Schlussbericht 2016

Werbung
Reiseveranstalter als
potenzielle Partner in
Virenprävention
Durch Ebola und Zika ist Wahrnehmung zu Viren
international geprägt, Expertenmeinungen
gewinnen an Boden
Schlussbericht zum Virusbarometer 2016
Studie im Auftrag von Gilead Sciences Switzerland
Sàrl
Projektteam
Lukas Golder Politik- und Medienwissenschafter
Martina Mousson Politikwissenschafterin
Stephan Tschöpe Politikwissenschafter
Aaron Venetz Politikwissenschafter
Alexander Frind Politikwissenschafter
Noah Herzog Sekretariat und Administration
Inhaltsverzeichnis
1
WICHTIGES IN KÜRZE ................................................................................3
2
EINLEITUNG ..............................................................................................14
Mandat und Fragestellungen ..............................................................14
Fragebogenentwicklung......................................................................15
Datenbasis ..........................................................................................15
Datenanalyse ......................................................................................17
3
BEFUNDE ...................................................................................................18
Gesundheitszustand und Grundhaltungen zu Gesundheitsfragen .....18
3.1.1
Zwischenbilanz .......................................................................22
Information und Prävention ................................................................23
3.2.1
Zwischenbilanz .......................................................................27
Neuigkeiten zum Thema Viren ............................................................28
3.3.1
Zwischenbilanz .......................................................................36
Risikoperzeption und Testverhalten ....................................................37
3.4.1
Zwischenbilanz .......................................................................43
Issue Impfschutz .................................................................................44
3.5.1
Zwischenbilanz .......................................................................53
Übergreifende Analysen .....................................................................54
4
3.6.1
Pfeiler der Wichtigkeit eines aktuellen Impfschutzes ............54
3.6.2
Pfeiler der Wichtigkeit von Gesundheitstests ........................55
SYNTHESE .................................................................................................57
4.1.1
5
Thesen ....................................................................................61
ANHANG ....................................................................................................63
gfs.bern Team .....................................................................................63
Bern, der 26. September 2016
Copyright by gfs.bern
2
1
Wichtiges in Kürze
Mandat und Datenbasis
Gilead Sciences Switzerland Sàrl ist in Erwartung eines möglichen Meinungswandels und neu aufkommender Aktualität des Themas Viren an einer Studie
interessiert, die systematisch die vorhandenen Haltungen, das Bewusstsein sowie Einstellungen zu Viren untersucht und sowohl den Umgang damit erläutert,
als auch die zeitlichen Entwicklungen misst. Dieser letzte Punkt wird 2016 vollumfänglich möglich, denn mit einem dritten Messpunkt gewinnt man zusätzliche
Sicherheit in den bisherigen Tendenzen.
Wahrgenommene Neuigkeiten rund um Viren und Bewertungen dieser werden
im Rahmen des Virusbarometers ebenfalls erfasst und beschrieben. Im Zentrum
stehen nicht nur die Gesundheit und das Risikoverhalten der Befragten, sondern
auch die gesellschaftlichen und politischen Dimensionen dieser Themen und Fragestellungen.
Die Ergebnisse des Virusbarometers 2016 basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1209 erwachsenen EinwohnerInnen der Schweiz. Die Befragung
wurde zwischen dem 25. Juli und dem 8. August 2016 von gfs.bern telefonisch
durchgeführt.
Der statistische Fehler bei der Stichprobengrösse von 1209 Befragten beträgt
2.9 Prozent. Anders formuliert, liegt bei 1209 Befragten und einem ausgewiesenen Wert von 50 Prozent der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 47.1 und 52.9 Prozent. Werden Aussagen zu kleineren Untergruppen gemacht, erhöht sich der statistische Unschärfebereich.
Tabelle 1
Technischer Kurzbericht
Auftraggeber
Gilead Sciences Switzerland Sàrl
Grundgesamtheit
Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz ab 18 Jahren
Befragungsgebiet
gesamte Schweiz
Herkunft der Adressen
Telefonverzeichnis der Swisscom (mehrere Jahrgänge gepoolt)
Datenerhebung
telefonisch, computergestützt (CATI)
Art der Stichprobenziehung
Random-Quota; Geburtstagsmethode im Haushalt
Befragungszeitraum
mittlerer Befragungstag
25. Juli bis 8. August 2016
31. Juli 2016
Stichprobengrösse
Sprachregionen:
minimal 1'200, effektiv 1'209
n DCH: 708, n FCH: 301, n ICH: 200
Fehlerbereich
±2.9 Prozentpunkte bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
Quotenmerkmale
Sprachregion, Alter/Geschlecht interlocked
Gewichtung nach
Designgewichtung nach Sprachregion
Befragungsdauer
Mittelwert
25.4 Minuten
Standardabweichung
5.5 Minuten
© gfs.bern, Virusbarometer 2016, Juli/August 2016
3
Gesundheitszustand und
Grundhaltungen zu Gesundheitsfragen
Die klare Mehrheit der Schweizer EinwohnerInnen interessiert sich für Gesundheitsfragen, das Interesse ist 2016 allerdings erstmals merklich rückläufig. Parallel dazu wird auch der eigene Gesundheitszustand erstmals etwas schlechter
eingestuft. Was bleibt, sind eindeutige Schichteffekte in beiden Fragen; die tiefsten Einkommens- und Bildungsschichten beurteilen ihren Gesundheitszustand
signifikant schlechter, interessieren sich aber auch weniger für Gesundheitsfragen.
Grafik 1
Trend Interesse an Gesundheitsthemen
Trend Gesundheitszustand
"Wie stark sind Sie an Gesundheitsthemen interessiert: Sind Sie persönlich sehr interessiert, eher interessiert,
eher nicht interessiert oder überhaupt nicht interessiert?"
"Wie würden Sie im Grossen und Ganzen Ihren momentanen Gesundheitszustand beschreiben?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
3
3
14
13
3
17
überhaupt nicht
interessiert
21
9
11
11
21
14
1
sehr schlecht
eher nicht
interessiert
41
46
46
49
48
43
weiss nicht/keine
Antwort
gut
42
35
41
31
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
40
sehr gut
sehr interessiert
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
schlecht
mittelmässig
eher interessiert
42
weiss nicht/keine
Antwort
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Regelmässige Gesundheitschecks erachten annähernd drei Viertel der Befragten
für sich selbst als wichtig und für Risikogruppen erst recht. Bemerkenswert ist,
dass sich tendenziell jene Gruppen, die sich weniger für Gesundheitsfragen interessieren, deutlicher für regelmässige Gesundheitschecks aussprechen. Das
gilt beispielsweise für Männer oder EinwohnerInnen unter 30 Jahren.
Für HIV und Krebs mündet die grundsätzliche Haltung zu Gesundheitschecks
auch in konkrete Handlungsabsichten; selbst EinwohnerInnen, die Gesundheitschecks unwichtig finden, würden sich bei Verdacht auf eine Erkrankung mehrheitlich testen lassen. Für Hepatitis und Herz-/Kreislauferkrankungen gilt dies
tendenziell auch. Wenn es um Ebola, Grippe oder Zika geht, würden sich nur jene
EinwohnerInnen mehrheitlich testen lassen, die auch Gesundheitschecks wichtig finden.
Die Betonung der Wichtigkeit von Gesundheitschecks darf aber nicht als Votum
für obligatorische Tests verstanden werden. Solche stossen nämlich mit wenigen Ausnahmen auf Ablehnung. Überhaupt wird grundlegenden Änderungen im
Schweizer Gesundheitswesen skeptisch begegnet und die Präferenzen sind von
Eigenverantwortung bestimmt. Beispielsweise wünscht die klare Mehrheit der
Befragten keine staatliche Prävention zum Schutz vor viralen Erkrankungen. In
Bezug auf ein Masern-Impfobligatorium allerdings entwickeln sich die Präferenzen zunehmend in Richtung Befürwortung. Eine mögliche Erklärung hierfür liefert die Sensibilisierungskampagne des Bundes im Rahmen der BAG-Strategie
zur Masernelimination in der Schweiz, die ihre Wirkung nun entfaltet.
Stabil präsentiert sich einzig der Mittelwert zur Präferenz zwischen staatlicher
Prävention und Eigenverantwortung. Weniger fest untermauert als zu Beginn der
Studienreihe ist dagegen die Ansicht, dass Impfen ein Entscheid jedes Einzelnen
sein soll. Dieser Mittelwert hat sich am stärksten verändert und nähert sich der
Mitte-Position an. 2014 war dies noch jene der vier getesteten Haltungen, die
am stärksten Richtung Eigenverantwortung zielte.
4
Grafik 2
Wünsche Gesundheitsversorgung
"Was für eine Gesundheitsversorgung wünschen Sie sich grundsätzlich?
Bitte sagen Sie mir auf einer Skala von 0 bis 10, was Ihnen lieber ist. Mit den Werten dazwischen können Sie
Ihre Meinung abstufen."
in Mittelwerten EinwohnerInnen ab 18 Jahren
5.9
staatliche
Prävention
Eigenverantwortung
0
2
4
6
8
10
6
8
10
6
8
10
6
8
10
5.8
Impflicht
0
2
4
Entscheid jedes
Einzelnen
5.3
bewährt und
günstig
innovativ und teuer
0
2
4
4.3
bei Verdacht
untersuchen
0
2
4
obligatorische
Gesundheitschecks
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Information und Prävention
Obwohl die grundlegenden Präferenzen in Gesundheitsfragen in der Schweiz eher wenig auf staatliche Intervention gemünzt sein mögen, wird Präventions- arbeit in Schulen durchaus breit begrüsst. Überhaupt scheint Informationsarbeit
willkommen zu sein, denn auch die Abgabe von Informationen zu Impfschutz bei
der Buchung einer Reise wird annähernd flächendeckend begrüsst. Zudem werden zunehmend auch Krankenkassen und die Pharmaindustrie als Informationsstellen in Betracht gezogen.
Mit anderen Worten ist staatliche Tätigkeit rund um Information breit akzeptiert,
konkrete Handlungsanweisungen oder gar Obligatorien stossen jedoch auf
ebenso breiten Widerstand.
Der Glaube an die Wirksamkeit solcher Kampagnen und Informationstätigkeiten
hält sich allerdings in Grenzen; nicht zuletzt, weil damit tendenziell bereits informierte Kreise am ehesten solche auch wahrnehmen.
Nachdem sich die Angaben zwischen 2014 und 2015 nur unwesentlich verändert
haben, fällt 2016 die generell erhöhte Zustimmung zu Präventivmassnahmen
auf. Mit Ausnahme der Aussage zur Kampagnenwirkung erhalten 2016 alle Präventivmassnahmen mehr Zustimmung als in den Vorjahren. Die Akzeptanz von
Informationstätigkeiten wurde damit auf hohem Niveau nochmals gesteigert und
zwar unabhängig vom informierenden Akteur. Den deutlichsten Anstieg haben
wir dabei für die Pharmaindustrie zu verbuchen.
Neben Präventivmassnahmen sind Ansprechpersonen für den Ernstfall und das
Vertrauen in solche elementar.
5
Grafik 3
Trend Aussagen zur Information und Bekämpfung von
Krankheiten
"Ich nenne Ihnen jetzt einige Aussagen, was die Gesellschaft machen kann zur Information über Krankheiten
und der Bekämpfung von Krankheiten. Sagen Sie mir, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden,
eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht einverstanden sind."
Aufklärung und Prävention in den Schulen "In den Schulen soll aktiv und früh Aufklärung zur Prävention von übertragbaren
Krankheiten gemacht werden."
Impfempfehlung bei Reisebuchung "Beim Buchen von Reisen sollen zwingend Empfehlungen über Impfungen mitgeliefert
werden."
Krankenkassen aktiv Anreize schaffen "Die Krankenkassen sollten aktiv für Impfungen und Gesundheitschecks Anreize
schaffen."
frei informierende Pharmaindustrie "Der Staat soll die Pharmaindustrie möglichst frei informieren lassen, damit ich rasch über
Neuerungen informiert bin."
Verhaltensbeeinflussung durch AIDS-Kampagnen "Die AIDS-Kampagnen haben mein eigenes Verhalten beeinflusst."
Kampagnen wirkungslos "Die meisten Kampagnen verpuffen wirkungslos."
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, sehr/eher einverstanden
90
93
92
89
64
60
71
70
64
59
50
47
48
47
56
48
Aufklärung und Prävention
in den Schulen
Impfempfehlung bei
Reisebuchung
Krankenkassen aktiv
Anreize schaffen
frei informierende
Pharmaindustrie
Verhaltensbeeinflussung
durch AIDS-Kampagnen
Kampagnen wirkungslos
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Der Hausarzt ist und bleibt hier die zentrale Figur, aber auch dem Lebenspartner,
Apothekern und Gesundheitsfachpersonen aus dem eigenen Umfeld wird mehrheitlich Vertrauen entgegengebracht. 2016 wieder etabliert ist das Vertrauen in
Telefonauskünfte von Krankenkassen, obwohl ältere EinwohnerInnen oder solche aus tieferen sozialen Schichten skeptisch bleiben. Das Vertrauensverhältnis
den Krankenkassen gegenüber bleibt insgesamt gespalten. Internet-Institutionen
bestechen durch einfachen Zugang in vermeintlich anonymen Rahmen, das Vertrauen in Informationen aus dem Netz ist aber dünn.
Grafik 4
Trend Vertrauen Personen und Institutionen
"Es gibt manchmal Gesundheitsprobleme oder Gesundheitsfragen über die man nicht mit allen Personen
sprechen möchte.
Falls Sie schon solche Situationen erlebt haben, sagen Sie mir bitte für die nachfolgenden Personen und
Institutionen, ob Sie Ihnen sehr vertrauen, eher vertrauen, eher nicht vertrauen oder überhaupt nicht vertrauen,
wenn es um ein sehr persönliches Gesundheitsproblem geht."
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, vertraut sehr/eher
94
85
81
78
93
94
84
82
80
79
74
76
53
51
44
54
42
6
Juli/August 2014
Partnerin/Partner
Apotheker
54
Gesundheitsfachperson im
Bekannten- oder Verwandtenkreis
48
Drogist
44
41
22
Hausarzt
Gesundheits-Telefon-Auskunft der
Krankenkasse
Krankenkasse
20
19
7
7
Juli/August 2015
Juli/August 2016
Online-Foren oder Online-Chats
von Betroffenen
Soziale Medien wie Facebook
oder Twitter
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
6
Nicht nur für Konsultationen im Ernstfall, sondern auch zur reinen Informationsbeschaffung ist stabil der Hausarzt die wichtigste Quelle, gefolgt von Broschüren, Gesprächen im persönlichen Umfeld und Zeitungen. Mit Plakaten im öffentlichen Raum erreicht man immerhin noch mehr als die Hälfte und das ist klar
mehr als mit TV-Spots.
Eine direkte, auf Vertrauen basierende Beziehung ist bei persönlichen Gesundheitsproblemen ein wichtiges Kriterium für den Austausch darüber. Geht es jedoch um reine Informationsbeschaffung, ist dies keine zwingende Voraussetzung für eine Konsultation. Doch spielt auch die Einfachheit des Zugangs zu Information eine Rolle.
Neuigkeiten zum Thema Viren
Die Themenlage zu Viren war in den vergangenen Jahren von zwei Komponenten bestimmt; einer strukturellen und einer newsgetriebenen, dynamischen. Die
dynamische Komponente war in den Jahren 2014 bis 2016 dominant, denn seit
dem Ausbruch des Ebola-Virus 2014 war die Themenwahrnehmung zu Viren
selbstredend erhöht. Durch das aktuelle Topthema, den Zika-Virus, bleibt sie angeheizt und entsprechend erinnert sich ein zeitlich relativ konstanter Anteil der
EinwohnerInnen an Neuigkeiten rund um Viren. 2016 waren es durchschnittlich
38 Prozent der Befragten, was impliziert, dass sich die Mehrheit der Befragten
nicht aktiv an etwas erinnert.
Rund die Hälfte der EinwohnerInnen, die sich überhaupt an Neuigkeiten erinnern,
hat etwas im Zusammenhang mit dem Zika-Virus wahrgenommen. 2016 war
auch Meningitis relativ präsent, subsummiert im zweiten Themenblock zu spezifischen Krankheiten. Der Abstand zum erstplatzierten Zika-Virus zeigt allerdings,
wie sehr die Themenlage 2016 vom Zika-Virus bestimmt ist. Es folgen erinnerte
Neuigkeiten zu Grippeviren und Epidemien, AIDS und HIV, allgemeine Erinnerungen und auf dem sechsten Rang Neuigkeiten rund um Hepatitis.
Grafik 5
Trend Filter Erinnerung Neuigkeiten Thema Viren
"Erinnern Sie sich? Was genau haben Sie gehört, gesehen oder gelesen? Gibt es ein weiteres Thema, welches
Sie gehört haben?"
Zika
51
14
15
15
spezifische Krankheiten
18
Grippeviren, Epidemien, Pandemien
HIV, AIDS
7
Allgemeines
7
2
neue Viren/Risiken Ausbreitung
Ebola
Veränderung von Viren
Impfungen
Anderes
Risiken im Spital
Medikamente
Juli/August
2014
8
5
5
Hepatitis
Art der Information
25
13
14
11
22
8
4
11
3
4
36
17
4
4
4
4
5
3
1
5
3
4
3
2
4
4
1
Juli/August
2015
11
Juli/August
2016
7
Nein/weiss nicht/keine Antwort
Basis: inhaltliche Nennungen EinwohnerInnen
ab 18 Jahren, die Neuigkeiten vernommen
haben, Mehrfachantworten möglich
18
21
20
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (n = ca. 425)
7
Über die Zeit betrachtet, lassen sich die strukturelle und die dynamische Komponente erkennen. Auch wenn Nennungen zu Grippeviren und Hepatitis rückläufig
sind, bleiben dies strukturell wichtige Themen. Auch AIDS ist eine Krankheit, die
breit mit Viren assoziiert wird und als strukturelles Thema gilt. Komplementiert
wird dieses strukturelle Themenspektrum durch die Tagesaktualität, wie das
Ebola 2014 und Zika 2016 zeigen. Dominieren dynamische Komponenten die
Themenlage, geraten strukturelle eher in den Hintergrund.
Interessant ist, dass mit der Verbreitung des Zika-Virus Nennungen rund um Risiken der Ausbreitung stabil blieben. Das war im Umfeld des Ebola-Ausbruchs
klar anders.
Neu ist an der Themenlage 2016 der relevant kritische Unterton. 2015 war die
Themenlage in Abwesenheit eines viralen und medialen Schreckensgespenstes
klar entspannter. Wirklich negativ schneidet 2016 allerdings nur der Themenblock Allgemeines ab. Wer nichts Konkretes erinnert, ist diffus-kritisch in der Beurteilung. Werden dagegen konkrete Themen erinnert, fällt die Beurteilung gespalten bis verhalten positiv aus. Viren sind demzufolge nicht ein per se negativ
oder positiv vorbelastetes Thema, werden aber als Gefahr eingestuft – und zwar
als eine grössere als Bakterien.
Konkret wird die Grippe als grösste Gefahr für die Schweizer Gesellschaft erachtet, gefolgt von HIV und Pandemien. Der Anstieg beim drittplatzierten Themenblock ist dabei eindeutig auf die häufigere Nennung von Meningitis zurückzuführen. Medienberichte respektive Warnungen der Suva und des BAG über die hohe
Anzahl von Zeckenbissen erklären diesen Anstieg. Neu ist 2016 Zika auf dem
vierten Rang der Gefahrenliste erschienen, Hepatitis dagegen rangiert tiefer als
noch 2015. Die Einschätzungen des Gefahrenpotenzials von Zika zeigen für die
Schweizer Bevölkerung deutlich, dass das Virus zwar in aller Leute Köpfe ist,
man sich davor aber nur in beschränktem Ausmass fürchtet. Grippeviren dagegen sind alltagsnäher und entsprechend wird auch die davon ausgehende Gefahr
höher eingestuft.
Risikoperzeption und Testverhalten
Grundsätzlich fühlen sich Schweizer EinwohnerInnen eher nicht gefährdet, sich
mit einer Krankheit anzustecken. Die Sensibilitäten liegen allerdings bei Grippe,
Krebs sowie bei Herz- und Kreislauferkrankungen deutlich höher als bei Hepatitis,
Zika, Masern, HIV und AIDS oder Ebola. Das beinhaltet die im Grunde logische
Konsequenz, dass man sich durch Krankheiten, vor denen man sich nur bedingt
aktiv schützen kann, auch stärker gefährdet fühlt. Über die Zeit betrachtet, erweisen sich diese Werte als insgesamt stabil,
Die Angaben der Befragten zur Frage, welche Tests standardmässig im Rahmen
eines Gesundheitschecks durchgeführt werden sollten, spiegeln die Gefährdungsperzeptionen. Die Testbereitschaft für Brustkrebs1, Herz- und Kreislauferkrankungen und andere Formen von Krebserkrankungen bleibt hoch. Auch eine
standardmässige Prüfung der Aktualität von Impfungen würde von einer klaren
Mehrheit begrüsst. Die Akzeptanz für Hepatitis-C-Tests ist zwar verglichen mit
2015 klar zurückgegangen, bleibt aber mehrheitlich und verglichen mit 2014
leicht erhöht. Die dynamische Entwicklung ist für Hepatitis A- oder B-Tests in
abgeschwächter Form gleich, das Meinungsbild aber gespaltener. Nach wie vor
mehrheitlich abgelehnt werden routinemässige Tests bei sexuell übertragbaren
Krankheiten generell oder spezifisch HIV-Tests.
Setzt man ein 10-Prozent-Risiko einer Ansteckung voraus, erhöht sich die Testbereitschaft für alle Krankheiten. Damit ist die erhöhte Akzeptanz von Tests für
Risikogruppen nicht nur eine abstrakte Haltung, die Andere betrifft, sondern lei-
1
nur Frauen gefragt
8
tet auch das eigene Handeln bei gegebenem Risiko. Denn ein Risiko vorausgesetzt, würden sich Mehrheiten auf alle hier abgefragten Krankheiten testen lassen. Im Vergleich zur generellen Testbereitschaft steigt, ein entsprechendes Risiko vorausgesetzt, insbesondere die Testbereitschaft für Hepatitis aber auch
jene für HIV-Tests.
Die Trends zu den Testbereitschaften bei einem vorausgesetzten Risiko verlaufen mit Ausnahme der Grippe, wo sie klar angestiegen ist, uneinheitlich.
Grafik 6
Trend Standard Gesundheitschecks
Trend Test bei 10%-Risiko
"Unabhängig davon, wie wichtig Sie generell Gesundheitschecks finden.
Welche Tests sollten als Standard in einem Gesundheitscheck für Sie persönlich enthalten sein?"
"Angenommen sie verspüren keine Symptome, aber Sie erfahren zufällig, dass Sie persönlich ein 10%-Risiko
haben, dass Sie sich mit einer der folgenden Krankheiten angesteckt haben. Würden Sie dann bestimmt, eher,
eher nicht oder überhaupt nicht einen Test machen lassen, ob Sie sich tatsächlich angesteckt haben?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, Anteil "Ja"
Brustkrebs*
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, bestimmt/eher testen lassen
Krebs
75
70
63
47
45
43
41
78
74 74
68
68
61
59
65
63
51
44 44
50
47
Herz- und
Kreislauferkrankungen
Krebsabklärungen
81
79
77
75
78
75
71
65
Aktualität der Impfungen
62
55
84
82
Herz- und
Kreislauferkrankungen
77
72
70
65
67
53
Hepatitis resp.
Leberinfektion
HIV
Hepatitis C
44
38
Ebola
Hepatitis A oder B
Zika
sexuell übertragbare
Krankheiten
schwere Grippe
HIV-Test, der
sogenannte AIDS-Test
Juli/August 2014
Juli/August 2015
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
*nur Frauen (n = ca. 609)
Juli/August 2016
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Zwischen der gefühlten Gefährdung einer Ansteckung und der Testbereitschaft
finden sich eindeutige Zusammenhänge, besonders bei HIV, Hepatitis und Herz/Kreislauferkrankungen; wer sich gefährdet fühlt, würde sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auch testen lassen. Etwas weniger eindeutig gilt dies auch für die
Grippe, Zika und Ebola.
Issue Impfschutz
Beschäftigt man sich mit Gesundheitsthemen respektive Haltungen dazu und
insbesondere auch mit Viren, stösst man früher oder später unweigerlich auf ein
Issue, bei dem die Meinungen auseinandergehen; den Impfschutz. Die klare
Mehrheit der Schweizer EinwohnerInnen findet es dabei wichtig, ihren Impfschutz aktuell zu halten, allerdings gibt es in relevantem Ausmass kritische Voten. Verschärfend kommt hinzu, dass die Beimessung der Wichtigkeit latent
schwindet. Impfragen spalten die Geister; das resistent impfkritische Potenzial
liegt in der Schweizer Einwohnerschaft bei rund 20 Prozent.
Neu ist 2016, dass die stärksten gesellschaftlichen Spaltungen in der Impffrage
entlang des Reiseverhaltens zu finden sind. Dieser Effekt könnte Ebola und Zika
geschuldet sein. Denn wer regelmässig reist, verfügt klar häufiger über einen
aktuellen Impfschutz als jene, die dies nicht tun.
Die Nutzenseite von Impfungen ist im Grunde unbestritten, selbst ein MasernImpfobligatorium für Kinder wäre für eine zunehmende Mehrheit eine denkbare
Option. Wenn es allerdings um Grippeerkrankungen, Pandemien und Patentrechte geht, wird dem Thema und insbesondere der Pharmaindustrie kritisch begegnet. Nach wie vor wird das Gesundheitsfachpersonal nicht als Vorbild wahrgenommen. Es scheint sich in der Impffrage allerdings die Ratio breitzumachen;
die Zustimmung zur Aussage, dass Gesundheitsexperten Behauptungen von
Impfgegnern mit überzeugenden Argumenten entkräftet haben, nahm über den
Untersuchungszeitraum stetig zu. So haben kritische Haltungen zum Impfen in
einem Fall Aufwind (Gesundheitspersonal) erzeugt, im anderen (Experten) klar
nicht. Was sich hält, ist die Zustimmung zur Aussage, es sei besser, Erkrankungen natürlich durchzumachen anstatt zu impfen.
9
Neu wurde 2016 die Aussage, dass mehr Personen an den Folgen von Hepatitis
als an den Folgen von HIV/AIDS sterben, geprüft. Und obwohl in der offenen
Frage nach erinnerten Neuigkeiten einige Personen exakt dies bekunden, ist die
Verunsicherung über die konkrete Aussage gross. Eine relative Mehrheit stimmt
jedoch zu, dass es mehr Tote durch Hepatitis als durch AIDS gebe, 15 Prozent
stellen sich dagegen. Verbreiteter als in den Vorjahren ist das Wissen darum,
dass HIV keine tödliche Krankheit mehr sei, es eine Impfung gegen Hepatitis gibt
und Medikamente die Verbreitung von Viren eindämmen können.
Grafik 7
Trend Aussagen Krankheiten, Medikamente und
Impfungen (1/2)
Trend Aussagen Krankheiten, Medikamente und
Impfungen (2/2)
"Sagen Sie mir bitte für folgende Aussagen, ob sie für Sie persönlich voll zutreffen, eher zutreffen, eher nicht
zutreffen oder überhaupt nicht zutreffen."
"Sagen Sie mir bitte für folgende Aussagen, ob sie für Sie persönlich voll zutreffen, eher zutreffen, eher nicht
zutreffen oder überhaupt nicht zutreffen."
Krankheiten dank Impfungen besiegt "Dank Impfungen konnten einige Krankheiten weltweit praktisch besiegt werden."
Angstmacherei "Mit der Angstmacherei rund um Grippewellen und andere Pandemien machen vor allem die
Pharmaunternehmen ihr Geschäft."
Lockerung Patente zur Bekämpfung HIV/AIDS "Würde die Pharmaindustrie ihre Patente lockern, könnten HIV und AIDS in
Entwicklungsländern viel besser bekämpft werden."
obligatorische Masernimpfung bei Kindern "Kinder sollen obligatorisch gegen Masern geimpft werden."
HIV nicht mehr tödlich "Wenn eine HIV-Infektion richtig behandelt wird, ist es heute keine tödliche Erkrankung mehr."
Akt der Solidarität "Impfungen sind auch ein Akt der Solidarität gegenüber Personen, die sich nicht impfen können."
Impfung gegen Hepatitis "Gegen mehrere Formen von Hepatitis kann man sich impfen lassen."
behindert Vermehrung von Viren "Es gibt Medikamente, die die Vermehrung von Viren behindern."
kein Medikament Heilung Grippe "Es gibt kein Medikament, das Grippe heilen kann."
Gesundheitspersonal impft nicht systematisch "Das Gesundheitspersonal impft sich nicht systematisch."
Experten haben Argumente der Gegner entkräftet "Gesundheitsexperten haben mit überzeugenden Argumenten
Behauptungen von Impfgegnern entkräftigt."
Erkrankung besser durchmachen "Anstatt zu impfen ist es besser, eine Erkrankung natürlich durchzumachen."
Mehr Tote durch Hepatitis als HIV/AIDS "Es sterben mehr Personen an den Folgen von Hepatitis als an den Folgen von
HIV/AIDS."
Grippeimpfungen gefährlich "Grippeimpfungen sind gefährlich, weil die Impfung selbst eine Erkältung auslösen kann."
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, trifft voll/eher zu
87
87
80
77
74 73
71
70
69
76
76
71
70
69 69
80
74 74
72 72
Krankheiten dank Impfungen
besiegt
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
kein Medikament Heilung
Grippe
64
Angstmacherei
Lockerung Patente zur
Bekämpfung HIV/AIDS
58
obligatorische Masernimpfung
bei Kindern
47
60
59
57
54
49 49
47
59
59
51
48
51
49
47
56
43
Gesundheitspersonal impft
nicht systematisch
Experten haben Argumente
der Gegner entkräftet
HIV nicht mehr tödlich
Erkrankung besser
durchmachen
Akt der Solidarität
mehr Tote durch Hepatitis als
HIV/AIDS
Impfung gegen Hepatitis
Juli/August 2014
behindert Vermehrung von
Viren
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, trifft voll/eher zu
88
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
Grippeimpfungen gefährlich
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Handlungsseitig sind Starrkrampf-Impfungen breit akzeptiert. Auch Hepatitis-Cund Masern-Impfungen würden noch Mehrheiten der Befragten in Erwägung
ziehen, nicht aber Ebola-, Zika-, Grippe- oder HIV-Impfungen. Über die vergangenen drei Jahre hat sich die Impfbereitschaft für Ebola und für die Grippe gesteigert, jene für HIV respektive Aids ist dagegen gesunken.
Obwohl die Aktualität des Impfschutzes grundsätzlich als wichtig erachtet wird
und sich eine Mehrheit um einen solchen bemüht, gibt es bei 21 Prozent Nachlässigkeiten und bei 22 Prozent der Befragten bewussten Verzicht aufs Impfen.
So verfügen insgesamt 43 Prozent der Schweizer Einwohnerschaft über keinen
aktuellen Impfschutz. Das entspräche einer allgemeinen Impfrate von 57 Prozent
in der Schweiz. Die Impfdurchdringung ist dabei bei jungen Frauen, aber auch
bei Personen ab 37 Jahren generell ungenügend.
Langsam aber sicher macht sich Wissen über diesen Umstand breit. Zwar glaubt
nach wie vor eine Mehrheit, die Impfdurchdringung in der Schweiz sei höher als
im Ausland, die zeitlichen Entwicklungen sprechen jedoch insgesamt für eine
zunehmende Sensibilisierung.
Übergreifende Analyse Wichtigkeit
Gesundheitschecks
Eine Regressionsanalyse hilft zu erkennen, wie die Einschätzung über die Wichtigkeit von Gesundheitschecks für einen selbst konstituiert ist. Als höchst relevant erweisen sich die Haltungen zu Präventionsmassnahmen und zu grundlegenden Werthaltungen zur Gesundheitsversorgung. Wer der Ansicht ist, Krankenkassen sollen aktiv Anreize für Gesundheitschecks schaffen, misst solchen
naheliegender Weise auch erhöhte Wichtigkeit bei. Das gilt auch für EinwohnerInnen, die obligatorische Masernimpfungen fordern.
Auch wer vertrauenswürdige Gesundheitsfachpersonen in seinem persönlichen
Umfeld weiss, seinem Hausharzt in heiklen Fragen vertraut und fordert, dass die
Pharmaindustrie frei informiert, findet Gesundheitschecks wichtiger. Damit sind
verschiedene Akteure benannt, welche in der Lage wären, die Akzeptanz und
10
Wichtigkeit von Gesundheitstests zu fördern. Am Rande kommt ein weiterer Ort
der Information in Frage; der Reiseveranstalter, bei dem man Fernreisen bucht.
Wer dagegen dem Drogisten vertraut, stuft die Wichtigkeit solcher Tests generell tiefer ein. Das gilt auch für EinwohnerInnen die sich wenig gefährdet fühlen,
an einer Herz-/Kreislauf-Störung oder an Krebs zu erkranken. Auch wer findet, es
sei besser, Erkrankungen natürlich durchzumachen oder nicht glaubt, dass es
mehr Hepatitis-Todesfälle gebe als durch AIDS ausgelöste, misst Gesundheitschecks verminderte Wichtigkeit bei.
Alle weiteren ins Modell eingeflossenen Grössen erweisen sich als irrelevant.
Will man die Akzeptanz von Gesundheitstests also fördern, sollte man auf Anreizsysteme und gezielte Information über die Schlüsselakteure – den Hausarzt,
Gesundheitsfachpersonen, die Pharmaindustrie und Reiseveranstalter – setzen.
Grafik 8
Regressionsanalyse Wichtigkeit regelmässige
Gesundheitschecks
"Wie wichtig finden Sie einen regelmässigen Gesundheitscheck insgesamt für...?"
"…sich selbst"
EinwohnerInnen ab 18 Jahren
wichtig
nicht wichtig
Krankenkassen aktiv Anreize schaffen
obligatorische Masernimpfung bei Kindern
Gesundheitsfachperson im Bekanntenoder Verwandtenkreis
frei informierende Pharmaindustrie
Hausarzt (Vertrauen)
Ablehnung zu:
Herz- und Kreislauferkrankung (Gefährdung)
Drogist (Vertrauen)
Ablehnung zu:
Krebs (Gefährdung)
Erkrankung besser durchmachen
Impfempfehlung bei Reisebuchung
mehr Tote durch Hepatitis als HIV/AIDS
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209), R2 = .194
Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unabhängigen Variablen (hier:
Aussagen und Werthaltungen zum Gesundheitswesen und Viren, Vertrauensvoten Akteure, gefühlte Gefährdung Ansteckung) auf eine abhängige
Variable (Wichtigkeit Gesundheitschecks). Anhand der Farbe lässt sich unterscheiden, ob ein Element eher zu einer höherer Bewertung (rot) oder
eher zu einer tieferen Bewertung (orange) führt. Argumente, welche in der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss.
11
1.7.1 Thesen
Aus den Befunden leiten wir Thesen zur weiteren Diskussion im Rahmen des
Virusbarometers ab. Wir basieren bei diesen Ausführungen auf den Überlegungen aus den Vorjahren.
These 1: Wertelandschaft: Staatliche Information und Wahrung Intimsphäre
2016 finden sich Anzeichen, dass die Gesundheit etwas weniger interessiert als
auch schon. Möglich, dass die starke gesellschaftliche Fokussierung auf Ernährung und Gesundheit Gegenimpulse provoziert.
Gesundheit wird als etwas Privates erachtet. Einmischung erlaubt man gerade
bei intimen Themen höchstens dem Hausarzt oder der eigenen Partnerin respektive dem eigenen Partner. Entscheiden will man in Gesundheitsfragen autonom;
eigenverantwortliches Handeln wird staatlichen Interventionen, Zwängen oder
Kampagnen gegenüber vorgezogen. In Bezug auf Masernimpfungen ist das Bild
allerdings in Bewegung; ein Obligatorium kommt je länger je mehr in Frage.
Staatliche Tätigkeiten rund um Information sind breit akzeptiert, konkrete Handlungsanweisungen oder gar Obligatorien stossen jedoch auf ebenso breiten Widerstand.
These 2: Kommunikation: Themenarbeit bei hoher Emotionalität und
"Halbwissen" erschwert
Die situative Prägung erinnerter Neuigkeiten im Zusammenhang mit Viren zeigt,
dass das Thema Viren die Gemüter bei gegebenem Anlass zu bewegen vermag.
Allerdings überlagern in solchen Fällen emotionale Themen der Aktualität phasenweise die strukturell schwierige Themenarbeit beispielsweise zur Reduktion
der Impfskepsis oder Sensibilisierungskampagnen für gewisse Erkrankungen.
Die Gefahr von "Halbwissen" und ideologisch verankertem Handeln ist im Virenbereich und bei gewissen Gruppen gross. Die Kommunikationsarbeit wird durch
Skandalisierungen erschwert.
These 3: Akteure: Hausärzte mit sehr grosser, Gesundheitsfachpersonen
mit grosser Verantwortung
Der Hausarzt bleibt die Schlüsselfigur, wenn es um vertrauliche Inhalte aber auch
Informationen genereller Natur geht. Die Rolle von Krankenkassen und der Industrie wird gespalten beurteilt.
Besser als medial Inhalte zu verbreiten ist es, den Zugang zum Patienten über
den Arzt zu suchen. Hinweise bestehen, dass auch rund um die Prüfung der Aktualität des Impfschutzes Informationsbedürfnisse existieren, die durch den
Hausarzt abgedeckt werden könnten. Eine zentrale Rolle nehmen aber auch Gesundheitsfachpersonen im weiteren Sinne ein. Ein direkter Austausch wird vor
Konsum von Wissen via Medien und insbesondere via Internet eindeutig bevorzugt. Eine neue Türe könnten Reiseveranstalter öffnen.
12
These 4: Prävention: Sensibilisierung über Kampagnen
Die Wirkungen von Kampagnen werden gespalten beurteilt, finden sich jedoch
indirekt auf den Spitzenrängen erinnerter Neuigkeiten (HIV, Hepatitis). Sensibilisierungsarbeit im Bereich von viralen Erkrankungen kann über Kampagnen geschehen, weniger aber der Transport von substantiellen Inhalten wie Handlungsanweisungen oder Testempfehlungen. Die Gefahr besteht, dass Marketingtätigkeiten damit in Verbindung gesetzt werden.
Weil aber das Thema Gesundheit in der Bevölkerung auf Interesse stösst und
die Gemüter bewegt, sind Medien bereit, auch über Kampagnen, Forschungserfolge oder Schicksale in diesem Zusammenhang zu berichten. Im Fall von Hepatitis erweist sich diese Art von Kommunikation als effektiv, aber nicht durchschlagend. Wirkungen der schweizweiten Masern-Kampagne lassen sich jedoch nicht
von der Hand weisen.
These 5: Testverhalten: Hohe Testbereitschaft bei NCD
Die Testbereitschaft der Schweizer EinwohnerInnen ist grundsätzlich hoch, insbesondere, wenn ein Erkrankungsrisiko vorausgesetzt wird. Tendenziell möchte
man sich eher auf Krankheiten testen lassen, die man durch das eigene Verhalten
nur bedingt beeinflussen kann (Krebs, Herz- Kreislauf), so genannte NCDs. Rund
um ansteckende Krankheiten herrscht ein vermeintliches Kontroll- und Sicherheitsgefühl vor.
Um Testing im Bereich der viralen Erkrankungen zu fördern, müssen die Erkrankungsrisiken und besonders die Gefährdungspotenziale deutlich aufgezeigt werden. Auch könnten Anreize durch Krankenkassen oder andere Systemakteure
hier förderlich sein.
These 6: Impfschutz: Akzentuiertes Problem, auch wegen Experten-Skepsis
Das Solidaritätselement ist in der Kommunikation rund um Impfungen zentral.
Gewisse Impfungen hätten Chancen, als obligatorisch deklariert zu werden (Masern), eine generelle Impfpflicht stösst allerdings auf wenig Akzeptanz.
Es scheint sinnvoller, mit Argumenten und dem Aufzeigen von Fakten als mit
Zwängen Handlungsänderungen herbeizuführen. Das Impfproblem in der
Schweiz ist akzentuiert, weil sich relativ breite Skepsis gegenüber Experten auf
Einstellungsseite mit geringer Impfdisziplin respektive Nachlässigkeiten auf der
Ebene konkreter Handlungen überlagern.
Die Fronten in Impffragen sind hart, aber es wächst die Akzeptanz für Impfpflichten und Expertenmeinungen. Eine Schlüsselrolle könnte dem Gesundheitspersonal zukommen, allerdings wird dieses aktuell nicht als Vorbild punkto Impfen
wahrgenommen.
Auch der offensive Vergleich der Schweiz mit dem Ausland, aber auch die Betonung des Solidaritätsaspektes könnten helfen, die Impfakzeptanz zu steigern.
These 7: Reiseveranstalter als Partner in der Virenprävention
Die Themenwelt rund um Viren ist medial geprägt, entsprechend dominieren
Schreckensgespenster wie Ebola oder Zika das Bild.
Neu zeigt sich, dass besonders das Impfverhalten davon beeinflusst wurde, denn
wer häufig reist, misst Impfschutz nun höhere Bedeutung zu.
Auch werden Informationen zum Impfschutz durch Reiseveranstalter begrüsst.
Insofern könnten sie wertvolle Partner bei der Virenprävention sein.
13
2
Einleitung
Mandat und Fragestellungen
Viren nehmen in der Wahrnehmung von Gesundheitsthemen eine eigene und
besondere Rolle ein. Insbesondere wegen HIV haben breite Kreise der Bevölkerung Wahrnehmungen und Bewertungen entwickelt. Aufgefrischt wurde das Bewusstsein um die Gefährlichkeit viraler Erkrankungen jüngst durch den Ausbruch
des Ebola-Virus auf dem afrikanischen Kontinent oder auch das Zika-Virus in Brasilien. Zunehmend kontrovers diskutiert werden Impfungen, wie etwa die Debatte über das Epidemiengesetz zeigte, über welches in der Schweiz am 22.
September 2013 abgestimmt wurde.
Auch das Thema Tamiflu wurde in den Medien breit diskutiert und entwickelte
in der Schweiz kritische Reputationsrelevanz für die Pharmabranche. Weitere Innovationen wie die Kombinationstherapien gegen Aids oder Mittel gegen Hepatitis zeigen, dass sich Haltungen und Bewertungen rund um Viren wegen Veränderungen und öffentlichen Diskussionen verändern können.
Gilead Sciences Switzerland Sàrl ist im Umfeld eines möglichen Meinungswandels und neuer aufkommender Issues zu Viren an einer Studie interessiert, die
systematisch die vorhandenen Haltungen, Bewusstsein und Einstellungen zu Viren und dem Umgang damit beschreibt und die zeitliche Entwicklungen misst.
Mit dem Virusbarometer 2016 ist eine dritte Datenreihe generiert worden, so
dass zeitliche Entwicklungen erstmals stichhaltig interpretiert werden können.
Denn Sicherheit in der Interpretation von Trends wird frühestens mit einer dritten
Erhebung gewonnen, weil sich abschätzen lässt, welche Entwicklungen sich als
kontinuierlich erweisen und welche situativ zu lesen sind oder waren.
Im Rahmen des Virusbarometers sollen weiter wahrgenommene Neuigkeiten
und Bewertungen dieser erfasst und beschrieben werden. Im Zentrum stehen
nicht nur die eigene Gesundheit und das Risikoverhalten der Befragten, sondern
auch die gesellschaftlichen und politischen Dimensionen dieser Fragestellungen.
Konkrete Fragestellungen, die als Basis für die Befragung gelten:

Zentrale Wertfelder und Wertgegensätze sowie deren zeitliche Entwicklung rund um Viren und die Rolle von Innovationen, der Industrie und des
Staats in diesem Kontext.

Wie ist der Umgang mit Virenfragen, Impfungen, Tabuthemen wie Fragen
zum Sexualverhalten und der Austausch darüber mit der Ärzteschaft sowie die Wahrnehmung der Prävention in diesem Umfeld?

Wie gross ist das Bewusstsein der Bevölkerung für Viren und den Umgang
in der Bekämpfung und Prävention, wo bestehen Informationsdefizite?

Welche Verhaltenstypen lassen sich im Umgang mit Viren unterscheiden
und welche Faktoren beeinflussen diese Typologie?

Was für politische Haltungen beeinflussen die Einstellungen, wo bestehen
konkrete Bedürfnisse nach staatlicher Tätigkeit (beispielsweise Regulierung von Impfungen oder Abklärungen)? Wo steht die Eigenverantwortung im Zentrum?

Wie beurteilen SchweizerInnen die staatliche Tätigkeit und die Tätigkeiten
der Wirtschaft (Entwicklung, Herstellung, Vertrieb, Verteilung) und der gesellschaftlichen Akteure? Wie glaubwürdig sind die Akteure in Gesundheitsfragen?

Wie werden aktuelle Issues im Virus-Bereich (beispielsweise Impfungen,
Innovationen, Aids-Bekämpfung, Rolle der Industrie in der 3. Welt, Hepatitis, Tamiflu, Ebola) beurteilt?
14
Fragebogenentwicklung
Der Fragebogen, der diese Fragestellungen abdeckt, wurde gemeinsam mit einer Begleitgruppe von Expertinnen und Experten erarbeitet. Eine erste Version
wurde 2014 einem Pretest unterzogen und nach leichten Adaptionen schliesslich
für die Befragung 2014 verwendet.
Die meisten Fragen selbst mit teilweise explizitem Bezug zu sexuell übertragbaren Krankheiten verursachten nicht mehr Probleme als üblich. Die Auskunftsbereitschaft war generell hoch, obwohl die Interviews im Mittel über 20 Minuten
dauerten.
Für die aktuelle Welle 2016 wurde wiederum die Meinung der Expertinnen und
Experten abgeholt, diesmal unter Kenntnis der Resultate aus den ersten beiden
Jahren des Monitorings. Die Maxime bei der Überarbeitung des Fragebogens
war eine für Monitore übliche; um die Konsistenz des Befragungsinstruments zu
gewährleisten, wurde am Fragebogen so wenig wie möglich aber so viel wie
nötig geändert.
Konkret wurden die Frage zur Einschätzung des medizinischen Fortschritts in gewissen Bereichen und die Frage nach routinemässigen Tests für Risikogruppen
gestrichen, weil sie zu wenig Informationsgehalt hatten und von den Befragten
äusserst einheitlich beurteilt wurden. Ausgebaut wurde im Gegenzug der Teil
zum eigenen Impfverhalten und zur Risikoperzeption. Auch wurden neue virale
Erkrankungen, wie Ebola oder Zika, systematisch in den Fragebogen aufgenommen.
Datenbasis
Die Ergebnisse des Virusbarometer 2016 basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1212 erwachsenen EinwohnerInnen der Schweiz. Die Befragung
wurde zwischen dem 25. Juli und dem 8. August 2016 von gfs.bern telefonisch
durchgeführt.
Tabelle 2
Technischer Kurzbericht Virusbarometer 2016
Auftraggeber
Gilead Sciences Switzerland Sàrl
Grundgesamtheit
EinwohnerInnen der Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
Stichprobengrösse
Total Befragte N = 1209
Erhebungsart
CATI
Auswahlverfahren
at random für Telefonnummern und Haushaltszusammensetzung
Befragungsdauer
mittlere Befragungsdauer
Standardabweichung
mittlerer Befragungstag
25. Juli bis 8. August 2016
25.4 Minuten
5.5 Minuten
31. Juli 2016
theoretischer
Stichprobenfehler
± 2.9 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger
Wahrscheinlichkeit
© gfs.bern, Virusbarometer 2016, Juli/August 2016
Der statistische Fehler bei der Stichprobengrösse von 1209 Befragten beträgt
2.9 Prozent. Anders formuliert liegt bei 1209 Befragten und einem ausgewiesenen Wert von 50 Prozent der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 47.1 und 52.9 Prozent. Werden Aussagen zu kleineren Untergruppen gemacht, erhöht sich der statistische Unschärfebereich.
Gerade bei Untergruppenanalysen weist die untersuchte Gruppe schnell weniger
als 50 Befragte aus, was bei einem Stichprobenfehler von ± 14 Prozentpunkten
eine adäquate Interpretation nahezu verunmöglicht. Deshalb nehmen wir keine
Subgruppenanalysen unter 50 Fällen vor.
15
Tabelle 3
Stichprobenfehler
Ausgewählte statistische Stichprobenfehler nach Stichprobengrösse und Basisverteilung
Fehlerquote Basisverteilung
50% zu 50%
20% zu 80%
N=
1000
± 3.2 Prozentpunkte
± 2.5 Prozentpunkte
N=
600
± 4.1 Prozentpunkte
± 3.3 Prozentpunkte
N=
100
± 10.0 Prozentpunkte
± 8.1 Prozentpunkte
N=
50
± 14.0 Prozentpunkte
± 11.5 Prozentpunkte
Lesebeispiel: Bei rund 1000 Befragten und einem ausgewiesen Wert von 50 Prozent liegt der effektive Wert
zwischen 50 Prozent ± 3.2 Prozentpunkte, bei einem Basiswert von 20 Prozent zwischen 20 Prozent ± 2.5 Prozentpunkte. Dabei setzt man in der Umfrageforschung zumeist ein Sicherheitsmass von 95 Prozent, das heisst
man akzeptiert eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 Prozent, dass der nachgewiesene statistische Zusammenhang so in der Bevölkerung nicht vorhanden ist.
Stichprobengrösse
© gfs.bern, Virusbarometer 2014, August 2014
Das andere Element einer qualitativ hochstehenden Analyse ist die Gewährleistung von Repräsentativität. Repräsentativität bedeutet nichts anderes, als dass
jede Person aus der Grundgesamtheit genau die gleiche Chance haben muss, an
der Befragung teilnehmen zu können. Werden bei der Stichprobenziehung systematisch Gruppen ausgeschlossen, ist eine Befragung nicht repräsentativ.
Wir gewährleisten die Repräsentativität (neben einem ganztägigen Befragungsfenster) in unseren Telefonbefragungen durch ein dreistufiges System:

Ausgangslage bildet ein elektronisches Telefonbuch mit allen gemeldeten
Telefonanschlüssen der Schweiz (swiss directories). Aus diesen wird nach
einem Zufallsprinzip eine Ausgangsstichprobe gebildet.

Erfüllt eine Person im Haushalt die Voraussetzung, zur Grundgesamtheit
zu gehören, wird die Adresse verwendet. Erfüllen mehrere Personen im
Haushalt die Voraussetzung, wird die Person befragt, welche als letzte im
Jahr Geburtstag hat. Durch diese zweite Stufe der Zufallsauswahl wird
verhindert, dass systematische Gewohnheitseffekte im Telefonverhalten
zu einer Stichprobenverzerrung führen.

Um wegen unterschiedlicher Erreichbarkeit Verzerrungen vermeiden zu
können, werden Maximalquoten für Geschlecht und Alter vorgegeben,
welche nicht überschritten werden können.
Dieses dreistufige System garantiert eine systematische Zufallsauswahl und damit eine saubere Basis für statistische Auswertungen. Um in allen Sprachregionen genügend Fälle für eine gesicherte statistische Analyse zu erhalten, wurde
eine Übergewichtung der italienisch- und französischsprechenden Schweiz vorgenommen. Im Datensatz wurde diese Übergewichtung mittels Gewichtungsfaktoren jedoch wieder rückgängig gemacht.
16
Datenanalyse
Die generierten Daten werden zuerst beschreibend analysiert. Dabei werden
univariate Häufigkeitsverteilungen in Form von Prozentwerten beschrieben.
Zusammenhänge zwischen zwei Variablen, also beispielsweise zwischen Neuigkeiten zum Thema Viren und der Sprachregion, werden mittels Korrelationen
gemessen. Das normalerweise verwendete Mass ist der Koeffizient Cramérs V.
Der Vorteil dieser Masszahl ist, dass sie unabhängig vom Skalenniveau der Indikatoren verwendet werden kann. Damit bestimmen wir die Stärke des Zusammenhangs. Dieser ist umso stärker, je mehr das Cramérs V von Null differiert.
Davon unterscheiden wir die Frage, ob der in der Befragung gefundene und gemessene Zusammenhang auch auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden darf. Hierfür verwendeten wir den üblichen Signifikanztest Chi2. Damit kann
man sagen, inwieweit die Untergruppen in sich selbst ein signifikantes unterschiedliches Verhalten an den Tag legen. In der Regel verwendeten wir ein Sicherheitsmass von 95 Prozent.
Gilt es, die Zusammenhänge zwischen mehr als zwei Variablen zu bestimmen,
kommen multivariate Analysemethoden zum Einsatz:
Zur Anwendung kam die Clusteranalyse, ein Verfahren zur Entdeckung von ähnlichen Fällen. Die Clusteranalyse ordnet jede befragte Person einer festen Anzahl
Gruppen zu, sodass homogene Gruppen entstehen, die sich aber aufgrund ihres
Antwortverhaltens möglichst stark von den anderen unterscheiden.
Daneben fand insbesondere die Answer-Tree-Analyse Berücksichtigung. Diese
Methode differenziert eine Ausgangspopulation in inhaltlich relevante Teilpopulationen, wo sowohl die Signifikanz des beobachteten Unterschieds wie auch
deren Beitrag zur Erklärung der abhängigen Variable ein ordnendes Kriterium darstellt. Die Visualisierung gleicht dabei einem Baum, wobei den primären Ästen
am meisten Erklärungskraft zukommt und weitere Äste diese Erklärungskraft
verfeinern.
17
3
Befunde
Gesundheitszustand und
Grundhaltungen zu Gesundheitsfragen
Das Interesse der Schweizer Einwohnerschaft an Gesundheitsfragen im Allgemeinen ist hoch aber abnehmend; 79 Prozent geben an, sich mindestens eher
für Gesundheitsthemen zu interessieren. Deutlich verschoben haben sich ab
2015 dabei die Anteile weg von starkem hin zu tendenziellem Interesse. Doch
nicht nur, denn 2016 ist erstmals auch ein Anstieg des Desinteresses zu verbuchen.
Frauen bleiben zwar stärker an Gesundheitsthemen interessiert als Männer
(86% vs. 72% eher/sehr interessiert), sind aber stärker vom Trend des abnehmenden Interesses erfasst worden. Bestätigt wird auch der Zusammenhang von
Alter und dem Interesse an Gesundheitsthemen, wobei hier die jüngsten Befragten am stärksten vom abnehmenden Trend erfasst worden sind. Interessierten
sich unter 40-Jährige 2015 noch mehrheitlich für Gesundheitsthemen, sind es
2016 nur noch 38% (-23 %-punkte).
Nach Sprachregionen betrachte fällt 2016 besonders die Romandie auf; das Interesse an Gesundheitsthemen ist dort klar geringer als in der Deutschschweiz
(67% vs. 83% eher/sehr interessiert). Das ist neu, denn bisher fanden sich diesbezüglich keine signifikanten Unterschiede.
Grafik 9
Trend Interesse an Gesundheitsthemen
"Wie stark sind Sie an Gesundheitsthemen interessiert: Sind Sie persönlich sehr interessiert, eher interessiert,
eher nicht interessiert oder überhaupt nicht interessiert?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
3
3
14
13
3
17
überhaupt nicht
interessiert
1
eher nicht
interessiert
41
49
48
weiss nicht/keine
Antwort
eher interessiert
42
35
31
sehr interessiert
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Parallel zum leicht sinkenden Interesse hat sich auch die Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes etwas verschlechtert. Immer mehr EinwohnerInnen
beschreiben ihren Gesundheitszustand nur noch als mittelmässig. Die deutliche
Mehrheit beschreibt den eigenen Gesundheitszustand jedoch nach wie vor mindestens als eher gut.
18
Bestehen bleiben deutliche sozioökonomische Effekte. Die tiefsten Einkommens- und Bildungsschichten beurteilen ihren Gesundheitszustand signifikant
schlechter als die höheren. Und auch in diesem Punkt finden sich sprachregionale Besonderheiten, allerdings ist hier das Tessin auffällig. TessinerInnen schätzen den eigenen Gesundheitszustand schlechter ein als die Romands oder
DeutschschweizerInnen.
In ärztlicher Behandlung war im vorangehenden Monat der Befragung allerdings
nur eine stabile Minderheit der Befragten. Es zeigen sich allerdings klare Alterseffekte. Der Wendepunkt wäre bei 50 Jahren anzusetzen: Davor geht man unterdurchschnittlich häufig zum Arzt, danach überdurchschnittlich häufig. Doch
selbst unter den ältesten Befragten gibt mit 37 Prozent lediglich eine Minderheit
an, jüngst in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein.
Grafik 10
Trend Gesundheitszustand
Trend Ärztliche Behandlung letzte 4 Wochen
"Wie würden Sie im Grossen und Ganzen Ihren momentanen Gesundheitszustand beschreiben?"
"Sind Sie in den letzten vier Wochen in ärztlicher Behandlung gewesen?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
21
9
11
11
21
14
weiss nicht/keine
Antwort
Nein
sehr schlecht
46
46
43
schlecht
74
72
72
weiss nicht/keine
Antwort
mittelmässig
gut
42
41
40
sehr gut
Juli/August 2014
Juli/August 2015
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Juli/August 2016
1
25
Juli/August 2014
28
Juli/August 2015
28
Ja
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Regelmässige Gesundheitschecks erachten dennoch 72 Prozent der Befragten
für sich selbst als wichtig, für Risikogruppen wird solchen mit 95 Prozent gar eine
beinahe flächendeckende Wichtigkeit zugeschrieben. Beide Einschätzungen erweisen sich dabei als zeitlich stabil. Ebenso sind verschiedene Messlatten für
einen selbst und Risikogruppen ein konstantes Phänomen.
Interessant ist dabei, dass Männer, die sich klar weniger deutlich für Gesundheitsfragen interessieren als Frauen, Gesundheitschecks tendenziell wichtiger
einstufen als Frauen. Und auch in dieser Frage ist eine deutliche Abhängigkeit
der Angaben vom Alter zu beobachten, wobei hier 30 Lebensjahre die Grenze
darstellen: Bis 30 findet man Gesundheitschecks für sich selbst signifikant weniger wichtig als danach. Zwischenzeitlich geben nur noch minderheitliche 47
Prozent der jüngsten Befragten an, Gesundheitschecks für sich selber wichtig zu
finden (2015-2016: -15%-punkte). Gegenüber 2014 ist der aktuelle Wert allerdings nur leicht rückläufig, so dass eher der Vorjahreswert als speziell hoch zu
beschreiben ist (2014: 50%).
Erneut bestätigt wird das Betroffenheitsmuster, denn wer seinen eigenen Gesundheitszustand als schlecht einstuft oder unlängst beim Arzt war, findet solche
Gesundheitschecks auch wichtiger. Und je häufiger man ins Ausland reist, umso
deutlicher betont man die Wichtigkeit solcher regelmässigen Tests.
Für Gesundheitschecks bei Risikogruppen erodieren die meisten dieser Unterschiede in den Einschätzungen und grosse Mehrheiten der Schweizer EinwohnerInnen erachten diese als mindestens eher wichtig. Keine einzige untersuchte
Untergruppe fällt hier unter die 90 Prozent-Marke.
Spannend ist die Frage, ob diese grundsätzliche Haltung auch in Handlungsbereitschaft mündet. Für HIV und Krebs ist das gegeben, doch würden sich selbst
19
EinwohnerInnen, die Gesundheitschecks unwichtig finden, in diesen beiden Fällen bei Verdacht auf einen Erkrankung2 mehrheitlich testen lassen. Für Hepatitis
und Herz-/Kreislauferkrankungen gilt dies tendenziell auch, aber wer Gesundheitschecks grundsätzlich überhaupt nicht wichtig findet, ist gespalten in Bezug auf
die Testbereitschaft zu diesen Krankheiten. Wenn es um Ebola, Grippe oder Zika
geht, würden nur jene EinwohnerInnen sich mehrheitlich testen lassen, die Gesundheitschecks wichtig finden. Wer sie dagegen überhaupt nicht wichtig findet,
würde mehrheitlich keinen Test machen. Regelrechte Fronten finden wir in Bezug auf das Impfen. Wer Gesundheitschecks grundsätzlich wichtig findet, verfügt mehrheitlich über einen aktuellen Impfschutz. Wer dagegen findet, solche
Gesundheitschecks seien unwichtig, verfügt in der Mehrheit über keinen aktuellen Impfschutz.
Grafik 11
Wichtigkeit regelmässige Gesundheitschecks
Trend Wichtigkeit regelmässige Gesundheitschecks
"Wie wichtig finden Sie einen regelmässigen Gesundheitscheck insgesamt für ...?"
"Wie wichtig finden Sie einen regelmässigen Gesundheitscheck insgesamt für ...?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, sehr/eher wichtig
94
... Risikogruppen
63
32
70
... sich selbst
26
46
1
94
95
73
72
2 21
21
... Risikogruppen
6
... sich selbst
sehr wichtig
eher wichtig
weiss nicht/keine Antwort
eher nicht wichtig
überhaupt nicht wichtig
Juli/August 2014
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Die grundsätzliche Wichtigkeit, die Schweizer EinwohnerInnen Gesundheitschecks beimessen, darf nach wie vor nicht als Freipass für obligatorische Tests
verstanden werden. Solche stossen nämlich tendenziell auf Ablehnung; nur ein
Drittel der Befragten könnte sich solche grundsätzlich vorstellen. Die Mehrheit
neigt zu Gesundheitschecks nur bei Verdacht (Mittelwert 4.3), wenn man sie
nach ihren grundsätzlichen Präferenzen im Gesundheitswesen fragt. Auffallend
sind auch in diesem Punkt die TessinerInnen, die sich als einzige Untergruppe
mehrheitlich für obligatorische Gesundheitstests aussprechen (52%).
Ansonsten bleibt es dabei, dass die Präferenzordnung zu grundsätzlichen Haltungen rund um die Gesundheitsversorgung einen starken Status-quo-Bias kennt
und die Präferenzen von Eigenverantwortung geprägt sind. Dies äussert sich
etwa auch in der Gegenüberstellung einer Impfpflicht für gewisse Gruppen gegen den freien Entscheid jedes einzelnen. Eine staatliche Impfpflicht stösst auf
wenig Unterstützung, man bevorzugt eine Gesellschaft, in der das Impfen ein
Entscheid eines jeden Einzelnen ist (Mittelwert 5.8).
Noch greifbarer wird die Ablehnung staatlicher Einmischung bei der Frage ob
man zum Schutz vor viralen Erkrankungen eher auf Eigenverantwortung oder auf
staatliche Prävention setzt. Der Befund ist deutlich: Die klare Mehrheit der Befragten wünscht keine staatliche Prävention zum Schutz vor viralen Erkrankungen und setzt auf Eigenverantwortung (Mittelwert 5.9).
Die Präferenzen hinsichtlich der Kosten der Produkte für die medizinische Versorgung fallen relativmehrheitlich zugunsten einer Gesundheitsversorgung, die
auf innovative, teure Produkte setzt (Mittelwert 5.3) aus. Fast ein Viertel der Befragten platziert sich in dieser Frage allerdings in der Mitte und wünscht sich
somit eine gesunde Mischung von beidem. Abweichend vom Mainstream und
2
siehe auch Kapitel 3.4 Risikoperzeption und Testverhalten
20
leicht in Richtung bewährte und günstige Produkte neigen tiefste Einkommen
(MW 4.7) und EinwohnerInnen die auf dem Land leben (MW 4.8).
Grafik 12
Wünsche Gesundheitsversorgung
"Was für eine Gesundheitsversorgung wünschen Sie sich grundsätzlich?
Bitte sagen Sie mir auf einer Skala von 0 bis 10, was Ihnen lieber ist. Mit den Werten dazwischen können Sie
Ihre Meinung abstufen."
in Mittelwerten EinwohnerInnen ab 18 Jahren
5.9
staatliche
Prävention
Eigenverantwortung
0
2
4
6
8
10
6
8
10
6
8
10
6
8
10
5.8
Impflicht
0
2
4
Entscheid jedes
Einzelnen
5.3
bewährt und
günstig
innovativ und teuer
0
2
4
4.3
bei Verdacht
untersuchen
0
2
4
obligatorische
Gesundheitschecks
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Interessant sind hier die zeitlichen Entwicklungen, denn es findet sich eine gewisse Dynamik in diesen Einschätzungen. Stabil präsentiert sich einzig der Mittelwert zur Präferenz zwischen staatlicher Prävention und Eigenverantwortung.
Weniger fest untermauert als zu Beginn der Studienreihe ist dagegen die Ansicht, dass Impfen ein Entscheid jedes Einzelnen sein soll. Dieser Mittelwert hat
sich am stärksten verändert und nähert sich der Mitte-Position an.
Ebenfalls gegen die Mitte hinbewegt, respektive die Mittellinie überschritten, haben die Präferenzen in der Produktefrage. Waren die Schweizer EinwohnerInnen
2014 noch mehrheitlich auf der Seite günstiger und bewährter Produkte, so hat
der Wind ab 2015 zugunsten innovativer, teurer Produkte gedreht. Möglich, dass
die Diskussion um die Qualität von Generika Spuren hinterlassen hat.
Schwankend erweisen sich die Mittelwerte in der Frage, ob Gesundheitschecks
obligatorisch sein sollten oder man sich nur bei Verdacht untersuchen lassen
solle. 2016 hat sich der Wert – nach einer Polarisierung gegen obligatorische
Tests im Vorjahr – wieder näher zu Mitte hinbewegt.
21
Grafik 13
Trend Wünsche Gesundheitsversorgung
"Was für eine Gesundheitsversorgung wünschen Sie sich grundsätzlich?
Bitte sagen Sie mir auf einer Skala von 0 bis 10, was Ihnen lieber ist. Mit den Werten dazwischen können Sie
Ihre Meinung abstufen."
in Mittelwerten EinwohnerInnen ab 18 Jahren
6.6
6.0
4.6
staatliche Prävention
vs.
Eigenverantwortung
6.1
5.8
5.9
5.8
5.2
5.3
4.3
4.3
3.9
Juli/August 2014
Impfpflicht vs.
Entscheid jedes
Einzelnen
bewährt und günstig
vs. innovativ und
teuer
Juli/August 2015
Juli/August 2016
bei Verdacht
untersuchen vs.
obligatorische
Gesundheitschecks
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
3.1.1 Zwischenbilanz
Eine klare Mehrheit der Schweizer EinwohnerInnen interessiert sich für Gesundheitsfragen, das Interesse ist 2016 allerdings erstmals merklich rückläufig. Parallel dazu wird auch der eigene Gesundheitszustand erstmals schlechter eingestuft. Doch gilt auch hier; die allermeisten beschreiben ihren Gesundheitszustand als gut bis sehr gut. Was bleibt sind eindeutige Schichteffekte in beiden
Fragen; die tiefsten Einkommens- und Bildungsschichten beurteilen ihren Gesundheitszustand signifikant schlechter als die höheren, interessieren sich aber
auch weniger für Gesundheitsfragen.
In ärztlicher Behandlung war im vorangehenden Monat der Befragung allerdings
nur eine stabile Minderheit der Befragten. Regelmässige Gesundheitschecks erachten dennoch annähernd drei Viertel der Befragten für sich selbst als wichtig
und für Risikogruppen erst recht. Bemerkenswert ist, dass sich tendenziell jene
Gruppen, die sich weniger für Gesundheitsfragen interessieren, deutlicher für
regelmässige Gesundheitschecks aussprechen. Das gilt beispielsweise für Männer oder EinwohnerInnen unter 30 Jahren.
Für HIV und Krebs mündet die grundsätzliche Haltung zu Gesundheitschecks
auch in konkrete Handlungsabsichten; selbst EinwohnerInnen, die Gesundheitschecks unwichtig finden, würden sich bei Verdacht auf einen Erkrankung3 mehrheitlich testen lassen. Für Hepatitis und Herz-/Kreislauferkrankungen gilt dies
tendenziell auch. Wenn es um Ebola, Grippe oder Zika geht würden nur jene
EinwohnerInnen sich mehrheitlich testen lassen, die auch Gesundheitschecks
wichtig finden.
Die Betonung der Wichtigkeit von Gesundheitschecks darf nicht als Votum für
obligatorische Tests verstanden werden. Solche stossen nämlich mit wenigen
Ausnahmen auf Ablehnung. Überhaupt wird grundlegenden Änderungen im
Schweizer Gesundheitswesen skeptisch begegnet und die Präferenzen sind von
3
siehe auch Kapitel 3.4 Risikoperzeption und Testverhalten
22
Eigenverantwortung bestimmt. Beispielsweise wünscht die klare Mehrheit der
Befragten keine staatliche Prävention zum Schutz vor viralen Erkrankungen. In
Bezug auf ein Masern-Impfobligatorium allerdings entwickeln sich die Präferenzen eher Richtung breiterer Akzeptanz.
Interessant sind hier die zeitlichen Entwicklungen, denn es findet sich eine gewisse Dynamik in diesen Einschätzungen. Stabil präsentiert sich einzig der Mittelwert zur Präferenz zwischen staatlicher Prävention und Eigenverantwortung.
Weniger fest untermauert als zu Beginn der Studienreihe ist dagegen die Ansicht, dass Impfen ein Entscheid jedes Einzelnen sein soll. Dieser Mittelwert hat
sich am stärksten verändert und nähert sich der Mitte-Position an. 2014 war dies
noch jene der vier getesteten Haltungen, die am stärksten Richtung Eigenverantwortung zielte.
Information und Prävention
Staatliche Einmischung in Gesundheitsfragen mag grundsätzlich auf wenig Unterstützung stossen, es scheint allerdings auf die Form anzukommen, denn die
Zustimmung zu Aufklärung und Prävention in Schulen fällt mit 93 Prozent hoch
aus. Doch nicht nur der Staat, auch privatwirtschaftliche Akteure sollen informieren. Eine zwingende Mitlieferung von Informationen zu Impfungen bei Reisebuchungen halten 92 Prozent der Befragten für eine gute Idee. Doch auch Krankenkassen und die Pharmaindustrie werden zunehmend als relevante Informationsstellen angesehen, denn deutliche Mehrheiten wären damit einverstanden, dass
Krankenkassen Anreize für Impfungen und Gesundheitschecks schaffen respektive der Staat die Industrie möglichst frei über Neuerungen informieren lässt.
Diese Ansichten werden von sämtlichen Untergruppen mehrheitlich geteilt. Und
2016 zeigt sich, dass mit einer Ausnahme sämtliche Informationstätigkeiten eine
höhere Akzeptanz als in den Vorjahren geniessen. Mit anderen Worten ist staatliche Tätigkeit rund um Information breit akzeptiert, konkrete Handlungsanweisungen oder gar Obligatorien, stossen jedoch auf ebenso breiten Widerstand.
Bemerkenswert bleibt dabei, dass trotz dieses grundsätzlichen Einverständnisses für präventive Massnahmen, die Wirksamkeit von Kampagnen angezweifelt
wird – sowohl in genereller Hinsicht als auch in Bezug auf die eigene Verhaltensbeeinflussung durch AIDS-Kampagnen. Immerhin findet sich 2016 erstmals eine
knappe Mehrheit die angibt, ihr eigenes Verhalten sei durch AIDS-Kampagnen
beeinflusst worden. Dass jedoch Kampagnen gemeinhin wirkungslos verpuffen,
bejaht mit 48 Prozent nach wie vor fast die Hälfte der Befragten.
Beide Kampagnen-Aussagen polarisieren. So zeigen sich Frauen in Bezug auf die
Wirkung von Kampagnen kritischer aber auch ältere Menschen im Vergleich zu
jüngeren. Zudem zeigen sich deutliche Schichteffekte; denn während Mehrheiten der Tief- und Mittelgebildeten bejahen, dass Kampagnen wirkungslos verpuffen, sehen das Hochgebildete anders. Gleiches zeigt sich für das Haushaltseinkommen. Am ehesten erreicht man demzufolge bereits involvierte oder informierte Personen damit und nicht jene, auf die man eigentlich abzielt. Diesen Umstand haben auch Kampagnenspezialisten erkannt; sie beschreiten innovative,
neue Wege, wie beispielsweise Prostata-Sensibilisierungs-Kampagnen auf Frauentoiletten.
Sprachregional betrachtet ist das Tessin auffällig; der Glaube an Kampagnenwirkungen ist dort klar geringer als in der Deutschschweiz und der Romandie (DCH:
47%, FCH: 45%, ICH: 78% eher/sehr einverstanden). Alle übrigen Unterschiede
in den Untergruppen sind gradueller Natur und die Mehrheiten liegen wie im Gesamten nicht eindeutig.
Auch in der Frage der Verhaltensbeeinflussung durch AIDS-Kampagnen scheiden
sich die Geister. Es finden sich beispielsweise deutliche Generationeneffekte:
Jüngere Befragte geben mehrheitlich an, dass AIDS-Kampagnen ihr Verhalten
beeinflusst hätten, während ältere dies verneinen (z.B. 30- bis 39-Jährige 69%,
23
70+-Jährige 26% eher/sehr einverstanden). Den Wendepunkt bilden Befragte ab
60 Jahren, denn dort kippen die Mehrheitsverhältnisse. Zudem zeigen sich
Schichteffekte, denn mit dem Einkommen und dem Bildungsstand steigt auch
das Einverständnis mit der Aussage, dass das eigene Verhalten von AIDS-Kampagnen beeinflusst worden sei.
Nachdem sich die Angaben zwischen 2014 und 2015 nur unwesentlich verändert
haben, fällt 2016 die generell erhöhte Zustimmung auf. Mit Ausnahme der Aussage zur Kampagnenwirkung erhalten 2016 alle Präventivmassnahmen mehr Zustimmung als in den Vorjahren. Die Akzeptanz von Informationstätigkeiten wurde
damit auf hohem Niveau nochmals gesteigert und zwar unabhängig vom informierenden Akteur. Den deutlichsten Anstieg haben wir dabei für die Pharmaindustrie zu verbuchen.
Grafik 14
Trend Aussagen zur Information und Bekämpfung von
Krankheiten
"Ich nenne Ihnen jetzt einige Aussagen, was die Gesellschaft machen kann zur Information über Krankheiten
und der Bekämpfung von Krankheiten. Sagen Sie mir, ob Sie damit voll einverstanden, eher einverstanden,
eher nicht einverstanden oder überhaupt nicht einverstanden sind."
Aufklärung und Prävention in den Schulen "In den Schulen soll aktiv und früh Aufklärung zur Prävention von übertragbaren
Krankheiten gemacht werden."
Impfempfehlung bei Reisebuchung "Beim Buchen von Reisen sollen zwingend Empfehlungen über Impfungen mitgeliefert
werden."
Krankenkassen aktiv Anreize schaffen "Die Krankenkassen sollten aktiv für Impfungen und Gesundheitschecks Anreize
schaffen."
frei informierende Pharmaindustrie "Der Staat soll die Pharmaindustrie möglichst frei informieren lassen, damit ich rasch über
Neuerungen informiert bin."
Verhaltensbeeinflussung durch AIDS-Kampagnen "Die AIDS-Kampagnen haben mein eigenes Verhalten beeinflusst."
Kampagnen wirkungslos "Die meisten Kampagnen verpuffen wirkungslos."
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, sehr/eher einverstanden
90
64
60
48
47
89
93
92
71
70
64
59
50
47
56
48
Aufklärung und Prävention
in den Schulen
Impfempfehlung bei
Reisebuchung
Krankenkassen aktiv
Anreize schaffen
frei informierende
Pharmaindustrie
Verhaltensbeeinflussung
durch AIDS-Kampagnen
Kampagnen wirkungslos
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Neben Präventivmassnahmen sind Ansprechpersonen für den Ernstfall und das
Vertrauen in solche zentral. Wer von den Befragten schon einmal mit Gesundheitsproblemen konfrontiert war – und das betrifft die grosse Mehrheit der Befragten – bespricht diese, gerade in heiklen Fällen, nach wie vor am liebsten mit
dem Hausarzt oder der Partnerin oder dem Partner. Beiden Personen wird stabiles und klarmehrheitliches Vertrauen entgegengebracht, was in leicht abgeschwächter Form auch für Apotheker und Gesundheitsfachpersonen aus dem
eigenen Umfeld gilt. Diese vier Akteure geniessen in sämtlichen Untergruppen
mehrheitliches Vertrauen.
Mehrheitliches Vertrauen geniessen zudem Drogisten, doch nicht flächendeckend; während der Drogist für EinwohnerInnen der Deutschschweiz eindeutig
eine vertrauenswürdige Anlaufstelle bei Gesundheitsproblemen darstellt (59%),
ist dies bei Befragten aus dem Tessin auch der Fall (51%), bei solchen aus der
Romandie dagegen mehrheitlich nicht (35%). Diesen Befund finden wir zum wiederholten Mal bestätigt und er verweist auf eine andere Rolle des Drogisten in
der französischsprachigen Schweiz.
Das hohe Vertrauen in den Hausarzt eint alle untersuchten Untergruppen,
ebenso wie das Vertrauen in den eigenen Partner in allen Untergruppen mehrheitlich gegeben und damit intakt ist, wenn es um heikle Gesundheitsfragen
24
geht. Gleiches gilt für den Apotheker und Gesundheitsfachpersonen aus dem
persönlichen Umfeld; namhaft kritische Gruppen finden sich keine.
Das Vertrauen in Telefonauskünfte von Krankenkassen ist zwischenzeitlich wieder relativmehrheitlich gegeben, in gewissen Untergruppen jedoch bleiben kritische Haltungen mehrheitlich. So etwa bei älteren EinwohnerInnen oder solchen
aus tieferen sozialen Schichten. Aber es gibt auch Gruppen, die Telefonauskünften der Kassen hohes Vertrauen entgegenbringen; beispielsweise EinwohnerInnen aus urbanen Siedlungsräumen oder solche aus dem Tessin aber auch apolitische Befragte oder solche unter 60 Jahren.
Grafik 15
Trend Vertrauen Personen und Institutionen
"Es gibt manchmal Gesundheitsprobleme oder Gesundheitsfragen über die man nicht mit allen Personen
sprechen möchte.
Falls Sie schon solche Situationen erlebt haben, sagen Sie mir bitte für die nachfolgenden Personen und
Institutionen, ob Sie Ihnen sehr vertrauen, eher vertrauen, eher nicht vertrauen oder überhaupt nicht vertrauen,
wenn es um ein sehr persönliches Gesundheitsproblem geht."
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, vertraut sehr/eher
94
85
81
78
93
94
84
82
80
79
74
76
53
51
44
54
42
6
Juli/August 2014
Partnerin/Partner
Apotheker
54
Gesundheitsfachperson im
Bekannten- oder Verwandtenkreis
48
Drogist
44
41
22
Hausarzt
Gesundheits-Telefon-Auskunft der
Krankenkasse
Krankenkasse
20
19
7
7
Juli/August 2015
Juli/August 2016
Online-Foren oder Online-Chats
von Betroffenen
Soziale Medien wie Facebook
oder Twitter
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Das Vertrauensverhältnis Krankenkassen gegenüber bleibt gespalten. Tief gebildete, AusländerInnen, ICH, schlechter Gesundheitszustand: 44 Prozent äussern
Vertrauen, 45 Prozent Misstrauen. Doch gibt es auch hier Ausnahmen. TessinerInnen etwa vertrauen Krankenkassen hochgradig (84% vertraut eher/sehr) und
auch unter EinwohnerInnen mit tiefem Bildungsstand ist das Vertrauen mehrheitlich intakt (52%). Ansonsten findet sich jedoch in allen Untergruppen ein gespaltenes Vertrauensverhältnis Krankenkassen gegenüber bestätigt.
Was die Befragten wiederum über alle untersuchten Subgruppen hinweg eint,
ist ein grundlegendes Misstrauen in Institutionen des Internets bei intimen Gesundheitsfragen, etwa die hier befragten Online-Foren oder Soziale Medien.
Zwar sind Altersabhängigkeiten bei den Institutionen des Internets nicht von der
Hand zu weisen, doch selbst ganz Junge vertrauen diesen Kanälen nur klar minderheitlich (z.B. 18-29-Jährige: 11%, 70+-Jährige: 4% vertraut Sozialen Medien
eher/sehr).
Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Internets sind aber in Gesundheitsfragen nicht persistent, denn wenn es um Informationsbeschaffung geht, geniesst
das Internet eine gewisse Relevanz. Allerdings eine kontinuierlich abnehmende,
denn 2016 kippen die Mehrheitsverhältnisse erstmals und Internetseiten wie Wikipedia werden nur noch von einer Minderheit als wirkungsvolle Quellen zum
Schutz gegen Krankheiten angesehen. 47 Prozent widersprechen dem. Interessant ist dabei, dass Befragte mittleren Alters weniger kritisch urteilen als ganz
junge oder ganz alte Befragte. So befinden beispielsweise 64 Prozent der 40-4925
Jährigen Internetseiten als wirksame Informationsquellen, jedoch nur 39 Prozent
der 18-29-Jährigen. Die Beurteilung der Wirksamkeit von Internetseiten wie Wikipedia hängt zudem vom sozialen Status ab: Je mehr jemand verdient und je
höher die Schulbildung ist, desto mehr glaubt man an die Wirksamkeit von Internetseiten. Regional gesprochen zeigt sich die Romandie am affinsten für Informationen aus dem Web (DCH: FCH: 55%, ICH: 46% eher/sehr wirksam).
Der zweiten hier befragten und internetbasierten Informationsquelle, YouTubeVideos, schreiben die Befragten mehrheitlich keine Wirkung zu (67% eher/sehr
wirkungslos). Darin sind sich sämtliche Untergruppen einig. Selbst unter den
jüngsten Befragten überwiegt die Skepsis eindeutig. Ein Fünftel glaubt an die
Wirkung solcher Videos und dieser Wert hält sich stabil.
Die Relevanz von Internetkanälen bleibt damit beschränkt, denn auch als Informationsquelle wird mit grossem Abstand am häufigsten und stabil der Hausarzt
genannt, gefolgt von Broschüren, die bei ihm oder beim Apotheker des Vertrauens aufliegen. Einen ähnlichen Stellenwert erlangen aber auch Gespräche im persönlichen Umfeld, die von über drei Viertel als wirksame Informationsquelle taxiert werden. Und auch Zeitungsartikel zählen zu dieser Gruppe der hochwirksamen Informationskanäle.
Bemerkenswert sind die Trends in den Altersgruppen. Während Wikipedia bei
den jüngeren Befragten über die letzten drei Jahre hinweg Vertrauenseinbussen
zu verzeichnen hat, ist bei Zeitungsartikeln das Gegenteil der Fall. Stabil sind die
Vertrauenswerte zu beiden Kanälen in den Altersgruppen über 40. Anders formuliert haben internetbasierte Informationsportale bei den stärksten Nutzern an
Vertrauen verloren, was dem Wert klassischer Medienkanäle in dieser Altersgruppe Aufwind verschaffte.
Mit Plakaten im öffentlichen Raum erreicht man immerhin noch mehr als die
Hälfte und das ist klar mehr als mit TV-Spots. TV-Spots eignen sich dabei eher
für ein älteres Publikum, während Plakate im öffentlichen Raum gerade auch von
Jungen mehrheitlich als (eher) wirksam beschrieben werden.
Grafik 16
Trend Wirksamkeit Informationsquellen
"Sagen Sie mir, als wie wirksam sie Informationen von folgenden Quellen beurteilen, wenn es darum geht, wie
sie sich gegen Krankheiten schützen können.
Beurteilen Sie die Quellen als sehr wirksam, eher wirksam, eher wirkungslos oder sehr wirkungslos?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, sehr/eher wirksam
mündliche
Informationen des
Hausarztes
Broschüren, die beim
Hausarzt/in der
Apotheke aufliegen
Gespräche im
persönlichen Umfeld
93
93
95
76
74
71
77
76
72
57
58
Zeitungsartikel
45
43
Plakate im öffentlichen
Raum
64
56
51
47
53
47
TV-Spots
19
20
19
Internetseiten wie
Wikipedia
Youtube-Videos
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
26
So erweist sich der Hausarzt als die Schlüsselfigur, wenn es um vertrauliche Inhalte sowie Informationen genereller Natur geht und auch das eigene Umfeld
gehört zu den wirksamsten Quellen der Information. Darüber hinaus erweisen
sich Print-Produkte (Broschüren, Zeitungsartikel) als relevant, weniger jedoch
elektronische Kanäle. In Gesundheitsfragen ist der persönliche und direkte Austausch wichtig, wenn man etwas bewirken möchte.
Die Einschätzungen zur Wirksamkeit von Informationen zum Schutz gegen
Krankheiten sind über die Zeit betrachtet grösstenteils stabil. Zwei Entwicklungen lass sich jedoch ablesen; Internetseiten verlieren an Wirksamkeit und Zeitungen werden wieder als wichtiger erachtet als auch schon.
Neben dem Vertrauen scheint in der Beurteilung verschiedener Personen und
Institutionen die Einfachheit des Zugangs eine Rolle zu spielen. Und in dieser
Frage punkten der eigene Partner und das Internet, die vom Sofa aus konsultiert
werden können. Internet-Institutionen bestechen durch einfachen Zugang in vermeintlich anonymen Rahmen, das Vertrauen in Informationen aus dem Netz ist
aber dünn, wenn es um sehr persönliche Gesundheitsprobleme geht.
3.2.1 Zwischenbilanz
Obwohl die grundlegenden Präferenzen in Gesundheitsfragen in der Schweiz eher wenig auf staatliche Intervention gemünzt sein mögen, wird Präventionsarbeit in Schulen durchaus breit begrüsst. Überhaupt scheint Informationsarbeit
willkommen zu sein, denn auch die Abgabe von Informationen zu Impfschutz bei
der Buchung einer Reise wird annähernd flächendeckend begrüsst. Zudem werden zunehmend auch Krankenkassen und die Pharmaindustrie als Informationsstellen in Betracht gezogen.
Mit anderen Worten ist staatliche Tätigkeit rund um Information breit akzeptiert,
konkrete Handlungsanweisungen oder gar Obligatorien, stossen jedoch auf
ebenso breiten Widerstand.
Der Glaube an die Wirksamkeit solcher Kampagnen und Informationstätigkeiten
hält sich allerdings in Grenzen; nicht zuletzt, weil damit tendenziell bereits informierte Kreise am ehesten solche auch wahrnehmen.
Nachdem sich die Angaben zwischen 2014 und 2015 nur unwesentlich verändert
haben, fällt 2016 die generell erhöhte Zustimmung auf. Mit Ausnahme der Aussage zur Kampagnenwirkung erhalten 2016 alle Präventivmassnahmen mehr Zustimmung als in den Vorjahren. Die Akzeptanz von Informationstätigkeiten wurde
damit auf hohem Niveau nochmals gesteigert und zwar unabhängig vom informierenden Akteur. Den deutlichsten Anstieg haben wir dabei für die Pharmaindustrie zu verbuchen.
Neben Präventivmassnahmen sind Ansprechpersonen für den Ernstfall und das
Vertrauen in solche zentral. Der Hausarzt ist und bleibt hier die zentrale Figur,
aber auch dem Lebenspartner, Apotheker und Gesundheitsfachpersonen aus
dem eigenen Umfeld wird mehrheitlich Vertrauen entgegengebracht. 2016 wieder etabliert ist das Vertrauen in Telefonauskünfte von Krankenkassen obwohl
älteren EinwohnerInnen oder solchen aus tieferen sozialen Schichten skeptisch
bleiben. Das Vertrauensverhältnis Krankenkassen gegenüber bleibt insgesamt
gespalten. Internet-Institutionen bestechen durch einfachen Zugang in vermeintlich anonymen Rahmen, das Vertrauen in Informationen aus dem Netz ist aber
dünn.
Nicht nur für Konsultationen im Ernstfall, auch zur reinen Informationsbeschaffung ist stabil der Hausarzt die wichtigste Quelle gefolgt von Broschüren, Gesprächen im persönlichen Umfeld und Zeitungen. Mit Plakaten im öffentlichen
Raum erreicht man immerhin noch mehr als die Hälfte und das ist klar mehr als
mit TV-Spots.
27
Eine direkte, auf Vertrauen basierende Beziehung ist bei persönlichen Gesundheitsproblemen ein wichtiges Kriterium für den Austausch darüber, geht es jedoch um reine Informationsbeschaffung ist dies keine zwingende Voraussetzung
für eine Konsultation. Doch spielt auch die Einfachheit des Zugangs zu Information eine Rolle.
Neuigkeiten zum Thema Viren
Nach drei Jahren der Untersuchung erhält man ein Gefühl dafür, was als erhöhte
Aufmerksamkeit in einem spezifischen Thema gilt und was eher als Grundrauschen der Kommunikation zu beschreiben ist. Im vorliegenden Fall ist dies allerdings erschwert, weil es gar nie eine "normale" Phase gab. Seit dem Ausbruch
des Ebola-Virus in Afrika 2014 ist die Themenwahrnehmung zu Viren selbstredend erhöht. Durch das Zika-Virus bleibt die Themenlage auch 2015 und 2016
angeheizt.
Entsprechend finden wir relativ konstante Anteile von EinwohnerInnen, die sich
an Neuigkeiten zum Thema Viren erinnern können. 2016 waren es durchschnittlich 38 Prozent der Befragten, womit stabil eine Mehrheit keine Neuigkeiten erinnert.
Die Wahrnehmung von Neuigkeiten rund um Viren ist bei älteren Menschen klar
höher als bei jüngeren (bspw.: 18-29-Jährige: 20%, 70+-Jährige: 44%) und sie
steigt mit dem Einkommen und der Bildung an. Diesen Umstand finden wir jedoch unabhängig vom konkret erfragten Themenbereich immer wieder vor und
er erklärt sich eher durch die höhere Medienaffinität höherer sozialer Schichten.
Weiter ist die Sensibilität für Neuigkeiten rund um Viren in der Deutschschweiz
(41%) als in den anderen beiden Landesteilen (FCH: 32%, ICH: 9%), wobei sie
im Tessin so tief wie nie ausfällt.
Grafik 17
Trend Neuigkeiten Thema Viren letzte 12 Monate
"Haben Sie in den letzten zwölf Monaten Neuigkeiten rund um das Thema Viren in der Schweiz gehört,
gesehen oder gelesen?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
Nein
58
57
59
weiss nicht/keine
Antwort
2
40
Juli/August 2014
7
3
36
38
Juli/August 2015
Ja
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Auf die Frage was genau man denn zum Thema Viren gehört, gelesen oder gesehen habe, wird 2016 mit Abstand am häufigsten das Zika-Virus genannt. Die
28
Hälfte aller EinwohnerInnen, die sich überhaupt an Neuigkeiten erinnern, hat etwas im Zusammenhang mit dem Zika-Virus gelesen, gehört oder gesehen. Nie
zuvor in der Untersuchungsreihe war ein Thema dermassen dominant. Konkret
erinnern sich Befragte am häufigsten einfach an das Zika-Virus generell oder Mücken, Insekten und Fliegen. Häufig wird Brasilien oder die Olympiade im gleichen
Atemzug genannt und auch die Assoziation zu Babys respektive schwangeren
Frauen findet sich oft. Erinnert werden am Rande auch Neuigkeiten von ZikaInfektionen in anderen Ländern und die Gefahr einer weltweiten Epidemie.
Neuigkeiten zu anderen spezifischen Krankheiten werden am zweithäufigsten
erinnert. Am präsentesten sind in diesem Themenblock Nennungen von Zecken(-viren), Meningitis und Masern. Der Abstand zum erstplatzierten Zika-Virus
zeigt, wie sehr die Themenlage 2016 von diesem Virus bestimmt wird.
Auf dem dritten Rang finden sich erinnerte Neuigkeiten zu Grippeviren und Epidemien. 13 Prozent erinnern sich an Neuigkeiten aus diesem Bereich, wobei
Grippeviren und eine (Sommer-)Grippewelle am häufigsten genannt werden.
Es folgen Neuigkeiten zu AIDS, allgemeine Erinnerungen und auf dem sechsten
Rang Neuigkeiten rund um Hepatitis. Im Zusammenhang mit AIDS erinnern sich
viele Befragte an eine Zunahme von Neuinfizierungen mit dem HIV-Virus, oft wird
aber auch erinnert, dass Neuansteckungen mit sexuell übertragbaren Krankheiten generell angestiegen seien. Grund hierfür dürften Artikel zum Thema während der Befragungszeit in der "Revue médicale suisse" und im "Blick" gewesen
sein. Vereinzelt wird von Befragten dabei der Link zu Hepatitis C Erkrankungen
gemacht, denn auch zu diesem Thema gab es Medienberichte in der Befragungszeit ("20 Minuten", "NZZ"). Dabei wird erinnert, dass mehr Personen an den Folgen von Hepatitis C sterben als an den Folgen von AIDS. Erinnert wird im Zusammenhang mit dem Thema Hepatitis vor allem auch ein Anstieg von Fällen in
der Schweiz.
Grafik 18
Trend Filter Erinnerung Neuigkeiten Thema Viren
"Erinnern Sie sich? Was genau haben Sie gehört, gesehen oder gelesen? Gibt es ein weiteres Thema, welches
Sie gehört haben?"
Zika
51
14
15
15
spezifische Krankheiten
18
Grippeviren, Epidemien, Pandemien
HIV, AIDS
7
Allgemeines
7
2
neue Viren/Risiken Ausbreitung
Ebola
Veränderung von Viren
Impfungen
Anderes
Risiken im Spital
Medikamente
Juli/August
2014
8
5
5
Hepatitis
Art der Information
25
13
14
11
22
8
4
11
11
3
4
36
17
4
4
4
4
5
3
1
5
3
4
3
2
Juli/August
2015
Juli/August
2016
7
Basis: inhaltliche Nennungen EinwohnerInnen
ab 18 Jahren, die Neuigkeiten vernommen
haben, Mehrfachantworten möglich
4
4
1
Nein/weiss nicht/keine Antwort
18
21
20
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (n = ca. 425)
Nicht eigentliche Inhalte, sondern Quellen der Information werden am siebthäufigsten genannt. Befragte geben beispielsweise an, dass sie "etwas gelesen haben" ohne das jedoch konkretisieren zu können.
29
Dahinter folgt ein buntes Feld an Themen, das neben neuen Viren, Ebola, der
Veränderung von Viren auch Impfungen und Risiken im Spital umfasst. Mit weniger als 5 Prozent Nennungen sind dies allerdings nicht die massegebenden
Themen.
Die dynamische Betrachtung der Werte zeigt, dass Ebola – das Topthema 2014
– kaum mehr aktiv erinnert wird, weil es von einem neuen Virenthema überlagert
wird; dem Zika-Virus. Zika wird dabei häufiger aktiv erinnert als Ebola zu Zeiten
des Ausbruchs. Ansonsten fällt auf, dass das erinnerte Themenspektrum weniger breit ausfällt als noch vor einem Jahr. Besonders Nennungen zu Grippeviren
aber auch zu Hepatitis sind verglichen mit 2015 klar zurückgegangen. Grippeviren
bleiben allerdings ein strukturell wichtiges Thema, auch wenn es 2016 wieder
vom Spitzenrang verdrängt wurde, hält sich dieses Thema nun seit Beginn der
Studienreihen in den Top-3. Ansonsten sind AIDS und Hepatitis Krankheitsbilder,
die breit mit Viren assoziiert werden und damit ebenfalls als strukturelle Themen
gelten.
Komplementiert wird dieses strukturelle Themenspektrum bei gegebenem Anlass durch die Tagesaktualität, wie das Ebola 2014 und Zika 2016 zeigen. Solche
Epidemien erfahren medial viel Aufmerksamkeit und werden entsprechend rezipiert.
Der Blick zurück zeigt, dass wenn ein solches Aktualitätsthema aufflammt, die
strukturellen Themen etwas in den Hintergrund geraten. So war beispielsweise
Hepatitis 2015 sehr präsent, ist 2016 jedoch von anderen Themen überlagert
worden. Das ist umso bemerkenswerter, als dass auch 2016 wieder der WeltHepatitis-Tag mitten im Befragungszeitraum lag und rund um diesen Tag Kampagnenaktivitäten stattfanden. Hepatitis ist aber nicht einfach wieder von der
Bildfläche verschwunden, denn das Thema hält sich im oberen Mittelfeld.
Interessant ist, dass mit der Verbreitung des Zika-Virus Nennungen rund um Risiken der Ausbreitung stabil blieben. Das war im Umfeld des Ebola-Ausbruchs
klar anders.
Inhaltlich bleibt die Wahrnehmung zum Thema Viren damit medial getrieben und
national geprägt. Es bestätigen sich in allen Sprachregionen Einflüsse der Tagesaktualität, wenn man sich die Top 5 vor Augen führt. Zika führt die Rangliste
überall mit Abstand an, in der Westschweiz jedoch erlangt auch das zweit- und
drittplatzierte Thema mit über 20 Prozent Nennungen eine gewisse Relevanz. Es
werden dort also mehr verschiedene Themen erinnert als in der Deutschschweiz
oder im Tessin, wo Zika die Liste mit grossem Abstand anführt. Besonders HIV
wird in der Westschweiz klar häufiger erinnert als in den anderen beiden Landesteilen. Die Deutschschweiz fällt durch häufige Erinnerungen von Grippe-Neuigkeiten auf, das Tessin durch eine erhöhte Sensibilität für Neuigkeiten rund um
Impfungen.
Tabelle 4
Top-5-Themen nach Sprachregion
Rang
DCH
FCH
ICH
1
Zika
Zika
Zika
2
2.1 Grippeviren, Epidemien, Pandemien
2.2 spezifische Krankheiten
spezifische Krankheiten
2.1 Impfungen
2.2 spezifische Krankheiten
3
3.1 HIV/AIDS
3.2 Allgemeines
HIV/AIDS
3.1 Veränderung von Viren
3.2 Grippeviren, Epidemien, Pandemien
4.1 Hepatitis
4.2 Veränderung von Viren
4
© gfs.bern, Virusbarometer 2016, Juli/August 2016
Offensichtlich wird die erneute Zuspitzung der Themenlage zusätzlich durch die
Nachfrage, welches der verschiedenen erinnerten Themen denn das wichtigste
sei. Die Themenwelt rund um Viren zeigt sich 2016 wieder einseitiger dominiert
als noch 2015.
30
Ähnlich wie bereits 2014 ist der Abstand des Topthemas zu den übrigen Themen
massiv, so dass sich die Medienagenda 2016 einseitiger von einem Thema beherrscht präsentiert. Erkennbar wird auch, wie sehr Hepatitis wahrnehmungsseitig an Relevanz eingebüsst hat. Letztes Jahr war es das wichtigste erinnerte
Thema, aktuell belegt es den neunten Rang.
Grafik 19
Trend Filter Wichtigstes Thema Viren
"Welches der von Ihnen genannten Themen ist für Sie das wichtigste?"
Zika
43
8
spezifische Krankheiten
Allgemeines
2
8
10
7
10
Grippeviren, Epidemien, Pandemien
HIV, AIDS
neue Viren/Risiken Ausbreitung
Impfungen
Anderes
Hepatitis
Risiken im Spital
Art der Information
Veränderung von Viren
Ebola
Medikamente
Nein/weiss nicht/keine Antwort
5
4
2
2
3
2
19
Juli/August
2014
6
10
3
3
3
3
3
1
3
2
2
2
2
3
2
2
2
11
11
6
Juli/August
2015
23
Juli/August
2016
6
13
3
31
Basis: inhaltliche Nennungen EinwohnerInnen
ab 18 Jahren, die Neuigkeiten vernommen
haben, Mehrfachantworten möglich
5
5
4
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (n = ca. 340)
Neu ist an der Themenlage 2016 der relevant kritische Unterton. Waren bisher
Mehrheiten eher bis sehr positiv in ihren Themenbewertungen, finden wir 2016
ein gespaltenes Bild: 42 Prozent urteilen positiv, 39 Prozent negativ. Die verbleibenden 19 Prozent sind unschlüssig. Rechnet man hier den statistischen Fehlerbereich (±2.9 %-punkte) dazu, sind die Mehrheiten alles andere als eindeutig.
31
Grafik 20
Trend Filter Beurteilung Thema
"Wie beurteilen Sie dieses von Ihnen genannte Thema? Ist dieses Thema für Ihr Urteil über die Akteure im
Gesundheitswesen sehr positiv, eher positiv, eher negativ oder sehr negativ?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, die Neuigkeiten vernommen haben und ein wichtigstes Thema benennen
5
13
14
sehr negativ
17
18
26
16
eher negativ
21
19
weiss nicht/keine
Antwort
44
31
eher positiv
31
16
Juli/August 2014
sehr positiv
18
11
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (n = ca. 320)
Besonders kritisch beurteilen dabei Romands die Themenlage (60% eher/sehr
negativ) aber auch Befragte die sich generell wenig für Gesundheitsthemen interessieren (62%), solche zwischen 30 und 39 Jahren (61%).
Es gibt aber auch Gruppen, die nach wie vor mehrheitlich positiv urteilen; EinwohnerInnen über 70 (51% eher/sehr positiv), solche die sich stark für Gesundheitsthemen interessieren (53%) und solche die jüngst in ärztlicher Behandlung
waren (51%).
Festgehalten werden kann, dass die Themenlage in Jahren mit medial stark präsenten viralen Epidemien, die Themenlage kritischer beurteilt wird. Das war 2014
rund um Ebola aber auch aktuell vor dem Hintergrund des Zika-Virus der Fall.
2015 war die Themenlage in Abwesenheit eines viralen und medial aufgeblasenen Schreckensgespenstes klar entspannter.
Ein differenziertes Bild der Themenbeurteilung ergibt die Aufspaltung der Beurteilung nach Themen. Das Topthema 2016, Zika, wird gespalten bis negativ beurteilt. Wenn es aber um spezifische Krankheiten, Grippeviren oder AIDS geht,
fallen die Bewertungen verhalten positiv aus. Wirklich negativ schneidet allerdings nur der Themenblock Allgemeines ab. Wer also nichts Konkretes erinnert,
ist diffus-kritisch in der Beurteilung. Wenn dagegen konkrete Themen erinnert
werden, fällt die Beurteilung verhalten positiv aus. Verhalten deshalb, weil alle
positiven Bewertungen von relevanten Anteilen kritischer Voten flankiert werden.
32
Grafik 21
Filter Beurteilung der wichtigsten fünf Themen zu Viren
"Wie beurteilen Sie dieses von Ihnen genannte Thema? Ist dieses Thema für Ihr Urteil über die Akteure im
Gesundheitswesen sehr positiv, eher positiv, eher negativ oder sehr negativ?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, die Neuigkeiten vernommen haben und ein wichtigstes Thema benennen
Zika
7
30
spezifische Krankheiten
Allgemeines
Grippeviren, Epidemien,
Pandemien
HIV, AIDS
sehr positiv
20
17
12
10
14
eher positiv
29
29
30
17
13
26
29
36
32
weiss nicht/keine Antwort
11
30
28
21
26
22
eher negativ
11
sehr negativ
© gfs.bern, Virusmonitor, Juli/August 2016 (n = 320)
Die Themenlage von Viren bleibt medial geprägt und kaum strukturell prädeterminiert, weil sie von der Aktualität beherrscht wird. Je nachdem ob gerade ein
positives Thema für Schlagzeilen sorgt oder eben ein Schreckensgespenst wie
Ebola oder Zika die Runde macht, fällt die Themenlage entsprechend aus.
Viren sind demzufolge nicht ein per se negativ oder positiv vorbelastetes Thema,
aber sie werden als Gefahr wahrgenommen. 39 Prozent der Befragten empfinden Viren als grössere Gefahr für die Menschheit als Bakterien, stabile 19 Prozent sehen das gerade umgekehrt. Verglichen mit den Ausgangswerten wird das
Gefahrenpotenzial von Viren weniger drastisch eingeschätzt als auch schon. Immer mehr Befragte stellen sich in dieser Frage nämlich auf eine gemischte Position und geben an, Viren und Bakterien seien etwa gleich gefährlich respektive
dass es auf den Virus oder das Bakterium ankomme.
Auf die Art wie man die Frage stellt, kommt es dabei nicht an. Viren werden
unabhängig von der Frageformulierung als gefährlicher eingestuft, wie ein Methodentest erneut bestätigt.
Auch finden sich keine vom Gesamtbild abweichenden Untergruppen. Zwar stellen sich beispielsweise Junge oder Romands klar häufiger auf die gemischte Position, wenn sie aber inhaltlich gerichtete Aussagen machen, erachten letztlich
auch diese Gruppen Viren tendenziell als gefährlicher als Bakterien.
33
Grafik 22
Trend Viren grössere Gefahr als Bakterien*
Variante A: "Finden Sie allgemein Viren oder Bakterien die grössere Gefahr für die Gesundheit der Menschen?
Sind Viren eine viel grössere, eher grössere, eher kleinere oder viel kleinere Gefahr für die Gesundheit als
Bakterien?"
Variante B: "Finden Sie allgemein Bakterien oder Viren die grössere Gefahr für die Gesundheit der Menschen?
Sind Bakterien eine viel grössere, eher grössere, eher kleinere oder viel kleinere Gefahr für die Gesundheit als
Viren?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
12
12
11
7
6
5
10
12
22
28
32
29
17
Juli/August 2014
13
Juli/August 2015
weiss nicht/keine
Antwort
Viren viel kleinere
Gefahr als
Bakterien
Viren eher kleinere
Gefahr als
31
Bakterien
beides etwa
gleich/kommt
darauf an
Viren eher
29 grössere Gefahr
als Bakterien
Viren viel grössere
10 Gefahr als
Bakterien
Juli/August 2016
14
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
* Befragte erhielten zufällig zu je 50% Variante A oder Variante B
Fragt man konkret nach, welche Virus-Erkrankung die grösste Gefahr für die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung darstelle, erhält man am häufigsten undifferenzierte Antworten; 29 Prozent der Befragten geben an, dass sie es schlichtweg nicht wissen. Gerade ältere EinwohnerInnen fallen häufig in diese Kategorie
(70+-Jahre: 44%) aber auch tiefe soziale Schichten (z.B. tiefe Bildung: 42%) und
AusländerInnen (42%) können überdurchschnittlich häufig nicht sagen, von welchen Viren die grösste Gefahr ausgeht.
Stellt man auf inhaltlich verwertbare Antworten ab, antworten Befragte zum
zweiten Mal in Folge am häufigsten mit der Grippe als grösste Gefahr, gefolgt
von HIV und AIDS. Es folgen Pandemien auf dem dritten Rang und Zika auf dem
vierten Rang, andere spezifische Krankheiten auf dem fünften. Erreger im Allgemeinen, das Ebola-Virus und Hepatitis reihen sich dahinter ein.
Relevant verändert habe sich die Einschätzungen gegenüber dem Vorjahr in vier
Punkten; Zika ist neu auf der Gefahrenliste erschienen, Meningitis, Rinderwahn
sowie die Schweine- und Vogelgrippe aber auch Erreger im Allgemeinen bereiten
mehr Sorgen, Hepatitis dagegen weniger. So finden wir auch hier den Umstand
bestätigt, dass die Wirkungen der Hepatitis-Kampagne aus dem Vorjahr zwischenzeitlich verpufft sind. Der Anstieg beim drittplatzierten Themenblock ist dabei eindeutig auf die häufigere Nennung von Meningitis zurückzuführen. Medienberichte respektive Warnungen der Suva und des BAG über die hohe Anzahl
von Zeckenbissen dürften diesen Anstieg erklären. Unter dem Themenblock Erreger werden häufig Infektion in Spitälern genannt aber auch Noroviren sind sehr
präsent.
34
Grafik 23
Trend Grösste Gefahr für die Gesundheit
"Welche Virus-Erkrankung stellt aus Ihrer Sicht die grösste Gefahr für die Gesundheit der Schweizer
Bevölkerung dar?"
Grippe / Erkältungsviren /
Influenza
21
16
16
AIDS/HIV
Meningitis, Rinderwahnsinn,
Schweine- und Vogelgrippe
4
8
Zika
6
6
2
5
3
Ebola
Hepatitis (A,B, C) / Lebervirus /
Leberinfektion
5
3
Krebs
3
3
keine
3
3
Allgemeines
Juli/August
2015
6
andere spezifische Krankheiten
Erreger im Allgemeinen
23
Juli/August
2016
7
Basis: inhaltliche Nennungen EinwohnerInnen
ab 18 Jahren, Mehrfachantworten möglich
1
weiss nicht/keine Antwort
37
29
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Von diesem national gezeichneten Bild gibt es kaum respektive nur graduell abweichende Untergruppen, auffällig sind jedoch die unterschiedlichen Gefahreninterpretationen in den Sprachregionen. Die Deutschschweiz bestimmt den
Mainstream, das nationale Bild fällt aber durch eine überdurchschnittlich häufige
Nennung von Erregern im Allgemeinen auf. Der Abstand zwischen den erstplatzierten Grippeviren und den zweitplatzierten HIV-Viren fällt in der Deutschschweiz weitaus geringer aus, als national betrachtet oder in der Romandie und
dem Tessin. DeutschschweizerInnen betonen die Gefahr von Meningitis zudem
überdurchschnittlich stark. TessinerInnen fallen erneut durch eine starke Betonung der Gefahr von Hepatitis auf. In der Romandie fällt dagegen auf, dass Meningitis nicht in den Top-5 Themen enthalten ist.
Ansonsten ist man sich über alle Untergruppen hinweg einig, dass die grösste
Gefahr für die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung von Grippeviren ausgeht.
Einzig Befragte die ihren Impfschutz nicht aktuell halten, sehen das nur beschränkt so. Sie stufen die Gefahr von HIV und der Grippe gleich hoch ein.
Tabelle 5
Grösste Gefahr für die Gesundheit nach Sprachregion
Rang
DCH
FCH
ICH
1
Grippe/Erkältungsviren (18%)
Grippe/Erkältungsviren (33%)
Grippe/Erkältungsviren (23%)
2
AIDS/HIV (16%)
AIDS/HIV (19%)
Hepatitis (11%)
3
Meningitis (10%)
andere spezifische Krankheiten (9%)
AIDS/HIV (10%)
4
Zika (7%)
Hepatitis (5%)
Meningitis (8%)
5
Erreger im Allgemeinen (6%)
Zika (4%)
andere spezifische Krankheiten (6%)
© gfs.bern, Virusbarometer 2016, Juli/August 2016
Die Themenrezeptionen in Kombination mit den Einschätzungen des Gefahrenpotenzials für die Schweizer Bevölkerung zeigen deutlich, dass Zika zwar in aller
Leute Köpfe ist, man sich davor aber nur in beschränktem Ausmass fürchtet.
Grippeviren dagegen sind alltagsnäher und entsprechend wird auch die davon
ausgehende Gefahr höher eingestuft. Der Umstand, dass Zika in den Medien
35
sehr präsent ist, schürt damit nur in beschränktem Ausmass Ängste einer Infizierung.
Interessant ist an der Einschätzung des Gefahrenpotenzials die nach wie vor
hohe Präsenz von AIDS, gerade auch im Vergleich mit Hepatitis, welches 2016
tendenziell wieder etwas in den Hintergrund gerückt ist.
3.3.1 Zwischenbilanz
Die Themenlage zu Viren war in den vergangenen Jahren von zwei Komponenten bestimmt; eine strukturelle und eine newsgetriebene, dynamische. Die dynamische Komponente war in den Jahren 2014 bis 2016 dominant, denn seit
dem Ausbruch des Ebola-Virus 2014 war die Themenwahrnehmung zu Viren
selbstredend erhöht. Durch das aktuelle Topthema, dem Zika-Virus, bleibt sie angeheizt und entsprechend erinnert sich ein zeitlich relativ konstanter Anteil der
EinwohnerInnen an Neuigkeiten rund um Viren. 2016 waren es durchschnittlich
38 Prozent der Befragten, was impliziert, dass sich die Mehrheit der Befragten
nicht aktiv an etwas erinnert.
Rund die Hälfte der EinwohnerInnen, die sich überhaupt an Neuigkeiten erinnern,
hat etwas im Zusammenhang mit dem Zika-Virus wahrgenommen. 2016 war
auch Meningitis relativ präsent, subsummiert im zweiten Themenblock zu spezifischen Krankheiten. Der Abstand zum erstplatzierten Zika-Virus zeigt allerdings,
wie sehr die Themenlage 2016 vom Zika-Virus bestimmt ist. Es folgen erinnerte
Neuigkeiten zu Grippeviren und Epidemien, AIDS und HIV, allgemeine Erinnerungen und auf dem sechsten Rang Neuigkeiten rund um Hepatitis.
Über die Zeit betrachtet lassen sich die strukturelle und die dynamische Komponente erkennen. Auch wenn Nennungen zu Grippeviren und Hepatitis rückläufig
sind, bleiben dies strukturell wichtige Themen. Auch AIDS ist eine Krankheit, die
breit Viren assoziiert wird und als strukturelles Thema gilt. Komplementiert wird
dieses strukturelle Themenspektrum durch die Tagesaktualität, wie das Ebola
2014 und Zika 2016 zeigen. Dominieren dynamische Komponente die Themenlage, geraten strukturelle eher in den Hintergrund.
Interessant ist, dass mit der Verbreitung des Zika-Virus Nennungen rund um Risiken der Ausbreitung stabil blieben. Das war im Umfeld des Ebola-Ausbruchs
klar anders.
Neu ist an der Themenlage 2016 der relevant kritische Unterton. 2015 war die
Themenlage in Abwesenheit eines viralen und medialen Schreckensgespenstes
klar entspannter. Wirklich negativ schneidet 2016 allerdings nur der Themenblock "Allgemeines" ab. Wer nichts Konkretes erinnert, ist diffus-kritisch in der
Beurteilung. Werden dagegen konkrete Themen erinnert, fällt die Beurteilung
gespalten bis verhalten positiv aus. Viren sind demzufolge nicht ein per se negativ oder positiv vorbelastetes Thema, werden aber als Gefahr eingestuft – und
zwar eine grössere als Bakterien.
Konkret erachtet man die Grippe als grösste Gefahr für die Schweizer Gesellschaft, gefolgt von HIV und Pandemien. Der Anstieg beim drittplatzierten Themenblock ist dabei eindeutig auf die häufigere Nennung von Meningitis zurückzuführen. Medienberichte respektive Warnungen der Suva und des BAG über
die hohe Anzahl von Zeckenbissen erklären diesen Anstieg. Neu ist 2016 Zika auf
dem vierten Rang der Gefahrenliste erschienen, Hepatitis dagegen rangiert tiefer
als noch 2016. Die Einschätzungen des Gefahrenpotenzials von Zika zeigt für die
Schweizer Bevölkerung deutlich, dass das Virus zwar in aller Leute Köpfe ist,
man sich davor aber nur in beschränktem Masse fürchtet. Grippeviren dagegen
sind alltagsnäher und entsprechend wird auch die davon ausgehende Gefahr höher eingestuft.
36
Risikoperzeption und Testverhalten
Punkto Risikoperzeption einer Ansteckung mit ausgewählten Krankheiten zeigt
sich erstens, dass bei allen acht abgefragten Krankheiten Mehrheiten nicht das
Gefühl haben, gefährdet zu sein, sich anzustecken. Zweitens ist die Sensibilitäten bei Grippe, Krebs sowie bei Herz- und Kreislauferkrankungen deutlich höher
als bei Hepatitis, Zika, Masern, HIV und AIDS oder Ebola. Bemerkenswert ist,
dass Einschätzungen hierarchisch betrachtet der tatsächlichen Gefährdung, sich
mit einer dieser Krankheiten anzustecken, gut entsprechen.
Interessant sind die soziodemografischen Muster hinter diesen gefühlten Gefährdungen, denn für annährend alle Krankheiten erweisen sich die Variablen Alter, Einkommen, Bildung und Sprachregion als relevant. Durchs Band zeigt sich
zudem, dass Personen, die ihren Gesundheitszustand als schlecht einstufen,
sich stärker gefährdet fühlen – völlig unabhängig von der abgefragten Krankheit.
Auch fühlen sich Befragte, die sich stark für Gesundheitsthemen interessieren
oder solche die sich an Neuigkeiten zu Viren erinnern stärker gefährdet, sich mit
einer der abgefragten Krankheiten anzustecken. Geschlechtereffekte sind hingegen nur graduell vorhanden und auch politische Grössen spielen keine Rolle. Die
wichtigsten Effekte seien in der Folge kurz angesprochen.
Grafik 24
Risikoperzeption Erkrankung
"Sprechen wir nun von Ihrem eigenen Verhalten, wenn es darum geht, die eigene Gesundheit zu schützen.
Wie schätzen Sie heute ihren Schutz selber ein, wenn es um die folgenden Risiken geht. Wenn Sie an Ihre
Lebenssituation und ihr Verhalten denken.
Sind Sie persönlich aus Ihrer Sicht sehr gefährdet, eher gefährdet, eher nicht gefährdet oder überhaupt nicht
gefährdet, sich mit einer der folgenden Krankheiten anzustecken, resp. daran zu erkranken?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
Grippe
9
Herz- und
Kreislauferkrankung
7
Krebs
Hepatitis resp.
Leberinfektion
33
27
8
3
8
6
5
6
Ebola 1 2
7
eher gefährdet
35
18
40
19
18
36
14
47
11
HIV/AIDS 1 3
sehr gefährdet
8
23
Zika 2 4
Masern 2 4
5
36
36
47
34
55
34
56
32
weiss nicht/keine Antwort
58
eher nicht gefährdet
überhaupt nicht gefährdet
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
Ältere EinwohnerInnen erweisen sich als sensibler für die Gefährdung sich mit
der Grippe anzustecken als jüngere. Am höchsten liegt die Sensibilität bei 40-49Jährigen (52%) am tiefsten bei Befragten zwischen 30 und 39 Jahren (35%).
Ausserdem steigt das perzipierte Risiko an Grippe zu erkranken mit dem Einkommen und dem Bildungsgrad an (tief: 38%, mittel: 37%, hoch 49%). Zudem wird
die Gefahr in den Sprachregionen unterschiedlich eingestuft, nämlich am höchsten in der Romandie (45%), gefolgt von der Deutschschweiz (41%) und dem
Tessin (36%).
Dieselben Variablen bestimmen auch die Einschätzung der Gefahr an Krebs zu
erkranken: Alter, soziale Schicht, Sprachregion. Die Sensibilität steigt dabei mit
dem Alter eindeutig an und erreicht den Höchstwert bei Befragten zwischen 50
und 69 Jahren (43%). Die Schichteffekte verlaufen anders als bei der Grippe nicht
37
linear, sondern u-förmig: Tiefe und hohe soziale Schichten fühlen sich stärker
gefährdet als mittlere. Darüber hinaus fühlen sich Romands (31%) und Deutschschweizer (33%) stärker gefährdet Krebs zu haben, als TessinerInnen (15%).
Für die subjektive Einschätzung der Gefahr an Herz- und Kreislauferkrankungen
zu erkranken, erweisen sich dieselben Variablen als relevant. Bis 60 fühlt man
sich beispielsweise mehrheitlich nicht gefährdet, danach kippen die Mehrheitsverhältnisse. Auch findet sich der u-förmige Zusammenhang zwischen sozialer
Schicht und der gefühlten Gefährdung durch Herz-Kreislauferkrankungen.
Bei den übrigen abgefragten Krankheiten fallen die Mehrheiten derart deutlich
aus, dass keine wirklich abweichenden Untergruppen gefunden werden können.
Einige Gruppen äussern allerdings schon stärkere Bedenken als andere. Hier eine
kurze Übersicht.
In Bezug auf Hepatitis fühlen sich EinwohnerInnen aus Haushalten mit tiefen
Einkommen überdurchschnittlich gefährdet (21%). Erstmals nicht mehr bestätigt
finden wir erhöhte Sensibilitäten im Tessin. Auch die gefühlte Gefährdung einer
Infektion mit Zika steigt mit dem Alter an, erreicht ihren Maximalwert jedoch bei
9 Prozent der 60-69-Jährigen. Weiter sind es eher tiefere soziale Schichten die
sich als gefährdet einstufen und Personen die regelmässig ins Ausland reisen
(8%). Der höchste Wert überhaupt findet sich mit 10 Prozent bei Befragten, die
unlängst beim Arzt waren. Die Angst einer Ansteckung hält sich damit in klaren
Grenzen.
Die Angst vor Masern ist in tieferen sozialen Schichten ebenfalls weiterverbreitet
als im Schnitt (z.B. tiefe Bildung: 12%). Und EinwohnerInnen ohne Stimmberechtigung fühlen sich überdurchschnittlich gefährdet (16%).
In Bezug auf eine HIV-Infektion erweisen sich Befragte zwischen 40 und 49 Jahren als eine überdurchschnittlich sensible Gruppe (9%) aber auch solche mit den
tiefsten Haushaltseinkommen (10%) oder solche ohne Stimmberechtigung
(11%). Auch ist die Angst einer Infektion in de Romandie erhöht (8%).
Wenn es um Ebola geht, fühlen sich 60-69-Jährige überdurchschnittlich gefährdet (7%) sowie auch tiefe Einkommensschichten (8%) und die Romands (5%).
Somit fürchten sich Befragte aus kaum einer Untergruppe mehrheitlich vor den
abgefragten Krankheiten, relevante Ängste sind aber rund um nicht übertagbare
Krankheiten wie Krebs oder Herz-/Kreislauferkrankungen auszumachen. Das beinhaltet die im Grunde logische Konsequenz, dass man sich bei Krankheiten, vor
denen man sich nur bedingt aktiv schützen kann, auch stärker gefährdet fühlt.
Die Auswahl abgefragter Krankheiten wurde 2016 um Zika erweitert, so dass für
dieses Item keine Aussagen über die Zeit möglich sind. Für die anderen Krankheiten zeigt sich, dass die Werte über die vergangenen drei Jahre relativ stabil
waren. Der 2015 gemessene Anstieg der Risikoperzeption in Bezug auf alle
Krankheiten erweist sich nicht als nachhaltig.
38
Grafik 25
Trend Risikoperzeption Erkrankung
"Sprechen wir nun von Ihrem eigenen Verhalten, wenn es darum geht, die eigene Gesundheit zu schützen.
Wie schätzen Sie heute ihren Schutz selber ein, wenn es um die folgenden Risiken geht. Wenn Sie an Ihre
Lebenssituation und ihr Verhalten denken.
Sind Sie persönlich aus Ihrer Sicht sehr gefährdet, eher gefährdet, eher nicht gefährdet oder überhaupt nicht
gefährdet, sich mit einer der folgenden Krankheiten anzustecken, resp. daran zu erkranken?"
Grippe
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, sehr/eher gefährdet
Herz- und
Kreislauferkrankung
Krebs
34
Hepatitis resp.
Leberinfektion
44
40
42
37
34
31
32
Masern
15
8
4
Juli/August 2014
Zika
11
7
6 5
HIV/Aids
5 5
Juli/August 2015
3 4
Juli/August 2016
Ebola
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Die Angaben der Befragten zur Frage welche Tests standardmässig im Rahmen
eines Gesundheitschecks durchgeführt werden sollten, spiegeln die Gefährdungsperzeptionen. Mehrheiten sprechen sich für Tests bei Brustkrebs4, Herzund Kreislauferkrankungen und andere Formen von Krebserkrankungen aus. Die
Akzeptanz solcher Tests hat im Falle von Brustkrebs leicht zugenommen, die für
Krebs-, Herz- und Kreislaufuntersuchungen dagegen eher wieder abgenommen.
Die Testbereitschaft bleibt aber für alle drei Krankheiten hoch. Einzig ganz junge
Befragte und solche die sich nicht für Gesundheitsthemen interessieren weichen
hier ab; sie finden mehrheitlich nicht, dass Tests auf Herz- und Kreislaufkrankheiten in einen Standard Gesundheitstest gehören. Krebsabklärungen würden aber
auch diese beiden Gruppen begrüssen.
Stabile 63 Prozent sprechen sich für eine standardmässige Prüfung der Aktualität
von Impfungen aus. Einzig EinwohnerInnen die sich nicht für gesundheitsfragen
interessieren verwerfen dies mehrheitlich.
Auch Tests auf Hepatitis C würde eine Mehrheit als Standard in einem Gesundheitscheck begrüssen. Die Akzeptanz ist zwar verglichen mit 2015 klar zurückgegangen, bleibt aber über dem eingangs der Studienreihe festgehaltenen Wert.
Die dynamische Entwicklung ist für Hepatitis A- oder B-Tests in abgeschwächter
Form gleich. 2016 sprechen sich 47 Prozent für solche Tests aus, 48 Prozent
dagegen. Das Meinungsbild ist also in Bezug auf Hepatitis A- und B-Tests gespalten. Mehrheitlich für Tests zu Hepatitis A oder B sprechen sich entgegen
dem Durchschnitt über 40-Jährige aus, Erwerbslose, EinwohnerInnen aus tiefen
sozialen Schichten, aber auch AusländerInnen, Romands und TessinerInnen. Entgegen der Mehrheit würden sich Frauen, unter 40-Jährige, EinwohnerInnen vom
Land und Personen ohne aktuellen Impfschutz eher nicht auf Hepatitis C testen
lassen.
Die Testbereitschaft bei allen Hepatitis Formen ist aber etwas höher als noch
2014, so dass von beschränkten Kampagnenwirkungen ausgegangen werden
kann. Der deutliche Anstieg der Hepatitis-Testbereitschaft im Vorjahr erweist
4
nur Frauen gefragt
39
sich damit nur beschränkt als nachhaltig und war wohl eher auf die erhöhte Medienaufmerksamkeit für das Thema zurückzuführen, als dass es sich um weitreichende Bewusstseins- und Verhaltensentwicklungen handelte.
Nach wie vor mehrheitlich abgelehnt werden routinemässige Tests bei sexuell
übertragbaren Krankheiten generell oder spezifisch HIV-Tests. Die Akzeptanz für
standardmässige HIV-Tests hat innert Jahresfrist abgenommen (6%-punkte),
jene für Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten hält sich stabil.
Wie verschiedene abweichende Untergruppen zeigen, ist die Testbereitschaft zu
den verschiedenen Krankheiten jedoch, nicht einfach durchgängig gegeben oder
eben nicht. HIV-Tests beispielweise würden für tief Gebildete und Romands
mehrheitlich in einen Standard-Gesundheitscheck gehören. Ähnlich sieht das
Bild bei sexuell übertragebaren Krankheiten generell aus, denn auch hier wären
Romands und tief Gebildete mehrheitlich für solche Tests, zusätzlich aber auch
TessinerInnen, über 40-Jährige und AusländerInnen.
Grafik 26
Standard Gesundheitschecks
Trend Standard Gesundheitschecks
"Unabhängig davon, wie wichtig Sie generell Gesundheitschecks finden.
Welche Tests sollten als Standard in einem Gesundheitscheck für Sie persönlich enthalten sein?"
"Unabhängig davon, wie wichtig Sie generell Gesundheitschecks finden.
Welche Tests sollten als Standard in einem Gesundheitscheck für Sie persönlich enthalten sein?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, Anteil "Ja"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
Brustkrebs*
Brustkrebs*
78
Herz- und
Kreislauferkrankungen
3
68
2
19
30
75
Krebsabklärungen
65
5
30
70
63
Aktualität der Impfungen
63
Hepatitis C
50
Hepatitis A oder B
sexuell übertragbare
Krankheiten
HIV-Test, der sogenannte
AIDS-Test
Ja
3
5
47
2
2
weiss nicht/keine Antwort
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
*nur Frauen (n = 605)
45
5
44
38
34
47
45
43
41
78
74 74
68
68
61
59
65
63
51
44 44
50
47
Herz- und
Kreislauferkrankungen
Krebsabklärungen
Aktualität der Impfungen
Hepatitis C
44
38
Hepatitis A oder B
48
sexuell übertragbare
Krankheiten
54
HIV-Test, der
sogenannte AIDS-Test
60
Nein
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
*nur Frauen (n = ca. 609)
Setzt man ein 10-Prozent-Risiko einer Ansteckung voraus erhöht sich die Testbereitschaft, weil man durch die Fragestellung selbst zur Risikogruppe stilisiert
wird. Dieser Befund zeigt sich für alle sieben hier abgefragten Krankheiten. Damit
ist die erhöhte Akzeptanz von Tests für Risikogruppen nicht nur eine abstrakte
Haltung, die Andere betrifft, sondern leitet auch das eigene Handeln bei gegebenem Risiko. Wenn ein Risiko vorausgesetzt ist, würden sich Mehrheiten auf alle
hier abgefragten Krankheiten testen lassen. Im Vergleich zur generellen Testbereitschaft steigt – wenn ein Risiko vorausgesetzt ist – insbesondere die Testbereitschaft für Hepatitis (Δ 27%-punkte) aber auch jene HIV-Tests (Δ 34%-punkte).
Am höchsten ist jedoch die Testbereitschaft für Krebs, Herz- und Kreislauferkrankungen und sie ist auch hier höher als wenn man kein Risiko voraussetzt (Δ 19%punkte resp. 14%-punkte). Es folgen Hepatitis-Tests, die für über drei Viertel und
HIV-Tests die für knapp weniger in Frage kämen. Ähnlich hohe 70 respektive 67
Prozent würden sich bei einem 10-Prozent-Risiko einer Ansteckung auf Ebola
respektive Zika testen lassen. Bei Verdacht auf schwere Grippe würden 65 Prozent einen Test in Erwägung ziehen.
Die Trends zu den Testbereitschaften bei einem vorausgesetzten Risiko verlaufen mit einer Ausnahme uneinheitlich. Die Ausnahme betrifft die Testbereitschaft bei Verdacht auf schwere Grippe, denn diese ist nach zwei stabilen Messpunkten 2016 deutlich angestiegen (+12%-punkte). Bei allen anderen Krankheiten war sie 2015 rückläufig und ist 2016 wieder angestiegen, sodass sich die
aktuellen Werte wieder nahe an jenen, die 2014 gemessen wurden bewegen.
Evident und stark ist der Zusammenhang zwischen der gefühlten Gefährdung
einer Ansteckung und der Testbereitschaft für alle abgefragten Krankheiten. Ge-
40
rade wer sich sehr stark gefährdet fühlt, würde sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auch testen lassen. Etwas weniger eindeutig, wenn auch tendenziell gleichgerichtet, ist der Befund bei Personen, die sich eher gefährdet fühlen.
Deutlich sind diese Zusammenhänge für HIV, Hepatitis und Herz-/Kreislauferkrankungen, wo annährend alle EinwohnerInnen, die sich gefährdet fühlen auch
testen lassen würden. Etwas weniger eindeutig gilt dies aber auch für die Grippe,
Zika und Ebola. Und bemerkenswert ist, dass auch jene EinwohnerInnen, die
sich nicht gefährdet fühlen, sich auf alle Krankheiten mehrheitlich testen lassen
würden. Die Testbereitschaft liegt in diesen Gruppen bei knapp über 50 Prozent.
Grafik 27
Test bei 10%-Risiko
Trend Test bei 10%-Risiko
"Angenommen sie verspüren keine Symptome, aber Sie erfahren zufällig, dass Sie persönlich ein 10% -Risiko
haben, dass Sie sich mit einer der folgenden Krankheiten angesteckt haben. Würden Sie dann bestimmt, eher,
eher nicht oder überhaupt nicht einen Test machen lassen, ob Sie sich tatsächlich angesteckt haben?"
"Angenommen sie verspüren keine Symptome, aber Sie erfahren zufällig, dass Sie persönlich ein 10%-Risiko
haben, dass Sie sich mit einer der folgenden Krankheiten angesteckt haben. Würden Sie dann bestimmt, eher,
eher nicht oder überhaupt nicht einen Test machen lassen, ob Sie sich tatsächlich angesteckt haben?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, bestimmt/eher testen lassen
Krebs
58
Herz- und
Kreislauferkrankungen
25
53
Hepatitis resp.
Leberinfektion
3
29
52
1
25
1
7
7
10
7
11
11
Krebs
81
79
77
75
78
75
71
65
62
55
HIV
51
Ebola
Zika
schwere Grippe
bestimmt testen lassen
eher nicht testen lassen
22
48
44
42
22
2
23
24
eher testen lassen
überhaupt nicht testen lassen
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
1
4
1
16
11
15
12
16
13
16
84
82
Herz- und
Kreislauferkrankungen
77
72
70
65
67
53
HIV
Ebola
Zika
schwere Grippe
17
weiss nicht/keine Antwort
Hepatitis resp.
Leberinfektion
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Neben der gefühlten Gefährdung einer Ansteckung bestimmen weitere Grössen
die Testbereitschaft. Mit Hilfe einer Answertree-Analyse lassen sich die stärksten gesellschaftlichen Spaltungen darstellen. Für jene zu HIV respektive Aids erweist sich zum widerholten Mal das Alter als die zentrale Grösse: Die Testbereitschaft auf HIV ist bei unter 66-Jährigen klar höher als EinwohnerInnen die bereist
im Rentenalter sind. Am höchsten und annähernd umfassend ist sie mit 98 Prozent bei Befragten zwischen 21 und 51 Jahren, die über ein maximales Haushaltseinkommen von 7000 Franken verfügen und regelmässig ins Ausland reisen.
Am tiefsten ist die Testbereitschaft bei RentnerInnen aus der Deutschschweiz,
von denen sich selbst bei einem erhöhten Erkrankungsrisiko lediglich 37 Prozent
testen lassen würden. Der Vergleichswert liegt in der Romandie und im Tessin
mit 67 Prozent klar höher.
Die erhöhte Testbereitschaft in der Romandie und im Tessin zeigt sich auch in
der nächsttieferen Altersgruppe. Allerdings ist bei 52 bis 64-Jährigen zunächst
die Konfession massgebend; Protestanten und Konfessionslose äussern nämlich
eine geringere Testbereitschaft bei HIV-Verdacht als Angehörige der muslimischen, jüdischen oder katholischen Glaubensgemeinschaft. Und zwar besonders
Protestanten oder Konfessionslose aus der Deutschschweiz, die sich im Vergleich zu den Romands oder Tessinern klar weniger häufig testen lassen würden.
41
Grafik 28
HIV–Test bei 10%-Risiko
"Angenommen sie verspüren keine Symptome, aber Sie erfahren zufällig, dass Sie persönlich ein 10%-Risiko
haben, dass Sie sich mit einer der folgenden Krankheiten angesteckt haben. Würden Sie dann bestimmt,
eher, eher nicht oder überhaupt nicht einen Test machen lassen, ob Sie sich tatsächlich angesteckt haben?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
Total
N = 1209
testen 73%
Alter
bis 25-jährig
(n = 115)
testen 71%
26 bis 51-jährig
(n = 481)
testen 89%
Haushaltseinkommen
ab CHF 7001
(n = 219)
testen 84%
bis CHF 7000
(n = 262)
testen 94%
52 bis 65-jährig
(n = 376)
testen 74%
Konfession
Katholik/Moslem/
Jude
(n = 192)
testen 84%
ab und zu/nie
(n = 210)
testen 93%
Sprache
Protestant/
Konfessionsloser
(n = 184)
testen 64%
FCH/ICH
(n = 98)
testen 67%
DCH
(n = 139)
testen 37%
Sprache
Auslandsreisen
regelmässig
(n = 52)
testen 98%
ab 66-jährig
(n = 237)
testen 49%
FCH/ICH
(n = 51)
testen 80%
DCH
(n = 133)
testen 57%
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
Erläuterung: Die Answer-Tree-Analyse differenziert für eine abhängige Variable (hier: HIV-Test bei 10% Risiko) eine Ausgangspopulation (hier: die
EinwohnerInnen ab 18 Jahren) in inhaltlich relevante Teilpopulationen. Die Methode beginnt mit der unabhängigen Variable, welche die grössten
signifikanten Unterschiede aufweist (hier: Alter). Die Methode fasst dabei Teilgruppen zusammen, wenn der Unterschied untereinander nicht
signifikant ist. Die Teilgruppen werden in weitere Untergruppen unterteilt, wenn weitere signifikante Unterschiede bestehen und die Fallzahlen
genügend gross sind.
Wenn es um die Testbereitschaft bei Verdacht auf Hepatitis geht, erweisen sich
TessinerInnen erneut als testaffinste Gruppe. Sie würden sich annähernd alle
testen lassen, wenn das Risiko einer Infektion bestünde.
In der Deutschschweiz und in der Romandie ist hingegen zusätzlich das Alter
relevant, denn die Testbereitschaft für Hepatitis ist bei Befragten unter 25 und
im Pensionsalter klar tiefer als bei den mittleren Jahrgängen.
Die Altersstruktur spiegelt die tatsächliche Gefahr einer nicht-diagnostizierten Infektion mit dem Virus, denn erst seit 1991 lässt sich das Virus verlässlich messen. Das heisst, dass Personen mit Jahrgang 1990 oder älter potenziell Gefahr
laufen sich unwissentlich infiziert zu haben. Diese Personen sind heute just 26
oder älter.
42
Grafik 29
Hepatitis- resp. Leberinfektion-Test bei 10%-Risiko
"Angenommen sie verspüren keine Symptome, aber Sie erfahren zufällig, dass Sie persönlich ein 10%-Risiko
haben, dass Sie sich mit einer der folgenden Krankheiten angesteckt haben. Würden Sie dann bestimmt,
eher, eher nicht oder überhaupt nicht einen Test machen lassen, ob Sie sich tatsächlich angesteckt haben?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
Total
N = 1209
testen 77%
Sprache
ICH
(n = 200)
testen 98%
DCH/FCH
(n = 1009)
testen 76%
Alter
bis 25-jährig
(n = 100)
testen 68%
26 bis 45-jährig
(n = 304)
testen 91%
46 bis 64-jährig
(n = 406)
testen 75%
ab 65-jährig
(n = 199)
testen 58%
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
Handlungsseitig bleibt die Testbereitschaft der Schweizer EinwohnerInnen somit
an Risikoperzeptionen geknüpft aber weitestgehend unabhängig von der Krankheit. Denn obwohl man sich allgemein wenig gefährdet fühlt, sich mit Hepatitis
oder AIDS anzustecken, ist die Testbereitschaft hoch, wenn man ein 10-ProzentRisiko voraussetzt.
Grundsätzlich finden hohe 72 Prozent regelmässige Gesundheitschecks an und
für sich wichtig, wie in Kapitel 3.1 gezeigt wurde (Grafik 11). Interessant ist natürlich die Frage, ob diese grundsätzliche Haltung auch in Handlungsbereitschaft
mündet. Für HIV und Krebs ist das gegeben, doch würden sich selbst EinwohnerInnen, die Gesundheitschecks unwichtig finden, in diesen beiden Fällen bei
Verdacht mehrheitlich testen lassen. Für Hepatitis und Herz-/Kreislauferkrankungen gilt dies tendenziell auch, aber wer Gesundheitschecks grundsätzlich überhaupt nicht wichtig findet, ist gespalten in Bezug auf die Testbereitschaft zu diesen Krankheiten. Wenn es um Ebola, Grippe oder Zika geht, würden nur jene
EinwohnerInnen sich mehrheitlich testen lassen, die Gesundheitschecks wichtig
finden. Wer sie dagegen überhaupt nicht wichtig findet, würde mehrheitlich keinen Test machen.
Regelrechte Fronten finden wir in Bezug auf das Impfen. Wer Gesundheitschecks grundsätzlich wichtig findet, verfügt mehrheitlich über einen aktuellen
Impfschutz. Wer dagegen findet solche Gesundheitschecks seien unwichtig,
verfügt in der Mehrheit über keinen aktuellen Impfschutz.
3.4.1 Zwischenbilanz
Grundsätzlich fühlen sich Schweizer EinwohnerInnen eher nicht gefährdet, sich
mit einer Krankheit anzustecken oder krank zu werden. Die Sensibilität liegt allerdings bei Grippe, Krebs sowie bei Herz- und Kreislauferkrankungen deutlich
höher als bei Hepatitis, Zika, Masern, HIV und AIDS oder Ebola. Das beinhaltet
die im Grunde logische Konsequenz, dass man sich bei Krankheiten, vor denen
man sich nur bedingt aktiv schützen kann, auch stärker gefährdet fühlt. Über die
43
Zeit betrachtet erweisen sich diese Werte als insgesamt stabil, denn die Interessant sind die soziodemografischen Muster hinter diesen gefühlten Gefährdungen, denn für annährend alle Krankheiten erweisen sich die Variablen Alter, Einkommen, Bildung und Sprachregion als relevant. Durchs Band zeigt sich zudem,
dass Personen, die ihren Gesundheitszustand als schlecht einstufen, sich stärker
gefährdet fühlen – völlig unabhängig von der abgefragten Krankheit. Grundsätzlich fühlen sich ältere Menschen und sozial tiefe Schichten eher stärker gefährdet, als die jeweiligen Gegengruppen aber auch Befragte, die sich stark für Gesundheitsthemen interessieren oder solche die sich an Neuigkeiten zu Viren erinnern, stärker gefährdet.
Die Angaben der Befragten zur Frage, welche Tests standardmässig im Rahmen
eines Gesundheitschecks durchgeführt werden sollten, spiegeln die Gefährdungsperzeptionen. Die Testbereitschaft für Brustkrebs5, Herz- und Kreislauferkrankungen und andere Formen von Krebserkrankungen bleibt hoch. Auch eine
standardmässige Prüfung der Aktualität von Impfungen würde von einer klaren
Mehrheit begrüsst werden. Die Akzeptanz für Hepatitis-C-Tests ist zwar verglichen mit 2015 klar zurückgegangen, bleibt aber mehrheitlich und verglichen mit
2014 leicht erhöht. Die dynamische Entwicklung ist für Hepatitis A- oder B-Tests
in abgeschwächter Form gleich, das Meinungsbild aber gespaltener. Nach wie
vor mehrheitlich abgelehnt werden routinemässige Tests bei sexuell übertragbaren Krankheiten generell oder spezifisch HIV-Tests.
Setzt man ein 10-Prozent-Risiko einer Ansteckung voraus, erhöht sich die Testbereitschaft für alle Krankheiten. Damit ist die erhöhte Akzeptanz von Tests für
Risikogruppen nicht nur eine abstrakte Haltung, die Andere betrifft, sondern leitet auch das eigene Handeln bei gegebenem Risiko. Denn ein Risiko vorausgesetzt, würden sich Mehrheiten auf alle hier abgefragten Krankheiten testen lassen. Im Vergleich zur generellen Testbereitschaft steigert ein Risiko vorausgesetzt insbesondere die Testbereitschaft für Hepatitis aber auch jene für HIVTests.
Die Trends zu den Testbereitschaften bei einem vorausgesetzten Risiko verlaufen mit Ausnahme der Grippe, wo sie klar angestiegen ist, uneinheitlich. Bei allen
anderen Krankheiten war sie 2015 rückläufig und ist 2016 wieder angestiegen,
sodass sich die aktuellen Werte wieder nahe an jenen, die 2014 gemessen wurden bewegen.
Zwischen der gefühlten Gefährdung einer Ansteckung und der Testbereitschaft
finden sich eindeutige Zusammenhänge, besonders bei HIV, Hepatitis und Herz/Kreislauferkrankungen; wer sich gefährdet fühlt, würde sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auch testen lassen. Etwas weniger eindeutig gilt dies auch für die
Grippe, Zika und Ebola.
Issue Impfschutz
Beschäftigt man sich mit Gesundheitsthemen respektive Haltungen dazu und
insbesondere auch mit Viren, stösst man früher oder später unweigerlich auf ein
Issue, bei dem die Meinungen auseinandergehen; den Impfschutz. Haltungen
zur Impfthematik beeinflussen Haltungen zu Gesundheitsproblemen und dem
Umgang damit generell und sind aus diesem Grund relevant.
Dabei kann vorweggenommen werden, dass es für eine Mehrheit von 73 Prozent der Schweizer EinwohnerInnen mindestens eher wichtig ist, den persönlichen Impfschutz aktuell zu halten. 24 Prozent finden dies eher oder gar nicht
wichtig, 3 Prozent geben keine Antwort. Verglichen mit den Angaben zur grundsätzlichen Wichtigkeit von Gesundheitschecks (72% eher/sehr wichtig für sich
persönlich), kommt der Wert für Impfschutz fast gleichauf zu liegen.
5
nur Frauen gefragt
44
Die dynamische Betrachtungsweise legt eine unterschwellige Abnahme der
Wichtigkeitsbeimessung nahe. Über die vergangenen drei Jahre hat sich die dezidierte Wichtigkeitszuschreibung am meisten verändert und sie hat klar abgenommen.
Die Wichtigkeit eines aktuellen Impfschutzes bleibt jedoch tendenziell breit akzeptiert und auch in den Untergruppen finden wir keine Anzeichen für weitreichenden Wiederstand gegen das Impfen. Zwar betonen tiefe soziale Schichten,
ganz junge EinwohnerInnen oder solche aus dem Tessin die Wichtigkeit eines
aktuellen Impfschutzes weniger deutlich, aber es finden sich in sämtlichen der
untersuchten Untergruppen Mehrheiten, die es mindestens eher wichtig finden,
ihren Impfschutz aktuell zu halten.
Grafik 30
Trend Wichtigkeit aktueller Impfschutz
"Wie wichtig finden Sie es persönlich, Ihren Impfschutz aktuell zu halten?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
9
7
6
14
17
18
3
3
41
44
1
41
überhaupt nicht
wichtig
eher nicht wichtig
weiss nicht/keine
Antwort
eher wichtig
35
Juli/August 2014
32
Juli/August 2015
29
sehr wichtig
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Die grundsätzliche Akzeptanz der Wichtigkeit eines aktuellen Impfschutzes
dürfte damit zusammenhängen, dass im Grunde unbestritten ist, dass einige
Krankheiten dank Impfungen weltweit besiegt werden konnten. Nur gerade 9
Prozent bestreiten diese Aussage, stabile 87 Prozent geben sich damit mindestens eher einverstanden. Keine einzige Untergruppe äussert sich relevant kritisch.
Die Nutzenseite erhält zusätzlichen Aufwind dadurch, dass weitgehend bekannt
ist, dass eine HIV-Infektion bei richtiger Behandlung keine tödliche Krankheit
mehr sein muss und man sich gegen mehrere Formen von Hepatitis Impfen lassen kann. Gerade in Bezug auf Hepatitis zeigen sich allerdings nach wie vor beträchtliche Lücken im Wissensstand (18% weiss nicht/keine Angabe). Dieses
Unwissen über die Möglichkeit, sich gegen Hepatitis impfen lassen zu können,
ist besonders verbreitet bei Personen über 60 Jahren (24% w. n.) und solchen
mit den tiefsten Haushaltseinkommen (36%).
Wenn auch eine allgemeine und flächendeckende Impfpflicht nur für wenige Befragte eine denkbare Option wäre6, findet sich eine wachsende Mehrheit (Δ20152016: +5%-punkte), die sich für obligatorische Masernimpfungen bei Kindern
ausspricht. Ältere Befragte üben mehr Zurückhaltung bei dieser Forderung als
6
siehe Kapitel 3.1, Grafik 12
45
jüngere allerdings bei ebenfalls nur knapp weniger als einem Drittel kritischer
Voten. Gleiches gilt für Befragte die ihren Impfschutz nicht aktuell halten. Damit
stehen sämtliche Untergruppen mehrheitlich hinter dieser Forderung.
Auch wird Impfen stabil und mehrheitlich von sämtlichen Untergruppen als Solidaritätsakt gegenüber Personen, die sich nicht impfen lassen können, empfunden. Kritische Töne sind in diesem Punkt am ehesten bei 40-49-Jährigen, EinwohnerInnen mit tiefer Bildung, solche die nicht Reisen, ihren Impfschutz nicht
aktuell halten und AusländerInnen zu hören. In all diesen Gruppen verwerfen
rund 30 Prozent die Aussage.
Doch trotz einer grundsätzlichen Akzeptanz der Wichtigkeit des persönlichen
Impfschutzes und der Nutzensicht manifestieren sich aussageseitig nach wie vor
kritische Haltungen. Wenn es etwa um Grippeerkrankungen und Pandemien
geht, wird Skepsis – insbesondere der Pharmaindustrie gegenüber – greifbar:
Eine klare Mehrheit bejaht seit Anbeginn der Studienreihe, dass Pharmaunternehmen mit Angstmacherei ihr Geschäft machen. Weiter hält sich ein latenter
Vorwurf der Pharmaindustrie gegenüber; Schweizer EinwohnerInnen glauben zu
drei Viertel, dass durch Lockerungen der Patentrechte HIV und AIDS in Entwicklungsländern viel besser bekämpft werden könnten.
Grafik 31
Trend Aussagen Krankheiten, Medikamente und
Impfungen (1/2)
"Sagen Sie mir bitte für folgende Aussagen, ob sie für Sie persönlich voll zutreffen, eher zutreffen, eher nicht
zutreffen oder überhaupt nicht zutreffen."
Krankheiten dank Impfungen besiegt "Dank Impfungen konnten einige Krankheiten weltweit praktisch besiegt werden."
Angstmacherei "Mit der Angstmacherei rund um Grippewellen und andere Pandemien machen vor allem die
Pharmaunternehmen ihr Geschäft."
Lockerung Patente zur Bekämpfung HIV/AIDS "Würde die Pharmaindustrie ihre Patente lockern, könnten HIV und AIDS in
Entwicklungsländern viel besser bekämpft werden."
obligatorische Masernimpfung bei Kindern "Kinder sollen obligatorisch gegen Masern geimpft werden."
HIV nicht mehr tödlich "Wenn eine HIV-Infektion richtig behandelt wird, ist es heute keine tödliche Erkrankung mehr."
Akt der Solidarität "Impfungen sind auch ein Akt der Solidarität gegenüber Personen, die sich nicht impfen können."
Impfung gegen Hepatitis "Gegen mehrere Formen von Hepatitis kann man sich impfen lassen."
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, trifft voll/eher zu
88
87
87
80
77
74 73
71
70
69
76
76
71
70
69 69
80
74 74
72 72
Krankheiten dank Impfungen
besiegt
Angstmacherei
Lockerung Patente zur
Bekämpfung HIV/AIDS
obligatorische Masernimpfung
bei Kindern
HIV nicht mehr tödlich
Akt der Solidarität
Impfung gegen Hepatitis
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Hohe Anteile unsicherer Voten finden sich in Bezug auf Medikamente, welche
die Vermehrung von Viren behindern sollen. Der Grundtenor geht zunehmend
Richtung ja, es gibt solche Medikamente, jeder Fünfte ist allerdings überfragt
(20% weiss nicht). Besonders unsicher zeigen sich Befragte über 60, Erberwerbslose und EinwohnerInnen aus tiefen sozialen Schichten
Die Ansicht, dass es kein Medikament zur Heilung von Grippe gebe, wird von
einer stabilen Mehrheit geteilt. 31 Prozent widersprochen. Tief Gebildete widersprechen (relativ)mehrheitlich, ansonsten jedoch stimmen alle Untergruppen der
Aussage zu.
Das Einverständnis mit der Aussage, dass sich das Gesundheitspersonal nicht
systematisch impft bleibt gegenüber 2014 erhöht, jedoch nicht mehr in gleichem
Masse wie noch 2015. Aktuell geben 56 Prozent an, das dem so sei.
46
Zum zweiten Mal in Folge zugenommen hat allerdings die Zustimmung zur Aussage, dass Gesundheitsexperten Behauptungen von Impfgegnern mit überzeugenden Argumenten entkräftet haben. 54 Prozent stimmen zu, 27 Prozent widersprechen und hohe 19 Prozent bleiben unschlüssig in dieser Frage. Gegenüber 2014 hat sich der Anteil Unschlüssiger nicht relevant verändert (Δ20142016: +1%-punkt), während die Zustimmung über denselben Zeitraum deutlich
angestiegen ist (+7%-punkte) und sich die Ablehnung zur Aussage klar verringert
hat (-7%-punkte). Das entspricht dem Bild eines mittelfristigen Meinungswandels.
So haben kritische Haltungen zum Impfen in einem Fall Aufwind (Gesundheitspersonal), im anderen (Experten) klar nicht.
Was sich hält, ist Zustimmung zur Aussage es sei besser, Erkrankungen natürlich
durchzumachen anstatt zu impfen. Doch die Aussage polarisiert schon seit Beginn der Studienreihe deutlich. Aktuell stimmen 49 Prozent zu, 42 Prozent widersprechen. In ähnlichem Masse polarisiert einzig die Aussage, dass Grippeimpfungen gefährlich seien; 47 Prozent sind damit einverstanden, 42 Prozent stellen
sich gegen diese Aussage. In diesem letzten Punkt ist die Stimmung damit etwas kritischer als noch 2014, wo 48 Prozent der Aussage widersprachen und sie
lediglich von (relativ-)minderheitlichen 43 Prozent geteilt wurde.
Neu wurde 2016 die Aussage, dass mehr Personen an den Folgen von Hepatitis
als an den Folgen von HIV/AIDS sterben, geprüft. Und obwohl in der offenen
Frage nach erinnerten Neuigkeiten einige Personen exakt dies bekunden, ist die
Verunsicherung über die konkrete Aussage gross; 36 Prozent antworten mit
weiss nicht. Eine relative Mehrheit stimmt jedoch zu, dass es mehr Tote durch
Hepatitis als durch AIDS gebe, 15 Prozent stellen sich dagegen.
Grafik 32
Trend Aussagen Krankheiten, Medikamente und
Impfungen (2/2)
"Sagen Sie mir bitte für folgende Aussagen, ob sie für Sie persönlich voll zutreffen, eher zutreffen, eher nicht
zutreffen oder überhaupt nicht zutreffen."
behindert Vermehrung von Viren "Es gibt Medikamente, die die Vermehrung von Viren behindern."
kein Medikament Heilung Grippe "Es gibt kein Medikament, das Grippe heilen kann."
Gesundheitspersonal impft nicht systematisch "Das Gesundheitspersonal impft sich nicht systematisch."
Experten haben Argumente der Gegner entkräftet "Gesundheitsexperten haben mit überzeugenden Argumenten
Behauptungen von Impfgegnern entkräftigt."
Erkrankung besser durchmachen "Anstatt zu impfen ist es besser, eine Erkrankung natürlich durchzumachen."
Mehr Tote durch Hepatitis als HIV/AIDS "Es sterben mehr Personen an den Folgen von Hepatitis als an den Folgen von
HIV/AIDS."
Grippeimpfungen gefährlich "Grippeimpfungen sind gefährlich, weil die Impfung selbst eine Erkältung auslösen kann."
behindert Vermehrung von
Viren
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, trifft voll/eher zu
64
58
47
59
59
51
48
49
60
59
56
54
49 49
47
57
51
47
43
kein Medikament Heilung
Grippe
Gesundheitspersonal impft
nicht systematisch
Experten haben Argumente
der Gegner entkräftet
Erkrankung besser
durchmachen
mehr Tote durch Hepatitis als
HIV/AIDS
Juli/August 2014
Juli/August 2015
Juli/August 2016
Grippeimpfungen gefährlich
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Gerade weil sich die Zustimmungswerte zu einem Grossteil der Aussagen als
relativ stabil erweisen, sind Verschiebungen umso mehr zu betonen und zwar
insbesondere dann, wenn sie über die drei Erhebungspunkte hinweg eindeutig
gerichtet verliefen und ausserhalb des Stichprobefehlers lagen. Beides trifft für
die Aussagen, dass HIV keine tödliche Krankheit mehr sei, die Masernimpfung
obligatorisch gemacht werden sollte, Impfen ein Akt der Solidarität sei, es eine
47
Impfung gegen Hepatitis gibt und die Ansicht, dass die Grippeimpfung gefährlich
sei zu. Das Ausmass des Anstiegs liegt allerdings bei diesen fünf Aussagen nur
knapp ausserhalb des Stichprobenfehlers. Anders bei den Aussagen, dass es
Medikamente gebe, welche die Vermehrung von Viren behindern und der Aussage, dass Experten Argumente der ImpfgegnerInnen entkräftet haben. Beide
haben deutlich ausserhalb des Stichprobenfehlers an Unterstützung gewonnen.
Interessant ist die konkrete Frage, gegen welche Krankheiten man sich denn
impfen lassen würde, vorausgesetzt man könnte es. Der Befund ist eindeutig,
wenn man von Starrkrampf-Impfungen spricht; 83 Prozent der Schweizer EinwohnerInnen würden sich gegen Starrkrampf impfen lassen. Auch Hepatitis-Cund Masern-Impfungen würden noch Mehrheiten der Befragten in Erwägung
ziehen, nicht aber Ebola-, Zika-, Grippe- oder HIV-Impfungen.
In gewissen Untergruppen finden sich vom Mainstream abweichende Haltungen, nicht jedoch bei Ebola, Starrkrampf und HIV; denn genauso wie keine einzige Untergruppe sich mehrheitlich gegen Ebola oder HIV impfen lassen würde,
ziehen sämtliche Untergruppen Starrkrampfimpfungen in Erwägung.
Anders als die Mehrheit würden sich jedoch Befragte über 70, solche mit tiefer
Bildung oder tiefem Einkommen und Romands mehrheitlich nicht gegen Hepatitis C impfen lassen.
Grafik 33
Trend Impfung Krankheiten
"Angenommen man könnte sich gegen alle folgende Krankheiten impfen lassen, würden Sie eine Impfung in
Erwägung ziehen? Wie seht das aus bei…"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren, Anteil "Ja, würde mich impfen lassen"
86
83
Starrkrampf
Hepatitis C
54
56
52
51
40
39
35
32
35 35
28
Masern
Ebola
Zika
Grippe
HIV/Aids
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
TessinerInnen zeigen sich als einzige Untergruppe Grippeimpfungen gegenüber
mehrheitlich aufgeschossen. Alle anderen Gruppen würden sich mehrheitlich
nicht gegen Grippe impfen lassen – auch alte Menschen nicht.
Masern-Impfungen dagegen würden über 70-Jährige, die tiefsten beiden Einkommensgruppen, nicht an Gesundheitsthemen interessierte Befragten und solchen die nicht ins Ausland reisen mehrheitlich nicht machen lassen. Und ZikaImpfungen würden lediglich Personen die regelmässig ins Ausland reisen erwägen.
Die Entwicklungen über die Zeit sind in drei Fällen relevant: Die Impfbereitschaft
für Ebola und für die Grippe ist gegenüber 2015 gestiegen, jene für HIV respektive Aids dagegen gesunken.
48
Bemerkenswert bleibt, dass lediglich 55 Prozent der EinwohnerInnen tatsächlich
über einen aktuellen Impfschutz verfügen. 43 Prozent der Schweizer EinwohnerInnen geben an, der eigene Impfschutz sei nicht mehr aktuell. Dabei handelt es
sich bei 22 Prozent um einen bewussten Impfverzicht, bei 21 Prozent um einen
unbewussten. Der sich 2015 abzeichnende Trend weg von aktuellem Impfschutz, hin zu bewusstem Verzicht setzte sich 2016 jedoch nicht weiter fort, so
dass eben beschrieben Mehrheitsverhältnisse als relativ stabil angenommen
werden dürfen.
Grafik 34
Trend Aktualität eigene Impfungen
"Wissen Sie zufällig: Sind bei Ihnen alle Impfungen noch aktuell oder sind die Impfungen nicht mehr aktuell?"
"Verzichten Sie bewusst auf gewisse Impfungen?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
2
21
2
2
21
21
weiss nicht/keine
Antwort
22
22
25
nicht aktuell,
unbewusster Verzicht
nicht aktuell, bewusster
Verzicht
Ja, aktuell
55
Juli/August 2014
55
52
Juli/August 2015
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
Addiert man EinwohnerInnen mit aktuellem Impfschutz und solche mit nicht aktuellem, jedoch ohne bewusstem Impfverzicht, ergibt dies 76 Prozent, was ungefähr dem Anteil der Einwohnerschaft entspricht, der es grundsätzlich für wichtig hält, den eigenen Impfschutz aktuell zu halten (73%). Die Gruppen sind allerdings dennoch nicht deckungsgleich, denn die Grundhaltung zur Wichtigkeit des
Impfschutzes mündet nicht zwingend in entsprechende Handlungen. Dennoch
führen beide Fragen auf je unterschiedliche Weise das impfkritische Potenzial in
der Schweizer Einwohnerschaft vor Augen und dieses liegt irgendwo knapp über
20 Prozent.
Anhand eines Antwortbaums lassen sich die stärksten gesellschaftlichen Spaltungen in dieser Frage aufzeigen und entgegen der ersten beiden Jahre, verlaufen diese nun entlang des Reiseverhaltens und nicht mehr entlang des Alters.
Dieser Effekt könnte Ebola und Zika geschuldet sein. Denn wer regelmässig
reist, verfügt klar häufiger über einen aktuellen Impfschutz als wer dies nicht tut.
Bei Personen die regelmässig ins Ausland reisen, ist in zweiter Linie das Alter
zentral. Die beste Impfrate finden wir bei EinwohnerInnen, die regelmässig reisen und zwischen 52 und 61 Jahre alt sind. Doch auch solche unter 51 Jahren
verfügen zu zwei Dritteln und damit klar häufiger als der Durchschnitt über einen
aktuellen Impfschutz.
Wer dagegen nur ab und zu oder gar nie ins Ausland reist, ist knapp weniger als
der Durchschnitt auf aktuellem Impfstand. Stammen Befragte zudem aus der
Deutschschweiz oder der Romandie akzentuiert sich dieser Umstand nochmals.
49
Am wenigsten Befragte mit aktuellem Impfschutz finden sich unter hochverdienenden DeutschschweizerInnen oder Romands, die selten bis nie ins Ausland
reisen.
Grafik 35
Aktualität eigene Impfung
"Wissen Sie zufällig:
Sind bei Ihnen alle Impfungen noch aktuell oder sind die Impfungen nicht mehr aktuell?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
Total
N = 1209
Ja 55%
Auslandsreisen
bis 51-jährig
(n = 135)
Ja 66%
regelmässig
(n = 283)
Ja 64%
ab und zu/nie
(n = 926)
Ja 54%
Alter
Sprache
52 bis 61-jährig
(n = 67)
Ja 76%
ab 62-jährig
(n = 81)
Ja 52%
ICH
(n = 177)
Ja 68%
DCH/FCH
(n = 749)
Ja 51%
Haushaltseinkommen
bis CHF 5000
(n = 348)
Ja 49%
CHF 5001 - 7000
(n = 194)
Ja 62%
ab CHF 7001
(n = 207)
Ja 45%
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
Die Charakterisierung von Personen, die bewusst auf Impfungen verzichten,
hilft, das impfkritische Potenzial greifbar zu machen und das Alter erweist sich
als die relevanteste Grösse: Von den unter 36-Jährigen EinwohnerInnen, die ihren Impfschutz nicht aktuell halten, verzichten nur 31 Prozent bewusst auf Impfungen. Befragte, die zwischen 37 und 47 Jahre alt sind verzichten dagegen
mehrheitlich (51%) bewusst darauf ihren Impfschutz aktuell zu halten. Noch
deutlicher ist das bei Befragten über 61 der Fall (61%). Sie sind die Gruppe, die
ihren Impfschutz am häufigsten nicht aktuell hält.
Bei den jüngsten ist das Impfverhalten zudem durch das Geschlecht bestimmt.
Frauen unter 36 Jahren verzichten nicht nur mehrheitlich und überdurchschnittlich (54%) bewusst darauf ihren Impfschutz aktuell zu halten, sie tun dies auch
eindeutig häufiger als Männer im selben Alter (17%).
Anders formuliert ist die Impfdurchdringung bei jungen Frauen aber auch bei Personen ab 37 Jahren generell ungenügend.
50
Grafik 36
Filter Bewusster Verzicht Impfungen
"Verzichten Sie bewusst auf gewisse Impfungen?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren,
bei denen nicht alle Impfungen
aktuell sind
Total
n = 522
Ja 49%
Alter
37 bis 47-jährig
(n = 55)
Ja 51%
bis 36-jährig
(n = 152)
Ja 31%
ab 48-jährig
(n = 315)
Ja 61%
Geschlecht
Frau
(n = 57)
Ja 54%
Mann
(n = 95)
Ja 17%
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (n = 522)
Obwohl also die Aktualität des Impfschutzes als wichtig erachtet wird und sich
eine Mehrheit um einen solchen bemüht, gibt es bei 21 Prozent Nachlässigkeiten
und bei 22 Prozent der Befragten einen bewussten Verzicht aufs Impfen. So finden sich gesamthaft 43 Prozent in der Schweizer Einwohnerschaft, die über keinen aktuellen Impfschutz verfügen. Das entspräche einer allgemeinen Impfrate
von 57 Prozent in der Schweiz.
Impffragen spalten die Geister und die Fronten sind eindeutig. Die Folgen
schlechter Durchimpfungsraten wurden unlängst durch Masernepidemien in Teilen der Schweiz und auch im Ausland erkennbar. Möchte man solche Vorfälle
vorbeugen, sind jene EinwohnerInnen, die tendenziell die Wichtigkeit eines aktuellen Impfschutzes anerkennen eine wichtige Zielgruppe. Und solche finden
sich besonders häufig in der Altersgruppe der 26- bis 45-Jährigen, die über tiefe
bis mittlere Haushaltseinkommen verfügen.
Sie finden sich aber auch unter über 46-Jährigen mit mittleren Haushaltseinkommen, die aus der Romandie stammen überdurchschnittlich häufig. Zentrale Zielgruppen einer Aufklärungskampagne wären somit just die eben genannten.
51
Grafik 37
Wichtigkeit aktueller Impfschutz – eher wichtig
"Wie wichtig finden Sie es persönlich, Ihren Impfschutz aktuell zu halten?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
Total
N = 1209
eher wichtig 44%
Alter
bis 25-jährig
(n = 115)
eher wichtig 35%
26 bis 45-jährig
(n = 371)
eher wichtig 58%
ab 46-jährig
(n = 723)
eher wichtig 40%
Haushaltseinkommen
Haushaltseinkommen
bis CHF 9000
(n = 301)
eher wichtig 61%
ab CHF 9001
(n = 70)
eher wichtig 44%
bis CHF 3000
(n = 166)
eher wichtig 28%
CHF 3001 - 5000
(n = 331)
eher wichtig 46%
ab CHF 5001
(n = 226)
eher wichtig 38%
Sprache
FCH
(n = 71)
eher wichtig 63%
DCH/ICH
(n = 260)
eher wichtig 41%
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209)
Bemerkenswert ist dabei, dass die Schweizer Einwohnerschaft die Impfdurchdringung in der Schweiz eindeutig als höher als im Ausland einschätzt: zwei Drittel der EinwohnerInnen denken, dass in der Schweiz (eher) mehr Personen geimpft sind als im Ausland, ein Viertel denkt, es seien im Ausland höchstens
gleichviele oder weniger. 9 Prozent sind unsicher. Der mehrheitliche Glaube,
dass die Impfdurchdringung in der Schweiz höher sei als im Ausland, bestätigt
sich über sämtliche Untergruppen hinweg. Einige zeigen sich allerdings stärker
verunsichert als andere.
Besonders hoch ist das Unwissen bei tief Gebildeten (20%) aber auch in der
Romandie und im Tessin zeigt es sich erneut erhöht (14% resp. 13%) und
ebenso bei Personen, die nicht wissen ob ihr Impfschutz aktuell ist (16%).
Der Vergleich der drei Messpunkte zeigt, dass Bewegung in diese Einschätzungen gekommen ist, denn einerseits geben im Vergleich zu den Vorjahren klar
weniger Befragte an, die Impfdurchdringung sei in der Schweiz viel höher als im
Ausland (Δ2014-2016: -9%-punkte). Es hält sich aber die Ansicht, dass es eher
mehr seien. Gleichzeitig finden sich 2016 mehr kritische Voten in Bezug auf die
Schweiz als noch vor zwei Jahren (Δ2014-2016: +5%-punkte).
Insgesamt sprechen die zeitlichen Entwicklungen für eine zunehmende Sensibilisierung der Schweizer Einwohnerschaft und es scheint, als ob die Kampagnenarbeit zu Masern ihre Wirkung nicht verfehlt. Das BAG hat sich per Ende 2015
eine Masern-Impfdurchdringung von 95 Prozent auf die Fahne geschrieben und
Aktionen zu diesem Zweck durchgeführt.
Da allerdings nach wie vor eine Mehrheit glaubt, die Impfdurchdringung sei in
der Schweiz besser als im Ausland, ist die Kampagne noch nicht am Ziel angelangt.
52
Grafik 38
Trend Vergleich Impfungen Schweiz-Ausland
"Vergleichen wir noch die Schweiz mit dem Ausland. Denken Sie, dass in der Schweiz viel mehr, eher mehr,
eher weniger oder viel weniger Personen geimpft sind als im Ausland?"
in % EinwohnerInnen ab 18 Jahren
13
14
8
1
10
10
9
9
weiss nicht/keine
Antwort
2
gleichviele
1
14
13
viel weniger
45
eher weniger
52
46
eher mehr
23
viel mehr
16
Juli/August 2014
Juli/August 2015
14
Juli/August 2016
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = ca. 1200)
3.5.1 Zwischenbilanz
Beschäftigt man sich mit Gesundheitsthemen respektive Haltungen dazu und
insbesondere auch mit Viren, stösst man früher oder später unweigerlich auf ein
Issue, bei dem die Meinungen auseinandergehen; den Impfschutz. Die klare
Mehrheit der Schweizer EinwohnerInnen finden es dabei wichtig ihren Impfschutz aktuell zu halten, allerdings gibt es in relevantem Ausmass kritische Voten. Verschärfend kommt hinzu, dass die Wichtigkeitsbeimessung latent schwindet. Impffragen spalten die Geister; das resistent impfkritische Potenzial liegt in
der Schweizer Einwohnerschaft bei rund 20 Prozent.
Neu ist 2016, dass die stärksten gesellschaftlichen Spaltungen in der Impffrage
entlang des Reiseverhaltens und nicht mehr entlang des Alters zu finden sind.
Dieser Effekt könnte Ebola und Zika geschuldet sein. Denn wer regelmässig
reist, verfügt klar häufiger über einen aktuellen Impfschutz als wer dies nicht tut.
Die Nutzenseite von Impfungen ist im Grunde unbestritten, selbst ein MasernImpfobligatorium für Kinder wäre für eine zunehmende Mehrheit eine denkbare
Option. Wenn es allerdings um Grippeerkrankungen, Pandemien und Patentrechte geht, wird dem Thema und insbesondere der Pharmaindustrie kritisch begegnet. Das Gesundheitsfachpersonal wird nach wie vor nicht als Vorbild wahrgenommen. Es scheint sich in der Impffrage allerdings die Ratio breitzumachen;
die Zustimmung zur Aussage, dass Gesundheitsexperten Behauptungen von
Impfgegnern mit überzeugenden Argumenten entkräftet haben, nahm über den
Untersuchungszeitraum stetig zu. So haben kritische Haltungen zum Impfen in
einem Fall Aufwind (Gesundheitspersonal), im anderen (Experten) klar nicht. Was
sich hält, ist die Zustimmung zur Aussage es sei besser, Erkrankungen natürlich
durchzumachen anstatt zu impfen.
Neu wurde 2016 die Aussage, dass mehr Personen an den Folgen von Hepatitis
als an den Folgen von HIV/AIDS sterben, geprüft. Und obwohl in der offenen
Frage nach erinnerten Neuigkeiten einige Personen exakt dies bekunden, ist die
Verunsicherung über die konkrete Aussage gross. Eine relative Mehrheit stimmt
53
jedoch zu, dass es mehr Tote durch Hepatitis als durch AIDS gebe, 15 Prozent
stellen sich dagegen. Verbreiteter als in den Vorjahren ist das Wissen darum,
dass HIV keine tödliche Krankheit mehr ist, es eine Impfung gegen Hepatitis gibt
und Medikamente die Verbreitung von Viren eindämmen können.
Handlungsseitig sind Starrkrampf-Impfungen breit akzeptiert. Auch Hepatitis-Cund Masern-Impfungen würden noch Mehrheiten der Befragten in Erwägung
ziehen, nicht aber Ebola-, Zika-, Grippe- oder HIV-Impfungen. Über die vergangenen drei Jahre hat sich die Impfbereitschaft für Ebola und für die Grippe gesteigert, jene für HIV respektive Aids ist dagegen gesunken.
Obwohl die Aktualität des Impfschutzes grundsätzlich als wichtig erachtet wird
und sich eine Mehrheit um einen solchen bemüht, gibt es bei 21 Prozent Nachlässigkeiten und bei 22 Prozent der Befragten einen bewussten Verzicht aufs
Impfen. So verfügen insgesamt 43 Prozent in der Schweizer Einwohnerschaft
über keinen aktuellen Impfschutz. Das entspräche einer allgemeinen Impfrate
von 57 Prozent in der Schweiz. Die Impfdurchdringung ist dabei bei jungen
Frauen aber auch bei Personen ab 37 Jahren generell ungenügend.
Langsam aber sicher macht sich Wissen über diesen Umstand breit. Zwar glaubt
nach wie vor eine Mehrheit die Impfdurchdringung in der Schweiz sei höher als
im Ausland, die zeitlichen Entwicklungen sprechen jedoch insgesamt für eine
zunehmende Sensibilisierung.
Übergreifende Analysen
3.6.1 Pfeiler der Wichtigkeit eines aktuellen
Impfschutzes
Eine umfassende Betrachtung der Haltungen rund um Impfungen erlaubt die Regressionsanalyse. Anhand der Haltungen zu den vierzehn Aussagen, die zuvor
besprochen wurden, der Angabe zum eigenen Impfstatus, dem Vergleich der
Schweiz mit dem Ausland und der Impfungen die man prinzipiell in Erwägung
ziehen würde, lassen sich 32 Prozent der Haltungen zur Wichtigkeit des Impfschutzes erklären (R2=0.321). Das ist für Einstellungsmessungen bereits eine akzeptable bis gute Modellgüte.
Inhaltlich ist der eigenen Impfstatus massgebend; wer diesen aktuell hält, misst
dem Impfschutz generell erhöhte Wichtigkeit bei. Zudem wird die Wichtigkeit
getragen von der Haltung zu einem Masern Impfobligatorium und dem Anerkennen, dass gewisse Krankheiten dank Impfungen besiegt werden konnte. Wer
sich zudem gegen Starrkrampf, Zika und Hepatitis impfen lassen würde, misst
dem Impfschutz ebenfalls höhere Wichtigkeit bei.
Die Wichtigkeit des Impfschutzes wird dagegen geringer eingestuft, wenn man
findet es sei besser Krankheiten auf natürlichem Weg durchzumachen oder
glaubt, dass die Pharmaindustrie mit Angstmacherei ihr Geschäft anheize.
Am Rande tragen schliesslich die Ansicht, dass Impfen auch ein Akt der Solidarität sei und die Meinung, dass die Impfdurchdringung in der Schweiz höher sei
als im Ausland zu einer stärkeren Betonung der Wichtigkeit des Impfschutzes
bei.
54
Grafik 39
Regressionsanalyse Wichtigkeit aktueller Impfschutz
"Wie wichtig finden Sie es persönlich, Ihren Impfschutz aktuell zu halten?"
EinwohnerInnen ab 18 Jahren
wichtig
nicht wichtig
Aktualität eigene Impfung
Erkrankung besser durchmachen
obligatorische Masernimpfung bei Kindern
Starrkrampf (Impfung)
Krankheiten dank Impfung besiegt
Angstmacherei
Zyka (Impfung)
Hepatitis C (Impfung)
Akt der Solidarität
Vergleich Impfungen Schweiz-Ausland
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209), R2 = .321
Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unabhängigen Variablen (hier:
Haltungen zu Aussagen rund um Impfen, Imfpverhalten) auf eine abhängige Variable (Wichtigkeit aktueller Impfschutz). Anhand der Farbe lässt sich
unterscheiden, ob ein Element eher zu einer höherer Bewertung (rot) oder eher zu einer tieferen Bewertung (orange) führt. Argumente, welche in
der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss.
3.6.2 Pfeiler der Wichtigkeit von Gesundheitstests
Eine Regressionsanalyse hilft zu erkennen, wie die Einschätzung über die Wichtigkeit von Gesundheitschecks für einen selbst konstituiert ist. In das Modell einbezogen wurden sämtliche Aussagen und Werthaltungen zum Gesundheitswesen und Viren, die Vertrauensvoten zu verschiedenen Akteuren aus dem Gesundheitswesen sowie die gefühlte Gefährdung einer Ansteckung mit verschiedenen
Krankheiten.
Als höchst relevant erweisen sich die Haltungen zu Präventionsmassnahmen
und zu grundlegenden Werthaltungen zur Gesundheitsversorgung. Wer der Ansicht ist, Krankenkassen sollen aktiv Anreize für Gesundheitschecks schaffen,
misst solchen naheliegender Weise auch erhöhte Wichtigkeit bei. Das gilt auch
für EinwohnerInnen, die obligatorische Masernimpfungen fordern.
Auch wer vertrauenswürdige Gesundheitsfachpersonen in seinem persönlichen
Umfeld weiss, seinem Hausharzt in heiklen Fragen vertraut und fordert, dass die
Pharmaindustrie frei informiert, findet Gesundheitschecks wichtiger. Damit sind
verschiedene Akteure benannt, welche in der Lage wären, die Akzeptanz und
Wichtigkeit von Gesundheitstests zu fördern. Am Rande kommt ein weiterer Ort
der Information in Frage; der Reiseveranstalter, bei dem man Fernreisen bucht.
Wer dagegen dem Drogisten vertraut, stuft die Wichtigkeit solcher Tests generell tiefer ein. Das gilt auch für EinwohnerInnen die sich wenig gefährdet fühlen,
an einer Herz-/Kreislauf-Störung oder an Krebs zu erkranken. Auch wer findet, es
sei besser, Erkrankungen natürlich durchzumachen oder nicht glaubt, dass es
55
mehr Hepatitis-Todesfälle gebe als durch AIDS ausgelöste, misst Gesundheitschecks verminderte Wichtigkeit bei.
Alle weiteren ins Modell eingeflossenen Grössen erweisen sich als irrelevant.
Will man die Akzeptanz von Gesundheitstests also fördern, sollte man auf Anreizsysteme und gezielte Information über die Schlüsselakteure – den Hausarzt,
Gesundheitsfachpersonen, die Pharmaindustrie und Reiseveranstalter – setzen.
Grafik 40
Regressionsanalyse Wichtigkeit regelmässige
Gesundheitschecks
"Wie wichtig finden Sie einen regelmässigen Gesundheitscheck insgesamt für sich selbst?"
EinwohnerInnen ab 18 Jahren
wichtig
nicht wichtig
Krankenkassen aktiv Anreize schaffen
obligatorische Masernimpfung bei Kindern
Gesundheitsfachperson im Bekanntenoder Verwandtenkreis
frei informierende Pharmaindustrie
Hausarzt (Vertrauen)
Ablehnung zu:
Herz- und Kreislauferkrankung (Gefährdung)
Drogist (Vertrauen)
Ablehnung zu:
Krebs (Gefährdung)
Erkrankung besser durchmachen
Impfempfehlung bei Reisebuchung
mehr Tote durch Hepatitis als HIV/AIDS
© gfs.bern, Virusbarometer, Juli/August 2016 (N = 1209), R2 = .194
Erläuterung: Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unabhängigen Variablen (hier:
Aussagen und Werthaltungen zum Gesundheitswesen und Viren, Vertrauensvoten Akteure, gefühlte Gefährdung Ansteckung) auf eine abhängige
Variable (Wichtigkeit Gesundheitschecks). Anhand der Farbe lässt sich unterscheiden, ob ein Element eher zu einer höherer Bewertung (rot) oder
eher zu einer tieferen Bewertung (orange) führt. Argumente, welche in der Grafik nicht erscheinen, haben keinen Einfluss.
56
4
Synthese
Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist zentral, weil Gesundheit einen sehr
hohen Stellenwert im Leben des modernen Menschen einnimmt. Selbst im abtstrakten Thema Viren, kann ein demoskopisches Monitoring die Debatte zum Megatrend Gesundheit befruchten.
Im Rahmen der Synthese soll neben der Beantwortung der Forschungsfragen
ein perspektivischer Thesenteil den Bericht zum Virusmonitor 2016 abrunden.
Wie ist der Umgang mit Virenfragen, Impfungen, Tabuthemen wie Fragen zum
Sexualverhalten und der Austausch darüber mit der Ärzteschaft sowie die Wahrnehmung der Prävention in diesem Umfeld?
Im Rahmen der Umfrage haben EinwohnerInnen der Schweiz relativ breit und
ohne Unmut Auskunft zu teilweise sensiblen Fragestellungen gegeben. So lange
der Rahmen der Anonymität gegeben ist, was Stigmatisierungen verhindert, können selbst Tabuthemen angegangen werden.
Zentral ist das Vertrauen in das Gegenüber, weshalb man gerade bei heiklen Gesundheitsfragen den direkten Kontakt sucht, sei es zum Hausarzt oder zu einem
Lebenspartner oder einer Lebenspartnerin. Auch darf nicht der Eindruck vorherrschen, dass einem durch eine Konsultation Nachteile entstehen könnten.
Die Niederschwelligkeit macht das Internet als Informationsquelle zwar attraktiv,
das Misstrauen in diese Institution ist allerdings breit und zunehmend vorhanden,
besonders wenn es um den Ernstfall geht.
Präventionsmassnahmen werden, besonders im schulischen Umfeld, klar begrüsst und gefordert, allerdings halten sich Zweifel an der Wirksamkeit, insbesondere von Kampagnen. Bemerkenswert ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass sich bei der Frage nach erinnerten Neuigkeiten zum Thema Viren erneut Kampagneneffekte finden: 2014 landete HIV/AIDS auf den Spitzenrängen
erinnerter Themen, 2015 galt gleiches für das Thema Hepatitis. Bei beiden Krankheiten zeigt sich anhand der konkreten Nennungen der Befragten, dass es im
Grunde Kampagnen waren, die von den Leuten wahrgenommen oder erinnert
wurden. Ähnliches stellen wir 2016 für die Masern-Kampagne des BAG fest.
Zwar nicht in der offenen Themenfrage aber durchs Band an verschiedenen Stellen der Studie. Anders formuliert werden geäusserte Zweifel an der Wirksamkeit
von Kampagnen durch die Befunde der letzten drei Jahre abgeschwächt. Kampagnen wirken, auch wenn einem das vielleicht nicht bewusst ist.
Was sind zentrale Wertfelder und Wertgegensätze rund um Viren?
Welche Rolle spielen Innovationen der Industrie und des Staats in diesem Kontext? Und was sind die zeitlichen Entwicklungen?
Gesundheit ist bei der Schweizer Einwohnerschaft hoch im Kurs, wird aber klar
als etwas Privates erachtet. Einmischung und Zwänge oder ähnliches werden
nicht toleriert. Staatliche Interventionen im Gesundheitsbereich beispielsweise
in Form von obligatorischen Gesundheitschecks oder anderen Vorschriften, stossen auf geringe Akzeptanz. Vielmehr setzt man auf Eigenverantwortung und
selbstbestimmte Entscheide und das zunehmend. Eine klare Ausnahme davon
bildet die abnehmende Akzeptanz der Eigenverantwortung in Impffragen.
Der Staat und die Industrie sollen Informationstätigkeiten nachgehen dürfen,
auch damit man als Konsument über neue Produkte aber auch über Gefahren
und Krankheiten rasch im Bilde ist. Der Glauben an den medizinischen Fortschritt
ist grundsätzlich intakt und es dominiert die Nutzensicht. Kritische Stimmen in
Bezug auf die Industrie sind allerdings rund um Grippewellen und -impfungen
sowie Patenrechte und die Rolle der Industrie in Drittweltländern auszumachen.
57
Systemanreizen gegenüber, beispielsweise über Krankenkassen, zeigt sich die
Schweizer Einwohnerschaft nicht abgeneigt.
Das wohl zentralste Wertfeld im Zusammenhang mit Viren ist das Impf-Issue,
denn dieses spaltet die Schweizer Einwohnerschaft am stärksten. Grundsätzlich
findet man es zwar wichtig, den eigenen Impfschutz aktuell zu halten. Diese
Grundhaltung ist aber nicht zwingend eine Handlungsmaxime, denn nur knapp
mehr als die Hälfte verfügt tatsächlich über einen aktuellen Impfschutz. Der Rest
ist je hälftig aus Nachlässigkeit oder Überzeugung nicht geimpft. Das hart impfkritische Potenzial in der Schweiz kann zwischen 20 bis 24 Prozent festgemacht
werden. Es nährt sich von der Ansicht, dass Impfen gefährlich sei, die Industrie
mit übertriebener Angstmacherei ihr Geld verdiene und es schliesslich besser
sei, Erkrankungen auf natürlichem Weg durchzustehen.
Wenn auch eine flächendeckende Impfpflicht je länger je weniger Widerstand
erfährt, ist sie nicht mehrheitsfähig. Obligatorische Masernimpfungen bei Kindern hingegen werden stabil und mehrheitlich begrüsst.
Dass sich selbst das Gesundheitspersonal nicht systematisch impfen lässt, ist
eine Ansicht, die sich zunehmend verbreitet. Das ist insofern problematisch, als
dass diesen Personen eine Vorbildfunktion zukommt und sie auch punkto Vertrauen und Information eine zentrale Rolle spielen. Bemühungen von Experten,
Argumente von Impfgegnern zu entkräften, werden allerdings mehr und mehr
wahrgenommen und akzeptiert.
Welche Verhaltenstypen lassen sich im Umgang mit Viren unterscheiden und
welche Faktoren beeinflussen diese Typologie?
Generell in Gesundheitsfragen und spezifisch auch im Umgang mit Viren, lassen
sich einerseits das Interesse an Gesundheitsfragen im Allgemeinen, die gefühlte
Bedrohung durch Viren andererseits als zentrale und verhaltensleitende Maximen erweisen.
Wer sich für Gesundheitsthemen interessiert ist nicht nur sensibler für Neuigkeiten aus diesem Gebiet, sondern zeichnet sich auch durch eine pointierte Haltung
zu vielen Fragen aus. Man fühlt sich wie sein eigener Gesundheitsexperte, der
am besten weiss, was richtig ist. Diese Haltungen sind durchaus auch kritisch
gefärbt und es sind vielmehr Überzeugungen als harte Fakten. In Kombination
mit Impfskepsis ist bei hoch interessierten Personen eindeutig die Skepsis gegenüber der Industrie dominant. Fehlt jedoch dieses Element, sind hoch interessierte entweder häufig selber krank oder aber sie gehören der Gruppe der Interventionisten an, die staatliche Intervention verstärkt fordern.
Der grösste Anteil der Schweizer Einwohnerschaft pflegt allerdings einen pragmatischen Umgang mit der Gesundheit- und Virenthematik. Man ist Medikamenten, Impfungen und Präventionsmassnahmen gegenüber generell aufgeschlossen und setzt eher auf Eigenverantwortung als auf Vorschriften und Zwänge. Das
Interesse an Gesundheitsfragen ist tendenziell vorhanden aber nicht übermässig
stark ausgeprägt. In diesem Umfeld ist das Wissen zu Viren eher medial geprägt
und wenig fundiert.
Interessant ist, dass tendenziell jene Personen, die sich am wenigsten für Gesundheitsfragen interessieren, sich am deutlichsten für obligatorische Tests aussprechen. In dieser Personengruppe wird gesundheitliche Verantwortung an andere Akteure ausgelagert.
Wie gross ist das Bewusstsein der Bevölkerung für Viren und den Umgang in
der Bekämpfung und Prävention, wo bestehen Informationsdefizite?
Das Gefahrenpotenzial, das von Viren ausgeht, ist der Schweizer Einwohnerschaft bewusst und es wird höher eingestuft, als jenes von Bakterien. Vermehrt
stellen sich Befragte allerdings auf die Position, dass Viren und Bakterien ähnlich
58
gefährlich seien. Neben stetigen Warnungen von zunehmender Antibiotikaresistenz dürften Meldungen zu bakteriellen Infektionen bei Spitalbehandlungen Erklärungsfaktoren für diese Entwicklung darstellen.
Die grösste von Viren ausgehende Gefahr für die Schweizer Einwohnerschaft
wird rund um Grippe- und Erkältungsviren verortet, gefolgt von HIV respektive
AIDS. Auch rund um Phänomene wie Ebola oder Zika verorten SchweizerInnen
Risiken, allerdings in klar geringerem Ausmass. Obwohl also die Wahrnehmung
zu Viren klar von solchen medialen Schreckensgespenstern bestimmt ist, bereiten sie lediglich im beschränktem Ausmass Sorge. Das spricht letztlich für eine
realitätsnahe Einschätzung der allgemeinen Bedrohungslage. Am allerhäufigsten
antworten Befragte allerdings, dass sie nicht wissen, welche Virus-Erkrankung
die grösste Gefahr für die Schweizer Bevölkerung darstelle. Das ist symptomatisch für das zuvor angesprochene wenig fundierte und eben medial bestimmte
Wissen über Viren.
Das Risiko sich mit einer viralen Krankheit anzustecken, wird mit Ausnahme von
Grippe eher gering eingestuft. Die Angst an nicht-ansteckenden Krankheiten wie
Krebs oder Herz- und Kreislaufkrankheiten zu erkranken, ist deutlich grösser. Das
gefühlte Risiko einer Ansteckung respektive die gefühlte Gefährdung durch eine
Krankheit, bestimmen die Testbereitschaft eindeutig: Gesundheitschecks als
eine Form der Prävention stossen auf Akzeptanz und zwar umso mehr, je mehr
eine reale Gefährdung einer Ansteckung glaubhaft gemacht werden kann.
Mehrheiten sprechen sich für routinemässige Tests auf Herz- und Kreislauferkrankungen sowie verschiedene Formen von Krebs aus. Auch das Prüfen der
Aktualität von Impfungen wäre relativ breit akzeptiert. Leicht gesteigert hat sich
die Akzeptanz routinemässiger Tests auf Hepatitis C. Tendenzielle Ablehnung
erfahren systematische Tests von sexuell übertragbaren Krankheiten, insbesondere HIV-Tests – ausser für Risikogruppen.
Informationsdefizite bestehen in der Schweiz vor allem rund um Hepatitis und
Impffragen. Trotz erhöhter Sensibilisierung in beiden Punkten bleiben solche bestehen. Bei Hepatitis hängt dies damit zusammen, dass Informationslücken in
Fragen der Prävention (Impfungen) aber auch der Inzidenz und Gefährdung existieren.
Bei Impffragen fällt auf, dass auf individueller Ebene Informationsdefizite über
die Aktualität des eigenen Impfschutzes bestehen. Dazu gesellen sich Informationslücken auf kollektiver Ebene, denn es geht nach wie vor eine Mehrheit
fälschlicherweise davon aus, dass die Impfrate in der Schweiz höher sei als im
(nahen) Ausland. Die Wirksamkeit oder Wichtigkeit von Impfungen ist nicht
grundsätzlich umstritten, wenn es allerdings um Masern- oder Grippe-Impfungen
geht, wird die Verunsicherung und das skeptische Potenzial greifbar.
Was für politische Haltungen beeinflussen die Einstellungen, wo bestehen konkrete Bedürfnisse nach staatlicher Tätigkeit? Wo steht die Eigenverantwortung
im Zentrum?
Politische Haltungen spielen eine gewisse allerdings meist untergeordnete Rolle
bei Grundhaltungen zum Gesundheitswesen. Grundsätzlich erweisen sich Personen, die sich selber links im politischen Spektrum verorten, Vorschriften und
Obligatorien im Gesundheitsbereich gegenüber positiver gesinnt als solche, die
sich rechts, mittig oder gar nicht verorten.
Staatlicher Intervention wird aber selbst im linken Spektrum der politischen
Achse skeptisch begegnet, allerdings bleibt der Glaube an Kampagnenwirkungen
bei Personen, die sich selber links auf der politischen Achse verorten höher als
bei anderen.
Staatliche Tätigkeit soll sich auf Kampagnenarbeit beschränken; der Staat soll
informieren, damit die BürgerInnen eigenverantwortlich handeln können. Während allerdings die Haltungen obligatorischen Tests stabil skeptisch ausfallen,
zeichnet sich eine Akzeptanzsteigerung für eine Impfpflicht ab.
59
Wie beurteilen SchweizerInnen die staatliche Tätigkeit und die Tätigkeiten der
Wirtschaft (Entwicklung, Herstellung, Vertrieb, Verteilung) und der gesellschaftlichen Akteure? Wie glaubwürdig sind die Akteure in Gesundheitsfragen?
Ist man von sensitiven Gesundheitsproblemen betroffen, schätzt man den direkten, persönlichen Austausch; sei es mit dem Hausarzt oder dem Lebenspartner,
dem Apotheker oder Gesundheitsfachpersonen aus dem Bekanntenkreis. Internetbasierte Institutionen werden als wenig vertrauenswürdig erachtet, wenn es
um Konsultationen geht.
Der Hausarzt bleibt damit die zentrale Figur, wenn man mit heiklen Gesundheitsfragen konfrontiert ist. Aber auch dem Gesundheitsfachpersonal im weiteren
Sinne kommt eine wichtige Rolle zu.
Auch wenn es um Informationen geht, ist der Hausarzt die Schlüsselfigur, weder
klassische noch neue Medienkanäle können ihm das Wasser reichen. Geschätzt
wird allerdings der einfache und vermeintlich anonyme Zugang zu Informationen
im Netz. Tendenziell sind aber klassische Medienkanäle (Zeitungen und TV) wichtiger für Informationszwecke, weil ihnen auch mehr vertraut wird.
Der schulische Rahmen wird als bestes Gefäss für Informationstätigkeiten gesehen, doch auch die Krankenkassen und die Pharmaindustrie zieht man zur Verantwortung, auch wenn sich bei diesen beiden Akteuren relevante Anteile skeptisch äussern.
Zusammenfassend sollen möglichst alle denkbaren Akteure frei informieren dürfen. Den Staat möchte man zudem am ehesten mit Präventionsmassnahmen
beauftragen. Von den Krankenkassen erwartet man Anreize, um Präventionsmassnahmen wie Testing für sich selber attraktiv zu machen. Die Industrie wird
grundsätzlich positiv bewertet, so lange dir Nutzensicht dominiert. Geht es aber
um wirtschaftliche oder juristische Aspekte der Pharmaindustrie, kehrt der Wind.
Wie werden aktuelle Issues im Virus-Bereich beurteilt?
Die Sensibilität für Neuigkeiten zum Thema Viren ist als durchschnittlich zu beschreiben und sie wurde in den letzten drei Jahren eindeutig medial geprägt. Die
Ebolafieber-Epidemie 2014 sowie auch das Zika-Virus, haben die Wahrnehmung
und Bewertung von Virenthemen beeinflusst. Neu zeigen sich gar handlungsseitig Einflüsse hiervon, denn nicht um sonst wünscht man, dass Reiseveranstalter
zwingend Impfempfehlungen abgeben. Die Impffrage bleibt dabei ein höchst polarisierendes Issue und die Fronten scheinen sich zu verhärten.
Emotionale und stark mediatisierte Themen, wie es Ebola und Zika waren, überlagern langfristige, strukturell wichtige Themen. Strukturell wichtige Themen im
Bereich Viren, sind Grippeviren wie auch Epidemien und Pandemien oder Hepatitis und HIV. In Bezug auf Grippeviren und die Rolle oder die Produkte der Industrie in diesem Kontext, wird die Skepsis von Teilen der Schweizer Bevölkerung greifbar. Sie sind ein eigenständiges Issue.
Insgesamt zeigte sich die Themenlage zu Viren bisher als wenig vorbelastet.
2015 finden sich jedoch erstmals in relevantem Ausmass kritische Untertöne.
Bemerkenswert ist, dass nicht Zika dafür verantwortlich ist, sondern vielmehr ein
diffus-kritisches Grundgefühl die Wahrnehmung bestimmt.
2016 finden sich leise Anzeichen dafür, dass Gesundheit etwas weniger im Fokus steht als auch schon. Möglich, dass die starke gesellschaftliche Fokussierung auf Gesundheit und den Körper im Allgemeinen Gegenimpulse provoziert.
60
4.1.1 Thesen
Aus den Befunden haben wir Thesen zur weiteren Diskussion im Rahmen des
Virusbarometers abgeleitet. Wir basieren bei diesen Ausführungen auf den Überlegungen aus den Vorjahren.
These 1: Wertelandschaft: Staatliche Information und Wahrung Intimsphäre
2016 finden sich Anzeichen, dass die Gesundheit etwas weniger interessiert als
auch schon. Möglich, dass die starke gesellschaftliche Fokussierung auf Ernährung und Gesundheit Gegenimpulse provoziert.
Gesundheit wird als etwas Privates erachtet. Einmischung erlaubt man gerade
bei intimen Themen höchstens dem Hausarzt oder der eigenen Partnerin respektive dem eigenen Partner. Entscheiden will man in Gesundheitsfragen autonom;
eigenverantwortliches Handeln wird staatlichen Interventionen, Zwängen oder
Kampagnen gegenüber vorgezogen. In Bezug auf Masernimpfungen ist das Bild
allerdings in Bewegung; ein Obligatorium kommt je länger je mehr in Frage.
Staatliche Tätigkeiten rund um Information sind breit akzeptiert, konkrete Handlungsanweisungen oder gar Obligatorien stossen jedoch auf ebenso breiten Widerstand.
These 2: Kommunikation: Themenarbeit bei hoher Emotionalität und
"Halbwissen" erschwert
Die situative Prägung erinnerter Neuigkeiten im Zusammenhang mit Viren zeigt,
dass das Thema Viren die Gemüter bei gegebenem Anlass zu bewegen vermag.
Allerdings überlagern in solchen Fällen emotionale Themen der Aktualität phasenweise die strukturell schwierige Themenarbeit beispielsweise zur Reduktion
der Impfskepsis oder Sensibilisierungskampagnen für gewisse Erkrankungen.
Die Gefahr von "Halbwissen" und ideologisch verankertem Handeln ist im Virenbereich und bei gewissen Gruppen gross. Die Kommunikationsarbeit wird durch
Skandalisierungen erschwert.
These 3: Akteure: Hausärzte mit sehr grosser, Gesundheitsfachpersonen
mit grosser Verantwortung
Der Hausarzt bleibt die Schlüsselfigur, wenn es um vertrauliche Inhalte aber auch
Informationen genereller Natur geht. Die Rolle von Krankenkassen und der Industrie wird gespalten beurteilt.
Besser als medial Inhalte zu verbreiten ist es, den Zugang zum Patienten über
den Arzt zu suchen. Hinweise bestehen, dass auch rund um die Prüfung der Aktualität des Impfschutzes Informationsbedürfnisse existieren, die durch den
Hausarzt abgedeckt werden könnten. Eine zentrale Rolle nehmen aber auch Gesundheitsfachpersonen im weiteren Sinne ein. Ein direkter Austausch wird vor
Konsum von Wissen via Medien und insbesondere via Internet eindeutig bevorzugt. Eine neue Türe könnten Reiseveranstalter öffnen.
61
These 4: Prävention: Sensibilisierung über Kampagnen
Die Wirkungen von Kampagnen werden gespalten beurteilt, finden sich jedoch
indirekt auf den Spitzenrängen erinnerter Neuigkeiten (HIV, Hepatitis). Sensibilisierungsarbeit im Bereich von viralen Erkrankungen kann über Kampagnen geschehen, weniger aber der Transport von substantiellen Inhalten wie Handlungsanweisungen oder Testempfehlungen. Die Gefahr besteht, dass Marketingtätigkeiten damit in Verbindung gesetzt werden.
Weil aber das Thema Gesundheit in der Bevölkerung auf Interesse stösst und
die Gemüter bewegt, sind Medien bereit, auch über Kampagnen, Forschungserfolge oder Schicksale in diesem Zusammenhang zu berichten. Im Fall von Hepatitis erweist sich diese Art von Kommunikation als effektiv, aber nicht durchschlagend. Wirkungen der schweizweiten Masern-Kampagne lassen sich jedoch nicht
von der Hand weisen.
These 5: Testverhalten: Hohe Testbereitschaft bei NCD
Die Testbereitschaft der Schweizer EinwohnerInnen ist grundsätzlich hoch, insbesondere, wenn ein Erkrankungsrisiko vorausgesetzt wird. Tendenziell möchte
man sich eher auf Krankheiten testen lassen, die man durch das eigene Verhalten
nur bedingt beeinflussen kann (Krebs, Herz- Kreislauf), so genannte NCDs. Rund
um ansteckende Krankheiten herrscht ein vermeintliches Kontroll- und Sicherheitsgefühl vor.
Um Testing im Bereich der viralen Erkrankungen zu fördern, müssen die Erkrankungsrisiken und besonders die Gefährdungspotenziale deutlich aufgezeigt werden. Auch könnten Anreize durch Krankenkassen oder andere Systemakteure
hier förderlich sein.
These 6: Impfschutz: Akzentuiertes Problem, auch wegen Experten-Skepsis
Das Solidaritätselement ist in der Kommunikation rund um Impfungen zentral.
Gewisse Impfungen hätten Chancen, als obligatorisch deklariert zu werden (Masern), eine generelle Impfpflicht stösst allerdings auf wenig Akzeptanz.
Es scheint sinnvoller, mit Argumenten und dem Aufzeigen von Fakten als mit
Zwängen Handlungsänderungen herbeizuführen. Das Impfproblem in der
Schweiz ist akzentuiert, weil sich relativ breite Skepsis gegenüber Experten auf
Einstellungsseite mit geringer Impfdisziplin respektive Nachlässigkeiten auf der
Ebene konkreter Handlungen überlagern.
Die Fronten in Impffragen sind hart, aber es wächst die Akzeptanz für Impfpflichten und Expertenmeinungen. Eine Schlüsselrolle könnte dem Gesundheitspersonal zukommen, allerdings wird dieses aktuell nicht als Vorbild punkto Impfen
wahrgenommen.
Auch der offensive Vergleich der Schweiz mit dem Ausland, aber auch die Betonung des Solidaritätsaspektes könnten helfen, die Impfakzeptanz zu steigern.
These 7: Reiseveranstalter als Partner in der Virenprävention
Die Themenwelt rund um Viren ist medial geprägt, entsprechend dominieren
Schreckensgespenster wie Ebola oder Zika das Bild.
Neu zeigt sich, dass besonders das Impfverhalten davon beeinflusst wurde, denn
wer häufig reist, misst Impfschutz nun höhere Bedeutung zu.
Auch werden Informationen zum Impfschutz durch Reiseveranstalter begrüsst.
Insofern könnten sie wertvolle Partner bei der Virenprävention sein.
62
5
Anhang
gfs.bern Team
LUKAS GOLDER
Co-Leiter, Politik- und Medienwissenschafter, MAS FH in Communication Management
Schwerpunkte:
Integrierte Kommunikations- und Kampagnenanalysen, Image- und Reputationsanalysen, Medienanalysen/Medienwirkungsanalysen, Jugendforschung
und gesellschaftlicher Wandel, Abstimmungen, Wahlen, Modernisierung des
Staates, Gesundheitspolitische Reformen.
Publikationen in Sammelbänden, Fachmagazinen, Tagespresse und auf dem
Internet
MARTINA MOUSSON
Projektleiterin, Politikwissenschafterin
Schwerpunkte:
Analyse politischer Themen und Issues, nationale Abstimmungen und Wahlen
(SRG-Trend, VOX-Analysen, Wahlbarometer), Image- und Reputationsanalysen, Integrierte Kommunikationsanalysen, Medieninhaltsanalysen, Qualitative
Methoden, Gesellschaftsthemen (Jugendforschung, Rassismus, Familien, Mittelschicht)
STEPHAN TSCHÖPE
Leiter Analyse und Dienste, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Koordination Dienstleistungen, komplexe statistische Datenanalytik, EDV- und
Befragungs-Programmierungen, Hochrechnungen, Parteien- und Strukturanalysen mit Aggregatdaten, Integrierte Kommunikationsanalysen, Visualisierung
AARON VENETZ
Datenanalytiker, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenmodellierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Datenanalyse, Programmierungen, Medienanalysen, Visualisierungen
63
ALEXANDER FRIND
Datenanalytiker, Politikwissenschafter
Schwerpunkte:
Datenanalyse, Programmierungen, Qualitative Methoden, Recherchen, Medienanalysen, Visualisierungen
NOAH HERZOG
Sekretariat und Administration, Kaufmann EFZ
Schwerpunkte:
Desktop-Publishing, Visualisierungen, Projektadministration, Vortragsadministration
64
gfs.bern ag
Hirschengraben 5
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Telefon +41 31 311 08 06
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Das Forschungsinstitut gfs.bern ist Mitglied des Verbands
Schweizer Markt- und Sozialforschung und garantiert, dass
keine Interviews mit offenen oder verdeckten Werbe-, Verkaufsoder Bestellabsichten durchgeführt werden.
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