Redaktionsanschrift Geschichte und Gesellschaft, Prof. Dr. Paul Nolte, Freie Universität Berlin, FB Geschichts- und Kulturwissenschaften, Friedrich-Meinecke-Institut, Koserstr. 20, D-14195 Berlin E-Mail: [email protected] (verantw. i. S. des niedersächs. Pressegesetzes) Wiss. Assistenz: Norman Aselmeyer und Veronika Settele, M.A. Sekretariat: Kathrin Kliss E-Mail-Adresse der Redaktion: [email protected] Alle Anfragen und Manuskriptangebote bitte an diese Adresse. Die Rücksendung oder Besprechung unverlangt eingesandter Bücher kann nicht gewährleistet werden. Geschichte und Gesellschaft (Zitierweise GG) erscheint viermal jährlich. Bestellung durch jede Buchhandlung oder beim Verlag. Preis dieses Jahrgangs im Abonnement € 79,- / 81,30 (A) / sFr 99,50; Inst.-Preis € 199,- / 204,60 (A) / sFr 243,-; für persönliche Mitglieder des Verbandes der Historiker Deutschlands (bei Direktbezug vom Verlag) € 65,- / 66,90 (A) / sFr 81,90; Einzelheft € 21,45 / 22,10 (A) / sFr 29,50, jeweils zzgl. 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ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000, ISSN (E-Journal): 0340-613X ipabo_66.249.69.239 Geschichte und Gesellschaft Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft Herausgegeben von Jens Beckert / Christoph Conrad / Sebastian Conrad / Ulrike Freitag / Ute Frevert / Svenja Goltermann / Dagmar Herzog / Wolfgang Kaschuba / Simone Lässig / Paul Nolte / Jürgen Osterhammel / Margrit Pernau / Sven Reichardt / Stefan Rinke / Rudolf Schlögl / Manfred G. Schmidt / Martin Schulze Wessel / Adam Tooze / Hans-Peter Ullmann Geschäftsführend Christoph Conrad / Ute Frevert / Paul Nolte Vandenhoeck & Ruprecht ipabo_66.249.69.239 Geschichte und Gesellschaft 40. Jahrgang 2014 / Heft 2 Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive Herausgeber dieses Heftes: Oliver Janz Vandenhoeck & Ruprecht Inhalt Oliver Janz Einführung: Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive Introduction: The First World War in a Global Perspective . . . . . . . . . . . 147 Bill Nasson More Than Just von Lettow-Vorbeck. Sub-Saharan Africa in the First World War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Stefan Reichmuth Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken der Nachkriegszeit The First World War and the Muslim Republics of the Post-War Period 184 Adam Tooze and Ted Fertik The World Economy and the Great War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Jan Schmidt Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan. Mediale Aneignungen und Studien durch Militär und Ministerialbürokratie The First World War as a Mediated War Experience in Japan. Appropriations through Media and Studies by the Military and the Government Bureaucracy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Jennifer D. Keene Americans Respond. Perspectives on the Global War, 1914 – 1917 . . . . . 266 Stefan Rinke „Ein Drama der gesamten Menschheit“. Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg “A Drama of Humanity at Large.” Latin American Perspectives on the First World War . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 ipabo_66.249.69.239 Einführung: Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive von Oliver Janz Der Begriff des „Weltkriegs“ wurde schon vor 1914 hin und wieder gebraucht. Gemeint war damit kein globaler Krieg, sondern ein Krieg von welthistorischer Bedeutung zwischen den großen europäischen Mächten. In dieser eurozentrischen Bedeutung wurde der Krieg dann auch schon bald nach seinem Beginn als „Weltkrieg“ bezeichnet. Oft sprach man aber auch einfach vom „großen Krieg“, eine Bezeichnung, die sich bis heute in vielen Ländern erhalten hat. Die Historiker haben den Begriff in seiner Unschärfe und auf Europa zentrierten Bedeutung von den Zeitgenossen übernommen. Dabei wurde die globale Dimension, vom Kriegseintritt der USA abgesehen, meist ausgeblendet. Sie ist erst in den letzten Jahren von der Forschung verstärkt in den Blick genommen worden.1 Ein globaler Krieg war der Erste Weltkrieg schon deshalb, weil Frankreich und Großbritannien in diesem Konflikt von Beginn an in großem Stil auf die Ressourcen ihrer Kolonialimperien zurückgriffen.2 Diese waren 1914 größer als jemals zuvor und umfassten ein Viertel der Weltbevölkerung, 440 Millionen Menschen, von denen 90 Prozent auf das Britische Weltreich entfielen. Die britischen Dominions unterstützten die Kriegsanstrengung des Mutterlandes von Anfang an in beträchtlichem Umfang mit Soldaten, aber auch mit Rüstungsgütern und Arbeitskräften. Sie stellten 1,2 Millionen Soldaten, rund ein Sechstel der britischen Streitkräfte. Der Anteil der Rekruten an den wehrfähigen Männern und die Zahl der Gefallenen standen denen des Mutterlands in nichts nach. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich der Erste Weltkrieg tief in das kollektive Gedächtnis dieser Länder eingeschrieben hat. Die Kontingente der Dominions waren zunächst voll in die britischen Streitkräfte eingegliedert. Im Laufe des Krieges wurden sie jedoch immer mehr zu eigenständigen Streitkräften. Auch politisch wurden die Dominions durch den Krieg selbstständiger. Unter Lloyd George entstanden eine ganze 1 Im Folgenden wird auf Literaturangaben zu einzelnen Aspekten weitgehend verzichtet. Überblicke zu einzelnen Ländern, Regionen und Themen auf dem aktuellen Forschungsstand und entsprechende Literaturhinweise finden sich in: Jay Winter (Hg.), The Cambridge History of the First World War, 3 Bde, Cambridge 2014; John Horne (Hg.), A Companion to World War I, Oxford 2010; Gerhard Hirschfeld u. a. (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2009. 2 Vgl. Robert Aldrich u. Christopher Hilliard, The French and British Empires, in: Horne, Companion, S. 524 – 539. Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 147 – 159 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014 ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000 148 Oliver Janz Reihe von imperialen Gremien, in denen ihre Premierminister einbezogen wurden. Sie forderten, ihre Länder als autonome Nationen des „Imperial Commonwealth“ anzuerkennen. Das bezog sich vor allem auf die Außenpolitik, die bisher in der Zuständigkeit Londons lag. Westminister konnte sich diesen Forderungen immer weniger widersetzen. So wurde den Dominions schließlich eine „adequate voice in foreign policy“ eingeräumt. Dieser Souveränitätsgewinn fand seinen sichtbaren Ausdruck darin, dass die Dominions bei den Friedensverhandlungen mit eigenen Delegationen vertreten waren. Insgesamt hat der Krieg die Nationsbildung der Dominions deutlich vorangetrieben, zumal sie der Krieg mit Mythen und Symbolen wie auf der Halbinsel Gallipoli versorgte, die bis heute zum Kernbestand ihrer nationalen Erinnerungskultur zählen. Aber auch aus anderen Teilen des Empire kamen Soldaten und Arbeitskräfte, vor allem aus Indien. Ursprünglich plante London, indische Soldaten nur in Ägypten zu stationieren. Doch seit Anfang 1915 wurden indische Einheiten in Frankreich, in Mesopotamien, Ostafrika, in Gallipoli, in Palästina und auf der arabischen Halbinsel eingesetzt. Insgesamt wurden 1,3 Millionen Inder mobilisiert und 827.000 tatsächlich eingesetzt. Das waren mehr Soldaten als Serbien oder Rumänien in den Kampf geschickt haben. 60.000 indische Soldaten kamen ums Leben, deutlich mehr Gefallene als Belgien zu beklagen hatte. Der Krieg verstärkte in Indien die Bestrebungen, die auf mehr Autonomie und Selbstverwaltung zielten. Der Indische Nationalkongress und die Muslimliga forderten „Home Rule“ nach dem Vorbild der Dominions. 1916 verabschiedeten sie ein gemeinsames Programm, das der einheimischen Bevölkerung eine Mehrheit in den Vertretungsorganen sichern sollte. In der britischen Indienpolitik kam es zu einem Umdenken, zumal sich der hohe Steuerdruck und der Preisanstieg infolge der Kontributionen negativ auf die wirtschaftliche Lage auswirkten. Die Revolution in Russland und die prekäre militärische Lage der Entente spielten den indischen Autonomiebestrebungen in die Hände. Im August 1917 erklärte Indienminister Edwin Montagu vor dem Unterhaus die graduelle Entwicklung der Selbstverwaltung und Selbstregierung Indiens zum Ziel der britischen Politik. Dieses Versprechen wurde 1919 teilweise umgesetzt. Ein Teil der Lokalverwaltung ging nun in indische Hände über. Der Krieg hat zu einer Politisierung der indigenen Eliten und Intellektuellen geführt und zum Eintritt vieler Inder in Provinzpolitik und Verwaltung. Das war eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Darüber hinausgehende Reformen blieben aus. So wurde die Forderung nach einer eigenen Vertretung Indiens auf der Friedenskonferenz nicht erfüllt. Wilsons Parole von der nationalen Selbstbestimmung, die auf dem Subkontinent große Hoffnungen erzeugt hatten, blieb für die Inder ein leeres Versprechen, was erhebliche Enttäuschung auslöste. Frankreich hat ebenfalls in großem Stil Truppen in seinen Kolonien rekrutiert, nämlich 550.000 Soldaten, von denen 438.000 in Europa oder dem Nahen ipabo_66.249.69.239 Einführung 149 Osten zum Einsatz kamen. Die Kolonialsoldaten kamen vor allem aus Nordund Westafrika, aber auch aus Indochina, Madagaskar und Somalia. Sie waren vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Ihre Aufstiegschancen in der französischen Armee waren begrenzt, ihre Verluste besonders hoch. Frankreich rekrutierte zudem rund 220.000 Arbeiter in Übersee. Die meisten von ihnen kamen aus Algerien und Indochina. In China wurden 36.000 Kulis angeworben.3 Die Arbeitskräfte aus den Kolonien wurden in Frankreich streng von der Polizei überwacht, um Revolten vorzubeugen. Viele beschwerten sich über niedrige Löhne und harte Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaften waren von der Anwerbung nicht begeistert. Französische Arbeiter und Soldaten befürchteten, dass ihnen die Arbeiter aus Übersee die Arbeit und die Frauen wegnähmen. Es kam zu Ausschreitungen gegen die Arbeiter aus dem kolonialen Raum oder gegen Kolonialsoldaten, die sich auf Fronturlaub befanden. In Afrika wurden jedoch nicht nur Soldaten für den Krieg in Europa ausgehoben. Es wurde auch gekämpft. Deutschland verfügte hier nur über bescheidende Truppen. Diese waren von ihren Nachschubwegen weitgehend abgeschnitten. Dennoch haben sich die Kämpfe bis November 1918 hingezogen. Das lag vor allem an der Entscheidung der Briten, die Eroberung der deutschen Kolonien ausschließlich mit lokalen Truppen zu bewerkstelligen. Schnelle Erfolge haben die Alliierten nur in Togo erzielt, wo die kleine deutsche Schutztruppe schon Ende August 1914 kapitulierte. Die Eroberung Kameruns, an der sich neben britischen und französischen Truppen auch belgische aus dem Kongo beteiligten, band bereits sehr viel mehr Kräfte und zog sich bis Februar 1916 hin. Die Einnahme Deutsch-Südwestafrikas sollte durch die Südafrikanische Union erfolgen, deren Regierung ein „Greater South Africa“ anstrebte und daher auf das Ansinnen Londons bereitwillig einging. Auch sie zog sich jedoch länger hin als geplant. Der Krieg in Südwest, der im Sommer 1915 zu Ende ging, wurde weitgehend zwischen Weißen ausgetragen, weil die schwarze Bevölkerung dort nach dem Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama bereits beträchtlich dezimiert war und Schwarze in Südafrika von der Armee nur als Hilfskräfte rekrutiert wurden. Am längsten und verlustreichsten war der Krieg um Deutsch-Ostafrika, die größte deutsche Kolonie. Er wies an sich schon globale Züge auf, denn in ihm kamen nicht nur Kolonialtruppen der Briten und Belgier aus anderen Teilen Afrikas, sondern auch Einheiten aus Indien zum Einsatz. Seit 1916 waren auch starke weiße Verbände aus Südafrika beteiligt, am Ende auch portugiesische Einheiten aus Mosambik. Die deutsche Schutztruppe hielt über Jahre hinweg 3 Vgl. Guoqi Xu, Strangers on the Western Front. Chinese Workers in the Great War, Cambridge, MA 2011; Li Ma (Hg.), Les travailleurs chinois en France dans la Premire Guerre mondiale, Paris 2012. 150 Oliver Janz einer erdrückenden Übermacht stand. Die Strategie Lettow-Vorbecks, beträchtliche Kräfte des Gegners an der Peripherie zu binden, lief jedoch letztlich ins Leere, denn die Kolonialtruppen der Alliierten, die jahrelang in Afrika gegen die Deutschen kämpften, wären kaum in Europa eingesetzt worden. Dennoch kann der Krieg in Ostafrika nicht einfach als Nebenschauplatz des großen Krieges abgetan werden. Zwar war die Zahl der eingesetzten Soldaten mit 200.000 recht begrenzt. Die Folgen des Krieges für die Region waren jedoch verheerend. Das lag vor allem daran, dass er als Bewegungskrieg in einem großen Gebiet geführt wurde, in dem es kaum Straßen und Eisenbahnen gab. Da Packtiere für Krankheiten anfällig waren, setzten beide Seiten in großem Stil Einheimische als Hilfskräfte und Träger ein. Insgesamt wurden zehnmal mehr Träger als Soldaten eingesetzt. Allein die Briten haben in Kenia, Rhodesien, Malawi, dem Kongo, Mosambik und Deutsch-Ostafrika mindestens eine Million Träger rekrutiert. Diese Zwangsrekrutierung junger Männer hatte fatale Folgen für die Wirtschaft der gesamten Region, aber auch für die Träger selbst. Denn diese wurden nur unzureichend versorgt und erkrankten daher oft. Vor allem in der letzten Phase des Krieges sanken ihre Kalorienrationen dramatisch. Die Todesrate unter ihnen lag viel höher als unter den Soldaten und entsprach etwa der an der Westfront. Allein von den auf britischer Seite eingesetzten Trägern sind über 100.000 während des Feldzugs gestorben. 45.000 von ihnen stammten aus Kenia, wo sie ein Achtel der erwachsenen männlichen Bevölkerung ausmachten. Auch sonst wurde die Zivilbevölkerung der Region schwer in Mitleidenschaft gezogen. Infolge der fehlenden Infrastruktur und der chronischen Nachschubprobleme mussten sich die Truppen beider Seiten auf ihren Märschen zum großen Teil aus dem Land versorgen. So wurde die einheimische Bevölkerung nicht nur durch die Zwangsrekrutierung der jungen Männer als Soldaten und Träger, sondern auch durch Requisitionen und Plünderungen belastet, die ihre Lebensgrundlagen zerstörten. Hungersnöte und Seuchen waren die Folge. Am härtesten hat der Krieg Deutsch-Ostafrika getroffen. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Kolonie bis Kriegsende rund 650.000 Menschen infolge des Krieges ums Leben kamen, fast ein Zehntel der Einwohner. Der Krieg in Afrika war dem Kontinent, wenn man einmal von dem Subimperialismus der südafrikanischen Führung absieht, weitgehend ein aufgezwungener Krieg, wie Bill Nasson in seinem Aufsatz betont. Dies gilt in erster Linie für die schwarze Bevölkerung, die unter den Folgen des Krieges am meisten zu leiden hatte. Für sie hatten die nationalen Loyalitäten ihrer weißen Herren eine ebenso geringe Bedeutung wie die kolonialen Grenzen, die oft quer zu den ethnischen oder auch natur- und wirtschaftsräumlichen Grenzen verliefen. Die Bevölkerung entzog sich daher der Zwangsrekrutierung oder anderen kriegsbedingten Zumutungen oft durch Flucht in benachbarte Kolonien. Schwarze Soldaten wechselten zudem häufig die Seiten, wenn dies Vorteile versprach. Zu solchen Bewegungen kam es nicht nur zwischen den ipabo_66.249.69.239 Einführung 151 britischen, französischen, belgischen und portugiesischen Kolonien. Kolonialsoldaten aus den britischen Kolonien in Zentralafrika liefen auch zu den Deutschen über, während Askaris aus Deutsch-Ostafrika zur Gegenseite wechselten. Unter den weißen Kolonialbeamten, Militärs und Siedlern vor Ort gab es wenig Begeisterung für den Krieg in Afrika, wie Nasson zeigt. Insofern war LettowVorbeck nicht typisch, so folgenreich sein Handeln auch war. Die deutschen Gouverneure in Afrika taten alles, um die Ausweitung des Krieges auf ihre schwer zu verteidigenden Kolonien zu verhindern. Auch der Gouverneur von Britisch-Ostafrika war gegen den von London befohlenen Krieg in seiner Region. Das Leben der weißen Siedler vor Ort war von starken gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Austauschbeziehungen über die kolonialen Grenzen hinweg geprägt und von der gemeinsamen Abgrenzung gegenüber der schwarzen Bevölkerung. Entsprechend gering war die Neigung, nun die Waffen gegen andere Europäer in benachbarten Kolonien zu ergreifen. Wie breit das Spektrum von Indifferenz, Ablehnung und Resistenz gegenüber dem Krieg in Afrika sein konnte und wie heterogen ihre Faktoren, zeigt Nasson vor allem am Beispiel Südafrikas. Hier gab es weitverbreitete Sympathien mit den Deutschen, die sich aus ganz verschiedenen Quellen speisten. So verbanden viele Zulus mit einem deutschen Sieg im fernen europäischen Krieg die Hoffnung auf eine Wiedergewinnung von Ländereien, die durch das Vordringen britischer Siedler verlorengegangen waren. In der schwarzen Arbeiterklasse Südafrikas war es der Hass auf die britischen Arbeitgeber, für die sie gegen schlechte Bezahlung in Minen, Fabriken oder häuslichen Diensten arbeiten mussten, der zum Jubel über deutsche Siege führte. Die nach Südafrika eingewanderten russischen Juden dagegen hatten nur wenige Sympathien für den Krieg des Britischen Empire, weil er sich an der Seite des Zarenreiches vollzog, dessen Verfolgung sie gerade erst entkommen waren. Besonders unpopulär war der Krieg bei den Buren, von denen viele ihrer Unabhängigkeit nachtrauerten und keine Neigung hatten, gegen die deutschen Kolonisten in Südwest zu kämpfen, die sie im Burenkrieg unterstützt hatten. So löste der von der Regierung beschlossene Krieg unter den Buren sogar einen Aufstand aus, an dem sich über 11.000 Rebellen beteiligten, was den Angriff auf Deutsch-Südwestafrika erheblich verzögerte. Auch anderswo in Afrika ist es während des Ersten Weltkrieges zu Aufständen gekommen, etwa in Britisch-Nyasaland oder im portugiesischen Mosambik, vor allem aber in den französischen Kolonien. Sie wurden vom Krieg insgesamt stärker in Mitleidenschaft gezogen als die britischen und die Herrschaft dort auch stärker destabilisiert. Die bürokratische Infrastruktur wurde durch die Einberufung vieler Kolonialbeamter geschwächt. Die Unterbrechung des Handels mit Deutschland führte zu beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden. Durch die Steigerung der staatlichen Nachfrage kam es zu einer Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln und anderen Gütern. Das traf vor allem die indigene Bevölkerung, die auch unter erhöhten Steuern 152 Oliver Janz und Abgaben zu leiden hatte. Hunger und Epidemien waren die Folge. Verschärfte Zensur, Überwachung und Propaganda konnten nicht verhindern, dass die Unzufriedenheit rasch wuchs. So kam es zu zahlreichen Revolten in Westafrika, Algerien und Marokko. Die größte von ihnen war der GrandeRivire-Aufstand in Westafrika 1915 / 1916, der sich neun Monate hinzog und an dem 160.000 Menschen beteiligt waren. Er wurde mit aller Härte niedergeschlagen, wobei Tausende ums Leben kamen. Diese Revolten waren vor allem Reaktionen auf den zunehmenden Zwang bei der Rekrutierung von Soldaten. 1917 wurde in den afrikanischen Kolonien die Wehrpflicht eingeführt, obwohl die Einheimischen keine Bürger, sondern nur rechtlose Untertanen waren. Daraufhin flohen viele Männer in die portugiesischen oder britischen Nachbarkolonien. Die Revolten bedrohten die Kolonialherrschaft jedoch nicht in ihren Grundfesten, wie Nasson betont. Dazu waren sie in ihrer regionalen Ausdehnung, aber auch in ihren Zielen zu begrenzt, denn sie zielten nicht auf die Abschaffung der Kolonialherrschaft, sondern vor allem auf ein Ende der Aushebungen. Die Kämpfe in Afrika allein machten den Ersten Weltkrieg jedoch noch nicht zu einem globalen Krieg. Militärische Konflikte zwischen den europäischen Mächten außerhalb Europas hatte es schon in früheren Zeiten gegeben. Die Besonderheit moderner Weltkriege besteht vor allem darin, dass sich in ihnen verschiedene regionale Konflikte zu einem globalen Geschehen vernetzen und dass sich im Zuge dieser Ausweitung auch souveräne außereuropäische Mächte beteiligen. Dazu kam es in größerem Umfang erst im Ersten Weltkrieg. Die Bemühungen beider Seiten um weitere Bündnispartner und die Chancen, die der Krieg bisher nicht beteiligten Mächten eröffnete, führten schnell dazu, dass sich der Krieg ausweitete. So wurden immer mehr regionale Konflikte vernetzt, die mit dem zentralen Geschehen wenig zu tun hatten. Diese Dynamik lässt sich nicht nur im Fall von Italien, Bulgarien, Rumänien oder Portugal, sondern auch von Japan, China und dem Osmanischen Reich beobachten. Sie alle versuchten, den europäischen Kernkonflikt auszunutzen. Das Osmanische Reich handelte eher aus defensiven Motiven. Für die Machthaber in Istanbul ging es darum, dem weiteren Machtgewinn Russlands vorzubeugen, verlorene Territorien und Souveränität wiederzugewinnen und internationale Gleichberechtigung zu erlangen. Für das mit Großbritannien seit 1908 verbündete Japan dagegen war der Krieg die willkommene Gelegenheit, um weiter zu expandieren und zur dominanten Macht in Ostasien aufzusteigen. Aber auch Australien und Südafrika nutzten den Krieg zu Expansion und als Souveränitätsgewinn und heizten ihn durch ihren Subimperialismus an.4 4 Vgl. Hew Strachan, The First World War as a Global War, in: First World War Studies 1. 2010, S. 3 – 14. ipabo_66.249.69.239 Einführung 153 Zu einer weiteren Ausweitung des Krieges kam es dadurch, dass Deutschland die Verbindungswege des Gegners durch einen globalen Seekrieg zu stören versuchte. Der unbeschränkte U-Boot-Einsatz hat entscheidend zum Kriegseintritt der USA beigetragen und in ihrem Gefolge auch zu dem zahlreicher lateinamerikanischer Staaten, zumal sich kaum noch ein Staat leisten konnte, abseits zu stehen, da sich nun deutlich abzeichnete, dass die Welt am Tisch der Sieger neu geordnet werden würde. Doch zunächst war es vor allem der Kriegseintritt des Osmanischen Reichs, der den Krieg über Europa hinaus ausweitete. Der Krieg wurde nun in den Kaukasus, nach Mesopotamien, Persien, den Sinai und Arabien getragen. Das hatte beträchtliche Auswirkungen auf den Krieg in Europa. Die osmanische Armee, die fast drei Millionen Mann mobilisierte, band jahrelang starke russische und britische Kräfte. Die Folgen des Krieges für die Region waren in jeder Hinsicht dramatisch. Allein der Völkermord an den Armeniern, die der Kollaboration mit dem Feind verdächtigt wurden, hat schätzungsweise einer Million Menschen das Leben gekostet. Aber auch die übrige Zivilbevölkerung Kleinasiens wurde durch Hungersnöte und Epidemien schwer dezimiert. Über ein Drittel der zivilen Opfer des Ersten Weltkrieges entfielen auf diese Region. Schätzungen gehen überdies davon aus, dass bis zu 27 Prozent der Soldaten der osmanischen Armee im Ersten Weltkrieg ums Leben kamen, deutlich mehr als in fast allen europäischen Streitkräften. Der Erste Weltkrieg war für den Nahen und Mittleren Osten nicht nur ein besonders verheerender und verlustreicher, sondern ähnlich wie für die meisten Teile des ehemaligen russischen Reiches, die von einem jahrelangen Bürgerkrieg verwüstet wurden, auch ein besonders langer Krieg. Aus der Sicht des Nahen und Mittleren Ostens war der Erste Weltkrieg nur Teil eines umfassenderen Konfliktgeschehens, das mit dem italienisch-osmanischen Krieg von 1911 einsetzte, in die Balkankrieg überging und sich erst 1922 einem Ende zuneigte. Ein globaler Blick auf den Ersten Weltkrieg, der diese Regionen einbezieht, relativiert also konventionelle, auf Westeuropa konzentrierte Periodisierungen. Der Krieg in Kleinasien ging nicht mit dem Waffenstillstand von Mudros im Oktober 1918 zu Ende. Die von Mustafa Kemal reorganisierte Armee führte zunächst Krieg gegen die armenische Republik und danach gegen griechische Truppen, die weite Teile Westanatolien besetzt hatten. Diese Kriege, deren Ende mit dem Friedensvertrag von Lausanne im Juli 1923 besiegelt wurde, kosteten nicht nur zahllosen weiteren Soldaten und Zivilisten das Leben, darunter auch bis zu 300.000 Griechen, sie führten auch zu einem großangelegten Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland, mit dem die über zweitausendjährige Geschichte der Griechen in Kleinasien beendet wurde. Der Zusammenbruch des russischen und des osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg führte in der gesamten muslimischen Welt vom Kaukasus und Zentralasien über den Nahen und Mittleren Osten bis hin nach Nordafrika zu einer etwa sechs Jahre andauernden hochgradig unübersichtlichen und 154 Oliver Janz krisenhaften Phase neuer Konflikte und neuer Gewalt, aber auch politischer Neuordnung. Diese manifestierte sich in der Gründung zahlreicher, oft kurzlebiger und daher heute oft vergessener Staatsgründungen unter republikanischem oder zumindest konstitutionellem Vorzeichen, wie Stefan Reichmuth in seinem Beitrag zeigt. Sie wurden in der Regel von einem ideologisch heterogenen Bündnis aus eher an europäischen Vorbildern orientierten säkular-laizistischen und reformislamischen Kräften getragen. Zu einer deutlichen Ausdifferenzierung kam es nur dort, wo die Staatsgründungen wie im Fall der Türkei langfristig erfolgreich waren. Als Klammer dieser ideologisch oft schillernden Strömungen fungierte überall ein populärer „kultureller Nationalismus“, aber auch die gemeinsame Faszination für den Sozialismus und die von den Bolschewiki ausgegebene Lösung der nationalen Selbstbestimmung und antiimperialen Befreiung. Viele der Staatsgründungen vollzogen sich daher zunächst auch im Bündnis mit den Bolschewiki. Das galt nicht nur für die Türkei oder den Iran, sondern auch für die muslimischen Republiken auf dem Gebiet des ehemaligen russischen Reiches im Kaukasus und Zentralasien, bevor die Konsolidierung der Sowjetmacht ihnen ein Ende setzte. Folgenlos waren diese jedoch nicht, denn die vorhergehenden Staatsgründungen prägten die sowjetische Neuordnung in dieser Region in beträchtlichem Ausmaß, wie Reichmuth betont. Aber auch im Einflussbereich der sich meist rasch wieder durchsetzen westlichen Kolonialmächte, in Syrien, Libanon, Jordanien, im Irak und in Nordafrika, wirkten die Selbstständigkeitsbestrebungen nach oder führten sogar, wie in Ägypten, schon bald zu weitgehenden Erfolgen. Der Erste Weltkrieg war ein globaler Wirtschaftskrieg. Die Mittelmächte wurden durch die britische Seeblockade von den Weltmärkten zunehmend abgeschnitten. Sie mussten daher ihre Wirtschaft besonders radikal umstellen. Der U-Boot-Krieg zwang jedoch auch die Entente-Mächte zu einer Konzentration der heimischen Ressourcen auf kriegswichtige Branchen und zur Reglementierung der Importe. Die Westalliierten waren auf allen Feldern kriegswirtschaftlichen Organisation erfolgreicher als die Mittelmächte: bei der Erhöhung der Rüstungsproduktion und der Versorgung mit Rohstoffen, bei der Kriegsfinanzierung und auch bei der Lebensmittelversorgung, obwohl gerade Großbritannien wegen seiner geringen landwirtschaftlichen Produktion besonders verwundbar war. Dies ist vor allem auf die konsequente Ausnutzung globaler Marktmacht zurückzuführen. Zwar entwickelten die Deutschen zahlreiche Ersatzstoffe für kriegswichtige Materialien. Doch letztlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als den zunehmenden Mangel zu verwalten. Der Schlüssel für den Erfolg der Alliierten dagegen war nicht, dass sie ihre begrenzten heimischen Ressourcen immer stärker rationierten, sondern massiv in die internationalen Märkte eingriffen und dort Rohstoffe, Lebens- ipabo_66.249.69.239 Einführung 155 mittel und Güter aller Art in großem Stil aufkauften.5 Das britische Munitionsministerium stieg auf diese Weise zum größten Handelskonzern der Welt auf. Durch den globalen Einsatz der geballten Marktmacht des Staates konnte der private Wettbewerb nahezu ausgeschaltet und die Preise relativ niedrig gehalten werden. Dabei kooperierten die Briten zunehmend mit ihren Verbündeten, um unnötigen Wettbewerb zu vermeiden. 1915 wurde die amerikanische Privatbank J. P. Morgan zum gemeinsamen Einkaufsagenten in den USA ernannt. Mit dem Kriegseintritt der USA machte die Kontrolle der globalen Märkte durch die Alliierten weitere Fortschritte. Sie war deshalb so erfolgreich, weil es außerhalb der Entente kaum Märkte gab, auf denen die Rohstoffproduzenten ihre Waren hätten verkaufen können. Die Importe konnten überdies leicht kontrolliert werden, weil sie über wenige Häfen, vor allem in Großbritannien und Frankreich, liefen. Hinzu kam, dass die Alliierten den internationalen Schiffsverkehr und auch das maritime Versicherungswesen dominierten, dessen Fäden in London zusammenliefen. Schon 1913 befanden sich 60 Prozent der globalen Schiffskapazitäten in britischer Hand. Über ihr weltweites Netz von Kohlestationen, auf das alle angewiesen waren, konnten die Briten Druck auf den Schiffsverkehr der Neutralen ausüben. Auch das hat die Kontrolle des Welthandels erleichtert. Ähnliches lässt sich auch für die Versorgung mit Arbeitskräften sagen, die wegen der Einberufungen überall knapp wurden. Die Deutschen setzten zunehmend Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten ein. Die Franzosen dagegen konnten auf Arbeiter aus ihren Kolonien und China zurückgreifen, aber auch aus Spanien. Am wichtigsten aber war, dass die Mächte der Entente weiter über Zugang zu den globalen Finanzmärkten verfügten, die Mittelmächte dagegen von ihnen ausgeschlossen wurden. Die Briten erhielten Kredite in New York, Russen, Franzosen und Italiener in London. Der Erste Weltkrieg stellte also, wie Adam Tooze und Ted Fertik in ihrem Beitrag argumentieren, keineswegs den Beginn einer Phase wirtschaftlicher De-Globalisierung dar, wie oft behauptet worden ist. Die Weltwirtschaft, die sich im 19. Jahrhundert immer stärker intensiviert und verflochten hatte, wurde im Ersten Weltkrieg nicht zerstört, sondern nur reorganisiert und gegen die Mittelmächte mobilisiert und zwar von den Zentren her, in denen auch bisher ihre Fäden zusammengelaufen waren. Schon deshalb hatte der Erste Weltkrieg tiefgreifende Auswirkungen auch auf neutrale Länder und auf Weltregionen, in denen nicht oder kaum gekämpft wurde. Japan war vor 1914 zur regionalen Großmacht in Ostasien aufgestiegen. Dabei war das Land, das sich im 19. Jahrhundert allen Kolonialisierungsversuchen westlicher Mächte erfolgreich widersetzt hatte, selbst zur Kolonial- 5 Vgl. Theo Balderston, Industrial Mobilization and War Economics, in: Horne, Companion, S. 217 – 233. 156 Oliver Janz macht geworden. Nach dem Sieg über China 1895 waren Taiwan und Südsachalin und nach dem gewonnenen Krieg gegen Russland 1905 Korea unter japanische Herrschaft gekommen. Auch verfügte das Land 1914 bereits über die mit Abstand stärkste Flotte in der Region. Sie bestand aus vierzehn Schiffen, darunter die 1912 fertiggestellte Kongo, die als das größte und am stärksten bewaffnete Kriegsschiff der Welt galt. Der große Krieg, der die europäischen Mächte absorbierte, war für Japan eine willkommene Gelegenheit, seine Stellung in Ostasien weiter auszubauen und sein junges Imperium zu arrondieren. Ein Gesuch der Briten um Hilfe bei der Verfolgung des deutschen Ostasiengeschwaders wurde von der japanischen Führung weit ausgelegt und ohne Zögern genutzt, um in den Krieg gegen Deutschland einzutreten. Ende August nahmen japanische Truppen nach einer mehrwöchigen Belagerung von Tsingtao unter geringen Verluste das deutsche Pachtgebiet an der chinesischen Küste ein. In den folgenden Wochen besetzten die japanischen Truppen auch die größten Teile der deutschen Kolonien im nördlichen Pazifik, die Marianen, Karolinen und Marschall-Inseln. Auch im folgenden Jahr nutzte Japan das kriegsbedingte Machtvakuum in Ostasien weiter aus und setzte gegen das von inneren Konflikten geschwächte China unter Protest der Briten und Amerikaner weitreichende Forderungen durch. Am Krieg in Europa hat sich Japan dagegen militärisch nicht beteiligt, von der Entsendung eines kleinen Flottengeschwaders ins Mittelmeer 1917, das nicht in Kämpfe verwickelt wurde, einmal abgesehen. Insgesamt hat wohl keine der am Ersten Weltkrieg beteiligten Mächte in ihm mit so geringem Aufwand so viel erreicht wie Japan. Größer angelegt war erst die japanische SibirienIntervention im russischen Bürgerkrieg Ende 1918, die bis 1922 anhielt und etwa 5.000 japanischen Soldaten das Leben kostete. Auch wirtschaftlich hat Japan vom Ersten Weltkrieg stark profitiert. Durch die China aufgezwungenen Verträge erhielt das Land Zugang zu wichtigen Rohstoffen wie Kohle und Erz. Der Krieg eröffnete ebenso neue Absatzmärkte, besonders dort, wo die Europäer als Lieferanten von Konsumgütern ausfielen. Die Verbündeten wurden überdies mit kriegswichtigen Gütern beliefert. Für die Industrie, den Handel und den Finanzmarkt des Landes markierte der Krieg daher einen Wendepunkt.6 Industrialisierung und Urbanisierung machten rasch weitere Fortschritte. Dies führte aber auch zu verschärften sozialen Konflikten und steigenden Preisen, die sich 1918 in Unruhen entluden. Japan nahm zudem, auch wenn das Land militärisch kaum in den Konflikt involviert war, über die Medien intensiv am Krieg teil, wie Jan Schmidt in seinem Beitrag herausarbeitet. Diese erreichten infolge technischer Neuerungen nun auch in Japan ein Massenpublikum. Dessen Interesse am Krieg brach 6 Vgl. Wolfgang Schwentker, Japan, in: Hirschfeld u. a., Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S. 593 – 596, hier S. 594. ipabo_66.249.69.239 Einführung 157 mit dem Ende der Kampfhandlungen in Ostasien im November 1914 offenbar keineswegs ab. So brachten die Zeitungshäuser und Verlage über die ganze Dauer des Krieges hinweg eine Fülle Artikel, Sonderhefte und Sachbücher über den fernen Krieg auf den Markt, die oft populär gehalten und reich mit großformatigen Fotografien illustriert waren. Dabei rückten mit der Zeit immer mehr der Kriegsalltag und das Leben an der Heimatfront in den betroffenen Gesellschaften in den Vordergrund. Das Beispiel zeigt, dass der große Krieg ein globales Medienereignis war und einen weltweiten Erfahrungsraum konstituierte, der auch Länder wie Japan erfasste, wenn auch nur indirekt und über die Medien vermittelt. Diese vermittelte Form der Kriegserfahrung war keineswegs folgenlos, denn sie interagierte, wie Jan Schmidt zeigt, in Japan mit der systematischen Kriegsbeobachtung durch zahlreiche Think-Tanks. Sie wurden noch während des Krieges vom Militär, den Ministerien, aber auch großen Unternehmen und anderen Organisationen gegründet, um aus dem Krieg der anderen zu lernen, vor allem im Hinblick auf den nächsten eigenen Krieg, der angesichts wachsender Spannungen mit den USA bereits während des Ersten Weltkrieges in wichtigen Teilen der politischen Klasse des Landes zunehmend als unvermeidlich angesehen wurde. Aus dem großen Laboratorium, das der Krieg für sie darstellte, zogen die Beobachter und Experten der verschiedenen Stäbe in Japan vor allem die Lehre, dass der Weltkrieg zur Mobilisierung ganzer Gesellschaften und Volkswirtschaften führte. Das deckte sich mit dem Bild, das die Medien von diesem Krieg zeichneten, und schlug sich in politischen Diskursen und Empfehlungen an die Entscheidungsträger nieder, die auf staatliche Planung und „Social Engineering“, die stärkere Mobilisierung von Konsens und eine Steigerung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und militärischen Effizienz des Landes zielten. Vor dem Hintergrund dieser Kriegsstudien kam es 1918 zu einer Reform des Bildungssystems nach USamerikanischem Vorbild, die auf mehr Chancengleichheit zielte. Es kam aber auch zu einem Gesetz, das dem Militär in zukünftigen Kriegen weitreichende Befugnisse bei der Mobilisierung der Wirtschaft und der Sicherung von Rüstungsgütern, Rohstoffen, Lebensmitteln und Arbeitskräften einräumte und den Grundstein für ein weitläufiges militärisch-industrielles Planungswesen legte, das bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Bestand hatte. Wie wenig ein auf die diplomatische und militärische Ebene und eine entsprechende Kriegsbeteiligung verengter Blick den globalen Dimensionen des Ersten Weltkriegs gerecht wird, zeigt auch das Beispiel der USA. Während Japan nach dem Ende der Kampfhandlungen in Ostasien militärisch kaum noch in den Krieg eingriff, diesen aber immer aufmerksamer verfolgte, von ihm profitierte und systematisch zu lernen versuchte, waren die USA in vieler Hinsicht längst an ihm beteiligt, als sie im April 1917 auch militärisch in ihn eingriffen. Die Geschichte der USA im Ersten Weltkrieg sauber in eine Phase der Neutralität und eine der Kriegsteilnahme aufzuteilen, verdunkelt daher mehr als sie erhellt. Die USA beteiligten sich wirtschaftlich und finanziell 158 Oliver Janz schon vor ihrem Kriegseintritt immer mehr und immer entschiedener auf Seiten der Entente am Krieg. Viele US-Amerikaner meldeten sich überdies freiwillig zum Kriegsdienst in europäischen Armeen oder sanitären Hilfskorps, darunter auch Frauen. Die nach Klasse, Rasse und Migrationshintergrund hochgradig heterogene Gesellschaft der USA nahm vom ersten Tag intensiven Anteil am Krieg, wobei verschiedene Gruppen ganz unterschiedliche Akteure, Opfer und Räume des fernen Krieges in den Fokus der Öffentlichkeit und ihrer Empathie rückten, wie Jennifer Keene an ausgewählten Beispielen zeigt. Die progressiven Reformer aus den weißen Ober- und Mittelschichten konzentrierten sich auf Hilfsaktionen für Belgien, die in den Händen des von Herbert Hoover geleiteten Committee for Relief in Belgium (CRB) zusammenliefen. Die Organisation, die rasch beeindruckende Dimensionen annahm, finanzierte sich global und agierte immer mehr wie eine eigenständige Macht, in der sich internationaler Humanitarismus mit amerikanischem Nationalstolz zu einem neuen Bewusstsein der privilegierten Stellung und globalen Verantwortung der USA mischten. Die Wortführer der schwarzen Amerikaner dagegen rückten den Einsatz von Kolonialtruppen in den Vordergrund und hofften darauf, dass dieser zu einer Überwindung der globalen Ungleichheit zwischen den Rassen führen werde, während sie das offizielle Selbstbild der USA als Heimstätte und Hüter der Freiheit und der Menschenrechte angesichts der andauernden Diskriminierung der Schwarzen im eigenen Land als Heuchelei brandmarkten. Die oft erst vor kurzem eingewanderten Amerikaner jüdischer Herkunft dagegen konzentrierten ihre Aufmerksamkeit und ihre Hilfsaktionen auf die vor allem in Osteuropa an vielen Fronten neuen Übergriffen und großangelegten Deportationen ausgesetzten Juden. So wurde der Kriegseintritt der USA von der amerikanischen Zivilgesellschaft in vieler Hinsicht vorgeprägt, wie Jennifer Keene unterstreicht. Die Regierung griff bei der Mobilisierung des Landes nicht nur auf die von privaten Hilfsorganisation, allen voran dem CRB, bereits erprobten Methoden der Finanzierung, Logistik und Propaganda zurück, sondern auch auf deren zentrale Botschaft, die das internationale Engagement zur patriotischen Pflicht des amerikanischen Bürgers erhob. Ein weiteres Beispiel für die globalen Dimensionen des Krieges ist Lateinamerika, das in den meisten Gesamtdarstellungen des Krieges bisher überhaupt nicht vorkommt, weil es sich am Krieg militärisch kaum beteiligte, wenngleich viele lateinamerikanische Länder ab 1917 in den Krieg eintraten. Die Folgen des Krieges für die Region waren zahlreich und bedeutsam. Der Krieg in Europa führte dazu, dass die Vereinigten Staaten in der westlichen Hemisphäre, ähnlich wie Japan in Ostasien, noch mehr Handlungsfreiheit erhielten. Sie vertraten nun ihre Interessen in der Region sehr viel offensiver. Einschneidend waren auch die wirtschaftlichen Folgen für die lateinamerikanischen Staaten. Die Blockade zwang diese dazu, ihre Exporte auf die Alliierten und auf kriegswichtige Güter umzustellen. Die USA wurden durch den Krieg für viele Länder zum wichtigsten Handelspartner und Kreditgeber. ipabo_66.249.69.239 Einführung 159 Der Krieg hatte zudem bedeutsame mentale und politische Folgen in der Region, wie Stefan Rinke in seinem Beitrag zeigt. Lateinamerika nahm wie Japan medial voll am Krieg teil und wurde überdies zum Ziel eines heftigen Propagandakrieges zwischen den Mächten. Wichtig ist vor allem, dass sich das Bild Europas bei den intellektuellen Meinungsführern wandelte. Europa erschien nun vielen nicht mehr als das bewunderte Zentrum der Welt und des Fortschritts. Diese Abwertung Europas führte zu einem Legitimationsverlust der Oligarchien, die auf das europäische Entwicklungsmodell gesetzt hatten, und zu einer Neubewertung des Eigenen und gab daher nationalistischen und reformorientierten Kräften Auftrieb. Vor allem die städtischen Mittelschichten traten nun verstärkt mit dem Anspruch auf, im Namen der Nation gesellschaftliche Reformen auf eigenständigen Wegen voranzutreiben. Manche engagierten sich in nationalistischen Parteien, andere in Bewegungen, die für die Rechte der indigenen Bevölkerung oder der wachsenden Arbeiterschaft eintraten. Die Frauenbewegung gewann ebenfalls an Auftrieb. Ähnliches gilt für die Studentenbewegung. Auch sie waren geprägt von der kriegsbedingten Absage an europäische Modelle, von der Rhetorik der Reform und des nationalen Aufbruchs und von der Idee der besonderen Zukunftsfähigkeit Lateinamerikas angesichts der europäischen Katastrophe, die von vielen als Verrat an der Zivilisation und als Rückfall in die Barbarei gesehen wurde. Der Erste Weltkrieg war also, wie die Beiträge in diesem Themenheft deutlich machen, weit mehr als die „Urkatastrophe Europas“. Er war ein globaler Krieg, der auch außerhalb Europas ausgetragen wurde, der sich mit außereuropäischen Konflikten verband und immer mehr die Züge eines weltumspannenden Wirtschaftskrieges annahm. Hinzu kam, dass die Ressourcen der britischen und französischen Kolonialimperien und der Vereinigten Staaten für den Konflikt mobilisiert und auf Seiten der Entente in die Waagschale geworfen wurden. Der Erste Weltkrieg hat die globalen politischen und wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse tiefgreifend verändert. Er war überdies ein globales Medienereignis, das in vielen Teilen der außereuropäischen Welt von Anfang an intensiv beobachtet, debattiert und analysiert wurde. Dabei veränderte sich nicht nur das Bild Europas tiefgreifend, sondern auch die Wahrnehmung des Eigenen und seiner Potentiale. In globaler Perspektive erscheint deshalb eine Erweiterung der „First World War Studies“ überfällig, die nicht nur nach dem oft immer noch unterschätzten Beitrag außereuropäischer Regionen zum europäischen Kernkonflikt fragt, sondern auch nach den komplexen Folgen des Weltkrieg für die außereuropäische Welt, die erst in Ansätzen erforscht sind. Erst auf dieser Grundlage kann die Frage geklärt werden, ob und inwiefern der Erste Weltkrieg das Zeug hat, zu einem globalen Erinnerungsort zu werden. Prof. Dr. Oliver Janz, Freie Universität Berlin, Friedrich-Meinecke-Institut, Koserstraße 20, D-14195 Berlin E-Mail: [email protected] More Than Just von Lettow-Vorbeck Sub-Saharan Africa in the First World War by Bill Nasson Abstract: This article assesses the impact and significance of the First World War in sub-Saharan Africa. Colonial territories were drawn into the war effort in a variety of ways because they were ruled by European powers at war with one another, and because the continent was of strategic significance. While men and material resources were extracted from Africa and while parts of it were devastated by hostilities, at the same time large areas experienced little disturbance. The study explores the wide range of responses to the war displayed by ordinary Africans and considers its larger political legacy for subjects of the colonial order. It is no longer as common as it once was for Africa south of the Sahara, or the great mass of the continent, to be overlooked in general histories of the First World War, although even in more recent years there continue to be exceptions.1 Contemporary overviews of the wider global context of the conflict are more likely to take into account some or other feature of hostilities in Africa. These might include themes such as the enormous logistical difficulties which confronted campaigning forces, “tensions and rivalries” between Allied colonial powers, the heavy human costs and economic disruptions of wartime or, simply, that Africa represented a “lengthy struggle.”2 Indeed, it was here rather than in Europe that the war was actually fought for its longest period. The first guns which went off at the beginning of August 1914 were fired by British West African colonial troops in the AngloFrench invasion of German Togoland. Hostilities also continued beyond the Armistice of 11 November 1918. News of the scheduled end of the war had not reached everyone deep in the bush. In the last recorded armed clash, on 12 November German askaris (local East African soldiers) ambushed a lone enemy motorcyclist. Amongst his captured despatches was a notification of the previous day’s European cease-fire. Still undefeated on African soil, Germany’s remaining East African force learned that their war had been lost elsewhere. Even then, Germany’s last infantry column hung on until a final surrender to British forces under South African command on the southern edge of Lake Tanganyika on 25 November 1918. 1 See, for example, Norman Stone, World War One. A Short History, London 2007; Peter Simkins et al., The First World War. The War to End All Wars, Oxford 2003. 2 Jeremy Black, The Great War and the Making of the Modern World, London 2011, p. 86. Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 160 – 183 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014 ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000 ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 161 This essentially undefeated German campaign in East Africa has left a long legacy that has come to weigh heavily on representations of the war experience in Africa. Again, there are distinguished exceptions in more recent historiography which deal in proportionate significance with the wider arena of the war on the continent.3 But, as often as not, it is varying portrayals and interpretations of the impact and meaning of the war in East Africa that have become emblematic of Africa in the First World War. It is, in other words, an African version of those histories of the war in Europe which boil it down into the experience of the Western Front. Most of all, it is this version which defines a classic 1980s traditional military history of the “Great War in Africa” and, even more so, Edward Paice’s magisterial 2008 “World War I. The African Front,” in which the story is virtually entirely that of East Africa, “the daily horrors of an ill-fated campaign alongside tales of extraordinary courage.”4 At its centre is, of course, a further individual or personal war story, or a microcosmic historical narrative of one kind or another. That is a continuing preoccupation with the character and accomplishments of the potent commander of German forces in East Africa, General Paul Emil von LettowVorbeck, and his lengthy, drawn-out war of resistance against Allied forces which was waged right across East and Central Africa. Ultimately, having done little to cultivate willing support in the field from local African civilians, von Lettow-Vorbeck may no longer be viewed – as completely as he once was – as a consummate tactician of guerrilla warfare. Yet, as a very recent appraisal again emphasises, he remains a mesmerising and self-renewing European figure at the core of Africa’s colonial experience of the World War. Still portrayed as the “Uncatchable Lizard,” von Lettow-Vorbeck’s exploits included leading the only real German invasion of British territory during the war, and fed his elevated status in “becoming the only undefeated German commander of the First World War.” Always in defence and in retreat, he was constantly hitting back and was never in disarray, leading from the front. His daring achievements in slicing into British East Africa (Kenya), British Nyasaland (Malawi) and British Northern Rhodesia (Zambia), made Africa matter at the very moment that Germany’s territorial empire was disappearing. In a sense, it provided a sort of compensatory history that fulfilled exactly “the German need for a hero in the First World War.”5 3 Hew Strachan, The First World War in Africa, Oxford 2004; David Killingray, The War in Africa, in: Hew Strachan (ed.), The Oxford Illustrated History of the First World War, Oxford 1998, pp. 191 – 212; Melvin E. Page (ed.), Africa and the First World War, New York 1987. 4 Byron Farwell, The Great War in Africa, 1914 – 1918, New York 1986; Edward Paice, World War I. The African Front. An Imperial War on the African Continent, New York 2008. 5 Dan Whitaker, “The Uncatchable Lizard”, in: History Today 63. 2013, pp. 29 – 35. For how African soldiers of his army endured his heroism, see Michelle Moyd, “We Don’t 162 Bill Nasson In turn, that outcome inserted a compelling story of its African war effort into German consciousness. For, after 1918, von Lettow-Vorbeck became connected with the creation in domestic war memory of a distant martial folklore, myth and patriotic saga, as “Germany’s military resistance in Africa was interpreted by the inter-war nationalist press as another instance of an army undefeated” before becoming the victim of a spineless home front which “forced the soldiers to capitulate.”6 Stubbornly defiant in defence of Berlin’s last colonial possession, von Lettow-Vorbeck, too, had been brought down by that notorious stab in the back, as the Ludendorff of Tanganyika, in a manner of speaking. There is, then, one distinctive way in which the war in sub-Saharan Africa has come to be carried imaginatively on the back of a determined and ruthless General Paul von Lettow-Vorbeck, as the commander who came closest to keeping “for the Hun, a place in the sun.”7 Or, perhaps, as the enemy who came closest to turning that popular mocking Allied soldiers’ song back on those who were singing it. But there are other dimensions to the war on this continent, possibly less obvious, that are worth some consideration here. For instance, there was the anomaly of Africa’s setting – a European imperial war would disturb it in 1914, even though it was far from being in the balance in the imperial system as a place of overlapping claims among jostling Great Powers. After all, with the region divided by common consent between Britain, France, Germany, Belgium and Portugal, by 1913 any lingering minor colonial territorial disputes had died down more or less completely, and were no source of friction between countries. As recently as 1911, Britain’s Foreign Secretary, Sir Edward Grey, had remarked that it was of little concern to the British if their African colonial neighbour was Germany or France. On the issue of easy coexistence, Grey was not even averse to some vague future arrangement in which Portugal’s African colonies, regarded with contempt as “derelict,” could be divided up between London and Berlin and shared out “in a pro-German spirit.”8 And if there was some loose talk on the European mainland of an expanded Mittelafrika to which the Belgian Congo posed an obstacle, it remained little more than some circumspect speculation.9 If that is where colonial empire in Africa was going, there is certainly much to be said for Bernard Porter’s argument that in 1914 Britain did not go to war with Germany “to get more colonies,” as there was “little to tempt her” in 6 7 8 9 Want to Die for Nothing.” Askari at War in German East Africa, 1914 – 1918, in: Santanu Das (ed.), Race, Empire and First World War Writing, Cambridge 2011, pp. 53 – 76. Sebastian Conrad, German Colonialism. A Short History, Cambridge 2012, p. 187. Sam Naishtad, The Great War Parodies on the East, Central African and Flanders Campaigns, n. p. 1917 (privately published), p. 11. Niall Ferguson, The Pity of War, 1914 – 1918, London 1999, p. 68. See Dirk van Laak, Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert, Munich 2005. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 163 Berlin’s West African possessions of Kamerun and Togo, in South West Africa and in East Africa. Despite optimistic contemporary publicity about the value of the German Empire’s agricultural assets and commercial potential, in total its four colonies “had not made money since they became German colonies, and did not look like doing so.”10 At the same time, the rich mineral holdings and agricultural products of British and French colonial empires may have looked very tempting to a Germany that had been unable to get its teeth into Africa’s most valuable sub-tropical regions. Yet, by 1914, any further territorial gains had slipped far beyond its reach, for Berlin’s colonial armed resources stood no chance of matching that of Britain or France or, for that matter, of even Belgium with its large Congo colonial army, the aggressive Force publique. Although being subject to “Allied propaganda of German militarism,” Germany was in no position to challenge any of its imperial rivals in Africa, as “all of her colonial forces were relatively small and only lightly armed.”11 There was, moreover, in any event no deep urge for local territorial gains. To be sure, there were dreams, such as Berlin’s wishful desire before 1914 to expand German South West Africa northwards, squeezing the weak and incompetent Portuguese out of the southern portion of their West Africa empire (Angola). But dreams they remained. The paradox of Germany’s colonial position was that although its African possessions were clearly part of the Kaiserreich, for its ethos and its national self-image its “own colonies were less important to it” than in the case of France and especially Britain, for whom overseas colonial linkages were “more intense and more important.”12 The war came at a fluctuating time. For in 1914, European powers were still consolidating their colonial control and entrenching their authority after the enormous upheavals and violence of the previous decades brought about by the “Scramble for Africa.” For its part, Lisbon did virtually nothing with Portuguese East Africa (Mozambique) and West Africa, barely able to impose its authority over their African inhabitants, and unable to persuade Portuguese emigrants to switch from Brazil to Africa. Given that halting background, it is worth noting that as the region continued to be restive and intermittently rebellious, imperial states had previously taken care not to drag Africa into wider disputes over global interests. But that resolution to tread carefully evaporated in 1914. In a decisive world contest between imperial powers, “immediately colonial territories in Africa were drawn into World War I because they were ruled by European powers.”13 10 Bernard Porter, The Lion’s Share. A Short History of British Imperialism, 1850 – 2004, Harlow 2004, pp. 227 f. 11 Killingray, War in Africa, p. 114. 12 Conrad, German Colonialism, p. 185. 13 Killingray, War in Africa, p. 112. 164 Bill Nasson In effect, it was not so much a question of war being launched with the wider imperial objective of dispossessing colonial rivals. Ultimately, that capability lay only with Britain and France. It was more a case of an opportunity being presented in that the “the occasion of the war” provided the British with an irresistible chance to get their hands on more of Africa.14 Paris, too, would have been looking to add Germany’s two West African colonies to further integrate its west and central African empire. In the far southwest, if more by underlying design than by circumstantial accident, the leadership of Britain’s newest white settler dominion, the Union of South Africa, formed in 1910, had its eye on an extension of its northern boundaries. For Pretoria, the absorption of German South West Africa represented a phase in its geopolitical destiny to lay the foundations of a cherished “Greater Union” in the aftermath of 1910.15 Beyond that, if Africa was a distant windpipe for warring European states, it mattered mainly because of its strategic location and its resources that could be extracted by colonial powers. A textbook illustration of the advantage of Africa was provided by the French. Once stalemate gripped the Western Front by the autumn of 1914, France’s war looked set to be long and likely to be sustained on an increasingly precarious basis. In Europe, West African and North African colonial troops and agricultural produce “helped to restore the balance” with the central powers.16 The African colonies became an antidote in particular to France’s demographic inferiority next to Germany as riflemen from French equatorial Africa were defending France itself in the trenches between 1915 and 1918. Another and much larger part of the equation lay with Britain and its key sea lanes to the east. There, Cape Town was a vital hub, along with the Royal Navycontrolled naval base of Simon’s Town. If Britain – and France – faced any sort of threat from Germany’s colonies it was that they were all coastal and therefore represented a strategic challenge to Allied domination of the sea routes to, from and around Africa. Communications with, and provisioning of, German commerce raiders and other vessels made the shores of Togo or German South West Africa potentially menacing places. In East Africa and on the huge lakes of Central Africa, Germany had a cruiser and a gunboat presence which were worrying prospects for Britain’s Indian Ocean shipping and its command of the major inland waterways. In reality, there was nothing very much on the horizon in 1914 to endanger British-controlled harbours at Freetown in West Africa or at Kilindini in East Africa. But their colonial rival’s hold on ports, harbour facilities, waterways, shore depots and radio stations was a risk that had to be removed. 14 Porter, Lion’s Share, p. 225. 15 See Ronald Hyam, The Failure of South African Expansion, 1908 – 1948, London 1972. 16 Martin Thomas, The French Empire at War, 1940 – 1945, Manchester 1998, p. 10. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 165 The Allied decision to seize what Germany had, ended any idea of an African neutrality. But conditions for an imperial war of this kind in Africa were by no means straightforward. For the way in which people reacted to the conflict or embraced it was characterised by all manner of uncertainties, ambiguities and unpredictabilities. Thus, while European politicians may not have paused in their enthusiasm for taking the continent to war, the same could not be necessarily be said of many of those actually on the spot – their own higher officials, administrators, soldiers, white colonists and, of course, the great mass of African subjects. I. Ambiguity, Indifference, Illusions and Delusions What was the war, and where was it? In the first place, it never drew in Africa as a whole. In West Africa, the British Gold Coast Regiment and rifle contingents of tirailleurs from neighbouring French colonies were parading in readiness at the end of July, ahead of the declaration of war in Europe. Closing in on the borders of Togo, no time was lost in getting hostilities underway. Yet, the continent’s massive size meant that warfare failed to leave any imprint on much of its land and on the minds of many of its inhabitants. Indeed, in deep parts of both tropical and sub-tropical interior heartlands, the impact of a World War was virtually imperceptible, literally a world away from the total war which developed in Europe. It was not that the war brought little trouble for some rural Africans. There was, probably, virtually no disruption at all for the lives of more isolated and unconnected rural communities. Here, the routine experience of colonial control and its enforced obligations – tax collection, for instance – remained more or less unchanged between 1914 and 1918.17 And if the wartime years brought import shortages and price increases, for some these were more customary than unusual. Given the chronic fragility of local ecological systems and the instability of agrarian supply networks, years of erratic consumption were as normal as the seasons. Africa was more pock-marked than engulfed by a conflict that was spaced out in its impact on daily life. To be sure, millions of ordinary Africans felt what it was to be directly on a major war footing – forced labour, requisitioning of their crops and livestock, military conscription, and the enforced cultivation of particular crops dictated by European war needs. For hundreds of thousands of others, perhaps the most overpowering impact of the World War was the shock of enduring it not in a familiar African environment but in Europe. For colonial conscripts from French West Africa, uprooted and forced to cross the Atlantic to fight in metropolitan France, the war was an especially alarming watershed moment. For some, the experience of being shipped off to the unknown awakened deep inherited memories of the feared Middle Passage of voyages 17 Richard J. Reid, A History of Modern Africa. 1800 to the Present, Oxford 2009, p. 191. 166 Bill Nasson into slavery. In taking men for the defence of the French homeland, “the war caused the largest movement of Africans from their home continent since the Trans-Atlantic Slave Trade.”18 At the same time, though, slow-moving peasant villages far outside the orbit of military activities would also have been left quite untouched. As a British missionary reported of an encounter with several Christian converts in the far west of Northern Rhodesia late in 1916, they had asked about “a faraway” and “cruel war” which villagers had heard was being fought in Europe, and now wished to pray for its many dead souls.19 The penetration of the war was, therefore, always highly uneven, for it did not bite everywhere. Where it did – as in those large eastern and central regions which were consumed most directly by the conflict – the result was harrowing conditions of disease, exposure and malnutrition, contributing heavily to what a leading authority on the East African theatre has called a “colossal butcher’s bill.” This was an official death toll which exceeded “America’s total war dead in the Great War,” with an unknown true figure that may have been as much as double the recorded count of over 100,000 men from all British imperial combat contingents and support units.20 That said, the experiences and perceptions of warfare were not shaped by battlefield carnage on the scale of anything like the Somme. Here, battles which were prepared and ordered were few, short, and involved comparatively small numbers. More generally, the Allied campaigns to seize Togo and Kamerun were not actions in which sides lost heavily. The human cost at the end in July 1915 of South Africa’s short invasion and conquest of German South West Africa was a combined death toll in action of a few hundred soldiers. That relatively light cost may have been a factor in encouraging the Windhoek press to reassure Germany’s colonists that the Union’s victorious Afrikaner troops were “neither Russian barbarians nor undisciplined French, but are men of the same Teutonic extraction as ourselves.”21 Such a resolution was not completely accidental. Simply put, the African battlegrounds of the First World War were “less murderous” than on “Europe’s Western Front or Eastern Front.”22 Apart from anything else, the formidable difficulties of terrain, climate, supply and movement produced offensives in which front-line 18 Timothy Stapleton, The Impact of the First World War on African People, in: John Laband (ed.), Daily Lives of Civilians in Wartime Africa. From Slavery Days to Rwandan Genocide, Pietermaritzburg 2007, pp. 124 – 148, here p. 130. 19 Bulawayo Chronicle, 19. 11. 1916, p. 6. 20 Paice, World War I, p. 3. 21 Deneys Reitz, Trekking On, London 1933, p. 101. 22 Philip Murphy, Britain as a Global Power in the Twentieth Century, in: Andrew Thompson (ed.), Britain’s Experience of Empire in the Twentieth Century, Oxford 2012, pp. 33 – 75, here p. 38. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 167 operations rarely involved enemies lining up in mass for lengthy and deadly exchanges of heavy firepower. Of course, even before the discharging of any guns, Africa hardly resembled a convincing theatre of intensive large-scale war. France had only about 20,000 troops in its west and equatorial African colonies, while in the later 1900s Britain had “a little more than 11,000 soldiers,” controlled by no more than “300 officers and NCOs.”23 Germany was left well to the rear, appearing welldrilled but defensively weak. For instance, Togo’s defences consisted of a small paramilitary force of a few hundred Schutztruppen, while Kamerun was held by a mere handful of Schutztruppen companies, backed by about 1,600 African troops. For their part, Belgium and Portugal had standing forces of poor quality. The latter in any case spent much of its time waging war not against Germany (which declared war on Lisbon early in 1916) but against Africans who defied its colonial authority. These colonial army units – along with paramilitary and ordinary police forces – had been brought up on maintaining internal order and enforcement of the tribute and disciplinary demands of colonial civil administration. In all, they scarcely amounted to a serious mobilisation of military power. For with no envisaged role in external offensives or in repelling enemy invaders, colonial forces looked an unlikely springboard for any launching of expansive war operations. In fact, a basic urge to try to keep Africa out of the war was evident at many levels. Given the massive odds against them, that impulse was especially strong in German ranks. Not sharing the belligerence of his newly-arrived army commander, von Lettow-Vorbeck, Dr Heinrich Schnee, Germany’s East Africa governor, favoured the creation of a regional neutrality, extending an olive branch to the British by trying to have the capital of Dar es Salaam and the port of Tanga declared as open free towns. On the opposite coast, Major Kurt von Doering, acting governor of the tiny Togo, tried to get the British and the French to agree to an armistice to keep the peace and preserve the territory’s neutrality. As he remarked anxiously to the governor of Britain’s Gold Coast, Sir Hugh Clifford, the alternative of battle would expose Africans to the undesirable spectacle of Europeans fighting each other. Whatever their “rivalry,” it was “absolutely necessary to guard” against any undermining “of their common position.”24 Who knew how disastrous the consequences for white prestige and authority might then be? To the immediate northwest of Britain’s newest white settler dominion, the Union of South Africa, German South West Africa’s governor, Theodor Seitz, and his senior officials avoided any show of arms in order not to provoke any South African aggression. Naturally, the colony would be defended against any 23 Reid, Modern Africa, p. 187. 24 The Great War Approaches West Africa, in: The Great War 36. 1914, pp. 14 f., here p. 14. 168 Bill Nasson invasion, but the preference was for sitting out the war until the future of the Kaiserreich was secured by military victory in Europe.25 In fact, two decades earlier, the Kaiser had agreed that in the event of a war with Britain, South West Africa would be relinquished in order for Germany to concentrate its efforts on holding on in East Africa. Nor were such peaceable inclinations confined to local Germans. In similar fashion, the governor of Britain’s East African Protectorate, Sir Henry Belfield, who seemed to be more interested in catching deep water game fish than in capturing the Dar es Salaam wireless station, declared that “the present war was of no interest to British East Africa.”26 The reluctance – and forebodings – of Belfield, Schnee and others like them would be brushed off by their respective governments. But they may serve to remind us of those European imperialists far from home who, content with maintaining the colonial status quo, saw no real need for armed European rivalries to transcend European boundaries. Meanwhile, there were other kinds of scepticism or indifference towards the notion of a general war – or at least one of a modern kind. Given a disabling environment of bad or inadequate roads, primitive railway provision and rivers with fluctuating water levels that made navigation tricky, “the last thing” imaginable was “European enemies” embarking on war, declared one Southern Rhodesian newspaper correspondent.27 In the satirical “An IceCream War,” his memorable 1980s black comedy about the war in East Africa, its author, the leading English novelist William Boyd, captures something of this disbelieving mood in a delicious early exchange between characters. On a sisal plantation close to the border of German East Africa in June 1914, its owner, an American farmer named Temple Smith, laughs incredulously at the reaction to a story from his excited young son. “A big battleship and lots of soldiers” had been spotted during a trip down to the coast. “Soldiers,” his son, Glenway, announces, “Are they going to fight in a war? […] A war?” repeats a mocking Temple Smith, “don’t be silly, Glenway. There isn’t going to be a war. Well, at least not here in Africa, anyways.”28 While people may have been shooting off their mouths in the middle of 1914, a steamy and unhealthy climate made the sustaining of war quite unrealistic. As if to show the world of historical reality corresponding to the world of literary fiction, elsewhere in the novel Boyd turns to a letter from Francis Harold Burgess, a British soldier in the East African Railway Volunteer Force. Writing to his sister at the beginning of October 1914, Burgess informed her that they might have been caught asleep in bed had the enemy in German East 25 See Richard Hennig, Deutsch-Südwest im Weltkriege, Berlin 1920, p. 39. 26 Bill Nasson, Springboks on the Somme. South Africa in the Great War, 1914 – 1918, Johannesburg 2007, p. 90. 27 Rhodesia Herald, 15. 8. 1914, p. 8. 28 William Boyd, An Ice-Cream War, London 1983, p. 42. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 169 Africa “weighed in at once.” Instead, while “all the nations of Europe” had become crazed by war fever and were “flying at each other’s throats,” the pace of events in East Africa remained slow, moving along only “quietly.” Indeed, not much was expected, Burgess assured his sister. They had been informed by an officer that “the war here will only last two months. It is far too hot for sustained fighting, he says, for we will all melt like ice-cream in the sun.”29 He was by no means alone in that sunny conclusion. Two months earlier, Brigadier-General Reginald Hoskins, an experienced local British commander, had suggested that East Africa seemed an improbable arena for sustained hostilities, especially in its unhealthiest low-lying areas. On top of the deadly threat of the tsetse fly to draught horses and cattle, “malaria, stifling heat and oppressive humidity” would quickly bring military operations to a standstill.30 To some of the youthful middle-class volunteers of South Africa’s elite white college schools, it was equally obvious in 1914 that war in Africa was not the war for which they were eager to enlist. Responding to an early call from their country’s minister of defence, Jan Smuts, for the raising of volunteer divisions for defence, there was apprehension about being “stuck” or in having to “vegetate” in garrison duties instead of “boarding the first steamer for the battlefields of the European front.”31 Those were the yardstick by which the war was to be judged. Any African campaign would be another “unglorious” or “undemanding” “bush” expedition of a familiar colonial type. For others, worse was the fear that even that might be missed, as “getting in against the Huns in Africa” would be “a job completed in the blink of an eye, before we ourselves could even get going.”32 In 1914, Europeans on the continent were certainly not without their own short war illusions. And if the long war which came was the nightmare of the East African theatre, there were combatants stuck in it who clung to another otherwise faded illusion, that of a romantic European war of clean manly fighting. “Ah, I wish to hell I was in France,” concluded one frustrated soldier, “there, one lives like a gentleman and dies like a man, here one lives like a pig and dies like a dog.”33 The loose character of colonial borders or boundaries were another influential factor in complicating the nature of the war in numerous parts of the continent. It was not merely that for African societies the political frontiers imposed by imperial powers were often artificial or arbitrary, invariably taking scant account of the customary demarcations of culture, language and ethnicity. It was more the institutional weakness of colonial Africa’s borders, their political irrelevance or even impotence – in 1914 they were not rigid lines behind which defined separate identities had hardened. There were, rather, 29 30 31 32 33 Ibid., Prologue. Nasson, Springboks, p. 91. The Selbornian 2. 1915, p. 17. Diocesan College Magazine 9. 1914, no. 18, p. 24. Angus Buchanan, Three Years of War in East Africa, London 1919, p. xvi. 170 Bill Nasson signs of another spirit among not only Africans but also white settlers. For William Boyd’s character, Temple Smith, “across the border in German East” was a territorial step which he recognised only faintly and infrequently, least of all on those days in trains or on the road when he had travelled earlier along “the other side.”34 For Temple Smith and his half-German and half-English neighbour, Erich von Bishop, whose respective farms in the Kilimanjaro region were separated by only a few miles and a barely-acknowledged British-German border, the Kaiserhof hotel in Dar es Salaam and the Norfolk hotel in Nairobi were virtually indistinguishable as shared weekend drinking places. Circumstances and developments were much the same across some other bordering territories. South Africa’s northern Cape frontier zone with German South West Africa was criss-crossed by close commercial, kinship and other fraternal ties and exchanges between German colonists and instinctively antiBritish imperial rural Afrikaners just south of the Orange river. Indeed, in wild regions such as Gordonia, “English silver was rarely seen,” for there “German money had long been the common currency.”35 Moreover, South West Africa was home to a diaspora community of several hundred Afrikaner settlers, many of them Anglo-Boer War veteran die-hards or bittereinders who had crossed the Orange at the end of that war in May 1902 to establish themselves on German colonial soil rather than submit to a post-war existence under a hated British Crown. Formed as an armed Afrikaner Vrijkorps, some made common cause with their German hosts at the outbreak of war, and “wriggled” about along the border.36 Colonial frontiers in West Africa were also extremely porous. Borders between Kamerun and French Equatorial Africa or between Togo and the Gold Coast were precociously mixed places which sustained a wide range of ties binding together inhabitants of varied colonial status and residence – cash trade, barter exchanges, seasonal labour migration, skilled artisan services and even whitecollar tasks in which a travelling French accountant might assist a German proprietor with book-keeping. The open-handed atmosphere of these free and intermingling daily relations between neighbouring white settlers was evoked in a vivid and fascinating way by the French film director, Jean-Jacques Annaud, in his 1976 anti-militarist war comedy, “Noirs et blanc en couleur,” a satirical depiction of French and German frontier colonists. Annaud’s imaginative historical context appears to have been provided by the Kamerun campaign of 1914 to 1916. There, about 1,000 Schutztruppen and eventually around 6,000 African troops under Major Karl Zimmermann resisted an Allied invasion by much larger British and French (and later Belgian) forces which poured in from surrounding hostile 34 Boyd, Ice-Cream War, p. 13. 35 Tim Couzens, South African Battles, Johannesburg 2013, p. 345. 36 Nasson, Springboks, p. 48. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 171 territories. Karl Ebermeier, Kamerun’s governor, fought a defensive action with a simple strategic plan which involved the abandonment of vulnerable coastal ports, securing of the colony’s more defensible forested and mountainous northern and southern interior plateau, and strict centralised control of the economy, with food rationing and the local manufacture of essential commodities, including munitions. A form of wartime autarky, Ebermeier bargained on it keeping Kamerun going to enable his forces to maintain some territorial control until the coming of what he imagined would be a speedy and complete German victory in Europe.37 In the event, what materialised was a drawn-out, sprawling contest for the colony which crawled on until February 1916 when the last of the German defenders, isolated and trapped in forts far to the north, eventually surrendered. Low-key and swaying backwards and forwards constantly, the battle for Kamerun “spluttered” or “stuttered” to an end.38 Inhabiting a miniature and remote French-German Kamerun borderland, the mostly eccentric and self-indulgent civilian colonists of “Noirs et blanc en coleur” stumble through Annaud’s film. In an isolated spot somewhere far in the northern interior, French and German settlers from settlements on opposite sides of a muddy river go about their shared daily activities. They sell or barter goods, they climb into one another’s beds for sex, they get together for weddings, they lend and borrow when they are short of things, and they grumble together over mutual problems with African labourers and servants considered to be lazy or disrespectful. Without telegraph links, newspapers, and with a postal service that appears to have forgotten about their existence, they are entirely cut off from news and events. Then, there is an unexpected finding of a packet of newspapers from France. Several months old and in poor condition, they would have been thrown away but for the shock of their front-pages. The settlers are startled to discover that war had broken out and, as it was now close to the end of 1914, France and Germany had been at war for months. Consternation is followed by confusion. Their countries had gone to war in Europe, while they had been living peacefully in ignorance in West Africa. Were their German neighbours their enemies? Although unsure of exactly why hostilities had broken out, should they not, as national patriots, join the war themselves? Among the French, there is some uncertainty and hesitation, even bewilderment, about having been swept into a local crisis by baffling events so far away. Dutifully, both groups of Europeans withdraw to their respective sides of a colonial border that has now suddenly assumed a real – and unfriendly – existence. 37 See Killingray, War in Africa, pp. 116 – 118. 38 Gisela Graichen and Horst Gründer, Deutsche Kolonien. Traum und Trauma, Hamburg 2007, p. 323. 172 Bill Nasson Trading, sexual favours and other routine cross-border transactions are swiftly ended. Somewhat reluctantly, French and German civilians re-establish themselves as armed forces and commence light hostilities, hampered by various shortages. Exchanging blows, adversaries conduct an inept skirmishing war, weaving about over dusty hills and along the edges of forests and riverbanks. Although there are few casualties, the consequence of conducting it as a “white man’s war” is that Europeans do the dying. Mindful of the high value of their own lives, the French economise on losses by conscripting unwilling local Africans to undertake much of the fighting.39 As a visual representation of an aspect of the war in West Africa, Annaud’s “Noirs et blanc en coleur” is, obviously, a subversive tableau, a comic melodrama of ineffectual white settlers who find themselves waging a feeble war following a surprised and confused adjustment to circumstances not of their making. Yet it is also, perhaps, a suggestive paradigm through which to view the World War in Africa, as a transplant that did not take very easily, or which had to deal all the time with surrounding difficulties. Naturally, those came mostly from the reactions of ordinary Africans, whether as war spectators or as its participants. II. Alienation and Disaffection Among many Africans themselves, opposition to involvement in the war was a heterogeneous and incoherent phenomenon, highly dependent on place and exceptionally wide and varied local experience. What united them was not really any fully-formed pacifism, but rather an instinctive repudiation of an incomprehensible overseas conflict to which it appeared impossible to relate and whose burdensome demands became increasingly detested. Some of the most vociferous anti-war dissent was very much an ironic product of the influence of mission Christianity, a case of African followers having taken teachings about loving one’s neighbour and turning the other cheek rather too much to heart. Self-consciously ironic, not to say even mocking, was the tone adopted in South Africa in September 1914 by the Xhosa Christian educationist, D. D. T. Jabavu. African people, he ventured, had “been taken by surprise” by the crisis, “that the European nations who led in education and Christianity should find no other means than the sword and accumulated destructive weapons to settle their differences.”40 39 Bill Nasson, Cheap if not always Cheerful. French West Africa in the World Wars in “Black and White in Colour” and “Le camp de Thiaroye”, in: Vivian Bickford-Smith and Richard Mendelsohn (eds.), Black and White in Colour. African History on Film, Oxford 2006, pp. 148 – 166. 40 Imvo Zabantsundu, 8. 9. 1914. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 173 Elsewhere across the continent were scattered signs of religious groups urging people to turn their backs upon an alien war. For instance, in British West African territories such as the Gold Coast and Nigeria, independent African Christian movements flared up in full cry against the conflict, calling on their followings to bear witness in prayer against Europeans involving Africans in their domestic quarrels which belonged overseas.41 Moving towards a psychic spiritual secession from a wartime world that was closing in, these flickering yet passionate rural outpourings could also take on a millenarian colour. For their defining of the war as a curse was to invoke the coming of an apocalyptic moment. After all, from August 1914 it did seem that Europe as the deliverer to Africa of modern progress and civilisation was no longer able to deliver. Instead, having started to destroy itself, those in Africa who had been under the spell of its values and beliefs were now actually in need of being delivered from Europe. Across an enormous tract of territory from Northern Rhodesia across and up to Nigeria and the Gold Coast, a parade of noisy preachers not only expressed themselves through familiar biblical cadences, but defined themselves in those terms, as the carriers of revelation. For those within earshot of their rantings, the message was of an immediate moral imperative to disown a civilisation damned by having given birth to a spreading and ungodly war. What remained was for Africans to prepare themselves to embrace the death throes of a white colonial presence.42 Its small administrative establishment might perhaps also have confirmed the faithful in more fervent beliefs of this kind. For, beyond the coasts of British or French coastal colonies and outside of a more thickly-settled southern Africa, European population clusters were thin, anyway. As the plague of a war-infected European rule receded with the imminent passing of a sinful world, it remained only to welcome the second coming of Christ. Such was one verdict, or prophecy, of those who reacted to the coming of war by forming pockets of internal exile, steeped in a bombastic religiosity. Others did not harbour wild expectations that as a cataclysm the war would turn their world upside down. In southern Africa, for example, theirs was a different sort of exile, that of a quietly insolent withdrawal from being part of a British war, while signalling friendly feelings towards its imperial enemy. Varied observers became dissenters, at times cheeky in their expression of dissent. Thus, in 1915 Chief Mhlolo Mvuso Matanzima Mtirara from the Transkei in South Africa named a new-born son Kaiser in a sneaky celebration of Xhosa41 For West Africa, see Michael Crowder and Jide Osuntokun, The First World War and West Africa, 1914 – 1918, in: Jacob F. Ade Ajayi and Michael Crowder (eds.), History of West Africa, vol. 2, London 1974, pp. 484 – 513. 42 See, for instance, George Shepperson and Thomas Price, Independent African. John Chilembwe and the Nyasaland Native Uprising of 1915, Edinburgh 1967. 174 Bill Nasson German fraternity.43 To the south, along the country’s west coast, there were Afrikaner as well as Coloured fishermen who renamed their boats Kaiser, Bismarck and Berlin, perhaps hoping for a friendly encounter with the German navy in the South Atlantic.44 Elsewhere, on the industrial Witwatersrand, the black working class included mineworkers, industrial operatives and male domestic servants who had learned by experience to associate English owners and English masters with low wages, poor working conditions and authoritarian ways, rather than the rights, liberties and freedoms which featured so prominently in pro-war propaganda. Instinctively, some among them were cheered by European news of German advances against the Allies. On the mines there was, according to one upset press observer, even “clapping” and “virtual gloating” from a band of African workers who had become excited by talk of the likely fall of Paris.45 Meanwhile, in rural localities far away from the industrial heartlands, incoming stories of the war or fragments of battle news about Germans on the move – in Europe or in Africa – circulated through communities which were often no more than semi-literate at most. Digested through a lining of rumours and hazy perceptions, they could exercise a fairly eccentric mental grip. Near the town of Ladybrand, for instance, deep in the interior countryside of South Africa, several white railway workers were interned in December 1914 for appealing to fellow Afrikaners to prepare food stocks and extra bedding to house invading German soldiers in their homes. Others ignored the local animosities of a war which they did not consider to be their cause. In Cape Town, not everyone approved of the rounding up and internment in detention camps of Germans as enemy aliens.46 When the pregnant wives of small communities of German farmers in the western Cape found themselves in difficulty at childbirth because trained English-speaking midwives refused to provide bedside services at home, there was an alternative. It was provided by casual, self-trained amateur midwives, known colloquially as “gamps.” Mostly Afrikaner or Afrikaans-speaking Coloured women, their wartime behaviour was remembered many decades later by a former Coloured nurse. “As far as we were concerned,” she recalled in the early 1970s, “money was money.” A war may have started, “but we weren’t fighting these German people, and anyway German money was the same as anybody else’s money.” As to the position of “the Boer women” who were “known to be gamps,” it appeared to have been perfectly obvious. “All of their people” had “only recently had a horrible time in the Boer War,” so they “certainly had no time for more nonsense then, making trouble around foreign people, especially as it 43 44 45 46 Umtata Herald, 13. 5. 1915, p. 9. Robertson and Montagu News, 21. 9. 1914, p. 5. Diamond Fields Advertiser, 2. 5. 1915, p. 4. Vivian Bickford-Smith et al., Cape Town in the Twentieth Century, Cape Town 1999, p. 50. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 175 was being brought on by the English.” It was, furthermore, “a plain fact” that as “some of those Boer gamps” were “just about German anyway,” it “stood to reason” that they “were happy to help the wives of those farmers, so they could get care.”47 Other rural reactions struck a different and bigger spark. Along the southeastern coast, Zulu peasant communities who had lost their lands after colonial conquest pricked up their ears at news of Britain being at war with Germany. Those most hopeful of a British defeat prepared themselves for the arrival on the Natal coast of Germany’s High Seas fleet, including the preparation of celebratory bonfires on seaside vantage points and the laying in of beer. Again, this was a small ripple of millenarian emancipation from a shrunken peasant world of thin soil and thin cattle, yearnings that a faraway great war might help to restore past losses to English land-grabbing. In that manner of thinking, once Britain fell and South Africa fell with it, the ascendancy of a replacement German empire could provide a more charitable order within which peasants might regain what was rightfully theirs. For once the Germans arrived, something would be done to remedy the Africans’ main grievance, the injustice of “land shortage.”48 In a more diffuse way, other parts of rural Natal as well as the Transvaal and the Transkeian Territories of South Africa’s eastern Cape were criss-crossed by prophetic African preachers, whose accosting of people at railway stations, trading stores and other gathering places infuriated missionaries who denounced them as “a bad breed of hypnotists … preying on the ignorant.”49 Carrying along small knots of listeners, for such bubbling men the outbreak of hostilities was something to be seized on with a display of all-seeing eyes. By breaking out when it did, the war promised a transcendent widening of horizons at precisely a grim moment when those horizons were closing. For 1914 was a continuation of a hard cycle of heavy drought, land erosion and mounting cattle losses. Already bleak circumstances were then made worse by the effects of the war – although varied in impact, some pressed down hard on insecure livelihoods. These included inflationary increases in the cost of basic goods, a slump in the wool market, the abrupt calling in of debt by patriotic white traders who were enlisting in the army, and the loss of seasonal jobs in food and agricultural sectors which had previously been supplying Germany with frozen meat, dried fruit and timber. Such shaky circumstances made despairing peasants and migrant labourers more receptive to a war outlook which brought an almost intangible kind of curious hunger – sightings of 47 Author personal interview, Nurse D. L. Maurice, Cape Town, November 1972. 48 Albert Grundlingh, Fighting Their Own War. South African Blacks and the First World War, Johannesburg 1987, pp. 15 – 18. 49 Foreign Mission Chronicle of the Episcopal Church in Scotland 13. 1915, p. 26. 176 Bill Nasson warships offshore on the Indian ocean, perhaps, or a troop train conveying men to a port – as signs of a redemptive tide, washing in better times to come. Accordingly, the withdrawal in late-1914 and early-1915 of rural garrisons from Transkeian districts for service in the Union’s South West Africa campaign and the depleting of rifle armouries and army storage depots also served to encourage speculation and daydreaming. Here, as well as further afield, there were Africans who had grown up on Moravian and Lutheran mission stations. The touch of their German-run teaching and social activities was still felt when 1914 arrived. Those with that early experience included Solomon Plaatje, the founding secretary of the South African Native National Congress (forerunner of the African National Congress) who had been raised on a Berlin Missionary Society station. Staunchly pro-British and an Empire loyalist, Plaatje was in London with a political deputation when war was declared. Despite his patriotic support of the war he was, nonetheless, still saddened when its declaration prevented him from undertaking a planned sentimental trip to the Berlin Mission headquarters.50 For other rural Africans at home, meanwhile, the resonance of “German” served to demystify the hold of British imperial power. For those geared psychologically to the existence of Germans and of Germany’s distant actions, applauding advances against “the English” and “the King,” became “a kind of metaphor of resistance.”51 In territories shaken up by actual invasion and conquest, such as German South West Africa, the interplay between colonial African identities and German influences was both more colourful as well as different in their social purpose. After 1915, Herero youths, some of whom “had been drawn into the German military establishment both before and after the war,” grew increasingly restive in the atmosphere of early South African military occupation. Striving for opportunities to escape from the patriarchal domination of their elders and to express their independence in an unsettled Herero society, youths formed Otruppa bands, adopting “German-style uniforms, […] singing German military songs, prayers” and other “military aesthetics.”52 With its part in the World War ending, and with a new colonial administration being installed, South West Africa’s young Herero men were swayed by the symbols of a lost German domination. It was, aside from anything else, an ironic sequel to a sub-imperial annexation undertaken on behalf of the British war effort. Elsewhere, in southern African towns and cities, there were recent European immigrants who dismissed Britain’s war on the basis of a traumatic history of 50 Brian Willan, Sol Plaatje. A Biography, Johannesburg 1984, p. 168. 51 William Beinart and Colin Bundy, Hidden Struggles in Rural South Africa. Politics and Popular Movements in the Transkei and Eastern Cape, 1890 – 1930, Johannesburg 1987, p. 201. 52 Molly McCullers, “We Do it so That We Will Be Men.” Masculinity Politics in Colonial Namibia, 1915 – 49, in: Journal of African History 52. 2011, pp. 43 – 62, here pp. 44 – 50. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 177 their own that they had carried along personally into Africa. Thus, Russian Jewish settlers had little appetite for a British imperial war which involved supporting the very Tsarist regime which had persecuted them. Another haunting glimpse of opposition, also derived, ultimately, from outside, was provided by Mohandas Gandhi. Although he had returned to India in July 1914 following his years campaigning against racial discrimination in South Africa, Gandhi continued to cultivate his local Indian associates and liberal white sympathisers. Writing to them three months into the conflict, he urged followers to avoid any involvement in what was degenerating into “an unimaginably brutal and despicable war.”53 Classic instances of actual pacifism, or of a universal anti-militarism, flared up only among the tiniest white radical minorities, voiced by more recent skilled working class migrants. Formed by dissidents in the more industrialised and urbanised hinterland of southern Africa, little socialist bodies like the Industrial Federation and the War on War League announced in 1914 that workers “had no quarrel with Germans or Austrians,” and urged them “to refrain from participating in this unjust war,” nothing other than the evil product of “war mongering” by “great European financiers and capitalists.”54 By the end of 1914 such voices had been almost entirely silenced by censorship, although white radical anti-war dissent was maintained by fringe societies such as the South African Peace and Arbitration Society, through commemoration of the assassinated French socialist leader, Jean Jaurs. As a “Martyr for Peace,” his pacifist internationalism struck a small note not only in French but also in British Africa.55 III. Rebellion Not all Africans who reacted against the conflict held their peace. Parts of the continent were stirred by localised risings and rebellions against the war’s most harsh impositions – mainly conscription, and the brutality with which it was often enforced. Between 1915 and 1917 these included mobilised and highly-organised pockets of armed resistance against French and British colonial authorities in West Africa. Elsewhere, by 1915 British Nyasaland had also become a volatile place as sweeping labour conscription had arrived early, and losses in the early campaigning against von Lettow-Vorbeck’s counterattacking forces had been heavy and demoralising. There, a militant, fireeating evangelical Christian preacher, John Chilembwe, led a brief uprising 53 Milton Shain, The Roots of Antisemitism in South Africa, Charlottesville 1994, p. 172; Peter Brock, Freedom from War. Nonsectarian Pacifism, 1875 – 1914, Toronto 1991, p. 276. 54 War on War Gazette, 18. 9. 1914, p. 5. 55 International, 15. 9. 1915, p. 2. 178 Bill Nasson against colonial authority, ready to be cut down, “to strike a blow and die” in the belief that it might bring on a utopian new dawn of freedom for Africans.56 Two years later, intense anger at mounting tax demands and the forcible recruitment of labourers for wartime construction works and carrier duties in the East African campaign ignited rebellion in Portuguese southeast Africa. Local chiefs in central Mozambique assembled almost 15,000 warriors and launched what became known as the Makombe rising or rebellion, cheered on by the pitiful ignorance of prophetic spirit mediums who used the cleansing rituals of traditional medicine to reassure rebels that any bullets heading for them would be turned into water.57 It was true that these confrontations had some effect on the Allies’ African war effort; as one authority on the continent in wartime has noted, “in all the colonies there were rebellions and resistance” that inevitably “tied down troops that were required” for the more lengthy offensives against the Germans, notably in East Africa but also in Kamerun.58 But it was even more the general ease with which wartime uprisings were put down that is striking: Beyond fierce resistance against what the French, or the Portuguese or the British were seizing, there was little with coherence or with a sense of political purpose to sustain such movements. The fact that the extent of Africans’ organised and armed defiance was limited may also have been due to simple common perception and foresight. With fresh expeditionary reinforcements being mobilised for war by colonial administrations, and with increased numbers of European troops and loyal African auxiliaries on the march, prospects for striking out at European authority could scarcely have looked very promising. Against this background of heightened vigilance, another inevitable failure was the 1914 / 1915 Afrikaner rebellion, a doomed, utopian-inspired rising to try to reclaim a mythical lost Eden of prosperity and freedom for white settlers who had lost out in an imperial British South Africa. Without a shared popular mandate for military action from its white Afrikaner-Anglo electorate in 1914, the Union government’s launching of an unprovoked invasion of German South West Africa carried the risk of creating a domestic crisis. Sure enough, it provided the trigger for what has been characterised as “a desperate rebellion.”59 Led by a few disloyal Afrikaner generals who had resigned from their army command following the outbreak of war, around 11,000 rural rebels – overwhelmingly poor and landless – took up arms and set out to overthrow the 56 Ian Linden and Jane Linden, John Chilembwe and the New Jerusalem, in: Journal of African History 12. 1971, pp. 629 – 651, here p. 631; also, Shepperson and Price, Independent African. 57 Malyn Newitt, A History of Mozambique, Bloomington, IN 1995, pp. 416 – 420. 58 Killingray, War in Africa, pp. 116 f. 59 Albert Grundlingh and Sandra Swart, Radelose Rebellie? Dinamika van die 1914 – 1915 Afrikanerebellie, Pretoria 2009. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 179 government. In a thoroughly delusional state, marginalised rebel Afrikaners who were variously anti-British imperialist, anti-Anglicised Union and enthusiastically pro-German, hoped to turn the tide of the war in a direction favourable to the realisation of their dream. That was of turning the clock back to the pastoral, pre-industrial past of a Boer republican independence that had been lost to Britain at the end of the Anglo-Boer War in 1902. Backwardlooking beliefs in a past of harmonious republican egalitarianism existed mainly in the imagination. For them, wartime had brought the opportunity for militant action “to eliminate foreign political dominance and economic exploitation.”60 For those determined converts to collaboration with the British Empire, the country’s leaders, Louis Botha and Jan Smuts, it was an obstacle to be overcome before they could get on with the war. With more than sufficient loyalist troops, the rebellion was put down with little loss of life. IV. Joining, Running and Inventing When it came to the risking of life, or the offering of bodies for war service, sub-Saharan Africa undoubtedly had its share of willing recruits or consenting conscripts. For some younger men, desperate to free themselves from the domination of village patriarchs, soldiering participation in the war promised travel, adventure and steady if cheap wage employment. Others in French colonies joined to gain the status that came with arms, looking to bring back the masculine prestige of a warrior identity that had been lost after colonial conquest.61 Portugal’s enlistment of African auxiliaries in Mozambique included men attracted not only by pay but also by the personal right to indulge in large-scale plunder, including the carrying off of rebel women and children into virtual slavery.62 Occurring in 1917, “a long and drawn-out nightmare for the Portuguese in Africa,” this episode has been described as “the last great slave campaign in Africa.”63 At the same time, there was some support for war service from small, educated and Westernised African elites, especially in South Africa, for whom patriotic motivation and British Empire duty had real resonance, as did hopes that a 60 S. E. Katzellenbogen, Southern Africa and the War of 1914 – 18, in: Michael R. D. Foot (ed.), War and Society, London 1973, pp. 103 – 128, here p. 117. 61 See Joe Lunn, Memoirs of the Maelstrom. A Senegalese Oral History of the First World War, Oxford 1999; Myron Echenberg, Colonial Conscripts. The “Tirailleurs Senegalais” in French West Africa, 1857 – 1960, Portsmouth 1991. 62 Ren Plissier, Les campagnes coloniales du Portugal, 1844 – 1918, Paris 2004, pp. 287 – 289. 63 Filipe Ribeiro de Meneses, The Portuguese Empire, in: Robert Gerwarth and Erez Manela (eds.), Empires at War, 1911 – 1923, Oxford [2014], pp.179 – 196, here p. 189. 180 Bill Nasson spirit of voluntary service would be rewarded with a less racially discriminatory political and civic order. As one African newspaper put it, the war was a route to proper recognition and acceptance into citizenship, for by becoming “part of the Defence Forces of the Empire and Union,” Africans could show that their interests were “in common with the white people.”64 A sense of cause was also reflected among the motivated white settlers who joined up, mostly early volunteers who went willingly to war either in local colonial campaigns or in Europe. Africa’s Europeans were under no compulsion to fight, and in that sense they did not have to go to war. For those who did, alongside patriotism – a commitment to the defence of their European nationhood – there were social, economic and psychological impulses, similar to those influencing men in settler societies elsewhere, which would have propelled them into war service. At the same time, an enormous number of ordinary Africans responded to recruitment for an imposed and marginal war by running away. Harried by relentless rural conscription drives, many French West Africans turned to mass flight across colonial borders into territories which provided comparative sanctuary from the most feared wartime dangers. Thus, between 1915 and 1917, tens of thousands of potential conscripts from French regions like the Cte d’Ivoire and Dahomey fled to the Gold Coast and other neighbouring British colonies, reassured by knowledge that Britain was not conscripting its African subjects for the horror of European trench warfare. This tactic of disappearing in what has been termed “protest migrations,” represented what had already become a routine way of avoiding burdensome colonial tax and labour demands. In urgent and pressing wartime circumstances, the impulse to hide simply became ever more intense as peasants turned again to one of the favoured “weapons of the weak.”65 To survive in French colonial Africa they needed British colonial Africa. Survival through such larger migrations and by hiding away in remote places until greedy French recruiting sergeants had passed through villages, mixed up the colonial territorial order in more ways than one, especially when it came to the background of many of those who did volunteer. Thus, large numbers of soldiers in the Gold Coast Regiment came not from British West Africa but from the French area of Upper Volta. Similarly, almost three-quarters of the troops of the Rhodesia Native Regiment were not drawn from the southern or northern British South Africa Company colonies, but “from other territories,” including those of Portugal and Belgium.66 In wartime, British regimental African forces may have been less colonially British than in peacetime, or indeed at any time since their establishment. 64 Izwi la Kiti, 12. 8. 1914. 65 Reid, Modern Africa, p. 193; James Scott, Weapons of the Weak. Everyday Forms of Peasant Resistance, New Haven, CT 1985. 66 Timothy Stapleton, Extra-Territorial African Police and Soldiers in Southern Rhodesia (Zimbabwe), 1897 – 1965, in: Scientia Militaria 38. 2010, pp. 99 – 114, here p. 106. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 181 Among Africans themselves, it did not take much to dissolve service loyalties – as they did not come from “nations,” ideas of patriotic “duty” or “obligation” can have had little influence. Switching sides in the war was but a small – and instrumental – step for men who traded their bodies willingly if the price was right. During the long East African struggle, there were soldiers from British Central Africa who went across to serve in the German side, with some even switching back again. With pay and rewards there better than what they were able to get in British ranks, there were troops in the King’s African Rifles and Rhodesia Native Regiment for whom a period of askari service was almost a natural seasonal attraction. And there were deserters from von LettowVorbeck’s forces who filled places in the contingents which they had left. For the Europeans who commanded such men, it could be hard to know not only the strength of their attachments, but exactly who they were. The consequences for control could be amusing. German officers in East Africa often used English terms of command and drill orders. Equally, there were British officers who found it necessary to employ German parade ground address.67 A further key to confusion was the issue of local ethnicities in army recruitment, as from the pre-war era, men “invariably were enlisted from ethnic groups that Europeans deemed to be martial races.”68 Typically, both French and Germans in West Africa enlisted Bambara men, while in Nyasaland the British preference was for Yao recruits. Predictably, various migrant Africans exploited such colonial assumptions themselves, claiming kinship with the masculine “martial spirit” of favoured African combatants. In these fluid circumstances, some of the Africans who volunteered as soldiers invented their identities on the way to an Allied or a German recruiting table. V. A Concluding Reflection What shaped the nature of sub-Saharan Africa’s experience of the World War was, most obviously, its position in the imperial world of 1914. In one sense, the 1919 Versailles conference helped to tidy up and put the final seal on European imperial partition and control of the region. Germany was now out of the African picture, its occupied colonies handed out to the paternalist trusteeship of the victorious Allies as Mandate territories of the newly-created League of Nations. Of equal significance to the experience of the war here was the continent’s sheer size, and its colonial structure and ethos. Beyond the mostly thin lines of Europeans, it lacked a solid social base upon which an organised and enthused mass war involvement could be constructed and sustained. To the south and to the west, warfare came to life lightly and briefly. And where its 67 Risto Marjomaa, The Martial Spirit. Yao Soldiers in British Service in Nyasaland (Malawi), 1895 – 1939, in: Journal of African History 44. 2003, pp. 413 – 432, here p. 425. 68 Killingray, War in Africa, p. 114. 182 Bill Nasson menacing and disorderly presence was felt most intensely in parts of the western zone, it was to extract Africans and immerse them in the foreign experience of an industrial war in Europe. At the same time, there was another side to the picture, that of the sweeping devastation of warfare in East Africa and adjacent areas. There, more than anywhere, was where the war anchored itself at something like a European depth, generating a heavy death count of many hundreds of thousands of transport carriers and civilians, and dramatically worsening subsistence conditions for the living. Elsewhere for the most part, however, the World War in sub-Saharan Africa was not a war of fighting. More an artificial insemination than something which sprang naturally from African conditions and calculations, it was a war of atmosphere, peripheral or half-hidden and generating rumours, myths and visions. Leaving aside its white settler communities, in the long run the Africans of 1914 to 1918 did not come to constitute a generation that was formed by the Great War, or certainly not in any European notion of that experience. As for the local whites themselves, among those who had waged war there, like General Louis Botha and General Jan Smuts, its scope meant that after November 1918 they were not haunted by deep-rooted hatreds and suspicions of the enemy. That may have been one of the reasons why it was, when it came to the settlement at Versailles, that their voices urged Allied conciliation with, and restoration of, a defeated German enemy, with “vindictiveness” being “not at all necessary” in the building of a “civilizing future” for Europe.69 Lastly, and again after 1918, what of the civilising future which Europe proclaimed to have brought to Africa? After all, the “civilizing mission” was the stock ideology by which Europeans “rationalized their colonial domination” of non-European societies.70 On that score, for many Africans in those parts of the continent that were most hit by the war, the experience would have been that of having witnessed “not merely the harsh ambivalence of colonial rule’s ‘civilising mission’, but also the shortcomings and flaws of a weakened European population which was seemingly unable to resolve its war on an allEuropean basis.”71 In the case of France, it needed the subjects of its African colonial empire on metropolitan soil to endure the conflict. The larger impact of ordinary Africans’ wartime grievances and exposure to the sight of Europeans in trouble 69 Rand Daily Mail, 18. 2. 1919, p. 8; see also, Bill Nasson, Armistice 1915 and 1918. The South African Experience, in: Hugh Cecil and Peter Liddle (eds.), At the Eleventh Hour. Reflections, Hopes and Anxieties at the Close of the Great War 1918, London 1998, pp. 213 – 226. 70 Michael Adas, Contested Hegemony. The Great War and the Afro-Asian Assault on the Civilizing Mission Ideology, in: Journal of World History 15. 2004, pp. 31 – 63, here p. 31. 71 Bill Nasson, Africa, in: Jay Winter (ed.), The Cambridge History of the First World War, vol. 1: Global War, New York 2014, pp. 433 – 458, here p. 455. ipabo_66.249.69.239 Sub-Saharan Africa in the First World War 183 is, of course, hard to estimate exactly. Historians of Africa now attach less weight than did earlier scholars to the decisive role of returning war veterans in proto-nationalist protest politics. It is more the Second World War which is seen as the watershed. Nevertheless, it remains the case that “the Great War’s reverberations in the colonies and in colonial relationships” helped to “accelerate the journey” towards modern anti-colonialism and independence.72 For modernising, mission-educated, westernised Africans in particular, one effect of the war had been to illuminate their general predicament. The colonial subjects of the French African Empire may have absorbed the assimilationist doctrine of its civilising mission, only to encounter its hypocrisy – their blackness was no obstacle to acquiring the French language or a taste for Camembert cheese, but it was an obstacle to becoming French. Further south, in 1919 the South African Native National Congress (forerunner of the African National Congress) reminded King George V of Africans’ wartime contributions and sacrifices. Just as the subjects of the Habsburg Empire could anticipate national freedom, what of Africans’ just claim upon the right to self-determination and freedom from discrimination and oppression? Having opened Africans’ sensibilities to a wide and turbulent world, the global war and its aftermath left some of them saying unwelcome things. Prof. Dr. Bill Nasson, University of Stellenbosch, Department of History, Wilcocks Building, Private Bag Xi, Matieland, Stellenbosch 7602, South Africa E-Mail: [email protected] 72 Richard S. Fogarty, The French Empire, in: Gerwarth and Manela, Empires at War, pp. 109 – 129, here p. 129. Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken der Nachkriegszeit von Stefan Reichmuth* Abstract: The large number of independent but often transient states, established between 1917 and 1924, marks these years as some of the most eventful in recent history. This is particularly true for the Muslim world, due to the desintegration of the Ottoman and Russian Empires, which affected many Muslim regions and communities from Central Asia to North Africa. The article offeres an overview of new Muslim states that were founded in this period as republics or as constitutional monarchies with strong parliaments. It also discusses the ambiguity of the secular and Islamic discourses of their leaders and their multiple resources of mobilization and experience. I. Einleitung: Reichszerfall, Revolutionen und republikanische und konstitutionelle Staatengründungen der Nachkriegszeit Muslimische Staaten und Gesellschaften waren mit unterschiedlicher Intensität und auf verschiedenen Seiten in das Kriegsgeschehen des Ersten Weltkriegs verwickelt. Das Osmanische Reich teilte die Niederlage der Mittelmächte, mit denen es in ein Bündnis eingetreten war ; es verlor im Krieg einen Großteil seines Territoriums und überlebte seine Verbündeten, das Deutsche Reich und das Kaiserreich Österreich-Ungarn, nur um wenige Jahre. Das Zarenreich und seine muslimischen Protektorate in Zentralasien wurden ebenfalls beseitigt; die Grundlagen der Staatlichkeit überall verändert. Wie in anderen Regionen der Welt brachte der Friedensschluss 1919 keineswegs das Ende der Kämpfe, die sich in den muslimischen Territorien des ehemaligen Zarenreiches, in den verschiedenen Teilen des besiegten Osmanischen Reiches und Afghanistan, aber auch in Nordafrika noch jahrelang fortsetzten. Kennzeichnend ist dabei eine Vielzahl von neuen Staatenbildungen, die vorübergehend oder auf Dauer in den vom Krieg betroffenen Regionen entstanden. Manche von ihnen existierten nur für wenige Monate oder wurden später, wie innerhalb der Sowjetunion, ganz und gar umgestaltet. Sie fügen sich in das allgemeine Bild einer Nachkriegs-Epoche, die auch in anderen Teilen der Welt, nicht zuletzt in Europa, die Entstehung neuer Staaten * Mein herzlicher Dank geht an Oliver Janz (Berlin), Thomas Philipp (Erlangen) und an die anonymen Gutachter der Zeitschrift für ihre kritische Lektüre früherer Fassungen dieses Artikels. Ebenfalls danke ich Alp Yener (Basel) für wichtige Anregungen und Literaturhinweise. Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 184 – 213 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014 ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000 ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 185 begünstigte. Viele dieser Versuche gingen auf lokale oder regionale Initiativen, andere auf die militärische und diplomatische Unterstützung der Siegermächte zurück. Aber auch diese konnten ihre Vorstellungen und Interessen keineswegs immer durchsetzen, wie die Pariser Friedenskonferenz und ihre verschiedenen Verträge zeigen sollten. Es lohnt sich, das weite Spektrum dieser zum Teil lange vergessenen Staaten im Zusammenhang zu betrachten, zumal sich manche der neuen Republiken, die seit 1990 entstanden, auf die Gründungen nach dem Ersten Weltkrieg als Vorläufer berufen (so zum Beispiel Aserbaidschan). In religiöser und ideologischer Hinsicht stellten der Erste Weltkrieg und die folgenden Jahre auch für die Muslime eine Wasserscheide dar. Islamische und westlich orientierte säkulare politische Strömungen traten vielerorts gegenüber einem Nationalismus zurück, der modernistische wie auch islamische Tendenzen unter staatlicher Lenkung zu verbinden suchte. Gemeinsam war den neuen Staaten der Nachkriegszeit dort, wo sie sich behaupten konnten, in der Regel ein etatistischer Modernismus, der mit unterschiedlichen ideologischen Vorgaben verbunden war, aber dabei stark säkularistische Züge annahm. Hierzu trug auch der Aufstieg des Sozialismus bei, der seit der russischen Revolution 1917 für längere Zeit nicht nur die wachsende Schicht von Arbeitern und Intellektuellen, sondern auch viele islamische Lehrer und Gelehrte faszinierte. Insgesamt verbreiteten sich Sozialismus und Kommunismus seit 1920 in muslimischen Regionen bis nach Südostasien und wirkten auf viele nationale Bewegungen ein. In der islamischen Welt kam es seit 1917 erstmals zur Gründung von Republiken, und zwar auf dem Territorium des ehemaligen Russischen Reiches ebenso wie im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika. Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als eine republikanische politische Ideologie bis dahin unter muslimischen Gelehrten wie Intellektuellen kaum ausgebildet oder gar auf praktische Anwendung vorbereitet war. Erst durch die Herausforderungen, die sich mit dem Zerfall des Zarenreiches und des Osmanischen Reiches stellten, waren die muslimischen regionalen Bewegungen vielfach auf eine republikanische Organisationsform angewiesen; eine Entwicklung, die schließlich 1922 zur Abschaffung des unter britischer Kontrolle politisch desavouierten osmanischen Sultanates und zuletzt 1924 auch des Kalifates beitrug.1 Die muslimischen Nationalbewegungen, die in vielen Regionen, wenn auch mit sehr unterschiedlichem Erfolg, politisch hervortraten, stützten sich auf regionale Allianzen unterschiedlicher muslimischer Gruppen und Schichten und waren konstitutionell oder republikanisch ausgerichtet. Auch die musli- 1 Zum Wechselspiel von Republikanismus, Royalismus und Nationalpolitik in der islamischen Welt der Nachkriegszeit bereits Reinhard Schulze, Geschichte der Islamischen Welt im 20. Jahrhundert, München 1994, S. 83 – 118. 186 Stefan Reichmuth mischen Monarchien, die in dieser Zeit begründet wurden oder ihre Unabhängigkeit erhielten, wiesen viele neuartige Züge auf und blieben oft durch die nationalistischen und republikanischen Strömungen geprägt, die das politische Leben der Nachkriegszeit in starkem Maße bestimmten. Insgesamt zeigt die Forschung der letzten Jahre, dass man im Osmanischen Reich wie auch in vielen anderen Regionen seit dem 19. Jahrhundert die Herausbildung einer breiten kulturellen Basis für regionale Identitäten feststellen kann, welche sich in unterschiedlichen Diskursen und Institutionen artikulierten und dabei religiöse wie nicht-religiöse, nationale und auch säkulare, von europäischen Ideologien beeinflusste Artikulationsformen miteinander verbanden, die je nach Kontext und politischer Konfliktlage in unterschiedlichen Konstellationen in den Vordergrund traten und das öffentliche Leben bestimmten.2 Im Folgenden sollen dementsprechend die verschiedenen republikanischen und konstitutionellen Staatenbildungen mit ihren politischen und ideologischen Trägergruppen und ihren zuweilen widersprüchlichen religiös-politischen Orientierungen dargestellt werden. Die Neugründung der Monarchien in Syrien und Iran sowie die Etablierung einer konstitutionellen Monarchie im unabhängigen Ägypten werden hier wegen ihrer dominierenden Prägung durch nationale und konstitutionelle Bewegungen mit behandelt. Gemeinsam mit weiteren unabhängigen monarchischen Regimen anderen Charakters, wie in Afghanistan, Saudiarabien und Jemen, und der sich nochmals verfestigenden imperialen Herrschaft der europäischen Mächte fügen sie sich in das Gesamtbild einer muslimischen Welt an der Schwelle zum Staatensystem des 20. Jahrhunderts. 2 Siehe hierzu z. B. James L. Gelvin, The Social Origins of Nationalism in Syria. Evidence for a New Framework, in: International Journal of Middle East Studies 26. 1994, S. 645 – 661; ders., „Arab Nationalism“. Has a New Framework Emerged?, in: International Journal of Middle East Studies 41. 2009, S. 10 – 12; Jan Erik Zürcher, The Young Turk Legacy. From the Ottoman Empire to Republican Turkey, London 2010; Michael Provence, Ottoman Modernity, Colonialism, and Insurgency in the Interwar Arab East, in: International Journal of Middle East Studies 43. 2011, S. 205 – 225; für die unterschiedlichen ideologischen Strömungen der spätosmanischen Periode auch Elisabeth Özdalga (Hg.), Late Ottoman Society. The Intellectual Legacy, London 2005. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 187 II. Muslimische Republiken auf dem Territorium des ehemaligen Zarenreiches 1. Der Diskurs der Selbstbestimmung bei den Bolschewiki und die Muslime Der Überblick über die neuen muslimischen Republiken soll hier mit der Auflösung des Russischen Reiches und den Anfängen der Sowjetunion begonnen werden.3 Zum einen steht dieser Prozess auch zeitlich am Anfang der muslimischen Staatengründungen dieser Periode. Zum anderen proklamierte das bolschewistische Russland als erster Staat das Recht der Völker auf territoriale Selbstbestimmung und rief die Völker Asiens und die Muslime gezielt zum Aufstand gegen die Imperialmächte auf.4 Dies hatte sehr weitreichende politische Wirkungen, und die sowjetische Unterstützung kam insbesondere der Republik Türkei in ihrer Gründungsphase zugute. Den Bolschewiki selbst sicherte die emanzipatorische Propaganda die Unterstützung wichtiger muslimischer Gruppen in den umkämpften Regionen im Bürgerkrieg. Die Erklärungen und Reden des amerikanischen Präsidenten Wilson zur Selbstbestimmung, die in vielen Teilen der imperialen Welt ebenfalls große Hoffnungen weckten, stellten in mancher Hinsicht bereits eine Reaktion auf die sowjetische Herausforderung dar.5 Doch die Nachkriegsordnung im Nahen Osten, die die Pariser Friedenskonferenz 1920 in den Verträgen von San Remo und Svres festlegte, enttäuschte die hochgespannten Erwartungen und wurde durch die Resultate des Krieges in Anatolien und durch die Aufstände in den vorgesehenen Mandatsgebieten bald überholt. Die sozialistische Utopie blieb dagegen unter Muslimen auch in religiösen Milieus lange wirksam, selbst als 3 Für einen knappen Überblick Muriel Atkin, Central Asia and the Caucasus from the First World War, in: Francis Robinson (Hg.), The New Cambridge History of Islam, Bd. 5: The Muslim World in the Age of European Domination, Cambridge 2011, S. 517 – 541. 4 Zu Lenins Auseinandersetzungen mit der Frage der Selbstbestimmung der Völker, die bereits 1903 begannen, und zu den frühen Erklärungen und Strategien der Bolschewiki zur Nationalitätenpolitik: Serge A. Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam in Russia, Cambridge, MA 1960, S. 159 – 164; Alan W. Fisher, The Crimean Tatars, Stanford 1978, S. 116 ff.; Jörg Baberowski, Der Feind ist überall. Stalinismus im Kaukasus, München 2003, S. 184 – 214; Jörg Fisch, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Domestizierung einer Illusion, München 2010, S. 138 f. u. S. 148 – 151. 5 Zu Wilson und dem „Wilsonian Moment“ siehe bes. Erez Manela, The Wilsonian Moment. Self-Determination and the International Origins of Anticolonialism, Oxford 2007; zu den Debatten um die Selbstbestimmung im Vorfeld und während der Pariser Friedenskonferenz Margret Macmillan, Paris 1919. Six Months that Changed the World, New York 2003, S. 10 – 14, siehe auch im Index unter „self determination“, S. 564. Zum Einfluss der Erklärungen Lenins und der frühen Sowjetunion auf den internationalen Selbstbestimmungs-Diskurs und indirekt auch auf Wilson, Fisch, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, S. 152 – 157. 188 Stefan Reichmuth die sowjetische Führung unter Stalin seit 1923 immer entschiedener gegen die „Nationalkommunisten“ unter den Muslimen vorging und die meisten von ihnen schließlich in den Säuberungen der 1930er Jahre hinrichten ließ. Auch wenn die frühen Republiken in den muslimischen Regionen meist bereits sehr früh in größere Sowjetrepubliken integriert wurden, trugen sie doch nicht unerheblich zur Entwicklung der föderalen Struktur der Sowjetunion bei. 2. Muslimische Republiken vor der Konsolidierung der Sowjetunion Bereits nach der Februar-Revolution 1917 kamen Vertreter der Muslime aus dem ganzen Russischen Reich vom 1. bis 11. Mai in Moskau zu einem Gesamtmuslimischen Kongress zusammen, um über das politische Selbstverständnis der Muslime im russischen Staatswesen und die innere Ausgestaltung der angestrebten nationalen Autonomie zu beraten und um gemeinsame Positionen zu wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu finden.6 Dabei konnten sich die Vertreter eines regionalen Föderalismus mit weitreichender territorialer Autonomie gegenüber den zumeist tatarischen Delegierten durchsetzen, die eine zentrale politische Repräsentation der Muslime für das gesamte Reich anstrebten. Hiermit waren die politischen Autonomiebestrebungen der Muslime in den verschiedenen Regionen bereits vorgezeichnet. Krim- und Wolgatataren sowie Baschkiren bildeten die einzigen muslimischen Gruppen, die zum aktiven Kriegsdienst in der russischen Armee herangezogen worden waren.7 Religiös-politisch wie auch wirtschaftlich waren Krim- und Wolgatataren sehr stark differenziert und verfügten über eine weit entwickelte Medien- und Bildungskultur. Liberale und Säkularisten, islamische Reformisten, aber auch Sozialisten waren unter ihnen häufig vertreten. Der stark osmanisch geprägte Reformismus der religiösen wie nationalen tatarischen Bildungs- und Erneuerungsbewegung des Jadidismus hatte großen Einfluss unter den Muslimen des russischen Reiches gewonnen.8 So überrascht es nicht, dass in der Wolga-Ural-Region, in Baschkirien und auf der Krim die frühesten Bestrebungen zur Einrichtung autonomer Republiken unter den Muslimen des Reiches festzustellen sind. Die Wolga-Tataren verfügten bereits seit 1917 über einen eigenen Militärrat (Harbi Shuro) und ein eigenes Nationalparlament (Milli Mejlis), die sich um den Aufbau und die Anerkennung eines autonomen Wolga-Ural-Staates bemühten. Unter dem Druck der Roten Armee wurden die von November 1917 bis März 1918 autonomen Strukturen des Idel-Ural6 Christian Noack, Muslimischer Nationalismus im Russischen Reich, Stuttgart 2000, S. 501 – 505; ausführliche Beschreibung bei Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 142 – 153. 7 Noack, Muslimischer Nationalismus, S. 492 f. Bis 1917 waren ca. 600.000 Krim- oder Wolgatataren und ca. 200.000 Baschkiren einberufen worden. 8 Hierzu ebd., S. 135 – 178; für Zentralasien Adeeb Khalid, The Politics of Muslim Cultural Reform. Jadidism in Central Asia, Berkeley 1998. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 189 Staates und der Trans-Bulak-Republik schließlich offiziell am 27. Mai 1920 in eine Tatarische Autonome Sozialistische Sowjet-Republik überführt.9 Die Vertreter der baschkirischen Bevölkerungsgruppe, die den Tataren unmittelbar benachbart, aber im Gegensatz zu diesen noch in großem Ausmaß der Viehzucht und Transhumanz verbunden war, strebten bereits sehr früh nach einer unabhängigen autonomen Republik, in der die Baschkiren die Bevölkerungsmehrheit behalten und die Kontrolle über ihr Land wiedererlangen wollten. Auf Betreiben des baschkirischen Politikers Zeki Velidi Togan, eines muslimischen Säkularisten, der dem Sozialismus nahestand, wurde bereits am 15. November 1917 eine unabhängige Republik Baschkirien ausgerufen.10 Durch eine Allianz mit der Roten Armee, der die Baschkiren wichtige militärische Unterstützung leisteten, wurde im Februar 1919 eine Autonome Sowjet-Republik Baschkirien offiziell von Moskau anerkannt. Zeki Velidi Togan geriet bald in Konflikt mit der sowjetischen Führung, die ihren Einfluss beständig ausdehnte, und floh schließlich nach Afghanistan, um sich der Basmachi-Rebellion gegen die Rote Armee anzuschließen. In der am 4. Juni 1922 von der Sowjetführung neu geschaffenen Baschkirischen Autonomen Sozialistischen Sowjet-Republik stellten die Baschkiren dann tatsächlich nur noch eine Minderheit der Bevölkerung dar.11 Auch die Krim-Tataren organisierten auf Betreiben der nationalistischreformistischen Partei Mill Fırqa bereits sehr früh eine eigene Volksrepublik Krim, die von Dezember 1917 bis zum 23. Februar 1918 bestand und zu deren Präsident der liberale Mufti und Intellektuelle Noman Çelebi Cihan gewählt 9 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 165 – 178; Christian Noack, Muslimischer Nationalismus, S. 523 – 537. 10 Zu Zeki Velidi Togan (1890 – 1970) und seinem bewegten Leben, zunächst als MedresenSchüler mit zunehmend säkularen Neigungen im Ural-Gebiet, dann als Politiker im engen Austausch mit Lenin und Stalin, schließlich als Kämpfer gegen die Rote Armee und als Exilpolitiker und Student in Europa, zuletzt als Historiker in der Republik Türkei, siehe seine Erinnerungen, ders., Htiralar, Istanbul 1969, teilweise ins Englische übersetzt von Hasan B. Paksoy, Memoires. Struggle for National and Cultural Independence of the Turkestan and other Moslem Eastern Turks, http://www.spongobongo.com/zy9857.htm; ferner Friedrich Bergdolt, Der geistige Hintergrund des türkischen Historikers Ahmed Zeki Velidi Togan nach seinen Memoiren, Berlin 1981; Hasan B. Paksoy, Basmachi Movement from within. Account of Zeki Velidi Togan, in: Nationalities Papers 23. 1995, S. 373 – 399; ders., An Encounter between Z. V. Togan and S. Freud, in: International Bulletin of Political Psychology 4. 1998, http://vlib.iue.it/ carrie/texts/carrie_books/paksoy-6/cae15.html. 11 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 195 – 208; Christian Noack, Muslimischer Nationalismus, S. 515 – 519, S. 526 ff. u. S. 531 ff.; Daniel Schafer, Local Politics and the Birth of the Republic of Bashkortostan, 1919 – 1920, in: Ronald G. Suny u. Terry Martin (Hg.), A State of Nations. Empire and Nation-Making in the Era of Lenin and Stalin, Oxford 2001, S. 165 – 190. 190 Stefan Reichmuth wurde. Bereits nach wenigen Monaten wurde diese Republik von sowjetischen Marinestreitkräften zerschlagen, ihr Präsident erschossen. Danach bestand sie unter der vorübergehenden deutschen Besetzung der Krim wiederum einige Monate (12. Mai 1918 bis Ende Oktober 1918).12 Im Kampf mit der Weißen Armee Denikins schlugen sich die Anhänger der nunmehr verbotenen Mill Fırqa auf die Seite der Roten Armee. Im November 1921 wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim geschaffen, und die Anhänger der Nationalpartei wurden in die Kommunistische Partei aufgenommen, was bis zur 1929 einsetzenden Sowjetisierung und den damit verbundenen Deportationen und Hinrichtungen eine „nationalkommunistische“ Verwaltung erlaubte. Trotz der insgesamt äußerst kritischen militärischen Lage des Osmanischen Reiches hatte Enver Paşa, der osmanische Kriegsminister, nach dem Frieden von Brest-Litovsk (3. März 1918) und dem Rückzug der russischen Armee aus Ostanatolien seinen Versuch einer osmanischen Expansion nach Osten erneuert. Dazu hatte er eine eigene Heereseinheit, die Armee des Islams für den Kaukasus (Kafkas Islam Ordusu) aufstellen lassen. Hierbei wurde Baku im September 1918 noch für zwei Monate bis zur Kapitulation im November besetzt. Aus den wechselvollen Kämpfen um das kaukasische Aserbaidschan und um die Öl-Metropole Baku, an denen sich russische, osmanische, britische, armenische und lokale muslimische Streitkräfte und Milizen beteiligt hatten und die mit einer schier endlosen Kette von Pogromen an den jeweils unterlegenen Gruppen verbunden waren, erfolgte nach der Auflösung der ersten Transkaukasischen Demokratisch-Föderativen Republik am 28. Mai 1918 in Tiflis die Gründung der Demokratischen Republik Aserbaidschan,13 die sich zunächst in Gandscha, dann ab Dezember erst unter britischer und später unter osmanischer Protektion in Baku etablierte. Parlament und Regierung wurden von der aserbaidschanischen säkularnationalistischen Musawat (Gleichheits)-Partei in wechselnden Koalitionen mit anderen Parteien dominiert. Im Parlament waren neben der MusawatPartei auch Liberale (Ahrar), Islamische Unionisten (Ittihad), eine Muslimisch-Sozialdemokratische Partei (Himmat) sowie Abgeordnete der Armenier und anderer Minderheiten vertreten. Der Staatspräsident Ali Mardan TopÅıbaşı / Topčibašev nahm mit einer Delegation 1919 an der Pariser 12 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 254; Fisher, The Crimean Tatars, S. 109 – 129; Hasan B. Paksoy, Art. Crimean Tatars, in: Paul D. Steeves (ed.), Modern Encyclopedia of Religions in Russia and the Soviet Union, Bd. 6, Gulf Breeze, FL 1995, S. 135 – 142. 13 Zenkovsky, Pan-Turkism and Islam, S. 254 – 267; Tadeusz Swietochowski, Himmat Party. Socialism and the Nationality Question in Russian Azerbaijan, 1904 – 1920, in: Cahiers du monde russe et sovitique 19. 1978, S. 119 – 142; ders., Russian Azerbaijan, 1905 – 1920. The Shaping of National Identity in a Muslim Community, Cambridge 2004; ders., Russia and Azerbaijan. A Borderland in Transition, New York 1995; Johannes Rau, Islam und Demokratie. Der erste Versuch. Die Aserbaidschanische Demokratische Republik, Frankfurt 2001; Baberowski, Der Feind ist überall, S. 142 – 183. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 191 Friedenskonferenz teil, konnte dort aber angesichts der weiterhin instabilen und ungeklärten politischen Situation in der Region keine internationale Anerkennung erreichen. Nach der erneuten Besetzung Bakus und der Übernahme der Ölfelder durch Einheiten der Roten Armee beugte sich die Musawat-Regierung dem kommunistischen Ultimatum, trat am 28. April 1920 zurück und übergab die Geschäfte an den Führer der sozialdemokratischen Himmat-Partei, Nariman Narimanov, dem es in der Folge gelang, die aserbaidschanischen Gebietsansprüche gegenüber Armenien durch seine engen Kontakte zur sowjetischen Führung durchzusetzen und sich dieser als Partner unentbehrlich zu machen.14 Trotzdem kam es nach einem muslimischen Aufstand in Gandscha im Mai 1920 zu äußerst blutigen Vergeltungsmaßnahmen der Roten Armee. Aserbaidschan wurde Teil der Transkaukasischen Föderation, die auf Betreiben Stalins am 12. März 1922 erneuert wurde und die bei der Schaffung der Sowjetunion am 30. Dezember 1922 als eigenständige politische Struktur neben die Russische Föderation, Weißrussland und die Ukraine trat. Trotz seiner „nationalkommunistischen“ Tendenzen, die er so erfolgreich wie kein anderer der muslimischen Politiker zu vertreten wusste, stand Narimanov bei der sowjetischen Führung bis zu seinem Tod in hohem Ansehen und wurde noch zu Lebzeiten zum „Führer des Orients“ stilisiert. In Zentralasien entstanden zunächst ebenfalls mehrere autonome Republiken in unterschiedlich enger Anbindung an die Bolschewiki. Von diesen brach die Nationale Autonome Regierung Turkestan in Kokand (11. Dezember 1917 bis 2. Februar 1918) bereits sehr früh mit der Eroberung von Kokand durch die Armee der Sowjet-Regierung von Taschkent zusammen.15 Dies führte zu einem Aufflammen des lokalen Widerstandes gegen die Bolschewiki in der bereits erwähnten Basmachi-Bewegung, die sich bald vom Ferghana-Tal über die ganze Region ausbreitete und deren Aktivitäten sich bis in die dreißiger Jahre hinzogen.16 In den Khanaten von Khiva und Buchara, in denen Reformbewegungen entstanden waren, die sich stark an den tatarischen Jadidisten und an 14 Zu Narimanov (gest. 1925), seinem politischen Werdegang und seiner Position im sowjetischen Machtgefüge siehe Baberowski, Der Feind ist überall, S. 223 – 313. 15 Zenkowsky, Pan-Turkism and Islam, S. 233 – 236; Baymirza Hayit, Die nationalen Regierungen von Kokand (Choqand) und der Alash Orda, Diss. Universität Münster 1950. 16 Zur „Basmachi“-Bewegung Martha B. Olcott, The Basmachi or Freemen’s Revolt in Turkestan 1918 – 24, in: Soviet Studies 33. 1981, S. 352 – 369; Baymirza Hayit, Basmachi. Nationaler Kampf Turkestans in den Jahren 1917 bis 1994, Köln 1993; Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 103 ff.; Hasan B. Paksoy, Art. Basmachi. Turkish National Liberation Movement 1916 – 1930s, in: Paul D. Steeves (ed.), Modern Encyclopedia of Religions in Russia and the Soviet Union, Bd. 4, Gulf Breeze, FL 1991, S. 5 – 20. 192 Stefan Reichmuth den osmanischen Jungtürken orientierten,17 wurden diese Gruppierungen der Jung-Khivaner und Jungbucharioten zu Partnern der Sowjetarmee bei ihrer Eroberung der beiden Staaten (Khiva 1. Februar 1920; Buchara 2. September 1920). An ihre Stelle traten in Khiva die Choresmische Sowjetische Volksrepublik (26. April 1920 bis 20. Oktober 1923)18 und in Buchara die Sowjetische Volksrepublik Buchara (18. Oktober 1920 bis 19. September 1924),19 in denen jeweils die Reformisten die Regierung übernahmen, bis die Zentrale in Moskau auch hier ihren Einfluss geltend machte und die Gründung von Sowjetrepubliken veranlasste. Diese wurden Teil der Sowjetunion. Ihr Territorium ging 1925 größtenteils in der Sowjet-Republik Usbekistan auf. Für die Republik Buchara, die intensiver untersucht worden ist, ergibt sich aus den vorhandenen Quellen eine intellektuelle Zweigleisigkeit der regierenden Jungbucharioten, die sich gegenüber der Zentrale im Russischen des sowjetisch-marxistischen Diskurses bedienten, während die usbekischen Dokumente von der islamischen Reform-Rhetorik der Jadid-Bewegung und der Osmanen geprägt waren.20 In den Dokumenten der islamischen religiösen Stiftungen aus Buchara in dieser Periode zeigt sich die Republik nach wie vor als islamischer Staat.21 Dies steht in deutlichem Gegensatz zu Aserbaidschan, wo bereits die Republik die religiösen Stiftungen weitgehend abgeschafft hatte.22 Das Misstrauen der Moskauer Führung in die jungbuchariotische Regierung blieb freilich groß, und allen Versuchen einer eigenständigen Außenpolitik, wie der Einrichtung eigener Konsulate im Ausland oder der Versuche zum Aufbau eigener Kontakte zum Deutschen Reich, setzte sie 17 Hierzu besonders Khalid, The Politics of Muslim Cultural Reform. 18 Seymour Becker, Russia’s Protectorates in Central Asia. Bukhara and Khiva, 1865 – 1924, Cambridge, MA 1968. 19 Hlne Carrre d’Encausse, Rforme et rvolution chez les Musulmans de l’Empire russe, Paris 19812 ; Becker, Russia’s Protectorates in Central Asia; Bert Fragner, Sowjetmacht und Islam. Die Revolution von Buchara, in: Ulrich Haarmann u. Peter Bachmann (Hg.), Die Islamische Welt zwischen Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Hans Robert Roemer zum 65. Geburtstag, Beirut 1979, S. 146 – 166; Gero Fedtke, Jadids, Young Bukharans, Communists and the Bukharan Revolution. From an Ideological Debate in the Early Soviet Union, in: Anke von Kügelgen u. a. (Hg.), Muslim Culture in Russia and Central Asia from the 18th to the Early 20th Centuries, Bd. 2: Inter-Regional and Inter-Ethnic Relations, Berlin 1998, S. 483 – 512; Adeeb Khalid, The Bukharan People’s Soviet Republic in the Light of Muslim Sources, in: Die Welt des Islams 50. 2010, S. 335 – 361; Philipp Reichmuth, „Lost in the Revolution“. Bukharan waqf and Testimony Documents from the Early Soviet Period, in: Die Welt des Islams 50. 2010, S. 362 – 396. 20 Khalid, The Bukharan People’s Soviet Republic. 21 Philipp Reichmuth, Lost in the Revolution, S. 395 f. 22 Altay Göyüşov u. ElÅin Äskärov, Islam and Islamic Education in Soviet and Independent Azerbaijan, in: Michael Kemper u. a. (Hg.), Islamic Education in the Soviet Union and its Successor States, London 2010, S. 168 – 222, hier S. 170. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 193 entschiedenen Widerstand entgegen. Nach der Konsolidierung der sowjetischen Herrschaft wurden die führenden Politiker der Republik abgesetzt und fielen späteren Säuberungen zum Opfer. Die Basmachi-Bewegung wurde ebenfalls erst um 1925 entscheidend geschwächt; Enver Paşa, der sich dieser Bewegung angeschlossen hatte, um ein türkisches Kalifat in Zentralasien zu begründen, war bereits 1922 in der Nähe von Duschanbe (im heutigen Tadschikistan) gegen die Rote Armee gefallen. Wie andere pan-islamische Aktivisten, die gegen die britische Vorherrschaft kämpften, hatte er zuvor in engem Kontakt mit den Bolschewiki gestanden und noch 1920 selbst am Kongress der Völker des Ostens in Baku teilgenommen.23 Mit Schaffung der Usbekischen Sowjetrepublik, in die die Volksrepubliken Buchara und Choresmien im selben Jahr eingegliedert wurden, war die Rolle der muslimischen Reformisten und ihres Diskurses im Herrschaftsapparat der UdSSR endgültig beendet. III. Republiken und konstitutionelle Bewegungen im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika 1. Türkei Der zeitweilig bemerkenswert erfolgreiche, letztlich aber katastrophale Verlauf des Krieges für die Osmanen kann hier nur ganz summarisch wiedergegeben werden.24 In der Allianz mit dem Deutschen Reich und den anderen 23 Erik J. Zürcher, Turkey. A Modern History, London 20042, S. 157 f.; Stephen White, The Baku Congress, 1920, in: Slavic Review 33. 1974, S. 492 – 514, hier S. 508. Zu Enver Paşa und zu den verschiedenen Stationen seines Exils nach Ende des Krieges Şuhnaz Yılmaz, An Ottoman Warrior Abroad. Enver Paşa as an Expatriate, in: Middle Eastern Studies 35. 1999, S. 40 – 69. 24 Zu Kriegsbeginn und Kriegsverlauf aus z. T. sehr unterschiedlichen Blickwinkeln: Zürcher, Turkey, S. 113 – 132; Stanford J. Shaw u. Ezel Kural Shaw, History of the Ottoman Empire and Modern Turkey, Bd. 2: Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey, 1808 – 1975, Cambridge 1977, S. 310 – 339; Mustafa Aksakal, The Ottoman Road to War in 1914. The Ottoman Empire and the First World War, Cambridge 2008; ders., The Ottoman Empire, in: Jay Winter (Hg.), The Cambridge History of the First World War, Bd. 1: Global War, Cambridge 2014, S. 459 – 478; Robin Prior, The Ottoman Front, in: ebd., S. 297 – 320; Gotthard Jäschke, Zum Eintritt der Türkei in den Weltkrieg, in: Die Welt des Islams 19. 1979, S. 223 – 225. Für eine detaillierte militärhistorische Darstellung des Kriegsverlaufes auf osmanischer Seite Edward J. Erickson, Ordered to Die. A History of the Ottoman Army in the First World War, Westport 2001; sowie neuerdings zur allgemeinen Analyse der osmanischen Kriegführung und Mobilisierung und ihrer Schwierigkeiten, insbesondere der weitverbreiteten Desertion, Mehmet BeşikÅi, The Ottoman Mobilization of Manpower in the First World War, Leiden 2012; ferner zu Todes- und Krankheitsraten Hikmet Özdemir, The Ottoman Army 1914 – 1918. Disease and Death on the Battlefield, Salt Lake City 194 Stefan Reichmuth Mittelmächten blieb die osmanische Regierung auf intensive Militärhilfe von deutscher Seite angewiesen und übernahm die Verpflichtung zur offensiven Kriegführung gegen Russland in Ostanatolien und gegen Großbritannien in Ägypten, um die Mittelmächte an den europäischen Fronten durch die Bindung großer feindlicher Heereseinheiten zu entlasten. Dies entsprach auch den „turanistischen“ Zielen Enver Paşas und der jungtürkischen Führung, die einen Vorstoß in den Kaukasus und nach Zentralasien anstrebte, um nach den Verlusten in Europa das Reich durch den Anschluss der Turkvölker zu erweitern, die sich unter russischer Herrschaft befanden. Beide Offensiven scheiterten schnell. Der von Enver Paşa selbst geleitete Großangriff auf die russischen Stellungen bei Sarıkamış südwestlich von Kars endete im Januar 1915 mit katastrophalen Verlusten. Der Vorstoß gegen den Suez-Kanal, den Cemal Paşa, der Gouverneur Syriens, gleichzeitig unternahm, blieb ohne Erfolg, auch weil die erhoffte Unterstützung durch die Ägypter ausblieb. An beiden Fronten verschärften sich die Spannungen im Verhältnis der Osmanen zu Teilen der einheimischen Bevölkerung. Die Führung der Regierungspartei der Jungtürken beschuldigte die Armenier im heftig umkämpften Ostanatolien der Kooperation mit der russischen Armee und beschloss bereits im März 1915 die Deportation der armenischen Bevölkerung Anatoliens nach Syrien. Die Deportationen begannen im Mai und entwickelten sich in der Folge zu systematischen, sehr wahrscheinlich auf zentrale Anordnungen zurückgehenden Vernichtungsaktionen, an denen die Spezialeinheiten der Partei (Teşklt-i Mahssa) sowie lokale Milizen und Stammesgruppen maßgeblichen Anteil hatten und denen bis zum Ende der Maßnahmen im Spätsommer 1916 schätzungsweise rund eine Million Menschen zum Opfer fielen.25 In Syrien machte Cemal Paşa die syrischen Truppen für den 2008. Zur Frage des „Jihad Made in Germany“ zusammenfassend Gottfried Hagen, German Heralds of Holy War. Orientalists and Applied Oriental Studies, in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East 24. 2004, S. 145 – 162; Tilman Lüdke, Jihad Made in Germany. Ottoman and German Propaganda and Intelligence Operations in the First World War, Münster 2005; zur osmanischen Kriegspropaganda und ihren begrenzten Erfolgen Erol Köroğlu, Ottoman Propaganda and Turkish Identity. Literature in Turkey during World War I, London 2007. 25 Zürcher, Turkey, S. 114 – 117; zur Diskussion des Genozids an den Armeniern ferner Fikret Adanır u. a., Einleitung. Der Kaukasus im Schatten des islamisch-christlichen und des türkisch-armenischen Verhältnisses, in: ders. u. Bernd Bonwetsch (Hg.), Osmanismus, Nationalismus und der Kaukasus. Muslime, Christen, Türken und Armenier im 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2005, S. 1 – 19; Hans Lukas Kieser u. Dominik J. Schaller (Hg.), Der Völkermord an den Armeniern und die Shoah, Zürich 2002; Ronald Grigor Suny u. a. (Hg.), A Question of Genocide. Armenians and Turks at the End of the Ottoman Empire, Oxford 2011; Uğur Ümit Ungör, The Making of Modern Turkey. Nation and State in Eastern Anatolia, 1913 – 1950, Oxford 2011, S. 51 – 106; Hans-Lukas Kieser u. Donald Bloxham, Genocide, in: Winter, The Cambridge History of the First World War, S. 585 – 614. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 195 Misserfolg verantwortlich.26 In der Folge ging er mit großer Härte gegen arabische Anhänger der osmanischen Oppositionspartei sowie gegen Mitglieder arabischer nationalistischer Geheimgesellschaften vor und ließ 1915 und 1916 verschiedene prominente libanesische und syrische Notabeln in Beirut unter der Anklage verräterischer Kontakte zu den Franzosen hinrichten.27 Durch diese Maßnahmen schuf er sich erbitterte Gegner unter der arabischen Oberschicht und gab dem arabischen Nationalismus erheblichen Auftrieb. Wichtige Prestigegewinne hatten dagegen zur selben Zeit die Verteidigungsoperationen gegen britische Offensiven an den Dardanellen und im Irak gebracht. Das alliierte Landeunternehmen auf der Halbinsel von Gallipoli führte zu einem Stellungs- und Grabenkrieg zwischen alliierten und osmanischen Verbänden, der vom April bis Dezember 1915 unter hohen Verlusten auf beiden Seiten andauerte und mit dem Rückzug der alliierten Truppen endete.28 Mustafa Kemal Paşa, Divisionskommandeur der osmanischen Truppen, erwarb sich durch seine maßgebliche Rolle bei der erfolgreichen Verteidigung einen Ruf, der nach 1918 die Grundlage für seine führende Rolle in der Unabhängigkeitsbewegung bilden sollte. Nach dem Friedensvertrag von Brest-Litovsk vom 3. März 1918 und dem Rückzug russischer Truppen aus ganz Ostanatolien, einschließlich der seit 1878 besetzten Gebiete (Ardahan, Kars und Batum) unternahm die wieder erstarkte osmanische Dritte Armee eine Offensive gegen die nachgerückten armenischen Truppen, die bis Ende April unter heftigen Kämpfen zur Rückeroberung der gesamten ostanatolischen Region führte.29 Nachdem die Armee im Verlauf von 1917 / 1918 nach heftigem Widerstand von britischen und arabischen Verbänden aus Syrien verdrängt worden war, bezog sie in Adana ihr neues Hauptquartier und richtete sich auf die Verteidigung Anatoliens ein.30 Doch als schließlich Anfang Oktober mit dem Zusammenbruch Bulgariens die entscheidenden Versorgungslinien zum Deutschen Reich verloren gingen, sah sich das Osmanische Reich zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen, die mit dem Waffenstillstand von Mudros am 30. Oktober 1918 vollzogen wurde. Insgesamt sind im Krieg nach Schätzungen von Edward J. Erickson von 2.873.000 mobilisierten osmanischen Soldaten 26 Salim Tamari, Shifting Ottoman Conceptions of Palestine. Part 1: Filistin Risalesi and the Two Jamals, in: Jerusalem Quarterly 47. 2011, S. 28 – 38, hier S. 31. 27 Hasan Kayalı, Arabs and Young Turks. Ottomanism, Arabism and Islamism in the Ottoman Empire, 1908 – 1918, Berkeley 1997, S. 192 ff.; Tamari, Shifting Ottoman Conceptions, S. 31 ff. 28 Erik J. Zürcher, Between Death and Desertion. The Experience of the Ottoman Soldier in World War I, in: Turcica 28. 1996, S. 235 – 358, hier S. 243 f.; Klaus Kreiser, Atatürk. Eine Biographie, München 2008, S. 84 – 94. 29 Edward J. Erickson, Ordered to Die, S. 183 ff. 30 Ebd., S. 201 ff. 196 Stefan Reichmuth 771.844 (26,9 Prozent) in Gefechten und an Verwundungen und Krankheiten gestorben oder vermisst geblieben.31 Das Ende des Osmanischen Reiches vollzog sich nach der Kapitulation in einem wechselvollen Prozess, der sechs Jahre andauerte. Er reichte vom Waffenstillstand in Mudros am 30. Oktober 1918 über die Friedensverträge von Svres am 10. August 1920 und Lausanne am 24. Juli 1923 bis zur Proklamation der Republik Türkei am 29. Oktober 1923 und schloss die Abschaffung des osmanischen Sultanates am 1. November 1922 und zuletzt auch die des Kalifates am 3. März 1924 ein.32 Dieser Prozess begann mit einer ersten Phase, die circa von 1918 bis 1920 andauerte und in der der kurz vor Kriegsende ernannte Sultan Mehmed VI. Vahideddin und seine Regierung versuchten, den Vorgaben der Siegermächte zu entsprechen, um günstige Friedensbedingungen zu erreichen. Zugleich strebte er danach, die Macht der in den Resten des Staatsapparates und im Parlament nach wie vor tonangebenden jungtürkischen Nationalisten zu brechen. Diese Politik scheiterte letztlich an den harten Bedingungen des Friedensvertrages von Svres. Zur gleichen Zeit gelang es den Nationalisten ihrerseits, aus dem Untergrund in Istanbul den publizistischen und bewaffneten Widerstand gegen die von den Siegermächten geplanten territorialen Abtrennungen in Anatolien zu mobilisieren und die verbliebenen osmanischen Truppen zu reaktivieren. Es wurde eine große Zahl lokaler Widerstandskomitees eingerichtet. In Ostanatolien, das nach dem Waffenstillstand von osmanischen Truppen geräumt werden musste, etablierte sich im November 1918 in Kars eine vorläufige türkische Regierung, die nach heftigen Kämpfen im April 1919 von einem britischen Expeditionskorps aus Batum besiegt und gestürzt wurde, wonach Kars vorerst wieder unter armenische Kontrolle kam.33 Die Entsendung von Mustafa Kemal, der offiziell von der Regierung mit der Durchführung der im Waffenstillstand vorgesehenen Demobilisierung in Anatolien betraut worden war, ermöglichte es ihm schließlich, entgegen seinem Auftrag die Mobilisierung des nationalen Widerstandes und der verbliebenen Truppen entschlossen voranzutreiben. Auf zwei nationalen Kongressen in Erzurum am 23. Juli 1919 und in Sivas vom 4. bis 11. September 1919 formierte sich unter seiner Führung eine Gesellschaft zur Verteidigung der Rechte von Anatolien und Rumeli Anadolu ve Rumeli Müdafaa-i Hukuk 31 Edward J. Erickson, Ordered to Die, S. 211. 32 Aus der umfangreichen Literatur zur Entstehungsgeschichte der Republik Türkei soll hier nur auf die folgenden Titel verwiesen werden: Zürcher, Turkey, S. 133 – 165; Shaw u. Shaw, Reform, Revolution, and Republic, S. 327 – 372; Kreiser, Atatürk, S. 130 – 228; Bernard Lewis, The Emergence of Modern Turkey, London 19752. 33 Wilhelm Barthold u. Colin J. Heywood, Art. Kars, in: Peri Bearman u. a. (Hg.), Encyclopedia of Islam, Bd. 4, Leiden 19782, S. 671. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 197 Cemiyeti.34 Zugleich wurde er entgegen der Befehle aus Istanbul von den lokalen Kommandeuren als Oberbefehlshaber der Truppen in Anatolien anerkannt. Das Ende 1919 neu gewählte Parlament des Reiches verabschiedete einen „Nationalen Pakt“, der die Ziele des Widerstandes formulierte und sich dabei an die Erklärungen der beiden vorangegangenen Kongresse in Anatolien anlehnte. Mit der Besetzung Istanbuls durch die Alliierten am 16. März 1920 und der Gründung einer gewählten Großen Nationalversammlung (Büyük Millet Meclisi) in Ankara am 23. April 1920, der sich 92 aus Istanbul geflohene Parlamentarier anschlossen, war auch die Trennung zwischen der Istanbuler Regierung einerseits und dem Parlament und der Führung des Nationalen Widerstandes in Ankara andererseits endgültig vollzogen. Sie wurde von wechselseitigen Verurteilungen durch die Fatwas führender islamischer Gelehrter auf beiden Seiten begleitet. Kemal und die Nationalisten, die sich weiterhin als Beschützer des Sultan-Kalifen präsentierten, bemühten sich mit großem Erfolg um die Unterstützung der religiösen Würdenträger in Anatolien. Die Friedensverhandlungen in Paris 1919 bis 1920, bei denen die Vertreter des Osmanischen Reiches unter demütigenden Umständen empfangen wurden, und der für das Reich desaströse Friedensvertrag beraubten Sultan und Regierung jeglicher Grundlage für eine glaubwürdige Politik. Der Vertrag von Svres ließ vom Osmanischen Reich lediglich einen Rumpfstaat übrig, der Istanbul, einen schmalen Gürtel auf der europäischen Seite des Bosporus sowie das nördliche Kleinasien umfassen sollte.35 Die Reste der europäischen Türkei sowie Izmir und seine Umgebung sollten an Griechenland gehen, die Meerengen internationalisiert werden. Ostanatolien war als Teil einer unabhängigen Republik Armenien ausgewiesen, Kurdistan wurde die Autonomie und das Recht auf spätere Unabhängigkeit zugesprochen. Frankreich erhielt neben seinen Mandaten für Libanon und Syrien eine Einflusssphäre in Südanatolien, desgleichen Italien im Südwesten und Westen. Großbritanniens Mandate umfassten Palästina, Transjordanien und den Irak. Die Tatsache, dass Griechenland im offiziellen Auftrag der Konferenz Izmir und seine Umgebung bereits im Mai 1919 besetzt hatte, verstärkte in Anatolien die Entschlossenheit zum Kampf, der bei Unterzeichnung des Vertrages durch die Istanbuler Regierung bereits im Gange war. 34 Für den Inhalt der Erklärung von Erzurum, die die nationalen Ziele des Widerstandes formulierte, Shaw u. Shaw, Reform, Revolution, and Republic, S. 344 f. 35 Zur Behandlung der Aufteilung des Osmanischen Reiches auf der Friedenskonferenz und zum Vertrag von Svres Zürcher, Turkey, S. 147; Macmillan, Paris 1919, S. 366 – 380 u. S. 427 – 455, siehe auch Karte, S. xxi; Paul C. Helmreich, From Paris to Svres. The Partition of the Ottoman Empire and the Peace Conference of 1919 – 1920, Columbus, OH 1974. Englische Fassung des Vertrages: The Peace Treaty of Svres, in: The World War I Document Archive, http://wwi.lib.byu.edu/index.php/Peace_Treaty_of_Svres. 198 Stefan Reichmuth Die entscheidende zweite Phase von 1920 bis zum September 1922 umfasst den Unabhängigkeitskrieg, der von Armee und Milizen zunächst im Osten gegen die Truppen der armenischen Republik geführt wurde. Danach richtete er sich gegen die griechische Armee, die im Westen im Sommer 1920 ihre Besatzung auf ganz West- und Nordwest-Anatolien ausgedehnt hatte. Den anatolischen Streitkräften gelang es, die armenischen Verbände allmählich aus den ihnen zugesprochenen Provinzen zu verdrängen; zu gleicher Zeit verhandelte die Regierung in Ankara mit der Sowjetunion über einen Vertrag, der ihr umfassende finanzielle und militärische Hilfe verschaffen sollte. Nach dem türkischen Sieg über Armenien, besiegelt durch einen Diktatfrieden von Gümrü am 2. Dezember 1920, verlagerten sich die Kämpfe auf die westliche Front, wo der Vormarsch der griechischen Armee am Inönü am 10. Januar 1921 erstmals zum Halten gebracht wurde. Nach diesem Sieg krönte Ankara seine Verhandlungen mit der Sowjetunion am 16. März 1921 mit einen Freundschaftsvertrag, der ihr eine umfassende finanzielle und militärische Unterstützung zusicherte. Er dokumentiert das Interesse beider Regierungen an internationaler Anerkennung und markiert zugleich den Wechsel in der Strategie der Bolschewiki vom Revolutionsexport hin zu einer strategischen Unterstützung von Staaten und Bewegungen, die sich im Kampf mit den Imperialmächten befanden und damit sowjetischen Interessen dienten.36 Die siegreiche vierzehntägige Schlacht am Sakarya-Fluss – nur 50 Meilen von Ankara entfernt – gegen die erneute Offensive der griechischen Armee, und die türkische Offensive, die im folgenden Sommer am 26. August 1922 begann, erzwangen den vollständigen griechischen Rückzug aus Anatolien. Er wurde am 9. September mit der türkischen Besetzung von Izmir beendet, das offenbar von den siegreichen Eroberern in Brand gesteckt wurde.37 Eine militärische Konfrontation zwischen den britischen Besatzungstruppen und den nach Istanbul vorrückenden türkischen Truppen wurde durch einen neuen Waffenstillstand in Mudanya am 10. Oktober 1922 vermieden. Mit diesem Waffenstillstand begann die dritte Phase, die von Ende 1922 bis 1924 reichte und die internationale Anerkennung und interne Konsolidierung der Republik und ihrer Verfassung einschloss. Als die Istanbuler Regierung Ankara vorschlug, eine gemeinsame Delegation zur Friedenskonferenz nach Lausanne zu schicken, führte dies in Ankara zu heftigen Reaktionen und schließlich zur Abschaffung des Sultanates durch die Nationalversammlung am 1. November 1922. An die Stelle des abgesetzten Sultans, der auf einem 36 Zu diesem Strategiewechsel, der sich gleichzeitig auch in Freundschaftsverträgen mit dem Iran und Afghanistan niederschlug, Baberowski, Der Feind ist überall, S. 249 f. Ihm fiel auch die 1919 in Baku gegründete türkische Kommunistische Partei zum Opfer, deren Führer in der Türkei ermordet wurden. Zu den wechselvollen frühen Beziehungen zwischen der Türkei und den Bolschewiki Bülent Gökay, A Clash of Empires. Turkey between Russian Bolshevism and British Imperialism, London 1997. 37 Kreiser, Atatürk, S. 170 ff. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 199 britischen Kriegsschiff am 17. November ins Ausland floh, trat sein Vetter Abd ül-Mecid II. als Kalif, der auf strikt religiöse Funktionen beschränkt wurde. Die Souveränität des Staates verblieb bei der Nationalversammlung. Die langwierigen Verhandlungen in Lausanne führten schließlich zu einem Vertrag, der am 24. Juli 1923 unterzeichnet wurde und die Türkische Republik als souveränen unabhängigen Staat, nahezu in ihren heutigen Grenzen, anerkannte. Die Hatay-Region um Iskenderun und Antakya kam 1939 hinzu. Mit Griechenland wurde ein weitgehender Bevölkerungsaustausch der jeweils verbliebenen Minderheiten vereinbart.38 Ansprüche Armeniens und Kurdistans blieben unerwähnt. Mit dem Abschluss dieses Vertrages ging für die Türkei eine lange und äußerst verlustreiche Zeit der Kriege zu Ende: Weltkrieg und Unabhängigkeitskrieg hatten etwa 2,5 Millionen anatolischen Muslimen das Leben gekostet, daneben circa einer Million Armeniern und bis zu 300.000 Griechen.39 Nach der Ratifizierung des Vertrags von Lausanne und dem Abzug der Alliierten aus Istanbul proklamierte das Parlament am 29. Oktober 1923 die Republik Türkei. Mustafa Kemal wurde zum Staatspräsidenten gewählt. Mit der Abschaffung des Kalifates am 3. März 1924 durch die Nationalversammlung wurde schließlich die letzte symbolische Verbindung der Türkei zum Osmanischen Reich gelöst. Zugleich wurde jeder Anspruch auf internationale islamische Autorität aufgegeben, den die osmanische Politik seit den Tagen Abd ül-Hamids II. besonders betont hatte. Dies traf insbesondere die muslimische Nationalbewegung in Britisch-Indien, für die die Unterstützung des osmanischen Kalifates nach 1919 eine zentrale politische Bedeutung gewonnen hatte und die nunmehr ihren externen Rückhalt verlor.40 Zugleich wurden auch das einflussreiche Amt des Şeyh ül-Islam und die islamischen Gerichte und Schulen abgeschafft. Hiermit lösten Mustafa Kemal und seine Anhänger die Allianz mit dem islamischen Flügel der Nationalisten und setzten in der Folge mit großer Entschlossenheit ein „laizistisches“ Reformprogramm durch, das den Aufbau eines modernen zentralistischen Staats- und Wirtschaftsapparates begleitete. In den folgenden Jahren wurden sowohl die 38 Siehe zum Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland und seinen Folgen z. B. Rene Hirschon (Hg.), Crossing the Aegean. An Appraisal of the 1923 Compulsory Population Exchange between Greece and Turkey, Oxford 2003; Onur Yildirum, Diplomacy and Deplacement. Reconsidering the Turco-Greek Exchange of Populations, 1922 – 1934, New York 2007. 39 Zürcher, Turkey, S. 163 f. 40 Zur Kalifatsbewegung und ihrer Rolle in der Nationalbewegung in Indien seit 1918, M. Naeem Qureeshi, Pan-Islam in British Indian Politics. A Study of the Khilafat Movement, 1918 – 1924, Leiden 1999; Gail Minault, The Khilafat Movement. Religious Symbolism and Political Mobilization in India, New York 1982. 200 Stefan Reichmuth religiösen Bruderschaften41 als auch die jungtürkischen Kader, die beide wichtige Beiträge zum Unabhängigkeitskrieg geleistet hatten, von ihm entschlossen bekämpft und an den Rand gedrängt.42 Die Erfolge Mustafa Kemals im Befreiungskrieg wie bei der Errichtung einer autoritären republikanischen Herrschaft und bei der Modernisierung der Türkei stießen unter Muslimen auf ein weites, wenn auch zwiespältiges Echo.43 Trotz vielfacher, meist religiöser Bedenken wurden sie von vielen politischen Aktivisten als Vorbild betrachtet, insbesondere von den reformistisch und modernistisch gesonnenen Militärs und Bürokraten im Nahen und Mittleren Osten, die innerhalb monarchischer Staaten oder unter Kolonialherrschaft tätig waren. 2. Iran Der nördliche und nordwestliche Iran war ebenfalls verschiedentlich zum Kriegsschauplatz geworden. Osmanische Vorstöße ins iranische Aserbaidschan und Kermanschah, aber auch in weiter südlich gelegene Regionen flankierten die wechselvollen Kämpfe in Ostanatolien und im Kaukasus bis zum Ende des Krieges. Verschiedene ethnische, tribale und religiöse Gemeinschaften wurden immer wieder auf verschiedenen Seiten in diese Kämpfe hineingezogen. Deutsche Diplomaten und Agenten gewannen in den ersten Kriegsjahren vorübergehend großen Einfluss auf Herrscher und Regierung, die aber an ihrer Neutralität festhielten. Der Vormarsch russischer Truppen führte 1915 zur Emigration einer größeren Zahl oppositioneller Abgeordneter des Parlamentes, das damit seine Beschlussfähigkeit verlor. In Kermanschah bildeten sie eine vorläufige nationalistische Gegenregierung.44 Diese erkannte den Schah formell weiterhin an, stand aber in enger Beziehung zu den Deutschen. Sie unterhielt enge Beziehungen zu dem Komitee iranischer Nationalisten, das 1915 unter dem demokratischen Abgeordneten Seyyed Hasan Taqizade mit deutscher Unterstützung in Berlin gegründet worden war und dort bis 1919 eine einflussreiche persischsprachige Zeitung (Kāveh) herausgab. Der Abzug der osmanischen Truppen aus Kermanschah unter dem Druck des britischen Vormarsches im Irak hatte 1917 auch der vorläufigen Regierung ein Ende bereitet. Der offiziell neutrale Iran blieb dabei trotz aller Kämpfe auf seinem Territorium und trotz ökonomischer Krisen und Hun41 Zur Rolle der Sufi-Bruderschaften in der Unabhängigkeitsbewegung Hülya KüÅük, The Role of the Bektāshı̄s in Turkey’s National Struggle, Leiden 2002. 42 Zürcher, Turkey, S. 166 – 175. 43 Für die zeitweise engen Beziehungen zwischen Kemal und den arabischen Nationalisten z. B. Eliezer Tauber, Syrian and Iraki Nationalist Attitudes to the Kemalist and Bolshevik Movements, Middle Eastern Studies 30. 1994, S. 896 – 915; Provence, Ottoman Modernity. 44 Hierzu und zum folgenden besonders Mansoureh Ettehadiye, The Iranian Provisional Government, in: Touraj Atabaki (Hg.), Iran and the First World War, London 2006, S. 9 – 27. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 201 gersnöte als Staat in seinen Grenzen der Vorkriegszeit erhalten. Eine Anerkennung als Siegermacht blieb ihm freilich verwehrt. In der Provinz Gilan im Nordiran konnte sich für kurze Zeit zwischen Juni 1920 und September 1921 eine Persische Sozialistische Sowjetrepublik etablieren.45 Sie ging aus einem Bündnis der nationalistischen Jangali-Bewegung unter Mirza Kuchak Khan mit den Bolschewiki hervor, die im Mai 1920 Truppen in die Region entsandt hatten. Mirza Kuchak Khan (1880 – 1921) hatte seit 1915 gegen die zaristischen Truppen und später auch gegen die Briten im Nordiran gekämpft und dabei in enger Verbindung mit deutschen und osmanischen Militärs und Diplomaten gestanden. Er hatte sich zeitweilig auch mit den Briten verständigt und verfügte über gute Kontakte zu den Bolschewiki in Baku. Die Jangali-Bewegung, die er über mehrere Jahre anführte und die zu den bedeutenden politischen Kräften im Nordiran gehörte, verband panislamische und sozialistische Ideologiestränge mit einem persischen Nationalismus. Durch ihren Versuch einer grundlegenden Landreform unterschied sie sich deutlich von anderen nationalistischen Vereinigungen im Iran. Ihre schillernde ideologische Ausrichtung reflektiert ihre wechselnden externen Beziehungen, aber auch ihre sozial heterogene Basis in der Region. Die iranischen kommunistischen Funktionäre übernahmen schließlich die Macht in der Republik, verloren aber durch ihre radikalen Maßnahmen bald die Unterstützung der Bevölkerung. Letztlich fiel die Republik dem Wechsel in der sowjetischen Politik zum Opfer, die nunmehr die Freundschaftsverträge mit den sich allmählich neu konsolidierenden Staaten Iran (26. Februar 1921), Afghanistan (28. Februar 1921) und Türkei (16. März 1921) einem Export der Revolution vorzog. Schließlich wurde Mirza Kuchak Khan im September 1921 von den Truppen der iranischen Regierung geschlagen und kam auf der Flucht ums Leben. Damit hatte die erste Sowjetrepublik außerhalb des Territoriums des ehemaligen Zarenreiches ihr Ende gefunden. Wie die kurzlebigen Republiken im Kaukasus und in Zentralasien illustriert sie die für die gesamte Region typische Mischung aus Nationalismus, Pan-Islamismus und Sozialismus, die den ideologischen Hintergrund dieser Gründungen bildete. Muslimische Bildungseliten, Militärführer und politische Aktivisten versuchten in ihnen, Gruppen sehr unterschiedlicher Schichtung und Bildung für eine politische Selbstbestimmung auf der Basis ihrer muslimischen regionalen Identität zu gewinnen und dafür die Unterstützung der Sowjetunion zu 45 Über die Jangali-Bewegung von Mirza Kuchak Khan und die Sowjet-Republik Gilan, Schapour Ravasani, Sowjetrepublik Gilan. Die sozialistische Bewegung im Iran seit Ende des 19. Jahrhunderts bis 1922, Berlin 1972; Chosroe Chaqueri, The Soviet Socialist Republic of Iran, 1920 – 1921. Birth of the Trauma, Pittsburgh 1995; Abdul Hadi Hairi, Kūčak Khān Jangali, in: Bearman, Encyclopaedia of Islam, Bd. 5, Leiden 19862, S. 310 f.; Baberowski, Der Feind ist überall, S. 248 ff.; Pezhmann Dailami, The Populists of Rasht. Pan-Islamism and the Role of the Central Powers, in: Atabaki, Iran and the First World War, S. 137 – 162. 202 Stefan Reichmuth mobilisieren, die sie freilich ihrerseits ihren eigenen Plänen zu unterwerfen suchte oder sie im Falle der Republik Gilan ihrem außenpolitischen Kalkül opferte. Sieger über Mirza Kuchak Khan blieb Riza Khan, der Kommandeur der Kosakenbrigade und damit der mächtigste Heerführer des Landes, dessen militärischer und politischer Aufstieg sich zur selben Zeit wie der Mustafa Kemals in Anatolien vollzog.46 Während aber einige größere Abteilungen der osmanischen Armee in Anatolien noch weitgehend intakt geblieben waren und so die Entwicklung einer erneuerten türkischen Armee ermöglichten, gewann Riza Khan sein Ansehen durch seinen Einsatz für den Aufbau einer nationalen Armee im Iran, für den er nach einem Staatsstreich im Februar 1921, an dem er beteiligt war, die Unterstützung der neuen Regierung erhielt. Auch diese Regierung schloss, wie erwähnt, einen Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion ab, um sich gegenüber der Vorherrschaft der Briten den Rücken zu stärken. Der anglo-persische Vertrag von 1919 wurde zur gleichen Zeit endgültig abgelehnt. Schließlich trat Riza Khan als Kriegsminister in die Regierung ein. Seine Erfolge im Kampf gegen regionale Stammesführer und gegen die Sowjetrepublik Gilan und seine Machtbasis in der erneuerten Armee machten ihn zur beherrschenden politischen Figur. Seine Beziehungen zum Parlament waren sehr wechselvoll. 1923 wurde er zum Premierminister ernannt und im März 1924 unterstützte er Bestrebungen zur Umwandlung Irans in eine Republik. Damit wollte er seine Autorität offensichtlich aus der Bindung an den Qajaren-Herrscher lösen. Dies stieß jedoch auf Widerstand im Parlament. Aber auch den religiösen Gelehrten diente die Abschaffung des osmanischen Kalifates und der islamischen Gerichte und Schulen, die in der Türkei im selben Monat verkündet wurde, als abschreckendes Beispiel dafür, was sie von einer Republik zu erwarten hätten. Riza Khan lenkte ein, erreichte sein Ziel uneingeschränkter Herrschaft aber im folgenden Jahr, nachdem ihm der Sieg über die mit den Briten verbündeten Stammesführer im Südiran gelungen war. Am 31. Oktober 1925 setzte das Parlament den letzten Qajaren Ahmad Schah ab, beendete die Herrschaft der Qajaren-Dynastie und stimmte schließlich am 12. Dezember mit großer Mehrheit für die Erhebung von Riza Khan zum neuen Monarchen. Im folgenden Jahr gekrönt, begann der neue Schah mit einem umfassenden Modernisierungsprogramm, das in vieler Hinsicht dem der Türkei ähnelte, auch wenn es sich als weniger durchgreifend erwies und die Stellung der schiitischen Gelehrten kaum antastete. Der 46 Gavin R. G. Hambly, Art. Ridā Shāh, in: Bearman, Encyclopedia of Islam, Bd. 8, Leiden ˙ 19952, S. 511 – 514; Homa Katouzian, State and Society under Reza Shah, in: Touraj Atabaki u. Erik J. Zürcher (Hg.), Men of Order. Authoritarian Modernization under Atatürk and Reza Shah, London 2004, S. 13 – 43; Touraj Atabaki, The Caliphate, the Clerics and Republicanism in Turkey and Iran. Some Comparative Remarks, in: ebd., S. 44 – 64; Stephanie Cronin, The Army, Civil Society and the State in Iran, 1921 – 1926, in: ebd., S. 130 – 163. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 203 Vergleich der autoritären „Erziehungsdiktaturen“ in der Türkei und Iran mit den Führerfiguren anderer Staaten der 1920er und 1930er Jahre liegt auf der Hand, lässt aber auch deutliche Unterschiede etwa in der Rolle des Militärs und der politischen Ideologien und Massenbewegungen, aber auch in der Funktion des Rechtes innerhalb der staatlichen Institutionen erkennen.47 Der Durchbruch eines von Staats wegen geförderten säkularen Nationalismus war in beiden unverkennbar. Auch im Iran ging der Erneuerung der Monarchie ein gescheitertes republikanisches Experiment voraus, und ein Monarch, der selbst nicht aus der Aristokratie stammte, wurde vom Parlament ernannt und legitimiert. 3. Der arabische Nahe Osten Nach längeren Geheimverhandlungen mit dem britischen High Commissioner in Ägypten, Henry MacMahon, in die auch arabische nationalistische Oppositionelle einbezogen wurden, begann der Emir von Mekka, Scharif Husain, mit seinen Söhnen Faisal und Abdallah im Sommer 1916 einen arabischen Aufstand gegen die Osmanen. Damit trug er wesentlich zu einer Entlastung der bedrängten anglo-indischen Militäreinheiten im Irak bei. Bis 1918 konnten diese den gesamten südlichen und zentralen Irak besetzen. Ende 1916 ging die britische Armee von Ägypten aus in die Offensive. Jerusalem wurde schließlich am 9. Dezember 1917 erobert. Die Truppen Faisals unterstützten die Briten an ihrer östlichen Flanke und stießen ebenfalls nach Syrien vor. Damaskus wurde von beiden am 1. Oktober 1918 besetzt. Nunmehr ging auch die politische Initiative an die arabischen Nationalisten über, die den Scharifen und seine Söhne unterstützt hatten. Die Etablierung einer politischen Nachkriegsordnung erwies sich wegen der widersprüchlichen Abkommen und Verpflichtungen, die die Alliierten während des Krieges untereinander und mit ihren verschiedenen Verbündeten eingegangen waren, als äußerst schwierig. Insbesondere kollidierten die britisch-französischen Absprachen zur Aufteilung der wechselseitigen Interessensphären im Nahen Osten, die im Sykes-Picot-Abkommen 1916 getroffen worden waren, mit den Versprechen, die der britische Hochkommissar in seiner Korrespondenz mit dem Scharifen Husain abgegeben hatte. Diese umfassten die Anerkennung eines unabhängigen arabischen Königreiches, über dessen Grenzen jedoch keine Einigkeit erzielt worden war. Die Rolle der französischen wie der britischen Interessen in Libanon, Syrien und im Irak war in dieser Korrespondenz ebenfalls unklar geblieben.48 Ab 1917 kamen 47 Siehe für einen derartigen Vergleich z. B. Stefan Plaggenborg, Ordnung und Gewalt. Kemalismus – Faschismus – Sozialismus, München 2012. 48 C. Ernest Dawn, From Ottomanism to Arabism. Essays on the Origins of Arab Nationalism, Urbana 1973; Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 77 ff.; Helmut Mejcher, Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert, 1914 – 1985, in: Ulrich Haarmann (Hg.), Geschichte der arabischen Welt, München 19944, S. 432 – 501, hier 204 Stefan Reichmuth Differenzen über das zionistische Projekt einer „jüdischen nationalen Heimstätte in Palästina“ hinzu, zu dessen Unterstützung sich die britische Regierung in einem Brief des Außenministers Lord Balfour (veröffentlicht am 9. November 1917) an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Großbritannien verpflichtet hatte.49 Die Lage und die Zukunft in Syrien50 und im Irak,51 die beide von den Briten besetzt waren, blieben zunächst unklar. In Damaskus errichteten die arabischen Nationalisten nach ihrem Einmarsch eine eigene Regierung unter Ali Pascha ar-Rikabi, einem früheren osmanischen General, der sich der arabischen Armee Faisals angeschlossen hatte. Sie berief sich auf den Scharifen Husain und auf Faisal als dessen Repräsentanten in Syrien und wurde zunächst von Briten und Franzosen als vorläufige Regierung der mittleren Besatzungszone zwischen Aleppo und dem Libanon akzeptiert. Nachdem sich bei den Verhandlungen in Paris, an denen Faisal ebenfalls teilnahm, eine französische Besetzung sowie eine britisch-zionistische Kooperation in Palästina52 abzeichneten, erklärte der Allgemeine Syrische Kongress, der vom 3. Juni bis zum 19. Juli 1919 in Damaskus tagte und sich als politisch souveräne Vertretung arabischer Interessen in ganz Syrien verstand, die Ablehnung des Sykes-Picot- 49 50 51 52 S. 440 ff.; Gudrun Krämer, Geschichte Palästinas, München 2002, S. 172 – 176; William L. Cleveland, A History of the Modern Middle East, Boulder, CO 20043, S. 157 – 161. Krämer, Geschichte Palästinas, S. 178 f.; Macmillan, Paris 1919, S. 410 – 418. Zeine N. Zeine, Struggle for Arab Independence. Western Diplomacy and the Rise and Fall of Faisal’s Kingdom of Syria, New York 1977; Andr Raymond, La Syrie, du Royaume arabe l’independence (1914 – 1946), in: ders. (Hg.), La Syrie d’aujourd’hui, Aix-en-Provence 1980, S. 55 – 85, http://books.openedition.org/iremam/730; Philip S. Khoury, Syria and the French Mandate. The Politics of Arab Nationalism, 1920 – 1945, Princeton 1987; James L. Gelvin, Divided Loyalties. Nationalism and Mass Politics in Syria at the Close of Empire, Berkeley 1998; Eliezer Tauber, The Formation of Modern Syria and Irak, Ilford 1995; Grard D. Khoury, La France et l’Orient arabe. Naissance du Liban moderne, Paris 1993; Cleveland, A History of the Modern Middle East, S. 217 – 238; zur Entstehung der Nachkriegsordung im Nahen Osten allgemein James L. Gelvin, The Modern Middle East. A History, New York 2005, S. 171 – 221; Macmillan, Paris 1919, S. 381 – 409; Jean-David Mizrahi, Une relecture de l’vnement. La chute du Royaume arabe de Damas en 1920, in: Revue des mondes musulmans et de la Mditerrane 105 / 106. 2005, S. 309 – 325. Zum Irak Charles Tripp, A History of Irak, Cambridge 20002 ; Pierre-Jean Luizard, La Formation de l’Irak Contemporain. La rle politique des ulmas chiites la fin de la domination ottomane et au moment de la cration de l’Etat irakien, Paris 1991; Hanna Batatu, The Old Social Classes and the Revolutionary Movement of Irak, Princeton 1978; William L. Cleveland, A History of the Modern Middle East, S. 204 – 213; Tauber, The Formation of Modern Syria and Irak; Wadie Jwaydeh, Kurdish National Movement. Its Origins and Development, Syracuse 2006. Cleveland, A History of the Modern Middle East, S. 239 – 271; Krämer, Geschichte Palästinas; Macmillan, Paris 1919, S. 410 – 426. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 205 Abkommens und der Balfour-Deklaration.53 Faisal verhandelte erneut in Paris. Seine Übereinkunft mit Clemenceau, in der er die französische Besatzung der Küstenregion und französische Berater im Gegenzug zu einer Anerkennung als König von Syrien akzeptierte, scheiterte an der entschiedenen Ablehnung durch die arabischen Nationalisten und den Syrischen Kongress. Dieser rief am 7. März 1920 die Unabhängigkeit Syriens unter Faisal als „König der Araber“ aus. Nachdem die Konferenz von San Remo am 25. April 1920 Frankreich das Mandat für Syrien erteilt hatte, schritt die französische Regierung zur Besetzung ihrer Mandatsgebiete. Schließlich wurde eine von der Damaszener Regierung eilig zusammengestellte Armee am 24. Juli 1920 von den französischen Truppen in Maisalūn vernichtend geschlagen. Damit hatte auch das Syrische Königreich sein Ende gefunden. Faisal musste Syrien verlassen. Die Franzosen teilten ihr Mandatsgebiet zunächst in mehrere kleine Republiken auf, die fest unter ihrer Kontrolle verblieben. Der Libanon wurde zum Groß-Libanon in den heutigen Grenzen erweitert. Damaskus und Aleppo bildeten eigene Staaten, ebenso das Drusen-Gebirge, der Alawiten-Staat an der syrischen Küste, und das Gebiet um Alexandrette / Iskenderun, das 1939 an die Türkei übergeben wurde. Diese Aufteilung fand durchaus die Unterstützung regionaler Eliten (besonders bei den Christen des Libanon), blieb aber sehr instabil, und die französische Mandatsherrschaft wurde bereits 1925 durch eine Reihe von Aufständen erschüttert, in denen sich antikoloniale Bestrebungen und kommunale Konflikte überlagerten.54 Auch die Briten waren in ihren Mandatsgebieten sehr bald mit starkem lokalen Widerstand konfrontiert. 1920 und 1921 kam es in Palästina zu heftigen Unruhen,55 die eine erste Revision der britischen Politik auslösten. Der von Sunniten wie Schiiten unterstützte Aufstand im Irak 1920 erschütterte die 53 Zum Allgemeinen Syrischen Kongress, in der Literatur auch als „Syrischer Kongress“, „arabischer Kongress“ oder als „arabischer Nationalkongress“ bezeichnet, Raymond, La Syrie, du Royaume arabe l’independence, Online-Ausgabe, § 17; ausführlich Tauber, The Formation of Modern Syria and Irak, S. 16 ff., siehe auch im Index unter „Syrian Congress“, S. 415; Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 80 f. Übersetzung der Erklärung vom 2. 7. 1919 in Jacob C. Hurewitz, The Middle East and North Africa in World Politics. A Documentary Record, New Haven 1979, S. 180 – 182. 54 Khoury, Syria and the French Mandate; Lena Bokova, La confrontation Franco-syrienne l’poque du mandat 1925 – 1927, Paris 1990; Michael Provence, The Great Syrian Revolt, Austin 2005; für das Drusengebiet Birgit Schäbler, Aufstand im Drusenbergland. Ethnizität und Integration in einer ländlichen Gemeinschaft Syriens vom Osmanischen Reich bis zur staatlichen Unabhängigkeit 1850 – 1949, Gotha 1996; für die spezifisch drusische Identitätsbildung dies., Constructing an Identity between Arabism and Islam. The Druzes in Syria, in: The Muslim World 103. 2013, S. 62 – 79. 55 Krämer, Geschichte Palästinas, S. 244 – 253. 206 Stefan Reichmuth britische Herrschaft;56 er führte zur Einberufung einer Notabeln-Regierung und schließlich zur Einführung einer Monarchie, um für die grundlegend verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen und politischen Strömungen des Landes einen Fokus der Loyalität zu schaffen. Das Königsamt wurde Faisal angeboten, der es annahm und am 23. September 1921 zum König gekrönt wurde. Unter ihm erreichte der Irak 1932 seine Unabhängigkeit. Zur gleichen Zeit wurde Faisals Bruder Abdallah als Emir und späterer König in Transjordanien installiert. Beide vermehrten die Zahl der in unterschiedlichen Abhängigkeitsverhältnissen und Vertragsbeziehungen zu Großbritannien verbleibenden Monarchien in der britischen Interessensphäre im Nahen Osten, zu denen die Golfemirate, das Sultanat Oman, die südjemenitischen Sultanate, Ägypten und bald auch Saudiarabien gehörten. In Ägypten, das 1914 zum britischen Protektorat erklärt worden war, erzwangen landesweite Demonstrationen und Aufstände 1919 ebenfalls einen grundlegenden Wandel in der britischen Politik.57 Auch hier hatten Wilsons Reden und Erklärungen ein enthusiastisches Echo gefunden und große Hoffnungen auf eine bevorstehende Unabhängigkeit geweckt. Schließlich bildete sich eine Gruppe von prominenten Ägyptern – Grundbesitzern und Anwälten – unter Führung von Sa‘d Zaghlul, die sich um die Entsendung als ägyptische Delegation (Wafd) zu den Pariser Verhandlungen bemühte. Dort wollten sie für die vollständige Unabhängigkeit des Landes eintreten. Als sie vom Hochkommissar und von der britischen Regierung abschlägig beschieden wurden, begannen sie mit einer landesweiten Kampagne, die die Unterstützung der Bevölkerung für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen mobilisieren sollte. Zaghlul und drei andere Führer wurden daraufhin im März 1919 verhaftet und verbannt. Dies bildete den Auslöser für Massendemonstrationen in den Metropolen und vielen anderen Städten, aber auch für ländliche Aufstände, in denen sich der in der Kriegszeit angestaute Groll gegen die Briten wie gegen die einheimischen Grundbesitzer und Profiteure des 56 Tripp, History of Irak, S. 40 – 45; Amal Vinogradov, The 1920 Revolt in Iraq Reconsidered. The Role of Tribes in National Politics, in: International Journal of Middle East Studies 3. 1972, S. 123 – 139; Reeva Spector Simon u. Eleanor H. Tejirian (Hg.), The Creation of Iraq, 1914 – 1921, New York 2004. 57 Cleveland, A History of the Modern Middle East, S. 193 – 204; Panayiotis J. Vatikiotis, The History of Modern Egypt. From Muhammad Ali to Mubarak, London 19914, S. 249 – 286; Reinhard Schulze, Die Rebellion der ägyptischen Fallahin 1919. Zum Konflikt zwischen der agrarisch-orientalischen Gesellschaft und dem kolonialen Staat in Ägypten, 1820 – 1919, Berlin 1981; Martin W. Daly, The British Occupation, 1882 – 1922, in: ders. (Hg.), Cambridge History of Egypt, Bd. 2: Modern Egypt, from 1517 to the Twentieth Century, Cambridge 1998, S. 235 – 251, hier S. 245 – 251; Manela, Wilsonian Moment, S. 63 – 75 u. S. 141 – 157; für die große Bedeutung der Populärkultur für die ägyptische Revolte Ziad Adel Fahmy, Ordinary Egyptians. Creating the Modern Nation through Popular Culture, Stanford 2011, S. 134 – 166. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 207 Krieges entlud. Die Briten, die das Land nur mithilfe der einheimischen Verwaltungsschicht unter Kontrolle bringen konnten, lenkten schließlich ein und ließen die Abreise der Delegation zur Pariser Friedenskonferenz zu. Dort wurde ihr allerdings kaum Gehör geschenkt, da Wilson und die amerikanische Delegation die britische Position zu Ägypten unterstützten. Das Protektorat über Ägypten wurde in Paris bestätigt. Die Briten selbst bezogen danach Zaghlul und seine Anhänger in ihre Verhandlungen mit ägyptischen Politikern über die Zukunft der anglo-ägyptischen Beziehungen ein. Da diese Verhandlungen angesichts der strikten Forderung Zaghluls nach vollständiger Unabhängigkeit erfolglos blieben, erklärte der Hochkommissar Allenby schließlich am 22. Februar 1922 einseitig die Unabhängigkeit Ägyptens, wobei er zugleich die Entscheidung über wesentliche Interessenbereiche des Empires in Ägypten für Großbritannien reservierte. 1923 wurde eine neue Verfassung proklamiert, die Ägypten als konstitutionelle Monarchie begründete. Aus den ersten Wahlen im Januar 1924 gingen Sa‘d Zaghlul und seine Wafd-Partei mit einem überwältigenden Wahlsieg hervor. Der König und die Briten hatten sich jedoch weitgehende politische Einflussmöglichkeiten gesichert, und die Rivalität, die sich in der Folge zwischen den drei Machtzentren des Landes entwickelte, sollte die politische Entwicklung in der Zwischenkriegszeit immer wieder nachhaltig bestimmen. 4. Nordafrika In Nordafrika kam es nach dem Ersten Weltkrieg zu zwei Versuchen der Gründung von Republiken in Tripolitanien und Nordmarokko. Ihre Führer, die in der regionalen Stammesgesellschaft verankert waren, nutzten die Schwäche der Kolonialmächte Italien und Spanien, um die Autonomie ihrer Regionen zu sichern. Ihre politischen Vorstellungen blieben stärker als anderswo vom islamischen Reformismus bestimmt. Gemeinsam war ihnen ebenfalls, dass sie ursprünglich eng mit deutschen beziehungsweise osmanischen Partnern verbunden waren. Ihre Staaten fielen schließlich dem erneuten Vordringen der Kolonialarmeen zum Opfer. In Libyen hatten die Osmanen und die Deutschen seit 1915 den Krieg lokaler Stammesgruppen und der Sanusiyya gegen die italienische Besatzung durch die Entsendung von Waffen, Beratern und einigen Truppen unterstützt und dazu beigetragen, dass die Italiener schließlich ihre Kontrolle auf wenige Küstenstädte beschränken mussten.58 Ein Vorstoß gegen die britischen Stellungen im Westen Ägyptens, den Ahmad asch-Scharif, das pro-osmanische Oberhaupt der Sanusiyya, auf Drängen seiner osmanischen Berater unternahm, war 1916 unter großen Verlusten der einheimischen Kämpfer der 58 Dirk Vandevalle, A History of Modern Libya, Cambridge 2006, S. 24 – 30; Lisa Anderson, The State and Social Transformation in Tunisia and Libya, 1830 – 1980, Princeton 1987, S. 185 – 213. 208 Stefan Reichmuth Sanusiyya gescheitert.59 Ahmad asch-Scharif überließ nach dieser katastrophalen Niederlage die Führung der Bruderschaft seinem Vetter Muhammad Idris, der einen Waffenstillstand mit den Briten und später auch mit den Italienern schloss und seinerseits versuchte, sein Herrschaftsgebiet in Libyen auszudehnen.60 In Tripolitanien hatte sich gegen Ende des Krieges ein Bündnis von städtischen Nationalisten und Stammesführern des Hinterlandes gebildet, das sowohl den Italienern und danach auch der Expansion der Sanusiyya in diesem Gebiet erfolgreich Widerstand leistete.61 Unter Führung von Sulaiman al-Baruni, einem Publizisten, Unternehmer und ehemaligen osmanischen Abgeordneten der Bergregion im Hinterland von Tripoli, der die Unterstützung der lokalen Berbergruppen besaß und über enge Beziehungen zu Osmanen und Deutschen verfügte, sowie des Oberhauptes von Misrata, Ramadan as-Suwaihili, konstituierte sich am 16. November 1918 eine Tripolitanische Republik mit eigenem Parlament und einer Regierung, die aus al-Baruni, al-Suwaihili und zwei weiteren Staatsräten bestand und von einem später prominenten ägyptischen pan-arabischen Nationalisten, Abd al-Wahhab Azzam, beraten wurde.62 Die italienische Regierung, die ihr Engagement in Libyen vorübergehend reduzieren wollte, verabschiedete 1919 jeweils für Tripolitanien und die Cyrenaica ein „Grundgesetz“ (Legge fondamentale), das diesen Regionen weitgehende Autonomie unter eigenen Parlamenten und Regierungsräten sowie lokale Steuerhoheit zusicherte. Interne Streitigkeiten der beteiligten Gruppen führten schließlich zu einer Lähmung der Republik und bereits 1920 zur Ermordung von al-Suwaihili. Al-Baruni ging 1921 ins Exil; die im Gesetz angekündigten Parlamentswahlen wurden von den Italienern nicht durchgeführt. Im selben Jahr begann der neue italienische Gouverneur Volpi mit der 59 Jafar Pasha al-Askari, A Soldier’s Story. From Ottoman Rule to Independent Irak. The Memoirs of Jafar Pasha al-Askari (1885 – 1936), London 2003; über seine Erfahrungen in Libyen S. 54 – 96. Er wurde später einer der führenden Politiker des Irak. 60 Hierzu wie auch zum Krieg ausführlich Edward E. Evans-Pritchard, The Sanusi of the Cyrenaica, Oxford 1949, S. 121 – 150. Zur Allianz zwischen Dar Fur und der Sanūsiyya Jay Spaulding u. Lidwien Kapteijns, An Islamic Alliance. Ali Dinar and the Sanusiya, 1906 – 1916, Evanston, IL 1994. 61 Lisa Anderson, The Tripoli Republic, 1918 – 1922, in: E. George H. Joff u. Keith S. McLachlan (Hg.), Social and Economic Development of Libya, London 1982, S. 43 – 66; Lisa Anderson, The State and Social Transformation in Tunisia and Libya, 1830 – 1980, Princeton 1986, S. 204 – 213; dies., Ramadan al-Suwayhli. Hero of the Libyan Resistance, in: Edmund Burke III. (Hg.), Struggle and Survival in the Modern Middle East, Berkeley 1993, S. 114 – 128; Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 83 ff.; Dirk Vandevalle, A History of Modern Libya, Cambridge 2006, S. 24 – 30. 62 Abd al-Wahhab Azzam (1893 – 1976) amtierte von 1945 bis 1952 als erster Generalsekretär der Arabischen Liga. Zu ihm Ralph Coury, The Making of an Egyptian Arab Nationalist. The Early Years of Azzam Pasha, 1893 – 1936, Reading 1998. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 209 Rückeroberung Tripolitaniens und führte das Kriegsrecht ein. Im Juli 1922 bot der neue Führungsrat der Republik in einem Treffen in Sirt der Sanusiyya die Ausdehnung ihrer Oberhoheit über Tripolitanien an, aber auch deren Führer Sayyid Idris zog sich vor dem italienischen Vormarsch Ende 1922 ins Exil zurück. Im nordmarokkanischen Rif hatte es in der Kriegszeit Versuche von deutscher Seite gegeben, einen Aufstand gegen Spanier und Franzosen in Gang zu bringen.63 Diese waren bereits in ihren Anfängen gescheitert; der Widerstand der berberischen Bevölkerung verstärkte sich jedoch in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als die Spanier 1920 versuchten, entsprechend den Abkommen mit Frankreich ihr Protektoratsgebiet in Nordmarokko auszudehnen. Dies löste einen bewaffneten Aufstand der berberischen Stämme aus, in dem die spanischen Truppen ab 1921 mehrfach vernichtend geschlagen wurden und gezwungen waren, das Rif-Gebirge zu räumen. Der Anführer dieses Aufstandes, Muhammad b. Abd al-Karim al-Khattabi, gehörte zu einer Familie, die lange mit den Spaniern kooperiert hatte, bis sie sich schließlich dem Widerstand anschloss. Er selbst war durch eine islamische Ausbildung in Fes unter den Einfluss des islamischen Reformismus gekommen, hatte dann in Spanien studiert und war als Qadi in Melilla tätig gewesen. Seine militärischen Erfolge verschafften ihm die Anerkennung als Führer der berberischen Stämme. Sie beruhten auf dem Kern einer modernen Armee, die er mithilfe von erfahrenen ehemaligen Soldaten, die in europäischen Armeen gedient hatten, und ausländischen Beratern ausbilden ließ. Außerdem entwickelte er ausgefeilte Taktiken des Guerilla-Krieges. 1923 ließ er die Rif-Republik ausrufen, mit der er einen international anerkennungsfähigen Staat schaffen wollte, um sein Territorium diplomatisch abzusichern. Die internen Reformen von Armee, Gerichts- und Steuerwesen, die er einführte, sollten nach eigenem 63 Zur Rif-Republik und zum Rif-Krieg, deren Interpretation bis heute stark umstritten sind, Schulze, Geschichte der Islamischen Welt, S. 85 – 88; Charles-Andr Julien (Hg.), Abd el-Krim et la Rpublique du Rif, Paris 1976; Mohamed Chtatou, Bin ‘Abd Al-Karim al-Khattabi in the Rifi Oral Tradition of Gzenneya, in: E. George H. Joff u. Charles R. Pennell (Hg.), Tribe and State. Essays in Honour of Montgomery Hart, Cambridgeshire 1991, S. 182 – 212; Charles R. Pennell, A Country with a Government and a Flag. The Rif War in Morocco 1921 – 1926, Wisbech 1986; ders., The Rif War. Link or Cul-de-sac? Nationalism in the Cities and Resistance in the Mountains, in: Journal of North African Studies 1. 1996, S. 234 – 247; ders., Morocco since 1930. A History, New York 2000, S. 188 – 210; Germain Ayyache, La guerre du Rif, Paris 1996; Mohamed Tahtah, Entre pragmatisme, reformisme et modernisme. Le role politico-religieux des Khattabi dans le Rif (Maroc) jusqu’ 1926, Louvain 2000; Dirk Sasse, Franzosen, Briten und Deutsche im Rifkrieg 1921 – 1926. Spekulanten und Sympathisanten, Deserteure und Hasardeure im Dienst Abdelkrims, München 2006; Fouzia El-Asrouti, Der Rif-Krieg 1921 – 1926. Eine kritische Untersuchung der Transformationsprozesse unter Muhammad ibn Abd alKarim al-Hattabi, Berlin 2007. 210 Stefan Reichmuth Bekunden das Bewusstsein der Bewohner für ein stammesübergreifendes Vaterland (watan) stärken64 und entsprachen mit ihrer Betonung des islamischen Rechtes und ihrer entschiedenen Gegnerschaft gegenüber den lokalen Zentren der Sufi-Bruderschaften den Vorstellungen des islamischen Reformismus. Zugleich waren sie auch von Mustafa Kemals Reformen in der Türkei inspiriert. Sie schufen ihm viele lokale Gegner, und er scheiterte mit seinem Versuch, sich die Anerkennung der Rechtsgelehrten von Fes zu verschaffen. Zugleich jedoch suchte er das Land zu modernisieren, ließ Straßen und eine Nahrungsmittelfabrik für die Armee bauen, in der Frauen arbeiteten, etablierte ein sehr effektives Telefonnetz und warb für internationale Bergbauprojekte, um sich weitere Unterstützung zu verschaffen. 1925 trat die französische Armee in den Krieg gegen die Rif-Republik ein, nachdem ihre Stellungen im französischen Protektoratsgebiet angegriffen worden waren. Nach einem langwierigen Feldzug, in dem Franzosen und Spanier eine gewaltige Übermacht an Soldaten einsetzten und in dem Giftgas aus deutschen Quellen zum Einsatz kam, wurde Muhammad b. Abd al-Karim 1926 besiegt, zur Kapitulation gezwungen und von den Franzosen ins Exil nach Runion geschickt. Es gelang ihm schließlich, nach Kairo überzusiedeln, wo er 1963 starb. Die militärischen Erfolge gegen die europäischen Mächte und die Ansätze staatlicher und militärischer Organisation, aber auch ihre ideologische Mischung aus islamischem Reformismus und säkularem Modernisierungsstreben in einer vorwiegend ländlichen Gesellschaft machten die Rif-Republik trotz aller internen Spannungen und Widersprüche zu einem wichtigen Symbol für die späteren nationalen Unabhängigkeitsbewegungen in Nordafrika und in der arabischen Welt. IV. Zusammenfassung: Muslimische Trägergruppen und Trägerkulturen der Republikgründungen und der konstitutionellen Bewegungen Die unterschiedlichen muslimischen Versuche zur Gründung von Republiken in der unmittelbaren Nachkriegszeit, die hier zur Darstellung kamen, wurden von Gruppen mit sehr unterschiedlichen religiösen und politischen Orientierungen getragen. Typisch war für die republikanischen Bewegungen meist ein Bündnis von religiös-politischem islamischem Reformismus und Strömungen eher säkularer, an europäischen Vorbildern orientierter Tendenz. Nicht selten wurde dies von einer gemeinsamen Faszination für den Sozialismus und seine Utopie der anti-imperialen Befreiung ermöglicht oder vertieft. Die Unterschiede dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich auf dem 64 Pennell, A Country with a Government and a Flag, S. 124 u. S. 230 f. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 211 Boden einer gemeinsamen Populärkultur entfalteten, die sich seit dem 19. Jahrhundert in vielen Regionen verstärkt entwickelt hatte und zu der nicht selten, wie im Falle der Tataren, auch das islamische elementare Schulwesen entscheidend beigetragen hatte. Der Blick auf die Basis des „kulturellen Nationalismus“,65 der den politischen Bewegungen der Kriegsund Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs zugrunde lag und der von den Jungtürken besonders wirksam mobilisiert wurde, lässt manche der Kontraste und Widersprüche im Spektrum dieser Bewegungen verständlicher werden und macht zugleich ihre zugrunde liegende Einheit besser fassbar. Für die Deutung der sozio-politischen Wandlungsprozesse bei muslimischen Gesellschaften in dieser Epoche ermöglicht er einen Mittelweg zwischen einem ethnischen und religiösen „Primordialismus“ und dem Konzept einer Neuerfindung der Nation unter aktuellen Bedingungen.66 Der im Weltkrieg und in der frühen Nachkriegszeit noch stark islamisch-religiös artikulierte Nationalismus, der aus den regionalen kulturellen Identitäten jeweils hervorging, wurde von verschiedenen populären Führern wie auch von Elitegruppen aus den bestehenden Bildungs- und Staatsapparaten zur Mobilisierung für den Widerstand gegen die koloniale Herrschaft genutzt. Die Unterstützung durch die religiösen Bildungsmilieus war im sowjetischen wie im türkischen Fall erheblich; die Wege von Säkularisten und islamischen Reformisten oder, wie im sowjetischen Fall, der „Nationalkommunisten“ trennten sich meist erst mit der Konsolidierung der jeweiligen zentralen Herrschaft, das heißt nach 1923 / 1924. Die Entwicklung der verschiedenen Sowjetrepubliken blieb jedoch stark von ihren muslimischen, nationalistischen Wurzeln geprägt, und das Fortleben eines islamischen, traditionskritischen Reformismus war selbst in der 1943 von der sowjetischen Regierung eingesetzten Religionsbehörde in Taschkent spürbar.67 Die Rolle der Hegemonialmächte bei der Genese der neuen Republiken fiel unterschiedlich aus. Die Unterstützung oder Tolerierung durch eine der Kriegsparteien im Weltkrieg, seien es Deutschland, Großbritannien, Italien, das Osmanische Reich oder Sowjetrussland, war in der Anfangsphase oft entscheidend, und der Verlauf internationaler Spannungen und Konflikte bestimmte in erheblichem Maße über ihr weiteres Schicksal. Verschiedene neue Staaten wie die Republiken im Libanon und auch die Monarchie im Irak kamen als Konstruktionen der Mandatsmächte zustande, und die Regierung der Sowjetunion gruppierte die zentralasiatischen Sozialistischen Sowjetrepubliken mehrfach nach ihren eigenen Vorstellungen um. Dennoch zeigen das Beispiel der Türkei und des Iran, aber auch die vielen Aufstandsbewegungen 65 Hier in Anlehnung an Gelvin, Arab Nationalism, S. 10 – 12. 66 Hierzu besonders die Diskussion um Gelvin, Arab Nationalism, mit weiteren Beiträgen von Youssef Choueiry, S. 13 – 15, Fred Halliday, S. 16 – 18 und Fred Lawson, S. 19 – 21. 67 Ashirbek Muminov, Islamic Education in Uzbekistan, in: Kemper, Islamic Education in the Soviet Union, S. 246 – 251. 212 Stefan Reichmuth im Nahen Osten, dass die Macht der Imperialmächte in der Nachkriegszeit bald an ihre Grenzen stieß; bei genauerem Hinsehen blieb auch die Nachkriegsordnung der Sowjetunion im Kaukasus und in Zentralasien in bedeutendem Ausmaß von den vorhergehenden Staatengründungen geprägt. Wie das Beispiel der Jungtürken und auch der Jadid-Bewegungen bei den Tataren und in Zentralasien erkennen lässt, ist es sehr schwer, die jeweiligen muslimischen Akteure aufgrund ihrer religiös-politischen Orientierung einem Lager zuzuordnen, zumal sich ihre ideologischen Positionen und politischen Erfahrungen vielfach im Fluss befanden. Es lässt sich auch kaum zwischen politischer Taktik und persönlicher Entwicklung oder Ambivalenz unterscheiden. Das oben umrissene Konzept des kulturellen Nationalismus erlaubt es, diese Vielfalt im Rahmen eines „Diskurs-Fächers“ zu deuten, der bei allen entfalteten Differenzen insgesamt in seiner kulturellen Basis zusammenhängt. Dies gibt auch der Populärkultur und den tribalen und ländlichen Gruppen innerhalb der jeweiligen Bewegungen und Staatengründungen ihr angemessenes Gewicht, das sich insbesondere für Nordafrika, aber auch für Ägypten und den Nahen Osten erkennen lässt.68 Eine vergleichende Mentalitätsgeschichte des tiefgreifenden Wandels, die die Fülle vorliegender Einzelstudien zu Biographien und Bewegungen und zur zeitgenössischen Publizistik in den unterschiedlichen Sprachen zusammenführt, bleibt noch zu erarbeiten. Im russisch beherrschten Aserbaidschan wie im Iran hatten sich säkulare Tendenzen im Rahmen der konstitutionellen Bewegungen bereits stärker verwurzelt; sie prägten im Iran auch den Aufstieg des Militärführers Riza Khan, der zunächst ebenfalls nach dem Vorbild von Mustafa Kemal die Etablierung einer Republik unter seiner Präsidentschaft anstrebte, ehe er sich vom Parlament als neuer Monarch bestätigen ließ. Die republikanischen Entwicklungen im arabischen Raum in Nahost und Nordafrika sind von einem ähnlich komplexen Spektrum der Anschauungen und Trägergruppen geprägt, ebenso freilich von der weiterhin andauernden Präsenz der Imperialmächte in ihren Protektoraten und Mandatsgebieten. Insgesamt kam es nach dem Ersten Weltkrieg etwa in Ägypten erstmals zu einer stärkeren ideologischen Kristallisierung säkularer Tendenzen in der Öffentlichkeit im Spannungsfeld zwischen Nationalbewegung, Monarchie und Briten. Ein Erbe der anfänglichen Begeisterung für Wilsons Versprechungen war die ägyptische Delegations-Partei (Hizb al-Wafd), die sich in den ersten Wahlen des unabhängigen Ägypten als dominierende Nationalpartei etablieren konnte; auch sie wies stark säkulare Tendenzen auf. Waren der syrische und ägyptische Nationalismus in starkem Maße städtisch geprägt, beruhten die Republikgründungen in Nordafrika auf einer Verankerung ihrer urban 68 Siehe die erwähnten Beiträge von Fahmy, Ordinary Egyptians; Schäbler, Aufstand im Drusenland; Provence, Syrian Revolt; Chtatou, Bin ‘Abd al-Karim al-Khattabi; Pennell, The Rif War. Link or Cul-de-sac? ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg und die muslimischen Republiken 213 geprägten Führer in den Stammesgruppen der Region; auch bei ihnen verbanden sich dabei islamische und modernistische, von den Kontakten zu Europa geprägte Reformtendenzen, deren Ausdifferenzierung in der kurzen Dauer ihres Bestehens nicht zum Tragen kam. Selbst die gescheiterten Republiken in Tripolitanien und im Rif weisen damit wesentliche Merkmale und Bruchlinien auf, die für die Entwicklung der muslimischen republikanischen Staatengründungen und Bewegungen nach dem Ersten Weltkrieg insgesamt kennzeichnend sind. Prof. Dr. Stefan Reichmuth, Ruhr-Universität Bochum, Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaften, Universitätsstraße 150, D-44801 Bochum E-Mail: [email protected] The World Economy and the Great War by Adam Tooze and Ted Fertik* Abstract: Since the 1990s a group of scholars connected to the National Bureau of Economic Research convincingly presented the nineteenth century as the first great age of global growth and globalization. For them and for many others, World War I marked a decisive break, inaugurating 30 years of deglobalization. We question this common sense view through an appreciative critique in five steps. We offer a narrative sketch in which the war figures as a moment of convulsive and violent realignment endogenous to that history. First we revisit arguments for economic causation. Second we open up the black box of the war economy. Third we consider the significance of global, war-induced inflation. Fourth, we introduce projects of world economic ordering. Finally, we argue that the war provoked a new reflexivity about the world economy. Looking back from the 1990s Eric Hobsbawm coined the phrase “the short twentieth century” to capture that epoch between 1914 and 1991 in which the struggle between Soviet Communism and Western capitalism was the driving force of history. He made no secret of his personal engagement with that struggle and lamented its passing as heralding the triumph of global capitalism over any alternative.1 At the same moment economists and economic historians were crafting their own vision of a short twentieth-century, a vision that overlapped with that of Hobsbawm but had an opposite sign. Beginning in the 1990s, in a remarkably fruitful spasm of innovative historical work, a group of economists and economic historians connected to the National Bureau of Economic Research (NBER) in the US fused economics and history to paint a picture of the nineteenth century as the first great age of global growth and globalization.2 Against that backdrop, Hobsbawm’s short twentieth century was an age defined not so much by ideological clashes as by a disastrous crisis of deglobalization between 1914 and 1945.3 In the wake of that * This paper emerged from discussions with our friends Grey Anderson, Stefan Eich and Jeremy Kessler. Inspiration of a rather different kind came from DTC. 1 Eric Hobsbawm, The Age of Extremes. The Short Twentieth Century, 1914 – 1991, London 1994. 2 The pathbreaking texts were Kevin H. O’Rourke and Jeffrey G. Williamson, Globalization and History. The Evolution of a Nineteenth-Century Atlantic Economy, Cambridge, MA 1999 and Michael D. Bordo et al. (eds.), Globalization in Historical Perspective, Chicago 2003. An interesting perspective from a French vantage point was provided by Suzanne Berger, Notre premire mondialisation. LeÅons d’un chec oubli, Paris 2003. 3 Findlay and O’Rourke speak of “re-globalization” beginning after World War II. Ronald Findlay and Kevin H. O’Rourke, Power and Plenty. Trade, War, and the World Economy in the Second Millennium, Princeton 2007, pp. 473 – 525. Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 214 – 238 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014 ISSN 0340-613X ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 215 thirty year crisis, it would take global capitalism more than forty years to again hit its stride.4 Looking back from the 1990s, the era between 1914 and the 1980s appeared as a violent and disturbed parenthesis, standing between two great eras of global trade and capital mobility. Despite their opposite evaluations of the present, both of these grand narratives of the short twentieth century had one thing in common. World War I marked a decisive break. John Maynard Keynes captured this sense of a disjuncture in a much quoted cameo from the “Economic Consequences of the Peace”: What an extraordinary episode in the economic progress of man that age was which came to an end in August 1914! The inhabitant of London could order by telephone, sipping his morning tea in bed, the various products of the whole earth, in such quantity as he might see fit, and reasonably expect their delivery upon his doorstep; he could at the same moment and by the same means adventure his wealth in the natural resources and new enterprises of any quarter of the world, and share, without exertion or even trouble, in their prospective fruits and advantages; or he could decide to couple the security of his fortunes with the good faith of the townspeople of any substantial municipality in any continent that fancy or information might recommend.5 Scripted by prose stylists like Keynes, documented in impressive quantitative compilations, the idea of a rupture in 1914 has acquired a firm grip on our understanding of modern history. In 2007 the Communications Director of the International Monetary Fund (IMF) could comment glibly : “Alas a sniper’s bullet on June 28, 1914, triggered a chain of events that reversed globalization.”6 90 years later, the world was back on track, or so it then seemed. The aim of this essay is to question this common sense view of World War I as disrupting the world economy and putting an end to an era of globalization. We do not to query the methods of the economic historians of globalization. The basic story they tell of growing market integration in the course of the nineteenth century followed by a plateau and subsequent market dislocation in the course of the first four decades of the twentieth century is compelling. Our critique is not directed at this highly specific technical result, but at the broader implications drawn from it. Specifically, the question posed by the anniversary of 1914 is what role we should attribute to World War I in the making and remaking of the world economy. We offer a narrative sketch of how one might write a history in which the war figured not as an exogenous shock, but as a moment of convulsive and violent realignment endogenous to that history. 4 In this context the title of Jeffry Frieden’s impressive synthesis is significant. Jeffry A. Frieden, Global Capitalism. Its Fall and its Rise in the Twentieth Century, New York 2006. 5 John Maynard Keynes, The Economic Consequences of the Peace, London 1920, p. 11. 6 Prakash Loungani, Globalization by the Book. Keynote Address given at the American Association of Publishers, 5. 2. 2007, http://www.imf.org/external/np/speeches/2007/ 020507.htm. 216 Adam Tooze and Ted Fertik I. Economic Causation through the Back Door First, we must start by putting into question the simple contrast between a nineteenth century age of peaceful progress and the decades of conflict and disintegration that followed. The most striking thing about Keynes’s vision is the unselfconsciously parochial and rose tinted image it offers of the world before 1914, all the better to evoke the shock of Sarajevo and the slide into disaster. But despite the neatness of this narrative, it does not sit well with the social scientific conscience to attribute causal force to an assassination. The original point of the NBER school therefore was precisely to add further layers of over-determination to the crisis of globalization in the early twentieth-century. What underpinned the mounting level of trade integration before 1914 was no “London consensus” on free trade, but a supply side shock delivered by falling transport costs. Beyond the comfortable bedrooms of the Edwardian upper class, the open economy forces of nineteenth century globalization were creating winners and losers, and the losers were turning to their governments for protection. Williamson and O’Rourke showed how labour migration raised incomes in the sending countries but heightened inequality in the US, fuelling a surge in nativist sentiment seeking to restrict immigration.7 Simultaneously, the huge pressure exerted on agriculture in Europe by New World imports reduced land values and triggered demands for tariffs. Invoking Karl Polanyi, Barry J. Eichengreen argued that the international gold standard that emerged after 1870, though widely fetishized as the natural foundation of monetary stability, was on increasingly precarious ground.8 Mass democracy would not long sustain the kind of deflation that accompanied the newly established gold standard in the 1870s and the 1880s. All in all, Harold James found that “humans and the institutions they create cannot adequately handle the psychological and institutional consequences of the interconnected world.”9 These histories paint a far more fraught image of the period before 1914. But in doing so they are careful to counterfactually dissociate the social and political tensions unleashed by globalization from the Great War. The conflict is made to appear as a sufficient, but not necessary precondition for the turning point in the history of the world economy. Tariffs and immigration restriction may be logically derived from the consequences of globalization, but war is not. One of the ways in which this separation is maintained is by limiting the type of politics that falls within the purview of economic historical analyses. The 7 O’Rourke and Williamson, Globalization and History. 8 Barry J. Eichengreen, Globalizing Capital. A History of the International Monetary System, Princeton 1996. 9 Harold James, The End of Globalization. Lessons from the Great Depression, Cambridge, MA 2001, pp. 4 f. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 217 NBER authors deal with interest group politics, not “reason of state.”10 The economic historians are surprisingly squeamish about connecting their histories of globalization directly to the history of violence.11 To make that connection would be to enter the forbidden territory of imperialism theory where lurk the likes of Lenin, Luxemburg and their disreputable descendants. The contrast to contemporary opinion is striking. Before 1914 to associate international economic tensions with the threat of war was by no means exotic. Both before and after World War I there was widespread agreement that the closing global frontier and the resulting zero sum competition for resources had been crucial triggers of conflict. The Boer War seemed to offer a vivid example of how corporate profit-seeking could lead to war. But the Boer War has not proven to be a good model for understanding 1914. In recent work on the outbreak of the war, big business no longer plays a significant role. The fearsome “merchants of death” once seen as the drivers of escalation now appear as the kept creatures of government procurement agencies.12 Historians locate the key decisions in the run up to the war squarely within the chancelleries of Europe, in ambassadorial drawing rooms and the map tables of the general staffs. All of these belong to the realm of professional government, to “high policy” and statecraft rather than the grubby arena of parliamentary bargaining. Ironically, however, at the same time as it has led away from imperialism theory, the investigation of high policy has led back to questions of economic causation.13 Over the last decades what has come ever more clearly into focus is the importance of fiscal-military considerations and the continental arms race between 1908 and 1914. This goes to the heart of the globalization narrative, because what is at stake are the destabilizing consequences of convergence, the basic prediction of any neoclassical vision of globalization. How might convergence lead to war? Convergence theory suggests that given the right conditions, lower income countries can be expected to grow faster. If those poorer states are small relative to the dominant international powers and obedient to their wishes, we have the scenario of Western Europe and Japan 10 Typically, these interest groups are thought to be the political representation of the various factors of production, with conflicts between them provoked by the differential gains that globalization dishes out. The logic was first spelled out by Wolfgang Stolper and Paul Samuelson in 1941. A systematic application to 19th and 20th century history is found in Ronald Rogowski, Commerce and Coalitions. How Trade Affects Domestic Political Alignments, Princeton 1989. States have surprisingly little autonomy in such models. 11 See the tortured argument in Guillaume Daudin et al., Globalization, 1870 – 1914, in: Stephen Broadberry and Kevin H. O’Rourke (eds.), The Cambridge Economic History of Modern Europe, vol. 2: 1870 to the Present, Cambridge 2010, pp. 5 – 29. 12 David Stevenson, Armaments and the Coming of War. Europe, 1904 – 1914, Oxford 1996. 13 Christopher M. Clark, Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914, London 2012, offers the best recent synthesis. 218 Adam Tooze and Ted Fertik after 1945. But if the poorest state in the system is by far the largest and that state has an opaque and unpredictable regime, which thanks to its authoritarian powers has the capacity to devote a larger share of income and population to the military, then the implications of GDP convergence for the international system are destabilizing. Being converged upon by Imperial Russia was every bit as unsettling to the powers of Western Europe before 1914, as the rise of China is to the United States today.14 The pressure was most acute on Russia’s Western neighbors, the AustroHungarian monarchy and the Kaiserreich. Russia’s defeat by Japan and the subsequent revolution lessened Western European worries. But once Russian military reconstruction began in earnest after 1910, German decision makers felt themselves exposed to an escalating threat. This was particularly so since their fiscal system was responding poorly to the challenge of the arms race. The argument that Niall Ferguson advanced almost twenty years ago has since become widely accepted.15 It took months of agonizing arm wrestling to get the Reichstag, packed since the election of 1912 with opponents of the Bismarckian constitution, to agree to a major German spending increase. Talk of a preventative war was all-pervasive and became deafening in the summer of 1914. Russia’s rise put France and Britain on their guard as well. If Russia was to become a free agent, open to the possibilities of alliances with Germany or Japan, how safe would France be in Europe or Britain’s empire in Asia? After 1910 London and Paris were therefore looking for ways to ensure that Russia was reliably triggered into action when the moment came. The Balkan crisis unfolding after 1911 was the ideal occasion. The destabilizing implications of differential economic growth rates for the arms race were compounded by the leverage provided by access to international capital markets. It was not for nothing that Kant in his famous essay on perpetual peace had suggested the banning of state debts. They provided ambitious rulers with the means to surge past their foreign opponents with a sudden mobilization of resources. The temptation was even more attractive if the money could be borrowed from abroad and paid back through the profits of conquest. By the early twentieth century any prospect of curtailing such mechanisms was utopian. The global financial system had expanded to unprecedented scale. As Flandreau and Zumer have shown, private lenders actively monitored military spending as a sign of a state’s creditworthiness.16 Capital markets could thus be seen as a check on militarism. But the same channels could also be deliberately directed towards providing crucial financial backing to a chosen strategic ally. France’s 1912 loan to Russia to 14 Ibid., pp. 326 – 334. 15 Niall Ferguson, Public Finance and National Security. The Domestic Origins of the First World War Revisited, in: Past & Present 142. 1994, pp. 141 – 168. 16 Marc Flandreau and Frdric Zumer, The Making of Global Finance 1880 – 1913, Paris 2004, pp. 34 f. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 219 rebuild its strategic rail network had the full backing of the French state. Russia was in fact the destination for fully a quarter of France’s relatively politicized international lending between 1870 and 1913.17 But state backing was not always necessary. When a war-fighting power enjoyed enthusiastic public support abroad, as Japan did amongst Western liberals in its war against Imperial Russia in 1905 and the Entente was to do after August 1914, capital markets could easily abandon their anti-militarism.18 Here too was a reason for German anxiety. Britain and France enjoyed a huge advantage over Berlin and Vienna, whose financial markets were far smaller and less sophisticated. In the final analysis the decision to go to war was political and military. But we can only understand the dangerous sense of time pressure and encirclement that haunted the decision makers in Berlin, Vienna, Moscow and London, if we take account of these strains generated by the dramatic and uneven economic, industrial and financial development of the world after 1900.19 II. Inside the Black Box In 1910 Norman Angell famously argued that the scale of international interdependence would make great power war prohibitively expensive.20 The interruption of trade connections would make both the continuation of war and essential economic activity impossible. There is a sense in which our economic histories replicate and reinforce this liberal grand narrative. They stop short in 1914 and resume after 1918, as though the conduct of the war itself were not an essential part of the story. But if Angell was right about the cost of modern war, he was wrong in his assessment of the fearful logic of escalation. The disruption of world trade in the first months of the war did not bring hostilities to a halt, nor did it halt trade for long. A reorganized world economy provided opportunities to the combatants to multiply their assets. On the trading routes of the world some “ordinary” commercial activity continued. But this was now overlaid with outright commercial warfare, widening the conflict to the neutrals. The entire concept of neutrality was thrown into question in an all-consuming war. If we open the black box of the economic history of the war, what is revealed is not an 17 Albert Fishlow, Lessons from the Past. Capital Markets During the 19th Century and the Interwar Period, in: International Organization 39. 1985, pp. 383 – 439, esp. pp. 399 – 408. 18 Mark Metzler, Lever of Empire. The International Gold Standard and the Crisis of Liberalism in Prewar Japan, Berkeley 2006. 19 For the political science literature on this theme see Patrick J. McDonald, Complicating Commitment. Free Resources, Power Shifts and the Fiscal Politics of Preventive War, in: International Studies Quarterly 55. 2011, pp. 1095 – 1120. 20 Norman Angell, The Great Illusion. A Study of the Relation of Military Power to National Advantage, London 1910. 220 Adam Tooze and Ted Fertik interruption but a new, intensified modality of globalization, heightened by a dialectic between three different moments: First, the need to mobilize the world economy fed an unprecedented impulse to organize. Second, the choices of how to organize mobilization produced unprecedented inflation. Third, organized mobilization helped to escalate a set of existential conflicts within countries and between them. This violent dialectic unfolded unevenly in time, reaching a turning point in 1916. It also unfolded unevenly in space, threatening to radically transform the geography of the nineteenth century world system. Scholars speak of World War I as the “destruction of the international economy.”21 We see instead a repurposing and reorganization. This is most obvious with respect to Britain, the country most open of all Belle poque economies and the most committed to the world economy as the truth of civilizational progress. Thanks to Lambert’s work we know that since 1900 the British admiralty had been preparing to use its naval and financial supremacy for an overwhelming campaign of economic warfare.22 But they shrank from an all-out attempt to paralyze the world economy because of collateral damage to the neutrals and above all to the US. As a result of the concessions made to the Americans, the blockade was slow in working. Meanwhile, over pacifist objections, Wilson allowed the European combatants access to America’s abundance. The Europeans would be allowed both to purchase and borrow. It was an interpretation of neutrality that suited the Entente well. For the Central Powers it was hard to avoid the impression that 1914 meant not so much the end of globalization, as the mobilization of the world economy against them, a latter day proof of Friedrich List’s fear that laissez-faire was a fig leaf for British supremacy. Before the war Britain had been the hub of the global economy. During World War I, to a remarkable degree, it continued to play that role. After 1914, the morning rituals of Keynes’s London gentlemen may have been a little less comfortable than before the war, but their command of the commodities of the world remained awe-inspiring. Britain turned its far-flung commercial and financial networks into the world’s first truly global military mobilization apparatus. Britain’s Ministry of Munitions became by far the largest purchasing agent in the entire world economy.23 As Britain’s balance of payments reveals, even in the years of the Somme and Passchendaele, whilst bringing in a huge surge in imported war materials, Britain continued to run a current account surplus. Based on this platform Britain could sustain a gigantic lending program for the Entente in 1915 and 1916 to the tune of 2.5 billion US-dollars out of a mixture of surplus overseas earning, new borrowing abroad and running down 21 Bill Albert, South America and the First World War. The Impact of the War on Brazil, Argentina, Peru and Chile, Cambridge 1988, p. 3. 22 Nicholas A. Lambert, Planning Armageddon. British Economic Warfare and the First World War, Cambridge, MA 2012. 23 Theo Balderston, Industrial Mobilization and War Economies, in: John Horn (ed.), A Companion to World War I, London 2010, pp. 217 – 233, here p. 226. ipabo_66.249.69.239 221 The World Economy and the Great War foreign assets. The key to the strength of the current account was not only resilient exports, but rising invisible earnings, above all shipping. Table 1: Maintaining a Strong International Position. The UK External Account, 1914 – 1918 (£M) 1914 1915 1916 Current account Merchandise exports Merchandise imports Mercandise balance Invisible balance Net transfers Current balance 526 –696 –170 315 –20 125 484 –852 –368 395 –50 –23 604 –949 –345 520 –50 125 Capital account Government lending Government borrowing Net government lending Net private lending Sale of investments Other transactions — — — –144 — 19 –298 53 –245 –60 43 285 –530 319 –211 –6 110 –18 Source: Reproduced from Stephen Broadberry and Peter Howlett, The United Kingdom during World War I. Business as Usual?, in: Stephen Broadberry and Mark Harrison (eds.), The Economics of World War I, Cambridge 2005, pp. 206 – 234, here p. 221. Britain’s command of the largest share of the world’s shipping was more of course than a source of earnings. It was the anchor of the entire Entente war effort. By 1917 inter-Allied shipping control bodies were allocating one half of the total tonnage afloat for the Entente’s import needs. Never before had global interdependence been made so manifest. Not for nothing were the inter-Allied committees invoked in the aftermath of the war as harbingers of a new mode of functional internationalism.24 But shipping was only the most visible part of the inter-Allied network. The invisible sinews holding the Entente war effort together were made of credit. After 1915 Britain placed the networks of global finance it had built over a century and more under conscious control. In works of international political economy it is 24 James Arthur Salter, Allied Shipping Control. An Experiment in International Administration, Oxford 1921. 222 Adam Tooze and Ted Fertik often suggested that Britain played the role of a hegemon in the prewar system.25 But that hegemony, if it existed at all, was “light touch” – more potential than real. For the most part Britain played the role of a conductor in a global economic orchestra. From 1915 onwards as far as the Entente, their empires and much of the rest of the world were concerned, the British assertion of leadership was explicit. Paris, Rome, and Russia found themselves dependent in their struggle against the Central Powers on resources mobilized on British credit in New York. It was London that could provide collateral from its huge portfolio of assets invested across its formal and informal empire. Not surprisingly international creditors preferred to lend to London. The vast Entente purchasing operation in the United States was run through J. P. Morgan, the dominant banking house on Wall Street, with deep historic links to the City of London. In 1916 on behalf of the Entente J. P. Morgan placed orders across the US greater than the total value of American exports in 1913.26 The mobilization of the world economy as an instrument of state power had the effect of denaturing it, but not of destroying it. If anything, the networks that 19th century globalization had constructed were now being activated to an unprecedented degree. III. Inflationary Mobilization of the World Economy Mobilization for World War I has commonly been understood as a domestic affair, as a feat of modern organization, and as a blueprint for the planned national economy. The achievement of the combatants in mobilizing 40 percent of GDP in societies that were by modern standards at remarkably low levels of income is considerable. But that mobilization effort was not a triumph of organization alone. It was backed up by massive credit-financed price incentives. With gold convertibility suspended compliant central banks provided their treasuries with ready cash, helping to accelerate the reallocation of resources dictated by the war. As the Entente initiated a wrenching reorganization and heightening of the global division of labour it unleashed an unprecedented and truly all-pervasive surge in inflation. We are all familiar of course with the hyperinflationary disaster of the Weimar Republic. But what is at stake here is not exceptional national experiences, but the significance for the remaking of the world economy of a global increase in prices. Again, we do not see a destruction of the international economy, but a set of shocks ramified by the networks that constituted it. The nineteenth century had opened with a burst of inflation unleashed by the financing of the Napoleonic war. The rest of the century, apart from periodic 25 The classic being Charles P. Kindleberger, The World in Depression. 1929 – 1939 [1973], Berkeley 1986. 26 Adam Tooze, The Deluge. The Great War and the Remaking of the Global Order, 1916 – 1931, London [2014]. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 223 spikes in food prices, had been a long era of low inflation. The advent of largescale global trade in commodities, the moment at which most contemporaries began to experience something akin to a world economy, coincided from the 1870s with a prolonged period of deflation. Though prices had begun gently to rise after 1897 there was nothing with which to compare the violence of the monetary upheaval after 1914. The huge credit-fuelled demand unleashed by the combatants raised prices everywhere. Even the Central Powers contributed in a minor way through their blockade-breaking operations via the Netherlands and Scandinavia. Earlier histories of the wartime and postwar inflations were national histories keyed to understanding the domestic distributional conflicts that inflation provoked, as plausible anticipations of the corporatist struggles of the 1970s.27 What such histories obscured was the global quality of inflation. If there is a single experience that truly gives concrete meaning to the idea of a single unitary world economy in World War I, it was the ubiquity of inflation. This was a “shock of the global” every bit as intense as the one that hit the world economy in the 1970s.28 Monetary theorists rightly insist that inflation is everywhere and always a monetary phenomenon, but only in the “purest” case of helicopter money does inflation have no impact on the distribution of real economic activity. As Austrian theorists of the business-cycle, foremost amongst them Joseph Schumpeter, argued, in a normal credit-fuelled boom, inflationary increases in prices were a crucial means of competing for and acquiring resources.29 The war economy of World War I took this to its logical limit. Credit was channeled through the new governmental war mobilization apparatus to produce spectacular redistributive effects. At the very top of the food chain were the manufacturing centers of the US, which had the highest priority for Entente orders. Their profits were outlandish. Outside North America, the world economy became a commodity lottery. Countries whose economies were dominated by one or two main exports were exposed to huge risks. The war-induced disappearance of European manufactured goods was hugely inflationary for these import-dependent countries, while the combatants’ decisions about which commodities merited scarce shipping berths caused severe economic contraction for exporters of inessential products. Latin America neatly illustrates the sudden and violent discrepancy that could result. Whereas the value of 27 Gerald D. Feldman, Iron and Steel in the German Inflation. 1916 – 1923, Princeton 1977; Charles S. Maier, Recasting Bourgeois Europe. Stabilization in France, Germany, and Italy in the Decade after World War I, Princeton 1975. 28 Niall Ferguson et al. (eds.), The Shock of the Global. The 1970s in Perspective, Cambridge, MA 2010. 29 Joseph A. Schumpeter, The Theory of Economic Development [1912], Cambridge, MA 1934. 224 Adam Tooze and Ted Fertik Table 2: The Wartime Dislocation of the Global Price System. Wholesale Price, 1913=100 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 European combatants France 100 Netherlands 100 Italy 100 Germany 100 102 105 95 106 140 145 133 142 189 222 201 153 262 286 299 179 340 392 409 217 357 297 364 415 510 281 624 1486 346 181 578 1911 European neutrals Spain Denmark Norway Sweden 100 100 100 100 101 112 115 116 119 143 159 145 139 189 223 185 160 250 341 244 204 304 345 339 195 326 322 330 222 390 377 347 190 — 269 211 British Empire UK Australia Canada New Zealand India South Africa Egypt 100 100 100 100 100 100 100 99 106 100 104 100 97 98 123 147 109 123 112 107 103 161 138 134 134 125 123 128 204 153 175 151 142 141 176 225 178 205 175 178 153 211 235 189 216 178 200 165 231 283 228 250 212 209 223 312 181 176 182 205 183 160 173 Western Hemisphere USA 100 Peru 100 97 105 107 125 128 160 170 195 203 217 203 227 197 238 123 — 96 91 97 97 117 117 149 133 196 148 240 155 258 147 201 134 Asia Japan China 100 100 Sources: Chris Wrigley (ed.), The First World War and the International Economy, Cheltenham 2000, p. 18; Mohammed A. Rifaat, The Monetary System of Egypt, London 1935, p. 197; Yuru Wang, Urban Wholesale Price Change and Economic Growth in Modern China, http://economics.yale.edu/sites/default/files/files/Workshops-Seminars/Econo mic-History/wang-080915.pdf. Brazil’s exports of coffee and natural rubber slumped below their prewar levels, Chile’s exports of nitrates almost doubled by 1917.30 30 John H. Williams, Latin American Foreign Exchange and International Balances during the War, in: The Quarterly Journal of Economics 33. 1919, pp. 422 – 465. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 225 From the point of view of the combatants, the inflation was a necessary evil in the process of mobilization they were driving. But what would be its costs? After the war, the accountants of the Entente estimated that billions of dollars had been siphoned off by American suppliers through excessive pricing. In the new politicized domain of international economic bargaining these profits would become the subject not just of domestic political criticism, but of international inter-governmental conflict. Meanwhile, the rapacious process of credit-fuelled mobilization set in motion a spiral of increasingly politicized societal competition that the authorities struggled to control. In the United States where the pressure of Entente demand was most intense real wages fell sharply in 1915 and 1916. By the end of the war Henry Ford’s famous five USdollar day barely covered the minimum of living expenses. From 1916 onwards strike rates surged. Meanwhile, for those lowest on the rungs of the global ladder the boom brought more terrifying prospects. In the backwaters of the global economy, a harvest failure at any time was dangerous. When transport capacity was stretched to the limit and global prices were surging, it was lethal. After 1916 hunger stalked the Eastern Mediterranean and the Caucasus. Lebanon and Persia suffered devastating famines as did Rwanda.31 Casualty figures are imprecise but millions, including much of the Armenian population of the Caucasus suffered and died in silence. Not all did. Food shortages unleashed protests across India.32 A wave of rice riots spread from the coastal fishing communities of Japan to Tokyo itself.33 In India and Egypt, the hunger of the urban poor and the cash-crop peasantry would fuel the firestorm of protest that shook the British Empire to its foundations.34 The phrase “Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen” was coined to describe uneven levels of development existing alongside each other within a national space. Contemporaries of course knew that the world economy was uneven. What wartime inflation revealed was the possibility of the entire world experiencing the same shock at the same time, and that this shock could be the product of conscious decisions. What was needed in response was not simply protection from destabilizing global market forces, but more sophisticated technologies of organization and control. 31 Bernard Lugan, Causes et effets de la famine “Rumanura” au Rwanda, 1916 – 18, in: Canadian Journal of African Studies 10. 1976, pp. 347 – 356. 32 David Arnold, Looting, Grain Riots and Government Policy in South India 1918, in: Past & Present 84. 1979, pp. 111 – 145. 33 Michael Lewis, Rioters and Citizens. Mass Protest in Imperial Japan, Berkeley 1990. 34 Paul H. Kratoska, The British Empire and the Southeast Asian Rice Crisis of 1919 – 1921, in: Modern Asian Studies 24. 1990, pp. 115 – 146. 226 Adam Tooze and Ted Fertik IV. Projects of World Order Could this spiral of mobilization, organization and disorder be controlled? Ironically, the inflationary disorder that resulted from the dialectic of mobilization, organization, and conflict, led not to a retreat but to an acceleration of projects of economic ordering. The dislocation unleashed by the wartime inflation progressed with the rhythm of the war. As on the battlefield, a turning point was reached in the autumn of 1916. Over the summer, the British offensive on the Somme and the Russian defeat of the Austro-Hungarian armies in Galicia underscored the massive material superiority of the Entente. In response the new Army Command in Germany launched the ill-fated Hindenburg Programme, which would destabilize the home front and contribute substantially to Germany’s collapse in 1918. But the Entente itself was on borrowed time. By the autumn of 1916 with presidential and congressional elections in full swing, there was mounting anxiety about the effect of the credit-fuelled boom on the US economy. In November 1916 the Federal Reserve, established in 1913 as the central bank of the United States, demonstrated its independence by advising the American banking system to abstain from any further investment in Entente debt.35 The trans-Atlantic financing operation ground to an abrupt halt. Paris and London were convinced that the American President was making a direct challenge to their war effort. In the autumn of 1916 British liberals began to revive Norman Angell’s argument. The costs of a stalemated war were exorbitant. But this view did not prevail. In December 1916 it was Lloyd George and his coalition partners in the Tory party who took control of Downing Street, determined to gamble on delivering a “knock-out” blow. They counted on renewed American assistance in 1917, but if that was not forthcoming they would have to resort to the ruinous levels of mobilization of the Central Powers. Ironically, it was the offensive counterpart to the Hindenburg Programme, the desperate German effort to sever the channels of the Entente’s global war economy, that would rescue the Entente from disaster. By April rather than throttling the Allied war effort as he clearly hoped to do, the U-Boats had driven Wilson to join the war.36 At this point the mobilization of the global economy underwent a second momentous shift. If the weaponization of the world economy against Germany and the assertion of British leadership within the Entente’s economic war effort was the first phase of the power political reconfiguration of the world economy, America’s entry into the war marked a new departure. From the summer of 1917 until the spring of 1919 the United States government lent almost 11 billion US-dollars to its associates in the Entente. The richest 35 John Milton Cooper, Jr., The Command of Gold Reversed. American Loans to Britain, 1915 – 1917, in: Pacific Historical Review 45. 1976, pp. 209 – 230. 36 Tooze, The Deluge. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 227 democracies in the world, accounting for 40 percent of the entire world economy and closer to 70 percent of world trade, were knit together by a new network of debt. For the world economy these debts had dramatic implications. They would have to be repaid either through exports to the notoriously protectionist United States, or through dollars or gold earned in third markets. The political implications of those debts for which the taxpayers of Britain, France and Italy were liable to the taxpayers of the United States were even harder to estimate. This arena of inter-governmental debt between the richest Western powers was the novel field on which the problem of hegemony within the Atlantic economy would be defined after 1918. It was the problem on which the postwar reconstruction would stand and fall. The Entente’s dependence on the United States shifted the balance within the Atlantic economy, the hub of nineteenth century globalization. But the war threatened to do something more momentous than that. As the NBER authors acknowledge, the nineteenth-century globalization they studied was highly asymmetric. According to Williamson, the great trade boom across the 19th century raised growth rates by much more in the rich countries than in the poor countries – indeed it lowered it in many places, thus contributing to the great divergence […].37 The result was to double the Western share in global GDP. If Latin America were included, the share of Western Europe and its overseas areas of colonial settlement would rise by 1914 to over 60 percent. By the beginning of the twentieth century, the west had successfully converted this economic superiority into global political and military domination. The shock of this Great Divergence was felt most acutely in Asia. Those in a position to decide upon their own responses to this shock, most notably Japan, reacted by launching a prolonged national mobilization designed to achieve parity with the West. In the process they accelerated a globalization of the forms of political and economic organization characteristic of the modern nation-state, and initiated the ultimate reversal of Asian fortunes.38 What implications does such a “re-orientation,” to use Andre Gunder Frank’s term, have for our understanding of the impact of World War I on the world economy?39 Contemporaries themselves were acutely aware of the scale of the nineteenth-century shift from Asia to Europe and many believed it unsustainable. In this respect the impact of World War I was far more ambiguous than 37 Jeffrey G. Williamson, Trade and Poverty. When the Third World Fell behind, Cambridge, MA 2011, pp. 181 f. 38 Charles Bright and Michael Geyer, Regimes of World Order. Global Integration and the Production of Difference in Twentieth Century World History, in: Jerry H. Bentley et al. (eds.), Interactions. Transregional Perspectives on World History, Honolulu 2005, pp. 202 – 238. 39 Andre Gunder Frank, ReORIENT. Global Economy in the Asian Age, Berkeley 1998. 228 Adam Tooze and Ted Fertik the simple story of deglobalization would suggest. Far from undercutting globalization, in Asia World War I appeared as a moment of openness to an alternative, less Western-dominated twentieth century. For Japan, World War I seemed to offer a historic opportunity.40 In August 1914 Japan promptly activated its treaty with Great Britain and declared war on both Germany and Austria. By October Germany’s Pacific empire had been liquidated. In January 1915 as the Europeans mauled each other the Japanese went further, announcing a unilateral claim to hegemony in China with its 21 demands. Thanks to massive British and American pressure, war between China and Japan was avoided, China preserved its fragile independence and Japan’s ambition was hemmed in. But the prospective shift in the power balance was unmistakable and expressed itself perhaps most clearly in financial terms. In the course of the war Japan’s position like that of the United States swung from being a large net debtor to being a creditor of Europe. As of 1916 Japan was providing loans to Britain, France and Russia. When China finally entered the war in the autumn of 1917 it did so under Japanese auspices and backed by a flow of Japanese funds. With the gold reserves of Japan swelling by the month, the longer-term Japanese ambition was to bring China into the gold standard under Japanese oversight. Given the scale of these shifts and their potential implications for the postwar world the Europeans could not be passive. The Central powers as well as the Entente recognized that after the war, they would face a new world. As has been recently remarked, in the furor unleashed in the 1960s by Fritz Fischer’s “Griff nach der Weltmacht,” the global dimensions of his argument slipped too quickly from view.41 Fischer was mistaken in suggesting that in the botched management of the July crisis in 1914, the ambitions of Weltpolitik were very high on the agenda in Berlin. The idea of world power that had enjoyed such a vogue around the turn of the century had since gone off the boil. But once the war began and revealed its global dimensions it was no surprise that those ideas very rapidly and very forcibly revived. The notorious German Mitteleuropa debates were a direct response to a realization of the vital significance of the world economy for European power. There is a striking similarity here between German and Japanese aims to establish subcontinental power bases, enabling them to sustain the coming global competition. Like Japan’s dreams of rebalancing the world order by means of establishing a comprehensive hegemony over China, the German plans for hegemony in the East were undone both by their inherent impracticality and by Germany’s defeat in the West. 40 Frederick R. Dickinson, War and National Reinvention. Japan in the Great War, 1914 – 1919, Cambridge, MA 1999. 41 Jennifer Jenkins, Fritz Fischer’s “Programme for Revolution”. Implications for a Global History, in: Journal of Contemporary History 48. 2013, pp. 397 – 417. ipabo_66.249.69.239 540 246 –1223 2069 60 –951 –1409 270 1899 to 1913 212 956 –5 39 1914 379 265 176 50 1915 487 263 575 371 158 1916 643 443 784 568 274 1917 1135 575 868 294 455 1918 1399 1822 236 575 1085 1343 107 –74 368 1919 Source: Harold G. Moulton, Japan. An Economic and Financial Appraisal, Washington 1931, pp. 486 – 527. Capital balance sheet Net Debt / Asset Position Japanese foreign debts Japan loans to Chinese government Government loans to France, Russia, Great Britain Other private foreign investments Specie holding abroad Current account Balance Trade balance Shipping income Table 3: From Deficit to Surplus to Deficit. Japan’s Fragile Balance of Payments, 1913 – 1929 (¥M) 1062 –393 –388 268 1920 855 –307 –361 140 1921 615 –98 –268 111 1922 1717 0 –738 2549 94 –1022 –2259 906 1923 to 1929 The World Economy and the Great War 229 230 Adam Tooze and Ted Fertik It was evident that the British and the French with their substantial global empires and their unrestricted access to the Atlantic had far stronger cards in any struggle to decide the future world order. But how were they to play them? With the Ottoman and Russian Empires both on the point of collapse, British strategists repeatedly toyed with the idea of a self-enclosed, British imperial bloc, stretching diagonally around the globe from the Canadian Pacific Northwest to Australasia. It would be a self-sufficient military and economic bloc shielded by a new, imperial fleet jointly funded by the Dominions.42 It was a vision born in part out of a sense of triumph but also in 1918 out of a fear that France might succumb and Britain would be forced to withdraw from the continent. For the French, given the ferocity of the German onslaughts in 1914, 1916 and 1918, safety could only consist in clutching the British Empire closer. In 1916 this vision was formulated at the Paris conference, which projected a postwar world economy unified against Germany, based on a merger of the British and French empires, with Russia annexed as a key supplier of food and raw materials.43 However, for the British and the French, as for the Japanese, the truly decisive factor in all these calculations of a world strategic order was the United States. America’s entry into the war and its large-scale funding for the Entente war effort raised hopes of long-term collaboration. But, from the outset of the war America set itself against the reorganization proposals of all the combatants. Defeating Germany’s grand visions of a Eurasian power bloc was Washington’s military goal. But as Germany succumbed, curbing Japanese, British and French ambitions to restructure the world order became the top priority. What America offered as an alternative was its own vision of the “Open Door,” with which US strategy had opened its campaign against European and Japanese spheres of interest in China in 1900.44 This was not the limited imperialism of the “old world,” but a truly comprehensive model of global capitalist organization under the auspices of a capitalist republic on a continental scale, the likes of which the world had never seen before. The central question was whether this American vision of an offshore capitalist hegemony would really be sufficient to respond to the challenge of a world economy, not so much interrupted as transformed and leveraged by World War I. As armistice arrived the French were still hoping that they might enlist the Americans in a continuation of wartime plans. Raw materials they insisted ought to be divided up globally between the Entente and the United States. The costs of the reconstruction of Europe would be internationalized by way of the 42 John Darwin, The Empire Project. The Rise and Fall of the British World System, Cambridge 2011. 43 Georges-Henri Soutou, L’or et le sang. Les buts de guerre conomiques de la Premire Guerre mondiale, Paris 1989. 44 For an excellent historiographical essay on the open door interpretation see http:// www.americanforeignrelations.com/O-W/Open-Door-Interpretation.html. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 231 League of Nations. The British hoped for a diarchy based on an AngloAmerican naval deal to avoid the ruinous costs of an arms race and a joint approach to financial reconstruction, with both London and Washington writing down the unprecedented accumulation of “political debts.” Wilson’s administration was persuaded to accept naval arms limitation talks by Lloyd George holding hostage the League of Nations Covenant. But Washington refused even to discuss a collective write-down of inter-governmental debts. This roadblock led directly to the politics of reparations and Keynes’s despairing obituary for the liberal world economy in “The Economic Consequences of the Peace.” In financial terms the linkage was clear. Since America insisted on the repayment of its debts, France and Britain demanded huge reparations from Germany. America’s insistence that wartime debts should be honored had the opposite effect of that intended. It did not clear the decks for a restored liberal order on American terms. What it did was to ratchet up and to perpetuate into the postwar period the new structures of a politicized global economy created by the war. V. Moving Forward while Looking Back This brings us to the final stage of our narrative sketch. How might we write the history of the postwar transition? The conventional story, projected by Keynes from the disillusioned aftermath of Versailles and subsequently repeated as fact by many popular narratives is that the wake of the war saw a nationalist backlash, the rise of protectionism and the disintegration of the world economy. Certainly by the 1930s something resembling that scenario had transpired. But the buzzword of the aftermath of the war was reconstruction not disintegration. As Boyce has recently argued the main effort of the 1920s was to rebuild a liberal international system.45 It was not the war but the failure of the reconstruction effort after 1929 that produced the disintegration commonly attributed to World War I. But if reconstruction was the watchword of the post-1918 period, how was the new order to be founded? At Versailles the Wilson administration had refused the grand bargains offered by the Entente powers. A simple return to prewar normality would have been to deny the force of what had happened. World War I made a bonfire of the verities of the 19th century : monarchical conservatism, along with paleoliberalism, but also orthodox Marxism. Modernity acquired a massively self-reflexive instability. The cultural disembedding, the disenchantment of economic life – one is tempted to say its secularization – were all-pervasive experiences at the turn of the century. The process was registered in various ways by observers as diverse as Max Weber, John M. Keynes and Karl Polanyi. The war completed that 45 Robert W. D. Boyce, The Great Interwar Crisis and the Collapse of Globalization, Houndmills 2009. 232 Adam Tooze and Ted Fertik denaturing in a radical fashion. Reconstruction therefore had to be a selfconscious act not simply of running down wartime organizations, or removing government intervention, but of conscious, self-reflexive stabilization.46 In the absence of a grand bargain driven by an omnipresent hegemonic power this proceeded in a localized, sectoral fashion. A variety of different strategies of stabilization, repression, demobilization, depoliticization and reorganization were brought into play. We will highlight here efforts in four different fields: knowledge, money, labour and trade. If reconstruction in the wake of World War I was an inherently self-reflexive undertaking, knowledge was a strategic field. In the war’s wake no discipline was more powerfully influenced by this self-reflexivity than economics. The concept of world economy had first emerged in the late nineteenth century, perhaps most commonly in German. From the war the idea of the Weltwirtschaft emerged concretized as never before as a web of managed flows.47 The early decades of the twentieth century, dominated by World War I, were a crucial moment in the history of the modern institutions of economic research. The NBER, the institution which in the 1990s hosted the American side of the new globalization historiography, was founded in 1920 precisely in the hope of bringing quantitative order to American economic science.48 As the founders of the NBER well understood, the question that inevitably followed was the question of politics. Could a governed economy remain the natural, unpolitical ground of national and international society? What was the status of economic knowledge itself under these unsettling conditions? Massive quantification and the construction of new channels of expert advice and influence were one answer. In our current understanding of the economy we are ourselves still enmeshed in the Wirkungsgeschichte of this moment. But how was expertise to be brought to bear? In the wake of the war investigative commissions and expert staffs proliferated. All the major areas of world economics came under their sway. But the most urgent and political problem of stabilization was monetary, and it was in the wake of the First World War that central banking and its techniques truly emerged as a crucial instrument of global economic organization. For more than a year after the end of hostilities the wartime boom continued unabated. American spending in Europe continued to be enormous in 1919 and rationing controls were lifted. Inflation further accelerated. But over the winter of 1919 this brought growing 46 It is puzzling that historical sociologies of reflexive modernization advanced for instance by Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt 1986, have not been applied more extensively to the crisis unleashed seventy years earlier by World War I. 47 Quinn Slobodian, What was die Weltwirtschaft in Turn-of-the-Century Germany and Austria? Paper given at Harvard University, 28. 3. 2013. 48 Guy Alchon, The Invisible Hand of Planning. Capitalism, Social Science, and the State in the 1920s, Princeton 1985. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 233 tension in commodities markets across the world, unsettled currency markets, and triggered an avalanche of social conflict and labour unrest. In Washington there was real concern about the viability of upholding the gold standard even in the US. In the first months of 1920, the inflation that had been the dominant theme of the war years was brought to an abrupt halt by the Federal Reserve Board. If the November 1916 announcement on Entente borrowing had been a shot across the bows of the Entente, the Fed’s decision to hike interest rates in February 1920 made clear its dominant role in the entire world economy. Deflation was now the order of the day. In 1920 and early 1921 prices fell even in the Weimar Republic. Inflation did not resume in Germany until the reparations question went critical in May 1921 following the London Ultimatum. The collapse into hyperinflation was the experience of only a handful of central European basket cases – Germany, Austria, Poland. And this did not exempt them from the general logic of deflation. In recovery, they became the object of unprecedented international intervention and financial reconstruction. Under the Dawes Plan Germany returned to gold in 1924 sooner than the British Empire, which followed in 1925. It was, as Polanyi remarked, the “most comprehensive” effort at concerted international economy policy “the world had ever seen.”49 Even the Raj, once regarded as a dangerous bullion drain, undertook an ill-fated experiment with the gold standard.50 Deflation and a spike in unemployment helped to pacify industrial relations. But the collapse in demand added to the difficulties of readjusting the unbalanced production patterns left by the war. It is tempting to infer that this double pressure necessitated protective measures and thus completed the breakup of the liberal world economy.51 With regard to trans-Atlantic immigration the postwar period was indeed a crucial moment.52 In 1921 and 1924 the United States adopted restrictive legislation. Labour would never again move as freely as it did before 1914. Here, seemingly we have an unambiguous index of deglobalization, a clear indicator of a break. But in Asia there was no sudden migration stop, in part because Chinese, Indian and Japanese migration to the regions controlled by the West had been tightly controlled already since the mid-nineteenth century. In the wake of the war, the British Empire in the name of imperial unity and under intense pressure from the Government of India, in fact announced that it would adopt a more liberal policy on Indian migration. But this was rendered void by the restrictive local 49 Karl Polanyi, The Great Transformation. The Political and Economic Origins of our Times, Boston, MA 1944, p. 27. 50 G. Balachandran, John Bullion’s Empire. Britain’s Gold Problem and India between the Wars, Richmond 1996. 51 Ingvar Svennilson, Growth and Stagnation in the European Economy, Geneva 1954. 52 Timothy J. Hatton and Jeffrey G. Williamson, The Age of Mass Migration. Causes and Economic Impact, New York 1998. 234 Adam Tooze and Ted Fertik measures taken in Canada, Australia and East Africa. Meanwhile, the largest global migration flow, Chinese migration within Asia, continued unabated.53 Worldwide, overall migration probably peaked in 1929. Even in the Atlantic world the politics of restriction were more ambiguous than a simple story of war-induced deglobalization would suggest. In the US the impetus for federal immigration restriction went back to the late nineteenth century. Both Presidents McKinley and Wilson had vetoed congressional votes to implement a strict literacy test. To contemporaries, the mass migrations of the pre-1914 period were not a triumph of personal freedom, or a vindication of a liberal economic order. First and foremost they were symptoms of distress in Eastern and Southern Europe. After the war, restriction was acknowledged both on the side of the receiving and sending nations as part of a new and more complex social bargain. It was no coincidence that in the 1920s major sending countries like the UK and Italy engaged in government policies designed to give a new national purpose and value to the emigrant. For those that stayed at home, new programs of national biopolitical improvement, ranging from eugenics, to agrarian reform and state-led heavy industrial development, often supported by inflows of foreign capital and expertise, would offer a brighter future.54 The creation of an agency like the International Labour Organization (ILO) did not betoken an end to globalization so much as an effort to consciously balance wages, social policy and labour migration at an international level. A newly formed state such as Poland did not lobby so hard for a commercial port on the Baltic to give its countrymen and women an easier route to a better life in the United States. But neither was it signaling a desire to cut itself off from world trade. What Poland was articulating was the aspiration to an independent and autonomous national existence within a newly restructured world economy. The Polish-German trade dispute of the 1920s is commonly invoked as a notorious instance of post-Versailles disintegration.55 But bitter as it was, it was not an attempt to uncouple from globalization. For Poland what was at stake was precisely the hope of escaping local German domination by means of membership in a wider international community. Whilst the heavy-industry of Silesia sought to disentangle itself from German influence it did so by plugging itself into new networks that stretched to Wall Street.56 53 Adam McKeown, Global Migration. 1846 – 1940, in: Journal of World History 15. 2004, pp. 155 – 189. 54 Hermann A. L. Lufft, Italienische Auswanderungspolitik, in: Weltwirtschaftliches Archiv 25. 1927, pp. 279 – 299; Philip V. Cannistraro and Gianfausto Rosoli, Fascist Emigration Policy in the 1920s. An Interpretive Framework, in: International Migration Review 13. 1979, pp. 673 – 692. 55 Recent econometric studies suggest that this charge was wrong even on its own terms. Nikolaus Wolf et al., On the Economic Consequences of the Peace. Trade and Borders after Versailles, in: Journal of Economic History 71. 2011, pp. 915 – 949. 56 Frank Allan Southard, American Industry in Europe, Boston, MA 1931, pp. 81 – 88. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 235 Though the idea of a break in 1914 remains a common shorthand in discussions of trade integration in interwar economic history, the evidence suggests a more differentiated timeline. Reconstruction after 1918 meant an effort to rebuild a new and improved international trade system not an atavistic turn towards protectionism.57 The return of a Republican majority in Congress was alarming for the entire world economy. But the new FordneyMcCumber Tariff was no worse than the US tariff rates that had prevailed at the height of the golden age of the “first globalization.” It was not the tariff that was so worrying however, but the sign it sent that the executive branch in the US, having lost the battle over the League of Nations in 1919, was unable to articulate America’s central new role as a postwar creditor with the remorseless interest group politics of Congress. The American balance of payments was a record not so much of economic success as of destabilizing surpluses, an expression not of a world made safe for democracy, but of the disarticulation between the business of politics and any wider notion of hegemony. Nor was this disarticulation confined to the United States. If we view tariff increases in relation to the overall pattern of trading relationships in the 1920s, arguably the most significant shift was in trade relations between India and Britain. The new Indian tariffs were far from prohibitive. Nor did they in any way signal a desire on the part of India to retreat from the world economy. India’s trade with Japan was booming. What was at stake was the long-held desire to emancipate India from its dependence on British imports.58 The basic issue was of national autonomy within a reconstructed global economy. Not for nothing was the demand for tariff autonomy common in the 1920s to China, India, Turkey and the Weimar Republic. The global significance of the Indian tariff was that this autonomy posed a direct challenge to the inner logic of the British Empire and to its role in balancing global trade flows. In the prewar period the British surplus in India was key to balancing the complex multilateral payments system. After 1918 whilst there was huge growth in the surplus earned by the United States in Europe, and whilst the exports of the tropics to the United States as well as those of the “great plains” agrarian producers to Europe flourished, Britain’s surplus with India was static. It was the only dyad in the worldwide trading network to register no change. What emerged from the war, therefore, was not a shrunken global trading system, but one characterized by ever larger bilateral imbalances, which were no longer offset by Britain’s robust balance of payments. It was not so much a deglobalization as a decentering of Europe. Contemporary reportage in the 1920s from the great passage points of world trade in the Suez and Panama 57 Patricia Clavin, Securing the World Economy. The Reinvention of the League of Nations, 1920 – 1946, Oxford 2013, pp. 38 – 47. 58 Brian R. Tomlinson, The Political Economy of the Raj, 1914 – 1947. The Economics of Decolonization in India, London 1979. 236 Adam Tooze and Ted Fertik Table 4: The Re-Direction of Trade and the De-Centering of Europe. Trade Balances ($M) US Tropics UK Continental Europe 1910 US Tropics UK Continental Europe Great Plains — 34 –243 –122 –136 –34 — 292 –146 –14 243 –292 — 219 58 122 146 –219 — 68 136 14 –58 –68 — 1928 US Tropics UK Continental Europe Great Plains — 780 –630 –740 –640 –780 — 200 –510 –60 630 –200 — 730 260 740 510 –730 — 820 640 60 –260 –820 — Ratio of 1928 of 1910 US Tropics UK Continental Europe Great Plains — 22.9 2.6 6.1 4.7 22.9 — 0.7 3.5 4.3 2.6 0.7 — 3.3 4.5 6.1 3.5 3.3 — 12.1 4.7 4.3 4.5 12.1 — Great Plains Notes: The data should be read from left to right. They show the balance of trade between the country/ region listed in each row with the country/ region listed in each column. The Tropics include central Africa, the tropical agricultural and the mineral producing countries of Latin America, and tropical Asia. The Great Plains, or countries of recent settlement in the temperate belt, briefly comprise Canada, Argentina, Paraguay, Uruguay, South Africa, Australia and New Zealand. Sources: Albert G. Kenwood and Alan L. Lougheed, The Growth of the International Economy 1820 – 2000, London 2002, p. 99 and p. 222; Karl-Erik Hansson, A General Theory of the System of Multilateral Trade, in: The American Economic Review 42. 1952, pp. 59 – 68. canals described a complex process of transformation and redirection.59 The rapid development of Panama canal traffic highlighted the growing significance of the direct trade between the United States, the tropical regions of Asia 59 Egon Heymann, Der Verkehr im Suezkanal 1912 – 1914 und 1919 – 1926, in: Weltwirtschaftliches Archiv 25. 1927, pp. 86 – 104; Franz Haslinger, Umschichtungen im Weltverkehr. Weltwirtschaftliche Aufschlüsse der Panamakanalstatistik, in: Weltwirtschaftliches Archiv 23. 1926, pp. 308 – 329. ipabo_66.249.69.239 The World Economy and the Great War 237 and Australia. Commodities like Australian wool that had once passed through London now went direct to consumers in the United States. In the Suez canal what was striking was the importance of a new global commodity, oil. Up to the turn of the century the oil industry was preeminently American. Thereafter the sources of supply globalized, creating a new set of far-flung dependencies that would eventually undercut the national systems of energy supply based on coal.60 Once it outgrew the wildcatting stage, the hydrocarbon economy never neatly conformed to the model of the liberal economy. Oil was big business and it was highly politicized. The Boer War model of international relations seemed to acquire a new salience in the struggles over Iraq and Mesopotamia in which Standard Oil, Royal Dutch Shell and Anglo-Persian squared off with the more or less overt backing of their governments. But the themes of corporate organization and government intervention were not restricted to oil. Even more contentious was Britain’s elaborate scheme introduced in 1924 for a global rubber control system, known as the Stevenson Plan. With motor vehicles as the great driver of American growth, it seemed to many like a deliberate effort by the British to recoup the costs of the war debts by taxing American consumers. The copper syndicate organized by American mining firms shortly afterwards was widely seen as a reply to the Stevenson rubber plan. As Depression-era observers of the international economy looked back on the prewar period it became increasingly clear to them that some of the transformations in the world economy since 1914 had been due to the war and nationalist reactions to the economic consequences of the war (and the peace), but some had not. The economic confusions of the moment were as much due to the supersession of competitive markets by oligopolistic firms and the new significance of materials found only in far-flung parts of the world as they were to the war and nationalism. For some of these observers the experience of the war economy held positive lessons. Governing the world as though it were a natural object had not prevented the most destructive conflict in human history. The success that some actors (and some spectators) felt they had had in consciously repurposing both domestic economies and the world economy for war led them to believe that they could do the same for peace. Indeed, some were convinced that only an actively governed world economy could preserve the peace.61 That a second war was not averted does not mean that these interwar observers were wrong. Nevertheless before 1945 efforts to insulate the government of the world economy from politicization did not succeed. A price control plan for the global rubber industry masterminded by London but based in Malaysia, rumored by German experts in international economics to be an indirect 60 Timothy Mitchell, Carbon Democracy. Political Power in the Age of Oil, New York 2011. 61 Eugene Staley, World Economy in Transition, New York 1939. 238 Adam Tooze and Ted Fertik mechanism for repaying billions of dollars in war debts owed by the British tax-payer to the US is a fitting illustration of the kind of world economy created by World War I.62 The war could not undo or reverse what Michael Geyer and Charles Bright suggestively labelled the “global condition.”63 What it did do was to render the organization of that economy more complex, more politicized and ultimately more fragile, exposing it to the kind of disaster that struck in 1929. Measured in terms of metrics of integration there can be no doubt that it was 1929 to 1931 that marked the true break in the trajectory of globalization. And contemporaries no doubt perceived it as a catastrophe. But once we take seriously the politicized and self-reflexive reconfiguration of the world economy driven forward by World War I, even the Great Depression no longer figures simply as a rupture.64 The innocent discourse of market integration would only regain its relevance after the passing of the age of extremes. To contemporaries the Great Depression and the spectacular array of innovative national and regional policies that followed, ranging from the global designs of Bretton Woods, to the desperate efforts of Stalinism to feed socialism in one country by means of forced grain exports, were not so much deglobalization as the next round in the ongoing struggle over the relationship between world economy and world power, the question forced violently into the open in 1914. Prof. Dr. Adam Tooze, Yale University, Department of History, 31 Hillhouse Avenue, New Haven, CT 06511, USA E-Mail: [email protected] Ted Fertik, Yale University, Department of History, 320 York Street, New Haven, CT 06511, USA E-Mail: [email protected] 62 Robert Liefmann, Internationale Kartelle, in: Weltwirtschaftliches Archiv 25. 1927, pp. 260 – 294, 63 Charles Bright and Michael Geyer, Benchmarks of Globalization. The Global Condition, 1850 – 2010, in: Douglas Northrup (ed.), A Companion to World History, Chichester 2012, pp. 285 – 300. 64 Wendy Larner and William Walters, Globalization as Governmentality, in: Alternatives. Global, Local, Political 29. 2004, pp. 495 – 514. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan Mediale Aneignungen und Studien durch Militär und Ministerialbürokratie von Jan Schmidt* Abstract: For many societies, the First World War constituted a mediated war experience. This is also the case for Japan, which joined the Entente Powers already in August 1914, but was only marginally involved in military campaigns. For more than four years, the war was heavily covered by the Japanese mass media. It was constantly an object of interpretations and of studies as well as an entertaining spectacle. The article focuses on the way Japanese media helped to forge an indirect war experience and on studies undertaken by the Japanese Army and by the Ministry of Education. It demonstrates how they propelled certain policies to prepare for the “postwar world” and a tendency toward national mobilization even in peacetime which contributed to preparing for another war in the future. Die Kriegserfahrung der lateinamerikanischen Gesellschaften, kolonialer Gesellschaften, vieler neutraler Staaten, aber auch von militärisch nur vergleichsweise wenig involvierten oder erst spät in den Krieg eintretenden Staaten wie Japan und China in den Jahren ab 1914 war eine andere als die der kriegführenden Staaten Europas. Jenseits der direkten Erfahrung von millionenfachem Tod und massiver Zerstörung wurde der Krieg hier vor allem über Medien vermittelt, jedoch nicht ausschließlich passiv rezipiert. Während vergleichsweise kleine Zahlen von entsendeten Beobachtern das Kriegsgeschehen dort direkt vermittelten, wurde dieses durch abertausende Texte und Bilder nicht nur wahrgenommen, sondern durchaus aktiv interpretiert, über visuelle Medien in das Bildgedächtnis integriert und längerfristig Teil des kulturellen Gedächtnisses über den Krieg im Allgemeinen. Nur so ist es etwa zu * Für Kommentare zu diesem Beitrag danke ich Nele Fabian, Teelka Groeneveld, Nina Holzschneider, Nicola Przybylka, Stephan Rath und Katja Schmidtpott. Der Text basiert in Teilen auf der Dissertation: Jan Schmidt, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Der Erste Weltkrieg in Japan. Medialisierte Kriegserfahrung, Nachkriegsinterdiskurs und Politik, 1914 – 1918 / 1919, Diss. Universität Bochum 2013. Alle japanischen und chinesischen Namen werden in der in Ostasien üblichen Reihenfolge, zunächst Familien-, dann Personenname, angegeben. Für die Umschrift aus dem Japanischen wird die revidierte Hepburn-Umschrift verwendet, aus dem Chinesischen die Pinyin-Umschrift. Übersetzungen, falls nicht anders kenntlich gemacht, sind die des Autors. Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 239 – 265 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014 ISSN 0340-613X 240 Jan Schmidt erklären, dass Phänomene wie Gasmasken, Panzer, Luftangriffe, Nahrungsmittelmarken, Gefangenenlager oder etwa das Heer von in Munitionsfabriken arbeitenden Frauen auch in solchen Gesellschaften zu Erinnerungsorten des 20. Jahrhunderts wurden, die den Kriegsalltag selbst nicht direkt erfahren haben. Für die tendenziell marginale historiographische Aufarbeitung dieses Phänomens dürfte verantwortlich gewesen sein, dass der Erfahrungsraum, der eine eigene, jedoch eher indirekte Kriegserfahrung begründet, im Schatten des kulturellen Gedächtnisses an die Opfer und Schäden in den vom Krieg direkt militärisch betroffenen Regionen stand. Ein solcher Fall ist die Integration Japans in die Geschichtsschreibung des Ersten Weltkriegs.1 Zwar wurde längst auf die enorme ökonomische Bedeutung des Weltkriegs auch für Ostasien hingewiesen. So leitete in Japan die Nachfrage der Entente-Staaten nach japanischen Produkten und Dienstleistungen sowie die relative Abwesenheit der europäischen Großmächte vom chinesischen Markt nach Kriegsausbruch ab 1915 eine Hochwirtschaftsphase ein, welche der Industrialisierung dort zum endgültigen Durchbruch verhalf. Ebenfalls häufig erwähnt wurden die sozialen Gegensätze und die ökonomischen Härten, die der Krieg durch eine erheblich beschleunigte Urbanisierung und rasant steigende Nahrungsmittelpreise auslöste und die im Sommer 1918 in den „Reisunruhen“ kulminierten.2 Auch dürfte die langfristige Bedeutung des aggressiven außenpolitischen Vorgehens gegenüber China im Zuge der sogenannten „Einundzwanzig Forderungen“, die im Frühjahr 1915 unter Gewaltandrohung durch Japan übermittelt worden waren, in keiner ausführlichen Überblicksdarstellung des Kriegs fehlen, wie auch die Rolle Japans während der Pariser Friedenskonferenz zumindest am Rande Erwähnung findet. Zumindest in der direkt auf Japan bezogenen Forschung, allerdings weit weniger in allgemeinen Studien zum Ersten Weltkrieg, wurde zudem auf die Herausforderung hingewiesen, welche die neue Ordnung als Folge der Friedensprogrammatik Woodrow Wilsons, der Russischen Revolution, der Gründung des Völkerbunds und der Washingtoner Konferenz von 1921 / 1922 für Japan als Staat und Empire darstellte.3 1 Zur japanischen Historiographiegeschichte: Sebastian Conrad, Auf der Suche nach der verlorenen Nation. Geschichtsschreibung in Westdeutschland und Japan, 1945 – 1960, Göttingen 1999; Hans Martin Krämer u. a. (Hg.), Geschichtswissenschaft in Japan. Themen, Ansätze und Theorien, Göttingen 2006. 2 Thomas W. Burkman, Japan, in: Robin Higham u. Dennis E. Showalter (Hg.), Researching World War I. A Handbook, Westport 2003, S. 293 – 314. Jan Schmidt u. Naoko Shimazu, A Historiographical Turn. Interpretations of Japan in the First World War, in: Christoph Cornelißen u. Arndt Weinrich (Hg.), Writing War History. 100 Years of Historiography on the First World War, Paris [2014]. 3 Thomas W. Burkman, Japan and the League of Nations. Empire and World Order, 1914 – 1938, Honolulu 2008; Frederick Dickinson, War and National Reinvention. Japan ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 241 Dennoch spielt Japan in der globalen geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg nur eine marginale Rolle; der Weltkrieg selbst wiederum war in der japanischen Geschichtswissenschaft bis in die jüngste Zeit in nur sehr geringem Maße präsent. Vieles hängt dabei von der Frage ab, wie Kriegserfahrung in Bezug auf ganze Gesellschaften definiert wird: Wird sie in einer breiten und komplexen Form gefasst, die nicht allein die direkte Erfahrung von Gewalt und Zerstörung einschließt, so können Fälle, in denen ferne Kriege medial sowie durch nur eine kleinere Zahl von beobachtenden Individuen derselben Gesellschaft direkt erfahren wurden, als ein eigener, im Übrigen im 20. Jahrhundert häufig auftretender, Typus der Kriegserfahrung angesehen werden.4 Eine solche, sich über mehr als vier Jahre entwickelnde indirekte Kriegserfahrung kann im Falle des Ersten Weltkriegs nicht nur für Japan konstatiert werden, sondern ebenso für die Rezipienten der Massenmedien in anderen von den Kriegsschauplätzen entfernten Ländern, wie beispielsweise in Argentinien, worauf in jüngster Zeit hingewiesen wurde.5 Die Betrachtung der japanischen Erfahrung des Ersten Weltkriegs kann also nicht als Marginalie angesehen werden, sondern muss als ein frühes Beispiel für eine durchaus wesentliche Art der Erfahrung im gesamten „Zeitalter der Extreme“ gelten.6 Nicht kolonisierte Staaten außerhalb Europas und jenseits der USA konnten den Krieg darüber hinaus als Studienobjekt entdecken, das nun von einer meist nach europäischem Vorbild akademisch ausgebildeten Elite junger Beamter und Offiziere untersucht wurde. Die mit diesem Auftrag entsandten Beobachter wiederum trafen vielfach auf Gesellschaften, die im Zuge eines stetig totaler werdenden Kriegs in wachsendem Grad mobilisiert und Versuchen staatlicher Lenkung unterworfen wurden. Der Erste Weltkrieg war somit für eine globale Elite Beamter, Journalisten, Offiziere und Unternehmer auch ein gigantisches Laboratorium für Rationalisierung und „Social Engineering“. and the Great War, 1914 – 1919, Cambridge, MA 1999; Shimazu Naoko, Japan, Race and Equality. The Racial Equality Proposal of 1919, London 1998. 4 Zur Medialisierung von Kriegserfahrungen: Horst Tonn, Medialisierung von Kriegserfahrungen, in: Georg Schild u. Anton Schindling (Hg.), Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit. Neue Horizonte der Forschung (= Krieg in der Gesellschaft, Bd. 55), Paderborn 2009, S. 109 – 133. 5 Vgl. Gordon M. Winder, Imagining World Citizenship in the Networked Newspaper. La Nacin Reports the Assassination at Sarajevo, 1914, in: Historical Social Research 35. 2010, S. 140 – 166; ferner die 2014 erscheinenden Arbeiten Maria Ins Tatos zu Argentinien im Ersten Weltkrieg; Jan Schmidt, Sensō imēji no „sekai dōji-sei“ (Die „Weltgleichzeitigkeit“ der Kriegsbilder), in: Koseki Takashi (Hg.), Gendai no kiten. Daiichi sekai taisen. Dai-ikkan: Sekai sensō, Tōkyō [2014], S. 148 f. 6 Generell zu vergleichenden Studien von Kriegserfahrungen: Schild u. Schindling, Kriegserfahrungen. 242 Jan Schmidt Dieser Text widmet sich diesen beiden Dimensionen in Japan: einerseits der Perzeption des Ersten Weltkriegs durch die japanischen Massenmedien und deren Folgen, andererseits den umfangreichen Studien, die zum Krieg angestellt wurden. Beides ist auch in Japan bisher nur fragmentarisch erforscht. Die These ist, dass sowohl der Umfang und die Kontinuität der medialen Berichterstattung als auch das Phänomen des ausführlichen Studiums des Kriegsgeschehens durch Militär und Ministerialbürokratie eine eigene Art der Kriegserfahrung konstituiert haben, die mehr und folgenreicher war als nur ein passiv wahrgenommenes Hintergrundrauschen. Die Aneignung der weitgehend über Medien vermittelten Erfahrung war dabei stets geprägt sowohl von einer Tendenz zum Konsum des Kriegs als einer Art Spektakel und vom Impetus zu dessen Nutzung zur Weiterbildung als auch von einem Gefühl der Gleichzeitigkeit eines Ereigniszusammenhangs von irreversibel weltverändernder Bedeutung. Dies wiederum öffnete einen diskursiven Raum, insbesondere für Zukunftsvorstellungen, die mit impliziten oder expliziten politischen Forderungen kombiniert wurden. Im Anschluss an eine Auseinandersetzung mit der Vermittlung des Kriegs durch die japanischen Massenmedien werden die von Militär und Ministerialbürokratie durchgeführten Studien zum Krieg zunächst kurz vorgestellt, um dann die Aktivitäten und Zielsetzungen der eigens dafür eingesetzten Gremien in Bildungsministerium und Militär zu verdeutlichen. Anhand von Publikationen dieser Gremien und konkreter politischer Maßnahmen, die durch diese Studien angestoßen wurden, die aber auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Vermittlung des Kriegsgeschehens in Japan zu sehen sind, wird auf eine besonders wirkmächtige Facette des Erbes hingewiesen, das der Erste Weltkrieg in Japan hinterließ: die Präferenz zu einer bewusst betriebenen Vorbereitung auf einen weiteren zukünftigen (Welt-) Krieg, der als unausweichlich angesehen wurde. I. Der Erste Weltkrieg als medialisierte Kriegserfahrung Eine britische Anfrage nach japanischen Kriegsschiffen, sich an der Jagd nach dem vom deutschen Pachtgebiet Jiaozhou aus operierenden deutschen Ostasiengeschwader zu beteiligen, nutzte die japanische Führung um den Außenminister Katō Takaaki, um den Kriegsbeitritt einzuleiten.7 Das 1902 geschlossene Britisch-Japanische Bündnis konnte dabei nur als rhetorischer Hintergrund herangezogen werden, da es sich um ein regional begrenztes Defensivbündnis handelte. Nach Ablauf eines japanischen Ultimatums an 7 Vgl. die entsprechenden Kapitel bei Dickinson, War and National Reinvention; Ian Nish, Japanese Foreign Policy 1869 – 1942. Kasumigaseki to Miyakezaka, London 1977; Kajima Institute of International Peace (Hg.), The Diplomacy of Japan 1894 – 1922, Bd. 3: First World War, Paris Peace Conference, Washington Conference, Tōkyō 1980. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 243 Deutschland und der Kriegserklärung am 23. August 1914 besetzten japanische Truppen nach einer mehrwöchigen Belagerung das deutsche Pachtgebiet um die Bucht von Jiaozhou sowie die deutschen Inselkolonien in Mikronesien. Sieht man von der Entsendung eines kleineren japanischen Flottengeschwaders für Geleitschutzaufgaben ins Mittelmeer im Jahr 1917 und der mehrjährigen Besetzung weiter Teile Sibiriens durch japanische Truppen im Zuge der sogenannten Sibirien-Intervention von 1918 bis 1922 ab, war damit die direkte militärische Beteiligung Japans am Ersten Weltkrieg bereits beendet. Dem kann noch hinzugefügt werden, dass die japanischen Medien während des gesamten Kriegs durch Nachrichten von der vermeintlichen oder tatsächlichen Kriegsbeteiligung japanischer Bürger in der Öffentlichkeit ein Gefühl einer andauernden aktiven japanischen Kriegsbeteiligung vermittelten. Hierzu zählten Berichte über die Versenkung mehrerer japanischer Handelsschiffe durch deutsche U-Boote und Hilfskreuzer, die Entsendung von 75 Krankenschwestern und Ärzten des japanischen Roten Kreuzes nach London, Paris und St. Petersburg von Oktober 1914 bis 1916, der Kriegseinsatz japanischstämmiger Kanadier, die schlicht als japanische Kriegsfreiwillige dargestellt wurden, der wiederholte Ankauf von Staatsanleihen der Bündnispartner sowie die massiven Lieferungen von Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen an Russland.8 In der langfristigen Erinnerung sowie in der späteren Geschichtsschreibung inner- und außerhalb Japans blieb dessen Beteiligung am Krieg aber eine Marginalie. Wenn überhaupt, dann wurde eher betont, dass das japanische 8 Zu den japanischen Krankenschwestern in Europa: Gordon Daniels, Humanitarianism or Politics? Japanese Red Cross Nurses in Britain, 1915 – 1916, in: Hiroko Tomida u. Gordon Daniels (Hg.), Japanese Women. Emerging from Subservience, 1868 – 1945, Folkestone 2005, S. 222 – 231; Kawai Toshinobu, Dai-ichiji sekai taisen-chū no Nihon sekijūji-sha ni yoru Ei-Futsu-Rokoku e no kyūgohan haken (Die Entsendung von Hilfsmissionen des japanischen Roten Kreuzes nach Großbritannien, Frankreich und Russland während des Ersten Weltkriegs), in: Gunji shigaku 43. 2007, S. 4 – 25. Zu ihrer medialen Darstellung: Jan Schmidt, La quÞte japonaise pour la suprmatie dans le contexte de la contribution de l’Asie orientale la Grande Guerre. Infirmires japonaises contre „coolies“ chinois, in: Li Ma (Hg.), Les travailleurs chinois en France dans la Premire Guerre mondiale, Paris 2012, S. 131 – 154. Zu den japanischen Kriegsfreiwilligen in Europa: Kudō Miyoko, Kiiroi heishitachi. Dai-ichiji taisen Nikkei Kanada giyūhei no kiroku (Gelbe Soldaten. Die Aufzeichnungen der japanischstämmigen kanadischen Freiwilligen im Ersten Weltkrieg), Tōkyō 1983. Zu den Lieferungen an Russland: Eduard Baryshev (Bāruishefu Edowarudo), Dai-ichiji sekai taisen-ki ni okeru Nichi-Ro gunji kyōryoku no haikei. Mitsui bussan no tai-Ro bōeki senryaku (Der Hintergrund der militärischen Zusammenarbeit Russlands und Japans in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Handelsstrategie der Firma Mitsui bussan gegenüber Russland), in: Hokutō Ajia kenkyū 21. 2011, S. 23 – 41. Über die Rolle Japans bei der Kriegsfinanzierung sowie die Verluste an japanischen Handelsschiffen scheint bis dato keine Forschung zu existieren. 244 Jan Schmidt Empire die kriegsbedingte Schwäche der westlichen Großmächte in China ausgenutzt und dort eine aggressive Außenpolitik betrieben habe, die einen frühen Höhepunkt in den sehr weitgehenden „Einundzwanzig Forderungen“ des Frühjahrs 1915 fand. Diese waren trotz britischer und US-amerikanischer Proteste unter Androhung von Krieg in großen Teilen durchgesetzt worden. Auch die inkonziliante Haltung Japans während der Pariser Friedenskonferenz wurde lange auf die rücksichtslose Verfolgung von Machtinteressen im Asiatisch-Pazifischen Raum zurückgeführt. Jenseits dieses Fokus auf die japanische Außenpolitik aber wurde die Komplexität des Eindrucks, den der Krieg auf Japan machte, und die sich daraus ergebenden Konsequenzen nur wenig untersucht. Als Japan im August 1914 auf Seiten der Entente in den Krieg eintrat, war dies nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg 1894 / 1895 und dem RussischJapanischen Krieg von 1904 / 1905 für die japanischen Massenmedien der Beginn des dritten modernen Kriegs mit japanischer Beteiligung. Das Interesse der japanischen Massenmedien brach zudem nicht mit Beendigung der Kampfhandlungen in Ostasien im November 1914 ab, sondern dauerte bis zum Ende des Kriegs in Europa im November 1918 und darüber hinaus an. Einen Einblick darin, wie der Kriegsausbruch in Japan kommentiert wurde und aus welchem Bewusstsein heraus dies geschah, vermag ein Leitartikel in der Tōkyō asahi shinbun, einer der größten Tageszeitungen,9 von Anfang August 1914 zu geben: Alle Staaten der Welt […] werden durch den Krieg, der nun unter den europäischen Großmächten ausgebrochen ist, durch dieses unglückliche Ereignis, beeinflusst werden. Auf die ein oder andere Weise wird es unmöglich sein, die einhergehenden Leiden nicht zu teilen. […] Da nun die europäischen Großmächte die Kriegshandlungen auf Europa zu beschränken suchen und hoffen, ein Übergreifen auf Ostasien zu vermeiden, […] können wir, die japanische Nation, es keinesfalls zulassen, dass der Frieden in Ostasien gestört wird […]. Auch wenn dies bedeutet, dafür nolens volens Waffengewalt einzusetzen, müssen alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um den Frieden in diesem Teil der Welt aufrecht zu erhalten. Ach, die Verantwortung der japanischen Nation in Ostasien – sie ist groß!10 Für die bisher vorherrschende Interpretation, Japan habe lediglich die Kriegssituation benutzt, um eigene Interessen insbesondere gegenüber dem nach der Revolution von 1911 geschwächten China durchzusetzen, mag das hier spürbare Bewusstsein einer zumindest regionalen Groß- und Ordnungsmacht sprechen. Von weit über diesen durchaus vorhandenen Nexus hinausgehender Bedeutung für die weitere Perzeption des Kriegs ist allerdings der 9 Die Tagesauflage der Tōkyōter Ausgabe betrug 1914 etwa 148.500, die der Ausgabe aus Ōsaka circa 242.000. Yamamoto Taketoshi, Kindai Nihon no shinbun dokusha-sō (Die Zeitungsleserschichten im modernen Japan), Tōkyō 1981, S. 411. 10 O. A., Oshu- senran to Shina (Der Europäische Krieg und China), in: To- kyo- asahi shinbun, 11. 8. 1914, S. 3. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 245 Beginn des Zitats, der auf ein verbreitetes Verständnis der Gleichzeitigkeit und globaler Vernetztheit hinweist. Dies deckt sich mit der Beobachtung des japanischen Historikers Yamamuro Shin’ichi, der in jüngster Zeit betont hat, dass der Krieg in Japan bereits wenige Wochen nach dessen Beginn und damit sehr früh als „Weltkrieg“ sowie sogar als „erster Weltkrieg“ bezeichnet wurde, dem weitere folgen könnten.11 Letzteres wiederum lässt eine weitere Dimension der Interpretation des Kriegs noch während der Kriegsjahre aufscheinen: der Blick in die Zukunft, der sehr häufig davon geprägt war, dass ein zukünftiger, zweiter Weltkrieg Japan wesentlich stärker mit einbeziehen könnte und dass die Gestalt des jetzigen, des ersten, Rückschlüsse auf die des kommenden zulasse.12 Die japanischen Massenmedien reagierten routiniert auf den Kriegsausbruch: Bereits im August 1914 wurden durch die großen Publikumsverlage Hakubunkan und Fuzanbō Kriegsillustrierte aufgelegt, die an ihre kommerziell äußerst erfolgreichen Vorgänger aus dem Chinesisch-Japanischen und dem Russisch-Japanischen Krieg anknüpften, aber aufgrund der Veränderungen in der Drucktechnologie zwischen 1905 und 1914 nun eine ungleich größere Zahl von Fotografien im Großformat zu niedrigen Preisen anbieten konnten. Auch die japanischen Tageszeitungen, die in der Dekade vor 1914 zu Massenmedien mit Tagesauflagen im Bereich von 250.000 bis 350.000 Exemplaren geworden waren, konnten nun regelmäßig Fotografien zum Krieg abdrucken.13 Und nach einer Anfangsphase, in der sich zufällig zur Zeit des Kriegsausbruchs in Europa aufhaltende japanische Autoren wie etwa der bekannte Schriftsteller Shimazaki Tōson aus Paris über die Ereignisse, früh auch über die Mobilisierung der Heimatfront berichteten, konnten die kapitalstarken marktführenden überregionalen Tageszeitungen zahlreiche Sonderkorrespondenten nach Europa schicken und mithilfe ihrer offensichtlich sehr gefragten Berichterstattung ihre Auflage abermals steigern.14 11 Zur Bezeichnung als „Weltkrieg“ (sekai taisen): Yamamuro Shin’ichi, Der Erste Weltkrieg und das japanische Empire, in: Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung 34. 2010, S. 21 – 51. Ausführlicher : ders., Fukugō sensō to sōryokusen no dansō. Nihon ni totte no dai-ichiji sekai taisen (Im Spannungsverhältnis zwischen sich überlagernden Kriegen und totalem Krieg. Die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für Japan), Kyōto 2011. 12 Zu Zukunftsvorstellungen während des Ersten Weltkriegs: Jan Schmidt, Dai-ichiji sekai taisen-ki Nihon ni okeru „sengo-ron“. Mirai-zō no tairyō seisan (Der „Nachkriegsdiskurs“ in Japan während des Ersten Weltkriegs. Eine Massenproduktion von Zukunftsvorstellungen), in: Koseki (Hg.), Gendai no kiten, S. 155 – 178. 13 Zur Presse in den 1910er Jahren: James L. Huffman, Creating a Public. People and Press in Meiji Japan, Honolulu 1997, S. 310 – 358. 14 Zu Shimazaki Tōsons Berichten aus Paris in den ersten Kriegsmonaten: Steve Rabson, Shimazaki Tōson on War, in: Monumenta Nipponica 46. 1991, S. 453 – 481, hier S. 476 – 479; zu japanischen Schriftstellern und Sonderkorrespondenten in Europa: Nakayama Hiroaki, Dai-ichiji taisen no „kage“. Sekai sensō to Nihon bungaku (Der 246 Jan Schmidt Zudem wurden kontinuierlich Sachbücher herausgegeben, in denen vorwiegend Akademiker, vor allem Historiker, Juristen und Politik- sowie Wirtschaftswissenschaftler, aber auch außeruniversitäre public intellectuals, den Krieg, dessen Ursachen sowie dessen Bedeutung für die Welt und für Japan kommentierten. Alleine der einflussreiche Politologe Yoshino Sakuzō veröffentlichte neben zahlreichen Aufsätzen und Artikeln zum Krieg drei Monographien, in denen er sich bemühte, die Ursachen des Kriegs in Europa zu erklären: „Eine historische Abhandlung über den Aufruhr in Europa“ (1915), „Der Große Europäische Krieg“ (1916) sowie „Europa vor dem Krieg“ (1917).15 Natürlich nutzten viele Autoren die Gelegenheit, ihre eigene politische Agenda bewusst einzubringen. So brandmarkte Yoshino, der vehement für eine Demokratisierung des politischen Systems Japans eintrat, den deutschen „Militarismus“ und hob gegen Kriegsende den Sieg der Demokratien über autokratische Imperien hervor. Darüber hinaus wurden zahlreiche Texte, die der japanischen Leserschaft die Hintergründe des Kriegs sowie dessen Verlauf und Charakter erklären helfen sollten, aus europäischen Sprachen ins Japanische übersetzt. Als Beispiel seien hier nur Schriften des deutschen Generals und Militärhistorikers Friedrich von Bernhardi genannt.16 Das Medium der vermutlich deutlichsten und quantitativ bedeutendsten intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Krieg waren Zeitschriften. Auch sie hatten bereits in den Jahren unmittelbar vor 1914 exponentielle Zuwächse zu verzeichnen, sowohl was die absolute Zahl an publizierten Titeln als auch deren Auflage anbelangt. Zudem hat die medienhistorische Forschung in Japan nachweisen können, dass sich die Leserschaft von Zeitungen und Zeitschriften in der Dekade vor dem Ersten Weltkrieg wesentlich ausgeweitet hatte und zunehmend sowohl größere Teile der ländlichen Bevölkerung als auch der im Wachsen begriffenen urbanen Arbeiterschaft und der Angestellten umfasste.17 In den Zeitschriften wurden nun in Hunderten von Artikeln „Schatten“ des Ersten Weltkriegs. Ein Weltkrieg und die japanische Literatur), Tōkyō 2012. 15 Yoshino Sakuzō, Ōshū dōran shiron, Tōkyō 1915; ders., Ōshū taisen, Tōkyō 1916; ders., Senzen no Ōshū, Tōkyō 1917. 16 Friedrich von Bernhardi (Furı̄dorihi fon Berunharujı̄), Doitsu to tsugi no sensō (Deutschland und der nächste Krieg), übers. v. Fuzanbō hengō-kyoku, Tōkyō 1914; ders., Doitsu kokumin no shōrai (Die Zukunft der deutschen Nation), übers. v. Ōse Jintarō, Tōkyō 1915. 17 Ariyama Teruo, Kindai Nihon no media to chiiki shakai (Die Medien des modernen Japan und die lokale Gesellschaft), Tōkyō 2009; Nagamine Shigetoshi, Modan toshi no dokusho kūkan (Die Räume des Lesens in modernen Städten), Tōkyō 2001; ders., Zasshi to dokusha no kindai (Die Moderne von Zeitschriften und Lesern), Tōkyō 1997. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 247 über die ganze Dauer des Kriegs hinweg vielfältige Aspekte vorgestellt, kommentiert und in ihrer Bedeutung für Japan kontrovers diskutiert.18 Zudem wurden über das noch junge Stummfilmkino Nachrichten über den Krieg in Europa in Form zahlreicher Aktualitätenfilme sowie von Propagandafilmen vor allem aus britischer und französischer Produktion vermittelt.19 Auch ältere visuelle Medien, wie die während der beiden vorangegangenen modernen Kriege Japans sehr populären, zunehmend als Medium in der Schulbildung eingesetzten Laterna Magica-Schauen, hatten den Krieg zum Gegenstand. Darüber hinaus entstanden in den Jahren 1913 und 1914 eine Reihe von illustrierten Zeitschriften wie etwa Historische Fotografien (Rekishi shashin) oder Nachrichten in Fotografien (Shashin tsūhō), in denen der Krieg nun inmitten von Nachrichten über politische und gesellschaftliche Ereignisse oder Naturkatastrophen, Unglücke und Technologieeuphorie immer wieder in großformatigen Fotografien vorgestellt wurde. Auch in ihnen wurden zunehmend die Anstrengungen an den „Heimatfronten“ gezeigt.20 Ähnliches gilt für das damals – insbesondere in wohlhabenderen Schichten – beliebte Medium des Fotoalbums.21 Die Vorstellung eines solchen Fotoalbums in der Zeitung Yomiuri shinbun, das im Dezember 1918 kurz nach Ende der Kampfhandlungen in Westeuropa erschien, zeigt zudem, wie stark die mediale Durchdringung des japanischen Alltags mit Bildern und Texten zum Krieg sowie das Ineinandergreifen verschiedener Medien und die einhergehenden Multiplikatoreneffekte während der Kriegsjahre war : Vor einiger Zeit wurden im [Kaufhaus] Mitsukoshi mehrere hundert jüngst durch unsere Regierung von Großbritannien, USA, Frankreich, Italien und Belgien entliehene Fotografien für jedermann ausgestellt. Aus diesen wurden einhundert ausgewählt und auf dieser Grundlage das hier vorgestellte Album erstellt. Es ist nicht schwer, mit einem Blick den hoch 18 Zur Berichterstattung in den japanischen Massenmedien der ersten Kriegsmonate sowie zur Zeit der Pariser Friedenskonferenz: Tamai Kiyoshi kenkyū kai (Hg.), Dai-ichiji sekai taisen sansen to Nihon no masumedia (Der Eintritt in den Ersten Weltkrieg und die japanischen Massenmedien), Tōkyō 2006; dies. (Hg.), Pari kōwa kaigi to Nihon no masumedia (Die Pariser Friedenskonferenz und die japanischen Massenmedien), Tōkyō 2003. 19 Neben Kriegswochenschauen britischer, französischer, italienischer und US-amerikanischer Produktion wurden im ganzen Land auch alle großen Propagandafilme der Entente wie z. B. der britische Film „Battle of the Somme“ (1916) gezeigt. Siehe z. B. Tōkyō asahi shinbun, 24. 12. 1916, S. 7. 20 Zu Laterna Magica-Schauen und der Darstellung von Kriegen: Kusahara Machiko, Gentō kara kami shibai e. Taishū no eizō media to sensō (Von der Laterna Magica zum Papierbilderschaukastentheater. Die Bildmedien der Massen und Kriege), in: Inui Yoshiko (Hg.), Sensō no aru kurashi, Tōkyō 2008, S. 101 – 129. 21 Vgl. Miki Masafumi, Sekai o miseta Meiji no shashinchō (Die Fotoalben der Meiji-Zeit, welche die Welt gezeigt haben), Kyōto 2007. 248 Jan Schmidt zu schätzenden Wert dieser Fotografien festzustellen. Jetzt, da der Krieg seinem Ende entgegengeht, und das Empfinden des Volkes sich nach der Wiederherstellung des Friedens sehnt, ist es auf keinen Fall nutzlos, mithilfe dieses Albums auf den beispiellosen großen Krieg zurückzublicken. Wenn man nun dieses Album durchblättert, dann hat man das Gefühl, dass einem die Realität des Großen Kriegs gleichsam wie in einem langen Film detailliert vor Augen geführt wird. Still verweilend wird dabei ein tiefes Interesse ausgelöst. Man muss dies eine unübertreffliche Publikation nennen!22 Dieser Werbetext verweist zunächst darauf, dass Kriegsbilder Einzug in eines der renommiertesten Kaufhäuser, in einen modernen „Konsumtempel“ mit erheblicher (konsum-) kultureller Leuchtturmfunktion, gehalten hatten und unmittelbar danach von einer großen Tageszeitung eine Reproduktion der ausgestellten Bilder beworben wurde, deren inneres Narrativ für die Zeitgenossen, zumindest für die Leser aus dem Bildungsbürgertum, die der Rezensent repräsentiert haben dürfte, im Oktober 1918 attraktiv und sinnstiftend war. In den Augen vieler japanischer Zeitgenossen stellte der Krieg nicht zuletzt eine Gelegenheit zur Erweiterung der Allgemeinbildung dar, worüber beispielsweise ein Artikel in der Tōkyō asahi shinbun vom 21. August 1914 aufzuklären vermag. Der unbekannte Autor sah im gerade ausgebrochenen Krieg in Europa die Chance zur Weiterbildung der Jugend und merkte an, dass „die Kinder in den Grundschulen“ durch die Anschauung des „Weltkriegs“ nun „verstehen könnten, in welchen Regionen der Welt Krieg geführt und welches Land gegen welches“ kämpfe. Es handele sich um eine „hervorragende Gelegenheit, um Wissen zu solchen Gegenden und Orten wie Serbien, Belgien oder etwa Lige zu vermitteln“. Aufgrund ihrer „unerhörten Neugierde“, sei es höchst erfolgversprechend, den Krieg nunmehr zu nutzen und die Schüler in einfacher Sprache das hören zu lassen, was in den Zeitungen zu den generellen Verhältnissen des Europäischen Kriegs, zur menschlichen Natur und zu den Gebräuchen [in Europa] sowie zu Geographie und Geschichte geschrieben [steht].23 Auch auf dem Büchermarkt erschienen zahlreiche Titel, die dem Ziel dienten, den Krieg als Möglichkeit zum Wissenserwerb insbesondere über Europa zu nutzen. Einen besonders aufklärerischen Zug hatten beispielsweise die Publikationen der Großjapanischen Gesellschaft für Zivilisation (Dai-Nihon bunmei kyōkai) inne. Unter ihrer Herausgeberschaft wurde 1916 ein Sachbuch 22 O. A., Ōshū taisen shashin-chō (Fotoalbum zum Großen Europäischen Krieg), in: Yomiuri shinbun, 14. 12. 1918, S. 7. Sich beziehend auf: Toyoizumi Masuzō (Hg.), Ōshū taisen shashin-chō (Fotoalbum zum Großen Europäischen Krieg), Tōkyō 1918. 23 O. A., Taisenran to shōgaku kyōiku. Sekai-teki chishiki wo atauru – Muni no kōkikai (Der große Krieg und Grundschulerziehung. Wissen um die Welt vermitteln – Eine sich nicht wiederholende Chance), in: Tōkyō asahi shinbun. 21. 8. 1914, S. 6. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 249 zu den „Erfahrungen des Großen Europäischen Kriegs“ veröffentlicht, 1920 ein weiteres unter dem Titel „Der Große Europäische Krieg und Erfindungen“.24 Die populäre Monographienserie „Bibliothek Themen unserer Zeit“ (Jiji sōsho) des Verlags Fuzanbō, die zwischen 1914 und 1918 erschien und 32 Bände umfasste, hatte es sich zum Ziel gesetzt, auch weniger gebildeten Lesern in Japan das aktuelle Weltgeschehen, womit fast ausschließlich der Krieg gemeint war, näherzubringen. Hierin fanden sich neben einem Band zum „Untergang der europäischen Zivilisation“, der mit einem weiteren über Berlin und Paris den Auftakt zur Serie darstellte, etwa Bände über „Deutschland und die Deutschen“ sowie „Das Deutsche Kaiserhaus“, über „Bismarck und die Gründung des Deutschen Reichs“, über „Österreich-Ungarn und sein Kaiserund Königshaus“, „England und die Engländer“, „Russland und die Russen“ sowie Bände über die übrigen europäischen Großmächte, aber auch über „Nebenmächte“ wie „Belgien und die Belgier“ oder über „Die tragische Geschichte Polens“.25 Alle Sachbücher aus den ersten Kriegsmonaten sollten die „Bühne“ erklären, auf der der Krieg stattfand, der dem japanischen Zeitungsleser bereits täglich begegnete. Im Verlauf des Kriegs erweiterte sich der Fokus. Mit dem vorletzten, 1917 erschienenen Band über „Deutschland nach dem Krieg“ rückte die Deutung der Zukunft ins Blickfeld, während der enorme wirtschaftliche Aufschwung, den der Krieg für Japan gebracht hatte, mit einem Band über den „Weltkrieg und Japans Seetransportwesen“ bedacht wurde.26 Die Tatsache, dass diese kommerziell vertriebene Reihe sowie ähnliche Monographien, hunderte Zeitschriftenartikel bis hin zu ganzen Sonderausgaben zum Krieg und tausende, auch längere interpretierende Zeitungsartikel kontinuierlich auch von den großen Verlagshäusern auf den Markt gebracht wurden, zeigt, dass das Interesse der japanischen Leserschaft am Krieg – trotz sicherlich vorhandener Konjunkturen – im Ganzen ungebrochen geblieben sein muss. Inhaltlich lässt sich feststellen, dass ähnlich der hier vorgestellten Reihe sich der Blick auf den Krieg zunehmend öffnete und sich stetig weniger den anfänglich hinterfragten Umständen des Ausbruchs sowie den Erläuterungen über die beteiligten Mächte widmete. In den Vordergrund rückte nun die Betrachtung des Kriegsalltags, der Totalisierung und der Mobilisierung der „Heimatfronten“, was etwa Kobayashi Hiroharu im Rahmen einer Inhaltsanalyse der Kriegsillustrierten des großen Verlagshauses Hakubunkan, den 24 Dainihon bunmei kyōkai (Hg.), Ōshū taisen no keiken, Tōkyō 1916; dies. (Hg.), Ōshū taisen to hatsumei. Zen, Tōkyō 1920. 25 Endō Kichisaburō, Ōshū bunmei no botsuraku, Tōkyō 1914; Katayama Koson, Doitsu oyobi Doitsujin. Tōkyō 1914; Kemuyama Sentarō, Doitsu kōshitsu, Tōkyō 1914; Hoshina Kōichi, Berurin to Pari, Tōkyō 1914; Nagaoka Shun’ichi, Berugı̄ oyobi Berugı̄jin, Tōkyō 1914. 26 Abe Hidesuke, Sengo no Doitsu, Tōkyō 1917; Imaoka Jun’ichirō, Sekai taisen to Nihon no kaiun, Tōkyō 1916. 250 Jan Schmidt „Tatsachenberichten aus dem Europäischen Krieg“ (Ōshū sensō jikki), dargestellt hat.27 Die Überführung des Kriegs in die japanische Sprachwelt an sich, die ausführlichen interpretierenden Texte hunderter japanischer Autoren sowie der starke Grad der Durchdringung der japanischen Massenmedien mit visuellen Darstellungen des Kriegs über mehr als vier Jahre hinweg kann als eine medialisierte Form der Kriegserfahrung aus der Ferne angesehen werden. II. Der Krieg als Studienobjekt von Militär und Ministerialbürokratie In zwei großen Wellen wurden im Militär, in weiten Bereichen der japanischen Ministerialbürokratie, der Kolonialverwaltung und in anderen Institutionen wie privatwirtschaftlichen Unternehmen, Unternehmerverbänden und in diversen Think-Tanks intermediärer Akteure temporäre Organisationen gegründet, welche diverse Aspekte des andauernden Kriegs sowie die Lehren, die aus ihm zu ziehen seien, untersuchen sollten. Im Folgenden sollen die Studien, die das Militär anstellte, sowie einige ausgewählte Beispiele der entsprechenden Bemühungen in der Ministerialbürokratie vorgestellt werden. Die große Zahl von Studien anderer Organisationen können an dieser Stelle nicht beachtet werden. Es sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Faszination, die das Kriegsgeschehen als Gegenstand der Beobachtung ganz offensichtlich ausübte, und der Impetus, den fernen Krieg in aller Ausführlichkeit zu studieren, weit über den Radius zentralstaatlicher Stellen hinausging. Es handelte sich vielmehr um ein Phänomen, dass sehr vielfältige und unterschiedliche Ebenen sowie Subsysteme des japanischen Empire gleichermaßen erfasste. Im Verlauf des Jahres 1915 wurden je eine temporäre Studienkommission im Heer, in der Marine und im Außen- und Bildungsministerium eingerichtet. Während die Kommissionen in den Streitkräften und im Bildungsministerium zunächst Neuerungen im Kriegs- sowie im Bildungswesen untersuchen sollten, hatte die im Außenministerium eingesetzte Kommission zur Vorbereitung eines Friedens im Japanisch-Deutschen Krieg (Nichi-Doku sen’eki kōwa junbi iinkai) die Aufgabe, Materialien für eine spätere Friedenskonferenz zu erstellen.28 27 Kobayashi Hiroharu, Sōryokusen to demokurashı̄. Dai-ichiji sekai taisen – Shiberia kanshō sensō (Totaler Krieg und Demokratie. Erster Weltkrieg – Interventionskrieg in Sibirien), Tōkyō 2008, S. 95 – 156. 28 In westlichen Sprachen dazu: Michael Barnhart, Japan Prepares for Total War. The Search for Economic Security, Ithaca 1987, S. 23 f.; Sven Saaler, Zwischen Demokratie und Militarismus. Die Kaiserlich-Japanische Armee in der Politik der Taishō-Zeit, 1912 – 1926, Bonn 2000, S. 117 – 120. Auf Japanisch u. a.: Yoshida Yutaka, Dai-ichiji sekai taisen to gunbu. Sōryokusen dankai e no gunbu no taiō (Die Militärführung und der ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 251 Der direkte Anlass für eine zweite Welle der Institutionalisierung scheinen die Überlegungen der Entente-Mächte auf der Pariser Wirtschaftskonferenz 1917 zur Nachkriegswirtschaftsordnung gewesen zu sein, an denen sich Japan aktiv beteiligt hat.29 Die folgenden, im Februar und März 1917 eingerichteten Gremien sollten für ihre jeweiligen Betätigungsfelder den Krieg studieren und Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Nachkriegszeit ausarbeiten: Außenministerium (Gaimu-shō): Außerordentliche Untersuchungsabteilung des Außenministeriums (Gaimu-shō rinji chōsa-bu); Finanzministerium (Ōkurashō): Außerordentliches Untersuchungsbüro des Finanzministeriums (Ōkurashō rinji chōsa-kyoku); Ministerium für Landwirtschaft und Handel (Nōshōmu-shō): Außerordentliches Untersuchungsbüro für Industrie (Rinji sangyō chōsa-kyoku); Ministerium für Post und Kommunikation (Teishin-shō): Außerordentliches Untersuchungsbüro des Ministeriums für Post und Kommunikation (Teishin-shō rinji chōsa-kyoku); Nationalbank Japans (Nihon ginkō): Außerordentliche Untersuchungskommission der Nationalbank Japan (Nihon ginkō rinji chōsa iinkai). Aus den Schreiben und Zeitungsmeldungen, die ihre Gründung begleiteten, geht allerdings auch hervor, dass die bereits umrissene medialisierte Kriegserfahrung bis 1917 sowie die umfangreichen Äußerungen zur Nachkriegszeit und zu den als notwendig erachteten Maßnahmen für deren Vorbereitung ihre Einrichtung begleitet und mitgeprägt hat. Alle hier genannten Gremien mit Ausnahme der Untersuchungskommission der Nationalbank wurden am 10. Februar 1917 mit einem Erlass des Tennō offiziell eingesetzt und bestanden bis März 1920 fort, einzelne noch Jahre darüber hinaus.30 Erste Weltkrieg. Die Anpassung der Militärführung an die Entwicklungsstufe des totalen Kriegs), in: Rekishigaku kenkyū 460. 1978, S. 36 – 41; Kōketsu Atsushi, Sōryokusen taisei kenkyū. Nihon rikugun no kokka sōdōin kōsō (Forschungen zum System des totalen Kriegs. Die Konzeption des japanischen Heeres von einer allgemeinen Mobilisierung der Nation), Tōkyō 1981; ders., Nihon rikugun no sōryokusen seisaku (Die Politik des totalen Kriegs des japanischen Heeres), Okayama 1994; Kurosawa Fumitaka, Dai-ichiji sekai taisen no shōgeki to Nihon rikugun. Gun kindaika oboegaki (Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs und das japanische Heer. Memoranden zur Modernisierung der Armee), in: Takita Takeshi (Hg.), Tenkanki no Yōroppa to Nihon, Tōkyō 1997, S. 178 – 197; ders., Taisen kanki no Nihon rikugun (Das japanische Heer in der Zwischenkriegszeit), Tōkyō 2000; Hirama Yō’ichi, Dai-ichiji sekai taisen to Nihon kaigun. Gaikō to gunji to sono rensetsu (Der Erste Weltkrieg und die Marine Japans. Die Verbindung zwischen Außenpolitik und Militärischem), Tōkyō 1998. 29 Die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit Japans mit den Entente-Staaten ist in der Forschung bis dato nicht systematisch betrachtet worden. Einige Hinweise bei Janet Hunter, Britain and the Japanese Economy during the First World War, in: Philip Towle u. Kosuge Nobuko Margaret (Hg.), Britain and Japan in the Twentieth Century. One Hundred Years of Trade and Prejudice, London 2007, S. 15 – 32. 30 Nationalarchiv Japan [NAJ], Bunkan-KS-000-00-On 10788100, Gaimu-shō rinji chōsabu kansei, chokurei dai-17-gō [Verordnung über die Außerordentliche Untersuchungs- 252 Jan Schmidt Im Kern ihrer Arbeit standen zunächst die Entsendung von Offizieren und Beamten in die verbündeten kriegführenden Staaten, insbesondere nach Großbritannien, Frankreich und Russland, sowie eine massive Übersetzungstätigkeit. Die umfangreichen Berichte der nach mehrmonatigen Aufenthalten in Europa und ab April 1917 auch in den USA nach Japan Zurückgekehrten wurden zusammengefasst gedruckt, um sie dann über die Grenzen des eigenen Ressorts hinaus in Regierungskreisen sowie generell in den höchsten Gremien der Streitkräfte und der Ministerien zirkulieren zu lassen. Fast alle Gremien gaben zudem auch Sonderbände heraus, die auf dem allgemeinen Buchmarkt erhältlich waren oder etwa in Schulen oder über das Netzwerk des Innenministeriums bis hin zur Ebene von Dorfverwaltungen weite Verbreitung fanden. Ergänzt wurden diese Berichte durch zahlreiche Übersetzungen sowohl aus der Presse der Entente-Staaten und der neutralen Staaten als auch – häufig vermittelt über japanische Stellen in der Schweiz und in Skandinavien – der Mittelmächte, oder aus dem Bereich der dortigen an der Kriegführung im weiteren Sinne beteiligten Ministerien und der Streitkräfte. Diese Übersetzungen wiederum wurden zum Teil mit umfangreichen Einleitungen und Kommentaren durch die Mitglieder der jeweiligen Gremien versehen. Aufgrund der Tatsache, dass nur die Studien des Militärs eingehender erforscht und viele der Berichte nicht mehr vollständig erhalten sind oder schlicht nirgendwo in Japan systematisch gesammelt wurden, kann ihr Umfang hier nur geschätzt werden.31 Dem Autor liegen allein über hundert gedruckte Bände mit Berichten und etliche broschürenartige Texte vor, die zusammen mit dem gedruckten Material des Militärs mehrere zehntausend Seiten umfassen. Berücksichtigt man die bisweilen sehr umfangreichen internen Memoranden innerhalb der Gremien, die allerdings nur fragmentarisch in diversen Archiven und Nachlässen überliefert sind, steht man einem kaum überschaubaren Korpus gegenüber. Inhaltlich gilt für diese Studien und die sie begleitende Publikations- und Vortragstätigkeit, dass sich der Fokus sehr früh von der Wiedergabe technischer Details auf die Komplexität und den zunehmenden Grad der Mobilisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft der kriegführenden Großmächte, einschließlich ihrer jeweiligen Kolonien und abhängigen Gebiete, hin abteilung des Außenministeriums, kaiserlicher Erlass Nr. 17], 10. 2. 1917; NAJ, BunkanKS-000-00-On 10789100, Ōkura-shō rinji chōsakyoku kansei, chokurei dai-18-gō [Verordnung über das Außerordentliche Untersuchungsbüro des Finanzministeriums, kaiserlicher Erlass Nr. 18], 10. 2. 1917; NAJ, Honkan-3B-022-00-Shō 54 sō 00889100 12 Teishin-shō rinji chōsa-kyoku kansei [Verordnung über das Außerordentliche Untersuchungsbüro des Ministeriums für Post und Kommunikation], 10. 2. 1917. 31 Nachgedruckt wurde: Nihon ginkō rinji chōsa iinkai (Außerordentliche Forschungskommission der japanischen Nationalbank) (Hg.), Dai-ichiji sekai taisen oyobi sengo sekai no kenkyū shiryō shū (Sammlung der Forschungsmaterialien zum Ersten Weltkrieg sowie zur Welt nach dem Krieg), Tōkyō 1995. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 253 verschob. Der Krieg wurde dabei zu einem gigantischen Laboratorium vor den Augen seiner japanischen Beobachter, insbesondere in Bezug auf die Möglichkeiten von Planung und Social Engineering.32 Ein Grund für die zunehmend sozialwissenschaftliche Ausrichtung dieser Studien dürfte auch darin gelegen haben, dass die beteiligten Offiziere und Beamten im Gegensatz zu den älteren Generationen der Ministerialbeamten im Laufe ihrer Ausbildung in statistischer Methodik geschult worden waren. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie eine wesentlich höhere Affinität zu statistikbasierter Planung hatten und dies nun, beflügelt durch entsprechende Tendenzen in der zunehmend wissenschaftlich durchdrungenen Mobilisierung in Europa, in ihre Analysen des Kriegs und in die von ihnen postulierten Lehren einfloss.33 Die Studien der Streitkräfte und der Ministerialbürokratie hatten zunächst zwei fassbare Auswirkungen. Zum einen waren sie mit einer Reihe politischer Maßnahmen verbunden, die als direktes Ergebnis dieser Studien bezeichnet werden können. Zum anderen vermischten sich Publikationen und öffentlich gehaltene Vorträge von Vertretern der Gremien mit einem Nachdenken über die Nachkriegszeit und mit der allgemeinen Berichterstattung und Interpretation des Kriegs in den Medien. Durch dieses Zusammenspiel wurden bestimmte Grundannahmen bezüglich der Nachkriegszeit bestärkt, andere hingegen geschwächt. Dabei ist zu beachten, dass die Vertreter dieser Gremien bei ihrer Publikations- und Vortragstätigkeit selbstredend die Interessen ihrer jeweiligen Institution verfolgten. Ohne hierauf ausführlicher eingehen zu können, sei als Beispiel etwa die weitverbreitete Annahme eines zukünftigen „Wirtschaftskriegs“ genannt, auf den Japan sich für die Nachkriegszeit vorbereiten müsse. Während in den Medien über Jahre hinweg über die Einschränkungen des Freihandels der Vorkriegszeit im Zuge von Blockaden und Ausfuhrverboten durch die kriegführenden Mächte berichtet wurde, forderten japanische Unternehmen eine verstärkte staatliche Protektion und Infrastrukturprojekte als Vorbereitung auf jenen „Wirtschaftskrieg“, während das Militär und die Ministerialbürokratie in ihren Studien die Wichtigkeit eines uneingeschränkten – und nötigenfalls erzwungenen – Zugriffs auf die Märkte und Rohstoffe Chinas unterstrichen. Die ebenfalls in Teilen der Politik und Unternehmerwelt vorhandenen Stimmen, die stattdessen auf internationale Zusammenarbeit setzten, wurden angesichts dieser Berichterstattung und der Studien über die protektionistische Kriegswirtschaftspolitik der Großmächte systematisch geschwächt. 32 Vgl. zu Planung und Erstem Weltkrieg in Europa: Dirk van Laak, Planung. Geschichte und Gegenwart des Vorgriffs auf die Zukunft, in: GG 34. 2008, S. 305 – 326. 33 Zur Geschichte der Ministerialbürokratie und ihrer Ausbildung: Shimizu Yū’ichirō, Kindai Nihon no kanryō. Ishin kanryō kara gakureki erı̄to e (Die Ministerialbürokratie des modernen Japan. Von den Beamten der Restaurationszeit zur Ausbildungselite), Tōkyō 2013. 254 Jan Schmidt III. Die „Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen“ des Bildungsministeriums, 1915 – 1920 Im Folgenden sei auf das Beispiel der etwa 8.000 Seiten umfassenden vierzigbändigen Materialsammlung „Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen“ (Jikyoku ni kan suru kyōiku shiryō) eingegangen, die das Bildungsministerium zwischen April 1915 und März 1920 herausgab. Ziel dieser Materialsammlung, die auf den Studien der bereits erwähnten Untersuchungskommission zu Materialien des Zeitgeschehens im Bildungsministerium beruhte, war es, wie der Historiker Ōuchi Hirokazu feststellte, „Quellen der diversen Länder der Welt bezüglich des totalen Kriegs für das Erstellen von Politikplänen nutzbar zu machen“.34 Da es sich bei der Bildungspolitik nicht um derart sensible Themen wie im Bereich des Militärischen handelte, ist eine weitaus weniger restriktive Politik der Verteilung sehr wahrscheinlich, zumal die Erziehungsmaterialien explizit als Handreichungen zur Information über zukünftige bildungspolitische Themen gedacht waren. Dieser Eindruck wird dadurch bestärkt, dass die Erziehungsmaterialien zwischen 1915 und 1918 mehrfach in großen Tageszeitungen beworben wurden. So findet sich für die erste Ausgabe der Materialien in der Tōkyō asahi shinbun vom 15. Juli 1915 in einer Kolumne, in der Neuerscheinungen vorgestellt wurden, der folgende Text des Ministeriums zum ersten Band: Es handelt sich hierbei um Materialien, die für Fragen der Bildung im Zusammenhang mit den [entsprechenden] Institutionen der kriegführenden Staaten, deren Einfluss auf das Erziehungswesen […] aufschlussreich sein kann. Das Bildungsministerium hat eigens hierfür eine Kommission gebildet, um diese entsprechendes Material zusammenstellen zu lassen. Dieser Band ist in Abschnitte zu den fünf Ländern Großbritannien, Frankreich, Russland, Belgien und Deutschland unterteilt […].35 Hier zwar nicht explizit erwähnt, aber dennoch in dieser Außendarstellung spürbar mitschwingend, ist die Absicht, Materialien für den eigenen Bildungssektor und dessen Weiterentwicklung zur Verfügung zu stellen. Das Hauptmerkmal der ersten Ausgaben der Erziehungsmaterialien, die ab Juni 1915 erschienen, ist das Ziel der Herausgeber, mit den vorgestellten Texten einen Eindruck von „patriotischer Erziehung in Idee und Praxis“ in den kriegführenden europäischen Staaten zu vermitteln. Zudem war bei den Herausgebern bereits in dieser ersten Phase ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass dieser Krieg sich von allen vorherigen substantiell unterschied.36 In dieser 34 Ōuchi Hirokazu, „Kokumin“ kyōiku no jidai (Die Ära der „Volkserziehung“), in: Komori Yōichi u. a. (Hg.), Kanjō, kioku, sensō (Emotionen, Gedächtnis, Krieg), Tōkyō 2002, S. 95 – 124, hier S. 98. 35 Shuppankai, in: Tōkyō asahi shinbun, 15. 7. 1915, sowie vom 10. 8., 4. 11., 18. 11. 1915, 27. 3., 27. 9. 1916, 9. 11. 1917, 9. 4., 22. 4. 1918, jeweils S. 6. 36 Ōuchi, „Kokumin“ kyōiku no jidai, S. 99. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 255 Phase handelte es sich bei den Materialien überwiegend um Übersetzungen von Texten aus dem Deutschen, Englischen und Französischen. Im dritten Band der Erziehungsmaterialien wird deutlich, dass die japanischen Herausgeber beispielsweise in Bezug auf Deutschland davon ausgingen, dass die nationale Einheit durch den Krieg nicht nur eine Notwendigkeit für den Sieg im Krieg darstellen würde, sondern dass diese auch unerlässlich für den sozialen, politischen und ökonomischen Wiederaufbau nach dem Krieg sei. An diesem Umstand ist deutlich abzulesen, dass auch die an der Herausgabe beteiligten Beamten im Bildungsministerium bereits Ende 1915 die Nachkriegszeit als Herausforderung sahen, auf die es sich auf der Grundlage der nun im Krieg gemachten Erfahrungen vorzubereiten galt.37 Mit Ausgabe sieben, die 1916 erschien, ist jedoch eine Veränderung zu bemerken, die mit der Wahrnehmung des Kriegsgeschehens durch die japanischen Beamten in Zusammenhang gestanden haben dürfte: Zwar wurden nach wie vor Texte in die Erziehungsmaterialien aufgenommen, die den Lesern besonders patriotische Beispiele aus den kriegführenden europäischen Staaten vorstellten, jedoch wurden zunehmend argumentierende Texte aufgenommen, die die Umgestaltung des Systems im Inneren dieser Staaten forderten. So finden sich im siebten Band Texte zu „Zeitgeschehen und England“, zu „Physik und Chemie im Krieg“ oder zu „Industrie und Krieg“.38 Ein Werbetext für zwei Sonderbände der Erziehungsmaterialien vom Januar 1917 verdeutlicht die vom Ministerium angedachte Verwendungsweise im Schulalltag: Die freiwilligen Jungenverbände der Großmächte Es handelt sich um eine Sammlung bezüglich der Organisation und des Trainings der Jungenverbände der sechs Großmächte Großbritannien, USA, Frankreich, Deutschland, Russland und Italien und ist damit eine gute Handreichung für die Leiter der Jungen- und Jugendverbände. Insbesondere Dinge wie die Trainingsmethoden sollten zudem für das Lehrpersonal der Grund- und Mittelschulen als Vorlage dienen können. Schulen und Krieg Hierbei handelt es sich um das einzige Handbuch, in dem man sich anhand einer Textsammlung zu „Bildungsausstellungen zum Zeitgeschehen“ […] darüber informieren kann, wie in deutschen und österreichischen Grund- und Mittelschulen der Krieg mit Gewinn eingesetzt wird. Es ist ein Werk, das unbedingt die Lektüre durch die Lehrkräfte unseres Landes in der Primar- und Sekundarstufe erfordert.39 37 Vgl. als Faksimiledruck: Monbu-shō (Hg.), Jikyoku ni kan suru shiryō, Tōkyō 1997. 38 Ebd. 39 Tōkyō asahi shinbun, 12. 1. 1917, S. 1; hierbei handelt es sich um Werbung für Teikoku kyōiku kai, Monbu-shō, Rekkyō no sei-shōnen giyūdan (Freiwillige Jungen- und Jugendverbände der Großmächte), Tōkyō 1917; dies., Gakkō to sensō. Doitsu ni okeru jikyoku kyōiku tenrankai (Schulen und Krieg. Bildende Ausstellungen zum Zeitgeschehen in Deutschland), Tōkyō 1917. 256 Jan Schmidt Die hier anklingende Betonung der Nutzbarkeit der Erfahrungen und Maßnahmen der europäischen Großmächte für die Zukunft der japanischen Schulerziehung manifestierte sich auch in den weiteren Bänden dieser ersten Phase. Als Kennzeichen der nächsten Phase ab etwa Juni 1917 kann die Vorstellung von Bildungsreformgedanken und -maßnahmen angesehen werden.40 So wurden etwa Überlegungen zur Kategorie der Gesamtschule in Deutschland in Ausgabe zwölf ebenso vorgestellt wie etwa auch ein Memorandum des britischen Historikers, Lehrers und Bildungspolitikers Herbert A. L. Fischer, in dem er Hilfe aus dem Staatshaushalt für Schüler aus bildungsfernen Schichten forderte, um diesen den Besuch der Mittelschule zu erleichtern. Das zentrale Thema dieser Texte war die Forderung nach mehr Chancengleichheit durch einen freieren Zugang zur Bildung, die in den kriegführenden Staaten im Zuge der immer stärkeren Mobilisierung der ganzen Gesellschaft an Dynamik gewonnen hatte. Neu hinzu kamen Texte zu den USA, markiert durch den vierten Sonderband der Reihe aus dem Frühjahr 1918, der sich ausschließlich dem Bildungswesen der USA nach deren Kriegseintritt widmete. Auch der folgende 18. Band widmete sich dem US-Bildungssystem, wobei ein besonderer Schwerpunkt in Texten, die über den Ausbau von naturwissenschaftlichen und technischen Fachbereichen informierten, bestand. Die Tendenz, zunehmend Neuerungen im US-Bildungssystem vorzustellen, setzte sich auch nach Ende des Kriegs und der Pariser Friedenskonferenz fort.41 Die Bände 27 bis 30, die alle im Jahr 1919 erschienen, standen ganz im Zeichen der Vorstellung von quantitativen und qualitativen Untersuchungen von USSchulen mit sozialwissenschaftlicher Methodik. Diese Untersuchungen sollten als Grundlage für eigene Reformpläne dienen. Die für die Nachkriegszeit in Japan zu erwartenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme sollten in einer nationalen „Kooperation in Einheit“ aufgefangen werden. Statt eines Systems von „Individualismus und Klassenkampf“ müsse eine Solidarität in den „Feldern Politik, Gesellschaft und Industrie“ hergestellt werden. Dafür notwendig sei eine „Vergesellschaftung der Bildung“, mit der Bildung in ihrer sozialen Funktion einen „nationalen Zusammenschluss“ fördern sollte, um soziale Sicherheit zu erreichen.42 Im Dezember 1916 erschien zudem unter dem Titel „Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen: Fotoalbum zum Europäischen Krieg“ ein 59 Seiten umfassendes, kommentiertes Fotoalbum.43 Das Album sollte als Handreichung für Schulen dienen, wobei aus einer großformatigen Werbeanzeige in 40 41 42 43 Monbu-shō, Jikyoku ni kan suru shiryō. Ebd. Ebd. Monbu-shō (Hg.), Jikyoku kyōiku shiryō. Ōshū sensō shashin-chō (Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen. Fotoalbum zum Europäischen Krieg), Tōkyō 1916. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 257 der Tōkyō asahi shinbun vom 12. Januar 1917 hervorgeht, dass das Album über die Reichserziehungsgesellschaft (Teikoku kyōiku kai) auch frei verkauft und ohne Aufpreis versandt wurde.44 Aus dem Vorwort des Albums geht hervor, dass „die abgedruckten Reproduktionen von Bildern und Fotografien aus illustrierten Publikationen aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien“ entnommen worden seien, „welche als Erziehungsmaterialien bezüglich des Zeitgeschehens gesammelt“ wurden. Über die Verwendung in Schulen hinaus sollten die Leser das Album, das „besonders geeignet“ sei, „von diesem Krieg einen generellen Eindruck zu vermitteln“, mit „den bereits veröffentlichten Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen vergleichen“, um einen umfassenderen Eindruck über die Entwicklung des Bildungswesens in den kriegführenden Staaten zu erhalten.45 Die besagte Werbeanzeige ergänzte das Vorwort für den freien Verkauf noch um den Zusatz, dass das Album „in keinem Haushalt eines Lehrers oder einer führenden Person der Jungen- und Jugendverbände fehlen“ dürfe, zumal man daraus „natürlich etwas über die Führungspersönlichkeiten, die Generäle, Waffen, Schulen in der Kriegszeit, über Frauen in den [nun] militarisierten Staaten und anderes, kurzum über die Realität des Europäischen Kriegs in allen seinen Facetten“ erfahren könne.46 Nach Collagen mit Portraitfotografien der politischen Führungspersönlichkeiten der europäischen Großmächte sowie einiger Generäle widmete das Album gleich mehrere Seiten der Grundschulerziehung inmitten des Kriegs. Zu sehen sind laut der Bildbeschreibungen französische Schülerinnen und Schüler zwischen Häuserruinen, eine französische Schulklasse in Gasmasken sowie in Weinkellern zum Schutz vor Artilleriebeschuss, wobei die Fotos der Schulklassen von einer Reproduktion des Niemandslandes der Frontlinie eingerahmt werden. Weitere Fotografien und Zeichnungen von durch Luftangriffe zerstörten Häusern, Zeppelinen, ersten größeren Bombern und Suchscheinwerfern sowie von Horchposten und Flugabwehrkanonen bei Paris dürften japanischen Betrachtern vermittelt haben, dass der Luftkrieg in Zukunft den Krieg auch weit in die kriegführenden Staaten und deren Gesellschaften selbst hineintragen würde. Die Mobilisierung der Heimatfronten wiederum wurde über diverse Zeichnungen und Fotografien, etwa von britischen Frauen als Schaffnerinnen und Fahrkartenabreißerinnen, von Französinnen, die Spenden für Kriegsversehrte sammeln oder Soldaten Essenspakete mit auf die Fahrt zur Front in die geöffneten Fenster eines Zuges reichen, Frauen, die in einer Munitionsfabrik arbeiten, oder von Italienerinnen, die Ausrüstung auf Körben in die Frontstellungen im Gebirge tragen, 44 Tōkyo asahi shinbun, 12. 1. 1917, S. 1. 45 Monbu-shō, Jikyoku kyōiku shiryō. Ōshū sensō shashin-chō, o. S. 46 Tōkyō asahi shinbun, 12. 1. 1917, S. 1. 258 Jan Schmidt illustriert. Auch die Rationierung von Lebensmitteln wird anhand der Abbildung deutscher Lebensmittelmarken dargestellt. In all dem zeichnet sich eine ausführliche und klar erkennbare Darstellung der Totalisierung des Kriegs durch die Aufhebung der Grenze zwischen Kombattanten und Zivilisten ab. In der Zusammenstellung der Abbildungen kann – bei aller wahrscheinlichen Begrenztheit des der Auswahl zugrunde liegenden Korpus an Fotografien und Zeichnungen – ein visuelles Narrativ gesehen werden, das die beteiligten Beamten des Bildungsministeriums und der Reichserziehungsgesellschaft im Spätjahr 1916 vermittelt sehen wollten und das sie im Rahmen ihrer Interessen und ihres Selbstverständnisses mit einiger Wahrscheinlichkeit auch selbst verinnerlicht hatten. Inmitten massiver Zerstörung, etwa durch Luftangriffe, sollte die Nation darauf vorbereitet sein, dass, angefangen von Schulkindern, die nun eben Gasmasken zu tragen hatten und deren Unterricht in Keller verlegt werden müsse, nun die gesamte Heimatfront bereitwillig in die Kriegsanstrengungen eingebunden werden müsse. Und obwohl die in großer Zahl in das Album aufgenommenen Fotografien und Zeichnungen von neuen Waffen und deren Verheerungen auch als Mahnung hätten gesehen werden können, dominiert insgesamt das vermeintlich nüchterne Vorstellen einer neuen Art des Kriegs, so wie er nun – und damit auch: von nun an – sei. Über die Rezeption und Wirkungsgeschichte der Erziehungsmaterialien, einschließlich der öffentlich erhältlichen Sonderbände und des Fotoalbums, ist bisher kaum geforscht worden. Ōuchi Hirokazu konzentrierte sich in der bis dato einzigen Untersuchung der Erziehungsmaterialien auf den Erziehungswissenschaftler Abe Shigetaka, der nach einem Studium an der Philosophischen Fakultät der Reichsuniversität Tōkyō 1915 in der Abteilung für normale Schulangelegenheiten des Bildungsministeriums eine Anstellung als Beamter fand. Unmittelbar nach seiner Einstellung wurde er Teil des Projekts zur Erstellung der Erziehungsmaterialien zum Zeitgeschehen, bevor er 1919 auf den ersten Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften an seiner Alma mater berufen wurde.47 Für Abes Fall konnte Ōuchi nachweisen, dass sich durch die Beteiligung an der hier beschriebenen Materialsammlung sein Interessenschwerpunkt veränderte: Dieser hatte bis 1915 in der Kunsterziehung gelegen, während er nach 1918 zu Bildungssystemen und zur Bildungsverwaltung arbeitete, wobei ihm vor allem das Verdienst zugesprochen wird, in der Zwischenkriegszeit wie kein anderer Akademiker in Japan die Bildungssysteme anderer Länder vorgestellt zu haben. Dies wiederum stellte eine direkte Fortsetzung der Arbeit an den Erziehungsmaterialien dar und zeigt, wie auch der im Folgenden näher beschriebene Fall der japanischen Streitkräfte, wie 47 Zu Abe Shigetakas Bedeutung vgl. Hans Martin Krämer, Neubeginn unter USamerikanischer Besatzung? Hochschulreform in Japan zwischen Kontinuität und Diskontinuität, 1919 – 1952, Berlin 2006, S. 92 u. S. 139. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 259 sehr die Studien zum Ersten Weltkrieg im jeweils eigenen Feld zentrale Konzepte und das methodische Vorgehen beeinflussten.48 Ōuchi argumentierte anhand des Beispiels Abe Shigetakas zudem, dass die Idee von Chancengleichheit für den Zugang zu Bildung im Zuge der Rezeption der entsprechenden Diskussionen der Weltkriegsjahre in Europa und in den USA auch in Japan durchsetzungsfähiger oder zumindest sagbarer wurde. Die Leitidee war, dass für einen möglichen zukünftigen Krieg, aber auch für die verschärfte wirtschaftliche Konkurrenz der Nachkriegszeit die Mobilisierung der gesamten Gesellschaft nötig sein würde und dass dabei Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft hinderlich oder gar existenzbedrohend sein würde. Hierbei konnte in der politischen Semantik die über die Massenmedien sowie über die besagten Studien vermittelte Kriegserfahrung der europäischen Staaten und der USA nutzbar gemacht werden, da diese bestimmte Argumentationsmuster bestärkte. Wie stark der Krieg im Zusammenhang mit Reformen im Bildungswesen bereits während seiner Dauer thematisiert wurde, zeigt der folgende Auszug einer Rede des Ministerpräsidenten Terauchi Masatakes von Oktober 1917, mit der er die Gründungsveranstaltung des Sonderausschusses für Erziehung (Rinji kyōiku kaigi) eröffnete, die als übergeordnetes Gremium besonders über Reformen des höheren Bildungswesens beraten sollte: Obwohl die kriegführenden Großmächte sich seit Beginn des großen Kriegs in Europa inmitten militärischer Geschäftigkeit befinden, implementieren sie trotzdem Maßnahmen zur Selbststärkung, mit denen die Bildungsinstitutionen vorsichtig wie gleichzeitig unermüdlich Plänen zur Reform unterworfen werden. Nun ist unser Empire derzeit zwar nicht derartig den Verheerungen durch Kampfhandlungen ausgesetzt wie unsere Bündnisstaaten, aber bezüglich der Handhabung der Nachkriegszeit stehen [uns] für die Zukunft immer stärker werdende vielfältige Schwierigkeiten bevor.49 Im Anschluss daran rief er zu einer Stärkung des Erziehungswesens in Japan auf, da dieses für die Zukunft des Empire von entscheidender Bedeutung sei. Dieses Beispiel zeigt, wie weit die Erfahrung der Vorgänge in Europa Einzug in die politische Semantik gehalten hat. Bemühungen zur Reform des höheren Bildungswesens waren in Japan zwar schon vor 1914 erkennbar, die Dinglichkeit wurde allerdings rhetorisch in Verbindung mit dem Weltkrieg und der für die Zeit nach dem Krieg antizipierten verschärften weltweiten Konkurrenz gebracht, auf die sich Wirtschaft und Gesellschaft Japans vorbereiten sollten. Das direkte politische Ergebnis war kurz nach Kriegsende die „Universitätsverordnung“ (Daigaku-rei) vom 6. Dezember 1918, mit der etliche private Hochschulen Universitätsstatus erhielten und an vorhandenen Universitäten vor allem naturwissenschaftliche Fakultäten neu gegründet oder einzelne 48 Ōuchi, „Kokumin“ kyōiku no jidai, S. 102. 49 Rede Ministerpräsident Terauchi Masatakes, zit. n. Nakano Akira, Taishō demokurashı̄ to kyōiku (Taishō-Demokratie und Bildung), Tōkyō 1977, S. 94. 260 Jan Schmidt Lehrstühle aufgewertet wurden. Insgesamt wurde der Zugang zu Hochschulbildung durch eine Steigerung der Studienplatzzahlen erheblich ausgeweitet. Gespeist wurde das Gefühl dieser Dringlichkeit, das politische die Konsensbildung für diese Verordnung beschleunigt hatte, ganz offensichtlich durch die medialisierte Kriegserfahrung sowie durch die Studien wie den vorgestellten innerhalb des Bildungsministeriums. IV. Die Aktivitäten der Untersuchungskommissionen von Heer und Marine ab 1915 und das „Gesetz zur Mobilisierung der Rüstungsindustrie“ im April 1918 Nicht nur die Aktivitäten der Beamten des Bildungsministeriums brachten zahlreiche Publikationen hervor. Alleine die Außerordentliche Untersuchungskommission für militärische Angelegenheiten des Heeres, der bis zu ihrer Auflösung im Januar 1922 116 Offiziere angehörten, gab von 1916 bis 1922 in 69 Ausgaben sowie 66 Sonderausgaben die „Monatsnachrichten der Außerordentlichen Untersuchungskommission für militärische Angelegenheiten“ (Rinji gunji chōsa iin geppō) heraus.50 Die Ergebnisse der Untersuchungen der Marine wiederum wurden in einer eigenen Schriftenreihe, den 276 Bände umfassenden „Materialien zur Untersuchung militärischer Angelegenheiten der Marine im Europäischen Krieg“ (Ōshū sensō kaigun gunji chōsa shiryō) und den „Materialien zum Studium militärischer Angelegenheiten“ (Gunji kenkyū shiryō) dokumentiert.51 Der Verbreitungsgrad dieser Schriften reichte dabei weit über den Kreis der Militärführung hinaus: Die Sondernummern der „Monatsnachrichten“, die allesamt den Titel „Über die Armeen der kriegführenden Staaten Europas“ (Ōshū kōsen shokoku no rikugun ni tsuite) trugen und in denen die wichtigsten Forschungsergebnisse der Kommission zusammengefasst worden waren, wurden an nahezu alle Abgeordneten des Reichsparlaments verteilt.52 Die fünfte Sondernummer der Monatsnachrichten beispielsweise wurde mit insgesamt 1.190 Exemplaren besonders weitläufig verbreitet, unter anderem auch an 59 Zeitungsfirmen und Nachrichtenagenturen.53 Ferner hielten Mitglieder der Kommission des Heeres zwischen 1916 und 1921 mindestens 127 Vorträge vor Versammlungen der großen politischen Parteien, vor Pädagogen, Frauenorganisationen, Vertretern von Handel und Industrie, dem Reichsreservistenverband sowie vor zahlreichen anderen Gruppierun- 50 51 52 53 Vgl. Kurosawa, Taisen kanki, S. 25 f. Hirama, Dai-ichiji sekai taisen, S. 271 f. Kurosawa, Taisen kanki, S. 25 f. u. S. 37. Ebd., S. 35 u. S. 45. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 261 gen.54 Einzelne Mitglieder der Kommission veröffentlichten zudem Texte in Tageszeitungen, in diversen monatlich erscheinenden Zeitschriften sowie in der auflagenstarken Kriegsillustrierten Ōshū sensō jikki, den „Tatsachenberichten aus dem Europäischen Krieg“. Dabei standen Artikel etwa über „neue Waffen im Europäischen Krieg“ neben solchen, welche über die „Mobilisierung der Industrie“, über die Rolle von Frauen im Krieg oder beispielsweise über „Rohstoffprobleme der kriegführenden Staaten“ informierten.55 Die wachsende Zahl von Texten, die sich zunehmend auch mit den wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen im Inneren der kriegführenden Staaten auseinandersetzten, weist auf einen Wandel der Untersuchungsschwerpunkte der Kommission hin. Besondere Bedeutung gewann die Auseinandersetzung mit der Mobilisierung sämtlicher ökonomischer Ressourcen für den Krieg und mit dem enormen Verbrauch von Rohstoffen sowie mit der Schwierigkeit, eine ausreichende Versorgung mit diesen zu gewährleisten. Dies war auch derjenige Bereich, der am deutlichsten mit konkreten politischen Maßnahmen noch vor Kriegsende in Verbindung gebracht werden kann. Eine dieser Maßnahmen, das „Gesetz zur Mobilisierung der Rüstungsindustrie“, welches am 16. April 1918 mit der Zustimmung von Unter- und Adelshaus verabschiedet wurde, symbolisiert die Folgen des Konzeptionswandels in Bezug auf Krieg und Landesverteidigung im Militär Japans und kann als eine direkte Folge der Studien im Militär angesehen werden.56 Die Sorge um die Kapazitäten der japanischen Wirtschaft bei der Führung eines zukünftigen Kriegs sowie um die Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen wurde durch die genannten Studien entscheidend verschärft, und die entsprechenden Forderungen des Militärs genossen weit über die Kreise der Militärführung hinaus Akzeptanz. Die gesamte Sicherheitspolitik wurde durch die Studien zunehmend zu einer Frage der „Mobilisierung der ganzen Nation“, nach außen hingegen zu einer der Sicherung von Einfluss auf rohstoffreiche Gebiete. Die Schrift „Erörterung über die Notwendigkeit eines landesweiten Mobilisierungsplans“ (Zenkoku dōin keikaku no gi), die im September 1917 von einer Unterabteilung des Generalstabs herausgegeben wurde, griff die Untersuchungen der Kommission des Heeres auf.57 Darin wurde argumentiert, dass das Niveau der japanischen Produktion von Rüstungsgütern zu niedrig und zu abhängig von Lieferungen aus dem Ausland sei. Ein System der Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Betrieben gäbe es zudem nicht, der Aufbau 54 Ebd., S. 32 u. S. 35. 55 Tobe Ryōichi, Dai-ichiji taisen to Nihon ni okeru sōryokusen-ron no juyo (Die Rezeption von Debatten zum totalen Krieg in Japan und der Erste Weltkrieg), in: Shin bōei ronshū 7. 1980, S. 1 – 16, hier S. 5, Anm. 12. 56 Kōketsu, Nihon rikugun, S. 143 – 181. 57 Ders., Sōryokusen taisei kenkyū, S. 199 – 205. 262 Jan Schmidt eines solchen Systems sei aber im Hinblick auf die Erfordernisse eines Kriegs, wie ihn Europa gerade erlebe, notwendig.58 Neben der Forderung nach Vorbereitungen für ein System der Mobilisierung der Rüstungsindustrie wurde die Einrichtung einer Institution gefordert, die dieses zentral verwalten und kontrollieren sollte. Eine zusätzlich im Januar 1918 eingerichtete Untersuchungskommission des Heeres zur Rüstung (Rikugun gunju chōsa iinkai) zeichnete erneut ein Schreckensbild der Möglichkeiten der japanischen Rüstungsindustrie im Vergleich mit der massiven Mobilisierung der Industrien der europäischen Großmächte und der USA. Ihre Arbeit lieferte den entscheidenden Impuls zu einem entsprechenden Gesetz sowie gleichzeitig das Material für wirkungsvolle Argumente in den vorbereitenden Parlamentsdebatten.59 Nach mehrmaliger Überarbeitung durch das Kabinett, nach Abstimmungen mit der Marine und Beratungen in beiden Kammern des Reichsparlaments erhielt das Gesetz schließlich die Zustimmung des Adelshauses. Interessant ist sein Inhalt hier vor allem, weil sich darin sehr direkt die Erfahrung des noch andauernden Weltkriegs und den daraus gezogenen Lehren widerspiegelten. In Kriegszeiten sollte mit dem Gesetz der Reichsregierung, dominiert vom Militär, eine weitgehende Kontrolle über alle relevanten Wirtschaftszweige und die Arbeitswelt ermöglicht werden. Das Gesetz sollte unter anderem für die Produktion von Waffen, Munition, Maschinen, Treibstoff, Kleidung und Nahrungsmitteln Geltung besitzen. Die für den Krieg zu mobilisierenden Fabriken und Betriebe sowie der genaue Ablauf der Mobilisierung wurden festgelegt, wobei der Regierung das Recht eingeräumt wurde, unter bestimmten Bedingungen alle für die Produktion und Reparatur von Rüstungsgütern notwendigen Fabriken und Betriebe kontrollieren, benutzen und, falls kriegstechnisch erforderlich, enteignen zu können. Ferner wurde die kriegswirtschaftliche Verwendung von privatem Bodenbesitz, Lagerraum, Verkehrsmitteln sowie der dazugehörigen Anlagen festgelegt und die Regierung ermächtigt, die Angestellten rüstungsrelevanter Fabriken und Betriebe einem Kriegshilfsdienst zu unterwerfen sowie Teile der nicht arbeitenden Bevölkerung zu einer Beschäftigung innerhalb der Rüstungsindustrie verpflichten zu können. Für die Planung einer zukünftigen Mobilisierung waren weitere Paragrafen des Gesetzes von großer Wichtigkeit, so etwa das Recht der 58 Ders., Nihon rikugun, S. 124. Einen Monat zuvor hatte Koiso Kuniaki, später einer der Ministerpräsidenten Japans in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, den Text „Ressourcen für die Verteidigung des Reichs“ (Teikoku kokubō shigen) verfasst, in dem er die Notwendigkeit eines „detaillierten Plans zur Umstellung der Industrie“ auf Kriegsproduktion sowie generell die Notwendigkeit der Rohstoffsicherung unterstrich. Kōketsu, Sōryokusen, S. 206 – 212. 59 Hierbei diente Großbritannien als Vorbild, wo aus der Sicht der Kommissionsmitglieder eine strikte Kontrolle der Industrie in den Kriegsjahren geglückt war. Vgl. ders., Nihon rikugun, S. 127. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 263 Regierung, detaillierte Untersuchungsberichte über Fabriken, Betriebe, Eisenbahnen und Schiffe sowie rüstungsrelevante Rohstoffe ohne Rücksicht auf Firmengeheimnisse einzufordern.60 All dies kann als direkte Übertragung des akkumulierten Wissens der diversen Gremien zum Studium des Kriegs, vor allem aber der Streitkräfte, über Maßnahmen angesehen werden, die vor allem in Großbritannien und Deutschland während der Kriegsjahre nach und nach ergriffen worden waren. Langfristig betrachtet war es unter anderem das als Folge des Gesetzes im Mai 1918 geschaffene Rüstungsbüro (Gunju-kyoku), das auf eine wesentliche Auswirkung des Gesetzes verweist. Mit ihm wurde der Grundstein für ein zumindest seinem Anspruch nach weitläufiges Planungswesen gelegt, das bis in den Asiatisch-Pazifischen Krieg der Jahre 1937 bis 1945 fortbestand und trotz aller struktureller Probleme bei dessen Umsetzung in weiten Teilen die Kriegsanstrengungen dieser Jahre erst ermöglichte.61 Ein weiteres Beispiel für eine direkte Auswirkung der Studien des Militärs mit der Wirkung einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ist die Neufassung des sogenannten „Reichsverteidigungsplans“ (Teikoku kokubō hōshin), die ebenfalls im Jahr 1918 unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstand. Dort wurden nun die USA und China, und damit nicht mehr Russland wie in der ursprünglichen Fassung, als wahrscheinlichste Kriegsgegner der Zukunft identifiziert. China wurde offen als zukünftiges Rohstoffreservoir in Betracht gezogen, während die Aufrüstung der USA nach deren Kriegseintritt im April 1917 als potentielle Gefahr angesehen und ein Machtkampf um die ökonomische Vorherrschaft im asiatisch-pazifischen Raum antizipiert wurde.62 V. Schlussbetrachtung Es ist deutlich geworden, dass die bisher kaum erforschte mediale Reaktion auf den Ersten Weltkrieg weit über die Japan militärisch direkt betreffenden Aspekte hinausging. Während der Kriegsjahre wurde nicht nur kontinuierlich und an den verschiedensten Orten in der komplexen modernen Gesellschaft Japans über den Krieg berichtet, sondern dieser zudem ausführlich kommentiert und interpretiert sowie von eigens eingerichteten Gremien ausführlich studiert. Es handelte sich um einen Erfahrungsraum, der mehrheitlich durch eine medialisierte, indirekte Kriegserfahrung konstituiert wurde. Selbstver60 Der Gesetzestext in: Bōeichō kenshūjo senshishitsu (Hg.), Rikugun gunju dōin Dai-1. Keikaku-hen (Mobilisierung der Rüstungsindustrie durch die Armee. Bd. 1.: Edition der Pläne), Tōkyō 1967, S. 652 – 655. 61 Ebd., S. 51 f. 62 Kurono Taeru, Dai-ichiji taisen to kokubō hōshin no dai-ichiji kaitei (Der Erste Weltkrieg und die erste Revision des Reichsverteidigungsplans), in: Shigaku zasshi 106. 1997, S. 1 – 34. 264 Jan Schmidt ständlich konnte der Erste Weltkrieg in Japan in der Folgezeit nicht denselben Ort in der Erinnerungskultur einnehmen, den Paul Fussel in „The Great War and Modern Memory“ beschrieb und den Jay Winter und andere für Europa rekonstruiert haben.63 Dennoch sollte deutlich geworden sein, dass, wenn es um eine Weltgeschichte des Ersten Weltkriegs gehen sollte, eine Erweiterung um andere, eher indirekte Kriegserfahrungen, anzuraten ist. Wenn etwa ein Sammelband Paris, London und Berlin in den Kriegsjahren gegenüberstellt, würde zwar ein direkter Vergleich beispielsweise mit Buenos Aires, Shanghai oder eben mit Tokyo schwer fallen.64 Aber gerade die Mischung aus dem aus der Ferne erlebten Krieg als medial konsumiertem Spektakel und Lehrstück sowie der gefühlten Gleichzeitigkeit stellt eine nicht zuletzt durch die Entwicklung der Massenmedien und durch Visualisierung erst ermöglichte Grunderfahrung des 20. Jahrhunderts dar. Es muss hier zudem betont werden, dass diese medialisierte Kriegserfahrung Japans auch auf ein neues Bild vom Krieg verweist, das eben nicht nur in die Gesellschaften Einzug gehalten hat, die den Krieg direkt erfuhren. Giftgas, U-Boote, Panzer, Frauen in Munitionsfabriken und nicht zuletzt Luftangriffe wurden auch in Japan bereits während des Ersten Weltkriegs zu Kollektivsymbolen, die im Alltag präsent waren. Die Beispiele von Auswirkungen der Studien zum Krieg, etwa in Form der Universitätsverordnung und des „Gesetzes zur Mobilisierung der Rüstungsindustrie“ von 1918, haben zudem gezeigt, in welchem Maße auch ein aus der Ferne erfahrener Krieg die politische Semantik beeinflussen kann. Auch das aktive Studium des Kriegs durch Staaten wie Japan stellt eine Facette des indirekt erfahrenen Kriegs dar. Eine für die folgenden Dekaden wesentliche Auswirkung jener Studien bestand darin, dass die Wahrscheinlichkeit eines kommenden Weltkriegs und einer dann stärkeren Beteiligung Japans als nahezu absolut angesehen wurde. Diese an eine sich selbst erfüllende Prophezeiung erinnernde Annahme hat sich noch während des Ersten Weltkriegs in weiten Teilen der japanischen Eliten verbreitet und musste ein Hindernis für die pazifistischen, auf Ausgleich und breite Partizipation zielenden Strömungen in Japan darstellen, die in der Zwischenkriegszeit ebenfalls verbreitet waren. In jedem Fall kann ein für die Geschichte Ostasiens sowie für die Entfachung des Zweiten Weltkriegs folgenschwerer Zusammenhang zwischen den Studien des japanischen Militärs während des Ersten Weltkriegs und der japanischen Aggression gegenüber China ab 1931 / 1937 postuliert werden: Die permanente Errichtung eines japanischen Einflussbereichs auf rohstoffreiche Gebiete und Märkte in China sowie die antizipierte 63 Paul Fussel, The Great War and Modern Memory, New York 1975; Jay Winter, Sites of Memory, Sites of Mourning. The Great War in European Cultural History, Cambridge 1995. 64 Jay Winter u. Jean-Louis Robert (Hg.), Capital Cities at War. Paris, London, Berlin 1914 – 1919, Cambridge 1997. ipabo_66.249.69.239 Der Erste Weltkrieg als vermittelte Kriegserfahrung in Japan 265 Gegnerschaft zur USA wurden nach der zwar vergleichsweise indirekten, aber in diesem Aspekt äußerst wirksamen Erfahrung des Ersten Weltkriegs als conditio sine qua non für das Weiterbestehen des Empire angesehen und bestimmten die politischen Handlungsspielräume der Folgejahre erheblich. Im Falle des „Gesetzes zur Mobilisierung der Rüstungsindustrie“ von 1918 kann sogar ein direkter Bogen zum Zweiten Weltkrieg in Ostasien gespannt werden, da es sich bei ihm um den unmittelbaren Vorläufer des „Gesetzes zur gesamten Mobilisierung der Nation“ (Kokka sōdōin hō) vom April 1938 handelte, das in der Forschung als ein Kerninstrument der Mobilisierung Japans in den Jahren 1938 bis 1945 angesehen wird. Jan Schmidt, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Ostasienwissenschaften, GB 1 / 41, Universitätsstraße 150, D-44780 Bochum E-Mail: [email protected] Americans Respond Perspectives on the Global War, 1914 – 1917 by Jennifer D. Keene Abstract: Neutrality did not mean non-involvement. American communities engaged intellectually, politically, and financially with the wars’ multiple fronts throughout 1914 to 1917. This essay discusses the responses of Progressive reformers to the plight of Belgian civilians, African American interest in Africa, and Jewish-American aid to Russian Jewish refugees. The recent historiographic trend emphasizing the war’s global dimensions has provided macro-level analyses of strategy, migrations, finances, trade, and empires throughout the world. Considering World War I as a global war, however, offers more than a way to analyze American financing, trade, and diplomacy. It creates a framework for recapturing the smaller, diverse, often locallybased experiences of American communities during the period 1914 to 1917. In 1914 President Woodrow Wilson urged Americans to be “impartial in thought, as well as action.”1 Both the government and people, he suggested, must avoid “passionately taking sides” for America to remain a neutral in the present war, a status it maintained until April 1917 when Congress declared war on Germany. Many historians have traced the gradual erosion of the concept of neutrality throughout 1914 to 1917, paying particular attention to the changes in Wilson’s definition of neutrality, the close ties that American financiers and industrialists developed with the Allied side, and the debate over military preparedness.2 Wilson’s statement, however, captured several demographic realities. The United States had recently welcomed millions of new immigrants from both Allied and Central Power nations. Class tensions were rife in the rural and industrial sectors where disputes often turned deadly. Racial violence was also on the rise. America in 1914 was a divided nation that found it impossible to speak with one voice on any matter. This would include, despite Wilson’s plea, reacting to the crisis of world war. 1 Woodrow Wilson, US Declaration of Neutrality, 19. 8. 1914, in: Gerhard Peters and John T. Woolley, The American Presidency Project, http://www.presidency.ucsb.edu/ws/ ?pid=65382. 2 See for example, Robert H. Zieger, America’s Great War. World War I and the American Experience, New York 2000; John P. Finnegan, Against the Specter of a Dragon. The Campaign for American Military Preparedness, Westport, CT 1974; John G. Clifford, The Citizen Soldiers. The Plattsburgh Training Camp Movement, 1913 – 1920, Lexington, KY 1974; Ross Gregory, The Origins of American Intervention in the First World War, New York 1971. Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 266 – 286 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014 ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000 ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 267 Neutrality did not mean non-involvement. Dividing the American experience neatly into a period of neutrality and belligerency works well for diplomatic history, but calling 1914 to 1917 the “period of neutrality” obscures the multiple and diverse ways that Americans engaged directly in the war from its opening days. It privileges presidential leadership, leaving it up to Wilson to proclaim America neutral, and then to request a declaration of war.3 How does recognizing the engagement of average Americans in the war from the opening days of the conflict change this narrative? Some Americans elected to join foreign armies, demonstrating a willingness to participate directly in the actual fighting well before the United States formally entered the war.4 This essay will focus on a different response, the efforts of diverse groups to alleviate civilian suffering overseas. Rather than remaining impartial, these communities engaged intellectually, politically, and financially with the wars’ multiple fronts. For those who decided to act, the so-called period of neutrality became a time when Americans were free to focus their attention on any part of the war they chose without risking censor from their neighbors or the government. The geographical selection varied tremendously, reflecting the diverse backgrounds and passions of the American people. Throughout the period of neutrality Americans, often depending on their race, ethnicity, class, regional orientation or ideological beliefs, focused on different aspects of the global war. The ability to disengage and ignore the war was another freedom Americans enjoyed during the period of non-belligency. Once the United 3 The most sustained discussions of the United States in the period of neutrality comes through biographies of Woodrow Wilson, which understandably privilege his decisionmaking. For recent examples see John Milton Cooper, Jr., Woodrow Wilson. A Biography, New York 2009; Justus D. Doenecke, Nothing Less Than War, Lexington, KY 2011; Ross A. Kennedy, Woodrow Wilson, World War I, and America’s Strategy for Peace and Security, Kent, OH 2009. John Branden Little and Julia Irwin are two scholars challenging the idea of an American period of neutrality through their work on Belgium relief and the American Red Cross, respectively. See John Branden Little, Humanitarian Relief in Europe and the Analogue of War, 1914 – 1918, in: Jennifer D. Keene and Michael S. Neiberg (eds.), Finding Common Ground. New Directions in First World War Studies, Leiden 2011, pp. 139 – 160 and Julia Irwin, Making the World Safe. The American Red Cross and a Nation’s Humanitarian Awakening, New York 2013. 4 For American volunteers, see Robert B. Bruce, A Fraternity of Arms. America and France in the Great War, Lawrence, KS 2003; Axel Jansen, Individuelle Bewährung im Krieg. Amerikaner in Europa, 1914 – 1917, Frankfurt 2003 and id., Heroes or Citizens. The 1916 Debate on Harvard Volunteers in the European War, in: Christine Krüger and Sonja Levsen (eds.), War Volunteering in Modern Times. From the French Revolution to the Second World War, Basingstoke 2011, pp. 150 – 162. 268 Jennifer D. Keene States declared war, the demands (both legal and extralegal) to participate fully in the war effort touched nearly every community.5 The recent historiographic trend emphasizing the global dimensions of the war has provided macro-level analyses of how the war affected strategy, migrations, finances, trade, and empires throughout the world.6 The United States figures prominently in these accounts mostly through its trade, financing, diplomacy, and ultimately military might. Considering World War I as a global war, however, offers more than a way to tell the bird’s eye story of American participation. It creates a framework for recapturing the smaller, diverse, often locally-based experiences of American communities during the period 1914 to 1917. The global dimensions of the war gave Americans choices to make when deciding which aspect of the war mattered the most to them. During this period, Progressive reformers focused nearly exclusively on the plight of Belgian civilians, African Americans on Africa, and Jewish-Americans on Russia and Palestine. Their motivations for making these selections were equally diverse. Progressive reformers hoped to re-define America’s humanitarian role in the world. African Americans linked the progress of the racial struggle at home to the continued existence of the global color line. Jewish Americans, immigrants and the native-born, worried about family and friends caught up in the maelstrom of war. The experiences of these three groups vividly demonstrate that Americans were not sitting on the sidelines during the period of neutrality. Rather than following President Woodrow Wilson’s lead and limiting America’s concerns to protecting the rights of neutrals, American citizens became avidly involved in multiple dimensions of the global war underway. As Wilson himself predicted in his 1914 neutrality address: “The effect of the war upon the United States will depend upon what American citizens say and do.” I. Progressives and the Plight of Belgium In the years leading up to the war, Progressive reformers had launched a multifaceted reform movement known as Progressivism, a domestic campaign against political corruption, the power of monopolies, and the dismal living and factory conditions that consigned many working class Americans to a life of hardship. A standard activist tactic was to organize local committees to investigate, publicize, fundraise, or lobby for legislative solutions to remedy 5 Christopher Capozzola, Uncle Sam Wants You. World War I and the Making of the Modern American Citizen, New York 2008. 6 See for example, Hew Strachan, The First World War, vol. 1: To Arms, Oxford 2001; Michael S. Neiberg, Fighting the Great War. A Global History, Cambridge 2005; John H. Morrow, Jr., The Great War. An Imperial History, New York 2004; David Stevenson, Cataclysm. The First World War as Political Tragedy, New York 2005. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 269 America’s social ills.7 In undertaking these social reforms American Progressives had also cultivated strong ties to their European counterparts, exchanging methods and approaches to alleviating poverty. Popular tours to Europe by-passed museums and castles in favor of visits to slums and charitable institutions, as American reformers sought to learn from the pioneering urban reforms undertaken overseas.8 These experiences of collective organization and international collaboration laid the foundation for a quick and enthusiastic response when the wartime call to aid Belgium civilians came. Progressive reformers had already cultivated self-image as citizens of the world.9 Consequently, the fact that there were no immediate American interests at stake when war erupted in Europe did not deter these Progressively-minded Americans from seeking an immediate role in the conflict. Instead Progressively-minded social workers, businessmen, and engineers acted immediatly on the responsibility they felt to alleviate civilian suffering. Their voluntary efforts injected Americans, and perhaps more importantly, the American food economy into the war. These well-off white Americans traveled to Europe from 1914 to 1917, not to fight, but to aid civilians caught up in the war. The Committee for Relief in Belgium (CRB) took the lead in focusing Americans’ attention on the plight of civilians in German-occupied areas, especially Belgium. In 1914 the CRB was only one of nearly one hundred charitable groups initially formed to help Belgium civilians, but it would grow to encompass over 10,000 chapters worldwide.10 7 Theda Skocpol et al., Patriotic Partnerships. Why Great Wars Nourished American Civic Voluntarism, in: Ira Katznelson and Martin Shefter (eds.), Shaped by War and Trade. International Influences on American Political Development, Princeton 2002, pp. 134 – 180. For recent works re-evaluating the reaction of Progressives to the war and the importance of US-sponsored global humanitarianism see Alan Dawley, Changing the World. American Progressives in War and Revolution, Princeton, NJ 2003; Ian Tyrrell, Reforming the World. The Creation of America’s Moral Empire, Princeton 2010; Irwin, Making the World Safe. 8 Daniel T. Rodgers, Atlantic Crossings. Social Politics in a Progressive Age, Cambridge, MA 1998, pp. 52 – 75. 9 Ibid, pp. 267 – 277. 10 Scholarly interest in American-led humanitarian efforts is growing, as evidenced by the number of recent dissertations devoted to this topic including John Branden Little, Band of Crusaders. American Humanitarians, the Great War, and the Remaking of the World, Ph. D. Diss. University of California at Berkeley 2009; Michael McGuire, An Ephemeral Relationship. American Non-Governmental Organizations, the Reconstruction of France, and Franco-American Relations, 1914 – 1924, Ph. D. Diss. Boston University 2012; Jennifer Polk, Constructive Efforts. The American Red Cross and YMCA in Revolutionary and Civil War Russia, 1917 – 1924, Ph. D. Diss. University of Toronto 2012; Thomas Westerman, Rough and Ready Relief. American Identity, Humanitarian 270 Jennifer D. Keene CRB head Herbert Hoover created the managerial structure needed to effectively collect, transport, and deliver food relief on a massive international scale. Hoover had no direct ties to the domestic Progressive social reform movement but he shared its values. Hoover had spent his adult life as an engineer working overseas to perfect the organizational structure of mining operations. His problem-solving approach privileged efficiency, maximizing productivity, and minimizing costs – values that also informed Progressive attempts to purge corruption and inequity from American politics and industry. Hoover recruited similarly-minded American businessmen, engineers, physicians, and public health experts to run the CRB, and set about tackling the problem of starvation in occupied Belgium.11 In his autobiography, Hoover succinctly laid out the enormity of the task: It would require that we find the major food supply for a whole nation; raise the money to pay for it; get it past navies at sea and occupying armies on land; set up an agency for distribution of supplies for everybody justly ; and see that the enemy took none of it. It was not ‘relief ’ in any known sense. It was the feeding of a nation.12 The CRB indeed exercised the powers of a quasi-nation. The subject of nearly daily news stories, the CRB centered attention on the civilian casualties of total war. The escalating naval battle between Britain and Germany to control the flow of food and munitions from the United States to Europe, a key step in the war’s global expansion, forced Hoover to engage in intense negotiations to feed civilians in Belgium, and eventually northern France. Hoover, a private American citizen, successfully secured a German promise not to torpedo ships carrying food relief or confiscate CRB food to feed its army, along with a British pledge to allow the food through the blockade. He then raised a billion to pay for the purchase of five million tons of goods that he transported with a fleet of seventy vessels that flew red and white CRB flags. Once food and clothing arrived in Belgium, the CRB worked in concert with the Belgian Comit National de Secours et d’Alimentation which stored and distributed food, controlled consumption through rationing and price controls, and ran soup kitchens for the indigent.13 The American-led relief mission that delivered aid to Western Europe demonstrated the war’s global reach in several ways. The procurement of food ultimately became an international operation, with the CRB obtaining Experience, and the Commission for Relief in Belgium, 1914 – 1917, Ph. D. Diss. University of Connecticut 2013. 11 George H. Nash, The Life of Herbert Hoover, vol. 2: The Humanitarian, 1914 – 1917, New York 1988, pp. 20 f. 12 Herbert Hoover, The Memoirs of Herbert Hoover. Years of Adventure, 1874 – 1920, New York 1951, p. 154. 13 Ibid., p. 156; Tracey B. Kittredge, The History of the Commission for Relief in Belgium, 1914 – 1917, n. p. 1919, p. 61; Branden Little, Band of Crusaders, p. 301. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 271 foodstuffs primarily from the United States, Canada, Argentina, and the UK, and some provisions from China, Australia, India, and Guatemala.14 The financing of the relief effort, both from governmental monies and private donations also assumed global dimensions. Belgium, France, and Great Britain provided the bulk of governmental subsidies until 1917. Once the United States government entered the war, it contributed directly to the relief effort in the form of loans to Belgium and France. Overall, Americans provided 66 percent of the cash and in-kind donations, followed by the British Empire with 31.6 percent (encompassing the UK, Dominions, and colonies) and 2.2 percent from other nations including China, Italy, Spain, Holland, and Argentina.15 In fact, “the per capita contribution collected by the committees in Canada, Australia and New Zealand was a considerably higher figure than that for the United States,” noted Tracey B. Kittredge in his 1919 history of the CRB.16 The success of the Belgian relief effort rested on exploiting and expanding the existing international trade and financing infrastructure. The American-led CRB mobilized peoples and resources throughout the globe to alleviate the suffering of one small portion of Europe. This worldwide undertaking illustrated the impact of global war on a local level. CRB-negotiated agreements on Belgian crop harvests, for instance, dictated how a Belgian disposed of his crop. “In time we requisitioned all the farmer’s production above the needs of his own family,” Hoover noted as the CRB “ultimatley took control of all food warehouses, flour mills, slaughter houses, dairies, bakeries and restaurants.”17 Bread ration cards determined how much families consumed, with CRB experts designing a super-nutritious cracker to serve to school children at their noon-day meal.18 The relief effort did more than dictate food consumption patterns in Belgium. It also created an opportunity for enhancing the global perspective of those Americans energized to join this crusade. Enjoying a plentiful harvest, Kansas donated 50,000 barrels of wheat in November 1914, enough for the state to 14 George I. Gay, The Commission for Relief in Belgium. Statistical Review of Relief Operations, Stanford 1925, p. 25 and pp. 28 – 30; Branden Little, Band of Crusaders, p. 319 and p. 496. 15 Gay, Statistical Review, p. 65 and pp. 67 f. 16 Kittredge, History of the Commission for Relief in Belgium, p. 65. As modern relief efforts demonstrate, the best charitable donation is cash. Donations in kind, such as food and clothing, come in fits and bursts, often of uneven quality. A relief effort relying strictly on donations meant that a town could “be supplied with an ample amount of flour one week and the next week have to subsist on beans,” noted George Gay in his statistical overview of the CRB (Gay, Statistical Review, p. 62). Donated food made its way to Belgium, but was often sold to supplement the purchases made to feed the destitute. 17 Hoover, Memoirs, p. 174. 18 Ibid., p. 176. 272 Jennifer D. Keene single-handedly fill the hold of the Hannah which sailed for Rotterdam in January 1915.19 With the Kansas state flag fluttering atop the ship, state dignitaries gave speeches asserting that “Kansas had only begun to give.”20 Ayear later, the now-empty flour sacks made their way back to Topeka, Kansas. Belgian women had returned them, not to ask that they be refilled but as a gift of thanks. Renowned for their lace-making and embroidery skills, Belgian women had embroidered the sacks’ original lettering, plus added some designs of their own. Displayed in Topeka’s storefront windows, these beautifully decorated sacks fostered connection between peoples on each side of the Atlantic where none previously existed.21 Americans donating clothes also tried to reach out to individual Belgians by putting notes, bibles, and sometimes even money in the pockets. Vernon Lyman Kellogg wrote in 1918: In fact, the enclosing of messages and books caused us much trouble, for the Germans allow no scrap of paper, printed or written, to enter Belgium uncensored. We now have to unpack all the clothing in Rotterdam and go through it carefully to remove all notes and books.22 Through embroidery and charitable food and clothing donations, Belgians and Americans demonstrated their desire to establish an unmediated connection with one another. These individual gestures reveal yet another way that Americans were drawn in the global war. International relief work fostered a sense of national pride by emphasizing numerous admirable qualities about the United States. The publicity surrounding Belgian relief efforts underscored the superiority of American business methods and Americans’ generosity. “How Americans Organized the Commission for the Relief of Belgium and Saved Ten Million People from Actual Starvation,” the sub-heading of an essay on food relief in the 1920 “Harper’s Pictorial Library of the World War,” celebrated American business acumen and efficiency for heading off famine. The same article showered attention on average citizens like the “druggist in a small town in Indiana [who] sent one dollar a week for more than two years” and the “pennies, dimes and quarters” contributed by “children who earned them by running errands, giving up birthday parties and presents, winning high marks in school, and taking medicine without complaint.”23 These donations from children, church 19 Kansas Gives 50,000 Barrels of Flour, in: New York Times, 23. 11. 1914. 20 $ 400,000 Food Ship, Kansas Gift, Sails, in: New York Times, 6. 1. 1915. 21 Rebecca Martin, Cool Things. Embroidered Flour Sacks, http://www.kshs.org/kansape dia/cool-things-embroidered-flour-sacks/16791. This was not an isolated example. A torrent of embroidered pillows, cards, and flour sacks flowed from Belgium to the United States during the war. 22 Vernon Lyman Kellogg, Fighting Starvation in Belgium, New York 1918, p. 19. 23 O. A., Saving Belgium from Famine, in: Albert Bushnell Hart et al. (eds.), Harper’s Pictorial Library of the World War, vol. 7: The Armies of Mercy, New York 1920, ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 273 congregations, and local clubs demonstrated the generosity of Americans, a laudable national characteristic, the magazine opined. The war also encouraged Americans to recognize the position of privilege they occupied in the world order. Having been spared from the war’s deadly impact, Americans accepted their moral responsibility as global citizens to help others in need.24 The visibility of the aid Americans rendered served to further enhance the international status of the United States. Participation in international relief projects offered a way for average citizens to help promote and protect their nation’s global reputation. The merging of international humanitarianism with patriotism was well-illustrated in the response of a local chapter of the Grand Army of the Republic (a Civil War veterans’ organization) to an appeal for donations. “Comrades and Brethren, our fighting days are over,” announced one member. “But we can yet do our mite [sic] to right wrong and win honor for Old Glory.”25 As an organ played “The Star Spangled Banner” (the American national anthem), the veterans fished in their pockets for coins. Their rhetoric and ritual transformed the altruism of sending aid to feed starving Belgium children into an act of patriotic duty. II. A Pan-African View of Global War Learning about the plight of Belgian civilians under German occupation failed to automatically trigger the same desire to donate money and food among educated African Americans as it did in many white communities. Recalling the Belgium conquest of the Congo and the murderous reign of King Leopold, the African American press viewed the plight of Belgium somewhat differently.26 New York City resident DeMond Lewis reflected upon the stories that filled mainstream white-run newspapers detailing the loss of irreplaceable medieval books and manuscripts when German soldiers burned the library in Louvain, along with stories of massacres and rapes of innocent civilians. Instead of pp. 116 – 144, here pp. 142 f. These same stories are included in Kellogg, Fighting Starvation in Belgium, pp. 107 f. 24 Branden Little, Band of Crusaders, p. 318. 25 O. A., Saving Belgium from Famine, p. 143. Old Glory was the popular name for the American flag. 26 William G. Jordan, Black Newspapers and America’s War for Democracy, 1914 – 1920, Chapel Hill, NC 2001. Jordan’s work is one of the very few works on African Americans that offers a sustained discussion of the period from 1914 to 1917. Most works begin in 1917 with the American entry into war. On the history of the black press see Charles A. Simmons, The African American Press. A History of News Coverage during National Crises, with Special Reference to Four Black Newspapers, 1827 – 1965, Jefferson, NC 1998 and Albert Lee Kreiling, The Making of Racial Identities in the Black Press. A Cultural Analysis of Race Journalism in Chicago, 1878 – 1929, Ph. D. Diss. University of Illinois at Urbana 1973. 274 Jennifer D. Keene abject horror at hearing these tales, Lewis admitted to feeling some ambivalence in a 1914 letter that he wrote to the New York Age, an African American newspaper published in New York City : Not many years ago the same report could with perfect justice and truth have been issued from darkest Africa, namely, the Congo Free State, where evil, cruel and notorious Leopold king of the Belgians, exacted a cruel toll from the innocent natives of the jungle. Of course, these poor people had and have no way of putting their tale of suffering – compared to the Belgians – before the world.27 Unlike the steady stream of appeals made to alleviate the suffering of Belgian civilians, those sending letters to the Age noted that no one ever suggested mounting an international relief effort to stem the suffering in the Belgian Congo. These atrocities included villagers whose hands were cut off when they failed to meet the quotas of rubber and ivory, prohibiting the Congolese from selling crops or ivory, and widespread land confiscation. For African American intellectuals, activists, and journalists Africa served not only as a geographical region where key events occurred, but also as a symbolic mirror to hold up against European combatant nations and the United States to reveal their ideological hypocrisy.28 “The problem of the twentieth century is the problem of the color-line, – the relation of the darker to the lighter races of men in Asia and Africa, in America and the islands of the sea,” W. E. B. Du Bois, a founder of the National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) and editor of its journal, The Crisis, had contended in 1903.29 The global war underway in 1914 offered African American intellectuals a myriad of examples to underscore the truthfulness of this often-quoted line from “The Souls of Black Folk.” The comparisons they drew between German outrages in Belgium and racial violence in the Congo and United States provided evidence of how the global color line affected the lives of black people throughout the world. The war laid bare the universality of racial prejudice and the shared 27 DeMond Lewis, Letter to the Editor, in: New York Age, 1. 10. 1914, p. 4; Cruelty to Congo Natives is Recalled, in: New York Age, 22. 3. 1917, pp. 1 f. Publicity exposing King Leopold’s reign of terror in the Congo received wide circulation within the United States in the early 1900s, see Adam Hochschild, King Leopold’s Ghost. A Story of Greed, Terror, and Heroism in Colonial Africa, New York 1998. 28 For the awakening Pan-African movement during the war years, see Richard Cullen Rath, Echo and Narcissus. The Afrocentric Pragmatism of W. E. B. Du Bois, in: Journal of American History 84. 1997, pp. 461 – 495; David Levering Lewis, W. E. B. Du Bois. Biography of a Race, New York 1993. 29 W. E. B. Du Bois, The Souls of Black Folk, in: Eric J. Sundquist (ed.), The Oxford W. E. B. Du Bois Reader, New York 1996, pp. 97 – 240, here p. 107. For Du Bois’s influence within the black community see Mark Ellis, W. E. B. Du Bois and the Formation of Black Opinion in World War I. A Commentary on “The Damnable Dilemma”, in: Journal of American History 81. 1995, pp. 1584 – 1590. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 275 assumption among the world’s white population that they had the right to exploit and dominate those with darker skin. W. E. B. Du Bois turned away from the conventional explanations of the war’s causes that focused primarily on power struggles to control European territory. Why did each nation believe that its very survival was at stake in 1914? Du Bois found no satisfying answers to this question in the death of the little-admired Archduke Franz Ferdinand, France’s desire to recapture Alsace-Lorraine, or the German violation of Belgium neutrality.30 Instead, he believed that the imperial drive to control Africa was the root cause of the war. In his 1915 essay “The African Roots of the War” he wrote: In a very real sense Africa is a prime cause of this terrible overturning of civilization which we have lived to see; and these words seek to show how in the Dark Continent are hidden the roots, not simply of war to-day but of the menace of wars to-morrow. […] We speak of the Balkans as the storm-centre of Europe and cause of war, but this is mere habit. The Balkans are convenient for occasions, but the ownership of materials and men in the darker world is the real prize that is setting the nations of Europe at each other’s throats to-day.31 Du Bois took a global view that placed Africa at the center to explain the existence of a worldwide color line. Other African American journalists used a global perspective to highlight the pervasiveness of racial prejudice and violence within the United States. The widespread American condemnation of German atrocities in Belgium, the sinking of the Lusitania, and the Turkish expulsion of Armenians especially irked James Weldon Johnson, another NAACP activist and contributing editor to the New York Age. Why did Americans howl with protest when German soldiers “knock the head off some old statue in a Belgian cathedral?” he asked.32 Given its own dismal record denying African Americans their constitutional rights, how could the United States claim to be “the protector of human rights before the world?” he wondered.33 In the wake of the May 7, 1915 sinking of the Lusitania the nation became obsessed with upholding international law and protecting the rights of Americans to travel on ships into the war zone. Yet no one in power paid attention that same month to reports of mobs in Georgia and Texas wrenching black men and children from courtrooms, and then shooting or burning them at the stake before putting their corpses on display for the entire community to 30 W. E. B. Du Bois, Darkwater. Voices from Within the Veil [1920], in: Sundquist, The Oxford W. E. B. Du Bois Reader, pp. 481 – 623, here p. 503 and p. 506. 31 W. E. B. Du Bois, The African Roots of the War, in: Atlantic Monthly 115. 1915, pp. 707 – 714, here p. 707 and p. 711. 32 James Weldon Johnson, Is This Civilization?, in: New York Age, 21. 1. 1915, p. 4. Johnson’s protests can also be put into the context of the NAACP’s broader campaign against lynching. See Robert L. Zangrando, The NAACP Crusade against Lynching, 1909 – 1950, Philadelphia 1980. 33 James Weldon Johnson, Concerns Not Even the Sheriff, in: New York Age, 5. 8. 1915, p. 4. 276 Jennifer D. Keene see.34 “It is worth while to think about the hypocrisy of this country,” Johnson wrote. White Americans organized food relief and sent peace missions to Europe “while the wholesale murder of American citizens on American soil by bloodthirsty mobs hardly brings forth a word of comment.” When African Americans complained, white America routinely counseled patience, rather than insisting on equal rights. Johnson saw a double-standard here as well. “Let them tell the Belgians to be patient. Let them tell the Armenians, the Serbs, the Poles, and the Jews in Russia to be patient.”35 A few months later, after the United States had entered the war, Johnson heard of a lecture given by a visiting Irish-Australian soldier to a New York City audience. Captain David Fallon recounted how he had personally seen the corpses of nuns and soldiers crucified by the Germans. A commonly circulated atrocity tale, Johnson’s first reaction was to accuse the soldier of lying either to impress the women in the audience or to whip up anti-German hysteria within the United States. Did this soldier really expect Americans to believe that men from a civilized nation would behave this way? Before Johnson could write his planned article refuting this soldier’s claims, he came across testimony given before Congress just after the East St. Louis race riot which occurred on July 2, 1917.36 In this testimony an American officer told of seeing men in uniform, both state troops and city police, shoot African Americans in cold blood. He saw this mob go to the homes of these Negroes and nail boards up over the doors and windows and then set fire and burn them up. He saw them take little children out of the arms of their mothers and throw them into the fires and burn them up. After reading this account, Johnson had a change of heart about the veracity of German atrocity stories. “Since civilized Americans could commit such acts against other unoffending Americans in peace, there is no reason to doubt that Germans would commit the acts related by Captain Fallon against their foes in war. We again apologize to Captain Fallon” for doubting him, Johnson wrote in the New York Age.37 African American commentators took note that the Allies immediately drew on their colonies in Africa and the West Indies to increase their manpower advantage. The New York Age claimed in the opening weeks of the war that its readers, 34 Scholarly accounts tracing the rise in lynchings during this era include W. Fitzhugh Brundage, Lynching in the New South. Georgia and Virginia, 1880 – 1930, Urbana 1993 and Stewart E. Tolnay and Elwood M. Beck, A Festival of Violence. An Analysis of Southern Lynchings, 1882 – 1930, Urbana 1995. 35 James Weldon Johnson, Well Worth Thinking About, in: New York Age, 15. 2. 1917, p. 4. 36 More detailed accounts of the East St. Louis riot include Charles L. Lumpkins, American Pogram. The East St. Louis Race Riot and Black Politics, Athens, OH 2008 and Elliott M. Rudwick, Race Riot in East St. Louis, 2 July 1917, Urbana, IL 1982. 37 James Weldon Johnson, Almost Unbelievable, in: New York Age, 15. 11. 1917, p. 4. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 277 if they favor one side more than another it is the French, because that people have less prejudice against Negroid people than Germany, and have been more generous in their treatment of the West Indian and African natives of their colonies than Germany, or than any other country.38 It was, the paper added, “human nature to sympathize with those who sympathize with us.” When Germany denounced the Allies for setting black men against white men on the battlefields of Europe, France’s reputation as a color-blind society only deepened within the African American community.39 Introducing uncivilized, savage fighters into the heart of civilized Europe, Germany claimed, violated the traditional rules of war. The charges that Germany leveled against Allied colonial troops bore a striking resemblance to the ones Allied reports attributed to invading German troops: rape, pillage, mutilation of corpses, and execution of prisoners.40 Which side was responsible for introducing new levels of barbarism into the war interested African Americans less than the question of how the employment of colonial soldiers might impact the global color line. “‘Colored help wanted.’ It is not too much to say that the various warring nations of Europe have hung out this sign,” noted the Northern Budget of Troy, New York.41 Yet African American commentators expressed little concern that sending colonial troops to fight and die for their colonial masters represented still another form of racial exploitation. Instead, many embraced the idea that wartime military service could offer an opportunity to advance the cause of racial equality worldwide. By 1914 a clear narrative about the US Civil War (1861 – 1865) had taken root within the African American community. The war ended slavery and black soldiers serving in the Union Army spearheaded the demand for equal rights once slavery was abolished. The addition of two constitutional amendments granted citizens equal protection before the law and black men voting rights. This history created an expectation that black 38 African Troops in the War, in: New York Age, 3. 9. 1914, p. 4. 39 For examples see Colonial Policy of France and Its Result, in: New York Age, 25. 1. 1917, p. 1. For recent work questioning the “color-blind” image of France see Joe Lunn, “Les Races Guerrires.” Racial Preconceptions in the French Military about West African Soldiers during the First World War, in: Journal of Contemporary History 34. 1999, pp. 517 – 536; Tyler Stovall, The Color Line behind the Lines. Racial Violence in France during the Great War, in: American Historical Review 103. 1998, pp. 737 – 769; and Jennifer D. Keene, W. E. B. Du Bois and the Wounded World. Seeking Meaning in the First World War for African-Americans, in: Peace & Change 26. 2001, pp. 135 – 152 and id., French and American Racial Stereotypes during the First World War, in: William Chew (ed.), National Stereotypes in Perspective. Frenchmen in America, Americans in France, Amsterdam 2001, pp. 261 – 281. 40 Richard S. Fogarty, Race and War in France. Colonial Subjects in the French Army, 1914 – 1918, Baltimore 2008, p. 8 and p. 85. 41 Quoted in: The World War, in: Crisis 11. 1914, p. 15. 278 Jennifer D. Keene men would improve their political status through honorable military service.42 Projecting the American narrative onto French colonial troops, many black intellectuals predicted, as did the Richmond Planet in an article entitled “The Opportunity of the Dark Races,” that by fighting for France colonial soldiers would earn the “rights and privileges to which they are entitled.”43 African American journalists also suggested that a valiant battlefield performance by African soldiers might assist the cause of racial equality in the United States. By November 1914 the New York Age reported hints of this possibility from an unlikely source, the normally unsympathetic editorial staff of the New York Times. Why did so many white Americans feel uneasy seeing African and Indian soldiers fearlessly and successfully attack white soldiers, the paper asked. Wasn’t it because “when this is done, the ‘savages’ show themselves practically equal to us in the very things for which we admire ourselves most?” the New York Times suggested to its white audience.44 In 1916 the New York Age again reported the favorable comments made by a white reporter on the fighting abilities of African soldiers. “African Troops in France are Fighters,” extolled the headline.45 The New York Age article quoted at length from the article (published in the New York Globe and Chicago Daily News), but made no direct comment on the reporter’s descriptions of the Africans’ “childish” behavior behind the lines and blind obedience to their white officers. Where African Americans saw black soldiers proving their mettle on the battlefield, white Americans saw black men laying down their lives in service of their white master. This was an indication that the premise of white supremacy would survive the war intact. There were other signs, however, that the war might result in the global spreading of democracy. “One of the first effects in this city of the news of the Russian revolution was the rejoicing of the Jews on the East Side,” James Weldon Johnson noted in the New York Age on March 22, 1917. In March it looked like the fall of the Tsar’s government had ushered in a new era of democratic government in Russia (the communists would take control of the revolution in November 1917). From the vantage-point of an African American civil rights activist, Johnson could only “foresee the future disappointments” for Russian Jews unless they mounted “a hard and stubborn fight” to erase past prejudices and secure the equal rights promised by the new government. “The 42 The best recent scholarly works tracing the connection between the African American military service and expectations of gaining civic and social equality is Christopher S. Parker, Fighting for Democracy. Black Veterans and the Struggle against White Supremacy in the Postwar South, Princeton, NJ 2009. 43 The Opportunity of the Dark Races, in: Richmond Planet, 5. 9. 1914, p. 4, quoted in: Jordan, Black Newspapers and America’s War for Democracy, p. 36. 44 New York Times article quoted in: James W. Johnson, The New York Times Solves a Puzzle, in: New York Age, 5. 11. 1914, p. 4. 45 African Troops in France are Fighters, in: New York Age, 5. 6. 1916, p. 1. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 279 greatest thing that the American Negro gained as a result of the Civil War and the amendments to the Constitution was the right to contend for his rights,” Johnson wrote. He hoped the same would be true for Jews in Russia.46 III. The Jewish Diaspora Rather than contending with a global color-line, Jews confronted universal anti-Semitism. The fates of Jews throughout Europe immediately concerned American Jews, both native-born and immigrants. The majority of the world’s Jewish population (10 million of 15 million Jews worldwide) lived in the German, Russian, and Austrian-Hungarian Empires and the Kingdom of Romania, focusing attention on the Eastern front within the American-Jewish community. Besides helping Jews caught up in the general mayhem of the war, American Jewish leaders sounded alerts whenever evidence arose that wartime passions were unleashing renewed persecution of Jews in Eastern Europe. The question of how the war might further or impede the Zionist goal for a Jewish homeland in Palestine further encouraged American Jews to look beyond the Western Front in considering the global reach of the war. Because Russian Jews had recently immigrated in large numbers to the United States, intense interest arose within the Jewish press and community over how the outbreak of war would affect Jewish communities in Russia. The Jewish Criterion in Pittsburgh offered readers a steady stream of war news that focused on Russia.47 Initially these articles expressed hope that the need for Jewish manpower or pressure from Russia’s British and French Allies might prompt the Tsar’s regime to reverse its anti-Semitic policies. In a December 18, 1914 editorial, the paper’s editors opined that the war had revealed “a saner side of the Russian” as they saw Jews stand loyally by the government in its time of need.48 The paper celebrated the “patriotic work of the Russian Jews” who offered their hospitals and donated funds to treat wounded soldiers, going so far as to repeat doubtful stories that some Russian male Jewish reservists even returned from abroad to fight for Russia.49 The Jewish-American hope that loyal wartime service by the nearly one million Jews serving in the Russian 46 James Weldon Johnson, Russian Democracy and the Jews, in: New York Age, 22. 3. 1917, p. 4. 47 The Jewish Criterion, an English-language newspaper for the Pittsburgh Jewish community, mostly reflected the views of the prosperous German-Jewish community which traced its roots in Pittsburgh to the 1840s and embraced Reformed Judaism. Yiddish-speaking Eastern European Jews began settling in Pittsburgh in the 1890s. 48 Jewish Criterion, 18. 12. 1914, p. 1. 49 The inability of Russian Jews to practice their religion within the military had encouraged many to leave Russia before the war, cf. The Russian Jews and the War, in: Jewish Criterion, 25. 9. 1914, p. 10. 280 Jennifer D. Keene military would bring about greater equality and an end to religious discrimination echoed similarly optimistic views expressed within the African American community. A year later, the paper’s view had shifted dramatically as the German army drove into the Pale of Settlement, the area in Russia where Jews were allowed to live permanently. “In spite of all acts of loyalty and high sense of patriotism shown by the Jews towards Russia, the Czar’s government is still convinced that the Jews are spies in the employ of Germany and has decided to expel them from the war zones,” Criterion editors reported.50 Accusing the Jewish population of giving aid and information to invading German troops, Russian Gentiles unleashed a series of violent pogroms against their Jewish neighbors. They ransacked Jewish homes, businesses, and synagogues, taking lives as well as destroying property. Herman Bernstein wrote in the Jewish Criterion after visiting Eastern Europe: Having been defeated upon the battlefield by their enemy and by their own system of demoralization, the Russian military authorities […] sought to justify themselves before their own people and before the outside world-to justify the collapse of their military system by blaming the Jews.51 The Russian government subsequently forced nearly 600,000 Jews, often at a moment’s notice, to pack up their belongings and move further east in 1915. Epidemics of disease and famine threatened as refugees poured into Pale of Settlement towns. The German occupying army allowed many Jews to return to their homes, a respite that anti-Semites viewed as a reward for helping the German invasion succeed.52 A similar pattern of scapegoating and expulsion occurred in Russian Poland and Lithuania, and in Ottoman-controlled Palestine. The Russian army’s march in Galicia, an area of Jewish concentration within the Austrian-Hungarian Empire, sent 400,000 Jewish refugees westward. None of these eastern European governments took responsibility for helping Jews relocate. The 100,000 refugees who descended on Warsaw in 1915, for instance, sought medical care, food, and shelter from the existing Jewish community. Funneling aid to Jewish refugees thus became a major concern of AmericanJewish organizations as the hopes for a short war ended. Multiple committees initially formed to provide relief such as the Central Committee for Relief of the Jews Suffering Through the War (CRC), an Orthodox group representing recently arrived, religious Eastern European Jews. Anxiety over the fate of 50 Jewish Criterion, 11. 6. 1915, p. 4. 51 Herman Bernstein, The Tragedy of the Jews in this War, in: Jewish Criterion, 10. 12. 1915, p. 8. 52 Salo W. Baron, The Russian Jew under Tsars and Soviets, New York 1987, pp. 156 – 163. Martin Gilbert, The First World War. A Complete History, New York 1994, p. 103, pp. 108 f. and p. 139. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 281 relatives created a sense of urgency within the Jewish American community. “[T]he assistance of this committee may save the lives of those who are near and dear to you. You cannot know where your father or mother, sister or brother is. Your help through us, may help them” in Europe or Palestine, noted one appeal.53 To streamline the process of aiding Jewish refugees, leaders from the Orthodox and Reform community (representing the assimilated, middle-class with German Jewish roots) agreed to put aside their ideological and religious differences to form the American Jewish Joint Distribution Committee (JDC) in November 1914.54 When the socialist labor groups came on board a bit later, the JDC became the organization that coordinated the bulk of aid American Jews sent to Jewish war refugees abroad. Over the course of the war the JDC appealed continuously to the three million Jews living in the United States, collecting funds and supplies which its staff delivered to Jewish aid organizations operating in Palestine, Russia, Austria-Hungary and Poland.55 The JDC allowed local groups and individuals to direct their contributions to specific regions or “a designated relative or friend in the war zone,” recognizing that communal and familial ties drove many Jewish American donations. JDC operatives also quizzed Jewish refugees for the names and addresses of relatives in the United States, and then sent these American residents a direct appeal to assist their loved ones overseas.56 Still it was not enough just to help relatives, author Mary Antin scolded a New York audience in 1915. Antin’s 1912 best-selling book, “The Promised Land,” told her story of fleeing persecution in Russia with her family and using education to assimilate and succeed in America. In 1915, however, she urged Jewish women in New York to remember their responsibility to those Jews unable to escape. “What will you give, you comfortable Jews of America, to save the scattered remnants of Israel, wandering unprotected amidst the hellflames of war and persecution joined?” she asked.57 53 To the Jews of America, in: Jewish Criterion, 6. 11. 1914, p. 4. 54 In forming the JDC, the two groups merged the Orthodox Central Committee for Relief of the Jews Suffering Through the War and the Reform community’s American Jewish Relief Committee. Yehuda Bauer, My Brother’s Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee, 1929 – 1939, Philadelphia 1974, pp. 6 – 8. The JDC distributed 15 million US-dollar from 1914 to 1918. 55 Jonathan Frankel, An Introductory Essay. The Paradoxical Politics of Marginality. Thoughts on the Jewish Situation during the Years 1914 – 1921, in: id. et al. (eds.), Studies in Contemporary Jewry, vol. 4: The Jews and the European Crisis, 1914 – 1921, Oxford 1988, pp. 3 – 21, here p. 9. 56 An Open Letter from Mr. Felix M. Warburg, Chairman of the Funds for Jewish War Sufferers, to all Jews of America, in: Jewish Criterion, 7. 7. 1916, p. 7 f. 57 Mary Antin, Close Your Eyes and Repeat the Word “Goluth”, in: Jewish Criterion, 17. 12. 1915, p. 4. 282 Jennifer D. Keene Jews like Antin celebrated their ability to assimilate into American society. Demonstrating assimilation by sharing the same relief goals as the rest of the country was thus very much in evidence within the Reformed Jewish press. In Pittsburgh, the Jewish Criterion advertised the efforts of the Belgium Commission of Western Pennsylvania to raise money. “We trust that every man and woman in our community will do their duty in responding to their appeal for starving mothers and children,” the paper urged readers.58 Yet even the most assimilated Jewish Americans grew frustrated with the American fixation on Belgium civilians. In her address Antin proclaimed: If the object of American charity is to relive the most bitter need, then the main stream of our benevolence should be turned into those countries where the Jews are the most numerous, for there is where the specter of war takes on his most horrid shape.59 “We have heard of Belgian atrocities and of Belgian sufferings. […] But what has been told of the sufferings of the Jews is not one-hundredth part of the calamity that has befallen them,” Herman Bernstein told a mass gathering of his personal tour of war-devastated Eastern Europe.60 One exception occurred when President Wilson, as a result of CRC lobbying, declared January 27, 1916 as Jewish Sufferers Relief Day which spurred nearly one million US-dollars in donations.61 For the most part, however, the general American public thought little about the plight of Jewish refugees. This disinterest meant that American Jews had to shoulder the burden of Jewish relief, argued Der fraynd, the Yiddish-language newspaper of the socialist and labor-oriented Workmen’s Circle (Arbeter Ring). “Jewish help for Jewish victims,” the paper declared.62 Selling self-taxation stamps was one innovative method that the CRC employed to raise funds. Contributors bought stamps (sold in one, five, ten, and 25 cent denominations) to advertise their support. Children pasted one cent stamps into donation books, and then exchanged full books for a certificate stating how much they had donated. Rabbis placed 25 cent stamps on marriage certificates, and workers formed “enlistment clubs” that vowed to purchase a ten cent stamp a week.63 The CRC often took the initiative, mailing sheets of stamps to members of Jewish groups with a request that they make a donation 58 59 60 61 Belgium Relief, in: Jewish Criterion, 21. 5. 1915, p. 1. Antin, Close Your Eyes. Bernstein, The Tragedy of the Jews in this War. Relief Day for Jews, in: New York Times, 13. 1. 1916, p. 5. Bauer, My Brother’s Keeper, p. 8. Roger S. Kohn et al., Inventory to the Records of the Central Relief Committee, vol. 1: 1914 – 1918, New York 1986, p. 2. 62 Quoted in: Mary McCune, The Whole Wide World, Without Limits. International Relief, Gender Politics, and American Jewish Women, 1893 – 1930, Detroit, MI 2005, pp. 48 f. 63 Stamp Tax for Jewish Relief, in: New York Times, 22. 11. 1914, p. C4. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 283 and affix the stamps to their correspondence to spread awareness of the Jewish refugee crisis. “I feel that when these stamps were sent to me, the party sending same was ignorant of the conditions surrounding me at present,” wrote Leo Frank from his jail cell to Harry Fischel, the CRC treasurer.64 Fischel apologized, noting that no one had vetted the lists of subscribers to Jewish charities to cross off his name. In 1915, Leo Frank was a household name throughout the United States. His plight captivated the American Jewish community every bit as much as the war. In 1913 Frank was convicted of murdering a young girl in Atlanta after a one-day trial during which the jury accepted the testimony of a southern-born black watchman (whom many suspected of committing the murder). Frank’s ongoing appeals kept the case in the press, and his northern-based supporters (Jewish and Christian) mounted letter-writing campaigns, staged protests, and raised funds for his defense. Apparently surprised at receiving a request to purchase CRC stamps for Jewish relief, Frank nonetheless sent in a donation for five dollars and then used the occasion to garner a bit more publicity for his case. In his reply, which was subsequently released to the press, he wrote: Knowing what it is to suffer unjustly, and having a deep sense of sympathy for our coreligionists who are innocent sufferers because of the European war, it gave me especial pleasure to be of assistance to them, and to collect among my friends who called to see me the money for these stamps.65 The mob that lynched Frank in August 1915 in Marietta, Georgia, underscored a different sort of parallel between events overseas and within the United States. Prejudice against Jews as an “enemy within” was not contained solely to Russia. A New York Jew who had only recently moved to Atlanta to work as a supervisor in his uncle’s pencil factory, Frank perfectly embodied the “Jew as outsider” stereotype. At first, it seemed that Frank’s life would be spared when Georgia’s governor commuted Frank’s sentence to life imprisonment in 1915. A group of law enforcement and former office-holders, however, resolved to take matters into their own hands by planning and orchestrating Frank’s kidnapping from prison and the lynching. Allan Davis wrote in the Jewish Criterion: If never before, now at least we see that there was some force in the Russian reply to American protests at the time of the Jewish massacres: that America could urge her point of view with greater effect if there were no lynchings within her own territory.66 The Frank case had already spurred the creation of the Anti-Defamation League in 1913 to combat anti-Semitism in American society. In the aftermath 64 Leo Frank Aids War Fund, in: Jewish Criterion, 16. 4. 1915, p. 11. 65 Ibid. 66 Allan Davis, The Death of Leo Frank, in: Jewish Criterion, 20. 8. 1915, p. 3. 284 Jennifer D. Keene of Frank’s lynching, renewed calls came to hold a Jewish Congress that brought together representatives from across the religious spectrum to devise ways to combat global anti-Semitism. “We have to protest not alone against the outrages against the Jews in Europe, but also against the murdering of Leo Frank here in America,” one activist declared at a mass meeting championing the creation of a Jewish Congress.67 The desire to use the lynching to galvanize a broader movement cut both ways, however. The publicity surrounding Frank’s lynching, along with the film “Birth of a Nation,” also led to renewed vigor to protect the ethos of Protestant white supremacy under the auspices of a revived Ku Klux Klan that targeted both blacks and Jews for persecution.68 The Frank trial and lynching also raised the question of just how “Jewish” one could be in the United States. In the wake of Frank’s lynching many Atlanta Jews “were scared to death and kept a low profile,” one resident recalled decades later.69 Had emigration to the United States freed Jews from persecution, or just brought them to a place where they needed to discard or disguise their Jewishness to survive? In 1906 the American Jewish Committee had formed to encourage Eastern European Jews to immigrate. Once they arrived, the same group then tutored them on assimilating into American society for “our own safety [and] our own good name,” noted one US-born rabbi.70 To members of Hadassah, a Zionist organization for American Jewish women, the only safeguard against the global reach of anti-Semitism lay in the creation of Jewish homeland in Palestine. Concern over the war-fueled refugee crisis in Palestine helped the Federation of American Zionists grow from 7,000 to 150,000 between 1914 and 1918. “It all depends upon us now whether the Jews shall remain a gypsy nomad people, in spite of the fact that four hundred thousand of us are fighting at the front, or whether we shall become a nation in every sense of the word,” wrote Hadassah leader Henrietta Szold in a letter to a Cleveland supporter in 1914.71 The Jewish Congress finally convened a month after the signing of the armistice, and subsequently sent representatives to the Paris peace talks to seek international recognition of the rights of Jewish peoples and a homeland in Palestine. Many American Jews nonetheless remained convinced that Palestine offered a potential refuge for Europe’s Jews, not them. 67 Sentiment for a Congress, in: Jewish Criterion, 27. 8. 1915, p. 7. For an overview of Jewish political organizations and their activities during this period, see Hasia R. Diner, The Jews of the United States, Berkeley 2004, pp. 179 – 182 and pp. 189 – 199. 68 Leonard Dinnerstein, The Leo Frank Case, Athens, GA 1987, pp. 148 – 150. 69 Steve Oney, And the Dead Shall Rise. The Murder of Mary Phagan and the Lynching of Leo Frank, New York 2003, p. 616. 70 Dinnerstein, The Leo Frank Case, p. 63. 71 Henrietta Szold, 9. 11. 1914, quoted in: McCune, The Whole Wide World, p. 51. ipabo_66.249.69.239 Americans Respond 285 IV. Conclusion Unrestrained by official policy American communities developed strong ties to Belgian civilians, African soldiers, and Jewish refugees during the so-called period of neutrality, engaging directly with the global war on their own terms. Blending domestic and international activism to save the Jewish people from destruction, American Jews joined Progressive reformers and African Americans in crafting their community’s distinct response to the global war. Progressives, Jews, and African Americans did not coordinate their efforts, yet patterns nonetheless emerge when considered collectively. Rather than remaining neutral in thought as well as deed, these communities engaged intellectually, politically, and financially with the wars’ multiple fronts throughout the so-called period of neutrality. Content with America’s nonbelligerent status, they nonetheless hoped to mitigate the negative consequences of the war both abroad and at home. These communities cared deeply about events in far-flung geographical regions, not simply for humanitarian reasons, but because they linked their own lives and identities as Americans to the fates of Belgian civilians, African soldiers, and Russian Jews. Progressive reformers saw an opportunity to define a new global role for themselves as world citizens by arguing that America had an international responsibility to safeguard the health and welfare of the world’s less fortunate. By appreciating the war’s imperial and colonial dimensions, African Americans believed that the war illustrated the striking connection between the marginalized position that African Americans occupied at home and the world problem of colonialism. Jewish Americans worried about the fates of relatives caught up in the mayhem along the Eastern Front, but took care to demonstrate their own assimilation into American civic society as they organized political and philanthropic organizations to address the crisis. American Jews’ concerns were global, but “how they fulfilled that responsibility revealed much about them as Americans,” noted historian Hasia Diner.72 This statement is equally true of Americans caught up in the cause of helping Belgian refugees or those trying to erase the world’s color line from 1914 to 1917. The fact that Americans chose disparate global causes to support revealed much about the demographic diversity of the American population. At the same time, however, their organizational, fundraising, and publicity techniques echoed one another, fitting perfectly into the fabric of American political culture. Once the United States declared war, the government would follow in the footsteps of these earlier citizen efforts by employing similar techniques to publicize the war cause, raise funds, and guarantee compliance with wartime edicts concerning conscription and food conservation. Even the message – 72 Diner, The Jews of the United States, p. 200. 286 Jennifer D. Keene that it was the responsibility of average Americans to act on the international stage – would be the same. The key difference was coercion, as voluntarism turned into “coercive voluntarism.”73 What had begun as an appeal to volunteer to advance one’s race, ethnicity, or political ideology evolved into an obligation that all Americans owed the nation. The wartime ethos of mandatory voluntarism transformed national pride into patriotic obligation. Despite the emphasis on nationalism, dedicated citizen activists prevented the state from completely co-opting these prewar endeavors. In opposition to official wartime goals and policies, Jewish activists continued to agitate for a Palestinian homeland, African Americans continued to laud France’s treatment of its colonial troops while criticizing racial discrimination at home, and humanitarian workers broadened their relief efforts into areas with no immediate strategic significance to the United States. Understanding the US response to global war, therefore, both during the period of neutrality and belligerency, requires going beyond the words and deeds of government officials. Prof. Dr. Jennifer D. Keene, Chapman University, Department of History, One University Drive, Orange, CA 92866, USA E-Mail: [email protected] 73 “Coercive voluntarism” is a phrase coined by Capozzola to describe the “obligation to volunteer” during the war. Capozzola, Uncle Sam Wants You, pp. 83 – 116. ipabo_66.249.69.239 „Ein Drama der gesamten Menschheit“ Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg von Stefan Rinke* Abstract: From the point of view of many Latin American contemporaries the outbreak of war in Europe in 1914 marked a turning point. This aspect regarding the entanglement between global events and local developments during the First World War has been neglected in the historiography of Latin America. The article concentrates on the interactions of perceptions and social transformations, i. e. the images of Europe and the new focus of Latin American variants of nationalism in the context of the First World War. Based on broad research in the entire region, it sheds light on a hitherto hidden dimension of the global history of the war concerning Latin America. Als Anfang August 1914 die Nachricht vom Kriegsausbruch in Europa in Lateinamerika bekannt wurde, waren die führenden Zeitungen von Mexiko im Norden bis Argentinien im Süden voll von Leitartikeln, die die Geschehnisse in geradezu epischer Breite und mit dramatischen Metaphern kommentierten. So sprach man von der „größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte“, die die Welt mit einer Krise bislang ungekannten Ausmaßes konfrontiere. Man verwendete die Metapher des Unwetters und verglich den Ausbruch der Kämpfe mit einem Blitz, der im Zentrum einschlage, dessen zerstörerische Wirkung aber aufgrund der engen globalen Verflechtungen den gesamten Erdball erschüttere. Der Kommentator der Zeitung La Nacin in Buenos Aires, einer der führenden Zeitungen Lateinamerikas, brachte dies auf den Punkt, als er bereits am 2. August 1914 die Geschehnisse als „Drama der gesamten Menschheit“ bezeichnete, in dem es keine Zuschauer geben könne.1 Tatsächlich bedeutete der Ausbruch des Krieges in Europa 1914 aus der Sicht vieler lateinamerikanischer Beobachter einen tiefen Schnitt in der historischen Entwicklung. Sie spürten, dass dieser Krieg eine die ganze Welt betreffende Dimension hatte, der man sich nicht entziehen konnte.2 Durch die neuartige Form des Propagandakriegs und durch Kommunikationstechnologien, die * Dieser Artikel ist eine Vorstudie zu einer Buchveröffentlichung, die der Autor derzeit im Rahmen eines Einstein Research Fellowships vorbereitet. Der Autor dankt der Einstein Stiftung und dem Ibero-Amerikanischen Institut PK, das Partnerinstitution für dieses Projekt ist. Sämtliche Übersetzungen dieses Textes stammen vom Autor. 1 Ecos del da. La catstrofe, in: La Naci n (Buenos Aires), 2. 8. 1914, S. 1. 2 Als ein Beispiel aus einer Unzahl von derartigen Kommentaren, die Presseorganen aus 15 Ländern der Region im August 1914 entstammen, siehe Chronica, in: Revista da Semana (Rio de Janeiro), 8. 8. 1914, S. 5. Geschichte und Gesellschaft 40. 2014, S. 287 – 307 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen 2014 ISSN (Printausgabe): 0340-613X, ISSN (online): 2196-9000 288 Stefan Rinke zunehmend auf visuelle Elemente setzten, war man direkter als je zuvor in die Vorgänge involviert. Viele stimmten darin überein, dass in den Augusttagen von 1914 eine Epoche endete und eine neue, noch ungewisse begann. Diese Wahrnehmung der Wechselwirkung zwischen globalen Verflechtungen und lokaler Entwicklung während des Ersten Weltkriegs hat sich in der Historiographie zu Lateinamerika bislang noch kaum niedergeschlagen. Denn in der Geschichtsschreibung wird zumeist die Entstehungsphase der lateinamerikanischen Staaten im „langen 19. Jahrhundert“ von der Entwicklung zu modernen Massengesellschaften im 20. Jahrhundert getrennt. Klassische Überblicksdarstellungen gehen bei ihren Periodisierungen häufig von einem Wendepunkt erst um 1930 aus.3 Danach ist die Weltwirtschaftskrise der Moment, an dem die Geschichte Lateinamerikas eine neue Richtung angenommen habe und an dem das lateinamerikanische 20. Jahrhundert erst begann. Der Erste Weltkrieg wird nach dieser Interpretation nicht als Umbruch in der historischen Entwicklung interpretiert. Etwas anders ist die Lage in der Nationalgeschichtsschreibung. So liegen für Länder wie Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko Studien zur Diplomatie während des Ersten Weltkriegs vor, die jedoch nicht auf transnationale Verbindungen achten.4 Trotz der großen Unterschiede im Einzelnen fällt auf, dass sich die Umbruchserfahrungen in vielen Fällen in der Dekade zwischen 1910 und 1920 verdichteten. So wird für Mexiko aufgrund der dann beginnenden Revolution etwa das Jahr 1910 als Markstein genannt und im Fall Argentiniens das Jahr 1916 wegen des Regierungsantritts des Kandidaten der Radikalen Partei, Hip lito Yrigoyen. Für Bolivien, Chile, Guatemala und Peru sind die Jahre 1919 / 1920 wegen der zu diesem Zeitpunkt einsetzenden politischen und sozialen Umbrüche als wichtige Wendepunkte akzeptiert. Doch auch für kleinere Länder der Region wie Nicaragua, wo 1912 die USamerikanische Militärkontrolle einsetzte, und Panama, wo 1914 kurz vor Kriegsausbruch der transozeanische Kanal eröffnet wurde und sich die Präsenz der Vereinigten Staaten ebenfalls massiv verstärkte, lassen sich klare Einschnitte erkennen. Die Kriegsjahre an sich werden dabei aber nur selten selbst thematisiert. 3 Siehe z. B. Peter Bakewell, A History of Latin America, Malden 20042 ; Tulio Halperin Donghi, Geschichte Lateinamerikas, Frankfurt 1994; FranÅois Chevalier, Amrica Latina de la independencia a nuestros das, Barcelona 1983; Enrique Ayala Mora u. a. (Hg.), Historia General de Amrica Latina, Bd. 7: Los proyectos nacionales latinoamericanos. Sus instrumentos y articulaci n, 1870 – 1930, Madrid 2008. 4 Ricardo Weinmann, Argentina en la Primera Guerra Mundial. Neutralidad, transici n poltica y continuismo econ mico, Buenos Aires 1994; Francisco Luiz Teixeira Vinhosa, O Brasil e a Primeira Guerra Mundial. A diplomacia brasileira e as grandes potÞncias, Rio de Janeiro 1990; Juan Ricardo Couyoumdjian, Chile y Gran BretaÇa durante la Primera Guerra Mundial y la postguerra, Santiago 1986; Friedrich Katz, The Secret War in Mexico. Europe, the United States and the Mexican Revolution, Chicago 1981. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 289 Demgegenüber hat sich die Historiographie zum Ersten Weltkrieg traditionell fast ausschließlich auf die Perspektive Europas und der USA konzentriert, wobei lange Zeit vor allem die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen im Mittelpunkt standen. Parallel zum Aufstieg der globalhistorischen Ansätze in der Geschichtsschreibung sind in den letzten Jahren jedoch diverse Studien entstanden, die den Krieg bewusst in seinen globalen Kontext einbetten. Selten wird Lateinamerika dabei berücksichtigt und wenn, dann liegt die Konzentration in der Regel auf mehr oder weniger ausführlichen Schilderungen der Seeschlachten vor der chilenischen Küste und bei den Falkland-Inseln 1914 / 1915.5 Die Wertung des Ersten Weltkriegs durch die Geschichtsschreibung und die Wahrnehmung der damaligen Zeitgenossen in Lateinamerika gehen also weit auseinander.6 Es drängt sich die Frage auf, welche Faktoren Lateinamerikaner zwischen 1914 und 1918 veranlassten, den Weltkrieg als wichtigen, ja dramatischen Einschnitt für ihre eigene Lebenswelt anzusehen. Wie nahmen sie diesen Konflikt, dieses Drama wahr? Wie reagierten sie darauf ? Eine These ist, dass gerade die reformorientierten Kräfte die teils dramatischen Krisen, die der Kriegsausbruch hervorrief, als Chance begriffen, um ihre Projekte zur Umgestaltung der eigenen Gesellschaft voranzutreiben. Dieser Artikel wird zunächst den politischen und wirtschaftlichen Kontext rekonstruieren, um dann eine Dimension in den Blick zu nehmen, an der die Interaktionen von Wahrnehmungen und Wandlungsprozessen und die Verflechtung von sozial- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen besonders deutlich wird. Es soll vor allem um den medialen Krieg und die Neuausrich- 5 Das beste Beispiel ist der monumentale Band von Hew Strachan, The First World War, Bd. 1: To Arms, Oxford 2001. Siehe auch William K. Storey, The First World War. A Concise Global History, Lanham 2009, S. 67 – 72; Lawrence Sondhaus, World War One. The Global Revolution, Cambridge 2011, S. 103 – 109; Michael S. Neiberg, Fighting the Great War. A Global History, Cambridge 2005, S. 123 – 150; Daniel Marc Segesser, Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive, Wiesbaden 2010; Heike Liebau (Hg.), The World in World Wars. Experiences, Perceptions and Perspectives from Africa and Asia, Leiden 2010. 6 Es liegen allerdings diverse klassisch diplomatiegeschichtliche Arbeiten aus den 1920er Jahren vor, von denen die besonders gründliche Studie von Percy A. Martin, Latin America and the War [1925], Gloucester 1967, genannt sei. Eine Ausnahme in der neueren Lateinamerikageschichtsschreibung blieb Bill Albert, South America and the First World War, London 1988. Seine Arbeit ist noch immer ein Standardwerk für die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Kriegs. Sie beschränkt sich aber auf vier Länder (Argentinien, Brasilien, Chile und Peru) und stützt sich kaum auf Primärquellen. Neuerdings hat Olivier Compagnon einige interessante Aufsätze zum Thema vorgelegt. Siehe z. B. Olivier Compagnon, Entrer en guerre? Neutralit et engagement de l’Amrique latine entre 1914 et 1918, in: Relations Internationales 137. 2009, S. 31 – 43. 290 Stefan Rinke tung lateinamerikanischer Varianten des Nationalismus im Kontext des Weltkriegs gehen. Welche Sinndeutungen gab man dem Kriegsgeschehen? Welche Zukunftsvorstellungen für die eigene Entwicklung wurden daraus abgeleitet? Um diese Fragen diskutieren zu können, zeigt der erste Abschnitt zunächst, wie lateinamerikanische Staaten zwischen Neutralität, Wirtschaftskrieg und Kriegsbeitritt manövrierten und wie sich die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Kriegs in der Region bemerkbar machten. Der zweite Abschnitt nimmt die medienpolitische Dimension des Kriegs und die neuen Bilder von Europa in den Blick, die in lateinamerikanischen Medien im Kontext des Ersten Weltkriegs entstanden. Drittens werden Reaktionen in Lateinamerika auf die Herausforderungen des Kriegs in Europa angesprochen. Es geht nicht darum, einen direkten Kausalzusammenhang zwischen bestimmten Wahrnehmungen Europas und Reaktionen Lateinamerikas darauf zu konstruieren, sondern darum, die Interaktionen zwischen globalen Entwicklungen, in die Lateinamerika auf vielfältige Weise eingebunden war, und lokalen Bemühungen um Eigenständigkeit nachzuzeichnen. I. Neutralität, Wirtschaftskrieg und Kriegsbeitritt Die lateinamerikanischen Regierungen waren anfangs darum bemüht, sich aus den Auseinandersetzungen in Europa herauszuhalten. Traditionell hatte sich die lateinamerikanische Außenpolitik nie in europäische Konflikte eingemischt.7 Die als lebenswichtig erachteten wirtschaftlichen Beziehungen sollten so weit wie möglich aufrechterhalten werden. Weder zu den Alliierten noch zu den Mittelmächten bestanden politische Verpflichtungen, die eine offene Parteinahme erforderlich gemacht hätten. Daher erklärten alle Staaten Lateinamerikas ihre Neutralität.8 Mit ihrer Neutralität folgten die lateinamerikanischen Regierungen dem Vorbild der USA, die sich trotz der großen Sympathien von Präsident Woodrow Wilson und der Bevölkerungsmehrheit für die Sache der Entente ebenfalls aus dem europäischen Krieg heraushalten wollten. Mit Blick auf Lateinamerika öffnete der Konflikt in Europa den Vereinigten Staaten ungeahnte Möglichkeiten. Als Schutz- und Polizeimacht hatte man sich in politisch-militärischer Hinsicht vor allem in Zentralamerika und der Karibik bereits vor dem Krieg fest etabliert. Das strategische Interesse der USA an ihrem „Hinterhof“ stieg mit der Eröffnung des Panamakanals am 15. August 1914 noch weiter an. Mit dem Argument des Schutzes des Kanals vor den 7 O Brasil neutro, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 19. 11. 1914, S. 3. 8 Zu den Gründen für die Neutralität Lateinamerikas siehe Roger Gravil, The AngloArgentine Connection, 1900 – 1939, Boulder 1985, S. 112; Pedro Cavalcanti, A presidÞncia de Wenceslau Braz 1914 – 1918, Braslia 1983, S. 97 f. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 291 Übergriffen der Kriegsparteien und angesichts des kriegsbedingten Ausfalls der Europäer konnten die Vereinigten Staaten ihren Anspruch als Hegemonialmacht der gesamten westlichen Hemisphäre nun offener und offensiver vertreten.9 So besetzten U.S. Marines 1915 Haiti, 1916 die Dominikanische Republik und 1917 Kuba. In diesen Staaten dauerte die US-amerikanische Präsenz weit über das Kriegsende hinaus an. Das galt auch für Nicaragua, wo die US-Amerikaner bereits 1912 einmarschiert waren. 1917, wenige Tage vor dem Kriegseintritt, kauften die Vereinigten Staaten die dänischen Jungferninseln. Auf friedlichem Weg war die US-Regierung unter Woodrow Wilson darüber hinaus darum bemüht, das seit den 1890er Jahren geschaffene lose panamerikanische System aus wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen unter US-amerikanischer Führung auszubauen. Erfolglos erbat Washington die Zustimmung der lateinamerikanischen Staaten zu Plänen für ein kollektives panamerikanisches Sicherheitssystem mit Schiedsgerichtspflicht.10 Die lateinamerikanischen Staaten selbst blieben angesichts der politischen Herausforderung des Kriegs in Europa im Wesentlichen passiv. Zwar gab es Ende 1914 eine venezolanische Initiative zu einer Konferenz der Neutralen, doch verlief diese im Sand. Lateinamerika fand weder im Panamerikanismus US-amerikanischer Prägung noch durch die Kooperation untereinander zu einer gemeinsamen politischen Linie in der Stellungnahme zum Krieg oder gar zu Planungen für eine kollektive Verteidigung gegen Übergriffe auf die Neutralität und Souveränität im Verlauf der Kampfhandlungen. Dass man aber in diesem Krieg mit seinen neuartigen globalen Dimensionen nicht einfach abseits stehen konnte, dessen waren sich die politischen Eliten wohl bewusst. So hieß es in einem vertraulichen Rundschreiben des chilenischen Außenministeriums an die Auslandsgesandtschaften, dass der Krieg eine für Lateinamerika schwierige Situation schaffe, da die Interessen der Krieg führenden Mächte sich eben nicht auf Europa beschränkten, sondern globale Ausmaße hatten.11 Wie richtig diese Aussage war, zeigte sich schon in den ersten Kriegsmonaten, als der Konflikt durch den Seekrieg in lateinamerikanische Gewässer getragen wurde. Die meisten lateinamerikanischen Staaten waren mit der Aufgabe überfordert, ihre Küsten effektiv zu überwachen und dafür zu sorgen, dass ihr Hoheitsgebiet nicht von den Krieg führenden Mächten missbraucht wurde. 9 Die Ziele der US-Politik sind zusammengefasst in: National Archives [im Folgenden NA], Record Group 59, M 743, Rolle 1, Secretary of State Lansing an Woodrow Wilson, Washington, 24. 11. 1915, S. 70 – 73. Siehe auch Mark Gilderhus, Pan American Visions: Woodrow Wilson in the Western Hemisphere, 1913 – 1921, Tucson 1986, S. 26 f. 10 Stefan Rinke, Lateinamerika und die USA. Eine Geschichte zwischen Räumen von der Kolonialzeit bis heute, Darmstadt 2012, S. 70 – 73. 11 Chile, Archivo del Ministerio de Relaciones Exteriores, Bd. 479, Circular confidencial No. 2, Santiago de Chile, 29. 8. 1914. 292 Stefan Rinke Die europäischen Kriegsteilnehmer gaben sich denn auch keine Mühe, die Neutralitätsrechte der lateinamerikanischen Staaten zu respektieren, und es kam zu zahlreichen Übergriffen. Insbesondere die „globale Strategie“ Deutschlands, die darauf abzielte, die Briten in ihrem Empire zu treffen, sollte den Krieg auch in das informal empire Lateinamerika tragen.12 Dies geschah erstmals während der deutsch-englischen Seegefechte im Südpazifik und Südatlantik, die zu Protesten der chilenischen Regierung wegen der Verletzung des Neutralitätsbestimmungen führten.13 Die stärkste Beeinträchtigung der Neutralität Lateinamerikas ergab sich auf wirtschaftlichem Terrain, denn der Krieg wurde von Beginn an als globaler Wirtschaftskrieg geführt. Schon 1912 und 1913 hatte sich die spürbare Zurückhaltung der europäischen Kapitalanleger angesichts der Balkankrisen negativ bemerkbar gemacht. In der Tat prognostizierten zeitgenössische Beobachter wie der chilenische Journalist Carlos Silva Vild sola bei Kriegsausbruch, dass die Auswirkungen des Kriegs vor allem deshalb ernst zu nehmen waren, weil die lateinamerikanischen Volkswirtschaften seit dem 19. Jahrhundert von den Märkten und dem Kapital Europas abhängig seien.14 Die wichtigste Maßnahme der Alliierten war die im Lauf der Kriegsjahre zunehmend verschärfte See- und Handelsblockade. Völkerrechtlich gesehen war eine solche Maßnahme gegen feindliche Küsten und Häfen sowie gegen feindliche Schiffe und Waren auf hoher See nach den aus dem 19. Jahrhundert stammenden Regeln für den Wirtschaftskrieg durchaus zulässig. Die Zweite Haager Konferenz von 1907 sowie die Londoner Seerechtskonferenz von 1908 hatten die Bestimmungen zur Behandlung der Neutralen verfeinert, wenngleich nicht alle Konferenzteilnehmer diese ratifiziert hatten. Diese Bestimmungen definierten die auf neutralen Schiffen beförderten Waren als Konterbande nach unterschiedlichen Kategorien und schränkten etwa die Möglichkeit der Beschlagnahme nicht kriegswichtiger Güter ein.15 Für Lateinamerika brachte die Blockade die Unterbrechung der freien Handelsbeziehungen nach Europa und damit zu den für viele Länder der Region noch immer wichtigsten Märkten. So waren etwa Lebensmittel nach den Bestimmungen „eingeschränkte Konterbande“. Dies bedeutete, dass die 12 Strachan, der diese Strategie des Reichs hervorragend herausarbeitet, geht auf die Rolle Lateinamerikas darin nicht ein. Strachan, To Arms, S. 694. 13 Germn Bravo Valdivieso, La Primera Guerra Mundial en la costa de Chile. Una neutralidad que no fue tal, ViÇa del Mar 2005, S. 69 – 71. Lateinamerika war natürlich kein Einzelfall. In Europa machten die Neutralen ähnlich gelagerte Erfahrungen. Siehe die vergleichend angelegten Aufsätze in Johan den Hertog u. Samuel Kruizinga (Hg.), Caught in the Middle. Neutrals, Neutrality, and the First World War, Amsterdam 2011. 14 El aÇo financiero, in: La Naci n (Buenos Aires), 1. 1. 1915, S. 7. Carlos Silva Vild sola, Le Chili et la guerre, Paris 1917, S. 2. 15 Zu den Rechten der Neutralen in Bezug auf die Blockaden: Nigel Hawkins, The Starvation Blockades. Naval Blockades of World War I, Barnsley 2002, S. 80 – 91. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 293 britische Regierung von Fall zu Fall entschied, ob bestimmte Waren zu beschlagnahmen waren oder nicht. Im November 1914 fiel Kaffee darunter, da wie der costa-ricanische Gesandte in London feststellte, die großen deutschen Kaffeehändler vor allem in Guatemala und Venezuela getroffen werden sollten. Dies schuf natürlich Probleme für alle lateinamerikanischen Kaffeeexporteure.16 Die Proteste der amerikanischen Neutralen – inklusive der Vereinigten Staaten – gegen diese und ähnliche Maßnahmen verhallten jedoch ungehört.17 Gezwungenermaßen mussten die Lateinamerikaner im Lauf des Kriegs die Geschäfte mit den Alliierten einseitig auf die Ausfuhr kriegswichtiger Rohstoffe ausrichten. Um das Verbot des Handels mit dem Feind auch im Ausland durchzusetzen, schufen die Alliierten in Lateinamerika mit den sogenannten „schwarzen Listen“ ein besonders innovatives Mittel gegen die deutschen Wirtschaftsinteressen in der Region. Oft wurden die Listen mit diplomatischen Druck oder gar mit Gewalt durchgesetzt. Vor Ort kümmerten sich Komitees von alteingesessenen Geschäftsleuten der alliierten Staaten um die Durchsetzung. Diese Aktionen riefen immer wieder Proteste in Lateinamerika hervor, da sie noch stärker als die Blockade einen Eingriff in die staatliche Souveränität darstellten. Die Alliierten begründeten ihr Verhalten bekanntermaßen mit dem deutschen U-Bootkrieg, der ebenfalls neuartige Belastungen für Lateinamerika mit sich brachte. Die Erfolge der schwarzen Listen waren offensichtlich. Allerdings ließ sich die erhoffte komplette Ausschaltung deutscher und deutschstämmiger Wirtschaftsinteressen in der Region nicht durchsetzen. Schon sehr früh gingen die Händler dazu über, die Staatsbürgerschaft ihrer Gastländer zu beantragen, um ihre Aktivitäten zu tarnen.18 Wenige Monate nach Kriegsende berichtete ein Augenzeuge aus dem südchilenischen Valdivia dem US-amerikanischen Geheimdienst, dass die Listen häufig ohne genaue Kenntnisse vor Ort zusammengestellt worden seien. Daher seien nicht immer die wirklich deutschstämmigen, geschweige denn deutschfreundlichen Kreise darauf erschienen. Außerdem hätten die schwarzen Listen kontraproduktive Effekte erzielt, da mancher Kaufmann aus den alliierten Staaten dadurch seinen Kundenstamm verlor und Bankrott machte. Schließlich hätten sich längst nicht alle Händler aus dem Umfeld der Alliierten an die Verbote gehalten. So gab es noch bei Kriegsende durchaus Waren aus alliierter Produktion bei 16 Archivo Nacional de Costa Rica, Relaciones Exteriores, Caja 230, Gesandtschaft von Costa Rica an Ministerio de Relaciones Exteriores, London, 4. 1. 1915, S. 1. 17 El comercio argentino y la neutralidad, in: La Prensa (Buenos Aires), 29. 11. 1915, S. 3. 18 Kolumbien, Archivo General de la Naci n, Ministerio de Relaciones Exteriores, Caja 94, Carpeta 2, Kolumbianischer Generalkonsul an Gesandtschaft, New York, 22. 9. 1914, S. 81. 294 Stefan Rinke gelisteten Geschäften zu kaufen.19 Hinzu kam das Problem des ansteigenden Schmuggels, das nicht nur aus Sicht der Alliierten ärgerlich war, sondern auch den lateinamerikanischen Neutralen ökonomischen Schaden zufügte.20 Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegsausbruchs in der Region waren tiefgreifend, wobei sich mancherorts wie im Fall Argentiniens und Brasiliens die Negativtrends der letzten Vorkriegsjahre vertieften. Im Bankwesen machte sich Panikstimmung breit und die Kredithäuser blieben Anfang August 1914 in den meisten Ländern der Region einige Tage geschlossen, was einen Run auslöste. Auch der Kapitalzufluss aus Europa kam zu einem abrupten Ende. Die Probleme wurden durch die Schwierigkeiten des meist von wenigen oder gar nur einem einzigen Produkt abhängigen Exportsektors verstärkt. Außerdem sanken die Importe überall so stark, dass Versorgungskrisen nicht ausblieben. Die Regierungen versuchten meist mit Moratorien und Appellen an die Bevölkerung der Situation Herr zu werden. Allerdings erzielten die Maßnahmen kaum Wirkung. Stärker denn je zeigte sich die Krisenanfälligkeit und Abhängigkeit der lateinamerikanischen Volkswirtschaften von Europa.21 Insgesamt betonten die Kommentare der führenden Politiker und der Presse immer wieder das Eingebundensein in einen globalen Kontext, der wenig Spielraum ließ.22 Im Laufe des Jahres 1915 kam es jedoch im Exportsektor einzelner Länder zu einer Erholung. Da die Preise der für die Alliierten kriegswichtigen Rohstoffe stiegen und die Einfuhren weit unter Vorkriegsniveau blieben, ergaben sich sogar vielfach positive Handelsbilanzen. Zinn aus Bolivien, Salpeter und Kupfer aus Chile und Peru, Weizen aus Argentinien, Fleisch aus Uruguay oder Zucker aus Kuba zählten zu den stark nachgefragten Produkten.23 In einigen Ländern wirkte die Importkrise außerdem stimulierend auf die Importsubstituierung durch Industrialisierung und das vor allem dort, wo es bereits vor dem Krieg Ansätze dazu gegeben hatte.24 Dennoch brachte der Krieg Probleme für die Arbeiterschaft in vielen Ländern der Region. Der Preisanstieg nahm in den Städten phasenweise erschreckende Ausmaße an, da auch Güter des Grundbedarfs wie etwa Brennstoffe zu den 19 NA, RG 151, General Records, Government Activities, Box 841, War Dept., Military Intelligence Division an Bureau of Foreign and Domestic Commerce, Washington, 14. 5. 1919. 20 Ao Redor da Guerra – a quest¼o do contrabando do guerra, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 12. 2. 1915, S. 3. 21 Albert, South America and the First World War, S. 37 – 55. 22 Ein gutes Beispiel dafür ist die Jahresansprache des costa-ricanischen Präsidenten Alfredo Gonzlez im Mai 1915: Alfredo Gonzlez, „Mensaje del Presidente“ (San Jos, 1. 5. 1915), in: Carlos Melndez Chaverri (Hg.), Mensajes presidenciales, Bd. 4: 1906 – 1916, San Jos 1983, S. 210 – 216. 23 So ein Bericht der US-amerikanischen Handelsbehörde: NA, RG 151, General Records, Government Activities, Box 2925, Economic conditions in foreign countries, 8. 5. 1915. 24 Albert, South America and the First World War, S. 180 – 183. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 295 Importgütern zählten, die nun ausblieben. Auch die Preise für Lebensmittel schossen in die Höhe, wobei sogar Grundnahrungsmittel betroffen waren. Nicht ohne Grund beklagte die Presse den um sich greifenden Wucher und die Spekulation, die zu diesen Fehlentwicklungen beitrugen.25 Diese Entwicklungen sowie die wachsende Inflation, sinkende Reallöhne und phasenweise Massenarbeitslosigkeit führten vielerorts zum Anstieg von sozialen Spannungen, die sich jedoch aufgrund der Schwäche der Arbeiterbewegung vor 1917 kaum in größeren Streikaktionen niederschlug.26 Ein weiteres wichtiges Ergebnis für ganz Lateinamerika war der Aufstieg der Vereinigten Staaten. Schon früh bestand die Befürchtung, die Region könne wegen des Ausfalls Europas zur „Kriegsbeute“ der Nordamerikaner werden, von denen man eine regelrechte „kommerzielle Conquista“ befürchtete.27 Die kolumbianische Regierung begann bereits Ende 1914 ihre Landesprodukte in den USA offensiv zu bewerben. In der Tat sahen die US-amerikanischen Interessen große Chancen durch den europäischen Krieg nicht zuletzt auch angesichts der Verbesserung der Reisemöglichkeiten durch den Panamakanal. Der Generaldirektor der 1907 gegründeten Pan-American Union, John Barrett, war sich sicher : „These are the days of unprecedented and legitimate opportunity in Latin America.“28 Für zahlreiche Länder der Region wurden die Vereinigten Staaten zum wichtigsten Außenhandelspartner und zur einzigen noch offenen Quelle von Kapital. So konnten sich denn auch viele lateinamerikanische Staaten dem Sog nicht entziehen, der vom Kriegseintritt der USA im April 1917 ausging. Aus Sicht Washingtons war klar, dass sich „selbst die vom Konflikt am weitesten entfernten Länder […] die Fragen internationalen Rechts nicht außer Acht lassen [können], die der Krieg aufwirft.“29 Allerdings entsprachen die Lateinamerikaner diesen Erwartungen keineswegs in vollem Umfang, und es ergaben sich regionale Unterschiede. Die unter US-amerikanischer militärischer und wirtschaftlicher Kontrolle stehenden Staaten Kuba und Panama, erklärten Deutschland prompt ebenfalls den Krieg. Guatemala, Honduras, Nicaragua, die Dominikanische Republik und Haiti brachen bis Anfang Juli 1917 zunächst die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich ab und erklärten dann im Lauf des Jahres 1918 den Krieg. Dies galt auch für Costa Rica, wo die 1917 durch einen Umsturz an die Macht gekommene Regierung Federico Tinocos hoffte, auf diese Weise die diplomatische Anerkennung 25 Ecos del da, in: La Naci n (Buenos Aires), 11. 8. 1914, S. 7. 26 Albert, South America and the First World War, S. 303. 27 Sud-Amrica como botn de guerra americano, in: El Diario del Hogar (Mexiko), 22. 9. 1914, S. 2. Zur „kommerziellen Conquista“ siehe La guerra europea, in: La Naci n (Buenos Aires), 1. 10. 1914, S. 11. 28 John Barrett, Our Trade Opportunity in Latin America, in: American Review of Reviews 50. 1914, S. 469. 29 Alemania y los neutrales, in: La Prensa (Buenos Aires), 8. 2. 1917, S. 9. 296 Stefan Rinke durch die Vereinigten Staaten zu erlangen. Einzig El Salvador, dessen Regierung über die US-amerikanische Vermittlung in der Grenzfrage mit Nicaragua verstimmt war, wahrte seine Neutralität.30 Auch wenn zeitgenössische Beobachter wie der chilenische Jurist Alejandro Alvarez den Kriegseintritt der USA als für ganz Amerika entscheidenden Umbruch von historischer Bedeutung bewerteten und die interamerikanische Solidarität betonten, waren die Reaktionen in Südamerika zurückhaltender.31 Zwar brachen Bolivien, Brasilien, Ecuador, Peru und Uruguay noch im Lauf des Jahres 1917 die Beziehungen zu Deutschland ab, weil es mehr oder weniger direkte Probleme durch den deutschen U-Bootkrieg gab. Doch trat zunächst keines dieser Länder in den Krieg ein. Sieben weitere Staaten, darunter Argentinien, Chile und Mexiko, blieben bis Kriegsende neutral. Die Lage änderte sich erst im Oktober 1917, als die Regierung in Rio de Janeiro nach der wiederholten Torpedierung brasilianischer Schiffe dem Deutschen Reich den Krieg erklärte und sich damit erstmals ein lateinamerikanischer Staat offiziell an einem bewaffneten Konflikt außerhalb Amerikas beteiligte. Die Ursachen waren unterschiedlich, aber es lässt sich doch festhalten, dass drei Motive für den Kriegsbeitritt zentral waren: erstens die wirtschaftliche Zwangslage, zweitens der politische Druck der Vereinigten Staaten und drittens die Auswirkungen des deutschen U-Boot-Kriegs. Auf der anderen Seite war die Entscheidung die Neutralität aufrechtzuerhalten auf den Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die größere Selbständigkeit der betreffenden Regierungen oder schlicht die Abwesenheit eines Kriegsanlasses zurückzuführen. Der direkte Beitrag der lateinamerikanischen Kriegsteilnehmer war alles andere als kriegsentscheidend. Zahlreiche Kubaner meldeten sich freiwillig für die Armee der Vereinigten Staaten. Nur Brasilien entsandte 1918 neben einer Sanitätsmission auch Marineverbände nach Europa, die aber zu spät kamen, um noch in die Kämpfe einzugreifen. Vielerorts kam es aber zu Zwangsmaßnahmen gegen deutsche Staatsangehörige und deutsches Eigentum.32 Außerdem brachten die Kriegserklärungen eine neue Dimension in die Beziehungen zwischen Lateinamerika und Europa. Zumindest theoretisch waren die kriegführenden Länder nun gleichberechtigte Partner der Alliierten im Kampf gegen die Mittelmächte. 30 Zur Haltung der zentralamerikanischen Staaten siehe: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, 29101, Gesandter Kurt Lehmann an Auswärtiges Amt, San Salvador, 23. 7. 1917; Martin, Latin America and the War, S. 483 – 519. 31 Zit. n. Jos A. Martnez, La entrada de Cuba en la guerra universal, in: Cuba Contempornea 14. 1917, S. 9 f. 32 Zur brasilianischen Kriegspolitik siehe Francisco Luiz Texeira Vinhosa, O Brasil e a Primeira Guerra Mundial. A diplomacia brasileira e as grandes potÞncias, Rio de Janeiro 1990, S. 158. Zum Vorgehen gegen die deutschen Interessen Frederic C. Luebke, Germans in Brazil. A Comparative History of Cultural Conflict During World War I, Baton Rouge 1987, S. 122 – 175. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 297 II. Der Krieg als Medienereignis Diese vermeintliche Gleichberechtigung ließ sich auch an den Bildern Europas ablesen, die während des Kriegs in Lateinamerika zirkulierten. Sie wurden in modernen Printmedien transportiert, die seit der Jahrhundertwende immer stärker die visuellen Elemente betonten, was vor allem in den neuartigen illustrierten Zeitschriften zur Geltung kam. So wurde der Erste Weltkrieg in Lateinamerika zu einem Medienereignis ersten Ranges. Führende lateinamerikanische Zeitungen und Zeitschriften brachten regelmäßig nicht nur Fotos vom Kriegsgeschehen, sondern kommentierten diese auch vor allem durch Karikaturen und Zeichnungen. In Lateinamerika spielte dabei die Darstellung des Kriegs als sinnlose und infernalische Katastrophe eine zentrale Rolle. Dies kam vor allem in Karikaturen, wie sie etwa die argentinische Zeitschrift Caras y Caretas, die zur damaligen Zeit größte Illustrierte Lateinamerikas, abdruckte, gut zum Ausdruck. In diesen Bildern hatte der Tod die Welt fest im Griff. Eine weitsichtige Zukunftsprognose stellten die argentinischen Sozialisten an, die den Krieg einen „unnötigen und vermeidbaren Zusammenstoß der Völker“ nannten. Der Kommentar in der Zeitung La Vanguardia fuhr fort: Unmengen von Männern […] prallen in diesen Momenten aufeinander, um den Tod in den Boden Europas zu säen und ihn zu zerstören. Die Jugend der Völker wird im Krieg zu Mehl zermahlen […] Lange Monate oder Jahre, die uns wie Jahrhunderte vorkommen werden, wird die Arbeit von Millionen Männern unterbrochen, um durch die kalkulierte Barbarei und die gelehrte Grausamkeit der Vernichtungstechnologie ersetzt zu werden.33 Die europäischen Mächte erschienen nicht mehr als überlegene Bezugspunkte, sondern man stellte sie als beutegierige Raubtiere dar. Eine Ergänzung fanden die Darstellungen durch Pressekommentare, in denen die Europäer heftig angegriffen wurden. Durch den Krieg wurden die Werte erschüttert, für die Europa stand. Häufig fanden sich Bilder, nach denen Europa als alt und verbraucht dargestellt wurde. So hieß es in einer führenden brasilianischen Tageszeitung bereits zu Kriegsbeginn der „alte Kontinent“ werde durch die Konflagration ruiniert und um Jahrzehnte zurückgeworfen.34 Viele Kommentatoren gleich welcher politischen Überzeugung, wie der argentinische Intellektuelle Jos Ingenieros oder der mexikanische Anthropologe Manuel Gamio, waren schockiert darüber, wie schnell der Krieg zum „Kulturkrieg“ mutierte und damit das Konzept „Kultur“ die „Elastizität eines Gummiballs“ erhielt.35 Der Tenor ihrer Attacken lässt sich auf die Formel 33 ¡La guerra!, in: La Vanguardia (Buenos Aires), 2. 8. 1914, S. 1. 34 A victoria da Triplice AllianÅa?, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 2. 8. 1914, S. 17. 35 Manuel Gamio, Forjando patria [1916], Mexiko-Stadt 1960, S. 103. 298 Stefan Rinke „Verrat an der Zivilisation“ und Rückfall in die Barbarei reduzieren.36 Diese Barbarisierung Europas während des Kriegs konnte man, so ein brasilianischer Korrespondent, an Äußerlichkeiten wie beispielsweise der nächtlichen Verdunklung einer Weltstadt wie London ablesen. Allerdings ging nach Meinung dieses Beobachters die Erfahrung des Krieges tiefer in die „Psyche der Nation“ und trug zur Auflösung der Zivilisation bei.37 Der spanischmexikanische Dichter Amado Nervo schrieb in einem Gastbeitrag für die argentinische Zeitung La Nacin 1914: „[D]er Horror und die Grausamkeiten des Kriegs von heute übertreffen die aller Barbareneinfälle.“38 Da aber Europa von den genannten Kommentatoren mehr oder weniger explizit als Zentrum der Welt angesehen wurde, hatte die Kritik immer auch die globale Dimension im Blick. Der Krieg, so die Kommentare, hatte eine die ganze Menschheit erschütternde Auswirkung. Das Jahr 1914 war für die ganze Welt ein „Katastrophenjahr“.39 Dies war nicht nur auf einer metaphorischen Ebene der Fall, sondern ließ sich an der Ausbreitung auf die außereuropäische Welt und den desaströsen Folgen in Lateinamerika ablesen, das seinerseits zum Krieg beitrug. Aufgrund der engen internationalen Verflechtungen genügte es, wenn nur wenige Staaten Europas zu den Waffen griffen, um die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern. La Vanguardia stellt schon im August 1914 fest: Das, was in diesem Kontinent passiert, ist nur der Widerschein von dem, was in der gesamten zivilisierten Welt vor sich geht; der Krieg hat sich scheinbar im Raum ausgedehnt, um Regionen in Mitleidenschaft zu ziehen, die auch nicht im entferntesten an der Auseinandersetzung beteiligt sind.40 Richtete sich die Kritik anfangs noch gegen Europa als Ganzes, so sollte sich dies im Lauf der Kriegsjahre ändern. Im Medium des Propagandakriegs um die öffentliche Meinung kam der Konflikt schon sehr früh direkt nach Lateinamerika. Anfangs blieb unklar, auf welcher Seite man stehen soll: „Soll man sich über den Zar oder den Kaiser aufregen, jene tragischen Spielzeuge in den Händen des Schicksals? Wer kann die Verantwortung genau zuordnen?“41 Der Kommentator der argentinischen Kulturzeitschrift Nosotros, der diese Fragen stellte, war der Auffassung, dass man in Lateinamerika keiner Nation gerechterweise den Sieg wünschen könne, da keine die alleinige Vertreterin der Zivilisation sei. Um sich nicht dem Vorwurf falscher und einseitiger Berichterstattung über die europäischen Ereignisse auszusetzen, mieden 36 Ein Beispiel ist der argentinische Intellektuelle Alejandro Korn, Die Universitätsreform, in: Angel Rama (Hg.), Der lange Kampf Lateinamerikas, Frankfurt 1982, S. 186. 37 As Financas da Guerra, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 26. 11. 1914, S. 2. 38 Amado Nervo, Ante la catstrofe, in: La Naci n (Buenos Aires), 6. 10. 1914, S. 5. 39 El nuevo aÇo, in: Zig-Zag (Santiago de Chile), 2. 1. 1915, o. S. 40 Dura lecci n, in: La Vanguardia (Buenos Aires), 6. 8. 1914, S. 1. 41 La Guerra, in: Nosotros (Buenos Aires) 1914, H. 8, S. 118 f. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 299 manche lateinamerikanischen Medien in den ersten Wochen und Monaten des Kriegs eine offene Parteinahme.42 1916 betitelte die mexikanische Zeitung El Nacional ihre Kabel- und Korrespondentensektion über den Krieg „Wahrheiten und Lügen“ (Verdades y Mentiras).43 Das große Interesse der Öffentlichkeit am Krieg war andererseits so deutlich, dass die Medienberichterstattung nicht nachließ, dass es sogar zu einer kommerziellen Verwertung des „Spektakels“ kam.44 Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Lage in den Medien schon deutlich verändert. Einzelne Autoren und Intellektuelle äußerten ihre Meinung in den Spalten der Presse und nahmen offen Partei für die eine oder andere Seite. Eine Spaltung in Anhänger der Alliierten und der Mittelmächte in der Presselandschaft war die Folge. Wie der Herausgeber von Caras y Caretas, Julio Castellanos, feststellte, gab es schnell nur noch „filos“ und „fobos“, alle verfolgten das Spektakel in Europa, als handele es sich bei den Kriegsgegnern um nationale politische Parteien.45 Auf dem „Schlachtfeld eines verdeckten Krieges um die öffentliche Meinung und die wirtschaftliche Vorherrschaft“46 – so der US-amerikanische Propagandadienst – behielten die Alliierten eindeutig die Oberhand. Mit ihren Nachrichtenagenturen Reuters und Havas hatten sie während des Kriegs quasi ein Monopol über die Berichterstattung inne. Das erschwerte der lateinamerikanischen Presse die Unparteilichkeit erheblich. Diejenigen, die für die Alliierten Stellung bezogen, taten dies aus unterschiedlichen Gründen. Manche erhielten schlichtweg Geld oder andere Vorteile seitens der Alliierten. Deutlich wird in den Kommentaren aber auch die enge Verbundenheit und traditionelle Sympathie für Frankreich, das viele Angehörige der lateinamerikanischen Oberschichten als Studenten oder Reisende aus eigener Anschauung kannten. Die französische Kulturpolitik hatte sich darüber hinaus bereits vor Kriegsbeginn durch die Gründung des Comit France-Amrique unter dem ehemaligen Außenminister Gabriel Hanotaux erfolgreich um die Pflege der Beziehungen zu Lateinamerika bemüht.47 Das spiegelte sich in den vielen 42 So die mexikanische Zeitung El Imparcial, die ihre Spalten allen frei zur Verfügung stellen wollte, die überprüfbare Nachrichten vom Kriegsgeschehen hätten. Notiz der Hg., in: El Imparcial (Mexiko), 9. 8. 1914, S. 1. 43 Verdades y mentiras, in: El Nacional (Mexiko), 10. 5. 1916, S. 4. 44 La explotaci n comercial de la guerra, in: Zig-Zag (Santiago de Chile), 3. 7. 1915, o. S. 45 Julio Castellanos, Las consecuencias de la guerra, in: Caras y Caretas (Buenos Aires), 10. 10. 1914, o. S. 46 NA, RG 63, Committee on Public Information, Entry 132, Box 4, South America and the War, 1918, S. 1. 47 Olivier Compagnon, 1914 – 1918. The Death Throes of Civilization. The Elites of Latin America Face the Great War, in: Jenny MacLeod u. Pierre Purseigle (Hg.), Uncovered Fields. Perspectives in First World War Studies, Leiden 2004, S. 281. Compagnon betont in diesem Aufsatz sehr stark die Frankophilie der lateinamerikanischen Eliten und 300 Stefan Rinke Appellen zur Solidarität mit Frankreich wider, die von mehr oder weniger bekannten Intellektuellen nun veröffentlich wurden, wobei sie sich häufig auf die Gemeinsamkeit im Geist der race latine, der „lateinischen Rasse“ beriefen.48 Den anderen Alliierten gegenüber blieben die Aussagen demgegenüber reserviert. Insbesondere Russland stand man in Lateinamerika kritisch gegenüber.49 Das Deutsche Reich konnte daraus aber keinen Profit schlagen. Hatten die Frankophilen schon von Kriegsbeginn an die Autokratie und den Militarismus der Deutschen scharf attackiert, so wurden diese Stimmen in dem Moment glaubwürdig, als Nachrichten über die Kriegsverbrechen in Belgien an die Öffentlichkeit kamen.50 Ohnehin wurde der Überfall auf ein neutrales Land allerorten verurteilt, die Vernichtung von Kulturgütern und die Übergriffe auf Zivilisten aber vertieften das Bild von der preußischen Brutalität. Dass diese nicht nur eine Bedrohung für Europa darstellte, machten Kommentatoren klar, die auf die sogenannte „deutsche Gefahr“ des Pangermanismus rekurrierten, die vor dem Krieg vermeintlich Südbrasilien bedroht habe und nun sogar noch weiter ausgreifen könnte, wenn man ihr nicht Einhalt gebieten könne.51 Die Folge war die im Lauf der Kriegsjahre zunehmende Verbreitung von Bildern des „hässlichen Deutschen“. Sie dokumentierten eine antideutsche Einstellung, die sich einerseits aus der aktiven Propaganda der Alliierten speiste, aber andererseits auch das Gerechtigkeitsempfinden vieler Lateinamerikaner widerspiegelte, das mit dem uneingeschränkten deutschen U-Bootkrieg eine weitere Provokation erlebte.52 Ein Gegengewicht boten einzig die Anstrengungen der in Lateinamerika lebenden Deutschen und Deutschstämmigen. Sie waren ihrerseits, wenn auch mit eindeutig geringerem Erfolg, darum bemüht, die Alliierten in Wort und Bild zu verunglimpfen. Am stärksten waren diese Bemühungen in Buenos Aires, wo mit La Unin eine spanischsprachige Tageszeitung extra zu diesem 48 49 50 51 52 blendet dabei die Stimmen aus, die sich entweder abwägend oder ausgesprochen germanophil äußerten. Beispiele dafür sind etwa: Eduardo Carrasquilla Mallarino, Canto de Guerra, in: Nosotros (Buenos Aires) 8. 1914, S. 58 – 64; Contra o Germanismo. Carta a Certo Poeta, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 28. 2. 1915, S. 2. Juan P. Ramos, Alemania ante la guerra, in: Revista Argentina de Ciencias Polticas 9. 1914 / 1915, S. 443. A miss¼o da Russia prophetizada por Euclides da Cunha, in: A Repfflblica (Curitiba), 5. 8. 1914, S. 1. Em torno da Guerra. A historia epica dos Belgas, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 2. 10. 1914, S. 3. ¡Bravos belgas!, in: El Abogado Cristiano Ilustrado (Mexiko), 15. 10. 1914, S. 2. Siehe auch John Horne u. Alan Kramer, German Atrocities, 1914. A History of Denial, New Haven 2001, S. 204 – 212. Pangermanismo, in: La Prensa (Lima), 1. 9. 1918, S. 3. Der Einband der „Blutchroniken“ des kubanischen Publizisten Fernando de Soignie (Cr nicas de sangre, Havanna 1918) ist ein besonders krasses Beispiel. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 301 Zweck eingerichtet wurde. Einzelne lateinamerikanische Intellektuelle wie insbesondere der Argentinier Ernesto Quesada verteidigten ebenfalls die deutsche Haltung.53 Dabei verwendeten sie Bilder, deren ständige Wiederholung und Verwendung sogar in der Produktwerbung darauf schließen lassen, dass es sich um Stereotypen handelte, die über das klassische Lesepublikum hinaus verstanden wurden. III. Die Neubewertung des Eigenen Das war besonders wichtig, weil nationalistische Bewegungen in Lateinamerika an die negativen Wahrnehmungen Europas anschließen konnten. Der europäische „Verrat“ an der Zivilisation wog schwer. Lateinamerikanische Oligarchien hatten sich im 19. Jahrhundert mit dieser Zivilisation identifiziert und die Imitation europäischer Vorbilder zum Ziel von Entwicklung erklärt. Das ging so weit, dass manche gar einen Bevölkerungsaustausch durch forcierte Einwanderung propagierten. Doch die Entwicklungsversprechen konnten nicht eingelöst werden. Selbst nach einhundert Jahren Unabhängigkeit war Lateinamerika nur oberflächlich in der europäischen Moderne angekommen. Daher entzündete sich bereits um die Jahrhundertwende die Kritik an den einseitig auf Europa ausgerichteten Entwicklungsvorstellungen. Intellektuelle wie der Kubaner Mart oder der Uruguayer Rod , Jos Vasconcelos und Antonio Caso in Mexiko, Francisco Garca Calder n in Peru, Raimundo de Farias Brito in Brasilien und Tancredo Pinochet in Chile nannten bestimmte Fehlentwicklungen beim Namen und unterbreiteten aus unterschiedlichen Perspektiven Gegenvorschläge. Ihre Alternativen sahen Lateinamerika einerseits als Erfüllung Europas, sozusagen als einen besseren, idealistischen Teil des Westens. Andererseits sahen sie die Notwendigkeit des Strebens nach Authentizität und Souveränität beziehungsweise nach vollständiger nationaler Souveränität und Gleichberechtigung im internationalen System.54 Schnell wurden diese Ideen zum Allgemeingut einer wachsenden Zahl von lateinamerikanischen Reformern. Neu war nun aber die Breitenwirkung und Dynamik, die diese Vorstellungen im Klima des Ersten Weltkriegs durch den äußeren und inneren Druck gewannen. Mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wich die Katastrophenstimmung vom August 1914 einer nüchterneren Betrachtungsweise. Naheliegend war der Gedanke, durch den Krieg die eigene wirtschaftliche Situation zu verändern, um sich aus der Abhängigkeit von den europäischen Märkten zu lösen. Bereits im Oktober 1914 veranstaltete die argentinische Kulturzeitschrift Nosotros eine Umfrage unter 53 Ernesto Quesada, El „peligro alemn“ en Sud Amrica, in: Revista Argentina de Ciencias Polticas 9. 1914 / 1915, S. 387 – 407. 54 Stefan Rinke, Geschichte Lateinamerikas, München 2010, S. 84 – 86. 302 Stefan Rinke Intellektuellen mit der Frage, was die Auswirkungen des Weltkriegs für die Menschheit und für Lateinamerika im Besonderen sein werden. Darauf antwortete der Soziologe Augusto Bunge, dass Argentinien nun die Chance habe, vor allem die enge Bindung an England und an ausländische Monopole zu lösen. Andere Stimmen, wie die des italienischstämmigen Zoologen Clemente Onelli, bestätigen dies. Der Weltkrieg könne, so Onelli, eine Lehrstunde für das Land werden, um sich auf sich selbst zu besinnen.55 Die Forderung, es den europäischen Mächten gleichzutun und den Handelsaustausch mit den regionalen Nachbarn zu intensivieren, ließ sich aufgrund der ökonomischen Zwänge aber nicht immer umsetzen.56 Vor allem in Mexiko wies man darauf hin, dass die Gewaltausbrüche im so bewunderten Europa denen in der eigenen Region nicht nur in nichts nachstünden, sondern diese sogar noch überträfen. Mit feiner Ironie schrieb die mexikanische Zeitung El Demcrata, dass man, Gott sei Dank, in Lateinamerika noch nicht so weit entwickelt sei wie in Europa. Daher sei das Blutvergießen im mexikanischen Bürgerkrieg im Vergleich zum Horror des Kriegs in Europa auch überschaubar.57 Noch kurz vor Kriegsausbruch hatte der Argentinier Leopoldo Lugones in einem Artikel, der dann erst Anfang August in Buenos Aires erschien, aus Paris berichtet: Wie kann es Europa seltsam erscheinen, dass Mexiko nicht alle seine Indios in 100 Jahren Unabhängigkeit zivilisiert hat, wenn die albanische oder marokkanische Barbarei sich seit grauer Vorzeit mitten in Europa halten konnte? Und außerdem: was soll es uns kümmern, ob das Europa seltsam erscheint oder nicht? Wir sind ganz allein die Herren unseres Schicksals […]. Die Neue Welt hat eine neue Zivilisation zur Grundlage und sie hat damit bereits begonnen.58 In vielen Ländern der Region kam es zu einer umfassenden Politisierung durch den Krieg. Kämpfe zwischen Anhängern der Alliierten und der Mittelmächte gab es insbesondere dort, wo in größerem Umfang Einwanderer aus den kriegführenden Staaten lebten. 1914 eilten etwa in Chile viele Deutschstämmige, aber auch Anglo-Chilenen, nach Europa um mitzukämpfen. In Hafenstädten wie Buenos Aires kam es zu Schlägereien zwischen den nationalistisch aufgeheizten Gruppierungen, die in Demonstrationszügen mit ihren Nationalflaggen in der Hand und patriotischen Liedern auf den Lippen durch die Straßen zogen. Der Konflikt forderte zu einer Parteinahme geradezu heraus und es schien unmöglich, einfach neutral und unbeteiligt zu bleiben. Die neu gegründeten proalliierten Verbände wie die im März 1915 erstmals zusammengerufene Liga pelos Alliados unter Rui Barbosa in Rio de Janeiro und die 55 56 57 58 Nuestra tercera encuesta, in: Nosotros (Buenos Aires) 8. 1914, S. 144 u. S. 169. Ruptura de la solidaridad econ mica, in: La Prensa (Buenos Aires), 5. 8. 1914, S. 3. La guerra de Europea y nuestra revoluci n, in: El Dem crata (Mexiko), 25. 9. 1914, S. 2. Leopoldo Lugones, La viga en el ojo (Paris, Juli 1914), in: La Naci n (Buenos Aires), 10. 8. 1914, S. 3. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 303 Verbände der in Lateinamerika lebenden Deutschen und Deutschstämmigen lieferten sich auch in der Folgezeit teils heftige verbale Auseinandersetzungen.59 Allerdings beschränkten sich die Konfrontationen keineswegs nur auf Angehörige nationaler Minderheiten. Nach dem Kriegseintritt der lateinamerikanischen Staaten 1917 steigerten sich diese Konfrontationen aufgrund des deutschen U-Boot-Kriegs und im Zusammenhang mit der Propagandaoffensive der Alliierten. Die Mobilisierung der Massen vor allem in den Städten nahm ungekannte Ausmaße an und gewaltsame Übergriffe auf Einrichtungen der deutschen Minderheiten häuften sich. Insbesondere in Südbrasilien machte sich die Fremdenfeindlichkeit in demonstrativen Gewaltakten im öffentlichen Raum Luft, die von den Autoritäten geduldet wurden. Dabei handelte es sich anfangs oft um spontane Protestbewegungen zur Wiederherstellung der nationalen Würde und Souveränität. Die Solidarisierung mit der Sache der Alliierten, deren Propaganda den Krieg als Kampf der Demokratien gegen das autokratische Deutschland zu präsentieren wusste, war ebenfalls ein wichtiges Motiv.60 Insgesamt stellte der Krieg die Hilflosigkeit der regierenden Oligarchien angesichts der Abhängigkeit vom Ausland und der sozialen Probleme im Innern zur Schau und trug damit zum weiteren Gesichtsverlust dieser Schicht bei. Daher war es kein Wunder, dass die reformorientierten Kräfte Lateinamerikas unter den spezifischen Bedingungen des Kriegs vielerorts ihre Aktivitäten intensivierten. Insbesondere die akademisch gebildeten städtischen Mittelschichten traten mit dem Anspruch an, im Namen der Nation gesellschaftliche Reformen voranzutreiben.61 Manche organisierten sich in neuen nationalistischen Parteien. Andere engagierten sich in Gruppierungen, die zum Beispiel für die Rechte der indigenen Bevölkerung oder der Arbeiter eintraten. Meist handelte es sich um Aktionsbündnisse oder Bewegungen, bei denen sich nationalistische Überzeugungen und Reformentwürfe mit dem Anspruch der Modernisierung paarten. Auch die Frauenrechtsbewegungen gewannen in diesem Kontext an Fahrt und brachten ihre Forderungen nachdrücklicher zur Geltung.62 Das konnten sie unter anderem deshalb, weil das Bild der Frau im Kontext des Kriegs eine neue Dimension gewann. Obwohl selbst die kriegführenden Staaten Lateinamerikas in der Regel nur indirekt durch Spenden und Nachschubsicherung am Krieg beteiligt waren, war die Repräsentation des eigenen Beitrags zum Krieg wichtig, leitete sich doch ein neues Selbstbewusstsein daraus ab. Da man auf 59 Liga pelos Alliados, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 18. 3. 1915, S. 3. 60 Für Brasilien dazu im Detail Luebke, Germans in Brazil, Kap. 5 u. 7. 61 Dies hat der Autor am Beispiel Chiles untersucht: Stefan Rinke, Cultura de masas, reforma y nacionalismo en Chile 1910 – 1931, Santiago de Chile 2002. 62 Asunci n Lavrin, Women, Feminism, and Social Change in Argentina, Chile, and Uruguay, 1890 – 1940, Lincoln, NE 1995, S. 267. 304 Stefan Rinke das klassische Bild des Mannes als Krieger nicht zurückgreifen konnte, wurden häufig Bilder von militarisierten Frauen zum Symbol des Kriegsbeitrags der eigenen Nation verwendet. Wiederholt zeigten sie die aufopferungsvolle weiße Frau in allegorischer Form, die im Roten Kreuz ihren Dienst tat oder sogar in soldatischer Pose, die Nationalflagge schwenkend, als Symbol einer idealisierten, ethnisch einheitlichen Nation vorgeführt wurde.63 Die liberalen Oligarchien behielten jedoch die symbolische Mobilisierung nicht mehr unter Kontrolle. Das galt nicht nur für die Frauenrechtsgruppen, die in vielen Ländern der Region zwischen 1914 und 1918 rege Aktivitäten entfalteten. Im Kontext des Kriegs brachen sich die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Interessen und sozialen Bewegungen Bahn und trugen ihre Forderungen zunehmend in den öffentlichen Raum. Deutlich werden dabei sowohl die Interaktionen mit äußeren Einflüssen als auch die transnationalen Verflechtungen. Bekannt ist der revolutionäre Nationalismus Mexikos, der sich in der Verfassung von 1917 mit ihren Bestimmungen zur Nationalisierung der Bodenschätze aber auch in den Ansätzen zur Schaffung eines lateinamerikanischen Blocks der Neutralen niederschlug.64 Wichtig ist ferner die organisierte Arbeiterschaft, denn der Erste Weltkrieg brachte in ganz Lateinamerika eine starke Zunahme des Protestpotenzials. Bill Albert, dessen Wirtschaftsgeschichte einiger südamerikanischer Länder im Ersten Weltkrieg ein Standardwerk bleibt, schrieb dazu: [E]ven a small sample of the extensive workers’ press shows that the course of events in Russia, as well as in Europe and Mexico was followed in great detail and with much interested comment. At May Day rallies the Russian workers’ victory was recounted and praised.65 In der Tat gingen Arbeiter, angespornt durch die Russische Revolution ab 1917, in den Städten und auf dem Land vielerorts zu einer kämpferischen Vertretung ihrer Interessen über. Vielerorts flammten Streiks auf, wobei es sich nicht nur um die Reaktion auf Hungerkrisen, sondern auch um politische Streiks mit dem Ziel der Verkürzung der Arbeitszeit oder des Schutzes des Streikrechts handelte. Die Streiks dokumentierten das Wachstum der Arbeiterschaft im Zuge der Verstädterung sowie das Aufbrechen der Herrschaft durch die europäisierte Oligarchie.66 63 K. Lynn Stoner, Cuban Interference with the United States, in: Hans-Joachim König u. Stefan Rinke (Hg.), North Americanization of Latin America? Culture, Gender, and Nation in the Americas, Stuttgart 2004, S. 144 – 146. 64 Pablo Yankelevich, La revoluci n mexicana en America Latina. Intereses polticos e itinerarios intelectuales, Mexiko-Stadt 2003, S. 11 – 22. Jean Meyer, La marca del nacionalismo, Mexiko-Stadt 2010, S. 13 – 46. 65 Albert, South America and the First World War, S. 237. 66 Die Streikwelle begann in Argentinien Ende 1916 und verstärkte sich 1917 in Peru, Chile, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Uruguay und Kuba. Siehe dazu Hobart A. Spalding, Organized Labor in Latin America, London 1977. In Peru kam es zu ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 305 Bei aller Heterogenität der Bewegungen, die von anarchistischen Gruppierungen über indigenistische oder hispanistische Kulturvereinigungen bis hin zu antisemitischen und fremdenfeindlichen Kampfverbänden reichten, ist ein verbindendes Merkmal erkennbar : die Betonung der Jugend. Entscheidend war dabei die Bezugnahme auf das Bild des alten und verbrauchten Europa, aus dem sich das Gegenbild der Jugend Amerikas ableiten ließ. Dies blieb keineswegs auf die symbolische Ebene beschränkt. Das Selbstbewusstsein der lateinamerikanischen Jugend drückte sich direkt in der transnationalen Studentenbewegung aus, die sich seit Anfang 1918 vom argentinischen C rdoba aus nach Peru und Chile verbreitete. Ihr ging es neben der radikalen Reform des Studienbetriebs um einen nationalen Neuanfang. Die Forderungen der Studenten waren untrennbar verbunden mit der wenn auch nur mittelbaren Erfahrung des Krieges. So berichtete der argentinische Studentenführer Anbal Ponce zehn Jahre nach C rdoba rückblickend einerseits von der prägenden Erfahrung des „Horrors der europäischen Tragödie“. Andererseits bezeichnete er den Krieg aber auch als „großen Befreier“, der seine Generation gelehrt habe, der Vergangenheit zu misstrauen.67 Mit dieser Absage an eine von europäischen Konventionen und Modellen geprägte Vergangenheit, korrespondierte die Überzeugung von der eigenen Zukunftsfähigkeit. Sie wurde mit einer Sprache beschworen, die mit Metaphern von der Opferbereitschaft der Jugend durchsetzt war und sich eng an die Rhetorik der Kriegführenden anlehnte. Im Gründungsmanifest der Studentenbewegung von 1918 hieß es: „Die Jugend ist immer bereit, sich aufzuopfern. Sie ist uneigennützig, sie ist rein. Sie hat noch keine Zeit gehabt sich zu infizieren.“68 In der Tat waren Anhänger dieser Gruppierungen bereit, ihre Visionen in Straßenkämpfen, die im letzten Kriegsjahr überall zunahmen, gewaltsam durchzusetzen. Angesichts dieser Entwicklungen trat der fiktive Charakter der Vorstellung von der monolithischen Einheit der Nation immer deutlicher zutage. Als im November 1918 die Nachricht vom Waffenstillstand in Europa in Lateinamerika bekannt wurde, gingen allerorten Menschen auf die Straßen, um das Ende des Völkermordens zu feiern.69 Die Bedeutung, die sie diesem Ereignis beimaßen, und die Handlungsorientierungen, die sie daraus ableiteten, waren allerdings höchst unterschiedlich. In der Öffentlichkeit vor allem Aufständen der indigenen Landarbeiter v. a. zwischen 1918 und 1923. Siehe dazu Jos Deustua u. Jos Luis Rnique, Intelectuales, indigenismo y descentralismo en el Perffl, 1897 – 1931, Cuzco 1984, S. 90 – 98. 67 Anbal Ponce, Hacia la democracia proletaria [1927], in: Juan Carlos Portentario (Hg.), Estudiantes y poltica en Amrica Latina, 1918 – 1938, Mexiko-Stadt 1978, S. 367. 68 Das Manifest von C rdoba [1918], in: Rama, Der lange Kampf, S. 175. 69 A victoria dos Alliados. ManifestaÅes populares. As acclamaÅes Belgica foram delirantes, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 16. 11. 1918, S. 4. Jfflbilo popular, in: La Prensa (Buenos Aires), 12. 11. 1918, S. 9. 306 Stefan Rinke der kriegführenden Länder wie Brasilien dominierten die Stimmen, die den Sieg der „Zivilisation gegen den Pangermanismus“ und der Demokratie gegen die Autokratie sowie die Zerstörung des Mythos von den unbesiegbaren Preußen bejubelten.70 Gleichzeitig meldeten selbst die Neutralen nun Forderungen zur gleichberechtigten Beteiligung an der internationalen Nachkriegsordnung an.71 Auf die Euphorie und die großen Hoffnungen sollte für Lateinamerika im Kontext der Gründung des Völkerbunds jedoch schon bald die Ernüchterung folgen, denn eine echte Gleichstellung hatten die europäischen Großmächte nicht einmal für ihre lateinamerikanischen Verbündeten vorgesehen.72 Doch nicht nur auf der diplomatischen, sondern eben auch auf vielen anderen Ebenen hatte der Krieg dazu beigetragen, Hoffnungen auf Wandel zu wecken und die Forderungen danach zu radikalisieren. Insbesondere die nationalistischen Bewegungen erhielten in vielen Ländern Auftrieb. Außerdem bewiesen die Ereignisse der „tragischen Woche” in Argentinien und die Unruhen in vielen weiteren Staaten zu Beginn des Jahres 1919, dass der Erste Weltkrieg ein Erbe der Gewalt hinterlassen hatte, dem man sich auch in Lateinamerika nicht entziehen konnte.73 Zweifellos lag der marxistische Intellektuelle Jos Carlos Maritegui aus Peru richtig, wenn er 1925 rückblickend schrieb: Der Weltkrieg hat nicht nur die Wirtschaft und die Politik des Westens verändert und erschüttert. Er hat auch sein Denken und seinen Geist verändert und erschüttert. Die wirtschaftlichen Auswirkungen […] sind nicht mehr deutlich oder wahrnehmbar als die geistigen und psychologischen Konsequenzen. Die Politiker und die Staatsmänner werden vielleicht durch Experimente eine Formel oder Methode finden, um ersteres in den Griff zu bekommen, aber sie werden sicherlich keine Theorie und Praxis finden, die ausreichend wäre, um letzteres Problem zu lösen.74 IV. Fazit Mit sicherem Gespür für die globale Tragweite des Geschehens hatten viele Beobachter in Lateinamerika die Bedeutung des Kriegsausbruchs für die eigene Wirklichkeit früh erkannt. Die Erkenntnis blieb nicht auf die Oberschichten und politisch interessierten Gruppen beschränkt, sondern verbreitete sich aufgrund der bald einsetzenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme in allen Schichten. 70 Victor Viana, A derrocada allem¼, in: Jornal do Commercio (Rio de Janeiro), 12. 11. 1918, S. 3. A derrota da Allemanha, in: ebd., S. 5. 71 Los derechos de los neutrales, in: La Uni n (Valparaso), 4. 1. 1919, S. 1. 72 Für diese Zusammenhänge siehe Thomas Fischer, Die Souveränität der Schwachen. Lateinamerika und der Völkerbund, 1920 – 1936, Stuttgart 2012. 73 Edgardo Bilsky, La semana trgica, Buenos Aires 2011, S. 99 – 112. 74 Jos Carlos Maritegui, La emoci n de nuestro tiempo [1925], in: Amauta 31. 1930, S. 4 f. Zit. n. Albert, South America and the First World War, S. 314. ipabo_66.249.69.239 Lateinamerikanische Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg 307 Zwar hatte es in der Region auch auf dem Höhepunkt der Weltmarktintegration im 19. Jahrhundert immer wieder Krisen gegeben. Nur unterschied sich die durch den Ersten Weltkrieg ausgelöste Krise in der Dauer, Intensität, in der die gesamte Region betreffenden Dimension sowie in den Reaktionen darauf von allen vorangegangenen. In den neuen Bildern von Europa und vom Krieg spiegelte sich die Unzufriedenheit über die bisherige einseitige Ausrichtung auf europäische Entwicklungsmodelle ebenso wider wie der Schrecken vor dem Rückfall in die Barbarei. Die Bilder blieben bestimmt von der Gegenüberstellung des „Wir und Europa“. Nur stand die Wertung des Vergleichs nun unter umgekehrten Vorzeichen. Der Drang zur Abgrenzung und zur Verdeutlichung der Differenz, der bereits seit der Jahrhundertwende in Ansätzen erkennbar war, rückte dadurch stärker in den Mittelpunkt. Sowohl in wirtschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht gab der Krieg Anlass zu emanzipatorischen Bestrebungen, die sich während des Konflikts oder unmittelbar nach Kriegsende bemerkbar machten. Das soll nicht heißen, dass diese Prozesse erst durch den Krieg ausgelöst wurden. Aber der Erste Weltkrieg wirkte als Katalysator. Seit längerem bestehende soziale Konfliktpotenziale verschärften sich allerorten. Die Probleme beziehungsweise die Wahrnehmung ihrer Dringlichkeit spitzten sich während des Kriegs zu und wurden in einer sich modernisierenden Presselandschaft kontrovers diskutiert. Die Diskussionen mündeten in neue soziale Bewegungen. Ihre Ausrichtung war höchst unterschiedlich, doch ähnelten sie sich in zwei Punkten: Erstens handelte es sich um transnationale Bewegungen, die nicht auf ein oder wenige Länder beschränkt blieben, sondern an vielen Orten wirkten und miteinander verflochten waren. Zweitens beanspruchten sie für sich, in Abgrenzung vom alten Europa und den in Lateinamerika herrschenden Oligarchien die Jugend zu repräsentieren und damit auch die Zukunft zu bestimmen. Nur, wie diese Zukunft ausgestaltet sein sollte und auf welchen Wegen man dorthin kommen wollte, darüber gab es unterschiedliche Ansichten. Dass die Antworten auf die Frage nach der weiteren Entwicklung Lateinamerikas in zunehmend heftigeren Kämpfen gesucht wurden, war auch eine Erbschaft des Ersten Weltkriegs, der als „Drama der gesamten Menschheit“ auch vor Lateinamerika nicht Halt gemacht hatte. Prof. Dr. Stefan Rinke, Freie Universität Berlin, Lateinamerika-Institut, Rüdesheimer Straße 54 – 56, D-14197 Berlin E-Mail: [email protected] GESCHICHTE DES ERSTEN WELTKRIEGS BEI BÖHLAU PETER MÄRZ NACH DER URKATASTROPHE DEUTSCHLAND, EUROPA UND DER ERSTE WELTKRIEG 2014. 285 S. GB. ISBN 978-3-412-22199-7 WOLFRAM DORNIK, JULIA WALLECZEK-FRITZ, STEFAN WEDRAC (HG.) FRONTWECHSEL ÖSTERREICH-UNGARNS „GROSSER KRIEG“ IM VERGLEICH 2014. 466 S. 6 GRAFIKEN. GB. ISBN 978-3-205-79477-6 NICOLA LABANCA, OSWALD ÜBEREGGER (HG.) KRIEG IN DEN ALPEN ÖSTERREICH-UNGARN UND ITALIEN IM ERSTEN WELTKRIEG (1914–1918) 2014. CA. 272 S. GB. ISBN 978-3-205-79472-1 CHRISTA HÄMMERLE HEIMAT/FRONT GESCHLECHTERGESCHICHTE/N DES ERSTEN WELTKRIEGS IN ÖSTERREICH-UNGARN 2014. 279 S. 8 S/W-ABB. FRANZ. BR. ISBN 978-3-205-79471-4 MANFRIED RAUCHENSTEINER DER ERSTE WELTKRIEG UND DAS ENDE DER HABSBURGERMONARCHIE 1914–1918 2013. 1222 S. 32 S/W-ABB. UND 2 KARTEN. GB. ISBN 978-3-205-78283-4 JEAN-PAUL BLED FRANZ FERDINAND DER EIGENSINNIGE THRONFOLGER 2013. 322 S. 18 S/W-ABB. GB. MIT SU ISBN 978-3-205-78850-8 böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar ipabo_66.249.69.239 Wolfgang U. Eckart Die Wunden heilen sehr schön Feldpostkarten aus dem Lazarett 1914–1918 Postkarten und Briefe waren für Soldaten im Ersten Weltkrieg die einzige mögliche Verbindung zur Heimat. So wurden zwischen 1914 und 1918 etwa 11 Milliarden Postsendungen an Familien und Freunde geschickt, oft auch aus dem Lazarett. Wolfgang U. Eckart Die Wunden heilen sehr schön 2013. 22 x 28 cm. 210 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen und Fotos. Kart. ¤ 29,90 ISBN 978-3-515-10459-3 Eine einmalige Sammlung von bisher unveröffentlichten Bildpostkarten aus dem Lazarett im Ersten Weltkrieg präsentiert dieses Buch. Die Motive sind vielfältig – Verwundete in Einzel- oder in Gruppenaufnahmen, mitunter gemeinsam mit Schwestern, Ärzten und Pflegern, in Zimmergemeinschaften, im Krankenbett, aber auch beim Essen und Trinken. Eindrucksvoll vermitteln die Karten bestimmte Einblicke in das Lazarettleben, das neben der Pflege und Behandlung von Kranken auch eine Art „Gemeinschaftsleben“ umfasste, vom Kartenspiel und gemeinsamen Musizieren bis hin zum LazarettTheater. Die Botschaft der Absender ist immer die gleiche: „Ich bin noch am Leben, mir geht es gut“ – auch wenn zwischen den Zeilen oft etwas anderes zu lesen war … Wolfgang U. Eckart erschließt mit diesem Bildband – er umfasst ca. 300 Abbildungen von Postkarten – eine einzigartige, bisher wenig erforschte historische Quelle in ihrer sozial- und kulturhistorischen Bedeutung. Franz Steiner Verlag Birkenwaldstr. 44 · D – 70191 Stuttgart Telefon: 0711 / 2582 – 0 · Fax: 0711 / 2582 – 390 E-Mail: [email protected] Internet: www.steiner-verlag.de 11. Ur-Krostitzer Jahresring 2014 Wahre Helden schreiben Geschichte/Aufnahme INS Staatsarchiv SISCHEß 3TAATSARCHIVß ,EIPZIGß EINEß GROEß !USWAHLß~BERNOMMENßÂ$ASßISTßEINEßTOLLE 7ERTSCHiTZUNGßF~RßUNSEREß'ESCHICHTSFOR SCHER±ßSOß7ELTER )HREß &ORSCHUNGSARBEITENß M~SSENß SICHß THEMATISCHß AUFß 3ACHSENß 3ACHSEN!N HALTß ODERß 4H~RINGENß BEZIEHENß 7ELCHESß 4HEMAß BEHANDELTß WIRDß ISTß DEMß !UTORß ~BERLASSENßÂ$IEß!RBEITENßSINDßHiU½ßGßBE EINDRUCKENDEß "EISPIELEß VONß UNEIGENN~T ZIGEMß %NGAGEMENTß F~Rß FASTß VERGESSENEß %REIGNISSEßF~Rß6EREINEßKULTURELLEß3CHiTZEß ODERßARCHITEKTONISCHßWERTVOLLEß'EBiUDE±ß SOß "RAUEREICHEFß 7OLFGANGß 7ELTERß eBERß ßß !RBEITENß HATß DIEß *URYß INß DENß LETZ TENß ZEHNß *AHRENß GESICHTETß UNDß PRiMIERTß )Mß &R~HJAHRß DIESESß *AHRESß HATß DASß 3iCH Teilnahmebedingungen !NHANDß DERß %INSENDUNGENß WERDENß 4HE MENKATEGORIENß ENTWICKELTß INß DENENß DIEß *URYß JEß EINENß 'EWINNERß BESTIMMTß !LLEß 'EWINNERßTEILENßSICHßßß%UROß$ERß'E SAMTSIEGERß ERHiLTß ßß %UROß UNDß DEN Â5R+ROSTITZERß *AHRESRINGß ±ß EINEß MASSIVßGOLDENEß.ACHBILDUNGßDESß2INGES DENß3CHWEDENKyNIGß'USTAVß))ß!DOLFßDEM +ROSTITZERß "RAUEREIMEISTERß ß ~BER REICHTEß $ERß *UGENDSONDERPREISß F~Rß 4EIL NEHMERß ABß ß *AHRENß ISTß MITß ß %URO DOTIERT JG"@GDHI>IO:G?6=G:HG>C<'%&) 'ESCHICHTSFORSCHERß JENSEITSß DERß 0ROFESSI ONßKyNNENßSICHßF~RßDENßMITTELDEUTSCHENß (ISTORIKERPREISß BISß ZUMß ß !UGUSTß ß BEWERBEN &&#JG"@GDHI>IO:G?6=G:HG>C< >CH<:H6BI*%%%:JGD<:L>CC:C 6bb^iiZaYZjihX]Zc=^hidg^`ZgegZ^h`ccZc<ZhX]^X]ih[dghX]Zg _ZchZ^ihYZgEgd[Zhh^dcb^i^]gZcl^hhZchX]V[ia^X]Zc6gWZ^iZcWZg HVX]hZc!HVX]hZc"6c]VaidYZgI]g^c\ZciZ^acZ]bZc# 7ZlZgWjc\b^i`dbeaZiiZg6gWZ^ijcYAZWZchaVj[W^h&*#6j\jhi'%&) eZgEdhiWZ^YZgGVYZWZg\Zg<gjeeZ@<!X$d@gdhi^ioZg7gVjZgZ^!7gVj" ZgZ^higVZ&'^c%)*%.@gdhi^io!eZg:"BV^aVc_V]gZhg^c\5jg"`gdhi^ioZg#YZ dYZgjciZglll#jg"`gdhi^ioZg#YZZ^cgZ^X]Zc# ipabo_66.249.69.239 Aus dem Inhalt von Heft 3-2014 Lebensraum Meer Herausgegeben von Christian Kehrt und Franziska Torma Christian Kehrt „Dem Krill auf der Spur“. Antarktisches Wissensregime und globale Ressourcenkonflikte in den 1970er Jahren Ariane Tanner Utopien aus Biomasse. Plankton als wissenschaftliches und gesellschaftspolitisches Projektionsobjekt Franziska Torma Lebende Ressourcen und symbolisches Kapital. Westdeutsche Fischereiexperten am Golf von Thailand (1959–1974) Sabine Höhler Die Weltmeere. Science und Fiction des Unerschöpflichen in Zeiten neuer Wachstumsgrenzen