Erste Hilfe - Judo Landesverband Salzburg

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Erste Hilfe und
Verletzungsmanagement
im Judo
1) Einleitung und Rahmenbedingungen
2) Erste Hilfe
3) Situationsmanagement bei Verletzungen
4) Wiederherstellung und Wiedereingliederung in den Trainingsprozess
5) Literatur- und Abbildungsverzeichnis
1)
Einleitung und Rahmenbedingungen
Bei allen Sport- und Freizeitaktivitäten kann es immer wieder zu Verletzungen kommen, Judo stellt
hier auch keine Ausnahme dar. Verletzungen passieren im Training und im Wettkampf, von ihrer
Dimension können sie von Bagatellverletzungen bis zu massiven Verletzungsbildern reichen. Schwere
Verletzungen sind in unserer Sportart zum Glück selten, dennoch muss ein Übungsleiter resp. Trainer
im Falle des Falles Verantwortung übernehmen.
Neben Verletzungen kann es im Trainingsalltag vorkommen, dass man mit Krankheiten oder
krankheitsbedingten
Problemen
(z.B.
Probleme
mit
der
Atmung
bei
Asthma
bronchiale,
belastungsinduziertem Asthma, Panik- bzw. Angstzuständen nach heftigen Würfen, etc.) konfrontiert
wird.
In Österreich sollten alle Kinder spätestens ab dem Schuleintritt einmal im Jahr untersucht werden.
Diese schulmedizinischen Untersuchungen folgen grundsätzlich einem Standard, sind in ihrer Qualität
jedoch stark unterschiedlich.
Die überwiegende Anzahl der Sportmediziner empfiehlt für Kinder und Jugendliche im Sportbetrieb
eine jährliche Untersuchung, wobei vor allem auf ansonsten teils schwer erkennbare Probleme hin
untersucht wird (z.B. Herz – Shunt). Für leistungsorientierten Sport sollte eine jährliche
sportmedizinische Untersuchung Standard sein.
Von jährlichen Untersuchungen nicht erfasst werden können naturgemäß Infekte, Verletzungen o. ä.
akute Krankheits- bzw. Verletzungsbilder.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 2
Im
Judoverband
wurde
die
vorgeschriebene
jährliche
Untersuchung
aus
verschiedensten
Überlegungen heraus vor einigen Jahren abgeschafft. Eine der wesentlichsten davon war die „Mühe“,
die es VereinstrainerInnen bereitet hat, rechtzeitig vor Wettkämpfen dafür zu sorgen, dass die Kinder
ärztlich freigegeben werden.
Aktuell sind nur noch zwei Untersuchungen gefordert – einmal vor dem allerersten Wettkampf im
Allgemeinen im Schüleralter und dann noch einmal beim Übertritt in die Jugendklasse (U17).
Für Nationalkader, denen man leistungsorientierten Sport unterstellen darf, gibt es lediglich eine
Empfehlung, sich einmal im Jahr einer sportmedizinischen Untersuchung zu unterziehen.
Unbedingt erwähnen muss man in diesem Zusammenhang die Verantwortung der Eltern, die in erster
Linie die Rechte und Anliegen ihrer Kinder wahren. Man darf im normalen Kindertraining daher
weitgehend davon ausgehen, dass die Kinder sportlich aktiv sein können, sobald sie von ihren Eltern
ins Training gebracht / geschickt werden. Bei offensichtlichen gesundheitlichen Problemen wie starken
Schwellungen, Fieber, Husten, etc. loht sich jedoch eine Nachfrage und unterstreicht das
Verantwortungsbewusstsein des Übungsleiters.
Bei intensivem Sport empfehlen sich ein Gespräch mit den Eltern und der Rat, sich zumindest
einmalig ärztlich untersuchen zu lassen.
Die ärztliche Untersuchung schützt nicht nur das Kind / den Jugendlichen, sie dient auch der
Absicherung des Übungsleiters und des Vereins. Dieser Aspekt sollte nicht außer Acht gelassen
werden.
In aller Deutlichkeit warnen muss man davor, dass sich ÜbungsleiterInnen, Lehrwarte oder
TrainerInnen in puncto Gesundheit in den Vordergrund spielen. Die Erfahrung zeigt, dass es Kollegen
gibt, die frei nach dem Motto „nur die Harten kommen durch“ ihre Kompetenzen gerne massiv
überschreiten. Dies soll bis zum Organisieren von ärztlichen Attesten ohne Untersuchung gehen bzw.
gegangen sein.
In den meisten Fällen geht alles natürlich gut, da die Kinder im Training / Wettkampf generell gesund
sind. Passiert allerdings etwas, muss jedem klar sein, dass es sich DANN um kein Kavaliersdelikt
mehr handelt und DANN auch die Verantwortung getragen werden muss.
Auch wenn Erzählungen aus früheren Zeiten diese heldenhaft bis lausbubenhaft darstellen und bei
allen ein Schmunzeln hervorrufen, kann nicht deutlich genug auf die Verantwortung, die vorhandenen
und nicht-vorhandenen Kompetenzen der / des Einzelnen sowie die Sensibilität von Gerichten und
Medien hingewiesen werden.
Von einem Übungsleiter (später dann Instruktor / Lehrwart und Trainer) wird erwartet, dass dieser in
seiner Funktion als "Chef auf der Matte" mit Verletzungssituationen umgehen kann und die
notwendigen Sofortmaßnahmen zumindest soweit beherrscht, dass eine Rettungskette für den
Verunfallten möglichst optimal gewährleistet ist.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 3
Innerhalb der Übungsleiterausbildung ist es nicht möglich, das wichtige Gebiet der Ersten Hilfe im
notwendigen Ausmaß zu unterrichten. Wir beschränken uns daher auf eine "judo- bzw.
sportspezifische Erste Hilfe“, wobei versucht wird, auf Alltagssituationen und deren Management
näher einzugehen.
Für die lebensrettenden Sofortmaßnahmen empfehlen wir jedem, der in der Ausbildung tätig
ist, einen entsprechenden Kurs bei dafür autorisierten Institutionen (z.B. Österr. Rotes Kreuz,
Österr. Jugendrotkreuz, Samariterbund, etc.) sowie eine regelmäßige Auffrischung der
erworbenen Kenntnisse.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 4
2)
Erste Hilfe
Unter dem Begriff „Erste Hilfe“ versteht man im
Allgemeinen lebenserhaltende Sofortmaßnahmen bei
verunfallten oder erkrankten Personen.
Zentral dreht es sich hierbei um die Überprüfung von
Bewusstsein, Atmung und Kreislauf mit entsprechenden
Maßnahmen bei entsprechenden
Übersicht),
das
Stillen
Schockbekämpfung
von
sowie
Ausfällen (siehe
Blutungen
das
und
die
weiterführende
Management.
aus: Österr. Rotes Kreuz: Erste Hilfe Unfallverhütung (1989)
Verhalten bei Unfällen – Erstmaßnahmen am Unfallort
Überblick verschaffen
Absichern der Unfallstelle (Sicherheit für Retter und Patienten)
Bergen aus Gefahrensituationen
Überprüfung der Vitalfunktionen (Bewusstsein, Atmung, Kreislauf) 
lebensrettende Sofortmaßnahmen
Stillen von Blutungen
Schockbekämpfung
gleichzeitig: Abschätzen der Situation, Überblick verschaffen (Schweregrad der Verletzung(en),
Lebensbedrohung ja/nein, etc.)
Verständigung von weiterführender Hilfe (Arzt, Rettungsdienst)
weiterführende Erste Hilfe: Angstbekämpfung, Kälteschutz, Verbände anlegen, Schienen, etc.
Warten bis weitere Hilfe eintrifft, diese einweisen, Patienten nie alleine lassen
Patienten übergeben
Sind mehrere Personen verletzt, muss die Situation im Vorfeld sehr genau ab- und eingeschätzt
werden. Eine strikte Organisation der Erste-Hilfe-Maßnahmen ist dringend notwendig.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 5
Notfalldiagnose - lebensrettende Sofortmaßnahmen
Bewußtsein
Ansprechbarkeit, zeitliche und
räumliche Ortientierung
ok
getrübt
fehlt
weiterführende Erste Hilfe
ständige Anwesenheit
Atmung und Kreislauf
Rettungskette über Dritte
kontrollieren
Patienten beobachten
alarmieren
Atmung und Puls ok
Atmung fehlt, Puls ok
stabile Seitenlagerung
Atemwege freimachen
Atmung und Puls fehlen
2-3 x Beatmen
Spontanatmung  stabile
keine Spontanatmung 
Beatmen
Seitenlagerung, freihalten der
Atemwege, ständige
Überprüfung der Atmung
Atemwege freimachen
2x Beatmen
30 x Herzdruckmassage
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 6
stabile Seitenlagerung
aus: Österr. Rotes Kreuz: Erste Hilfe entscheidet, Fachbuchreihe Nr. 2 (1985)
Beatmung – Herzdruckmassage
Beatmung
Atemwege freimachen
Kopf überstrecken
2-3 Mal beatmen
Die Beatmung erfolgt Mund zu Mund bzw. Mund zu Nase. Letzteres setzt sich in letzter Zeit vermehrt
durch.
Herzdruckmassage
100/min (ca. 3 x in 2 Sekunden)
untere Hälfte des Brustbeines
empfohlener Rhythmus (außer bei sehr geübten Helfern):
30 HDM  2 Beatmen  30 HDM  2 B  30 HDM  usw.
Diese Standards sind für erwachsene Personen ausgelegt. Bei Säuglingen und Kindern muss mit dem
Beatmungsdruck (gegebenenfalls über Nase und Mund) und dem Druck bei der Herzmassage sehr
vorsichtig vorgegangen werden.
Hierbei verweise ich neuerlich auf äußerst empfehlenswerte Kurse des Roten Kreuzes und anderer
Institutionen mit praktischen Übungen in diesem Bereich ("Anatomic Anne" und ähnliche Modelle).
Schock
Unter Schock versteht man im engeren Sinn die Zentralisation des Kreislaufes. Das bedeutet, dass
nach und nach die einzelnen Körperabschnitte und Organe von der Blutversorgung „abgeklemmt“
werden, um die wichtigsten Organe möglichst lange mit Sauerstoff zu versorgen. Der Organismus
schaltet sozusagen auf Notbetrieb um.
Dieser Zustand kann lebensbedrohlich werden, wenn entsprechend wichtige Organe betroffen sind
und der Zustand lange genug andauert.
Ein Schock kann bei jeder Verletzung unabhängig vom Schweregrad auftreten. Ein Schockzustand
entwickelt sich unbehandelt / nicht betreut immer progressiv, d.h. er verschlimmert sich.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 7
Symptome:
unruhiges, ängstliches, mitunter verwirrtes Verhalten
Haut: blass, fahlgrau, kaltschweißig
Puls stark beschleunigt und flach (d.h. schlecht tastbar)
Muskelzittern (durch Störung der Temperaturregelung: Gefahr der Auskühlung!
selbst bei hohen Außentemperaturen)
Lebensfunktionen werden mit dem Schweregrad des Schocks schwächer.
Ursachen:
Blutverlust (äußere und innere Blutungen)
Flüssigkeitsverlust (z.B. bei Verbrennungen, Durchfällen, Erbrechen, etc.)
Schmerzen
jede Art von Verletzung und akuter Erkrankung
Vergiftung
Allergien
die psychologische Komponente darf nicht vernachlässigt werden
Ein Schock kann bei allen Verletzungen auftreten und ist nicht unbedingt vom
"objektiven" Schweregrad der jeweiligen Verletzung abhängig!
Den Patient auf den Rücken legen, die Beine hoch lagern,
beengende Kleidungsstücke öffnen, den Patienten zudecken.
Sehr wesentlich ist hier, immer beim Patienten zu bleibe, mit
ihm zu sprechen, ihn zu beruhigen (nicht belügen!).
aus: Österr. Rotes Kreuz: Erste Hilfe entscheidet, Fachbuchreihe Nr. 2 (1985)
Wärme – Auskühlung
Eine Störung des Temperaturhaushaltes geht praktisch mit allen Verletzungen und akuten
Erkrankungen einher. Der Patient droht auszukühlen.
Wichtig ist daher, den Patienten zuzudecken und mit ihm zu sprechen, ihn zu beruhigen
(Schockbekämpfung).
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 8
3)
Situationsmanagement bei
Verletzungen
Jeder
Verletzungsfall
lenkt
alle
Gruppenmitglieder in ihrer Konzentration ab
und bringt Unruhe in das Training. Der Trainer
(Übungsleiter, etc.) hat hier eine schwierige
Aufgabe, da der verletzte Sportler ein hohes
Maß
an
Aufmerksamkeit
benötigt,
der
Übungsleiter aber auch eine Verantwortung
der restlichen Gruppe gegenüber hat. Dazu
kommt,
dass
natürlich
auch
der
Trainer
gestresst und damit nervös wird.
Wichtig sind daher ein rasches Einschätzen
der
Situation
und
ein
entsprechendes
Delegieren von Aufgaben. Vor allem aber ist wichtig, dass der verantwortliche Trainer/ -in zumindest
nach außen hin „cool“ bleibt und wirkt.
Ob im Wettkampf oder im Training (analog bei Unfällen aller Art), es gibt immer sehr viele Meinungen
und Vorschläge der Umstehenden. Es ist aber unbedingt notwendig, dass EINER das Kommando
übernimmt und dies auch unmissverständlich klar macht. Ist also kein Arzt, Sanitäter oder
Krankenpfleger anwesend, geht diese „Chefrolle“ automatisch auf den Übungsleiter (Lehrwart/Trainer)
über, da von ihm auch eine Kompetenz im Bereich der Ersten Hilfe erwartet wird bzw. dies der
logischen Führungsrolle im Training entspricht.
Sehr häufig handelt es sich bei den Verletzten in unserem Arbeitsbereich um Kinder und Jugendliche.
Hier ist es besonders wichtig, einen ruhigen Eindruck zu vermitteln, mit dem Verletzten zu sprechen,
ihn von der Verletzung „abzulenken“. Blutende Wunden und verletzte Körperteile sind möglichst rasch
und ohne größere Kommentare zu verbinden (="verstecken“). Wenn das Kind kein Blut mehr sieht,
beruhigt es sich meist relativ rasch. Dies soll nicht bedeuten, dass man Kinder mit ihren Schmerzen
nicht ernst nehmen soll, allerdings zeigt die Praxis, dass Kinder mit Schmerzen und Verletzungen
anders umgehen als Erwachsene.
Es ist äußerst wichtig, keine Panik aufkommen zu lassen (Eltern, restliche Gruppe), hier muss zum
Teil recht schroff eingegriffen werden.
Bei der Versorgung des Verletzten darf auch die restliche Gruppe nicht unbeaufsichtigt bleiben. Hier
müssen Aufgaben klar delegiert werden.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 9
allgemeines Verhalten
cool bleiben
Überblick verschaffen
Aufgaben delegieren
verletzten Sportler beruhigen und „ablenken“, jedoch nicht belügen
Erstmaßnahmen
weitere Maßnahmen
überschätze dich niemals selber!
immer Ruhe und Souveränität vermitteln
Rechtliche Sicherheit – persönliche Absicherung
Nach der Erstversorgung ist es aus rechtlichen Gründen wichtig, dass beim kleinsten Zweifel zur
weiteren Abklärung ein Arzt aufgesucht wird. Dies sollte vom Trainer veranlasst bzw. den Eltern
empfohlen werden, die in jedem Fall zu benachrichtigen sind. Dabei sollte kein Fall zu unwichtig
erscheinen.
Niemals darf ein verletztes Kind einfach nach Hause geschickt werden. Zumindest eine telefonische
Rücksprache mit den Eltern ist hier unbedingt erforderlich.
Medikamente
Keinesfalls darf ein Übungsleiter / Lehrwart / Trainer Medikamente verabreichen! Dies darf
grundsätzlich nur ein Arzt. Sollte man in die Verlegenheit kommen, dass z.B. bei Trainingslagern mit
Übernachtung eine medikamentöse Therapie notwendig ist, muss ein Arzt beigezogen oder zumindest
mit den Eltern gesprochen werden.
Diese generelle Regelung muss natürlich in jedem Einzelfall mit den jeweiligen Bedingungen (wie gut
kennt man den Sportlerm, Alter, Kopfweh zum ersten Mal ja / nein, wo ist man geographisch, wie weit
ist es zu einem Arzt, wie gut ist die med. Versorgung, etc.) einzeln bewertet werden. Danken muss
man immer an Unverträglichkeiten und an die rechtliche Verantwortung.
Diagnose
Als medizinischer Laie und als Ersthelfer stallt man niemals eine Diagnose. Auch wenn es wichtig und
spannend scheint, ist das Stellen von Diagnosen durch Laien zum einen völlig sinn- und nutzlos und
zum anderen kann es gefährlich sein (wenn es in die falsche Richtung geht).
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 10
Als Laie stellt man lediglich eine sog. „Arbeitsdiagnose“, d.h. man beschäftigt sich mit dem
Offensichtlichen und sorgt für möglichst rasche professionelle Hilfe.
Für Fachkräfte (Sanitäter, Ärzte) ist es sehr wertvoll, wenn sie bei der Übernahme des Patienten
möglichst klar und detaillierte Informationen bekommen (z.B. wann ist die Ohnmacht eingetreten, wie
oft wurde der Sportler ohnmächtig, was ist passiert, was wurde gemacht, etc.). Dabei ist auch der
zeitliche Verlauf wichtig!
Sportverletzungen – Verletzungen im Sport
Hierbei handelt es sich neben den bekannten kleineren Schürf-, Kratz- und Schnittwunden meist um
Verletzungen des Bewegungsapparates (Bänder, Muskeln, Gelenke) bzw. des Halte- und
Stützapparates (Wirbelsäule, Rumpfmuskulatur). In diesem Zusammenhang kommt es praktisch
immer zu lokalen Schwellungen und Hämatomen (=Bluterguss).
In der Sportbetreuung und der Sportmedizin hat sich folgendes Schema als Sofortmaßnahme
etabliert. Hierbei geht es um die Bekämpfung des ersten Schmerzes, die Verhinderung gröberer
Schwellungen und Blutungen und damit um eine möglichst effiziente Wiederherstellung und
entsprechend um möglichst kurze Trainings- und Belastungspausen.
Eine optimale Erstversorgung kann die Wiederherstellung wesentlich beeinflussen und die
Trainingspause um mehrere Tage oder gar Wochen verkürzen.
ECHO-Methode
E
(Eis), Kühlen
C
Kompression (=Druck, engl. compression)
H
verletzten Körperteil hochlagern
O
Trainingspause (engl. out of training, off training)
Kühlung
Das Kühlen hat den Effekt, eine Schwellung bzw. einen Bluterguss möglichst klein zu halten bzw.
diese in der Entstehungsphase zu verhindern. Bei falscher Anwendung von Eis, Wasser, etc. kommt
es zu einer reaktiven Hyperämie (=verstärkte Durchblutung) und dieser positive Effekt geht verloren.
gut geeignet:
kaltes Wasser (Schnee), in der letzten Zeit wird in der Sporttherapie auf
Eis eher verzichtet.
In der Sportpraxis lässt sich das nicht immer umsetzen, da oft nur Eis
zur Verfügung steht. Hier kann im Plastikbeutel aber Eis mit Wasser
gemischt werden. dadurch lässt sich die Kühlpackung auch besser an
die jeweilige Körperpartie anpassen.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 11
empfohlene Einwirkzeit:
2 bis max. 15 min. (bei den Zeitspannen gibt es grob unterschiedliche
Angaben in der Literatur und der Praxis erfahrener Therapeuten, zu
kurze Einwirkzeiten führen allerdings zu der o.e. reaktiven Hyperämie).
Vorsicht mit Eis- und Kühlsprays!
Kompression (Druck)
Die sofortige Kompression der verletzten Stelle bewirkt eine geringere Schwellung und damit einen
beschleunigten Heilungsprozess. Der Druck muss aber ausgeübt werden, BEVOR die Schwellung
entsteht! Einen bereits angeschwollenen oder in Schwellung befindlichen Körperteil niemals
komprimieren. Daraus folgt, dass dieser Druck sofort nach dem Auftreten der Verletzung erfolgen
sollte. Komprimieren kann man mit elastischen Bandagen, speziellen Verbänden aber auch mittels
Fingerdruck (z.B. Muskelfaserriss, etc.).
Häufige Verletzungen im Trainingsalltag
Wunden
Kleine Hautabschürfungen werden im Regelfall mit Wundpflastern versorgt. Da diese auf
schwitzender Haut nicht gut halten, empfiehlt es sich, dieses zusätzlich mit einem Streifen Tape zu
fixieren. Gut geeignet bei verschwitzter Haut ist auch "Fixomull strech" und ähnliches.
Größere Abschürfungen und Wunden (Schnittverletzungen, Rissquetschwunden) müssen steril
verbunden werden (steriler Tupfer: die Auflagefläche nicht berühren!, Mullbinde zum fixieren).
1
Keine Desinfektionsmittel und Salben in der Ersten Hilfe verwenden! Arzt
Fingernagelverletzungen
Umgebogene oder eingerissene Fingernägel können stark bluten und sind auf jeden Fall äußerst
schmerzvoll.
bei Blutungen: je nach Schweregrad Behandlung wie oben (Wunden)
bei stumpfer Verletzung ohne Blut: Kühlen und mit Pflaster und Tape versorgen, je nach Schmerz
steht einem weiteren Training nichts im Wege.
Für den Fall dass weitertrainiert wird, empfiehlt es sich, den Fingernagel in Richtung Nagelbett zu
fixieren. Man nimmt ein Pflaster, setzt am Rücken des Fingers hinter dem Nagel an und zieht mit
1
Salben und Desinfektionsmittel können durch die Färbung, etc. das Sichtfeld für die weiterführende ärztliche Behandlung
verändern und damit diese Arbeit behindern. Deshalb sollte man einer reinen Erstmaßnahme mit weiterführender Behandlung
beim Arzt auf solche Mittel verzichten.
Wird die Verletzung nicht unmittelbar ärztlich weiterversorgt, kann man selbstverständlich mit Wundsalben und geeigneten
Desinfektionsmitteln arbeiten.
Vorsicht: Einige dieser Mittel sind jodhältig. worauf ein Teil der Bevölkerung allergisch reagiert.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 12
dosiertem Druck über den Nagel und klebt das 2. Ende an der Unterseite des Fingers fest. Mit
zirkulären Tapestreifen wird das Pflaster fixiert. Diese Methode schmerzt zwar beim Fixieren,
ermöglicht aber ein Weiterkämpfen bzw. -trainieren.
Nasenbluten
Nasenbluten kann vielfältigste Ursachen haben. In der Pubertät kann es gehäuft und ohne erkennbare
Ursache vor. Ein weiterer „Risikofaktor“ ist die kalte Jahreszeit, da die Schleimhäute gerne
austrocknen und die oberflächlichen Venen damit starrer und verletzlicher werden.
Zudem kann Nasenbluten durch starke äußere Einwirkungen (z.B. Schlag bzw. Stoß gegen die Nase,
Vorsicht, dabei könnte auch das Nasenbein verletzt worden sein!) verursacht werden. Ein Bluten aus
der Nase in Zusammenhang mit einem Sturz auf den Kopf sollte immer ein Alarmsignal sein.
Beim Nasenbluten ohne äußere Gewalteinwirkung (also bei unklarer Ursache) immer nachfragen, ob
dieses Problem öfter vorkommt, denn meist haben die Betroffenen eine große Eigenerfahrung und
wissen genau, wie mit "ihrer" Blutung umzugehen ist.
Zur Erstversorgung ein Taschentuch oder eine Kompresse an die Nase legen und mit dem Finger den
Nasenflügel an die Nasenscheidewand drücken  Kompression. Den Kopf eher nach vorne neigen
(z.B. über ein Waschbecken).
Ist die Blutung nicht mehr all zu stark, kann mit einem Taschentuch oder mit entsprechender Watte
das Nasenloch tamponiert werden. Dies sollte der Sportler mit Anleitung selber machen.
Hämatome
Darunter versteht man Blutergüsse unterschiedlichen Ausmaßes. Jede weitere Berührung ist
schmerzhaft. Solche Hämatome kommen oberflächlich aber auch tiefer liegend vor, wobei nur die
oberflächlichen als "blauer Fleck" wahrgenommen werden.
Als Erstmaßnahme: ECHO, bei Bedarf  Arzt
Sonderfall: Judoohr (=Othämatom, haematomis otis, Blumenkohlohr, Ringerohr)
wenn möglich sofort komprimieren und kühlen, je nach Schweregrad Schutzverband, Tapeverband,
Arztbesuch mit Punktieren des Ohres bzw. Fensterung
Hodenprellung
Dies ist eine recht häufige und äußerst unangenehme Verletzung.
Leichtes Springen bzw. wenn dies nicht mehr möglich ist: Opfer hinsetzen, von hinten unter den
Armen durchgreifen, den Verletzten leicht hochheben und auf die Matte fallen lassen (reflektorische
Schmerzunterbrechung).
evt. kühlen
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 13
Bei Verletzungen und Schmerzen im Genitalbereich ist wegen des individuellen Schamgefühls größte
Behutsamkeit und Diskretion angesagt. Dieses Schamgefühl darf nie unterschätzen werden und ist in
jedem Fall zu respektieren!
Prellungen und Verstauchungen
ECHO  Arzt
Verletzungen des Bandapparates
ECHO  Arzt
Wirbelsäulenverletzungen
Schon beim geringsten Verdacht auf eine Verletzung der Wirbelsäule darf der Verunfallte AUF
KEINEN FALL mehr bewegt werden! Durch den Wirbelkanal verläuft in Längsrichtung das
Rückenmark, von diesem ausgehend wird der gesamte Körper mit Nerven versorgt. Eine Verletzung
dieses Rückenmarks kann zu einer teilweisen oder kompletten Lähmung führen!
 Arzt
Knochenbrüche, Luxationen
schonende Position für den Verunfallten ermöglichen (diese findet er am besten selber) Arzt
Bewusstlosigkeit nach Würgetechniken
Den Kämpfer auf den Rücken drehen, Kleidung lockern, Beine hochlagern, evt. Schmerzreize setzen.
Sollte der Judoka nicht wieder zu Bewusstsein kommen  Atmung und Kreislauf überprüfen,
Maßnahmen wie in Kapitel 2 „Erste Hilfe“
bei Bedarf  Arzt (bei länger anhaltender Bewusstlosigkeit auf jeden Fall zum Arzt!)
Bewusstlosigkeit nach Wurftechniken, Sturz, Schlag gegen den Kopf oder bei
unklarer Ursache
Beim Fallen ist es möglich, dass der Kopf des Judoka unglücklich auf der Matte aufschlägt und er das
Bewusstsein verliert. Meist erlangen diese Judoka das Bewusstsein sehr rasch wieder.
Maßnahmen wie oben, IMMER Arzt aufsuchen (Verdacht auf Gehirnerschütterung)!
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 14
Kreislaufprobleme
Vor allem in der Pubertät kann es gehäuft vorkommen, dass jugendliche SportlerInnen Probleme mit
dem Kreislauf haben.
Symptome hierfür sind: Blässe, Kaltschweißigkeit, rasche Atmung, Kauerstellung, Übelkeit.
Über derartige Symptome darf nicht hinweggegangen werden. Trainingspausen, frische Luft
(„Aufsichtsperson“ mitschicken!), evt. Schocklagerung. Immer beruhigend mit dem Judoka sprechen.
KEINE Medikamente!
4)
Wiederherstellung und Wiedereingliederung in den
Trainingsprozess
Dies ist ein sehr vielfältiges Thema, das einiges an Spezialwissen voraussetzt. Wichtig ist daher eine
sehr enge und gute Zusammenarbeit mit einem entsprechend ausgebildeten Arzt und einem
Physiotherapeuten. Ziel muss es sein, den Sportler möglichst schnell wieder in den Trainingsprozess
einzugliedern, ohne ihn jedoch durch zu frühe Belastung gesundheitlich zu gefährden. Dies verlangt
großes Fingerspitzengefühl und daher sehr viel Erfahrung und Wissen. Hier sind sicherlich Trainer
alleine überfordert und auf Fachhilfe angewiesen (Physiotherapeut, Sportmediziner).
Dabei zu beachten ist die Verhältnismäßigkeit der gesetzten Maßnahmen (Olympiakandidat, Kind im
Anfängerbereich). Auf keinen Fall sollte in solchen Fällen der sportliche Ehrgeiz von Beteiligten dazu
führen, gesundheitliche Risiken für den Sportler einzugehen.
weiterführende Maßnahmen
Oft ist es nicht möglich aber auch nicht nötig, einen angeschlagenen Sportler komplett aus dem
Trainingsprozess bzw. aus dem Wettkampf herauszunehmen. Die totale Ruhigstellung (Gips) ist nur
noch bei sehr wenigen Verletzungen (Knochenbeteiligung) indiziert. Hier ist es aber wichtig, sich an
einen entsprechend ausgebildeten Sportmediziner, Orthopäden bzw. Unfallchirurgen zu wenden, die
mit progressiven Methoden der Sportmedizin (funktionelle Verbände, Schienen, Therapie, etc.)
vertraut sind. Eine einmal getroffene ärztliche Entscheidung darf vom Trainer NICHT umgangen
werden!
Eine solche trainingstherapeutische Arbeit setzt ein hohes physiologisches, anatomisches und
trainingswissenschaftliches Wissen voraus.
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 15
Je nach Art der Beeinträchtigung können spezielle Bandagen (keine harten Gegenstände!) und
Tapeverbände selektiv „Schwachstellen“ entlasten und unterstützen. Derartige funktionelle Verbände
bringen
oft
größere
und
v.a.
schnellere
Heilungserfolge
als
totale
Ruhigstellung
(z.B.
Bänderverletzung im Sprunggelenk). Da sich der Körper mit dem entsprechenden Gelenk an derartige
Bandagen gewöhnt und hier "verwöhnt" wird, sind funktionelle Verbände keine Dauerlösungen. Ziel
muss es sein, wieder ein eigenständig stabiles Gelenk zu bekommen.
Bei Schwellungen helfen Topfenumschläge und Lymphdrainagen.
Auch diese Maßnahmen sind mit entsprechendem Fachpersonal zu koordinieren und abzuklären, um
kein gesundheitliches Risiko für den Sportler einzugehen.
Ein Thema möchte ich an dieser Stelle nur leicht anschneiden. Nicht ausgeheilte Erkältungen können
zu Entzündungen der Herzinnenwand und in weiterer Folge zu Entzündungen des gesamten Herzens
führen.
Durch das
Trainieren mit nicht ausgeheilten
Erkältungskrankheiten kann man auch ein
belastungsinduziertes Asthma (Belastungsasthma) antrainieren.
Ein Tag länger Pause kann bis zu oft Wochen beim Gesundwerden sparen!
NETZER T (2012): Erste Hilfe im Judo, 16
5)
Literatur- und Abbildungsverzeichnis
1) Ganschow R: Sportverletzungen im Judo – Risikoprofil und Ansätze für die Prävention, in:
Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 3 (1998), S 76ff
2) Genelin A et alt.: Erste Hilfe – Lehrveranstaltung der Universitätskliniken Innsbruck (1990)
3) Hofmann S; Haber P: Sportbiologie, BAFL Wien (1995)
4) Holdhaus H: Vortrag zur Thematik Erste Hilfe anl. des 16. Lehrwartekurses für Judo, Obertraun, 3.
Teil (1997)
5) Holdhaus H: Vortrag zur Thematik Erste Hilfe, Regeneration und Wiederherstellung anl. der staatl.
Trainerausbildung für Judo, Obertraun 2002
6) Jung M: Activité physique, Croissance et Os (2001), Vortrag anl. des 5. European Youth and
Children Coaching and Education Seminar 2001 auf Malta
7) Kano J: Kodokan Judo, Kodansha Int, S 252ff (1994)
8) Krämer KL; Stock M: Klinikleitfaden Orthopädie, Jungjohann Verlagsgesellschaft (1993)
9) Madl B: Verletzungshäufigkeit im Judosport bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren
in Abhängigkeit der allgemeinen sportlichen Ausbildung (2006), Diplomarbeit
10) Malinen L: Child ans Sport (2001), Vortrag anl. des 5. European Youth and Children Coaching and
Education Seminar 2001 auf Malta
11) Müller-Deck H: Typische Sportverletzungen und Fehlbelastungen in der Zweikampfsportart Judo
(1998)
12) Müller-Deck H: Ursachen für Sportverletzungen im Judo (1998), Vortrag und Skriptum anl. des
Übungsleiterkurses des JLV Vorarlberg 1998/1999
13) Müller-Lang P; Hasse FM: Klinikleitfaden Chirurgie, Jungjohann Verlagsgesellschaft (1995)
14) Netzer
T:
Ein
kurzer
Abriss
der
Problematik:
Erste
Hilfe,
Wiederherstellung
und
Wiedereingliederung in den Trainingsprozess, Doping (1998), Vortrag und Skriptum anl. des
Übungsleiterkurses des JLV Vorarlberg 1998/1999
15) Netzer T: Erste Hilfe generell, Erste Hilfe im Judo, Wiederherstellung und Wiedereingliederung in
den Trainingsprozess (2000 und 2004), Vortrag und Skriptum zum Übungsleiterkurs
16) ÖRK: Erste Hilfe entscheidet, Eigenverlag (1985)
17) ÖRK: Erste Hilfe Unfallverhütung, Österr. Bundesverlage (1989)
18) v Lanz Wachsmuth T: praktische Anatomie – Bein und Statik, Springer Verlag (1972)
19) Wicker
A:
Kampfsportarten
Bewegungserziehung 2/99, S 7 ff
im
Schulsport
aus
medizinischer
Sicht
(1999),
in:
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