Auf der Achterbahn der Gefühle

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Auf der Achterbahn der GefühleBorderline-Störung und Mutter-/Elternschaft
Dr.med. Katharina Gerok-Falke
Rendsburg, 18.2.2015
Gerok-Falke, Achterbahn der Gefühle, 18.02.2015
Persönlichkeit
Die für jeden Menschen einzigartige Konstellation von
Denk-, Verhaltens- und Emotionsmustern, die die
Person ausmachen.
Zeitlich
überdauernde
Eigenschaften
und
Verhaltensweisen eines Menschen, die in ihrer
jeweiligen Konstellation seine Reaktionen erklären und
Vorhersagen auf sein künftiges Verhalten ermöglichen.
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Persönlichkeitszüge
Persönlichkeitszüge sind überdauernde Formen
des Wahrnehmens, der Beziehungsgestaltung und
des Denkens über die Umwelt und über sich
selbst. Sie kommen in einem breiten Spektrum sozialer und
persönlicher Situationen und Zusammenhänge zum
Ausdruck…
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Persönlichkeitsstörung
„extremisierte Persönlichkeitszüge“
...Nur dann, wenn Persönlichkeitszüge
unflexibel und unangepasst sind und in
bedeutsamer Weise zu
Funktionsbeeinträchtigungen oder
subjektivem Leid führen, bilden sie eine
Persönlichkeitsstörung.
….ein andauerndes Muster von innerem
Erleben und Verhalten, das merklich von den
Erwartungen der soziokulturellen Umgebung
abweicht.
(Sass et al 1996)
Gerok-Falke, Achterbahn der Gefühle, 18.02.2015
Einteilung der PS in „Cluster“ (Hauptgruppen)
A: Sonderbar, exzentrisch:
Paranoide PS, schizoide PS
B: Dramatisch, emotional:
Histrionische PS, narzisstische PS,
Borderline-PS (Emotional-instabile PS)
C: Ängstlich-vermeidend:
Selbstunsichere PS, dependente PS, zwanghafte PS
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9 Diagnostische Kriterien der BorderlinePersönlichkeitsstörung (BPS) nach DSM-5
in 4 Symptombereichen:
Affektivität
Impulsivität
Kognition
Interpersoneller Bereich
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Diagnostische Kriterien der BPS (DSM-5)
Symptombereich: Affektivität
1. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität
der Stimmung (z.B. hochgradige episodische Dysphorie,
Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen einige
Stunden, seltener einige Tage andauern)
2. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die
Wut zu kontrollieren (z.B. häufige Wutausbrüche,
andauernde Wut, wiederholte körperliche
Auseinandersetzungen)
3. Chronische Gefühle der Leere
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Diagnostische Kriterien der BPS (DSM-5)
Symptombereich: Impulsivität
4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell
selbstschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgeben, Sex,
Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Essanfälle)
5. Wiederkehrende Suizidalität mit Suizidgedanken,
Suizidandeutungen oder -versuchen und/oder
selbstverletzendes Verhalten
Gerok-Falke, Achterbahn der Gefühle, 18.02.2015
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Diagnostische Kriterien der BPS (DSM-5)
Symptombereich: Kognition
6. Vorübergehende durch Belastungen ausgelöste paranoide
Vorstellungen und/oder schwere dissoziative Symptome
7. Identitätsstörung: eine ausgeprägte und andauernde
Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung
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Diagnostische Kriterien der BPS (DSM-5)
Symptombereich: Interpersonelle Probleme
8. Verzweifeltes Bemühen, ein tatsächliches oder vermutetes
Verlassenwerden zu vermeiden
9. Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher
Beziehungen, das durch den Wechsel zwischen den
Extremen der Idealisierung und der Entwertung
gekennzeichnet ist
Gerok-Falke, Achterbahn der Gefühle, 18.02.2015
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Weitere Borderline-typische Verhaltensmuster
(M.Linehan)
Emotionale Vulnerabilität
Missachtung der eigenen Wahrnehmung
Wiederkehrende Krisen
Blockierung von Trauer
Aktive Passivität
„Pseudokompetenz“
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Leitsymptom der BPS
(Emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung)
Subjektiv wahrgenommene, nicht zuzuordnende
Anspannung oder Erregung
Emotionale Dysregulation
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Spannungskurve
Name:
Datum:
Anspannung
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Zeit
7°° 8°° 9°° 10°° 11°° 12°° 13°° 14°° 15°° 16°° 17°° 18°° 19°° 21°° 22°°
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Biosoziale Theorie zur Entwicklung der
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Psychophysiologische Dysfunktion der Emotionsregulation
Nonvalidierendes Umfeld
Emotionale Vulnerabilität bei geringer Ausprägung von CopingStrategien, mit intensiven Affekten umzugehen
Erlerntes dysfunktionales Verhalten zur Spannungsreduktion
Intrapsychische und interaktionelle chronifizierte Störungen
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Komorbide psychische Erkrankungen der BPS
Depressive Störungen (über 90%)
Bipolare Störungen I und II (10-25%??)
Angststörungen (ca 85%)
Ess-Störungen (mehr als 50% der Frauen)
Posttraumatische Belastungsstörungen (25-60%)
Drogen- und Substanz-Missbrauch und -Abhängigkeit
(über 60 %)
ADHS
Weitere Persönlichkeitsstörungen (dependente PS 50%,
ängstlich-vermeidende und paranoide PS jeweils 40%,
passiv-aggressive und dissoziale jeweils 25%)
Zusätzlich erhöhte Prävalenz für zahlreiche organische
Erkrankungen!
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Behandlung der BPS
Das Mittel der Wahl zur Behandlung von
(Borderline-) Persönlichkeitsstörungen ist die
Psychotherapie !
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Störungspezifische psychotherapeutische
Behandlungskonzepte für die BPS
DBT, Dialektisch-Behaviorale Therapie (M.Linehan 1991)
MBT, Mindfulness Based Therapy (A.Bateman, P.Fonagy
1999)
Schematherapie für BPD (J.Young 2005)
TFP, Transference Focus Psychotherapy (O.Kernberg,
Clarkin 2001)
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DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie)
(M. Linehan)
Kognitive Verhaltenstherapie mit Fokus auf dialektische
Prozesse
Balance, die Sinnhaftigkeit problematischer
Verhaltensmuster zu akzeptieren und dennoch an deren
Veränderung zu arbeiten
Zentrales Spannungsfeld: Wechselspiel zwischen Akzeptanz
und Veränderung
Schlüsselstrategie: Widersprüchliche Prozesse benennen
und herausarbeiten
Integration Zen-Buddhistischer Elemente (Achtsamkeit!)
Klare Hierarchie der Therapieziele
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DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie)
(M. Linehan)
Fokussiert zunächst auf Erwerb von Verhaltenskontrolle und
Verbesserung der Emotionsregulation, dann: auf die
Verbesserung von sozialen Fertigkeiten und Konsequenzen
von möglichen traumaassoziierten Erfahrungen
Primär ambulante Therapie: integriert Einzeltherapie, SkillsGruppentherapie, Telefoncoaching
Stationäre DBT mit multimodalem Therapieangebot im
multiprofessionellen Team mit strukturiertem Setting, in
dessen Zentrum das Fertigkeitentraining steht
Spezifische störungsorientierte Module: Traumatherapie,
Sucht, Ess-Störungen, Adoleszente, Forensik
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Die dialektische Waage
Patient/ Klient
Therapeut/ Betreuer/
Familienhilfe
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Die dialektische Waage
Valdierung
Veränderung
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Dialektische Spannungsbögen
Akzeptanz vs. Veränderung
Selbstwirksamkeit vs. Hilfesuche
Vertrauen vs. Misstrauen
Offenheit vs. Verschlossenheit
Nähe vs. Distanz
Autonomie vs. Abhängigkeit
Nachdenken/Meditation vs. Handlung
Lösung v. Problemen vs. Akzeptanz v. Problemen
Kinderversorgung vs. Selbstfürsorge
Festhalten/Schützen vs. Loslassen
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BPS-Patienten haben Unterstützungsbedarf
bei
Verringerung von:
Übermäßiger Anspannung und Impulsivität mit
selbstverletzendem/selbstschädigendem Verhalten
Chaos in zwischenmenschlichen Beziehungen
Starken Gefühls-und Stimmungsschwankungen
verzerrter und bewertender Wahrnehmung von sich
selbst und der Umgebung
Selbstentwertung/Selbstunsicherheit
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BPS-Patienten haben Unterstützungsbedarf
bei
Verbesserung/Förderung von:
Stress- und Frustrationstoleranz
Zufriedenstellenden zwischenmenschlichen
Beziehungen
Fähigkeiten zu Wahrnehmung, Akzeptanz, Ausdruck und
sinnvollen Steuerung von Gefühlen
Fähigkeiten zur Annahme von sich selbst und dem
Augenblick
Selbstwertgefühl
Gerok-Falke, Achterbahn der Gefühle, 18.02.2015
Module des DBT-Fertigkeitentrainings
Anspannung
10
9
Fertigkeiten zur
Stresstoleranz
8
7
Fertigkeiten zum Umgang
mit Gefühlen
Zwischenmenschliche
Fertigkeiten
Fertigkeiten zur
Verbesserung des
Selbstwertes
Fertigkeiten zur
Achtsamkeit für sich und
andere
6
5
4
3
2
2
1
0
7°°
8°°
9°°
10°°
11°°
12°°
13°° 14°°
15°°
16°°
17°°
18°°
19°°
Zeit
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Stresstoleranz
Skills zur Krisenbewältigung
• sich beruhigen
• den Augenblick verändern
• Pro & Contra
• sich ablenken
• gelenkte Aufmerksamkeit
Skills zum Annehmen
von Realität u. Verantwortung
• Radikale Akzeptanz
• Entscheidung für neuen
Weg
• Innere Bereitschaft
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Langzeitverlauf
70% der Patienten erreichen Remission nach DSM-IV (<
4Kriterien) über 4 Jahre (Zanarini 2010)
ABER: nach 10 Jahren weiterhin Großteil der Pat. nach
GAF-Werten schlecht sozial integriert ( Zanarini 2010 ,
Gunderson 2011)
Alkohol- und Drogenmissbrauch (noch vor komorbider
PTBS!) als Hauptrisikofaktoren für Chronifizierung!!
(Zanarini et al 2003)
Weitere Praedictoren für schlechten Verlauf: sex.
Missbrauch in der Kindheit, schwer ausgeprägte
Symptomatik (Zanarini 2006, Gunderson 2006)
Gerok-Falke, Achterbahn der Gefühle, 18.02.2015
Epidemiologie
Etwa 2% der Bevölkerung leiden unter einer BPS
Geschlechterverhältnis ist etwa ausgeglichen!!
Ca. 30% der erwachsenen BPS-Patienten begannen im
Grundschulalter mit SVV (Bohus)
Maximierung dysfunktionalen Verhaltens und Erlebens
Mitte 20 (Höhepunkt stat. Behandlungen wg. SVV
zwischen 15 und 24 Jahren)
Gerok-Falke, Achterbahn der Gefühle, 18.02.2015
Aus: Schattauer, 2009, Bohus und Wolf:
Interaktives SkillsTraining für
Borderline-Patienten
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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