Warum gehorchen Mitarbeiter? Personalführung in Theorie und Praxis Prof. Dr. Werner Nienhüser Lehrstuhl für Allgemeine BWL, insbesondere Personalwirtschaft Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 1 Maiken Bonnes Warum gehorchen Mitarbeiter? Personalführung in Theorie und Praxis oder auch: Wie soll man am besten Mitarbeiter führen? Gliederung 1. Warum ist die Frage wichtig? Und wie kann man sie beantworten? 2. Vortheoretische, wenig geeignete Ansätze a) Eigenschaftsansatz b) Führungsstilforschung 3. Gehorsam/Führung aus der Perspektive allgemeiner Verhaltenstheorien: Warum führt P Handlung X aus? a) Nutzen b) Lernen c) Macht 4. Fazit Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 3 Bedeutung der Frage • Zielorientierte Verhaltenssteuerung ist wichtig – Arbeitsteilung in Organsationen – Aufrechterhaltung von Herrschaft • Verhaltenssteuerung - welche Möglichkeiten gibt es grundsätzlich? • Welche Folgen haben bestimmte Formen der Verhaltenssteuerung? - Beabsichtigt, unbeabsichtigt? • Enge Betrachtung: Welches ist der „effektive“/“effiziente“/“optimale“ Führungsstil? Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 4 Möglichkeiten der Beantwortung der Frage • Induktiv – Beobachtung und systematische Erfassen des richtigen Führungsstils – Formulierung von Aussagen über den richtigen Stil • Deduktiv – Überlegen („Theoretisieren“) – Ableiten von Annahmen über richtigen Führungsstil – Empirisch überprüfen (Beobachtung im Feld, Experiment) – Bei Nichtwiderlegung Verallgemeinerung? Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 5 Personalführung im Kontext anderer Führungs“instrumente“ • Vor-organisationale soziale Kontrolle – vor-organisationale Sozialisation – vor-organisationale Allgemein- und Berufsbildung • Organisationale ”Potentialkontrolle” – Selektion von Personal – Allokation von Personal – organisationale Aus- und Weiterbildung • Organisationale Handlungskontrolle – unpersönliche Kontrolle (durch Technik; durch administrative Regelungen und Anreizsysteme; durch Stellenschneidungen – persönliche Kontrolle (durch Gleichgestellte und Unterstellte; durch Vorgesetzte (nach Türk 1981: 46) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 6 Führungsbegriff • jede zielbezogene, interpersonelle Verhaltensbeeinflussung mit Hilfe von Kommunikationsprozessen (Baumgarten) • Tätigkeit, die die Steuerung und Gestaltung des Handelns anderer Personen zum Gegenstand hat (Wild) • Prozess der Strukturierung der Verstärkungskontingenzen durch den Vorgesetzten (Sims) • Durchsetzung von Herrschaft auf dem Wege der Motivierung (Stöber/Bindig/Derschka) • Prozess der Ursachenzuschreibung an individuelle soziale Akteure (Pfeffer) Zusammengestellt nach Neuberger 1990: 5 Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 7 Überblick über die Forschungslandschaft Führer (Vorgesetzter) Geführter (Untergebener) Eigenschaften Eigenschaften Situation Verhalten Verhalten Führungserfolg Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 8 Ansatzpunkt 1: Die Führungsperson a) Eigenschaftsansatz • Eigenschaftstheorien (Trait Theory, Great-Mantheory) • Vorstellung eines großen Mannes (keine Frau!), der Führungserfolg hat, weil er über bestimmte Eigenschaften verfügt • Führungskräfte und Geführte unterscheiden sich in einer Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen (physische und psychische Kennzeichen) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 9 Gründe für die Popularität des Eigenschaftsansatzes Einfach Rechtfertigt eine Vielzahl von Ausleseverfahren Begünstigt und rechtfertigt Personenkult Sichert Herrschaftspositionen Kritik Bestimmte Führungseigenschaften (Selbstvertrauen etc.) entwickeln sich erst in der Vorgesetztenrolle Situation wird ignoriert Empirisch wenig bestätigt ABER: Theorien charismatischer Führung finden teilweise Bestätigung (sind aber strenggenommen keine Eigenschaftstheorien) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 10 b) Führungsstil-“Theorien“ Definition Führungsstil /-verhalten Definitionen: • Führungsstil = grundsätzliches Verhaltensmuster des Vorgesetzten, zeitlich konstant. Führungsverhalten = situativ variierendes Verhalten Zentrale Forschungsfragen: • Welches ist der „richtige“ Führungsstil? • Genauer: In welchen Situationen wirkt welcher Führungsstil wie? Wichtig: • Führungsstile-Typologien sind vereinfachte Beschreibungen, im Grunde keine Theorien Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 11 Führungsstilkonzepte • Eindimensionale Ansätze: z.B. Ausmaß der Partizipation • Zweidimensionale Ansätze: z.B. Aufgabenorientierung, Mitarbeiterorientierung Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 12 Beispiel für ein eindimensionales Führungsstil-Konzept Führungsstilkontinuum nach Tannenbaum/Schmidt (hier in Anlehnung an Wunderer 1997: 180) 1. Vorgesetzter entscheidet ohne Konsultation der Mitarbeiter Autoritär 2. Vorgesetzter entscheidet; er versucht die Mitarbeiter von seiner Entscheidung vor Anordnung zu überzeugen Patriarchalisch 3. Vorgesetzter entscheidet; er gestattet jedoch Fragen zu seiner Entscheidung, um Akzeptanz zu erzeugen Informierend 4. Vorgesetzter informiert die Mitarbeiter über beabsichtigte Entscheidungen; Mitarbeiter können vor der Entscheidung ihre Meinung äußern 5. Mitarbeiter/Gruppe entwickelt Vorschläge; Vorgesetzter entscheidet sich für die von ihm bevorzugte Alternative 6. Mitarbeiter/Gruppe entscheidet; nachdem der Vorgesetzte die Probleme aufgezeigt und die Grenzen des Entscheidungsspielraums aufgezeigt hat 7. Mitarbeiter/Gruppe entscheidet; Vorgesetzter fungiert als Koordinator nach innen und außen Beratend Kooperativ Delegativ Autonom Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 13 Kritik • Eindimensionalität • Theorie fehlt • Empirisch wenig bestätigt Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 14 Das Grid-Verhaltensgitter Blake/Mouton (1986), S. 28 Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 15 Kritik • Theorie fehlt • Empirisch wenig bestätigt Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 16 Ansatzpunkt 2: Grundsätzliche Mechanismen menschlichen Verhaltens Verhalten X, weil • Nutzenmaximierung? • Gelernt? • Gehorsam im Angesicht von Macht? Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 17 Theorien zu Erklärung individuellen Verhaltens wichtigste / bekannteste Ansätze • Nutzentheorien: Erwartungs-Valenz-Theorie (auch WertErwartungs-Theorie oder Weg-Ziel-Theorie genannt) • Lerntheorien: Konditionierungstheorien; Theorien des Lernens am Modell • Machttheorien (aber eigentlich Hybride/Mischung aus anderen Theorieelementen bzw. Anwendungen anderer Theorien) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 18 Führungstheoriebegriff Führungstheorie Jeder "Ansatz", der Führungsphänomene auf der Grundlage allgemeiner Theorien erklären will (Spezialfall/Anwendungsfall einer oder mehrerer, miteinander verbundener allgemeiner Theorien) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 19 a) Nutzen: Erwartungs-Valenz-Theorie (oder Wert-Erwartungs-Theorie) Einfache Variante: Motivation = Nutzen einer Alternative = Eintrittswahrscheinlichkeit der Alternative x Valenz/Wert der Alternative Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 20 Erwartungs-Valenz-Theorie (oder Wert-Erwartungs-Theorie) Komplexere Varianten berücksichtigen: • den intrinsischen Wert des Weges und des Ziels • den extrinsischen Wert des Weges und des Ziels • die Wahrscheinlichkeit, dass ein Weg zum Ziel führt Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 21 Motivation = ( )( ) f ∑ VTik j + ∑ VTek j × PTek j + ∑ VEik j + ∑ VEek j × PEek j × PTkj Ekj 0 0 0 0 j j j j Intrinsische + Extrinsische x Wahrschein-+ Intrinsische + Extrinsische x Wahrschein- x WahrscheinValenz Valenz lichkeit lichkeit Valenz Valenz lichkeit ZIELE ZIELE ZIELE WEG-ZIEL WEG WEG WEG Belohnungswert der Tätigkeit an sich (z.B.: Herumtüfteln) Belohnungswert, dass Kollegen Ausdauer bewundern/ ihn für Spinner o. Streber halten Wahrscheinlichkeit, mit der AN erwartet, dass Kollegen ihn bewundern/ ihn für Streber halten Belohnungswert einer erfolgreichen ProduktVerbesserung „an sich“ Belohnungswert für Prämien/ Anerkennung Vorgesetzter/ Zahlen des verbrauchten Materials Wahrscheinlichkeit, mit der Prämie etc. erwartet wird Wahrscheinlichkeit, mit der AN erwartet, dass Tüfteln zu erfolgreicher ProduktverBesserung führt (nach Neuberger, O. 1985, Führung, S. 169 f.) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 22 Weg-Ziel-Ansatz der Führung - Bedingungen für Führungserfolg • Diagnostizieren von Erwartungen und Valenzen • Bereitstellen von positiv bewerteten Folgen für erfolgsorientiertes Handeln • Aufzeigen von Beziehung zwischen Erfolg und positiv bewerteten Folgen Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 23 b) Lernen: Lerntheorien • Konditionierungstheorien • Soziale Lerntheorie - Theorie des Lernens am Modell Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 24 Instrumentelles Konditionieren Lernen aufgrund der Folgen des Verhaltens Law of Effect: Reiz-Reaktions-Verbindungen, auf die ein befriedigender Zustand folgt, werden verstärkt Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 25 Optimaler Verstärkungsplan: • Variable Quotenverstärkung d.h. Verstärkung nach einer variablen Anzahl von Verhaltensweisen, nicht nach festen Zeitintervallen. Beispiel: Lob mal nach 8, mal nach 10 verkauften Einheiten • Fixe Intervallverstärkung wenig geeignet (Löschung des Gelernten) Beispiel: 1500 Euro jeden Monat Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 26 Soziale Lerntheorie – Theorie des Lernens am Modell Zentrale These: • Soziales Verhalten wird hauptsächlich durch die Beobachtung des Verhaltens anderer Personen gelernt (Lernen am Modell). Bandura, A.: Sozial-kognitive Lerntheorie, Stuttgart 1979 (englisches Original: „Social learning Theory“ Englewood Cliffs 1977); Bandura, A.: Social Foundations of Thought and Action, Englewood Cliffs 1986 Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 27 Lerntheoretische Ansätze der Führung - Bedingungen für Führungserfolg • Verstärkungsmanagement: Verstärkung erfolgsbezogener Verhaltensweisen der U., Nichtverstärkung nicht erfolgsbezogener Verhaltensweisen der U. • Modellmanagement: Sichtbare leistungsbezogene, belohnte Verhaltens-weisen des V. (Modellverhalten) • V. unterbindet Wirksamkeit anderer Modelle, V. stellt wirksame Modelle heraus • Selbstverstärkungsmanagement: V. löst Selbstverstärkungsprozesse aus Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 28 c) Macht: Machttheorien Definitionen von Macht „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 1985:28) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 29 Machttheorie - Ein austauschtheoretischer Ansatz Macht-Abhängigkeitstheorie (Emerson 1962) Macht von A über B = Abhängigkeit des B von A + Wichtigkeit einer Ressource, die A kontrolliert, für B - Möglichkeiten für B, die Ressourcen außerhalb der A-B-Relation zu erlangen - Wichtigkeit einer Ressource, die B kontrolliert, für A + Möglichkeiten für A, die Ressourcen außerhalb der A-B-Relation zu erlangen Machtveränderung = Verschiebungen in den „Relationen“ • Wertänderung • B reduziert Streben nach Ressourcen von A • B schafft alternative Ressourcenquellen • von B kontrollierte Ressourcen werden für A wichtiger • A’s alternative Ressourcenquellen versiegen Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 30 Systematisierung von Machtgrundlagen • Sanktionsmacht: Machtunterworfener B nimmt wahr, dass A ihm gegenüber über Sanktionen verfügt. Beispiel: Verfügung über ökonomische Güter • Experten-/Informationsmacht: B will Sachverständigkeit / Informationen des A. Beispiel: Kontrolle von Informations-technologien, Besitz von Detailkenntnissen • Identifikationsmacht: B will A nacheifern, weil er sich affektiv an A gebunden fühlt. Beispiel: Besitz dinglicher Erfolgssymbole, Ruf als Fachmann • Legitimationssmacht: B erkennt an, dass A Rechte hat, ihm Verhalten vorzuschreiben Beispiel: Amtsbezeichnung und -kleidung Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 31 Machttheoretischer Ansatz der Führung Erfolg ist um so wahrscheinlicher, • je wichtiger die Ressourcen des V. für U., • je weniger U. Ressourcen aus anderen Quellen (als von V.) beziehen kann, • je weniger wichtig Ressourcen von U. für V. sind, • je mehr V. Ressourcen aus anderen Quellen als von U. beziehen kann. Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 32 Macht-Ansatz der Führung - Bedingungen für Führungserfolg • Wichtigkeit der Ressourcen des V. für U. erhöhen • von anderen Ressourcenquellen abschneiden • Abwertung der Ressourcen von U. (Anerkennung von U. unwichtig) • Schaffen von alternativen Ressourcenquellen (z.B. Anerkennung aus anderen Quellen als von U.) • Ressourcenzusammenlegung bei U. verhindern (Solidarität reduzieren, "Teile und Herrsche„ -Prinzip) Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 33 Offene Fragen und Probleme • Theorien (müssen!) vereinfachen: Individuelle Unterschiede, Persönlichkeit, Gruppenprozesse, Interaktionsprozesse zwischen den Geführten bzw. zwischen Führer und Geführten werden von den o.a. Theorien nicht vollständig berücksichtigt • Jede Theorie stellt unterschiedliche Variablen und Zusammenhangsinterpretationen in den Vordergrund. Dies erschwert einen Vergleich der Erklärungskraft. • Gerade die guten Theorien sind z.T. schwer anwendbar (Beispiel: Woran soll sich Vorgesetztenverhalten ausrichten - am „Durchschnitt“, an den „wichtigsten“ Untergebenen?, Gruppenprozesse sind komplex, schwer erklärbar und schwer steuerbar.) • Nebenwirkungen, z.B. des Machteinsatz Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 34 Folgen der Machtausübung für das Individuum und die Organisation - Psychologische Wirkungen des Machteinsatz Legitimationsmacht Expertenmacht Identifikationsmacht Sanktionsmacht Strukturelle Macht Bestrafungsvermeidung Belohnungssuche Internalisation Identifikation Akzeptanz Rationalisierung Rechtfertigung des Verhaltens 1 Gelernte Hilflosigkeit Zunahme psychischer Abhängigkeit Psychischer Rückzug Widerstand Versuch, Machtrelation zu ändern Physischer Rückzug nach Tosi, H.L.; Rizzo, J.R.; Carroll, S. J. 1986: Managing Organizational Behavior, Cambridge/Mass., S. 541; und Staehle 1990, S. 375 Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 35 Zusammenfassung • Eigenschaftsansatz: Interessant, aber derzeit wenig ergiebig • Empirische Führungsstilforschung (“induktive Theorie“): Interessante, aber kaum brauchbare Ergebnisse. Situation wird vernachlässigt, theoretisch nicht fundiert, empirisch nicht bestätigt, praktisch ohne Wert. • Stärker theoretisch fundierte Ansätze: Gut fundiert, z.T. empirisch bestätigt, aber praktisch nicht einfach anzuwenden, Folgen in konkreten Situationen unsicher • WAS TUN? RATSCHLAG für die PRAXIS - beim jetzigen Stand der Diskussion: Führe partizipativ (kooperativ/delegativ)! Im Zweifelsfall frage die Geführten! Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 36 …und eine Empfehlung: WAS TUN? RATSCHLAG für die PRAXIS - beim jetzigen Stand der Diskussion: Führe partizipativ (kooperativ/delegativ)! Im Zweifelsfall frage die Geführten! Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 37 Sie / wir haben es geschafft. Danke für die Aufmerksamkeit. Maiken Bonnes - Universität Duisburg-Essen 38