Apotheken Umschau Leserbrief (D)

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ALEXANDERWUNSCH
H E I D E L B E R G
AlexanderWunsch
Alexander Wunsch ∴ Bergheimer Str. 116 ∴ 69115 Heidelberg
Arzt
An die
Online-Redaktion der
Apotheken-Umschau
Bergheimer Strasse 116
D - 69115 Heidelberg
FON: 06221 - 16 34 57
FAX: 06221 - 16 15 96
Heidelberg, 10.05.2010
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich nehme Bezug auf den Artikel "Immer mehr Hautkrebskranke in Deutschland" vom
05.05.2010 in der Online-Ausgabe der Apotheken-Umschau.
Ich bin niedergelassener Arzt und verfolge seit geraumer Zeit die Diskussion um Hautkrebs, UV-Strahlung und Vitamin D. Es scheint sich mittlerweile eingebürgert zu haben,
dass in stark simplifizierender Weise die Sonne als Hauptursache für Hautkrebs verantwortlich gemacht wird. Der von Ihnen veröffentlichte Artikel macht hier leider keine Ausnahme, denn es werden statistische Ergebnisse und epidemiologische Daten in einer Art
und Weise wiedergegeben, dass ein Nicht-Fachmann automatisch zu dem Schluss kommen muss, die Sonne und UV-Strahlen verursachten Hautkrebs. Es wird suggeriert, es
gäbe einen eindeutigen Beweis z.B. für die Entstehung des Malignen Melanoms durch
Einwirkung von UV-Strahlung. Dieser eindeutige Beweis existiert jedoch nicht. Der Grundtenor des Artikels ist aus medizinischer Sicht schon deshalb nicht korrekt, weil bei den Effekten von Sonnenlicht und UV-Strahlung immer eine Abwägung verschiedener Risiken
und Vorteile durchgeführt werden muss, und das sogar jeweils bezogen auf einen individuellen Patienten.
Zunächst dürfen die verschiedenen Arten von Hautkrebs nicht gemeinsam betrachtet werden, da sie sich in ihrer Ätiologie und Prognose grundsätzlich unterscheiden. Es ist aus
meiner Sicht irreführend, zuerst die "großen Zahlen" sämtlicher Hautkrebsarten aufzuführen, also die Krebsangst zu schüren, um dann fast ausschließlich das Maligne Melanom
zu erörtern. Das Melanom wird als "besonders gefährlich" bezeichnet, dabei sterben weniger als 2 % der Krebsopfer an dieser Form der Tumorerkrankung. Das Melanom dient hier
argumentatorisch als Schreckgespenst, um den Menschen Angst zu machen, dabei könnte man in zutreffender Weise z.B. auch erwähnen, dass die Überlebenschancen beim Malignem Melanom in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Während für die hellen
Hautkrebsarten (Spinaliom und Basaliom) ein Zusammenhang mit vermehrter UV-Belastung weitgehend akzeptiert ist (diese Arten treten meist an Lokalisationen auf, wo das
Sonnenlicht auch tatsächlich hinkommt), ist die Ätiologie für das Melanom noch unklar,
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denn neben starken Sonnenbränden in der Kindheit gibt es epidemiologisch wie auch pathophysiologisch eine Reihe weiterer Ursachen, die in Betracht gezogen werden müssen:
Fluoreszenzlicht bzw. künstliche Beleuchtung, Immunsuppression durch Medikamente,
Verwendung von Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor, UVA-Durchlässigkeit
von Fensterscheiben sowie die Strahlung von Rundfunksendern werden wissenschaftlich
als mögliche Ursachen diskutiert. Die Rolle der Sonne tritt hier zunehmend hinter immunologischen und endokrinologischen Aspekten der Melanomentstehung zurück. Im Zellversuch kann man sogar zu dem Schluss kommen, dass UVB-Strahlung vor Melanomen
schützt, da die in der Haut gebildete Vorstufe von Vitamin D3 beispielsweise in der Lage
ist, eine Apoptose bei Melanomzellen in Kultur auszulösen und zudem bestimmte immunkompetente Zellen zu aktivieren, die den Körper bei der Bekämpfung von entarteten Zellen unterstützen.
Als eine mögliche Ursache für das Melanom wird in dem vorliegenden Artikel das Ozonloch genannt. Hier stellt sich die Frage, inwieweit dieses "Loch" für die Leser Ihrer Publikation, die ja mehrheitlich in Mitteleuropa ansässig sind, überhaupt relevant ist. Das Ozonloch befindet sich hauptsächlich über der Arktis und Antarktis. Für Mitteleuropa sind die
Ozonkonzentrationen im Jahresmittel seit einigen Jahren sogar rückläufig, weshalb ein
Zusammenhang mit einer erhöhten Hautkrebs- bzw. Melanominzidenz eher unwahrscheinlich ist, außer bei Reisen in Regionen, die vom Ozonloch betroffen sind.
Der Artikel zeichnet sich durch pauschalisierende Vereinfachungen aus, die dazu dienen,
gegen die Sonne mobil zu machen. So wird "UV-Strahlung" als zusammenfassender Begriff verwendet, ohne dass zwischen den verschiedenen Anteilen UVA und UVB differenziert wird. Letzteres ist aber unabdingbar, da diese Strahlungsbereiche unterschiedliche
Effekte nicht nur in Hinblick auf die Melanomentstehung haben, sondern auch bezüglich
der physiologischen Lichtreaktionen wie der Bildung von Lichtschwiele und Pigmentierung.
Für den UVB-Bereich ist die Annahme, er würde Melanome fördern oder gar erzeugen, bei
aktueller Studienlage nicht mehr haltbar, denn es gibt konkrete Hinweise darauf, dass die
in der Haut durch UVB-Strahlung gebildete Vorstufe von Vitamin D sogar vor einer Melanomentstehung schützen kann.
Weiter wird übermäßiges Sonnenbaden als Ursache für eine vermehrte Hautkrebsentstehung angeführt. Dem steht die Tatsache gegenüber, dass richtig dosiertes Sonnenlicht
der Gesundheit in vielerlei Hinsicht zuträglich ist. Ein wichtiger Aspekt ist hier die Rolle, die
das Vitamin D3 spielt. Dieses Hormon zeigt nicht nur Effekte bezüglich Kalziumhaushalt
und Knochenbau, sondern hat epidemiologisch klar nachweisbar eine positive Wirkung
beim körpereigenen Schutz vor Krebserkrankungen und einer Reihe weiterer Zivilisationskrankheiten wie z.B. der Gruppe der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die meisten Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Vorteile richtig dosierter Sonnenexposition
die eventuellen Nachteile der Strahlung für die Haut bei weitem überwiegen.
Immer mehr Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass das Vitamin D eine Schlüsselsubstanz darstellt, die sich im Mangelzustand negativ auf fast alle zivilisationsbedingten
Erkrankungen auswirkt. Da gerade alte Menschen von den negativen Folgen eines Vitamin D-Mangels besonders betroffen sind (z.B. durch im Alter gehäuft auftretende Erkrankungen wie Brustkrebs, Prostatakrebs, Osteoporose etc.), ist es sinnvoll, diese Bevölkerungsgruppe auf einen erhöhten Bedarf an Vitamin D und auch Sonnenlicht hinzuweisen,
anstatt ihnen die effektivste Art, dieses lebenswichtige Hormon zu bilden, ausreden zu
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wollen. Die effektivste Art der Vitamin D-Bildung ist die photochemische Erzeugung unter
UVB-Einfluss in der Haut, da hierbei erhebliche Mengen entstehen können und ein Selbstregulations-System existiert, das eine Überdosierung wirkungsvoll verhindert, ganz im Gegensatz zur oralen Applikation. (Werden fettlösliche Vitamine und Hormone oral appliziert,
kann es zu toxischen Effekten kommen. Daher ist bei oraler Substitution von Vitamin D
stets eine laborchemische Kontrolle erforderlich, wenn eine Überdosierung sicher vermieden werden soll.)
Die pauschale Warnung vor Sonnenstudios erscheint insofern nicht gerechtfertigt, als dass
auch hier sorgfältig unterschieden werden muss zwischen Solarien, die hauptsächlich
UVA-Strahlung erzeugen und die dadurch keinen Effekt auf die Bildung von Vitamin D haben, und solchen Geräten, die durch ihren Anteil von UVB-Strahlung auch eine Vitamin DBildung ermöglichen. Studien haben gezeigt, dass es gerade bei älteren Menschen besonders im Winter zu schweren Defiziten bei der Vitamin D-Versorgung kommt. Hier muss
folglich über jede Möglichkeit nachgedacht werden, um einer derartigen Mangelversorgung entgegenzusteuern. Man sollte sich in einer Zeit, in der sich ein Paradigmenwechsel
bezüglich der Bedeutung von Vitamin D abzeichnet, davor hüten, bestimmte Verfahren zur
Versorgung mit diesem lebenswichtigen Hormon vorschnell abzutun bzw. Verhaltensregeln aufzustellen, die unter Umständen bald wieder geändert werden müssen.
Der Bedarf an Vitamin D wird im Alter eher höher, die Haut involutiert jedoch wie andere
Organe auch. Daher ist für ältere Menschen die Einhaltung von individualisierten Umgangsregeln mit Sonne und UV-Strahlung mindestens so wichtig wie für andere Altersgruppen: Durch die verringerte Stoffwechselleistung in der Haut kommt bereits die Vorstufe des Vitamin D, das Dehydrocholesterin, in niedrigerer Konzentration vor. Außerdem ist
die Altershaut schlechter durchblutet, was zu einer entsprechend verzögerten Aufnahme
der Vorstufen aus der Haut in die Blutbahn führt. Es ist also wichtig, dem älteren Menschen Hinweise zu geben, wie er trotz dieser einschränkenden Aspekte seinen Vitamin DSpiegel so erhöhen kann, dass er gesundheitlich davon profitiert.
Ich meine, dass auch für den Gesundheitsjournalismus unbedingt der Grundsatz "Primum
nil nocere" gelten muss: Zuerst nicht schaden! Weder Sonnenanbetung noch Sonnenvermeidung sind gesundheitsförderliche Empfehlungen. Der Weg dazwischen führt zum Ziel,
nämlich der individualisierte, an den jeweiligen Menschen angepasste Umgang mit dem
Sonnenlicht bzw. mit der UV-Strahlung. Statt also immer wieder in dieselbe Kerbe der
Sonnenwarnung zu schlagen, ist es aus meiner Sicht an der Zeit, die Strategie zu ändern:
Man kann den Menschen auch durch fundierte Wissensvermittlung das Werkzeug an die
Hand geben, ihrer wichtigsten Lebensenergie-Quelle, nämlich der Sonne, so zu begegnen, dass sie den größtmöglichen Nutzen für ihre Gesundheit daraus ziehen können.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Wunsch
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