Spannungsoptik für Implantatoptimierung

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DEUTSCHE
GESELLSCHAFT FÜR
ZERSTÖRUNGSFREIE
PRÜFUNG E.V.
ZfP-Sonderpreis der DGZfP beim Landeswettbewerb Jugend forscht
MECKLENBURG-VORPOMMERN
Spannungsoptik in der
Medizin
Fabian Collin
Arne Röhner
Vincent Stirnweiß
Schule:
Innerstädtisches Gymnasium
Rostock
Jugend forscht 2016
Spannungsoptik für
Implantatoptimierung
Vincent Stirnweiß (18)
Arne Röhner (17)
Fabian Collin (18)
Innerstädtisches Gymnasium
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
Fachgebiet: Physik
Betreuer:
Peter Schmedemann
2016
PD Dr.-Ing. habil.
Mareike Warkentin
Überarbeitung Bundeswettbewerb 05/2016 Paderborn
Kurzfassung
Die Implantation von Minischrauben in den Kiefer ist ein traumatischer Eingriff, durch den
mechanische Spannungen in den Kiefer eingebracht werden. Dies kann bis zum Absterben
des Knochens (Drucknekrosen) oder Verlust der Primärstabilität der Schrauben führen.
Daher sollte mit diesem Projekt eine Methode entwickelt werden, mit der die Spannungen,
die eine Schraube beim Einschrauben erzeugt, untersucht werden können. Die ermittelten
Ergebnisse sollen dazu dienen, Aussagen über eine Designoptimierung von
kieferorthopädischen Minischrauben zu treffen.
Um das Phänomen der Spannungsoptik nutzen zu können, wurden vier Arten Minischrauben
in Plexiglas-Blöcke geschraubt. Die Spannungen, die die Schraube erzeugte, wurden mithilfe
von monochromatischem, polarisiertem Licht mikroskopisch dokumentiert, anschließend
ausgewertet, berechnet und mit dem Schraubendesign in Kontext gebracht. Für die
Berechnung wurde außerdem die spannungsoptische Konstante unter Verwendung des
Verfahrens der Vierpunktbiegung für das Testmaterial ermittelt.
Die statistische Auswertung ergab, dass die Designparameter der Schraube in direktem
Zusammenhang zu den von ihr erzeugten Materialspannungen stehen, denn folgende
Aussagen können getroffen werden:




je länger das Gewinde ist, desto größer sind die Spannungen,
je größer der Außendurchmesser ist, desto größer sind die Spannungen,
je geringer der Flankenwinkel ist, desto größer sind die Spannungen,
je größer die Gewindesteigung ist, desto größer sind die Spannungen.
Das Projekt leistet einen wesentlichen Beitrag zu der Entwicklung von belastungsoptimierten
Minischrauben, da es den Jungforschern gelungen ist, eine Methode zu entwickeln, mit der
die von der Schraube verursachten mechanischen Spannungen im Material mit sehr hoher
Auflösung dargestellt werden können.
Als Unterstützung stand uns der Lehrstuhl Werkstoffe für die Medizintechnik der Universität
Rostock mit Rat und Tat zur Seite.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ..........................................................................................................................1
2. Physikalische Grundlagen der Spannungsoptik ...........................................................2
3. Material und Methode .....................................................................................................3
3.1 Auswahl des Modellwerkstoffes ...............................................................................3
3.2 Bestimmung der spannungsoptischen Konstante ..................................................4
3.3 Verwendete Schraubenarten....................................................................................5
3.4 Präparation der Messproben ....................................................................................6
3.5 Ermittlung der Hauptspannungen an den Schrauben ............................................9
3.6 Dokumentation und Auswertung ............................................................................10
4. Ergebnisse .....................................................................................................................11
4.1 Spannungsoptische Konstante ..............................................................................11
4.2 Vergleich der Spannungen der vier Schraubenarten untereinander ..................11
4.3 Zusammenhang zwischen Schraubengeometrie und Spannung .......................12
4.4 Vergleich der Drehmomente der vier Schraubenarten untereinander ...............12
4.5 Zusammenhang zwischen Schraubengeometrie und Drehmoment ..................13
4.6 Zusammenhang zwischen Drehmoment und Spannung.....................................13
5. Diskussion ......................................................................................................................13
6. Zusammenfassung und Fazit .......................................................................................15
Literaturverzeichnis............................................................................................................16
Danksagung .......................................................................................................................17
Eidesstattliche Erklärung...................................................................................................17
1
1. Einleitung
Aktuell werden immer häufiger Minischrauben bei kieferorthopädischen Therapien
eingesetzt. Kieferorthopädische Minischrauben sind temporäre, skelettale Verankerungssysteme, meist aus Titan bzw. Titanlegierungen, welche es in unterschiedlichen Längen und
Durchmessern sowie mit verschiedenen Gewindearten und Schraubenkopfausführungen gibt
[3]. Bestimmte Behandlungsmethoden, wie beispielsweise die selektive Zahnbewegung
(Abb. 1), werden durch die Minischrauben erst möglich, mit dem Vorteil, dass die anderen
Zähne nicht belastet werden. Außerdem haben die kieferorthopädischen Minischrauben
einen hohen Tragekomfort und stören kaum im Alltag, da sie sehr klein sind [10].
Abbildung 1: Beispiel für eine selektive Zahnbewegung [5]
Allerdings ist auch die Verwendung von Minischrauben nicht frei von Problemen und
Risiken. So kommt es immer wieder zu Komplikationen beim Einschrauben oder zu
Fehlfunktionen der Minischrauben, da diese häufig brechen. Dementsprechend muss dort
der Knochen inklusive gebrochener Minischraube entfernt werden. Daraus folgen nicht nur
die damit verbundenen Kosten der Explantation und Neuimplantation, sondern es wirkt sich
auch negativ auf den Patientenkomfort aus. Treten zu hohe Belastungen auf, kommt es
häufig auch zu Drucknekrosen, das heißt zum Absterben des Knochens [8, 19]. Eine Studie
aus dem Jahr 2012 ermittelte eine Gesamtverlustrate von 10,1% und schlussfolgerte, dass
Minischrauben grundsätzlich für eine stationäre Verankerung geeignet sein, jedoch noch
Forschungsbedarf bestehe [12]. Die Hauptursache für diese Komplikationen sind
mechanische Spannungen, welche beim Einschrauben der Minischrauben im Knochen
entstehen [4, 10]. Aber auch bakterielle Infektionen und die damit verbundene mangelnde
Primärstabilität können zum Verlust der Minischrauben führen.
Der Knochen ist ein dynamisches Hartgewebe. Sein Aufbau kann sich verschiedenen
Belastungen, wie beispielsweise Zug und Druck, anpassen (Wolff'sches Gesetz). Im Inneren
des Knochens befindet sich die Spongiosa. Diese besteht aus Knochenbälkchen (Trabekel),
welche ein grobporiges Geflecht bilden und das Stützsystem darstellen. Dabei sind die
Knochenbälkchen entlang der biomechanischen Hauptspannungsrichtung ausgerichtet. Die
äußere, härtere Schicht ist die Kortikalis, die aus dichtgepackten Knochenlamellen besteht.
Außerdem ist der Knochen von einer dünnen Gewebeschicht, dem
Periost, überzogen, welche den Knochen mit Nährstoffen versorgt
und bei Beschädigung des Knochens eine regenerative Funktion hat.
Im Kiefer liegt über dem Periost die Schleimhaut bzw. die Gingiva,
auch Zahnfleisch genannt [4]. Da die Minischraube in alle Schichten
des Kieferknochens eindringt (Abb. 2), sollte sie an den komplexen
Aufbau eines Knochens angepasst sein. Eine Hypothese ist, dass
das Schraubendesign einen wesentlichen Einfluss auf die im
Knochen entstehenden Spannungen hat.
Die Aufgabenstellung dieses „Jugend forscht″-Projektes besteht
darin, die mögliche Korrelation zwischen den auftretenden
Spannungen und dem Schraubendesign mithilfe der Spannungsoptik
zu untersuchen. Das Projekt leistet einen wesentlichen Beitrag zu der
Entwicklung einer neuen Minischraube mit verbessertem Design,
welches möglichst geringe Spannungen im Knochen erzeugt.
Abbildung 2: Minischraube
in Kieferknochen [6]
2
2. Physikalische Grundlagen der Spannungsoptik
Um mechanische Spannungen in einem transparenten Körper sichtbar zu machen, muss
man ihn in polarisiertem Licht betrachten. Der in Abbildung 4 dargestellte Aufbau zeigt eine
Apparatur, bestehend aus einer Lichtquelle, einem Polarisationsfilter P, dem
spannungsoptisch aktiven Medium der Dicke x und einem Analysator A (zweiter Polfilter), die
Spannungen innerhalb des Probenkörpers erkennbar macht.
Nur aufgrund der Tatsache, dass Licht eine Transversalwelle
mit verschiedenen Schwingungsrichtungen ist, kann man es
polarisieren. Durchdringt normales Licht, welches nahezu alle
Schwingungsrichtungen beinhaltet, einen Polfilter, so wird nur
genau eine Richtung der Amplitude durchgelassen. Hinter
dem Polfilter ist linearpolarisiertes Licht entstanden. Der
zweite Polfilter, auch Analysator genannt, analysiert den
Polarisationswinkel. Sind die Richtungen der Filter zueinander
gekreuzt (α = 90°), kann kein Licht den Analysator passieren. Abbildung 3: Analysator A
Diesen Zustand nennt man Dunkelfeld (Abb. 3). Sind die zum Polarisator P um 90°
Richtungen zueinander parallel (α = 0°), wird ein Hellfeld gedreht (Dunkelfeld) [11]
erzeugt [11].
Plexiglas an sich ist ein isotropes Material, denn durch die gleichmäßige Struktur wird das
Licht in allen Raumrichtungen gleich gebrochen. Durch das Inserieren einer Minischraube
wird mechanische Spannung in den Körper induziert und das Plexiglas verändert sich zu
einem anisotropen Material, da durch Zug- und Druckkräfte die Atome auseinander gezogen
bzw. verdichtet werden.
Die anisotrope Dichtevariation führt zu einer Richtungsabhängigkeit der Phasengeschwindigkeit des Lichtes. Der Grund dafür ist, dass das elektromagnetische Feld des
Lichtstrahles wegen der variierenden Dichte unterschiedlich stark in Wechselwirkung mit den
Atomen tritt. Die Brechzahl n ist ein Maß dafür, wie schnell sich das Licht in dem Medium im
Vergleich zur Vakuumlichtgeschwindigkeit ausbreitet [9].
Aufgrund der richtungsabhängigen Brechungszahlen findet in anisotropen Materialien
Doppelbrechung statt. Hierbei wird ein Lichtstrahl (Schwingungsebene des elektrischen
Feldes E) in der Probenplatte (Abb. 4) in zwei senkrecht zueinander polarisierte Teilstrahlen
geteilt. Zum einen in den ordentlichen Strahl (E1), der dem Brechungsgesetz Folge leistet
und zum anderen in den außerordentlichen Strahl (E2), für den das Snellius'sche
Brechungsgesetz zunächst nicht gilt und der dementsprechend anders gebrochen wird [11].
Durch
die
unterschiedliche
Phasengeschwindigkeit
weisen
ordentlicher
und
außerordentlicher Strahl beim Ausgang aus dem Plexiglas einen Gangunterschied g auf.
Nach Verlassen des Plexiglases haben die Lichtstrahlen wieder eine feste
Phasengeschwindigkeit, weshalb sich der Gangunterschied nicht mehr ändert. Der
Gangunterschied bestimmt die Interferenz der beiden Strahlen und somit auch die
resultierende Polarisation des ausgehenden Strahls, die sich aus der Vektoraddition der
Amplituden-Vektoren der elektrischen Felder ergibt [9].
Abbildung 4: Prinzip eines spannungsoptischen Versuchsaufbaus [11]
3
Auf dem Spannungsbild werden die mechanischen Spannungen in Form von
unterschiedlichen Farben, die durch das Auslöschen bestimmter Frequenzen entstanden
sind, sichtbar. Das Auswerten dieser Bilder ist allerdings mit einem riesigen Aufwand
verbunden, da nicht jede Farbe eindeutig einer Spannung zuzuordnen ist.
Benutzt man statt polychromatischem Licht (weißem Licht), welches alle Spektralfarben
abbildet, monochromatisches Licht, das nur genau eine definierte Frequenz bzw.
Wellenlänge hat, werden Hauptspannungen als schwarze Linien erkennbar und lassen sich
leichter auszählen. Diese im Dunkelfeld schwarzen Bereiche bezeichnet man als
Isochromaten n-ter Ordnung und sind Linien gleicher Hauptspannungsdifferenz. Das heißt,
an diesen Stellen ist der Gangunterschied (g = n ∙ λ) ein ganzzahliges Vielfaches der
Wellenlänge (n = 1, 2, 3, ...). Im Dunkelfeld entspricht eine Linie Isochromaten ganzer
Ordnung, im Hellfeld halber Ordnung. Der spannungsfreie Bereich (n = 0) wird als
Isochomate 0. Ordnung (neutrale Faser) bezeichnet. Um diesen zweifellos bestimmen zu
können, muss der Körper in polychromatischem Licht betrachtet werden, da nur dort die
neutrale Faser als schwarzer Bereich eindeutig zu erkennen ist [17, 18].
Des Weiteren sind auch noch Isokline erkennbar, welche Linien gleicher Hauptspannungsrichtung sind. Durch die Verwendung von zirkularpolarisiertem Licht können die
Isoklinen herausgefiltert werden, was die Auszählung der Isochromaten erleichtert [15].
Zirkularpolarisiertes Licht erhält man, wenn man Licht durch ein sogenanntes λ/4-Blättchen
laufen lässt. Auch hier wird das Licht doppeltgebrochen und zwei zueinander polarisierte
Teilstrahlen entstehen. Die Dicke des Kristalls ist genau darauf abgestimmt, dass der
Gangunterschied ein Viertel der Wellenlänge ist. Betrachtet man die Lichtwelle in
Ausbreitungsrichtung, beschreibt diese einen Kreis. Abbildung 5 zeigt eine Welle, deren
Auslenkung zwischen oben und unten wechselt und eine um λ/4 verschobene Welle, deren
Auslenkung zwischen rechts und links wechselt. Addiert man die jeweiligen AmplitudenVektoren, so entsteht nach einer Schwingungsdauer ein Kreis [9].
Abbildung 6 zeigt, dass bei zirkularpolarisiertem Licht
Wellenberg des einen Strahls auf Nulldurchgang des
anderen Strahls trifft.
Abbildung 5: Amplituden-Vektoren von zirkularpolarisiertem Licht [9]
Abbildung 6:
zirkularpolarisiertes Licht [9]
3. Material und Methode
3.1 Auswahl des Modellwerkstoffes
Bei den kieferorthopädischen Minischrauben handelt es sich um kortikale Verankerungsschrauben. Der Halt wird vorwiegend durch die Verankerung in der kortikalen Knochenschicht gewährleistet. In der Spongiosa bewirkt das Eindringen der Minischraube aufgrund
der schwammartigen Struktur dieser Knochenschicht eine Verdrängung von Trabekeln in die
vorhandenen Hohlräume. Daher entsteht der Hauptteil der Spannungen bei Schraubeninsertion in der Kortikalis, sodass für die spannungsoptischen Untersuchungen ein Modellwerkstoff für den kortikalen Knochen gesucht wurde, der transparent und spannungsoptisch
aktiv ist sowie eine adäquate Härte aufweist. In diesem Zusammenhang wurde
Polymethylmethacrylat (PMMA, gegossen, Charge 11/2015, Kunststofftechnik Rostock)
4
ausgewählt. Unter den drei getesteten in der Spannungsoptik etablierten Materialien zeigte
das PMMA sowohl die besten Eigenschaften hinsichtlich Transparenz und Homogenität als
auch die höchste Mikrohärte (Tab. 1).
Tabelle 1: Messung der Mikrohärte
Material
Mikrohärte nach Vickers (HV)
Prüfparameter
HV in kg/mm²
Hersteller
F = Prüfkraft, t = Haltezeit
humane Kortikalis
(trocken, eingebettet)
Araldit Gießharz G2,
Aradur Härter H2
EpoThin 2 Harz,
EpoThin 2 Härter
Literaturangaben
Carl Roth GmbH,
Karlsruhe
Buehler GmbH,
Düsseldorf
Kunststofftechnik,
PMMA (gegossen)
Rostock
*ermittelt mit dem Mikrohärtemesssystem
Sindelfingen-Maichingen; n = 3 Messungen)
F = 0,25 N, t = 10 s
49,3 ± 2,2 [1]
F = 1,00 N, t = 15 s
46,6 ± 4,5 [2]
F = 0,25 N, t = 10 s
19,0 ± 0,2*
F = 1,00 N, t = 15 s
18,5 ± 0,2*
F = 0,25 N, t = 10 s
20,2 ± 0,5*
F = 1,00 N, t = 15 s
18,9 ± 0,2*
F = 0,25 N, t = 10 s
28,1 ± 0,0*
F = 1,00 N, t = 15 s
27,1 ± 0,3*
Fischerscope HM 2000 (Helmut Fischer GmbH,
3.2 Bestimmung der spannungsoptischen Konstante
Die spannungsoptische Konstante S beschreibt, in wieweit ein Material unter Einwirkung
einer mechanischen Spannung die Polarisationsrichtung des durchtretenden Lichts dreht. Es
ist eine Materialeigenschaft und somit eine Materialkonstante. Die meisten transparenten
spannungsaktiven Stoffe verfügen über eine spezifische spannungsoptische Konstante, die
ebenfalls je nach Herstellungsverfahren sowie zwischen den einzelnen Herstellungschargen
variieren kann. Deshalb wurde vor der Durchführung der Minischraubenversuchsreihe die
spannungsoptische Konstante des verwendeten Testmaterials bestimmt.
Ein mögliches Verfahren, um die spannungsoptische Konstante zu ermitteln, ist die
Vierpunktbiegung. Hierbei wird ein Prüfkörper auf zwei Auflagen gelegt und mit einer
Doppelfinne wirken unterschiedliche Kräfte an zwei Punkten auf das Material (Abb. 7b). Da
zwischen den beiden Auflagepunkten ein konstantes Biegemoment herrscht, entsteht ein
leicht auszuwertendes Spannungsbild.
In dem verwendeten Versuchsaufbau (Abb. 7a) wurde ein entsprechender Prüfkörper des
Testmaterials mithilfe einer Biegevorrichtung unterschiedlichen Kräften von 0 bis 1800 N
ausgesetzt. Der Prüfkörper wurde währenddessen von einer Lichtquelle mit monochromatischem, zirkular polarisiertem Licht beleuchtet. Des Weiteren hielt eine Kamera, die
sich mithilfe eines Polarisationsfilters (Analysator) in der Dunkelfeldanordnung befand, die
entstandenen Spannungen, die durch schwarze Linien (Isochromaten) sichtbar geworden
waren, fest.
B
A
B
C
D
B
C
B
Abbildung 7a:
A - Kamera
B - Druckfinne
Abbildung 7b:
C - Prüfkörper
D - Durchlichttisch
5
Bewährt hatte sich die Videodokumentation dieses Experiments, da so in der Auswertung die
exakte Krafteinwirkung zum Zeitpunkt eines neueintretenden Isochromaten-Paares bestimmt
werden konnte. Die Hauptkamera zeichnete die entstehenden Spannungen auf und parallel
dazu filmte eine zweite Kamera den über die Prüfsoftware ausgegebenen Kraftwert. Die
Synchronisation der beiden Filme erfolgte anhand eines akustischen Signals, welches durch
ein Klatschen zu Beginn der Filmaufnahme erfolgte.
Vor Beginn des Biegeversuchs wies der Prüfkörper keine Isochromaten auf. Unter geringer
Belastung war die neutrale Faser (Isochromat 0. Ordnung) in der Mitte des Prüfkörpers zu
sehen. Diese wird für die Berechnung der spannungsoptischen Konstante von der
ausgezählten Isochromatenanzahl abgezogen. Mit zunehmender Krafteinwirkung traten
weitere Isochromaten immer paarweise auf. An dem Punkt, an dem ein neues IsochromatenPaar zu erkennen war, wurde der Kraftwert dokumentiert.
Anschließend wurde die spannungsoptische Konstante berechnet:
[16]
S - spannungsoptische Konstante, F - Kraft, - Länge des Prüfkörpers,
h - Höhe des Prüfkörpers, z - Anzahl der Isochromaten-1
Für die resultierende spannungsoptische Konstante wurde der Mittelwert aus den für die
verschiedenen Biegekräfte und Isochromatenanzahl berechneten Werte gebildet.
Die zur Durchführung dieses Experiments verwendeten Geräte und Einstellungen sind in
Tabelle 2 aufgeführt.
Tabelle 2: Verwendete Geräte und Einstellungen zur Durchführung der Vierpunktbiegung
Gerät/ Einstellung
Universalprüfmaschine
Prüfmodus
Prüfsoftware
4-Pkt.-Biegevorrichtung
- Biegeauflager,
- Biegestempel
Auflagerabstand
Finnenabstand
Vorkraft
Prüfgeschwindigkeit
Prüfkörperlänge
Prüfkörperbreite/-höhe
Prüfkörperdicke
Informationen
Zwick/Roell Z 2.5 (Zwick GmbH & Co. KG)
4-Punkt-Biegung
testXpert II (Zwick GmbH & Co. KG)
Hauptkamera
Objektiv
Analysator
Lichtquelle
FluoreszenzAnregungsfilter
Lichtleiter
Durchlichttisch mit
Polarisator
EOS 5D Mark II (Canon Deutschland GmbH)
Macro Lens EF 100 mm 1:2,8 USM (Canon Deutschland GmbH)
CPL Polfilter, d = 58 mm
KL 1500 LCD (Olympus Dtld. GmbH, Hamburg)
Filter FITCE-45, Lambda (0,5) = 518,4 nm (grün), d = 28 mm (OptoSys
GmbH)
flexibler Lichtleiter 1-armig, d = 5 mm, l = 1.000 mm (OptoSys GmbH)
Durchlichttisch für flexible Lichtleiter mit d = 5 mm (Aufnahme 84 mm)
mit drehbarem Polfilteraufsatz (OptoSys GmbH)
- gemäß ISO 178 und ASTM D 790 (Zwick GmbH & Co. KG),
- Doppelfinne in Anlehnung an DIN EN ISO 14125 (Eigenbau)
83 mm = l
27 mm
5N
1 mm/min
120 mm
20 mm = h
10 mm = d
3.3 Verwendete Schraubenarten
Für die im Rahmen des Projektes durchgeführte Versuchsreihe wurden vier in der klinischen
Praxis etablierte kieferorthopädische Minischraubentypen verschiedener Hersteller
verwendet. Aufgrund der Tatsache, dass alle Schraubentypen in Geometrie und Konstruktion
variieren, sollten Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen dem Design der
Minischrauben und den im Testmaterial aufgetretenen Spannungen gezogen werden. In
6
Tabelle 3 sind die verwendeten Schrauben näher beschrieben. Die Werte der Tabelle
stammen aus den Herstellerangaben oder wurden durch mikroskopische Vermessung
ermittelt.
Tabelle 3: Verwendete kieferorthopädische Minischrauben im Vergleich
Bezeichnung im
Protokoll
Produkt
A
B
C
D
Tomas Pin
Dual Top G2
ORTHOeasy
Hersteller
Dentaurum
Jeil Medical
Forestadent
selbst
schneidend
12,2 mm
4,25 mm
7,95 mm
selbst
schneidend
10,6 mm
2,46 mm
8,14 mm
selbst
schneidend
11,6 mm
3,74 mm
7,86 mm
Quattro mini
PSM Medical
Solutions
selbst
schneidend
11,4 mm
2,30 mm
9,10 mm
9
10
9
10
0,86 mm
0,73 mm
0,83 mm
0,78 mm
1,2 mm
1,1 mm
1,1 mm
1,5 mm
1,6 mm
1,6 mm
1,7 mm
2,0 mm
44,4°
46,3°
35,0°
29,5°
Gewindeart
Gesamtlänge
Kopflänge
Gewindelänge
Anzahl der
Gewindegänge
Gewindesteigung
Innendurchmesser*
(ohne Gewinde)
Außendurchmesser*
(mit Gewinde)
Flankenwinkel
relevante
Schraubenmaße [14]
*Innen- und Außendurchmesser der Schrauben beziehen sich jeweils auf den ersten Gewindegang
unter dem Schraubenkopf.
3.4 Präparation der Messproben
Der verwendete Versuchsaufbau und die Methode der Versuchsdurchführung gingen aus
mehreren zuvor erprobten Apparaturen hervor. Während dieser Vorversuche stellte sich
heraus, dass PMMA (Plexiglas) für die Versuche am besten als Testmaterial geeignet ist, da
es spannungsoptisch aktiv ist und in der Fachliteratur viele Angaben über die mechanischen
und optischen Eigenschaften dieses Stoffes vorhanden sind.
Für die Prüfkörper standen extrudierte und gegossene PMMA-Blöcke zur Verfügung. Um
herauszufinden, welches Material die geringsten Eigenspannungen besitzt und damit für die
spannungsoptischen Versuche am besten geeignet ist, wurde ein Block je Herstellungsart
auf Eigenspannung untersucht. Hierbei hat sich herausgestellt, dass der Block aus
extrudiertem PMMA vor allem an den Kanten bereits sehr ausgeprägte Spannungen hatte,
die durch die Herstellung entstanden sind. Der Block aus gegossenem PMMA hingegen wies
kaum Eigenspannungen auf. Daher wurden für die gesamte Minischraubenversuchsreihe
Prüfkörper (120∙20∙10 mm) aus gegossenem PMMA einer Herstellungscharge verwendet.
7
Anschließend wurden mit einer Standbohrmaschine Löcher in die PMMA-Prüfkörper gebohrt,
in die später die Schrauben gedreht werden sollten. Die Bohrergröße für das Loch der
jeweiligen Schraube richtete sich nach der medizinisch praktizierten Regel, bei der das
Bohrloch 0,5 mm kleiner als der Außendurchmesser der Schraube ist. Um Überlagerungen
der durch die Schrauben verursachten Spannungen zu vermeiden, durften nur fünf
Schrauben in einen Block geschraubt werden und auch die Abstände zwischen ihnen
wurden festgelegt. Hierbei betrug der Abstand der ersten und letzten Schraube zum Rand 10
mm und die Intervalle zwischen den Schrauben 17,5 mm (Abb. 8). Die so entstandenen
Löcher wurden anschließend in der spannungsoptischen Apparatur unter einem
Stereozoommikroskop auf Spannungen untersucht.
Abbildung 8: Block III mit fünf eingeschraubten ORTHOeasy (Forestadent) Minischrauben
Nach dem Bohren sollte das Bohrloch idealerweise vollkommen spannungsfrei und
zylindrisch sein, damit das Spannungsbild der hineingedrehten Schraube nicht verfälscht
wird.
Die Spannungen, die während des Bohrens entstanden, wurden auch maßgeblich von der
Bohrgeschwindigkeit beeinflusst. Eine kleine Drehzahl hatte sich als geeignet herausgestellt.
Die Form des Lochkanals wurde hingegen maßgeblich von der Wahl des Kühl- und
Schmiermittels beeinflusst. Bereits in den Vorversuchen stellte sich heraus, dass sich Öl
besser zum Kühlen des Bohrers (Abb. 9) eignete als Wasser (Abb. 10).
Abbildung 9: ideales Loch (Ölschmierung)
Abbildung 10: unförmiges Loch (Wasserschmierung)
Den Spannungsuntersuchungen des Bohrlochs folgte das behutsame Einschrauben der
unterschiedlichen Minischrauben (n = 5 je Schraubenart). Um die Auswirkung der Kraft, die
man beim Inserieren der Schraube aufbringt, in Bezug zu den entstandenen Spannungen
setzen zu können, wurde ein Drehmomentsensor beim Eindrehen der Schraube verwendet,
der das per Hand aufgebrachte Drehmoment aufzeichnete.
Die spannungsoptische Apparatur unter dem Stereomikroskop bestand aus einer externen
Lichtquelle, die durch einen Lichtleiter mit einem Durchlichttisch unter dem Mikroskop
verbunden war, mit dessen Hilfe der auf dem Kipptisch gelagerte Prüfkörper durchleuchtete
wurde (Abb. 11). In der Lichtquelle wurde ein Filter eingesetzt, der nur monochromatisches
Licht mit einer bestimmten Wellenlänge, in dem Fall grünes Licht, hindurch ließ. Auf dem
Durchlichttisch befand sich der Polarisator, welcher das Licht zirkular polarisierte. Der
dazugehörige Analysator wurde auf dem Objektiv des Mikroskops in Dunkelfeldausrichtung
fixiert. Während der Versuche wurde das Objektiv mit einer 1,25-fachen Vergrößerung
8
verwendet. Die Aufnahme der Spannungsbilder erfolgte mittels der zum Mikroskop
gehörigen CCD-Kamera und Software.
H
A
C
G
B
D
F
E
Abbildung 11: Versuchsaufbau für die spannungsoptische Untersuchung
A - Mikroskop, B - Polarisator, C - Analysator, D - Lichtquelle mit Lichtleiter, E - Durchlichttisch,
F - Kipptisch, G - Prüfkörper, H - Objektiv (1,25 fache Vergrößerung)
Tabelle 4: Verwendete Geräte und Software zur Durchführung der Versuchsreihe Minischrauben
Gerät/ Software
Informationen
Bohrmaschine,
Bohrvorrichtung
HB10 – 1E (220 V, 360 W, d = 10 mm mit Universalbohrmaschinenständer
(VEB Mansfeld Kombinat Wilhelm Pieck, DDR)
Drehmomentmessvorrichtung
Eigenbau des Lehrstuhls mit Drehmomentsensor 01325-051-F0AA0
(Sensor Developments Inc., Orion, USA)
Software für die
Aufzeichnung der
Drehmomente
TracerDAQ Version 21.1.0, (Meilhaus Electronic)
A Mikroskop
Stereomikroskop SZX10 (Olympus Dtld. GmbH)
B Polarisator
Polfilteraufsatz, drehbar für Durchlichttisch (OptoSys GmbH)
C Analysator
CPL Polfilter, d = 58 mm
Lichtquelle mit
Lichtleiter und
D
FluoreszenzAnregungsfilter
KL 1500 LCD (Olympus Dtld. GmbH);
flexibler Lichtleiter 1-armig, d = 5 mm, l = 1.000 mm und Filter FITCE-45,
Lambda (0,5) = 518,4 nm (grün), d = 28 mm (OptoSys GmbH)
E
Durchlichttisch
F Kipptisch
Durchlichttisch für flexible Lichtleiter mit d = 5 mm, Aufnahme 84 mm
(OptoSys GmbH)
Eigenbau
Mikroskop-Software cellSens Dimension 1.8.1 (Olympus Soft Imaging Solutions GmbH)
für die Aufnahme der
Spannungsbilder
9
3.5 Ermittlung der Hauptspannungen an den Schrauben
Die Untersuchung der Spannungen der eingedrehten Minischrauben erfolgte mit demselben
Versuchsaufbau wie die Überprüfung der Bohrlöcher auf etwaige Spannungen im
monochromatischen Licht. Dafür wurde zunächst mit der kleinsten Vergrößerung ein
Übersichtbild der zu untersuchenden inserierten Minischraube aufgenommen (Abb. 12).
Analog dazu wurde zur eindeutigen Bestimmung der Isochromaten 0. Ordnung ein weiteres
Übersichtbild im polychromatischen Licht gemacht (Abb. 13). Anschließend folgten
verschiedene Detailaufnahmen im monochromatischen Licht, an denen später die
Auszählung der Isochromaten stattfand (Abb. 14).
Die Auszählung der Isochromaten erfolgte immer nach dem gleichen Muster. Von jeder
Schraube wurden die Isochromatenordnungen von jeweils drei Gewindegängen pro Seite
erfasst. Zuerst wurde der Isochromat 0. Ordnung der Schraubenseite bestimmt. Von dieser
Linie aus wurde jeder weitere Ring gezählt, bis zum analysierten Gewindegang.
Übersichtsbeispiel - ORTHOeasy (Forestadent) - C, Block III, Bohrung 2:
Bestimmung der Isochromaten 0. Ordnung:
Abbildung 12: Spannungsbild im weißen Licht
Abbildung 13: Spannungsbild im monochrom. Licht
Ermitteln der Isochromatenordnungen: (Bild zusammengesetzt aus Einzelbildern)
Abbildung 14:
Spannungsbild mit
eingetragenen
Isochromatenordnungen
10
3.6 Dokumentation und Auswertung
Während der Durchführung wurde ein Protokoll geführt (siehe Tab. 5).
Tabelle 5: Kopf des Protokolls für die Versuchsreihe kieferorthopädische Minischrauben
Allgemeines:
Abstand Bohrungen: nach außen 10 mm; zwischen den Löchern 17,5 mm
Bohrer: 0,5 mm kleiner als der Schraubenaußendurchmesser
Bohrgeschwindigkeit: gering
Bohren mit Öl als Kühl- und Schmiermittel
Loch
Nr.
Art
Block
Lochdurchmesser
Besonderheiten
Anschließend folgten die Berechnung der Spannungen mit der Formel:
tabellarische Darstellung der Ergebnisse (Tab. 6):
[7] und die
Tabelle 6: Darstellung der Ergebnisse
Block:
obere Seite
ausgewählter
Schraube Gewindegang* n ϭ in N/mm²
1
2
3
untere Seite
n ϭ in N/mm²
S - Spannungsoptische
Konstante,
d - Dicke des Prüfkörpers,
n - Isochromatenordnung
*Gewindegang von rechts
nach links gezählt (Verlauf
der Schraube)
Die Aufarbeitung der erhobenen Daten erfolgte mittels Microsoft Excel 2010 (Microsoft Office
Standard 2010, Microsoft Corporation, USA). Die statistische Auswertung wurde mithilfe der
Kalkulationssoftware IBM SPSS Statistics Version 21.0 (IBM Corporation, USA)
durchgeführt. Die berechneten Signifikanzniveaus halfen dabei, die verschiedenen
Schrauben untereinander zu vergleichen.
1. Die Signifikanzanalyse mittels des parameterfreien Rangsummentests nach KruskalWallis verglich, ob sich die berechneten Spannungen der vier Minischraubenarten
signifikant voneinander unterscheiden.
2. Die Korrelationsanalyse mittels des Spearman-Korrelationstests untersuchte den
Zusammenhang zwischen der Schraubengeometrie und den ermittelten
Hauptspannungen. Folgende Geometrieparameter wurden den Spannungswerten
gegenübergestellt: Gewindelänge, Anzahl der Gewindegänge, Gewindesteigung,
Außendurchmesser, Innendurchmesser, Flankenwinkel.
3. Die Signifikanzanalyse mittels des parameterfreien Rangsummentests nach KruskalWallis verglich die beim Einschrauben aufgezeichneten Drehmomente untereinander,
um signifikante Unterschiede zwischen den ermittelten Drehmomentmaxima der vier
Minischraubenarten aufzuzeigen.
4. Die Korrelationsanalyse mittels des Spearman-Korrelationstests untersuchte den
Zusammenhang zwischen der Schraubengeometrie und den ermittelten
Drehmomentmaxima. Folgende Geometrieparameter wurden dem Drehmoment
gegenübergestellt: Gewindelänge, Anzahl der Gewindegänge, Gewindesteigung,
Außendurchmesser, Innendurchmesser, Flankenwinkel.
5. Die Korrelationsanalyse mittels des Spearman-Korrelationstests untersuchte den
Zusammenhang zwischen dem aufgezeichneten Drehmoment und den berechneten
Hauptspannungen.
11
4. Ergebnisse
4.1 Spannungsoptische Konstante
Ein PMMA-Prüfkörper wurde entsprechend dem in Kapitel 3.2 beschriebenen Verfahren
(Vierpunktbiegung) untersucht (Abb. 15).
Nach der Durchführung der Vierpunktbiegung mit dem Prüfkörper 1 (PK1) wurde das
angefertigte Video ausgewertet und die spannungsoptische Konstante für das verwendete
PMMA berechnet. Es ergaben sich folgende Werte:
Tabelle 7: Berechnung der spannungsoptischen Konstante PK1
Anzahl
Linien
z
3
PK 1 (17.12.2015)
F in N
S in N/mm
2
546
113,30
5
4
1098
113,92
7
6
1673
115,72
Mittelwert
114,31
Standardabweichung
1,26
Abbildung 15: Vierpunktbiegung
4.2 Vergleich der Spannungen der vier Schraubenarten untereinander
Der Kruskal-Wallis-Test für die ermittelten Hauptspannungen der vier Schraubarten ergab,
dass die durch die Schraube Dual Top G2 eingebrachten Spannungen hoch signifikant
kleiner sind als die der Schrauben ORTHOeasy und Quattro mini (p < 0,001).
Des Weiteren ergab sich ein signifikanter Unterschied (p = 0,025) zwischen den für den
Tomas Pin und den für die Quattro mini Schraube ermittelten Spannungen. Die restlichen
Vergleiche ergaben keine Signifikanzen (Abb. 16).
Abbildung 16: Hauptspannungen der untersuchten Minischrauben in N/mm 2,
n=30, * - p < 0,05, ** - p < 0,01, *** - p < 0,001
12
4.3 Zusammenhang zwischen Schraubengeometrie und Spannung
Die darauffolgende statistische Auswertung bezog sich auf den Einfluss einzelner
Geometrieparameter der Minischrauben auf die im Testmaterial entstandenen Spannungen.
Dabei ergab sich, dass die Spannungen durch die Gewindelänge enorm beeinflusst wurden.
Je länger das Gewinde war, desto größer waren die Spannungen (p = 0,001).
Weiterhin lag zwischen dem Außendurchmesser und den Spannungen eine hoch signifikante
Korrelation vor (p < 0,001). Je breiter die Schraube, desto größer waren die Spannungen.
Beim Flankenwinkel hingegen verhielt es sich genau umgekehrt. Hier zeigte sich das
Ergebnis: Je kleiner der Flankenwinkel war, desto größer waren die Spannungen. Auch
diese Korrelation war hoch signifikant (p < 0,001).
Des Weiteren hatte die Gewindesteigung einen tendenziellen Einfluss auf die Spannungen
(p = 0,065). Je größer die Gewindesteigung war, desto mehr Spannungen entstanden.
Keine Korrelation zwischen Design und Spannung konnte hinsichtlich Innendurchmesser und
Anzahl der Gewindegänge ermittelt werden.
4.4 Vergleich der Drehmomente der vier Schraubenarten untereinander
Der Drehmomentsensor zeichnete den Prozess des Einschraubens auf. Der Verlauf des
Drehmoments bei der Insertion der Minischraube 1 ORTHOeasy (Forestadent) ist in
Abbildung 17 exemplarisch dargestellt.
Abbildung 17: Exemplarische Drehmomentaufzeichnung über die Zeit bei Insertion in Nm
(Minischraube 1 ORTHOeasy (Forestadent))
Die Signifikanzanalyse ergab, dass die Unterschiede zwischen den Drehmomentmaxima der
vier untersuchten Minischraubenarten nicht signifikant sind. Das Ergebnis des KruskalWallis-Tests war p ≥ 0,05. Es zeigt sich lediglich, dass die Drehmomentmaxima des Tomas
Pin (Dentaurum) tendenziell kleiner waren als die der Dual Top G2 (Jeil Medical) und Quattro
mini (psm Medical Solutions) (Abb.18).
13
Abbildung 18: Drehmomentmaxima bei Insertion der untersuchten Minischrauben in Nm, n = 5
4.5 Zusammenhang zwischen Schraubengeometrie und Drehmoment
Die Korrelationsanalyse hat ergeben, dass der Zusammenhang zwischen der Anzahl der
Gewindegänge und dem Drehmoment signifikant ist p = 0,046 (p < 0,05). Je mehr
Gewindegänge die Minischraube hat, desto größer ist das benötigte Drehmoment.
Des Weiteren hat die Analyse eine tendenzielle Korrelation zwischen Steigungswinkel und
Drehmoment ergeben p = 0,097 (p ≥ 0,05). Je geringer die Steigung, desto größer ist das
Drehmoment.
Zwischen den übrigen Geometrieparametern und dem Drehmoment konnte keine Korrelation
ermittelt werden.
4.6 Zusammenhang zwischen Drehmoment und Spannung
Abschließend wurde noch der Zusammenhang zwischen den beim Inserieren der Schrauben
aufgewendeten maximalen Drehmomenten und den induzierten Spannungen statistisch
geprüft. Dabei konnte keine Korrelation nachgewiesen werden. Jedoch ist dieser Vergleich
nicht sonderlich aussagekräftig, da 120 Spannungswerte berechnet wurden, aber dem
gegenüber nur 20 Werte für die Drehmomentmaxima zur Verfügung standen.
5. Diskussion
Werkstoff
Das Finden eines geeigneten spannungsoptisch aktiven Werkstoffes, der dem kortikalen
Knochen ähnlich ist, war nur bedingt möglich. Diesbezüglich wurden drei in der
Spannungsoptik etablierte Materialien getestet. Das PMMA stellte sich dabei als am besten
geeignetes Material für ein vereinfachtes Modell heraus, da es die besten Eigenschaften
hinsichtlich Transparenz und Homogenität sowie die höchste ermittelte Mikrohärte aufwies.
Da die kortikale Knochenschicht jedoch eine deutlich höhere Mikrohärte als das PMMA hat
(siehe Kapitel 3.1), sind im Kieferknochen noch höhere durch Minischrauben induzierte
mechanische Spannungen, als im Modellwerkstoff ermittelt, zu erwarten.
Ermittlung der spannungsoptischen Konstante
Um die spannungsoptische Konstante berechnen zu können, muss man den VierpunktBiegeversuch durchführen und die aufgebrachte Kraft mit den induzierten mechanischen
14
Spannungen (sichtbar durch die Isochromaten) in Verbindung bringen. Da die IsochromatenPaare nicht nur bei einem expliziten Kraftwert, sondern innerhalb eines bestimmten
Kraftbereiches auftreten, kann die berechnete spannungsoptische Konstante je nach KraftAblesezeitpunkt leicht variieren. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, wurde sich auf
ein einheitliches Verfahren geeinigt. Letztendlich konnte eine spannungsoptische Konstante
ermittelt werden (114 N/mm), die mit Literaturangaben vergleichbar ist (120 N/mm [16]).
Methodik und Durchführung
Die gängige Methode, die von den Herstellern der Minischrauben zur Entwicklung der
Schraubendesigns angewendet wird, ist die softwaregestützte numerische Simulation.
Dieses Verfahren ist mit einem sehr großen Aufwand verbunden und liefert nur simulierte/
theoretische Ergebnisse. Das in diesem Projekt etablierte Verfahren bietet die Möglichkeit
zur Verifizierung der Simulationsergebnisse unter Verwendung der gefertigten Minischraube.
Als Kritikpunkt ist anzumerken, dass die Betrachtung der Spannungen im Prüfkörper nur
zweidimensional vorgenommen wurde. Das Untersuchungsmodell (Schraube im PMMAPrüfkörper) ist jedoch dreidimensional, sodass die ermittelten Spannungen wahrscheinlich
Summationseffekte enthalten. Um das auszuschließen, wird in der Literatur das Einfrierverfahren empfohlen, bei dem der präparierte Probenkörper bis zur Glastemperatur des
Modellwerkstoffes erhitzt und anschließend gezielt abgekühlt wird. Dadurch werden die
mechanischen Spannungen im Probenkörper konserviert/ eingefroren. Nachfolgend müsste
man den Probenkörper in mehrere Dünnschnitte zerlegen und die Spannungen an jedem
einzelnen Schnitt ermitteln [13]. Geeignete Geräte, um den Körper gezielt erhitzen und
abkühlen zu lassen, standen jedoch nicht zur Verfügung, sodass im Rahmen dieses
Projektes erst einmal dies vereinfachte Verfahren etabliert und eventuelle
Summationseffekte in Kauf genommen wurden.
Beim Vergleich der Drehmomente der vier Schraubenarten ist die teilweise hohe
Standardabweichung aufgefallen. Das ist damit zu erklären, dass nicht alle Schrauben exakt
gleich tief im Verhältnis zur Prüfkörperoberfläche eingeschraubt wurden. Dies spiegelt
allerdings auch die Bedingungen in der klinischen Praxis wieder, da der Kieferorthopäde nur
nach Gefühl und gegebenenfalls mithilfe einer Drehmomentbegrenzung inseriert. Die Sicht
auf die Knochenoberfläche wird durch die Gingiva verdeckt.
Für die Versuchsreihen wurde ein Stichprobenumfang von n = 5 Schrauben je Schraubenart
gewählt. Dabei handelt es sich um die minimal erforderliche Stichprobengröße für eine
akzeptable statistische Auswertung. Ein höherer Stichprobenumfang würde zwar das
Ergebnis präzisieren, wäre jedoch mit deutlich höheren Kosten und einem enormen
zeitlichen Mehraufwand verbunden gewesen. Dies war im begrenzten Zeitrahmen des
Projektes nicht möglich.
Ergebnisse
Die ermittelten Korrelationen der Hauptspannungen mit den verschiedenen Geometrieparametern der Schrauben entsprechen größtenteils den Erwartungen. Eine direkte
Diskussion der berechneten Spannungen mit Literaturdaten ist jedoch nicht möglich. Der
aktuelle Stand der Literatur lässt keine Aussagen über durch Minischrauben induzierte
mechanische Spannungen im Kieferknochen bzw. in spannungsoptisch aktiven Modellwerkstoffen zu. Die durchgeführten Untersuchungen konnten jedoch erste Hinweise liefern, wie
das Design einer kieferorthopädischen Minischraube angepasst bzw. optimiert werden kann,
um den Spannungseintrag zu reduzieren.
15
6. Zusammenfassung und Fazit
Heutzutage sind kieferorthopädische Minischrauben in vielen medizinischen Behandlungen
von zunehmender Bedeutung. Mithilfe der Schrauben ist es möglich, die Stellung einzelner
Zähne zu optimieren, ohne dabei die anderen Zähne zu belasten und zu beschädigen [8].
Leider treten bei solchen Behandlungen in zahlreichen Fällen Komplikationen auf, die auf
Spannungen zurückzuführen sind, welche die Schrauben beim Inserieren in den Kiefer
verursachen [19]. Die Auswirkungen dieser Spannungen sind fatal. Zum einen können sie
zum Materialversagen führen, sodass die Schraube abbricht, ein erneuter operativer Eingriff
von Nöten ist und erhebliche Mehrkosten entstehen. Zum anderen kann der Knochen durch
den Druck der Schrauben dauerhaft geschädigt werden, indem Drucknekrosen auftreten.
Daher sollte mit diesem Projekt eine Methode entwickelt werden, mit der man die
Spannungen, die eine Schraube beim Inserieren erzeugt, untersuchen kann. Die damit
ermittelten Ergebnisse sollen dazu dienen, Aussagen über eine Designoptimierung
kieferorthopädischer Minischrauben zu treffen, um die bereits erwähnten Komplikationen in
Zukunft minimieren zu können.
Für die Ermittlung der durch die Schrauben verursachten Hauptspannungen wurde das
physikalische Phänomen der Spannungsoptik ausgenutzt, welches sich hervorragend für die
bildliche Darstellung von Spannungen eignet. Dieses Teilgebiet der Optik beschäftigt sich mit
der Spannungsverteilung in mechanisch belasteten Objekten, die unter der Verwendung von
polarisiertem Licht in lichtdurchlässigen Körpern sichtbar gemacht wird [18].
Mit der entwickelten Methode wurden die inserierten Minischrauben mit monochromatischem
Licht mikroskopiert und simultan dazu fotografisch dokumentiert. Da bei jeder Schraubenart
die gleichen Versuchsparameter galten, waren die errechneten Hauptspannungen statistisch
auswertbar und konnten den verschiedenen Designparametern der Schraube gegenübergestellt werden.
Die statistische Auswertung ließ die Schlussfolgerung zu, dass die Designparameter der
Schraube in direktem Zusammenhang zu den von ihr erzeugten Materialspannungen stehen.
Folgende Hinweise können dadurch gegeben werden:




je länger das Gewinde ist, desto größer sind die Spannungen,
je größer der Außendurchmesser ist, desto größer sind die Spannungen,
je geringer der Flankenwinkel ist, desto größer sind die Spannungen,
je größer die Gewindesteigung ist, desto größer sind die Spannungen.
Damit ist es den Jungforschern gelungen, ein Verfahren zu etablieren, mit dessen Hilfe die
Schrauben induzierten mechanischen Spannungen im Modellwerkstoff mit hoher Auflösung
dargestellt bzw. dokumentiert werden können. Auf der Basis dieser Spannungsbilder war es
möglich, verschieden designte Minischrauben hinsichtlich des Einflusses ihrer
Geometrieparameter zu untersuchen und zu vergleichen. Die ermittelten Korrelationen bilden
die Grundlage für eine Designoptimierung.
Ein Aspekt weiterführender Untersuchungen sollte zum einen die Suche nach einem
spannungsoptisch aktiven Werkstoff sein, der sich hinsichtlich seines mechanischen
Eigenschaftsprofils der humanen Kortikales weiter annähert als PMMA. Zum anderen sollte
geprüft werden, ob die zweidimensionale Betrachtung der Schrauben induzierten
Spannungen signifikante Summationseffekte enthält. Dabei könnte die Methode des Einfrierverfahrens angewendet werden. Des Weiteren sollten zur Annäherung an die klinische
Praxis inserierte Minischrauben spannungsoptisch untersucht werden, die zusätzlich mit
gespannten Stellfedern versehen wurden und somit noch mit Zugspannungen belastet sind.
Außerdem sollte geklärt werden, wie viel mechanische Spannungen der Kieferknochen
verträgt und ab wann ein kritischer Wert überschritten ist.
16
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https://www.tu-ilmenau.de/fileadmin/media/maschinenelemente/
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Uhr), Dr.-Ing. Ulrich Simon, Spannungsoptik
http://www.zwp-online.info/de/fachgebiete/kieferorthopaedie/miniimplantate/
[19] komplikationen-und-risiken: 21.02.2016 (15:55 Uhr), Jörg Boger, Miniimplantate Komplikationen und Risiken
Alle nicht als entnommen gekennzeichneten Abbildungen wurden von den Autoren
angefertigt.
17
Danksagung
Behrend, Prof. Dr.-Ing. habil. Detlef, Professor, Lehrstuhl Werkstoffe für die Medizintechnik
der Universität Rostock; Art der Unterstützung: Bereitstellen der Materialien und Geräte
Heyer, Dr.-Ing. Horst, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Strukturmechanik der
Universität Rostock; Art der Unterstützung: Vorführen spannungsoptisches Experiment
Kühn, Prof. Dr. rer. nat. Oliver, Professor, Institut für Physik der Universität Rostock; Art der
Unterstützung: Grundlagen der Spannungsoptik
Lurtz, Dipl.-Ing. Claudia, Technische Angestellte, Lehrstuhl Werkstoffe für die Medizintechnik
der Universität Rostock; Art der Unterstützung: Betreuerin, Korrekturlesen
Specht, Dr.-Ing. Olaf, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl Werkstoffe für die
Medizintechnik der Universität Rostock; Art der Unterstützung: Betreuer, Korrekturlesen
Warkentin, PD Dr.-Ing. habil. Mareike, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl Werkstoffe
für die Medizintechnik der Universität Rostock; Art der Unterstützung: Betreuerin,
Korrekturlesen
Eidesstattliche Erklärung
Wir erklären, dass wir die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im
Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt haben. Die Stellen der
Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, haben wir
in jedem einzelnen Fall unter Angabe der Quelle kenntlich gemacht.
Fabian Collin
Rostock, den 26. März 2016
Vincent Stirnweiß
Arne Röhner
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