rbb PRAXIS sucht Ihre Krankengeschichte! Sie haben gesundheitliche Beschwerden? Sie sind schon bei verschiedenen Ärzten gewesen und haben immer noch keine klare Diagnose? Sie wären bereit, sich einer Live-Diagnose im Studio zu unterziehen? Sie wohnen in Berlin oder Brandenburg? Wir können Ihnen vielleicht helfen. Dann bitten wir Sie, uns kurz Ihre Krankengeschichte zu schildern und Kopien Ihrer Arztbefunde zu schicken. Wenn möglich, legen Sie bitte ein Foto von sich bei. Wir arbeiten mit einer Reihe von Ärzten zusammen, die zur Live-Diagnose zu uns ins Studio kommen. Vielleicht finden wir Ärzte, die Ihnen helfen könnten. Schreiben Sie uns eine E-Mail und schicken Sie Arztbefunde als Anhang an: [email protected] oder schicken Sie uns alles per Post an: Redaktion rbb PRAXIS Masurenallee 8-14, 14057 Berlin rbb Praxis – Das Gesundheitsmagazin am 30.09.2015, 20.15 - 21.00 Uhr Die Themen Harn-Stau – wenn man will, aber nicht kann Schmerzende Hände, eingeschlafene Finger – ist es ein Karpaltunnelsyndrom? Aktuell: Zecken im Herbst Hepatitis C – Endlich Heilung? Neue Serie: Der Pflegefall: 1. Folge Pflegestützpunkte Blinde ertasten zuverlässig Brustkrebs Harn-Stau – wenn man will, aber nicht kann Unerträgliche Rückenschmerzen bringen immer wieder Menschen in die Notaufnahme, die ein ganz anderes Problem haben: den Harn-Stau. Kleine Steine verhindern den gesunden Fluss des Urins. Die Praxis berichtet, wie die Übeltäter beseitigt werden können. Das Beschwerdebild entwickelt sich innerhalb von Stunden, für die Betroffenen wird es schnell unangenehm: Der Druck in der Blase steigt, doch der Gang zur Toilette bleibt erfolglos. Innerhalb von kurzer Zeit kommt zu schmerzhaften Krämpfen, diffusen Rückenschmerzen oder einem starken Druckgefühl im Unterbauch. Dahinter steckt oft ein Harn-Stau. Das Krankheitsbild kann sich schnell zu einem lebensgefährlichen Notfall entwickeln. Bei einem akuten Harnverhalt muss umgehend gehandelt werden, um Spätschäden an der Niere oder einen Blasenriss zu vermeiden. Hier sollten Sie aufpassen Bei folgenden Symptomen sollte umgehend ein Facharzt für Niere und Blase aufgesucht werden: - das Gefühl des häufigen Harndrangs trotz geringer Urinmengen - Harndrang auch nach dem Wasserlassen 1 -Schmerzen beim Toilettengang -blutiger Urin Es gibt verschiedene Ursachen, die zu einem Harn-Stau führen können: Meist sind es Harnsteine, die sich in den Nieren bilden und die ableitenden Harnwege verstopfen. Harnsteinleiden sind in der Bevölkerung weit verbreitet, sie zählen zu den häufigen Erkrankungen. Meist bestehen die Steine aus Calcium-Oxalat- oder Calcium-Phosphat und nur selten aus Harnsäure. Alle diese Abfallprodukte des Stoffwechsels sind normalerweise im Urin gelöst und werden mit ihm ausgeschieden. Verringert sich die Menge an Urin oder werden mehr der Abfallprodukte nicht mehr ausgeschieden, werden diese Substanzen nicht mehr gelöst. Es kommt zur Kristallisation im Urin und später zur Steinbildung. Aber auch Tumoren oder Störungen der Nerven, etwa durch einen Bandscheibenvorfall, führen mitunter zum Harn-Stau. In der Folge fließt Urin dann von der Blase in die Niere zurück. Manchmal weitet sich das gesamte Nierenhohlsystem und es kommt zu einem erheblichen, sehr schmerzhaften Druckanstieg im gesamten System. Urologen sprechen von der Refluxuropathie. Der akute Harn-Stau ist ein Notfall Menschen mit Verdacht auf einen Harn-Stau müssen umgehend in die Notaufnahme einer Klinik gebracht werden. Hier untersuchen Urologen den Patienten zunächst fundiert am gesamten Körper, tasten Bauch und Unterleib ab und hinterfragen die Beschwerden. Eine rektale Untersuchung kann bei (meist) älteren Herren zeigen, ob eine vergrößerte Prostata den Harn-Stau verursacht. Zudem nehmen die Urologen Blut ab und überprüfen die Nierenfunktion. Eine Harnprobe liefert Hinweise auf bakterielle Infektionen, Blut und Eiweiße. Manchmal sind weitere Nierenfunktionstests notwendig. Die treffsichere Diagnose gelingt dem Arzt mit einer Ultraschall-Untersuchung der Nieren und der ableitenden Harnwege. Dabei fahndet der Urologe nach den Harnsteinen vor allem in den beiden Harnleitern. Weitere bildgebende Verfahren wie die Röntgenuntersuchung, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) helfen, krankhafte Veränderungen wie Tumore oder Steine im Harnwegssystem auszuschließen. Oft bleiben die Harnsteine jahrelang unbemerkt Zwar bilden sich die Harnsteine meist im Nierenbecken oder in den Nierenkelchen. Dieser Prozess dauert oft Jahre und bleibt vom Patienten unbemerkt. Problematisch wird es aber, wenn die Steine weiter in die Harnleiter rutschen und sich dort verklemmen. Die Harnleiter verbinden beidseits die Nieren mit der Blase. Sind sie verstopft, kommt es durch die Steine zu eben jenem schmerzhaften Harn-Stau. Erste Beschwerdefreiheit bringen eine Harnleiterschiene und leichte Schmerzmittel. Auch der Gang auf die Toilette funktioniert dann oft wieder. Manchmal spülen sich kleinere Steine durch krampflösende Medikamente oder durch Bewegung auch von allein aus. Gelingt das nicht und sitzen die Steine im unteren Teil des Harnleiters, schiebt der Urologe ein Spezialendoskop durch Harnröhre und Blase bis an den Stein heran und zertrümmert ihn mit Laserimpulsen oder Stoßwellen. Über die Harnröhre wird der Stein unter Vollnarkose direkt im Harnleiter zertrümmert. Neben dem Laser kann der Stein auch endoskopisch durch eine pneumatische Behandlung mit einer pulsierenden Metallsonde zerstört werden. 2 Die Stoßwellentherapie zertrümmert kleine Steine Liegt der Stein hingegen noch nahe bei der Niere, wird er per Ultraschall ins Visier genommen und von außen mit Stoßwellen beschossen. Bei der Stoßwellentherapie (ESWT) übertragen punktgenaue Druckimpulse ihre Energie auf die Steine, sie werden sozusagen von innen zertrümmert. Bei der ESWT werden mehrere Sitzungen nötig, sie ist nur bei Steinen geeignet, die nicht größer als einen Zentimeter sind. Hat ein Harnstein bereits eine Stauung der Harnwege verursacht, muss vor der ESWT meist eine Harnableitung über einen Stent gewährleistet werden. Patienten favorisieren das endoskopische Verfahren, denn es bringt sie schnell wieder in den Alltag zurück. Mindestens ebenso wichtig wie die Behandlung ist es aber auch, Komplikationen schnell zu erkennen oder gar nicht erst eintreten zu lassen. Das ist der Fall, wenn es durch den Harn-Stau zum Beispiel zum Bersten des Nierenbeckens kommt und Urin austritt. Bei infizierten Steinen endet das mit schweren Allgemeinsymptomen mit Fieber. Vorbeugend sollte man daher ausreichend viel Flüssigkeit in Form von Wasser oder Tee zu sich nehmen und nicht allzu eiweißreich essen. Trinken gilt als beste Vorbeugung gegen Nierensteine und ihre schmerzhafte Folge, die Nierenkolik. Experte im Beitrag: Dr. med. Holger Schott, Urologe Klinikum Ernst von Bergmann gemeinnützige GmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Humboldt-Universität Berlin (Charité) Charlottenstraße 72, 14467 Potsdam Tel.: 0331 241 0 Fax: 0331 241-9880 E-Mail: [email protected] Schmerzende Hände, eingeschlafene Finger – ist es ein Karpaltunnelsyndrom? Nächtliche Schmerzen und eingeschlafene Finger sind typisch für das Karpaltunnelsyndrom. Doch auch eine Entzündung des „Hand-Nervens“ kann dahinterstecken – und dann hilft keine Operation. Die rbb Praxis zeigt live im Studio, wie mit schwachem Strom der Nerv genau untersucht wird. Und wie als neue und besonders schonende Methode der Ultraschall die Diagnose ganz sicher machen kann. Kribbeln und Schwellungen in den Fingern, das Gefühl der eingeschlafenen Hände, Missempfindungen, Unruhegefühl: Beschwerden wie diese können das Arbeiten mit den Händen erschweren und im Alltag stören. Da die Beschwerden gehäuft nachts auftreten, können Sie auch den Schlaf unterbrechen. Für die Ärzte stellt sich bei entsprechenden Symptomen zuerst die Frage, wo diese genau entstehen und was die Ursache des Problems ist. Denn sowohl bei knöchernen Problemen in der Halswirbelsäule als auch bei muskulären Verspannungen im Nackenbereich können die Symptome bis in die Hände und Finger ausstrahlen. Oft dauert die Diagnose lange Schmerzende Hände können daher viele Ursachen haben. Neben chronischen Erkrankungen wie Rheuma, Arthrose, Gicht können auch Nervenschäden in der Hand selbst die Beschwerden verursachen. Viele Betroffene wandern von Arzt zu Arzt und erhalten weder eine eindeutige Diagnose noch eine effektive Therapie. Häufig aber steckt auch eine Schädigung des Nervus Medianus in der Mittelhand dahinter. Experten sprechen von Karpaltunnelsyndrom (Carpaltunnelsyndrom, CTS). Der so genannte 3 Karpaltunnel ist eine Engstelle, die vom Unterarm zur Handfläche führt. Dieser Tunnel wird von den Handwurzelknochen und einem breiten Band gebildet, das unter der Haut liegt. Im Karpaltunnel verlaufen verschiedene Sehnen der Handmuskeln und ein wichtiger Nerv, der Nervus Medianus. Beim Karpaltunnelsyndrom ist nun der Tunnel verengt, so dass der Nerv „gequetscht“ wird. Frauen sind etwa dreimal häufiger vom Karpaltunnelsyndrom betroffen als Männer. Gehäuft tritt das CTS auch in der Schwangerschaft auf, bei Diabetes mellitus oder rheumatischen Erkrankungen. Oft ist der Nerv in der Mittelhand der Übeltäter Der Medianusnerv ist dafür zuständig, dass wir im Daumen, Zeige- und zum Teil auch Mittelfinger Empfindungen spüren. Außerdem ist er für die Steuerung bestimmter Handund Fingermuskeln verantwortlich. Wird der Medianus im Karpaltunnel gestört, sind kribbelnde Hände die Folge, besonders in den Fingerspitzen. Häufig treten die Beschwerden zunächst nachts auf, da dann häufig durch Abknicken des Handgelenks im Schlaf der Tunnel zusätzlich eingeengt wird. Verschwinden können die Beschwerden wenn die Hand gestreckt oder ausgeschüttelt wird. Im weiteren Verlauf treten die Schmerzen auch tagsüber auf. Das Tastgefühl nimmt ab und man kann nicht mehr richtig zupacken. Ärzte sichern die Diagnose, indem sie sich zunächst die Hände genau anschauen und die Beweglichkeit der Finger prüfen und testen, ob Empfindungsstörungen vorliegen. Um das Ausmaß der Nervenschädigung einschätzen zu können, messen Ärzte dann elektrophysiologisch die Leitgeschwindigkeit des beschädigten Nervs. Besteht der Verdacht auf eine Arthrose des Handgelenks, führen Ärzte eine Röntgenuntersuchung durch. Mit dem Ultraschall können sie die Sehnenscheiden gut darstellen und auch den Nerven, wenn beispielsweise dort eine Entzündung vorliegt. Das CTS wird mit Schiene und Kortison behandelt Behandelt wird das CTS je nach Ausprägung. Bei leichten Formen verordnet der Arzt meist eine spezielle Stützschiene und über kurze Zeit entzündungshemmende Medikamente wie zum Beispiel Kortison. Manchmal spritzt er das Medikament auch direkt in den Karpaltunnel. Parallel dazu können die Betroffenen selbst etwas tun: Eine Überbeanspruchung der Hand sollte vermieden werden. Auch ein vorsichtiges Dehnen des Nervs durch Überstreckung des Handgelenks kann hilfreich sein. Eine Operation wird seltener nötig. Anzeichen dafür sind Taubheitsgefühle und Ausfälle der Muskelfunktion, die über längere Zeit anhalten. Das kann man auch daran erkennen, dass der Muskelbauch am Daumen schmächtiger wird. Bei der Operation spaltet der Chirurg die obere Bandstruktur des Karpaltunnels – und verschafft so den darin liegenden Sehnen und Nerven mehr Platz und weniger Druck. Schmerzen und Taubheitsgefühl in der Nacht bessern sich quasi sofort. Der Eingriff eines CTS erfolgt entweder offen oder endoskopisch. Das Ergebnis ist in den meisten Fällen gut. Bei einer ausgeprägten Nervenschädigung kann es allerdings etwa ein halbes Jahr dauern, bis die Symptome weitgehend verschwunden sind. Experte im Studio: Dr. med. Walter Raffauf Neurologie am Hackeschen Markt Dircksenstr. 47, 10178 Berlin 4 Tel.: 030 2345 69 870 Email: [email protected] Aktuelles Thema: Zecken im Herbst Bisher gab es in diesem Jahr sehr viele Zecken. Und auch für den Herbst gibt es keine Entwarnung: Zecken sind nicht nur im Frühling und Sommer aktiv, sondern bereits bei Temperaturen über sieben Grad – unabhängig von der Jahreszeit. Wer durch die Wälder, Büsche oder über Wiesen streift, sollte hinterher einen prüfenden Blick auf seine Haut werfen. Auch jetzt sind noch zahlreiche Zecken im Unterholz und Gras unterwegs – besonders Sammler von Pilzen, Ess- oder Rosskastanien sollten sich schützen. Alljährlich machen die Warnungen vor den Spinnentierchen und die von ihnen übertragenen Krankheiten die Runde. Zecken übertragen Borrelien, also spiralförmige Bakterien, welche die gefürchtete Lyme-Borreliose auslösen können. Auch eine virale Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kann Folge eines Zeckenstichs sein. Der Namen Frühsommer ist dabei übrigens irreführend: Laut dem Robert Koch-Institut sind zwischen 2010 und 2014 im Schnitt 28,5 Prozent der FSME-Fälle in den Herbstmonaten September bis November gemeldet worden. In den deutschen FSME-Risikogebieten sind zwischen 0,1 bis 5 Prozent der Zecken mit FSME-Viren infiziert. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Zeckenstich an FSME zu erkranken, liegt bei circa 1:150. Auch im Herbst ist es noch nicht zu spät für eine FSMEImpfung. Wenn kurzfristig ein Schutz gegen FSME benötigt wird, besteht die Möglichkeit einer sogenannten Schnellimmunisierung. Wissenschaftler entdecken immer neue Erreger Immer öfter entdecken Wissenschaftler zudem neue Erreger, die durch Zecken in den menschlichen Körper gelangen und hier ihr Unheil treiben sollen. So haben beispielsweise Schweizer Forscher die sogenannte Neoehrlichiose entdeckt. Das Bakterium Candidatus neoehrlichia mikurensis wird durch Zeckenstiche übertragen – und kann beim Menschen zu hohem Fieber, starkem Gewichtsverlust und Unwohlsein führen. Bedroht sind vor allem ältere Menschen, chronisch Kranke und Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Bisher gingen Zeckenforscher davon aus, dass Menschen von dem Bakterium verschont bleiben würden. Doch Candidatus neoehrlichia mikurensis wurden nicht nur in Blut von Mäusen und Ratten entdeckt, sondern auch bei mehreren Patienten in der Schweiz, Schweden, Deutschland, Tschechien und China nachgewiesen. Geschätzt könnte jede fünfte Zecke im Süden und im Norden Europas diese Bakterien in sich tragen. Ähnlich verhält es sich mit dem Bakterienstamm namens Anaplasma-phagocytophilum. Bekannt ist der Erreger aus Schottland, wo er zunächst als Verursacher einer fiebrigen Erkrankung bei Schafen beschrieben wurde. Kürzlich jedoch ließ sich nun bei einem Menschen eine Infektion mit A. phagocytophilum durch einen Zeckenbiss nachweisen. Der Erreger kann zu hohem Fieber und grippeähnlichen Symptome wie Kopf-, Glieder-, Muskel- und Gelenkschmerzen führen, seltener auch Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen. Insgesamt haben Wissenschaftler des Berliner Robert Koch-Instituts mehr als zehn Erreger in Zecken nachgewiesen, die für den Menschen gefährlich werden können. Die 5 Zeckenforscher vermuten, dass ein einziger Zeckenstich ganz viele Erreger übertragen kann. Vorbeugung bleibt das beste Mittel Das beste Mittel gegen die bekannten und die neuen Gefahren bleibt aber die Vorbeugung: Lange Kleidung in hellen Farben, Hosen, die in die Socken gesteckt werden und feste Schuhe. Kinder sollten zudem mit Anti-Zecken-Mitteln eingesprüht werden, Hunde oder Katzen spezielle Halsbänder vom Tierarzt tragen, die verhindern, dass Zecken zu Hause eingeschleppt wird. Hat sich eine Zecke festgebissen, kann man sie mit einer Pinzette vorsichtig herausziehen. Bricht dabei die Zange ab, macht das nichts, der Rest des Tierchens wird nach kurzer Zeit abfallen. Von Kleber, Öl oder anderen „Betäubungsmitteln“ sollte man absehen, ebenso wenig die Zecke herausdrehen. Wie bei der Borrelien-Infektion ist auch bei den anderen Bakterien entscheidend, dass die Infektion schnell diagnostiziert wird. Dann helfen Antibiotika. Es gibt sogar schon einen Schnelltest, der zumindest das Bakterium Candidatus neoehrlichia mikurensis innerhalb eines Tages nachweist. Infos im www: Robert Koch Institut: www.rki.de Infoportal zu Zecken: www.zecken.de Hepatitis C – Endlich Heilung? Wer von Hepatitis C betroffen ist, leidet bisher unter einer chronischen Erkrankung. Letzter Ausweg ist oft nur eine Lebertransplantation. Jetzt macht eine neue Medikamentenklasse von sich reden, die Hoffnung auf Heilung macht. Die rbb Praxis fragt nach. Die Hepatitis C ist eine Virusinfektion der Leber, die Krebs hervorrufen kann. Sie ist deshalb so gefährlich, weil die ersten Symptome wie anhaltende Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Kopfschmerzen oder ein Druckgefühl im Oberbauch häufig verkannt werden. In Deutschland sind etwa eine halbe Million Menschen von der Hepatitis C betroffen. Weltweit stecken sich der WHO zufolge drei bis vier Millionen Menschen pro Jahr neu an. Experten unterscheiden zwischen dem akuten und dem chronischen Verlauf. Die akute Infektion lässt sich heute durch eine alleinige Interferontherapie bei 90 Prozent aller Patienten heilen. Das Problem aber ist: Experten vermuten, dass weit weniger als die Hälfte der Betroffenen überhaupt weiß, dass sie infiziert ist. Oft erfahren sie erst davon, wenn die Hepatitis sich mit Beschwerden äußert. Entwickelt sie sich also zu einem chronischen Problem, entstehen in vielen Fällen Folgekrankheiten wie chronische Hepatitiden, Leberzirrhose oder Leberkrebs. Daran sterben jährlich mehr als 350.000 Menschen. Bisher galt die Hepatitis als Drogenfolge Die Erreger werden über Körperflüssigkeiten wie Blut übertragen. Deshalb sind auch Menschen in medizinischen Berufen gefährdet oder Patienten, die vor 1990 Blutkonserven bekommen haben. Denn erst seitdem werden diese Konserven auf das Virus getestet. Früher hatte die Krankheit ein „schlechtes Image“, man hielt sie vor 6 allem für eine Folge der Drogensucht. Heute weiß man, dass viele Betroffene selbst oft nicht wissen, wo sie sich angesteckt haben. Um möglichst frühzeitig eine Diagnose zu sichern, sollte man sich bei unklaren Symptomen umgehend zum Arzt begeben. Je eher der Arzt die Diagnose stellt, desto wirksamer ist die Behandlung. Bei Verdacht veranlasst er eine Blutabnahme und lässt die Leberwerte bestimmen. Sind die Werte erhöht, folgen weitere Untersuchungen wie Ultraschall, die Bestimmung von Virusmarkern etc. Bestätigt sich die Diagnose einer chronischen Hepatitis, kann der Arzt mithilfe von entsprechenden Medikamenten die Leberschädigung verzögern, manchmal auch heilen. Schlimme Nebenwirkungen erschwerten die Therapie Hat der Arzt dann eine Hepatitis C diagnostiziert, mussten die Betroffenen bisher oft über viele Monate zweimal täglich Tabletten mit dem Wirkstoff Ribavirin nehmen. Wöchentlich spritzten sie sich das Hormon Interferon. Interferon stärkt die körpereigene Virusabwehr. Doch die Nebenwirkungen – wie beispielsweise Depressionen – machen die Behandlung für viele Patienten beschwerlich. Bei mehr als jedem zweiten der mit Interferon behandelten Patienten treten grippeähnliche Symptome wie Fieber, Kältegefühl bis Schüttelfrost, Kopf-, Glieder-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen auf. Auch die Erfolgsaussichten sind bei der Kombinationstherapie noch unbefriedigend und variieren je nach Gen-Typus des Virus. Zukünftig dürfen Hepatitis-Patienten nun auf bessere Zeiten hoffen. Sie ernten jetzt die Früchte einer jahrzehntelangen Erforschung des Hepatitis C-Virus. So werden derzeit eine Reihe neuer Wirkstoffe zugelassen – Betroffene haben damit eine deutlich bessere Aussicht auf Heilung. Nach Einschätzung vieler Experten könnten sie schon bald die bekannte Therapie mit Interferon und Ribavirin ablösen. Die Viruslast wird rasant reduziert Insgesamt erwarten Experten vier neue Substanzen, alle greifen direkt in den Lebenszyklus des Hepatitis-Virus ein. Ärzte sprechen von den sogenannten direct acting antivirals (DAA). Das Virus kann sich so nicht mehr vermehren – die chronische Entzündung der Leber und all ihre Folgen entstehen erst gar nicht. Durch die neuen Wirkstoffe wird aber nicht nur die Viruslast rasant gedrückt. Auch die Nebenwirkungen erscheinen Ärzten und Patienten vertretbar. Mehrere Dutzend weiterer DAA sind derzeit in der klinischen Entwicklung. Das ist gut, denn je mehr Wirkstoffe erforscht werden, desto größer ist die Chance, auch Menschen mit schwierigen Hepatitis-Infektionen erfolgreich zu behandeln. So gibt es beispielsweise Patienten, bei denen die Behandlung aufgrund eines bestimmten Genotyps des Virus erschwert ist - oder deren Leber ist bereits deutlich geschädigt oder aber sie haben schon eine Lebertransplantation hinter sich. Die neuen Therapien haben wenige Nebenwirkungen Die Vorteile der neuen Wirkstoffe erscheinen daher in mehrerer Hinsicht überzeugend: Täglich sind nur eine oder zwei Tabletten nötig. Statt 48 Wochen dauert die Therapie nur noch zwölf bis maximal 24 Wochen. Nebenwirkungen sind bisher wenige beschrieben. Sie betreffen beispielsweise den Magen-Darm-Trakt oder die Haut. Vor depressiven Episoden brauchen Patienten sich aber nicht mehr zu fürchten. Sie treten nur noch selten auf. 7 Vor allem aber erhoffen sich Hepatitis-Experten sehr gute Heilungsraten für ihre Patienten. Boceprevir und Telaprevir erreichen in Kombination mit Interferon und Ribavirin eine Heilungsrate von bis zu 80 Prozent. Sofosbuvir zeigte in Studien Erfolgsraten bei bis zu 90 Prozent der Patienten. Patienten müssen die neuen Arzneien sorgfältig einnehmen Damit die Behandlung aber wirklich so erfolgreich verlaufen kann, müssen die Patienten die neuen Wirkstoffe vor allem regelmäßig einnehmen – und sich nicht durch die bessere Verträglichkeit der innovativen Arzneien täuschen lassen und die Tabletten eigenhändig absetzen. Sonst gewinnt das Virus wieder die Oberhand – und eine Heilung rückt in weite Ferne. Der Knackpunkt der innovativen Therapie: Sie ist sehr kostspielig, Patienten aus ärmeren Ländern und mit einer weiten Verbreitung der Hepatitis C werden in näherer Zukunft daher nicht von dem Durchbruch in der Hepatitis C-Therapie profitieren. Ebenso ist auch eine Impfung gegen Hepatitis C in absehbarer Zeit nicht realistisch. Experten im Beitrag: Prof. Dr. Eckart Schott Charite Campus Virchow Klinikum, Innere Medizin Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Tel.: 030 450 553 199 Dr. Ruth Neuhaus Charite Campus Virchow Kliniikum, Transplantationschirurgie Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Tel.: 030 450 55 22 00 E-Mail: [email protected] http://www.charite.de/avt/ Infos im www Deutsche Leberhilfe e.V. Krieler Straße 100, 50935 Köln [email protected] www.leberhilfe.org Deutsche Leberstiftung Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover Email: [email protected] www.deutsche-leberstiftung.de www.lebertag.org 8 Neue Serie: Der Pflegefall: 1. Folge Pflegestützpunkte Was leistet die Pflegeversicherung? Wie kann Pflege zu Hause sichergestellt werden? Wie findet man ein gutes Pflegeheim? Welche Vorsorge kann man treffen? Was tun am Lebensende? In einer mehrteiligen Serie informiert die rbb Praxis, wie sich Pflege organisieren lässt. Heute geht es um die Pflegestützpunkte, die Betroffene beraten und sie bei der Organisation der Pflege unterstützen. Fast ein Drittel der Menschen in Deutschland sind im Rentenalter. Statistiken versuchen abzuschätzen, wie viele von ihnen in absehbarer Zeit zum Pflegefall werden. Man geht derzeit davon aus, dass 2020 fast 3 Millionen Menschen pflegebedürftig sein werden. Das ist einer der Gründe, warum die Politik Maßnahmen in Sachen Pflege ergreift. Weitere Ursachen liegen in den geänderten Familienstrukturen: Faktoren wie Singlehaushalte, hohe Anzahl berufstätiger Frauen, geforderte Mobilität, höhere Lebenserwartung bei steigender Anzahl von Menschen mit eingeschränkter Alterskompetenz machen es nötig, tragfähige Konzepte zu entwickeln, die eine Versorgung der wachsenden Zahl Pflegebedürftiger sicherzustellen. Mit der Einführung der Pflegeversicherung ist der Beratungsbedarf im Fall der Pflegebedürftigkeit gestiegen. Neue Gesetze wie das Pflegestärkungsgesetz oder das FamilienPflegezeitgesetz sind so komplex, dass sie ohne Hilfestellungen von vielen nicht verstanden und angewendet werden können. Daher gibt es seit 2009 einen gesetzlichen Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung. Es gibt derzeit 30 Pflegestützpunkte in Berlin und 19 in Brandenburg, die jeweils von den Kranken- und Pflegekassen und dem Land Berlin beziehungsweise den Kommunen in Brandenburg finanziert werden. Pflegestützpunkte- Hilfe im Pflegefall Um den Ratsuchenden zur Seite zu stehen, haben fast alle Bundesländer Pflegestützpunkte aufgebaut. Dort verfügen geschulte Mitarbeiter über aktuelle Informationen zu allen Fragen rund um die Pflege. Sie nehmen sich in einer individuellen Beratung für jeden Fall Zeit - wie beispielsweise bei Anträgen zur Pflegeversicherung oder der Suche nach einem Pflegeheim. Die Pflegestützpunkte in Brandenburg und Berlin sind keine ambulanten Pflegedienste – das ist ein verbreitetes Missverständnis - sondern das Dach, unter dem sich Sozialhilfeträger, Altenhilfe, Pflege- und Krankenkassen organisiert haben, um den Betroffenen und Ratsuchenden mit einer kostenlosen Beratung rund um die Pflege ungeachtet ihres Alters zu helfen. Auf alle Fragen zu pflegerischen, sozialen und medizinischen Leistungen können die Mitarbeiter in den Büros der Pflegestützpunkte Auskunft geben oder an andere Ansprechpartner weitervermitteln. Die Pflegestützpunkte sind verpflichtet, Träger neutral, kompetent, wohnortnah und kostenlos zu beraten. Das ist bei der Vielzahl der Angebote und Fallstricke auch notwendig. Auch über das Internet und in Papierform informieren die Pflegestützpunkte z.B. über häusliche Pflege, Antragstellungen für Pflegestufen, finanzielle Hilfen, Wohnmöglichkeiten im Alter, Hilfsmittel, Vorsorgedokumente, palliative Geriatrie – und das in sieben Sprachen. (Adresse zu Informationsblättern s.u.). Neben den Pflegebedürftigen selbst benötigen meist die Angehörigen Rat, wenn der Pflegefall eintritt. Sie müssen sich auf die neue Situation einstellen. Welche Möglichkeiten gibt es z.B. die Pflege selbst zu übernehmen und mit einer Berufstätigkeit zu vereinbaren? Auch darüber geben die Pflegestützpunkte Auskunft. Neben den Pflegstützpunkten gibt es auch private Pflegeberater, deren Leistungen bezahlt werden 9 müssen. In Einzelfällen übernehmen die Pflegekassen die Kosten – ob eine Kostenübernahme möglich ist, sollte man vorher bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen erfragen. Hilfe für Pflegende Angehörige haben seit dem 1.1.2015 - bei einem akuten Pflegefall in der Familie Anspruch auf Lohnersatzleistung in Höhe von 90 % für bis zu 10 Arbeitstage. Dies wird über die gesetzliche Pflegeversicherung finanziert und muss bei der Versicherung des unerwartet zu pflegenden Angehörigen beantragt werden. Für bis zu 24 Monate können sich Angehörige auch unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen und haben besonderen Kündigungsschutz. Es gibt für Angehörige, die einen Betroffenen zu Hause 14 Stunden und mehr pro Woche pflegen, auf Antrag auch einen Zuschuss zur eigenen Rentenversicherung. Bedingung ist, dass sie währenddessen nicht voll berufstätig sind. In der Zeit der Pflege kann ein zinsloses Darlehen (schon ab 50 € monatlich) beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Auch folgende Informationen hält ein Pflegestützpunkt bereit: unbezahlter Sonderurlaub für Arbeitnehmer ab 15 Mitarbeiter im Betrieb, Teilzeitlösungen und Freistellung für maximal 3 Monate für sterbebegleitendes Pflegen. Um die Beitragsbelastung während der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung aufgrund der Inanspruchnahme von Pflegezeit finanziell abzufedern, erhalten die pflegenden Angehörigen auf Antrag gemäß § 44a Abs. 1 SGB XI einen Zuschuss zu den von ihnen zu zahlenden freiwilligen Krankenversicherungsbeiträgen und den Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung. Entlastung während der Pflegezeit Tages- und Nachtpflege: Die Pflegebedürftigen werden von zu Hause abgeholt und verbringen eine gewisse Zeit in einer Pflegeinstitution. Dort erhalten sie ihre Mahlzeiten und werden gemeinsam mit anderen körperlich und geistig beschäftigt. Danach werden sie wieder nach Hause gebracht. Kurzzeitpflege: Sie kann in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen in Anspruch genommen werden Verhinderungs- oder Ersatzpflege: Die Pflegekasse beteiligt sich für maximal sechs Wochen an einer notwendigen Ersatzpflege, wenn pflegende Angehörige wegen Urlaub oder Erkrankung nicht selbst pflegen können. Verhinderungspflege kann auch stundenweise in Anspruch genommen werden, wenn der pflegende Angehörige selber z.B. Arzttermine hat oder Einkäufe zu erledigen hat. Betreuungs- und Entlastungsleistungen stundenweise schon ab Pflegestufe Null Alle Leistungen werden nur auf Antrag gewährt bzw. anteilsmäßig übernommen. Weiterführende Adressen: Pflegestützpunkt im Beitrag: Pflegestützpunkt Eberswalde: Am Markt 1, Paul Wunderlich Haus 16225 Eberswalde Auskunft über Adressen aller Pflegestützpunkte in Brandenburg: Zentrale kostenlose Rufnummer: 0800 265 080 28145/ Fax: 0800/265 080 28110 www.pflegestuetzpunkte-brandenburg.de Je nach Bedarf kommen Mitarbeiter auch persönlich zu den Pflegebedürftigen. 10 Pflegestützpunkte in Berlin: Auskunft über Adressen aller Pflegestützpunkte in Berlin: Zentrale kostenlose Rufnummer für alle Berliner Bezirke: Mo-Fr. 9.00 -18:00Uhr: 0800 5950059 www.pflegestuetzpunkteberlin.de Informationsblätter die regelmäßig zeitnah aktualisiert werden, findet man bei den Pflegestützpunkten zu bestimmten Themen als download: http://www.pflegestuetzpunkteberlin.de/index.php/informationsblaetter-a-z2 Zusätzliche Informationen bietet auch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales: Oranienstraße 106, 10969 Berlin, Tel.: 030 9028-0 Fax: 030 9028 2063 Kostenlose Buch- und Zeitschriftentipps und weitere Links: Allgemeine Einführung mit umfangreichen Glossar und weiteren kostenlosen Infobroschüren: „Ratgeber zur Pflege“ Alles was Sie zur Pflege und dem neuen Pflegeverstärkungsgesetz wissen müssen Hrsg. Bundesministerium für Gesundheit 14. Auflage 2015, Bestell-Nr. BMG-P-07055 per Telefon: 030 18272 2721 oder als pdf – Datei über die Seite: www.pflegestärkungsgesetz.de “Pflegewelten” Menschen. Fakten. Chancen. ein Magazin vom Bundesministerium f. Gesundheit zu bestellen bei: 030 18272 2721 auch online mit weiteren Publikationen zum Thema Pflege: www.pflegewelten.de Bundesweite Informationen auch über die Bundesarbeitsgemeinschaft der SeniorenOrganisation e.V. (BAGSO) , die 13 Millionen ältere Menschen in Deutschland vertritt: www.bagso.de oder Tel.: 0228 2499 930 Blinde ertasten zuverlässig Brustkrebs Es gibt einen neuen Beruf: Medizinische Tastuntersucherin. Ein Job speziell für Blinde. Denn sie sind besonders feinfühlig. Mit ihren Händen können sie Tumore finden und damit Leben retten. Studien haben ergeben, dass diese Frauen 50 Prozent mehr Verhärtungen ertasten, als erfahrene Frauenärzte, und 28 Prozent kleinere Tumore. Das kann aber auch an der längeren Untersuchung liegen. Eine Tastuntersuchung kostet 46,50 Euro und wird von einigen Kassen übernommen. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau in der westlichen Welt. Insgesamt erkranken allein in Deutschland etwa 70.000 Frauen jährlich neu daran. Jede Dritte verstirbt an der Krankheit. Eine große Chance auf Heilung gibt es, wenn der Krebs frühzeitig entdeckt wird, also bevor er in den übrigen Körper streuen kann. Ein bildgebendes Verfahren dazu ist die Mammographie, dabei wird mit Röntgenstrahlen gearbeitet. Alle Frauen zwischen 50 und 69 haben im Abstand von zwei Jahren das Recht auf eine Mammografie. Bei jüngeren Frauen tastet der Gynäkologe während der Vorsorgeuntersuchung die Brustdrüse ab. Dabei ist Feinfühligkeit gefragt, um auch besonders kleine Mikrokarzinome aufzuspüren. Die Brusttastuntersuchung durch den Gynäkologen, die für Frauen zwischen 30 und 50 Jahren die einzige Brustkrebsfrüherkennungsmaßnahme darstellt, wird jedoch nicht nach standardisierten und validierten Abläufen und oft unter hohem Zeitdruck durchgeführt. 11 Neuer Ausbildungsberuf für Blinde Seit wenigen Jahren gibt es nun einen neuen Beruf, in dem blinde Frauen sich mithilfe ihres feinen Gespürs in den Fingerspitzen auf die Suche nach Veränderungen in der Brustdrüse begeben: die Medizinischen Tastuntersucherinnen (MTU). Blinde haben einen nachweislich überlegenen Tastsinn, was sich beispielsweise durch ihre Fähigkeit äußert, Braille-Schrift zu lesen. Die Tastuntersuchung durch die MTU erfolgt nach einem speziell entwickelten, standardisierten und qualitätsgesicherten Untersuchungskonzept. Dieses innovative Konzept der Ausbildung zur MTU schafft nicht nur ein höheres Maß an Sicherheit für die Erkennung von Brustveränderungen, sondern ermöglicht Frauen eine angenehme Untersuchungssituation mit einem Höchstmaß an Zuwendung und Zeiteinsatz. In einer neunmonatigen theoretischen und praktischen Fortbildung werden blinde und sehbehinderte Menschen in qualifizierten Berufsförderungswerken zu Medizinischen Tastuntersucherinnen (MTU) ausgebildet. Die optimale Vorsorge vereint mehrere Methoden Die Tastuntersuchung der Brust kombiniert alle zur Verfügung stehenden diagnostischen Methoden miteinander. Erst wenn eine Verhärtung ertastet wird, folgen die bildgebenden Verfahren wie Ultraschall und Mammografie. Die Tastuntersuchung ist ohne technisches Gerät möglich und beinhaltet keine Strahlenbelastung. Je dichter jedoch das Brustdrüsengewebe ist, desto schwieriger wird die Bewertung durch die Tastuntersuchung allein. Viele Praxen bieten daher auch eine Kombination aus Medizinischer Tastuntersuchung und Brustultraschall als sinnvolles Brustcheck-Paket an. Die Teilnahme am Mammographie-Screening kann und soll die Medizinische Tastuntersuchung nicht ersetzen. Die bisherigen Erfolge mit der so einfachen und ungefährlichen Untersuchungen können sich aber durchaus sehen lassen: Bis zu einem Drittel mehr Krebsgeschwüre sollen die MTUs ertasten können, so ergab eine Vorstudie aus Erlangen. Zudem fanden sie auch bis zu 50 Prozent mehr und 28 Prozent kleinere Verhärtungen als der Arzt. Das kann aber auch daran liegen, dass die Untersuchung bei der MTU 30 bis 60 Minuten dauert – und nicht nur drei, wie in manchen Praxen. Der Studie zufolge haben Blinde anscheinend einen großen Vorteil. Ein Mensch ohne Sehbehinderung ertastet Knötchen in der Brust ab zweieinhalb Zentimeter Durchmesser, ein erfahrener Frauenarzt ab etwa ein Zentimeter Durchmesser. Eine blinde Tasterin kann Verhärtungen schon ab sechs Millimetern Größe fühlen. In Berlin Mitte hat kürzlich ein Zentrum für Brustkrebsfrüherkennung eröffnet, in dem Gynäkologen und ausgebildete Medizinische Tastuntersucherinnen Hand in Hand arbeiten. Zuerst wird die Patientin auf die Tastuntersuchung vorbereitet. Dann wird ihr der Einsatz eines speziellen Streifens erklärt: Damit wird die Brust in verschiedene Regionen unterteilt, die dann in verschiedenen Lagepositionen Region für Region abgetastet. Die Streifen sind mit Blindenschrift ausgestattet – die Brust somit in Koordinaten eingeteilt. Drei Gewebeschichten werden nach und nach durchgetastet. Jeder Befund der MTU wird durch die Ärztin kontrolliert Findet die MTU ein auffälliges Knötchen, kann sie die Position direkt in dem Koordinatensystem festlegen. Jede von der MTU aufgefundene Strukturauffälligkeit wird danach durch die Ärztin kontrolliert und bewertet. Hierbei wird dann festgelegt, ob und welche weiteren Untersuchungen (Brustultraschall, Mammographie) eventuell erforderlich sind. Das Besondere ist: Bildgebenden Verfahren wie Sonografie oder 12 Mammografie kommen erst nach der Tastuntersuchung zum Einsatz – und auch nur, wenn sich dort ein Verdacht ergeben hat. Natürlich kann keine auch noch so feinfühlige Tasterin die sichere Diagnose durch den Arzt ersetzen. Doch sie kann für viele potentielle Patientinnen früher Klarheit verschaffen – und so dazu beitragen, dass der einen oder anderen Brustkrebspatientin durch eine sehr frühe Diagnose das Leben gerettet werden kann. Derzeit gibt es bundesweit 20 Frauenarztpraxen, in denen blinde Frauen als ausgebildete MTU arbeiten. In Berlin hat jetzt das erste discovering hands®-Zentrum Deutschlands eröffnet. Die Untersuchung wird als delegierte und durch den Arzt verantwortete Leistung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in der jeweils gültigen Fassung liquidiert und kostet zwischen 45 und 50 Euro. Versicherte bestimmter Krankenkassen wie beispielsweise die Betriebskrankenkasse VBU übernehmen die Untersuchungskosten. Zum Vergleich: Eine Mammographie mit Röntgen-Strahlung kostet 78 Euro. Expertinnen im Beitrag: Stefanie Gedenk Medizinische Tastuntersucherin Dr. Claudia Jäggi Leitende Ärztin „Discovering Hands“ Großenbaumer Straße 28, 45479 Mülheim an der Ruhr Tel.: 02 08 37 58 34 99 http://www.discovering-hands.de RBB „rbb Praxis“ Masurenallee 8 –14 14057 Berlin www.rbb-praxis.de Redaktion: Ina Czycykowski Moderation: Infotext: Stand der Information: Raiko Thal Beate Wagner 30.09.2015 13