Chancen und Risiken einer Kapitalverkehrsliberalisierung

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Dialog-Diskussionsbeitrag
Nr. 4
September 2006
Chancen und Risiken einer
Kapitalverkehrsliberalisierung in
Schwellenländern
Maya Schmaljohann
Hanns Martin Schleyer-Stiftung
Beiträge zum Dialogseminar in Blaubeuren
Chancen und Risiken einer Kapitalverkehrsliberalisierung in Schwellenländern
1. Einleitung
Seit Ende der 1980er Jahre wurde in einer großen Zahl von Entwicklungs- und Schwellenländer der Kapitalverkehr liberalisiert (s. Abb. 1), d.h. „Transaktionsverbote des Kapitalverkehrs innerhalb der Zahlungsbilanz“ (Internationaler Währungsfond 1998, S. 2)
aufgehoben. Mit der Liberalisierung ist ein starker Kapitalzufluss (s. Abb. 2),
insbesondere an Direktinvestitionen, in die Schwellenländer einhergegangen. Dies hat
vor allem auf das Wirtschaftswachstum der Ländern einen positiven Einfluss. Die
Krisen der 1990er Jahre in Asien und Lateinamerika haben aber gezeigt, dass auch
erhebliche Risiken mit einer Liberalisierung des Kapitalverkehrs verbunden sind. Im
Folgenden werden die Chancen und Risiken einer Kapitalverkehrsliberalisierung
theoretisch und empirisch aufgezeigt. Dabei wird deutlich, dass die Risiken einer Liberalisierung insbesondere in den institutionellen und informellen Schwächen der Märkte
in Schwellenländern begründet liegen.
2. Messung von Kapitalverkehrsliberalisierung
Zur Messung von Kapitalverkehrsliberalisierung wird zwischen qualitativen und
quantitativen Maßzahlen unterschieden.
Qualitative Indikatoren bestimmen unter Betrachtung der rechtlichen Grundlagen, ob
der Kapitalverkehr eines Landes liberalisiert ist. Hierzu werden meist die Angaben im
seit 1950 jährlich vom Internationalen Währungsfond (IWF) veröffentlichten „Annual
Report on Exchange Arrangements and Exchange Restrictions“ (AREAER), verwendet.
Vorwiegend nutzt man diese Angaben, um den Anteil liberalisierter Jahre in einem Beobachtungszeitraum anzugeben. Ein von Quinn (1997) entwickelter Indikator enthält
neben der Anteilsmessung auch eine Intensitätsmessung der Kontrollen. Der Indikator
ist für 21 OECD Länder in den Jahren 1950-1997 und für 43 nicht OECD Länder für die
Jahre 1958, 1973, 1982 und 1988 vorhanden.
Quantitative Indikatoren treffen Aussagen über die Liberalisierung anhand ökonomischer Daten. Indikatoren für finanzielle Offenheit sind häufig die Höhe der Portfolio- und
Direktinvestitionen und der Verbindlichkeiten relativ zum Bruttoinlandsprodukt (vgl.
Mildner und Decker 2004, S. 11).
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3. Chancen der Kapitalverkehrsliberalisierung
3.1 Theoretische Überlegungen
Im Zusammenhang mit Kapitalverkehrsliberalisierung werden als Chancen meist Konsumglättung, Risikostreuung, Technologietransfer, steigende Investitionen, makroökonomische Stabilität sowie ein effizienteres Finanz- und Bankensystem genannt. Diese
Entwicklungen besitzen einen direkten oder indirekten positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum, welches als Hauptchance der Kapitalverkehrsliberalisierung gesehen
wird.
3.1.1. Konsumglättung
Eine Kapitalverkehrsliberalisierung eröffnet Haushalten die Möglichkeit sich in konjunkturell schlechten Zeiten Kapital im Ausland zu leihen und in guten Zeiten Kapital
an das Ausland zu verleihen. Dies ergibt sich durch potentiell gegenläufige Konjunkturzyklen. Eine Rezession in Land A kann einhergehen mit einer Boomphase in Land B.
Kapitalverkehrsliberalisierung ermöglicht ein abmildern von Konjunkturzyklen, indem
in Zeiten einer Rezession durch ausländisches Kapital die inländische Nachfrage
gestützt und somit ein weiteres Absinken von Produktion und Einkommen vermieden
wird (vgl. IWF 1998).
3.1.2. Risikostreuung
Kapitalverkehrsliberalisierung ermöglicht durch Kapitalexporte, Kapital in anderen
Ländern anzulegen. Durch die unterschiedlichen Einflüsse und Entwicklungen in verschiedenen Ländern kann so das Risiko gestreut werden. Unternehmen können sich
gegen Kosten- und Produktivitätsschocks schützen, indem sie in Sektoren verschiedener
Ländern investieren, deren Schocks unkorreliert sind (vgl. IWF 1998). Von besonderer
Bedeutung ist diese Form der Portfoliodiversifikation im Bankensektor, um eine
Vernichtung des Gesamtkapitals durch eine im Inland ausgelöste Krise zu vermeiden.
Die Streuung der Investitionen führt zu sichereren Erträge, die durch inländisches
Sparen und Investieren das Wirtschaftswachstum fördern.
3.1.3. Investitionsanstieg
Freier Kapitalverkehr führt zu einer optimalen Ressourcenallokation. Kapital fließt in
die Länder, in denen der Grenzertrag des Kapitals am höchsten ist. Aufgrund der niedrigen Kapitalausstattung von Schwellenländern ist die Rendite hier besonders hoch. Dies
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führt zu einem erhöhten Kapitalzufluss. Durch dieses „neue“ Kapital können lohnende
Investitionen getätigt werden, die zuvor aufgrund der niedrigen Kapitalausstattung nicht
möglich waren (vgl. Institut für Weltwirtschaft Kiel, 2000). So werden neue
Produktionspotentiale geschaffen, welche das Wachstum fördern.
3.1.4. Technologietransfer
Insbesondere durch ausländische Direktinvestitionen kommt es zu Know-how Import.
„Multinationale Firmen gehören zu den technologisch fortschrittlichsten Firmen und
machen einen Großteil der weltweiten Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten aus“
(Boerzenstein et al. 1998, S. 116). Durch die Niederlassung dieser bzw. den Aufbau
neuer Firmen in Schwellenländern kommt es zu Technologietransfer. Die inländischen
Firmen stehen
im Wettbewerb mit den fortschrittlichen Firmen oder agieren als
Zulieferer für sie. Dadurch kommt es schnell zur Adaption des Know-hows durch
inländische Firmen. Direktinvestitionen ausländischer Firmen zählen daher zu den
Hauptformen der Wissensverbreitung in Entwicklungs- und Schwellenländern (vgl.
Boerzenstein et al. 1998, S. 133). Durch die Verbreitung des Wissens und der
Technologien sind Effizienzgewinne und Produktivitätssteigerungen zu erwarten. Nach
der neoklassischen Wachstumstheorie führt allein technologischer Fortschritt zu einer
Erhöhung des Wachstumspfades einer Volkswirtschaft (vgl. Solow, 1956).
3.1.5. Makroökonomische Stabilität
Die Öffnung eines Landes für den internationalen Kapitalverkehr bedeutet gleichzeitig,
dass es sich dem internationalen Wettbewerb aussetzt. Durch den Wettbewerbsdruck
und die Notwendigkeit, Investoren Planungssicherheit und Vertrauen zu geben entsteht
der Zwang die politischen Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten. Innerhalb
des internationalen Kapitalmarkts wird „schlechte“ Wirtschaftspolitik durch den
Abfluss von Kapital bestraft, wohingegen eine stabile und „gute“ Politik mit verstärkten
Investitionen belohnt wird. Die beschriebenen Sanktionsmechanismen geben den
Ländern einen Anreiz eine „...nachhaltige Wirtschaftspolitik zu verfolgen, ihren
Bankensektor
zu
stabilisieren,
einen
angemessenen
ordnungspolitischen
und
aufsichtsrechtlichen Rahmen zu schaffen und gute Regierungstätigkeit zu verfolgen“
(Mildner und Decker, 2004, S. 10).
3.1.6. Effizienteres Finanz- und Bankensystem
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Durch Kapitalzuflüsse nach einer Kapitalverkehrsliberalisierung kann es zum „Import“
eines neuen Finanzsystems kommen, wenn sich beispielsweise ausländische Banken im
Finanzsektor ansiedeln und ihr Wissen dadurch in den Finanzmarkt einbringen. Das
überlegene Risikomanagement der ausländischen Banken sowie bessere Vorkehrungen
zur Ermittlung „schlechter“ Anleihen werden von heimischen Banken übernommen und
senken so interne Risiken. Durch eine Verankerung des Wissens im heimischen Finanzsektor sowie durch erhöhten Wettbewerbsdruck durch die Öffnung des Kapitalmarktes
wird sich ein stabileres Finanzsystem entwickeln (vgl. Moreno und Villar, 2005).
Ein gut funktionierendes Finanzsystem stellt Märkte zum Leihen und Verleihen bereit.
Diese verringern Transaktionskosten und Informationsasymmetrien, mobilisieren
Ersparnisse, gewährleisten eine effiziente Ressourcenallokation und vereinfachen das
Risikomanagement und den Handel mit Dienstleistungen und Gütern (vgl. Klein und
Olivei, 1999, S. 1).
3.2 Empirische Befunde
3.2.1. Technologietransfer
Boerzenstein und Lee (1998) untersuchen in einer Studie den Zusammenhang von ausländischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum. Sie kommen zu dem Schluss,
dass die höhere Effizienz von Direktinvestitionen auf bessere Managementkenntnisse
und Technologien zurück zuführen sei. Direktinvestitionen könnten damit der Hauptweg für die Verbreitung von neuen Technologien in Entwicklungsländern sein.
3.2.2. Makroökonomische Stabilität
Eine Studie von Kaminsky und Schmuckler (2003) belegt, dass Schwellenländer zunächst anfälliger für Krisen sind, sich langfristig die Finanzzyklen aber glätten. Das
Ausmaß von Boomphasen reduziert sich um 30% im Vergleich zur Zeit vor der
Liberalisierung. Rezessionen treten ebenfalls seltener auf. Grund für diese Entwicklung
scheint die Entstehung eines besseren Institutionellen Rahmens zu sein. Kaminsky und
Schmuckler (2003) zeigen, dass in den meisten Ländern die Qualität der Institutionen
erst
nach
der
Liberalisierung
steigt,
was
an
steigenden
Anreizen,
die
Rahmenbedingungen für Investoren zu verbessern, liege.
Eine positive Entwicklung hinsichtlich der makroökonomischen Stabilität stellen auch
Tytell und Wei (2004) fest.
Sie kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass
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Liberalisierung Länder dazu anhält, eine striktere Inflationspolitik zu betreiben. Verbesserungen in der Budgetpolitik lassen sich hingegen nicht nachweisen.
3.2.3. Effizienzsteigerungen im Finanz- und Bankensystem
Goldberg, Dages und Kinney (2000) untersuchen die Partizipation ausländischer und
heimischer Banken, basierend auf Daten aus Mexiko und Argentinien. Sie zeigen, dass
ausländische Banken aufgrund eines höheren Anleihenwachstums bei geringerer Volatilität für eine größere Stabilität im Finanzsystem gesorgt haben.
Effizienzsteigerungen im Bankensektor sowie eine Nachfrage nach verbesserten
Kontrollmechanismen durch die Integration und den Wissenstransfer ausländischer
Banken wurde auch für Ostasien festgestellt (vgl. Coppel und Davies, 2003).
3.2.4. Wirtschaftswachstum
Ein umfassender Bestand empirischer Untersuchungen befasst sich mit dem Zusammenhang von Kapitalverkehrsliberalisierung und Wirtschaftswachstum. Die Ergebnisse sind
jedoch sehr uneinheitlich. Quinn (1997) erhält ein signifikant positives Ergebnis für den
Zusammenhang von Liberalisierung und Wirtschaftswachstum. Häufig werden positive
Entwicklungen aber nur bei einer bestimmten Abfolge („Sequencing“) der
Liberalisierung sowie makroökonomischen Stabilitätsvoraussetzungen festgestellt.
Arteta, Eichengreen und Wyplosz (2001) ermittelten einen signifikant positiven Einfluss
von Kapitalverkehrsliberalisierung auf das Wachstum unter der Bedingung, dass zuvor
Handelsverzerrungen und makroökonomische Ungleichgewichte abgebaut wurden.
Einen positiven Wachstumseffekt durch die Öffnung des Kapitalmarktes stellt Edwards
(2001) für Länder fest, die bereits ein gewisses Niveau des Bruttoinlandsproduktes
(BIP) erreicht haben. Bei einem geringen BIP kann die Öffnung hingegen negative
Folgen haben.
Der Zusammenhang von ausländischen Direktinvestitionen und Wirtschaftswachstum
wurde von Boerzenstein und Lee (1998) untersucht. Danach ergibt sich ein positiver
Zusammenhang, wenn der Bestand an Humankapital ein bestimmtes Mindestmaß
erreicht. Die Autoren führen dies auf notwendige Fähigkeiten, um Effizienzgewinne
durch neue Technologien generieren zu können, zurück.
Rodrick (1998) und Kraay (1998) erhalten hingegen kein signifikantes Ergebnis für den
Zusammenhang zwischen der Öffnung des Finanzmarktes und Wirtschaftswachstum.
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4. Risiken der Kapitalverkehrsliberalisierung
4.1 Theoretische Überlegungen
Neben den angeführten Chancen einer Kapitalverkehrsliberalisierung bestehen auch erhebliche Risiken, insbesondere in Bezug auf die Krisenanfälligkeit der Länder. Die Risiken sind vor allem auf die Rahmenbedingungen und das Problem der asymmetrischen
Informationsverteilung in Schwellenländern zurückzuführen.
4.1.1. Pro-zyklische Kapitalflüsse
Kurzfristige Kapitalimporte in Schwellenländer erfolgen häufig pro-zyklisch (vgl. Kaminsky, Reinhart und Végh, 2004). Dies birgt das Risiko, dass Konjunkturzyklen verstärkt werden. In konjunkturell guten Zeiten kommt es zu Kapitalzuflüssen, die die
Nachfrage und die Investitionstätigkeit verstärken. Dadurch steigt die Gefahr des
„Überhitzens“ der Wirtschaft und einem daraus folgenden Inflationsanstieg. In
konjunkturell schlechten Phasen kommt es hingegen zu einem Abfluss von Kapital.
Dies schränkt die Inlandsnachfrage und Investitionstätigkeit weiter ein und hat eine
Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation zur Folge.
Ein weiteres Problem entsteht bei einer Verwendung der Kapitalzuflüsse zur Finanzierung höheren Konsums in der Gegenwart. Dies kann zur späteren Zahlungsunfähigkeit
führen, insbesondere wenn die Kapitalimporte mit einer erhöhten Verschuldung
verbunden sind (vgl. Institut für Weltwirtschaft, 2000).
4.1.2. Makroökonomische Instabilität
Starke Kapitalzuflüsse können zu Aufwertungsdruck der heimischen Währung, Inflationsdruck und Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits führen (Agénor, 2001, S. 13f.).
Steigende Kapitalzuflüsse verursachen einen Aufwertungsdruck der Währung, die eine
Verschlechterung der Exportsituation des Landes zur Folge hat. Die Zentralbank
versucht dies, wie in einem Festkurssystem, häufig durch den Aufkauf ausländischer
Devisen zu verhindern. Es kommt zur Ausweitung des Zentralbankgeldes, was eine
steigende Inflation nach sich zieht. Um dies zu verhindern, muss die Zentralbank den
heimischen Kreditmarkt beschränken, beispielsweise durch höhere Reserveauflagen für
die Geschäftsbanken. Ein Anstieg der Zinsen ist die Folge. Dieser führt jedoch zu einer
steigenden Attraktivität heimischer Anlagen für ausländische Investoren und damit zu
einer Verlängerung des Kapitalzuflusses (vgl. Frankel und Okongwu, 1995).
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4.1.3. Fehlallokation
Zur Fehlallokation des Kapitals kann es insbesondere aufgrund von Informationsasymmetrien kommen. Informationsasymmetrie hat verschiedene Effekte zur Folge, wie:
„adverse selection“, „moral hazard“ und „Herdenverhalten“. „Adverse selection“ und
„moral hazard“ führen zu dem Problem der Fehlallokation, während der
„Herdenverhalten“ vor allem das Risiko einer Währungskrise erhöht.
„Adverse selection“ bezieht sich auf fehlende Informationen über die Bonität der
Kreditnehmer. „Gute“ Kreditnehmer zahlen eine (relativ zu ihrer Bonität) hohe Risikoprämie, „schlechte“ Kreditnehmer hingegen eine in Anbetracht ihrer Bonität niedrige Prämie. Dadurch werden die „guten“ Kreditnehmer aus dem Markt ausscheiden und
das Kapital vor allem den Kreditnehmern mit geringerer Bonität zu kommen.
„Moral hazard“ wird durch fehlende Informationen über das Verhalten des Kreditnehmers sowie schwache Banken (i.S. der Kapitalausstattung) und nachlässige Aufsichtsbehörden in Schwellenländern bedingt. Durch diese Systemschwächen besteht die Gefahr,
dass Kreditnehmer nach Abschluss des Kreditvertrages ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigen und in riskante Projekte investieren (vgl. Agénor, 2001, S.).
4.1.4. Risiken durch ausländische Banken
Die Integration ausländischer Banken kann zu einer Verschlechterung der Kreditvergabe und zu einer Fusionswelle führen. Es besteht das Risiko, dass ausländische Banken
eine an den großen und sicheren Kreditnehmern orientierte Kreditvergabepolitik betreiben. Ein Absinken der Kredite für kleine Firmen, was einen negativen Effekt auf Produktion, Beschäftigung und Einkommensverteilung hätte, wäre die Folge (vgl. Agénor
2001).
Nach Agénor (2001) liegt ein weiteres Problem ausländischer Banken darin, dass sie
aufgrund geringerer operationaler Kosten einen Vorteil gegenüber heimischen Banken
haben, den diese versuchen durch Fusionen auszugleichen. Verstärkte Zusammenschlüsse von Banken bergen aber in Ländern mit einer mangelhaften Bankenaufsicht die
Gefahr des „moral hazard“. Die Banken verlassen sich darauf, dass der Staat aufgrund
ihrer Größe im Falle einer drohenden Insolvenz Liquiditätshilfen bereitstellt, um eine
Bankenkrise abzuwenden. Da sie so einen Bankrott nicht zu fürchten haben, investieren
Banken in risikoreiche Projekte.
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Eine weitere Gefahr ist, dass ausländischen Banken in Krisenzeiten abwandern und den
heimischen, „unerfahreneren“ und kapitalärmeren Banken den Finanzmarkt überlassen.
Ausländische Banken bergen zudem das Risiko, Schocks in das Land tragen, welche
sich im Heimatmarkt der Mutterbank abspielen.
4.1.5. Währungskrisen
Die Gefahr einer Währungskrise ist das am häufigsten im Zusammenhang mit Kapitalverkehrsliberalisierung genannte Risiko. Es entsteht vor allem durch das Zusammenspiel von schwacher Finanzkontrolle und dem Verhalten der Investoren aufgrund asymmetrischer Informationen, dem „Herding“ oder „Herdentrieb“.
Fehlende Informationen führen dazu, dass Investoren in ihrem Verhalten anderen,
scheinbar besser informierten Investoren folgen. Das sog. „Herding“ hat einen starken
Kapitalzufluss in einen Sektor zur Folge, wodurch eine Investitionsblase entstehen
kann (z.B. im Zuge der Asienkrise). Sobald einige Investoren ihr Kapital aufgrund
negativer Erwartungen zurückziehen, folgt die Mehrheit der anderen Investoren. Dieses
panikartige Verhalten hat einen Verfall der Vermögenswerte und der Währung zur
Folge. Ist die Finanzaufsicht zudem mangelhaft, besteht die Gefahr, dass dem
investierten Kapital nicht genügend Reserven gegenüber stehen und ein rascher
Kapitalabzug zur Insolvenz von Intermediären führt.
Ein weiterer Grund für Währungskrisen ist der Aufbau eines Kapitalbilanzdefizits und
dessen mögliche Folgen bei einer Abwertung der Währung. Um die geringere Stabilität
der heimischen Währung auszugleichen, herrscht in Schwellenländern meist ein höherer
Zinssatz (vgl. Metzger, 2001, S. 89). Durch die höhere Verzinsung und den häufig
fixierten Wechselkurs angelockt, investieren ausländische Kapitalgeber kurzfristig in
Schwellenländer und können so erhebliche Zinsgewinne erwirtschaften. Durch den
Zufluss ausländischen Kapitals entsteht ein Kapitalbilanzdefizit. Zudem gerät die
Währung unter Aufwertungsdruck, was die Zentralbank durch eine Sterilisationspolitik
(siehe 3.2.1) versucht zu verhindert. Kommt es aufgrund der hohen Auslandsverschuldung oder anderer Gründe zu einem Vertrauensverlust der ausländischen Anleger in die
Währung, ziehen sie ihr Kapital ab und die Währung wertet ab. Da die Verschuldung
der Länder überwiegend in Fremdwährung erfolgt, erhöht sich so die Schuldenlast
massiv. Diese Verschuldungsfalle wird noch verstärkt durch die Kreditaufnahme heimischer Banken und Unternehmer im Ausland, welche angetrieben werden durch
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niedrigere, ausländische Zinssätze. Aufgrund mangelhafter Bankenaufsicht und Kontrollen, kann es zu einer nicht nachhaltigen Kreditaufnahme der Banken kommen. Ein
Anstieg der Schulden, der durch den Wertverlust der Währung verursacht wird, kann
zur Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen und Banken führen und so neben der
Währungs- auch eine Finanzkrise auslösen (vgl. Bofinger, 2001).
4.2. Empirische Befunde
4.2.1. Pro-zyklische Kapitalflüsse
Kaminsky, Reinhart und Végh (2004), untersuchen die Struktur von Kapitalflüssen sowie die Fiskal- und Geldpolitik in 105 Ländern. Sie stellen fest, dass besonders in
Schwellenländern die Kapitalflüsse positiv miteinander korreliert sind. In guten Zeiten
kommt es also sowohl zu mehr Kapitalimporten als auch einer expansive Fiskal- und
Geldpolitik. Aus Sicht der Autoren trägt dies zur Erklärung der häufigen Finanzkrisen
sowie der Volatilität und Ausgeprägtheit der Konjunkturzyklen in Schwellenländern
bei.
4.2.2. Makroökonomische Instabilität
Calvo, Leiderman und Reinhart (1996) untersuchten Kapitalzuflüsse und die resultierenden makroökonomischen Effekte in Lateinamerika und Asien. Kapitalzuflüsse führen
demnach in den meisten Ländern zu einer Geldmengenausweitung. In den Ländern
Lateinamerikas kam es zudem zu einer starken Währungsaufwertung.
4.2.3. Fehlallokation
Nach Krugman (1998) war ein Hauptgrund der Asienkrise die Fehlallokation von
Geldern aufgrund von „moral hazard“. In den 1990er Jahren wurden in vielen Staaten
indirekt staatliche Garantien für Finanzinstitute gewährleistet. Durch diese staatliche
Absicherung in Verbindung mit einer schwachen Bankenaufsicht wurden viele Gelder
in risikoreiche Anlagen investiert. Dies führte zu einer großen Zahl notleidender Kredite
und dadurch zu einer Belastung der Banken.
4.2.4. Risiken durch ausländische Banken
Eine Studie zum Verhalten ausländischer Banken in Malaysia von Detragiache und
Gupta (2004) zeigt, dass ausländische Banken, im Anschluss an die Krise 1997/98, das
Land trotz (im Vergleich zu heimischen Banken) geringerer Unterstützung durch die
Regierung nicht verließen.
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In Korea hingegen nutzten ausländische Banken ihre Sachkenntnisse und Ressourcen,
um heimischen Banken Kreditnehmer von hoher Bonität abzuwerben und ihnen lediglich riskante Kreditnehmer zu überlassen (vgl. Kim und Lee, 2003).
4.2.5. Banken- und Währungskrisen
Eichengreen und Arteta (2000) zeigen, dass Kapitalverkehrsliberalisierung in
Verbindung mit schwachen Institutionen das Risiko einer Bankenkrise erhöht. Zu
diesem Ergebnis kommen auch Demirgüç-Kunt und Detragiache (1998).
Nach einer Studie von Glick, Guo und Hutchison (2004) ist hingegen die Gefahr einer
Währungskrise in Ländern mit Kapitalkontrollen höher als in einem Land, welches seinen Kapitalverkehr liberalisiert hat.
5. Fazit
Es ist deutlich geworden, dass Kapitalverkehrsliberalisierung viele Chancen für die Entwicklung und das Wachstum einer Volkswirtschaft bietet. In der Theorie wird von
transparenten Märkten und vollkommenen Informationen ausgegangen, weshalb eine
optimale Ressourcenallokation durch Liberalisierung stattfindet. Gerade in Schwellenländern ist jedoch der institutionelle Rahmen schwach und es herrscht Informationsasymmetrie. Durch diese Unvollkommenheiten birgt eine Kapitalverkehrsliberalisierung
schwerwiegende Risiken für Schwellenländer und die Weltwirtschaft. Um diese Risiken
zu minimieren, sollte einer Liberalisierung ein entsprechender Umbau des
institutionellen Rahmens vorangehen. In Studien, die sich mit dem Thema des
optimalen
„Sequencing“
makroökonomischer
beschäftigen,
Stabilität,
wird
funktionierender
häufig
die
Wichtigkeit
Finanzaufsicht
sowie
schrittweisen Öffnung, vor allem in Bezug auf kurzfristige Kapitalströme, betont.
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von
einer
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7. Anhang
Abbildung 1: Liberalisierung der Kapitalbilanz
Quelle: Kaminsky und Schmuckler 2003, eigene Darstellung.
Abbildung 2: Kapitalflüsse in Schwellenländer
Quelle: Bosworth und Collins 1999.
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