Deutschland im internationalen Standortvergleich

Werbung
Allianz Dresdner Economic Research
Working Paper
Nr.: 90, 12. September 2007
Autoren: Claudia Broyer, Gregor Eder, Wolfgang Leim, Dr. Rolf Schneider
_________________________________________________________________
Deutschland im internationalen Standortvergleich
1. Das Wichtigste in Kürze
2
2. Positionsbestimmung auf Basis harter Fakten
3
Box: Wie wird das Standort-Ranking berechnet?
3. Gesamtauswertung: Deutschland aktuell gleichauf mit den USA,
klar vor den BRIC-Ländern; kleinere EU-Staaten erzielen beachtliche
Resultate
4. Ergebnisse Subindikatoren
4.1 Wirtschaftliche Leistungskraft:
Industrieländer unangefochten an der Spitze
4.2 Wirtschaftliche Dynamik:
Emerging Markets haben die Nase vorn
4.3 Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen:
Deutschland bleibt hinter anderen großen Wirtschaftsnationen zurück
4.4 Nachhaltigkeit der fiskalischen und ökologischen Entwicklung:
Industrieländer mit sehr gemischten Ergebnissen
5
6
7
7
10
12
15
5. Ursachen für Standortschwächen und -stärken
18
6. Fazit und Ausblick: In Deutschland weder Grund zu Missmut
noch zu Selbstzufriedenheit
23
Anhang: Jahrestabellen im Überblick
24
1
1. Das Wichtigste in Kürze
Alles in allem muss sich der Standort Deutschland im internationalen Vergleich sicherlich nicht
verstecken. Dies ist das Ergebnis eines neuen internationalen Standort-Rankings, das von den
Volkswirten von Allianz und Dresdner Bank entwickelt worden ist. Die volkswirtschaftlichen Fakten
zeigen: So schlecht wie Deutschland lange Zeit wahrgenommen wurde, ist es nicht. International
steht die Bundesrepublik derzeit auf Platz 8. Die besten Wirtschaftsstandorte sind der Studie
zufolge Schweden, gefolgt von den Niederlanden und Großbritannien. Die Analyse zeigt allerdings auch Schwachstellen in Deutschland: Insbesondere bei Einzelindikatoren wie der Investitionsquote und dem Beschäftigungswachstum schnitt das größte EU-Land bislang schwach ab. Hier
besteht ganz offensichtlich noch Verbesserungsbedarf. Eine sich hieraus ableitende wirtschaftspolitische Strategie sollte aber nicht nur darauf abzielen, Schwächen auszumerzen, sondern
vielmehr auch darauf, vorhandene Stärken auszubauen. Auch diese Stärken werden im Rahmen
dieser Studie klar identifiziert. So schnitt Deutschland beispielsweise bei Einzelindikatoren in den
Bereichen „Forschung und Entwicklung“, „Exporttätigkeit“ und „Innovation“ im internationalen Vergleich sehr gut ab.
Die hier vorliegende Standortanalyse fußt ausschließlich auf quantitativen Kriterien. Dies unterscheidet sie von anderen internationalen Vergleichen der Wettbewerbsfähigkeit und der Standortqualität, die oftmals stark auf Umfrageergebnissen basieren. Derartige Meinungsbilder überzeichnen häufig die tatsächliche Entwicklung. Die Studie umfasst neben den wichtigsten Industrienationen auch Polen als größtes neues EU-Land und die sogenannten BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China.
Das Standort-Ranking von Allianz und Dresdner Bank basiert auf 17 Indikatoren, die sich folgenden Teilrankings zuordnen lassen: Wirtschaftliche Leistungskraft, wirtschaftliche Dynamik, Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen (Wirtschaftspotenzial) sowie Nachhaltigkeit der fiskalischen und ökologischen Entwicklung. Die in der Analyse betrachteten 17 Länder
repräsentieren insgesamt rund 80 % der weltwirtschaftlichen Wertschöpfung.
Ursache für die zuletzt verbesserte Position Deutschlands ist vor allem, dass sich die Teilindikatoren für die wirtschaftliche Dynamik im Jahr 2006 nach einer längeren Schwächephase wieder deutlich steigern konnten. Insgesamt fallen die guten Ergebnisse kleinerer EU-Staaten beim Gesamtranking sowie die Dominanz der Emerging Markets beim Teilranking „wirtschaftliche Dynamik“
auf. An dieser Dominanz dürfte sich wohl auch auf absehbare Zeit nichts ändern.
2
2. Positionsbestimmung auf Basis harter Fakten
Die deutsche Wirtschaft hatte über Jahrzehnte international einen sehr guten Ruf, ab Mitte der
neunziger Jahre begann sich ihr Image aber drastisch zu verschlechtern. Mehr und mehr sah man
in ihr den kranken Mann Europas. Große strukturelle Rigiditäten wurden ihr zugeschrieben. Seit
2006 in Deutschland aber ein kräftiger Aufschwung eingesetzt hat, wandelt sich die internationale
Beurteilung der deutschen Wirtschaft wieder zum Positiven. Ihre Reformen sind bereits als Vorbild
für andere europäische Länder im Gespräch.
Ist die deutsche Wirtschaft innerhalb von ein, zwei Jahren wieder ein so viel besserer Standort
geworden? Oder war sie in den Jahren zuvor gar nicht so schlecht, wie sie bisweilen beurteilt wurde? Diesen Fragen wollen wir im folgenden anhand eines eigenen Standortvergleichs nachgehen.
Wir haben uns dafür entschieden, ausschließlich quantitative Indikatoren zu verwenden. Internationale Vergleiche der Wettbewerbsfähigkeit und der Standortqualität beziehen häufig in starkem
Maße Umfrageergebnisse unter Fachleuten und Managern mit ein oder beruhen sogar ausschließlich darauf. Meinungsbilder überzeichnen jedoch gelegentlich die Entwicklung der Fakten. Der von
uns entwickelte Standortindikator greift deshalb nicht auf Umfragen zurück.
Als Ursachen für Standortschwächen und –stärken sind häufig Faktoren bedeutsam, die nur
qualitativ erfassbar sind. Beispielsweise lässt sich die Arbeitsmarktflexibilität oder Regulierungsdichte kaum anhand quantitativer Indikatoren international vergleichen. Für ein Länder-Ranking,
das nur die Ursachen von Standortschwächen abbildet, fehlt von daher eine quantitative Grundlage. Demgegenüber lässt sich der Erfolg eines Standorts anhand einer Vielzahl von quantitativen
Indikatoren bewerten. Das von uns entwickelte Standort-Ranking beruht deshalb auf Indikatoren
für den wirtschaftlichen Erfolg. Auf die Ursachenanalyse gehen wir in ergänzenden Abschnitten
ein.
Für die Attraktivität und den Erfolg eines Standorts spielen sowohl seine aktuelle wirtschaftliche
Leistungskraft als auch seine aktuelle wirtschaftliche Dynamik eine Rolle. Mindestens ebenso
wichtig aber dürften die wirtschaftlichen Größen sein, die auf das wirtschaftliche Potenzial eines
Landes – also die Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen – sowie auf
die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung hinweisen. Für das Standort-Ranking haben wir insgesamt 17 Indikatoren ausgewählt, die mittels einer Gleichgewichtung in das Gesamtranking eingehen. Sie ordnen sich den genannten vier Kategorien wie folgt zu:
-
wirtschaftliche Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit: 2 Indikatoren
-
wirtschaftliche Dynamik: 3 Indikatoren
-
Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen: 7 Indikatoren
•
Sachkapitalbildung
•
Humankapitalbildung
•
Forschung und Innovation
3
•
-
Zuwanderung von Kapital und Arbeitskräften
Ausgewogenheit und Nachhaltigkeit der fiskalischen und ökologischen Entwicklung: 5 Indikatoren
•
nachhaltiger Staatshaushalt
•
Leistungsbilanzsaldo
•
ressourcen- und umweltschonendes Wirtschaften.
Als Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungskraft findet als umfassender Wohlstandsindikator
das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner Verwendung. Als Kennzeichen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit kann die Exportkraft einer Volkswirtschaft betrachtet werden. Indikator hierfür ist
der Export je Einwohner.
Das zentrale Maß für die wirtschaftliche Dynamik einer Volkswirtschaft stellt das Wachstum des
Bruttoinlandsprodukts dar. Es lässt sich definitorisch zerlegen in das Wachstum der Beschäftigung
und der Arbeitsproduktivität. Beide Komponenten – Beschäftigung und Produktivität – haben wir in
unser Standort-Ranking als Indikatoren aufgenommen, sodass die Entwicklung des Wirtschaftswachstums hierdurch implizit eine Doppelgewichtung erfährt. Als dritter Indikator, der die wirtschaftliche Dynamik anzeigt, geht das Exportwachstum ein.
Als Indikatoren für die Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen wurden
ausgewählt: die Investitionsquote, die tertiären Bildungsabschlüsse in Prozent der Bevölkerung, die
Erwerbsquote, die F&E-Ausgaben in Prozent des BIP, die Zahl der Patente je Einwohner, die ausländischen Direktinvestitionen in Prozent des BIP und der Wanderungssaldo von Arbeitskräften.
Hinsichtlich der Ausgewogenheit und Nachhaltigkeit der fiskalischen und ökologischen Entwicklung verwenden wir als Indikatoren den staatlichen Schuldenstand und die staatliche Primärverschuldung in Prozent des BIP, den Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP, sowie den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß je BIP-Einheit. Die Verfügbarkeit von Ressourcen und die Ausgewogenheit der wirtschaftlichen Entwicklung sind zukunftsorientierte Faktoren, die mit 12 Indikatoren im Standort-Ranking mit einem klaren Übergewicht vertreten sind. Die aktuelle wirtschaftliche
Leistungskraft und Dynamik gehen mit 5 Indikatoren ein.
Im Standortwettbewerb stehen die Industrieländer heute nicht mehr allein untereinander; sie müssen sich mehr und mehr mit Emerging Markets als ernsthafte Konkurrenten auseinandersetzen.
Von daher reicht es nicht mehr aus, Standortvergleiche auf die Industrieländer zu beschränken.
Deshalb haben wir in unser Standort-Ranking die vier bedeutendsten Emerging Markets, die sogenannten BRIC-Länder Brasilien, Russland, Indien und China aufgenommen. Von Seiten der Industrieländer wurden die neun wirtschaftlich größten EU-Länder, Polen als größtes neues Beitrittsland
sowie die G7-Länder USA, Japan und Kanada einbezogen. Die in dem Untersuchungskreis berücksichtigten Länder repräsentieren insgesamt gut 80 % der weltwirtschaftlichen Wertschöpfung.
4
Wie wird das Standort-Ranking berechnet?
Im Rahmen dieser Studie haben wir 18 Länder (inklusive Euro-Raum) im Hinblick auf ihren
wirtschaftlichen Erfolg untersucht und miteinander verglichen. Zu diesem Zweck wählten wir
insgesamt 17 quantitative Indikatoren aus, die sich nach unserer Einschätzung dafür eignen, den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes zu beurteilen. Unser Augenmerk lag dabei nicht
auf einer statischen Betrachtungsweise, sondern vielmehr darauf, eine Einschätzung darüber
zu erhalten, wie sich ein Land bezüglich seiner Standortattraktivität im Zeitablauf relativ zu
anderen Ländern entwickelt hat. Zu diesem Zweck wählten wir drei Jahre aus, für die wir die
entsprechenden Indikatoren analysierten: 2000, 2003 und 2006. Bei den von uns verwendeten Daten handelt es sich ausnahmslos um Jahreswerte. In einzelnen Fällen lagen Angaben
für die von uns ausgewählten Beobachtungszeitpunkte nicht vor. In diesen Fällen wählten wir
den nächstgelegenen Beobachtungszeitpunkt aus, für den die Information zur Verfügung
stand. Bei den Indikatoren „Zuwanderung von Arbeitskräften“ und „Bildungsabschlüsse“ konnten wir Brasilien, China, Indien und Russland nicht in den Ländervergleich einbeziehen, da
uns keine entsprechenden nationalen Daten vorlagen.
Wie gelangt man nun konkret zum Ranking? In einem ersten Schritt haben wir für jeden
einzelnen Indikator eine Rangliste der betrachteten Länder erstellt. Dasjenige Land mit dem
besten Wert bekam den ersten Platz zugewiesen, das zweitbeste Platz 2 und so weiter. Bei
Wertgleichheit erhielten die betroffenen Länder dieselbe Platzierung. In einem zweiten Schritt
ermittelten wir auf Basis der 17 Einzelrankings die durchschnittliche Platzierung jedes Landes,
indem wir dessen Einzelplatzierungen aufaddiert und anschließend durch die Anzahl der Indikatoren geteilt haben. Zu guter Letzt wurden dann alle 18 Länder erneut gemäß ihres ermittelten Durchschnittswertes geordnet, um so das Gesamtranking zu erhalten. Dasjenige Land,
das den niedrigsten Durchschnittswert ausweist, landet beim Standort-Ranking dann insgesamt auf dem ersten Platz, dasjenige mit dem höchsten auf dem letzten Platz.
Zusätzlich zum Gesamtranking ermittelten wir für verschiedene Untergruppen von Indikatoren weitere Rankings. Zu diesem Zweck haben wir die 17 Einzelindikatoren thematisch in
vier Blöcke eingeteilt: wirtschaftliche Leistungskraft, wirtschaftliche Dynamik, Verfügbarkeit
von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen sowie Nachhaltigkeit der fiskalischen und
ökologischen Entwicklung. Auch für diese Untergruppen ermittelten wir analog zu dem eben
beschriebenen Vorgehen jeweils ein Gruppenranking. Die Zuordnung der einzelnen Indikatoren zu den Untergruppen hat natürlich eine direkte Auswirkung auf das Abschneiden eines
Landes bei einer speziellen Untergruppe. Sie hat jedoch keine Auswirkung auf das Gesamtergebnis, da alle Indikatoren mit dem gleichen Gewicht in die Gesamtbewertung einfließen.
5
3. Gesamtauswertung: Deutschland aktuell gleichauf mit den USA klar vor
den BRIC-Ländern, kleinere EU-Staaten erzielen beachtliche Resultate
Unangefochtener Sieger unseres Standortvergleichs zu allen drei Beobachtungszeitpunkten ist
Schweden. In keinem der vier Teilrankings weist es eine ausgeprägte Schwachstelle auf. Träger
der Silbermedaille sind durchweg die Niederlande mit einem gewissen Manko bei der Indikatorengruppe „wirtschaftliche Dynamik“. Großbritannien konnte seine Position verbessern und liegt
nun auch auf dem zweiten Rang.
Performance-Vergleich der Standorte
2000
2003
2006
Schweden
1
Schweden
1
Schweden
1
Niederlande
2
Niederlande
2
Niederlande
2
Großbritannien
3
Österreich
3
Großbritannien
2
Kanada
4
Spanien
4
Belgien
4
Deutschland
5
Belgien
5
Österreich
5
Japan
6
Japan
6
Frankreich
6
Frankreich
7
Großbritannien
7
Kanada
7
USA
8
Frankreich
8
Deutschland
8
Belgien
9
Deutschland
9
USA
8
Österreich
10
Euro-Raum
10
Euro-Raum
10
Euro-Raum
11
USA
11
Spanien
11
Spanien
12
Brasilien
12
Japan
12
Italien
13
China
13
China
13
Brasilien
14
Russland
14
Brasilien
14
China
15
Kanada
15
Russland
15
Polen
16
Italien
16
Italien
16
Russland
17
Indien
17
Indien
17
Indien
18
Polen
18
Polen
18
Entgegen dem aktuellen Medientenor, wo Frankreich mitunter sogar schon als „neuer kranker
Mann“ Europas bezeichnet wurde, schneidet es 2006 an sechster Stelle besser als Deutschland
ab, das sich mit den USA Platz 8 teilt. Der deutsche Standort ist gegenüber dem Jahr 2000, als
er noch Fünfter in unserer Rangliste war, zurückgefallen. Gegenüber dem neunten Platz 2003
ging es aber zuletzt wieder bergauf. Während sich Deutschland nach dem vorherigen Rückfall
bei der wirtschaftlichen Dynamik 2006 deutlich steigern konnte, ist der Abwärtstrend bei der Verfügbarkeit von Arbeit, Kapital und technologischem Wissen noch nicht gestoppt. An dieser Stelle
sei nochmals angemerkt, dass sich an unserem Ranking ausschließlich ablesen lässt, wie sich ein
Standort im Vergleich zu den anderen entwickelt hat. D.h. wir ermitteln keine absolute Performance, sondern orientieren uns am Wettbewerbsgedanken: Wenn alle gut sind, muss man besser sein;
in (konjunkturell) schlechten Zeiten sollte man zumindest versuchen, „der Einäugige unter den
Blinden“ zu sein.
6
Unter den G3-Ländern erzielt Japan auf Platz 12 gegenwärtig das schwächste Ergebnis,
hingegen war es sowohl 2000 als auch 2003 noch Sechster (die Verschlechterung kommt von den
Bereichen wirtschaftliche Dynamik sowie Leistungskraft). Auch Spaniens Platzierung weist beträchtliche Schwankungen auf: 2003 lag sie merklich weiter oben als zu den zwei anderen Untersuchungszeitpunkten. Umgekehrt hatte insbesondere Kanada zum mittleren Untersuchungszeitpunkt einen „Durchhänger“ (vorwiegend bedingt durch die Kategorien Leistungskraft sowie Verfügbarkeit von Ressourcen). An dreizehnter Stelle steht China als bestes Schwellenland, nacheinander folgen Brasilien und Russland. Einen enttäuschenden und zugleich alarmierenden
sechzehnten Platz in der Gesamtauswertung belegt Italien. Ebenfalls schlechte Zeugnisse erhalten Indien sowie Polen.
Insgesamt erscheint schließlich das Abschneiden der kleineren EU-Staaten bemerkenswert:
Nicht nur dass Schweden und die Niederlande auf dem Siegerpodest landen, sondern auch Belgien und Österreich liegen an zuletzt vierter bzw. fünfter Stelle gut im Rennen. Dabei mag eine
Rolle spielen, dass kleine Volkswirtschaften überschaubarer und die Umsetzungswege der Wirtschaftspolitik dort kürzer sind. Insofern kann ihnen die Gestaltung eines für sie passenden, Erfolg
bringenden Wirtschaftsmodells möglicherweise leichter fallen als im Falle großer Länder. Eine genauere Analyse anhand der vier Teilbereiche, die unseres Erachtens Standortqualität ausmachen,
erfolgt nun aber in den nächsten Abschnitten. Hier werden sowohl das Gesamtergebnis – wie es
zustande kommt, was es aussagt – als auch Auffälligkeiten näher beleuchtet. Dabei ergänzen die
Tabellen im Anhang das Stärken-Schwächen-Profil aller untersuchten Länder.
4. Ergebnisse Subindikatoren
4.1 Wirtschaftliche Leistungskraft:
Industrieländer unangefochten an der Spitze
Unter der wirtschaftlichen Leistungskraft eines Landes verstehen wir im Wesentlichen seinen
gesamtwirtschaftlichen Wohlstand, der sich am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner messen
lässt. Da bei einem Standortvergleich aber auch die Exportstärke eines Landes, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit, nicht fehlen darf, haben wir die Exporte je Einwohner in die Beurteilung
der wirtschaftlichen Leistungskraft mit einbezogen. Bei beiden Indikatoren handelt es sich um
Strukturindikatoren. Von daher ist es wenig überraschend, dass sich das Ranking bei dieser Indikatorengruppe im Zeitablauf als recht stabil erweist.
7
Leistungskraft
2000
2003
2006
Niederlande
2
1
1
Schweden
1
1
2
Österreich
5
3
3
Belgien
4
3
4
Kanada
2
10
5
Großbritannien
7
8
6
Deutschland
8
5
7
USA
9
5
7
Entwicklung im Ranking
Frankreich
10
8
9
Euro-Raum
12
11
10
Italien
11
11
10
Japan
5
5
10
Spanien
13
13
13
Polen
14
14
14
Russland
15
15
15
Brasilien
15
15
16
China
17
17
16
Indien
18
18
18
Wenig überraschend ist auch, dass die Industrieländer hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft klar besser abschneiden als die Schwellenländer. So sind im Jahr 2006 die ersten
dreizehn Plätze allesamt durch Industrieländer belegt. Am besten schneiden die Niederlande ab,
die sich 2003 vom zweiten auf den ersten Platz verbesserten und diesen Platz im vergangenen
Jahr auch verteidigen konnten. Deutschland rangiert seit dem Jahr 2000 im oberen Mittelfeld und
landete im Jahr 2006 auf dem siebten Platz. Dabei sind die Veränderungen bei den einzelnen Indikatoren recht gering: Über den gesamten Beobachtungszeitraum ist eine leichte Verschlechterung
beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner festzustellen. Beim zweiten Indikator, den Exporten je
Einwohner, hat sich Deutschland im Ranking etwas verbessern können. Ein Aspekt erscheint uns
besonders bemerkenswert: Deutschland hat im Hinblick auf sein Wohlstandsniveau im Vergleich
mit dem europäischen Durchschnitt spürbar an Boden verloren. Das nominale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ist in Deutschland nur noch geringfügig höher als im Euro-Raum. Im Vergleich
zum Durchschnitt in der „alten“ EU (EU 15) ist es sogar niedriger.
Und wie steht die größte Volkswirtschaft der Welt dar? Nachdem sich die USA im Jahr 2003 vom
neunten auf den fünften Platz verbessern konnten, haben sie zuletzt wieder etwas an Boden verloren und liegen aktuell auf dem siebten Platz. Interessant ist die ausgeprägte Divergenz bei den
einzelnen Indikatoren. Während die USA seit Jahren unangefochten auf dem ersten Platz bezüglich des höchsten Bruttoinlandsprodukts je Einwohner stehen, spiegelt sich die vergleichsweise
geringe Exportfähigkeit im schlechten Abschneiden bei den Exporten wider. Hier kommt das
Land seit Jahren nur auf den dreizehnten Platz.
8
2000
China
Russland
Polen
EU15
Schweden
Euro-Raum
Niederlande
Spanien
Italien
Frankreich
35000
30000
25000
20000
15000
10000
5000
0
Deutschland
Nominales Bruttoinlandsprodukt je Einwohner
in Euro, jeweilige Wechselkurse
2006
Nur bei wenigen Ländern kam es im Zeitablauf zu einer sehr deutlichen Veränderung im Ranking,
nämlich bei Japan und Kanada. Interessant dabei ist insbesondere die Entwicklung Japans. Die
größte asiatische Volkswirtschaft verlor zwischen 2000 und 2006 kräftig an Boden und fiel in
diesem Zeitraum vom fünften auf den zehnten Rang zurück. Das schwächere Abschneiden erklärt
sich im Wesentlichen bei einem Blick auf den Indikator Bruttoinlandsprodukt je Einwohner. Hier fiel
Japan vom ersten Platz im Jahr 2000 auf den zehnten Platz im vergangenen Jahr zurück. Verantwortlich dafür war neben der Wechselkursentwicklung des Yen gegenüber dem Euro vor allem
auch die jahrelange Deflation, die bei eher bescheidenen Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts dafür gesorgt hat, dass das nominale Bruttoinlandsprodukt über längere Zeit allenfalls geringfügig gewachsen ist.
Russland schneidet unter den BRIC-Ländern am besten ab. Seit dem Jahr 2000 belegt die
größte der ehemaligen Sowjetrepubliken den fünfzehnten Platz. Die Veränderungen bei den beiden Teilindikatoren sind minimal. Lediglich beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner konnte sich
Russland zuletzt von dem sechszehnten auf den fünfzehnten Rang verbessern. In absoluten Zahlen ist die Verbesserung deutlich beeindruckender: Zwischen 2000 und 2006 stieg das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner von EUR 1.917 auf EUR 5.476.
Das Schlusslicht bei diesem Teilranking ist eindeutig Indien. Bei beiden Indikatoren und zu
sämtlichen Beobachtungszeitpunkten rangierte das asiatische Schwellenland an letzter Stelle.
Besonders auffallend sind die sehr niedrigen Exporte je Einwohner. Auch wenn die Exportkraft
Indiens im internationalen Vergleich nach wie vor sehr niedrig ist, so sollte man dabei aber nicht
übersehen, dass sich die indische Exportwirtschaft in den vergangenen Jahren kräftig entwickelt
hat. Immerhin haben sich die Exporte je Einwohner zwischen 2000 und 2006, wenn auch von niedrigem Niveau aus, mehr als verdoppelt. Bei den Industrieländern schneidet Spanien am
9
schlechtesten ab. Beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner landet Spanien vor Polen und Russland auf Platz 13. Bei den Exporten belegt das Land seit Jahren den zwölften Platz und liegt damit
aktuell hinter Japan.
4.2 Wirtschaftliche Dynamik: Emerging Markets haben die Nase vorn
Im Gegensatz zu den Indikatoren, die wir bei der wirtschaftlichen Leistungskraft betrachten, weisen
Produktivitätswachstum, Beschäftigungsentwicklung und reales Exportwachstum, also diejenigen Indikatoren, die in unserem Standort-Ranking die wirtschaftliche Dynamik eines Landes
widerspiegeln, in der Regel deutlich stärkere Schwankungen im Zeitverlauf auf. Dies bringt natürlich eine spürbar höhere Volatilität der Rankings mit sich. Ein Land, das in einem Jahr zu den
besten gehört hat, kann sich möglicherweise angesichts einer negativen konjunkturellen Entwicklung nur wenige Jahre später am unteren Ende der Länderliste wiederfinden.
Dynamik
2000
2003
2006
Indien
1
1
1
Polen
2
5
2
China
10
2
3
4
10
4
USA
15
8
5
Großbritannien
12
8
6
Brasilien
17
5
7
Deutschland
10
17
8
Russland
8
3
9
Euro-Raum
5
14
10
Spanien
8
4
10
Belgien
Entwicklung im Ranking
Schweden
12
12
12
Frankreich
2
14
12
Japan
6
5
12
15
16
12
6
11
16
Österreich
18
13
17
Italien
14
18
18
Niederlande
Kanada
Wie nicht anders zu erwarten führen die Emerging Markets das Ranking klar an. Im Jahr 2006
sind die ersten drei Plätze durch Schwellenländer belegt: Auf Platz 2 und 3 liegen Polen und
China. Indien, das bei der wirtschaftlichen Leistungskraft durchweg auf Platz 18 landete, kommt in
Sachen Dynamik zu jedem der drei Beobachtungszeitpunkte auf den ersten Platz. Das beste Industrieland war im Jahr 2006 Schweden auf Platz 4. Da nahezu alle Länder im Zeitverlauf kräftige
10
Rankingsprünge zu verzeichnen hatten, soll an dieser Stelle nur auf einige besonders auffällige
Bewegungen eingegangen werden. Das Ranking Deutschlands gleicht beispielsweise einer
Achterbahnfahrt: Auf den regelrechten Absturz vom zehnten auf den siebzehnten Platz im Jahr
2003 folgte ein Sprung auf den achten Platz im vergangenen Jahr. Besonders deutlich fiel zuletzt
die Verbesserung bei der Arbeitsproduktivität aus, bei der Deutschland im Vergleich zu 2003
sechs Plätze gutmachen konnte. Nichts bewegte sich hingegen in Sachen Beschäftigungswachstum, zumindest was die Platzierung angeht: Nach wie vor nur der siebzehnte Platz. Angesichts
eines Plus von 0,6 % im vergangenen Jahr ist das zunächst erstaunlich. Wenn man sich allerdings
vor Augen führt, dass der Durchschnitt im Euro-Raum sogar bei 1,4 % gelegen hat, erscheint die
Platzierung durchaus plausibel.
Arbeitsproduktivität (reales BIP pro Beschäftigten)
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
-0,5
-1,0
-1,5
-2,0
Deutschland
Frankreich
2000
Italien
2003
Spanien
Euro-Raum
2006
Am schlechtesten schneidet im Ländervergleich Italien ab. Seit 2003 liegt das Land auf dem
achtzehnten Platz. Während der Beschäftigungsaufbau seit Jahren recht kräftig ist, entwickeln sich
Produktivität und reale Exporte nur sehr schwach. Ein Produktivitätsproblem hat auch Spanien, das bei diesem Indikator im vergangenen Jahr auf dem achtzehnten Platz landete. Während
die Produktivität im Euro-Raum um 1,3 % anstieg, ging sie in Spanien um 0,2 % zurück. 2003 belief sich das Minus sogar auf 0,9 %. Interessant ist auch die Entwicklung Japans: Trotz der konjunkturellen Erholung der vergangenen Jahre hat sich das Ranking der japanischen Volkswirtschaft
spürbar verschlechtert. Lag das Land im Jahr 2003 noch auf dem fünften Platz, ist es in der Zwischenzeit auf den zwölften Rang zurückgefallen. Dies liegt jedoch weniger an den tatsächlichen
Entwicklungen in der japanischen Wirtschaft, als vielmehr daran, dass sich relativ betrachtet andere Länder deutlich besser entwickelt haben. 2003 ging die Beschäftigung in Japan noch zurück.
2006 konnte mit einem Plus von immerhin 0,4 % eine leichte Verbesserung erzielt werden. Trotz11
dem verlor Japan in diesem Zeitraum vier Plätze, weil eben die Entwicklung in anderen Ländern
deutlich positiver verlaufen ist. Aber genau das soll ja auch in einem Standort-Ranking zum Ausdruck kommen: Die Attraktivität eines Standorts im relativen Vergleich mit anderen Ländern.
Was ist das Fazit der doch teils recht unterschiedlichen Ergebnisse im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungskraft und die wirtschaftliche Dynamik der betrachteten Länder? Die Schwellenländer
befinden sich in einem sehr dynamischen Aufholprozess. Das Abschneiden der Emerging Markets bei der Bewertung der wirtschaftlichen Leistungskraft zeigt, dass dieser Prozess noch sehr
viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Bis diese Länder beispielsweise beim Bruttoinlandprodukt je
Einwohner die Kluft zu den Industrieländern auch nur ansatzweise geschlossen haben werden,
dürften sicherlich noch einige Jahrzehnte vergehen. Damit steht aber auch eine weitere Konsequenz fest: An den doch sehr unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich Leistungskraft und Dynamik wird sich auf lange Sicht nichts Grundsätzliches ändern: Die Schwellenländer werden bei
der Dynamik dominieren und die Industrieländer bei der Leistungskraft.
4.3 Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen:
Deutschland bleibt hinter anderen großen Wirtschaftsnationen zurück
Heute wird morgen Schnee von gestern sein. Noch wichtiger als die Beurteilung, wie ein Standort
aktuell dasteht, ist unseres Erachtens die Frage, ob er sich gut genug für die Zukunft gerüstet
hat, um längerfristig im globalen Wettbewerb an vorderster Front mitmischen zu können. Deshalb
haben in unserem Standortvergleich die folgenden beiden Indikatorengruppen zusammengenommen ein größeres Gewicht als die in den vorangegangenen Abschnitten behandelten Kenngrößen.
Unter der Überschrift „Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen“ sind die
Einzelindikatoren Investitionsquote (Bruttoinvestitionen in % des BIP), F&E-Ausgaben (in %
des BIP), Patentanmeldungen (beim Europäischen Patentamt, je 1 Mio. Einwohner), Bevölkerungsanteil mit tertiärem Bildungsabschluss (25-64 Jahre), Erwerbsquote (Erwerbstätige in %
aller Erwerbspersonen), Wanderungssaldo (Zuwanderer minus Abwanderer) und ausländische
Direktinvestitionen (in % des BIP) subsummiert. Mit dieser Auswahl wollen wir verschiedenen
Aspekten von „Zukunftsfähigkeit“ gerecht werden, wobei hier nicht auf die künftige wirtschaftliche
Dynamik abgestellt wird, sondern auf das Niveau des wirtschaftlichen Potenzials. Die verfügbaren Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital bestimmen die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft. Ob sie ihrer Bevölkerung auf Dauer Wohlstand gewährleisten kann, hängt nach unserer
Ansicht außerdem ganz wesentlich von den Faktoren Wissen und Innovationen ab. Die ausgewählten Kennzahlen liefern Anhaltspunkte darüber, wie viel in einem Land dafür getan wird, dass
neue Erkenntnisse entstehen, sich verbreiten und angewendet werden können. Hierbei spielen
nicht nur eigenes Geld oder Humankapital eine Rolle, sondern auch Ressourcen aus dem Ausland.
Sowohl der Wanderungssaldo als auch die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) sind daneben
aber natürlich auch Ausdruck für die Attraktivität des Standorts.
12
Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und
technologischem Wissen
2000
2003
2006
Kanada
4
7
1
Schweden
1
5
2
USA
2
2
3
Japan
5
4
4
Belgien
9
6
5
Frankreich
10
10
6
Euro-Raum
12
9
7
Entwicklung im Ranking
Großbritannien
7
13
8
Deutschland
5
8
9
Niederlande
3
1
9
11
10
9
8
2
12
China
14
12
13
Italien
15
15
14
Russland
17
16
15
Brasilien
13
14
16
Polen
15
17
17
Indien
18
18
18
Spanien
Österreich
Unsere Ergebnisse lauten: Nach einem gehörigen Sprung ist Kanada die neue Nummer eins vor
Schweden. Insgesamt fällt auf, dass die Platzierungen teils erheblich schwanken, was häufig auf
die Einzelindikatoren der Direktinvestitionen und Investitionsquote zurückzuführen ist. So rutschten
etwa die Niederlande sowie Österreich von Platz 1 bzw. 2 im Jahr 2003 auf nun Rang 9 bzw. 12
ab. Durch eine kontinuierlich hohe Ressourcenverfügbarkeit zeichnen sich vor allem die
USA aus (gefolgt von Schweden und Kanada). Japan belegt im Durchschnitt der Beobachtungszeitpunkte einen recht guten vierten Rang.
Deutschland hat an Potenzial verloren, findet sich aktuell an neunter Stelle dieses Teilrankings,
bleibt aber top bei den Patentanmeldungen sowie Vierter bei den F&E-Ausgaben. Gemeinsam mit
Deutschland und den Niederlanden auf Platz 9 liegt Spanien trotz guter Werte bei der Investitionsquote und dem Wanderungssaldo. Außerdem sollte nicht übersehen werden, dass gerade im Falle
Spaniens in den letzten Jahren eine beachtliche Entwicklung bei der Erwerbsquote stattgefunden hat, denn das Land verbesserte sich vom vierzehnten auf den zehnten Platz. Lag die Quote
im Jahr 2000 noch gerade einmal bei 56,3 %, belief sie sich nur sechs Jahre später bereits auf
64,8 %. Ein derart deutlicher Anstieg ist in keinem anderen analysierten Land in diesem Zeitraum
zu beobachten gewesen.
Frankreich, das sich im Zeitablauf steigern konnte, schnitt 2006 im Teilranking mit Position 6 etwas besser als der Euro-Raum im Ganzen ab. Leicht hinter dem EWU-Aggregat liegt Großbritannien. Mit zuletzt Rang 14 erscheint Italien unter den betrachteten Industrieländern am
13
schlechtesten für die Zukunft gewappnet. Nachholbedarf besteht hier insbesondere in puncto
Erwerbsquote, F&E-Ausgaben sowie tertiärem Bildungsanteil. Das beste Schwellenland ist China an dreizehnter Position, wobei uns für die BRIC-Länder keine Daten zum Bevölkerungsanteil
mit tertiärem Bildungsabschluss und zum Wanderungssaldo vorliegen. Desgleichen sind für Russland keine vergleichbaren Daten zur Erwerbsquote verfügbar. Chinas Platzierung kommt hauptsächlich dank der hohen Investitionsquote zustande. Insofern bleibt mit Fragezeichen zu versehen,
wie viel echte Innovationskraft – im Sinne von eigenem Erfindungsgeist oder der Fähigkeit, Knowhow selbst zu entwickeln – man diesem Land schon zuschreiben kann. Bemerkenswert ist allerdings dennoch, dass nur in China und Österreich die F&E-Ausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Zeitablauf nennenswert zugenommen haben. Die Stagnation sowie der leichte
Rückgang des Anteils in einigen EU-Staaten sind nicht zuletzt deshalb unbefriedigend, weil sich
die Europäische Union im Rahmen der Lissabon-Agenda eigentlich zum Ziel gesetzt hatte, die
F&E-Ausgaben bis 2010 auf 3 % des BIP zu steigern.
Schweden
Japan*
USA*
Deutschland
Österreich**
Frankreich
Kanada
Euro-Raum
Belgien
Niederlande*
Großbritannien*
China
Russland*
Spanien
Italien*
Brasilien*
Indien*
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
Polen
F&E-Ausgaben in % des BIP 2000/2005
* 2004
** 2006
In unserem Teilranking liegen Russland und Brasilien vor Polen. In Sachen Verfügbarkeit von
Arbeit, Kapital und technologischem Wissen an letzter Stelle steht Indien. Besonders fällt hier die
sehr niedrige Erwerbsquote von zuletzt gerade einmal 44 % auf. Dabei dürfte die Tatsache, dass in
Indien noch ein Großteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist, ohne dass diese Beschäftigung statistisch als Erwerbstätigkeit erfasst wird, sicherlich eine gewisse Rolle gespielt haben.
Dass die Emerging Markets beim Wirtschaftspotenzial überwiegend die hinteren Plätze belegen, ist
u.a. mit Blick auf die unterschiedliche Spezialisierung in der internationalen Arbeitsteilung
kaum verwunderlich und dürfte sich auch vorerst nicht wesentlich ändern. Für die Industrieländer
geht der grundsätzliche Weg, um sich im internationalen Konkurrenzkampf einen Wettbewerbsvorteil zu sichern, weiter in Richtung Ausbau der Wissensgesellschaft, Spezialisierung auf neue Technologien, Hightech-Produkte, etc.. Natürlich erhöht sich diesbezüglich auch der Standard in den
14
aufstrebenden Volkswirtschaften, aber sie sind typischerweise eben nicht in der Vorreiterrolle sondern Nachzügler.
4.4 Nachhaltigkeit der fiskalischen und ökologischen Entwicklung:
Industrieländer mit sehr gemischten Ergebnissen
Unsere vierte und letzte Indikatorengruppe soll Aufschluss darüber geben, ob sich in einem Land
Ungleichgewichte oder ungesunde Entwicklungen erkennen lassen, die eine Hypothek oder
Risiken für die Zukunft darstellen. Hinsichtlich der Frage, ob die öffentlichen Finanzen auf Dauer
tragfähig erscheinen, haben wir zum einen den staatlichen Schuldenstand (in % des BIP) herangezogen, mit dem zukünftige Zinslasten verbunden sind. Zum anderen geht der öffentliche Primärsaldo (Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben abzüglich der Zinszahlungen auf die
ausstehenden Staatsschulden, in % des BIP) in die Beurteilung ein. Er gibt Auskunft über die laufende Haushaltsführung, ohne wie der Budgetsaldo durch aus der Vergangenheit resultierende
Zinszahlungen „verfälscht“ zu sein: Lebt der Staat über seine Verhältnisse oder sorgt er für morgen
vor?
Den Leistungsbilanzsaldo (in % des BIP) haben wir unter dem Aspekt der Tragfähigkeit einbezogen, da heutige Defizite die Gefahr einer späteren realwirtschaftlichen Anpassung bergen. Ein
erhebliches Leistungsbilanzdefizit kann eine problematische Abhängigkeit vom Ausland bedeuten,
ein Überschuss mag Beleg einer Position der Stärke gegenüber dem Rest der Welt sein. Der Leistungsbilanzsaldo lässt sich als Summe der Finanzierungssalden des inländischen privaten und
öffentlichen Sektors ausdrücken, insofern gibt er indirekt Aufschluss über deren zusammengefasste Finanzlage.
Spätestens seitdem der Klimawandel zum Topthema geworden ist sowie im Lichte des Ölpreisanstiegs und zunehmender Sorgen um Rohstoffknappheit dürfte Einigkeit bestehen, dass es mehr
denn je auf ressourcen- und umweltschonendes Wirtschaften ankommt. Als Indikatoren für jene
Nachhaltigkeit enthält unser Standortvergleich sowohl den Gesamtverbrauch an Primärenergie
als auch den CO2-Ausstoß je Produktionseinheit (t Öläquivalent bzw. Mio. t pro 1.000 USD BIP,
Basisjahr 2000, in Kaufkraftparitäten).
15
Nachhaltigkeit der fiskalischen und
ökologischen Entwicklung
2000
2003
2006
Schweden
1
1
1
Entwicklung im Ranking
Österreich
6
4
2
Brasilien
6
2
3
Spanien
9
3
3
Niederlande
2
6
5
Russland
12
8
6
Frankreich
5
9
7
3
5
7
Deutschland
Großbritannien
11
12
9
Euro-Raum
8
10
9
Italien
4
6
9
Belgien
10
11
12
China
13
13
13
Japan
15
15
14
Kanada
14
16
15
Indien
17
13
16
USA
16
18
17
Polen
18
17
18
Das Teilranking der fiskalischen und ökologischen Nachhaltigkeit wird konstant von Schweden
angeführt, obwohl hier eine kleine Schwäche in puncto Energieverbrauch pro BIP-Einheit besteht.
Österreich konnte sich 2006 auf den zweiten Platz vorschieben, von dort verdrängte es Brasilien
an die dritte Stelle. Beide Länder verdanken ihr gutes Abschneiden vor allem ihrer Energieeffizienz
und Umweltverträglichkeit. Im Falle Brasiliens mag dies überraschen, doch zum einen gilt es zu
bedenken, dass dort der landwirtschaftliche Sektor ein relativ großes Gewicht hat, zum anderen ist
Brasilien führend in der Nutzung von Biokraftstoffen. Auch Spanien liegt trotz seines hohen Leistungsbilanzdefizits auf Platz 3. Im oberen Drittel der Rangfolge findet sich aktuell neben den Niederlanden noch Russland, wo das Bild sehr zweigeteilt aussieht. Während Russland unter den
analysierten Ländern in den Kategorien Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sowie Leistungsbilanzsaldo 2006 am besten dastand, war es bei den beiden Umweltindikatoren am schlechtesten.
16
Schweden
Frankreich
Brasilien
Italien
Österreich
Großbritannien
Euro-Raum
Spanien
Japan
Indien
Deutschland
Niederlande
Belgien
USA
Kanada
Polen
China
1,4
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
Russland
CO2-Ausstoß pro Produktionseinheit*
2004
* in Mio. t pro 1000 USD-BIP (Basisjahr 2000, in Kaufkraftparitäten)
Das Mittelfeld der Rangliste nehmen weitere europäische Länder ein: Nach Frankreich und
Großbritannien an siebter Stelle kommen das EWU-Aggregat, Italien zusammen mit Deutschland
auf Platz 9, anschließend Belgien. Deutschland konnte gegenüber dem Jahr 2000 zwar seine
Leistungsbilanzposition spürbar verbessern, fiel aber im Bereich Staatsfinanzen beim Schuldenstandskriterium zurück (die Platzierung bei Energiesparsamkeit und Kohlendioxidemissionen
war zu allen drei Untersuchungszeitpunkten nahezu gleich). Das untere Drittel beginnt mit China.
Japan ist Vierzehnter, wobei es die rote Laterne sowohl beim öffentlichen Schuldenstand als
auch Primärsaldo trägt. Andere Schwachpunkte – nämlich mangelnde Ressourcen- und Umweltschonung – hat Kanada, das auf dem fünfzehnten Rang landet, gefolgt von Indien. Die USA
sind Vorletzter, nur in Polen lässt die Nachhaltigkeit der fiskalischen und ökologischen Entwicklung noch mehr zu wünschen übrig.
Die Länderverteilung im Ranking zeigt: Ob aus der heutigen Wirtschaftsweise sich kumulierende Ungleichgewichte oder Zukunftsrisiken resultieren, hängt nicht systematisch damit
zusammen, ob es sich um ein Industrie- oder Schwellenland handelt. Natürlich kann eingewandt werden, dass sich im Falle der Emerging Markets zumeist schlechtere technische Voraussetzungen und geringere Umweltstandards in den Ergebnissen für Energieeffizienz und CO2Ausstoß negativ niederschlagen. Doch wie das Beispiel USA belegt, können genauso etwa politische Weichenstellungen von erheblichem Einfluss sein. Im Unterschied zu den USA hat sich
Europa mehr in Sachen Klimaschutz engagiert und laut Europäischem Rat soll die EU diesbezüglich weiter als internationaler Vorreiter fungieren. Darüber hinaus ist selbstverständlich die öffentliche Haushaltskonsolidierung ein Gebiet, wo neben ökonomischer Machbarkeit politischer Wille
eine entscheidende Rolle spielt. Auch im nächsten Abschnitt wird deutlich, dass der Politik für die
17
Standortattraktivität wesentliche Bedeutung über die Gestaltung von Institutionen und Rahmenbedingungen zukommt.
5. Ursachen für Standortschwächen und -stärken
In dieser Studie haben wir den Standort Deutschland anhand einer Reihe von quantitativen Erfolgskriterien mit anderen größeren Volkswirtschaften verglichen. Eine Ursachenanalyse von
Standortstärken- und schwächen schloss dies nicht mit ein. Erstens würde dies angesichts der
Komplexität des Themas eine einzelne Studie überfordern, zweitens sind internationale Ursachenanalysen auf quantitativer Basis nur teilweise möglich. Wir möchten im folgenden dennoch auf einzelne Aspekte der „Ursachenforschung“ eingehen. Dabei ist das Ziel weder eine vollständige Auflistung aller denkbaren Ursachen, noch eine Gesamtbewertung der angesprochenen
Aspekte. Vielmehr wollen wir deutlich machen, welche zusätzlichen Überlegungen ein Investor
noch anstellt, um letztendlich zu dem Ergebnis zu gelangen, dass ein Standort als stärker oder
schwächer einzuschätzen ist als ein anderer. Bei den zugrundeliegenden Informationen stützen wir
uns auf Analysen Dritter, insbesondere auf internationale Institutionen.
Hier nun zunächst einige Fragestellungen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, bevor
wir dann anschließend auf einzelne ausgewählte Aspekte näher eingehen:
•
Wie stark sind Produkt- und Arbeitsmärkte reguliert?
•
Wie hoch ist die Abgabenquote für die Privaten?
•
Besteht eine gute Infrastruktur?
•
Wie stabil ist das politische System?
•
Wie gefestigt sind die Institutionen?
•
Welche Rolle spielt Korruption in Politik und Wirtschaft?
Regulierung von Produkt- und Arbeitsmärkten
Für das Funktionieren von Märkten ist ein stabiler ordnungspolitischer Rahmen erforderlich. Mittlerweile hat die Regulierung auf einigen Märkten allerdings ein Ausmaß angenommen, bei dem
man eindeutig von Überregulierung sprechen kann. Bei den Produktmärkten ist weniger Regulierung häufig mehr, solange zumindest ein ausreichendes Maß an Verbraucherschutz gewährleistet ist. Weniger Regulierung bedeutet mehr Wettbewerb und auch mehr ökonomische Freiheit
für die Marktteilnehmer. Ein Beispiel: Seit geraumer Zeit ist immer wieder die Rede von der notwendigen Deregulierung des europäischen Dienstleistungssektors. Davon verspricht man sich zum
einen niedrigere Preise für die Endverbraucher auf Grund des höheren Wettbewerbs. Auf der anderen Seite geht man auch davon aus, dass die Deregulierung positive Impulse für das Wirtschaftswachstum in der EU mit sich bringen würde.
18
Eine im April 2005 erschienene Studie der OECD bescheinigt den OECD-Staaten einen durchweg
positiven Trend: Zwischen 1998 und 2003 ist der Grad der Regulierung an den Produktmärkten in
sämtlichen Mitgliedsstaaten zurückgegangen. Vergleichbare Ergebnisse zu den BRIC-Ländern
liegen nicht vor, da bei der Studie ausschließlich OECD-Länder berücksichtigt worden sind.
Wie reguliert sind die Produktmärkte?
Land
1998
2003
Großbritannien
1,1
0,9
USA
1,3
1,0
Kanada
1,4
1,2
Schweden
1,8
1,2
Japan
1,9
1,3
Belgien
2,1
1,4
Niederlande
1,8
1,4
Österreich
1,8
1,4
Deutschland
1,9
1,4
Spanien
2,3
1,6
Frankreich
2,5
1,7
Italien
2,8
1,9
Polen
3,9
2,8
Anmerkung: Ein niedriger Wert ist Ausdruck geringer Regulierungsdichte.
Quelle: OECD
Das geringste Maß an Regulierung weisen unter allen Ländern, die sowohl in der OECD-Studie
als auch in unserer eigenen untersucht worden sind, Großbritannien und die USA auf. Zwar hat
die Deregulierung auch in Deutschland Fortschritte gemacht. Allerdings landet Deutschland nach
wie vor nur im Mittelfeld, knapp hinter der EU 15. Mit Abstand am stärksten reguliert sind die Produktmärkte nach wie vor in Polen.
Ist weniger Regulierung mehr? Diese Frage lässt sich im Hinblick auf den Arbeitsmarkt nicht
grundsätzlich beantworten, da gerade bei diesem Markt in starkem Maße auch soziale Belange
eine Rolle spielen. Positiv auf den Grad der Regulierung würde sich zum Beispiel auswirken, wenn
ein Unternehmen einen Arbeitnehmer ohne jegliche Schutzrechte und ohne soziales Netz von heute auf morgen entlassen könnte. Wäre dies unter sozialen und gesellschaftlichen Aspekten aber
wirklich wünschenswert?
19
Im Rahmen des „Doing business“-Projektes untersucht die Weltbank regelmäßig 175 Länder im
Hinblick darauf, wie einfach oder wie schwer es für ein Unternehmen in einem Land ist, geschäftlich tätig zu sein. In diese Analyse geht auch die Frage nach dem Regulierungsgrad des Arbeitsmarktes ein. Nach Einschätzung der Weltbank haben die USA den am wenigsten regulierten Arbeitsmarkt. Wenig überraschend ist auch, dass Deutschland mit Platz 129 nur im unteren Drittel
des Rankings landet. Insbesondere bei den Teilaspekten Arbeitszeitflexibilität und Entlassung
kommt der vergleichsweise hohe Regulierungsgrad des deutschen Arbeitsmarktes zum Ausdruck.
Wie reguliert ist der Arbeitsmarkt?
Land
Ranking nach Regulierungsgrad Teilaspekt Entlassung*
USA
1
0,0
Kanada
13
28,0
Großbritannien
17
22,1
Belgien
23
16,0
Japan
36
8,6
Polen
49
13,0
China
78
91,0
Niederlande
86
17,3
Russland
87
17,3
Schweden
94
26,0
Brasilien
99
36,8
Italien
101
1,7
Österreich
103
56,3
Indien
112
55,9
Deutschland
129
69,3
Frankreich
134
31,8
Spanien
161
56,3
* Kosten einer Entlassung (gemessen in Anzahl bezahlter Arbeitswochen)
Quelle: Weltbank
Abgabenquote
Die Abgabenquote gibt den Anteil von Steuern und Sozialabgaben an der Wirtschaftsleistung eines
Landes an. Eine hohe Abgabenquote wird generell mit einem hohen Maß an staatlicher Umverteilung und hohen Produktionsnebenkosten gleichgesetzt, wobei insbesondere letzteres als
Zeichen einer geringen Standortattraktivität angesehen wird. Umso überraschender ist es, dass in
unserem internationalen Standortvergleich ausgerechnet diejenigen Länder zu den erfolgreichsten gehören, bei denen die Privaten eine vergleichsweise hohe Abgabenlast zu tragen
haben. Schweden, der Gewinner unseres Standortvergleichs, weist beispielsweise mit einer Quote
von 50 % einen der höchsten Werte weltweit aus. Auch Belgien, in unserem Ranking aktuell immerhin auf Platz 4, hatte im Jahr 2005 mit einer Abgabenquote von gut 45 % eine überdurchschnittlich hohe Rate. Und wie sieht es im umgekehrten Fall aus? Die Abgabenlast der japani20
schen Bürger liegt mit unter 30 % des BIP spürbar unter dem internationalen Durchschnitt. Beim
Standort-Ranking landet Japan aber gerade einmal auf dem zwölften Platz. Einen Aspekt sollte
man im Hinblick auf die Abgabenquote auf keinen Fall aus den Augen lassen: Eine entscheidende
Rolle kommt natürlich der Frage der Mittelverwendung zu. Investiert ein Land beispielsweise
stark in Infrastruktur und Bildung und hat gleichzeitig eine hohe Steuerquote, kann dies gesamtwirtschaftlich positiver sein als eine sehr niedrige Quote bei gleichzeitig vergleichsweise wenig
Investitionen in die Zukunft. Ebenso wirken hohe Sozialleistungen nicht notgedrungen wachstumshemmend, solange damit nicht der Fehlanreiz für die Menschen verbunden ist, sich längerfristig
alimentieren zu lassen, sondern Regeln gelten, bei denen „gefördert“ und „gefordert“ wird.
Abgabenquoten in % des BIP 2005
60
50
40
30
20
10
Schweden
Belgien
Frankreich
Österreich
Italien
Niederlande*
Großbritannien
Spanien
Polen*
Deutschland
* 2004
Kanada
USA
Japan*
0
Infrastruktur
An der Infrastruktur eines Landes kann man zwar seinen Erfolg als Investitionsstandort nicht direkt
ablesen. Ein leistungsfähiger Standort ist aber ohne eine gute Infrastruktur praktisch nicht vorstellbar. Neben Transport und Verkehr zählen zur Infrastruktur auch Bereiche wie Energie und
Kommunikation.
Das World Economic Forum publiziert in regelmäßigen Abständen den so genannten Global Competitiveness Report. Darin bewertet es die über 120 analysierten Länder unter anderem im Hinblick
auf die Qualität ihrer Infrastruktur. Deutschland schneidet bei diesem Ranking sehr gut ab. Es
belegt aktuell den ersten Platz, noch vor der Schweiz und Hongkong. Etwas überraschend ist das
doch recht schlechte Abschneiden Italiens mit Platz 50. Demnach haben Länder wie Mauritius,
Namibia und Panama eine bessere Infrastruktur als Italien. Die BRIC-Länder rangieren allesamt in
der unteren Hälfte des Rankings: China, Russland und Indien liegen auf den Plätzen 60 bis 62.
Brasilien ist auf Platz 71 zu finden. Von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen zeigt sich also
21
ganz klar ein Zusammenhang zwischen der Qualität der Infrastruktur und dem Entwicklungsstand
einer Volkswirtschaft.
Korruption
Warum Korruption eine wesentliche Ursache der Stärken oder auch Schwächen eines Standorts
darstellt, ist offensichtlich: Investoren wollen stabile, allgemeingültige Rahmenbedingungen für
ihr Engagement. Sie wünschen sich Rechtssicherheit. Wenn aber beispielsweise vor Gericht derjenige Recht bekommt, der den Richter am höchsten bestochen hat und nicht derjenige, der objektiv Recht hat, ist Rechtssicherheit nicht gegeben. Das Engagement und die damit verbundenen
Risiken werden schwer kalkulierbar.
Es wird wohl kein Land in der Welt geben, das völlig frei von Korruption ist. Erhebliche Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich des Ausmaßes. Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency
International veröffentlicht einmal jährlich den so genannten Korruptionsindex. Dieser misst bei
Geschäftsleuten und Länderanalysten deren Wahrnehmung von Korruption unter Amtsträgern und
Politikern eines Landes. Die Organisation kommt zu einem recht klaren Ergebnis: Es gibt einen
deutlichen Zusammenhang zwischen Korruption und Armut: Ein Großteil der sehr armen Länder zählt gleichzeitig auch zu den korruptesten. Natürlich ist Korruption auch in Industrieländern
anzutreffen. Allerdings kommt Transparency International zu dem Ergebnis, dass die Korruption in
dieser Ländergruppe weniger negativen Einfluss auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hat als in Entwicklungsländern.
Die skandinavischen Staaten sind nach den aktuellen Ergebnissen der Anti-KorruptionsOrganisation am „saubersten“. Unter den besten acht Ländern befinden sich gleich fünf nordeuropäische Staaten, wobei Finnland das Ranking seit Jahren anführt. Deutschland rangiert stabil auf
dem sechzehnten Platz und damit knapp vor Japan und Frankreich. Mit einem Wert von 8 Punkten,
wobei 10 Punkte für „frei von Korruption“ und 0 Punkte für „extrem von Korruption befallen“ stehen,
stellt Korruption in Deutschland ein eher moderates Problem dar. Die in unserer Studie berücksichtigten BRIC-Länder finden sich erst ab Platz 70 wieder. Am schlechtesten schneidet dabei mit Platz
121 Russland ab, das sich damit auf einem Niveau mit Ländern wie Benin, Honduras und Swasiland bewegt.
Die Diskussion der hier angesprochenen Ursachen für Standortschwächen und –stärken hat deutlich gemacht, dass es abgesehen von einigen allgemeingültigen Basisqualitäten nicht immer
einfach ist, wertfrei und objektiv einen bestimmten Aspekt zu beurteilen. Gerade bei der Abgabenquote sowie bei der Frage nach der Deregulierung des Arbeitsmarktes kam dies doch sehr
deutlich zum Ausdruck. Dies hat uns, wie bereits schon zu Beginn der Studie erwähnt, veranlasst,
uns bei unserem Standort-Ranking allein auf quantitative, objektiv messbare Erfolgskriterien zu
beschränken.
22
6. Fazit und Ausblick:
In Deutschland weder Grund zu Missmut noch zu Selbstzufriedenheit
Alles in allem muss sich der Standort Deutschland im Vergleich mit den von uns untersuchten 17
Ländern nicht verstecken: Mit aktuell Platz 8 liegt er im oberen Mittelfeld, unter den G3-Ländern
schneidet er zusammen mit den USA besser als Japan ab, außerdem steht er in der Rangliste vor
dem EWU-Aggregat. Hinzu kommt, dass wir erhebliches Verbesserungspotenzial sehen. Denn
hierzulande ist ein bemerkenswerter Aufschwung in Gang gekommen. Mit der guten Konjunktur hat
sich insbesondere der Arbeitsmarkt günstiger entwickelt – im laufenden Jahr rechnen wir mit einem
Beschäftigungszuwachs von 1,6 % (mehr als doppelt so hoch wie 2006) – und die Konsolidierung
der Staatsfinanzen geht voran (allerdings natürlich auch bedingt durch die Mehrwertsteueranhebung). Angesichts solcher Fortschritte dürfte Deutschland im für nächstes Jahr geplanten Update
unseres Standortvergleichs weiter vorrücken können.
Bezüglich der Frage, was die deutsche Politik speziell von den EU-Ländern mit besserer Platzierung im Ranking lernen kann, erscheint es nicht Erfolg versprechend, ein komplettes Wirtschaftsund Gesellschaftsmodell nachahmen zu wollen. Man sollte sich zwar Anregungen holen, aber letztlich müssen Reformen auf die eigenen Gegebenheiten abgestimmt sein. Unsere RankingErgebnisse können helfen, besondere Defizite gegenüber der Konkurrenz, d.h. besonderen Handlungsbedarf auszumachen. Wie aus den nachfolgenden Tabellen hervorgeht, war Deutschland
2006 bei den Einzelindikatoren Beschäftigungswachstum und Investitionsquote Vorletzter.
Daneben erscheinen Maßnahmen sinnvoll, die auf ein höheres Bildungsniveau, mehr ausländische
Direktinvestitionen, eine Rückführung der öffentlichen Schuldenlast sowie auf geringere CO2Emmissionen abzielen. Doch eine vielversprechende Strategie sollte nicht ausschließlich versuchen, Schwächen auszumerzen, sondern genauso Stärken auszubauen.
23
Anhang: Jahrestabellen im Überblick
24
25
26
Herunterladen