer Liste L (i) mit möglichen Terminen. Manche Ereignisse stehen in Konflikt miteinander (teilen sich Ressourcen) und dürfen nicht am selben Termin stattfinden. Wir definieren den Graphen G = (V, E) mit V = {1, . . . , N } und E = {{i, j} | i steht im Konflikt zu j}. Wir suchen eine Färbung c : V → Termine mit • c (i) ∈ L (i) für alle i ∈ V und • c (i) 6= c (j) für alle {i, j} ∈ E. Angenommen es stehen für jedes Ereignis zwei Termine zur Auswahl. Der Fall L (1) = · · · = L (N ) ist nicht der schlimmstmögliche! 15.01.16 VL21 Definition. G ist k-listenfärbbar, wenn für jedes Listensystem L : V → P (N) mit |L (v)| ≥ k für alle v ∈ V eine Färbung existiert. Die Listenchromatische Zahl χL (G) ist das kleinste k, für das G k-listenfärbbar ist. Bemerkung. Es gilt χL (G) ≥ χ (G). Beobachtung 3.14. Für jedes k ∈ N existiert ein bipartiter Graph mit χL (G) > k. 18.01.16 VL22 Satz 3.15. Sei G ein Graph und s ∈ N mit 4 4 s s d (G) > 4 · · log 2 · s s Dann gilt χL (G) > s. Beweis. Beweis mit der probalistischen Methode. Sei d = d (G) und s wie im Satz gewählt. Im ersten Schritt konstruieren wir einen bipartiten Teilgraphen von G mit Minimalgrad mindetens d4 . Sei v ∈ V (G). Angenommen dG (v) < d2 . Dann ist d (G \ v) > d (G) = d. Iteratives Löschen von Knoten mit Grad weniger als d/2 liefert einen Teilgraphen G0 von d(G0 ) G mit δ (G0 ) ≥ 2 ≥ d(G) 2 . Wir gehen zu einer unfreundlichen Partition von G über und alle Kanten welche innerhalb der Partitionsklassen verlaufen. ? Der entstandene Graph B d ist bipartit und hat Minimalgrad mindestens 4 . Seien U, V die Partitionsklassen von B mit 4 OBdA |U | ≥ |V |. Sei S = 1, . . . , s die Menge von verfügbaren Farben. Wir weisen jedem Knoten v von B zufällig (unabhängig, gleichverteilt) eine s-elementige Teilmenge von S zu, sei dies L (v). Dann zeigen wir, dass dieses Listensystem nicht eine gültige Färbung besitzt, d.h. χL (G) ≥ XL (B) > s. Einen Knoten u ∈ U nennen wir gut, wenn für alle X ⊆ S mit |X| = s gilt, dass es einen Nachbarn v von u gibt mit L (v) = X. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte s-elementige Teilmenge X ⊆ S nicht als Liste eines Nachbarn von u vorkommt, ist 4 −1 !|NB (u)| s 1− s 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 28 Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass u nicht gut ist 4 s ≤ · s 4 −1 !|NB (u)| s 1− s 4 −1 ! d4 s 1− s 4 s ≤ · s 4 −1 !(ss ) log 2(ss ) s 1− s 4 s P (u nicht gut) ≤ · s 4 4 4 (ss4 ) log 2(ss4 ) 4 −1 s −(ss ) ≤ · e s 4 4 −1 s s = · 2· s s 1 = 2 d.h. E (# gute Knoten) ≥ |U2 | . Also existiert eine Auswahl von Listen {L (v) | v ∈ V } so, dass mindestens n2 viele gute Knoten existieren. Diese Listen halten wir fest. Wir wählen nun Listen L (v) für alle u ∈ U zufällig. Wir zeigen: S mit Wahrscheinlichkeit echt größer 0 gibt es keine Färbung für das System. Sei c : V → v∈V L (v) mit c (v) ∈ L (v) beliebig. Wir berechnen die Wahrscheinlichkeit mit der sich c zu einer Listenfärbung vin B fortsetzen lässt. Sei u ∈ U gut. Dann kommt jede s-elementige Teilmenge von S als Liste eines Nachbarn von u vor. Also ist |S \ {c (v) | v ∈ NB (u)}| ≤ s − 1 Warum? Dann gilt |{c (v) | v ∈ NB (u)}| ≥ s4 − s + 1 OBdA ist s, s + 1, . . . , s4 ⊆ {c (v) | v ∈ NB (u)}. Die Färbung c lässt sich auf u fortsetzen nur, wenn L (u) ∩ {1, . . . , s − 1} = 6 ∅. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist höchstens s· 1 s−1 < 2 s4 s Die L (v) , u ∈ U sind unabhängig gewählt, d.h. für die guten Knoten ist das Ereignis, dass c fortgesetzt werden kann unabhängig. Die Wahrscheinlichkeit, dass c auf alle guten Knoten fortgesetzt werden kann ist höchstens 1 s2 |U2 | = 1 1 ≤ |V | Warum? Es gilt doch |U | ≤ |V | s|U | s 1 |V | Sie ist sogar echt kleiner als s|V viele Funktionen c. | . Es gibt aber nur höchstens s Warum? Die Wahrscheinlichkeit, dass zu zufällig gewählten Listen {L (u) | u ∈ U } eine Funktion c existiert, welche sich zu einer Listenfärbung von B fortsetzen lässt, ist kleiner 1 als s|V | · s|V | = 1. Also existieren Listen, sodass sich keine solche Funktion c zu einer Listenfärbung von B fortsetzen lässt. Bemerkung. Die 5-Färbbarkeit von planaren Graphen überträgt sich auf die Listenfärbbarkeit. Satz 3.16. Jeder planare Graph ist 5-Listenfärbbar. Beweis. Wir zeigen eine stärkere Aussage. OBdA ist G fast-trianguliert. Dann ist G nach Lemma 3.17 mit jedem Listensystem bestehend aus mindestens 5 Farben pro Liste färbbar. 22.01.16 VL23 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 29 Definition. Ein planarer Graph G mit geeigneter Einbettung heißt fast-trianguliert, wenn die Außenregion durch einen Kreis beschränkt ist und jede Innenregion ein Dreieck ist. Abbildung 23: Ein fast-triangulierter Graph Lemma 3.17. Sei G ein planarer, fast-triangulierter Graph mit Außenkreis C = (x1 , x2 , . . . , xk , x1 ) Für jedes v ∈ V sei eine Liste L (v) von zulässigen Farben gegeben. Es gelte • L (x1 ) = {1} , L (x2 ) = {2} • |L (xi )| ≥ 3 für alle i = 3, . . . , k • |L (v)| ≥ 5 für alle inneren Knoten aus V \ C Dann besitzt G eine Listenfärbung. Beweis. Beweis durch Induktion über n. Ist n = 3, dann ist G = K3 . Wähle für x3 eine Farbe aus L (x3 ) \ {1, 2}. Sei also n > 3. Angenommen es gibt eine Kante {xk , xj } in G mit j 6= k − 1, d.h. j ∈ {2, . . . , k − 2}. Wir wenden Induktion auf den Teilgraphen von G an, der aus dem Kreis C = (x1 , . . . , xj , xk , x1 ) und seinem Inneren besteht. OBdA ist xj mit Farbe 1 und xk mit Farbe 2 gefärbt. Demnach können wir Induktion anwenden um den Rest zu färben. Insgesamt haben wir ganz G gefärbt. x1 x2 x1 xk xk C C xk−1 xk−1 xj Abbildung 24: Situation im Beweis von Lemma 3.17 Gibt es dagegen keine solche Kante, d.h. alle Nachbarn von xk (außer x1 , xk−1 ) liegen im Inneren von C. Daher ist die Nachbarschaft von xk ein Weg von der Form (xk−1 , y1 , y2 , . . . , yl , x1 ) Der Graph G \ {xk } ist immer noch fast-trianguliert mit Außenkreis (x1 , . . . , xk−1 , y1 , . . . , yl , x1 ) 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 30 Seien a, b zwei verschiedene Farben aus L (xk ) \ {1}. Setze L0 (v) = L (v) für alle Knoten v ∈ V (G)\{xk , y1 , . . . , yl } und L0 (yi ) = L (yi )\{a, b} für alle i ∈ {1, . . . , l}. Nach Induktionsvoraussetzung hat G \ {xk } eine Listenfärbung c bzgl. L0 . Wähle c (xk ) ∈ {a, b} \ {c (xk−1 )}. Damit ist ganz G mit c gefärbt. Bemerkung. Es gibt planare Graphen mit χ (G) = 3 und χL (G) = 5. Somit ist Satz 3.16 bestmöglich. Bemerkung. Die listenchromatische Zahl von S 2 ist 5. Die listenchromatische Zahl jeder anderen geschlossenen Fläche ist gleich deren chromatischer Zahl. Definition. Ist jeder Kante eines Graphen eine Liste zugeordnet, können wir eine Listen-Kanten-Färbung definieren. Dabei soll jeder Kante eine Farbe aus ihrer Liste zugeordnet werden und keine zwei inzidenten Kanten dürfen die gleiche Farbe erhalten. Die der listenchromatischen Zahl entsprechende Zahl für Kantenfärbungen ist χ0L , der listenchromatische Index (engl. ”choice index”). Vermutung 3.18. Es gilt χ0L (G) = χ0 (G) für jeden Graphen G. Bemerkung. Ein Anwendungsbeispiel ist die Turnierplanung. Gegeben seien N Mannschaften und jede Paarung soll gespielt werden. Wieviele Spieltage braucht man? Man braucht χ0 (KN ) viele. Angenommen die Partien können nicht zu jedem verfügbaren Termin ausgespielt werden. Für jede Partie haben wir eine Liste von möglichen Terminen vorgegeben. Wir sichen also Listenfärbungen von KN . Dann sagt die Vermutung: Sofern χ0 (KN ) viele Terminvorschläge für jede Partie vorhanden sind, gibt es eine zulässige Paarung. Vermutung 3.18 gilt für Kn , n ungerade. Für n gerade gilt χ0 (Kn ) = n − 1. Definition. Sei D = (V, E) ein gerichteter Graph und U ⊆ V . U heißt Kern von D, wenn gilt • U ist eine stabile Menge und • für alle Knoten v ∈ V \ U existiert ein Knoten u ∈ U mit (v, u) ∈ E Definition. Hat jeder induzierte Teilgraph von D einen Kern, dann heißt D kernperfekt. Definition. Wir nennen H den Kantengraph (engl. line graph) von G mit • V (H) = E (G) und • E (H) = {{e, f } | e 6= f, e ∩ f 6= ∅ und e, f ∈ E (G)} Satz 3.19. Für bipartite Graphen gilt χ0L = χ0 . 25.01.16 VL24 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 31 Abbildung 25: Ein Graph G und sein Kantengraph L (G) Beweis. Seien X, Y die Partitionsklassen von G. Es sei χ0 (G) = k und c : E → {1, . . . , k} eine Kantenfärbung. Wir wollen χ0L (G) ≤ k. Es sei H der Kantengraph von G. Jede Kantenfärbung von G ist eine Knotenfärbung von H (und umgekehrt). Wir zeigen χL (H) ≤ k. Nach Lemma 3.20 reicht es eine kern-perfekte Orientierung D von H zu bauen mit d+ D (v) < k für alle v ∈ V (H). Dann lässt sich jedes Listensystem mit k Einträgen pro Knoten von H färben. Seien e, f zwei verschiedene Kanten in G, die an einem Knoten inzidieren, also {e, f } ∈ E (H). OBdA c (e) < c (f ). Ist e ∩ f ∩ X 6= ∅ orientiere {e, f } zu (f, e), ansonsten zu (e, f ). Wir müssen noch zeigen: • d+ D (v) < k für alle v ∈ V (H) • D ist kern-perfekt + Sei e ∈ E (H) und c (e) = i. Zudem sei f ∈ ND (v). Ist e ∩ f ∩ X 6= ∅, dann gilt c (f ) < c (e), also c (f ) ∈ {1, . . . , i − 1}. Ist e ∩ f ∩ Y 6= ∅, dann gilt c (e) < c (f ), also c (f ) ∈ {i + 1, . . . , k}. Da c eine Kantenfärbung ist, gilt + N (v) = D |{f | e ∩ f ∩ X 6= ∅ und c (f ) ∈ {1, . . . , i − 1}}| + |{f | e ∩ f ∩ Y 6= ∅ und c (f ) ∈ {i + 1, . . . , k}}| ≤ i−1+k−i = k−1 Also d+ D (v) < k. Ein Kern U in D hat folgende Eigenschaften: • U ist eine stabile Menge in H, also ein Matching in G • Für jeden Knoten e ∈ V (G) \ U existiert ein f ∈ U mit (e, f ) ∈ E (D) d.h. für jede Nicht-Matchingkante e von G existiert eine Matchingkante f mit e ∩ f 6= ∅ und (e, f ) ∈ E (D). Wir sagen ein Knoten x ∈ V präferiert eine Kante f gegenüber e, falls x ∈ e ∩ f und (e, f ) ∈ E (D). Damit hat jeder Knoten eine Präferenzliste, also eine lineare Ordnung auf den angrenzenden Kanten. Ein Kern in D ist also ein stabiles Matching in G mit der Eigenschaft, dass jede Nicht-Matchingkante eine anliegende Matchingkante hat, welche gegenüber ihr präferiert wird. Somit hat D und alle induzierten Teilgraphen einen Kern. Also ist D kern-perfekt und d+ D (v) < k für alle v ∈ V (D). Nach Lemma 3.20 gilt: Für jedes Listensystem {L (v) | v ∈ H} und |L (v)| ≥ k für alle v ∈ V (H) existiert eine Färbung. Also ist χL (H) = χ0L (G) ≤ k. Lemma 3.20. Es sei G = (V, E) ein Graph mit Farblisten L (v) für v ∈ V . Angenommen G hat eine Orientierung D, sodass D kern-perfekt ist und es gilt d+ D (v) < |L (v)| für alle v ∈ V . Dann existiert eine Färbung von G bzgl. L. 3 GRAPHENFÄRBUNGEN 32 Beweis. Induktion über n. Ist n = 1, dann ist d+ D (v) = 0 für v ∈ V . Also ist |L (v)| ≥ 1. Sei also n ≥ 2. Sei α eine Farbe mit α ∈ L (v) für ein v ∈ V . Sei D0 der induzierte Teilgraph von D aus den Knoten, welche mit α gefärbt werden können. Sei U ein Kern in D0 . Färbe alle Knoten aus U mit der Farbe α. Entferne α aus allen Listen L (v) für v ∈ V (D0 ) \ U . Betrachten wir D \ U . Dort gilt d+ D\U (v) < |L (v)| für alle v ∈ V (D \ U ), da für alle Knoten aus D \ U die Farbe α aus ihrer Liste verloren haben, auch ein Nachfolger entfernt wurde. Also existiert eine Färbung von D \ U ohne die Farbe α. Nach Induktion haben wir eine Färbung von D konstruiert, also auch von G. 29.01.16 VL25 Definition. präferiert, Präferenzliste, stabiles Matching Satz 3.21 (Gale & Shapley). Jeder bipartite Graph G mti Präferenzlisten besitzt ein stabiles Matching. 3.5 Färbungen von Hypergraphen Definition. Hypergraph, Hyperkanten, HU K etc. Satz 3.22. G ist 4-färbbar genau dann, wenn HU K bipartit ist. Bemerkung. Die Reduktion ist nicht polynomiell. Korollar 3.23. Ist G planar, dann ist HU K bipartit. Beweis. Vierfarbensatz + Satz 3.22. Satz 3.24. Es ist N P-vollständig zu entscheiden, ob ein gegebener Hypergraph bipartit ist. Satz 3.25. Jeder k-uniforme Hypergraph mit weniger als 2k−1 vielen Hyperkanten ist bipartit. Korollar 3.26. Sei G bipartit auf n Knoten. Dann ist χL (G) ≤ 1 + dlog ne. Bemerkung. 01.02.16 VL26 Begriffe aus den Übungen Definition. Ein gerichteter Graph heißt unilateral, wenn für je zwei Knoten u, v gilt, dass u von v oder v von u aus erreichbar ist. Definition. Ein Graph heißt regulär, wenn alle Knoten gleich viele Nachbarn haben. Definition. Ein induzierter Kreis in einem Graphen ist ein Kreis ohne Sehnen. Definition. Sei D = (V, E) ein zusammenhängender, gerichteter Graph. Eine GraduSk ierung von D ist eine Partition V = i=1 Vi so, dass es für jede Kante (x, y) ∈ E ein i ∈ {1, . . . , k − 1} gibt mit x ∈ Vi und y ∈ Vi+1 . Definition. Eine unfreundliche Partition eines Graphen G = (V, E) ist eine Partition der Knoten in die Mengen X, Y , sodass jeder Knoten aus X mindestens so viele Nachbarn in Y wie in X hat und umgekehrt. Definition. Ein Graph H heißt eindeutig r-färbbar, falls es, bis auf Umbenennung der Farben, genau eine r-Färbung von G gibt. Definition. Der join zweier Graphen G, H ist der Graph der entsteht, wenn wir alle möglichen Kanten zwischen Knoten aus G und Knoten aus H einfügen. Definition. Für einen Graphen G ist sein Komplement-Graph G der Graph auf den Knoten von G, der genau die Kanten enthält, die G nicht enthält. Definition. Die r-Sphäre Sr (v) ist die Menge der Knoten mit Abstand genau r vom Knoten v. (r) Definition. Für r, t ∈ N, 2r ≤ t ist der Kneser-Graph Kt definiert als die Menge der r-elementigen Teilmengen von {1, 2, . . . , t}, wobei zwei Mengen adjazent sind genau dann, wenn die entsprechenden Mengen disjunkt sind. ABBILDUNGSVERZEICHNIS 34 Abbildungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 Ein Turnier T . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Satz 1.10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Satz 1.12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das einzige stark zsh. Turnier T auf 4 Knoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der ZHK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Z-Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein 4-Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Z4 -Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Satz 2.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Graph G und sein dualer Graph G∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein normaler Spannbaum mit Wurzel r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Dualität von Kreisen und Schnitten in planaren Graphen . . . . . . . . . Der Petersen-Graph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufteilung des Graphen G in Teilgraphen Hi . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Satz 2.13 ( Grafikfehler ) . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei kantendisjunkte Wege enthalten nur Knoten mit geraden Grad . . . . . Der Grötzsch-Graph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bipartiter Graph B aus dem Beweis von Satz 3.3 . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Satz 3.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Satz 3.8, Fall 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Satz 3.8, Fall 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbundene Summe zweier Tori; Quelle: Oleg Alexandrov für Wikimedia Commons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein fast-triangulierter Graph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Situation im Beweis von Lemma 3.17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Graph G und sein Kantengraph L (G); Quelle: MathsPoetry für Wikimedia Commons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 7 8 9 9 10 11 12 13 15 15 16 17 18 19 19 20 22 23 24 24 25 29 29 31