Symposium Neurodidaktik_Info - Fachdidaktik Biologie Uni Köln

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Neurokompetenz – Mode oder Chance für ein gehirngerechtes
Lehren und Lernen?
Fachsymposium
30. Juni – 1. Juli 2014
Organisation und Durchführung:
Institut für Zoologie und Fachdidaktik Biologie
der Universität zu Köln
in Kooperation mit der SK-Stiftung CSC – Cologne Science Center
Veranstaltungsort:
Odysseum Köln
Verantwortliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Wolfgang Walkowiak
Institut für Zoologie
der Universität zu Köln
Biozentrum
Zülpicher Str. 47b
Tel.: 0221 470 3119
[email protected]
Monika Pohlmann, StD’in i.H.
Fachdidaktik Biologie
der Universität zu Köln
Biozentrum
Zülpicher Str. 47b
Tel.: 0221 470 8277
[email protected]
1
Hintergrund
Den Neurowissenschaften wird in jüngster Zeit vielfach der Status einer neuen Leitdisziplin
zugeschrieben. In der Tat beschäftigen sich Neurowissenschaftler zunehmend mit Fragen,
die traditionell in den Geisteswissenschaften angesiedelt sind. Zum einen hängt dies mit den
enormen Fortschritten zusammen, welche die Naturwissenschaften und insbesondere die
Neuro- und Kognitionswissenschaften gemacht haben. Zum anderen trägt die zunehmende
Naturalisierung und Technisierung der Gesellschaft dazu bei, dass das Interesse an
naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stetig zunimmt. Eine Konsequenz dieser Entwicklung
ist die Zunahme der interdisziplinären Diskurse zwischen Neurowissenschaften einerseits
und Philosophie, Theologie, Ökonomie, oder Jurisprudenz andererseits. Es wurden Begriffe
wie Neurophilosophie, Neurotheologie oder Neuroökonomie geprägt. Daher verwundert es
nicht, dass gerade auch in der Didaktik entsprechende Einflüsse zu erkennen sind, hängen
doch Lernen und Gehirn in engster Weise zusammen.
Insofern stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse der Neurowissenschaften tatsächlich der
Didaktik nützen und vielleicht Grundlage für eine „Neurodidaktik“ oder eine
neurokompetente Didaktik bilden könnten? Hierzu zunächst einige wichtige Befunde:
1) Das Gehirn entsteht in einem Prozess der Selbstorganisation. Genetische und
epigenetische Faktoren sowie postnatale Einflüsse der Umwelt und soziale
Interaktionen sind die bestimmenden Faktoren für die Bildung neuronaler
Netzwerke.
2) Bei der Geburt sind erheblich mehr Neuronen angelegt als später erhalten bleiben.
Die neuronale Stabilisierung hängt von verschieden Faktoren, u.a. der Einbindung der
Neuronen in funktionale neuronale Netze, ab.
3) Auch im adulten Gehirn findet Neuroneogenese – wenn auch in geringerem Umfang
– statt. Die entsprechenden neuronalen Stammzellen finden sich insbesondere im
Bereich des Hippocampus (s. Punkt 6).
4) Verschiedene Hirngebiete reifen zu unterschiedlichen Zeiten, d.h., für den Erwerb
bestimmter Fähigkeiten stehen unterschiedliche Zeitfenster zur Verfügung (z.B.
Reifung des präfrontalen Cortex, Umbau neuronaler Netze während der Pubertät).
5) Lernen ist ein Prozess, bei dem durch die Verknüpfung von Bekanntem mit Neuem
eine neue Bedeutung erzeugt wird: Lernen ist ein individueller, bedeutungsgenerierender Prozess, der auf Vorwissen aufbaut. Die neuronalen Korrelate dieses
Mechanismus sind mittlerweile recht gut erforscht (Langzeitpotenzierung,
synaptische Plastizität, axonales und dendritisches Sprouting).
6) Bei der Übertragung der erworbenen Informationen und der Organisation des
Gedächtnisses spielt der Hippocampus eine entscheidende Rolle. Neben dem
faktischen Wissen wird auch die emotionale Bewertung gespeichert. Komplexes
Lernen ohne die Beteiligung des Limbischen Systems (des „Emotionalhirns“) findet
kaum statt.
7) Die Übertragung der Information ins Langzeitgedächtnis ist ein stoffwechselaktiver,
also zeitaufwändiger Prozess. Sehr wahrscheinlich laufen diese Prozesse
hauptsächlich während des Schlafes in verschiedenen (Traum)Phasen ab.
8) Entsprechend der Unterscheidbarkeit des Gedächtnisses in verschiedene Formen
(deklarativ, episodisch, prozedural, emotional, etc.), sind unterschiedliche Hirnareale
an der Verarbeitung und Speicherung der Information beteiligt.
2
9) Viele Funktionen des Gehirns werden von Neuromodulatoren beeeinflusst. Ein
solcher Neuromodulator ist Dopamin. In der Vergangenheit wurde das mesolimbische dopaminerge System vereinfachend als das Belohnungssystem des Gehirns
bezeichnet. Neuere Befunde weisen ihm aber eher eine verstärkende Wirkung von
positiven Verhaltensweisen und positiven Lerninhalten zu.
10) Bewegung ist absolut förderlich für die Leistung des Gehirns. Zum einen steigert
motorische Aktivität die Durchblutung des Gehirns, zum anderen führt sie zum
Abbau von Stresshormonen und erhöht die Ausschüttung von Dopamin.
11) Kognitive Leistungen variieren unter dem Einfluss von Hormonen, insbesondere
Steroidhormonen. Zu erwähnen sind nicht nur Stresshormone wie die
Corticosteroide, sondern insbesondere auch Sexualhormone, deren Konzentration in
unterschiedlichen Zyklen schwankt (Biorhythmus).
Einige Hirnforscher leiten aus solchen und ähnlichen Befunden eine erhebliche Relevanz der
Neurowissenschaften für Fragen des Lehrens und Lernens ab. Kritiker einer Neurodidaktik
weisen jedoch darauf hin, dass Neurowissenschaften allenthalben Aussagen allgemeiner
Natur über das Gehirn und Lernmechanismen machen können. Zudem wären die
Erkenntnisse der Neurowissenschaften bestenfalls dazu geeignet, eine empirische
Bestätigung bereits bekannter didaktischer Prinzipien zu liefern.
Ziele
Ziel des Symposiums ist es, den Diskurs zwischen Neurowissenschaftlern, Didaktikern und
Praktikern fortzuführen bzw. neu zu beleben und zu ermitteln, inwieweit eine
Transferleistung von Ergebnissen der Hirnforschung in die Didaktik möglich und hilfreich ist.
Zu den zu erörternden Fragen gehören:
-
Ist Wissen um die neuronalen Mechanismen hinreichend, notwendig oder zumindest
förderlich?
-
Welchen praktischen Beitrag können die Neurowissenschaften überhaupt für ein
gehirngerechtes (optimiertes) Lehren und Lernen leisten?
-
Können die Ergebnisse der Hirnforschung mehr leisten (wenn überhaupt) als nur eine
empirische Absicherung bereits bekannter didaktischer Methoden?
-
Über welche Kenntnisse sollten Pädagogen verfügen, um das Lehren gehirngerecht
gestalten zu können?
-
Müssten beim Transfer neurowissenschaftlichen Wissens auch Schüler und Eltern
eingeschlossen werden?
-
Wie kann altersstufengerechtes Lehren erfolgen?
-
Welchen Stellenwert hat die Inklusion?
3
Programm des Symposiums
30. Juni
09:30
Begrüßung und Führung durch das Odysseum Köln
SK-Stiftung CSC – Cologne Science Center
10:00
Eröffnung des Symposiums
Prof. Dr. Wolfgang Walkowiak, Institut für Zoologie, Universität zu Köln
10:15
Welche Faktoren bestimmen aus Sicht der Neurobiologie den Lernerfolg?
Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Institut für Hirnforschung, Universität Bremen
11:00
Was lehrt uns die Neurobiologie des Lernens? Ansprüche und Grenzen
naturwissenschaftlicher Ansätze
Prof. Dr. Andreas Draguhn, Institut für Pathologie und Pathophysiologie, Universität
Heidelberg
4
11:45
Kaffeepause
12:00
Didaktische Fragen – Neurowissenschaftliche Antworten: Was können Lehrende
lernen?
Prof. Dr. Helmut Prechtl, Didaktik der Biologie, Universität Potsdam
13:00
Mittagspause
14:00
Digitale Medien und handelnd-entdeckendes Lernen: Eine Paarung mit
unterschätztem Potenzial
Prof. Dr. André Bresges, Institut für Physik und ihre Didaktik, Universität zu Köln
14:45
Neurobiologie von Lernvorgängen im Kindes- und Jugendalter
Prof. Dr. Holger Schulze, Experimentelle HNO-Heilkunde, Universität ErlangenNürnberg
15:30
Kaffeepause
16:00
Ein Lehr-Lern-Modell und neurobiologische Begründung von Lernschritten
Prof. Josef Leisen, Staatliches Studienseminar Koblenz; Institut für Physik,
Universität Mainz
16:45
Abschlussdiskussion und Zusammenfassung des Tages
StD’in i.H. Monika Pohlmann, Fachdidaktik Biologie, Universität zu Köln
Prof. Dr. Wolfgang Walkowiak, Institut für Zoologie, Universität zu Köln
17:45
Imbiss
5
19:00 – 20:30 Podiumsdiskussion
Wege aus der Bildungskrise: Gehirngerechtes Lehren und Lernen?
Spätestens seit dem Pisa-Debakel ist die Bildungsdebatte neu entfacht worden. Politiker
fordern neue Lehr- oder gar Schulkonzepte, Eltern fordern mehr Engagement seitens der
Lehrer, Lehrer wiederum weisen die Schuld am schlechten Bildungsniveau der Schüler dem
Elternhaus zu. In der aktuellen Bildungsdebatte scheint die Kernfrage: „Wie funktioniert
Lernen?“ nur von untergeordneter Bedeutung zu sein. Die Psychologie und die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahren das Wissen über basale neuronale
Mechanismen und Randbedingungen des Lernens enorm erweitert und unsere Sichtweise
auf das Lernen verändert. Inwieweit die Erkenntnisse in eine „neue Pädagogik“ einfließen
können oder sollten bzw. bereits eingeflossen sind, ist unter Wissenschaftlern und
Lehrenden durchaus umstritten. Unumstritten ist jedoch, dass die Erkenntnisse der
Psychologie und der Neurowissenschaften erkennbar bisher kaum Eingang in das
Bildungswesen gefunden haben. Trotz aller Bemühungen scheint der Weg zu einem gehirngerechten Lehren und Lernen an Schulen aber auch im außerschulischen Bereich extrem
beschwerlich zu sein, was nicht zuletzt an der ideologisch gefärbten Debatte in Deutschland
liegt. Eltern, Lehrer und Politiker sind aufgefordert endlich mit Fachwissenschaftlern und
Didaktikern zusammenzuarbeiten, um die Bildungsmisere zu beheben.
Podiumsredner:
Prof. Dr. Hans J. Markowitsch, Physiologische Psychologie, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Helmut Prechtl, Didaktik der Biologie, Universität Potsdam
Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Institut für Hirnforschung, Universität Bremen
Prof. Dr. Elsbeth Stern, Institut für Verhaltenswissenschaften, Universität Zürich
Moderation:
Volker Stollorz, Wissenschaftsjournalist, (FASZ, Stern, GEO Wissen), Köln
Teilnehmer der Podiumsdiskussion sind Neurowissenschaftler und Didaktiker. Zu den zu
diskutierenden Themenkomplexen gehören Fragen wie:
-
Welche Bedingungen sind förderlich für das Lernen?
Welche Rolle spielen Stress und Motivation für das Lernen?
Ist das Maß an Intelligenz von Geburt an festgelegt oder können wir unsere
intellektuellen Fähigkeiten beeinflussen und verbessern?
Welche Rolle spielt die Individualisierung des Lernens?
Gibt es eine geschlechtsspezifische Veranlagung beispielsweise für Mathematik oder
für Sprachen?
Wie können wir unsere Kinder optimal fördern?
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1. Juli
09:30
Gedächtnis aus neurowissenschaftlicher Sicht
Prof. Dr. Hans J. Markowitsch, Physiologische Psychologie, Universität Bielefeld
10:15
Wie viel Hirn braucht die Schule?
Prof. Dr. Elsbeth Stern, Institut für Verhaltenswissenschaften, Universität Zürich
11:00
Kaffeepause
11:15
Warum sich Lerntheorien nicht einfach neu erfinden lassen
Prof. Dr. Kersten Reich, Internationale Lehr- und Lernforschung (Dewey-Center),
Universität zu Köln
12:00
Neurowissenschaftliche Hinweise als Grundlage eines Förderkonzepts für die
Jahrgangsstufe 9
Dr. Michael Gasse, Freiherr-vom-Stein-Schule Gymnasium Rösrath
12:45
Mittagspause
14:00
Abschlussdiskussion
StD’in i.H. Monika Pohlmann, Fachdidaktik Biologie, Universität zu Köln
Prof. Dr. Wolfgang Walkowiak, Institut für Zoologie, Universität zu Köln
15:30
Ende des Symposiums
7
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