Ungleichungen - Mathematics TU Graz

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Ungleichungen
Jan Pöschko
28. Mai 2009
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Was sind Ungleichungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Äquivalenzumformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Rechnen mit Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
1
2
2 Lösen spezieller Ungleichungen
2.1 Lineare Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Quadratische Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
3
3 Allgemeine Ungleichungen
3.1 Quadrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Mittelungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
4
4
6
1 Einführung
1.1 Was sind Ungleichungen?
Ungleichungen sind im Prinzip so ähnlich wie Gleichungen, stellen also eine Beziehung zwischen
zwei Seiten (links — rechts) her. Statt dem Gleichheitszeichen (=) enthalten sie aber ein Ungleichheitszeichen, also < ( kleiner“), > ( größer“), ≤ ( kleiner oder gleich“), ≥ ( größer oder gleich“)
”
”
”
”
oder 6= ( ungleich“).
”
Ungleichungen können wie Gleichungen Variablen ( Unbekannte“) enthalten. Die Lösungsmenge
”
einer Ungleichung ist die Menge aller Werte dieser Variablen, für die die Ungleichung gilt.
Beispiel. Die Ungleichung
4·x>8
(hier ist x die Variable) gilt für x > 2, hat also die Lösungsmenge
L = {x ∈ R | x > 2}.
1.2 Äquivalenzumformungen
1.2.1 Standardumformungen
Ähnlich wie Gleichungen kann man auch Ungleichungen umformen. Man addiert oder subtrahiert
also auf beiden Seiten das Gleiche, multipliziert beide Seiten mit dem Gleichen oder dividiert beide
Seiten durch das Gleiche. Die erhaltene neue Ungleichung ist dabei (im Normalfall) äquivalent zur
ursprünglichen, d.h. sie besitzt die selbe Lösungsmenge. ( Äquivalent“ schreibt man kurz als ⇔).
”
1
Beispiel. In obigem Beispiel sind wir durch eine Äquivalenzumformung auf die Lösungsmenge
gekommen: Wir haben beide Seiten durch 4 dividiert, also
4·x>8
⇔
|:4
x > 2.
Bei Multiplikation und Division muss man allerdings aufpassen. Wenn man nämlich mit einem
negativen Wert multipliziert (bzw. durch einen negativen Wert dividiert), dreht sich das Ungleichheitszeichen um!
Beispiel. Ersetzen wir im Beispiel 4 durch −4, ergibt sich
−4 · x > 8
⇔
| : (−4)
x < −2.
Außerdem sind natürlich die Multiplikation mit 0 und die Division durch 0 verboten!
Man kann auch beide Seiten einer Ungleichung quadrieren. Dafür müssen allerdings beide Seiten
positiv sein! (Sonst erhält man keine äquivalente Ungleichung.)
1.2.2 Wurzelziehen
Auch Wurzelziehen ist erlaubt, wenn beide Seiten positiv sind. Außerdem ist zu beachten, dass
dabei Absolutbeträge entstehen“, denn
”
√
x2 = |x| .
p
√
(Denke z.B. an (−2)2 = 4 = 2 = |−2|.)
Beispiel. Löse x2 > 4 für x ∈ R.
x2 > 4
⇔
√
| ...
|x| > 2,
somit also x < −2 oder x > 2. Es ergibt sich also die Lösungsmenge
L = {x ∈ R | x < −2 oder x > 2}.
Sie kann auch in Intervallschreibweise als
L = (−∞, −2) ∪ (2, ∞)
angegeben werden (∪ bedeutet Mengenvereinigung).
1.3 Rechnen mit Ungleichungen
Ungleichungen können addiert und multipliziert werden, solange sie dasselbe Ungleichheitszeichen
(insbesondere in die gleiche Richtung) enthalten.
Beispiel. Wenn wir die Ungleichungen
4·x>8
2·y >2
addieren, folgt daraus die Ungleichung
4 · x + 2 · y > 10.
Durch Multiplizieren ergibt sich
8 · x · y > 16.
Das heißt im Speziellen:
• Die Summe von zwei positiven Zahlen ist positiv (x > 0, y > 0 ⇒ x + y > 0).
• Das Produkt von zwei positiven Zahlen ist positiv (x > 0, y > 0 ⇒ x · y > 0).
2
2 Lösen spezieller Ungleichungen
2.1 Lineare Ungleichungen
Linear bedeutet, dass die Unbekannte (bzw. die Unbekannten)
nur in erster Potenz in der Unglei√
chung auftritt, also etwa x, nicht aber x2 , x3 oder x etc. Diese Ungleichungen können einfach
durch Äquivalenzumformungen gelöst werden, indem man die Variable freistellt“.
”
Beispiel. Für welche x ∈ R gilt −5x + 8 ≤ 10?
−5x + 8 ≤ 10
|−8
⇔
−5x ≤ 2
| : (−5)
2
⇔
x≥
5
Die Lösungsmenge ist also x ∈ R | x ≥ 25 . Sie kann auch in Intervallschreibweise als 25 , ∞
geschrieben werden.
2.2 Quadratische Ungleichungen
Hier treten die Variablen in bis zu zweiter Potenz auf, also z.B. x und x2 . Diese Ungleichungen
löst man, indem man auf ein vollständiges Quadrat ergänzt.
Beispiel. Für welche a ∈ R gilt a2 − 10a + 9 ≥ 0?
Wir wollen ein vollständiges Quadrat der Form (a − b)2 = a2 − 10a + b, wobei wir das b erst
bestimmen müssen. Es gilt
(a − b)2 = a2 − 2ab + b2 ,
also in unserem Fall 2ab = 10a und somit b = 5. Wir brauchen also insgesamt b2 = 25 als
konstantes Glied auf der linken Seite, müssen daher 16 addieren:
a2 − 10a + 9 ≥ 0
| + 16
2
⇔
a − 10a + 25 ≥ 16
⇔
(a − 5)2 ≥ 16.
Nun können wir — nachdem beide Seiten sicher positiv sind — jeweils die Wurzel ziehen (siehe
dazu Abschnitt 1.2.2). Somit ist die Ungleichung äquivalent zu
|a − 5| ≥ 4
⇔
a−5≥4
oder
a − 5 ≤ −4
⇔
a≥9
oder
a ≤ 1.
Die Lösungsmenge ist also
L = (−∞, 1] ∪ [9, ∞).
3 Allgemeine Ungleichungen
Im Gegensatz zu Beispielen, wo die Lösung einer Ungleichung gefragt ist, gibt es auch solche, wo
man die Ungleichung im Allgemeinen beweisen soll. Dafür gibt es verschiedene Verfahren bzw.
bekannte Ungleichungen, auf die man die gegebene zurückführen kann.
3
3.1 Quadrate
Eine der zentralsten und am öftesten verwendeten Ungleichungen ist die, dass das Quadrat einer
reellen Zahl nicht negativ ist, also
x2 ≥ 0
für x ∈ R.
Gleichheit gilt genau ( dann und nur dann“), wenn x = 0.
”
Beispiel. Zeige die Ungleichung
a2 + b2 + c2 ≥ ab + ac + bc
für alle a, b, c ∈ R. Wann gilt Gleichheit?
Die Idee ist, dass wir Terme der Form (x − y)2 = x2 − 2xy + y 2 konstruieren“. Dazu benötigen
”
wir die doppelten Zweierprodukte“, weswegen wir zuerst mit 2 multiplizieren, dann alles auf eine
”
Seite bringen und schließlich die Quadrate aufspalten“:
”
a2 + b2 + c2 ≥ ab + ac + bc
2
⇔
2
2
2a + 2b + 2c ≥ 2ab + 2ac + 2bc
2
⇔
2
|·2
| − (2ab + 2ac + 2bc)
2
2a + 2b + 2c − 2ab − 2ac − 2bc ≥ 0
2
⇔
a − 2ab + b2 + b2 − 2bc + c2 + c2 − 2ac + a2 ≥ 0
⇔
(a − b)2 + (b − c)2 + (c − a)2 ≥ 0
Nun haben wir also die Summe lauter Quadrate, also nicht-negativer Zahlen, die somit sicher auch
nicht-negativ ist. Damit ist die gegebene Ungleichung (die ja äquivalent zu dieser ist) bewiesen.
Gleichheit gilt in der Summe genau dann, wenn alle Summanden 0 sind, also
a−b=0
b−c=0
a=b
b=c
⇔
c−a=0
c = a,
d.h. a = b = c.
3.2 Mittelungleichungen
Hat man zwei positive Zahlen x und y, kann man ihren Mittelwert ausrechnen, also
x+y
.
2
Dieser Mittelwert wird in der Mathematik arithmetisches Mittel genannt. Es gibt auch andere,
z.B. das geometrische Mittel, das als
√
x·y
definiert ist. Darüberhinaus gibt es das quadratische Mittel
r
x2 + y 2
2
und das harmonische Mittel
1
x
2
+
1
y
.
Diese Mittelwerte erfüllen — egal welche (positiven) Zahlen x, y man einsetzt — gewisse Ungleichungen.
4
3.2.1 Arithmetisch-geometrische Mittelungleichung
Für x, y ∈ R+ (d.h. x und y sind positive reelle Zahlen) gilt
x+y √
≥ x · y.
2
Das arithmetische Mittel ist also immer größer oder gleich dem geometrischen Mittel. Gleichheit
gilt genau für a = b.
Beweis. Die arithmetisch-geometrische Mittelungleichung lässt sich leicht beweisen, indem man
sie auf ein vollständiges Quadrat umformt:
x+y √
≥ x·y
2
√
x+y ≥2 x·y
⇔
⇔
x2 + 2xy + y 2 ≥ 4xy
2
|·2
| . . .2 (x + y > 0 wegen x > 0 und y > 0)
| − 4xy
2
⇔
x − 2xy + y ≥ 0
⇔
(x − y)2 ≥ 0
Damit ist die Ungleichung bewiesen.
Diese Ungleichung kann man oft benutzen, um weitere Ungleichungen zu beweisen.
Beispiel. Zeige für a, b > 0:
a
b
+ ≥ 2.
b
a
Wir würden links gerne ein arithmetisches Mittel konstruieren“, also dividieren wir die Un”
gleichung zuerst durch 2:
a
b
+ ≥2
b
a
a
b
b + a
≥ 1.
2
⇔
|:2
Nun steht links genau das arithmetische Mittel von ab und ab . Wir wissen, dass dies sicher größer
oder gleich dem geometrischen Mittel ist, also
r
a
b
√
a b
b + a
≥
· = 1 = 1.
2
b a
Somit ist die Ungleichung bewiesen.
3.2.2 Weitere Mittelungleichungen
Neben der arithmetisch-geometrischen Mittelungleichung gibt es auch Ungleichungen für die anderen erwähnten Mittel. Man kann nämlich zeigen, dass das quadratische Mittel größer/gleich dem
arithmetischen und das geometrische Mittel größer/gleich dem harmonischen ist. Insgesamt heißt
das also
r
x2 + y 2
x+y √
2
≥
≥ x·y ≥ 1
1
2
2
x + y
oder kurz
QM ≥ AM ≥ GM ≥ HM.
5
Bemerkung. Die Mittel lassen sich auch für mehr als 2 Variable definieren. So ist z.B. das
arithmetische Mittel für n Variable x1 , x2 , . . . , xn definiert als
x1 + x2 + · · · + xn
,
n
und das geometrische Mittel als
√
n
x1 · x2 · · · xn .
Die Mittelungleichungen gelten auch in diesen allgemeineren Fällen.
3.3 Vollständige Induktion
Viele Ungleichungen — speziell natürlich solche über natürlichen Zahlen n ∈ N — lassen sich
mittels vollständiger Induktion beweisen. Dabei geht man in zwei Schritten vor:
1. Induktionsbasis: Zeige die Gültigkeit der Ungleichung für einen Startwert, im Normalfall
n = 1.
2. Induktionsschritt (n → n + 1): Zeige die Gültigkeit der Ungleichung für n + 1, unter der
Annahme, dass sie für n gilt.
Somit hat man die Gültigkeit der Ungleichung für alle natürlichen Zahlen n ≥ 1 gezeigt.
Man kann sich diese Vorgehensweise wie Stufensteigen vorstellen: Wenn man weiß, wie man
auf die erste Stufe kommt (Basis), und außerdem, wie man von einer Stufe zur nächsten kommt
(Schritt), kann man die gesamte Treppe erklimmen (theoretisch bis ins Unendliche).
Bemerkung. Diese Beweistechnik wird in vielen Gebieten der Mathematik sehr häufig verwendet.
Eine große Rolle spielt sie — nicht sehr überraschend — in der Zahlentheorie.
Beispiel. Zeige für n ≥ 4:
2n < n!
(n! = 1 · 2 · 3 · 4 · · · n, sprich n Fakultät“.)
”
Der Beweis gelingt mittels vollständiger Induktion:
1. Induktionsbasis: Für n = 4 gilt die Ungleichung, denn
4n = 16 < 24 = 4!.
2. Induktionsschritt: Wir nehmen nun an, dass die Ungleichung für n stimmt ( Induktionsannahme), und wollen sie für n + 1 beweisen. Zu zeigen ist also
2n+1 < (n + 1)!
Es gilt
2n+1 = 2n · 2 < n! · 2
laut Induktionsannahme. Das kann für n ≥ 4 weiter abgeschätzt werden zu
n! · 2 < n! · (n + 1) = (n + 1)!
Somit haben wir insgesamt 2n+1 < (n + 1)! bewiesen, womit die Induktion vollständig und
die Aussage bewiesen ist.
Beispiel. Zeige für n > 1:
1
n
1 1 1
+ + + ··· + n > .
2 3 4
2
2
Der Beweis gelingt mittels vollständiger Induktion:
6
1. Induktionsbasis: Zeige die Ungleichung für n = 2 (nachdem n > 1, ist 2 der erste Wert, für
den sie gelten soll). Sie lautet dann
1 1 1
2
+ + > =1
2 3 4
2
13
> 1,
12
⇔
was offensichtlich stimmt.
2. Induktionsschritt: Zu zeigen ist
1 1 1
1
n+1
1
1
1
+ + + ··· + n + n
+
+ · · · + n+1 >
.
2 3 4
2
2 + 1 2n + 2
2
2
Aufgrund unserer Induktionsannahme können wir nun die linke Seite abschätzen; es gilt
nämlich
1
n
1 1 1
1
1
1
1
1
1
.
+ + + ··· + n + n
+ n
+· · ·+ n+1 > + n
+ n
+· · ·+ n
2} 2 +1 2 +2
2
2 2 +1 2 +2
2 + 2n
|2 3 4{z
>n
2 lt. Ind.ann.
(Dabei haben wir 2n+1 = 2 · 2n = 2n + 2n verwendet.) In diesem neuen Ausdruck schätzen
wir nun die einzelnen Summanden ab. (Indem wir den Nenner vergrößern, verkleinern wir
den Wert des Bruchs.)
n
+
2
1
+1
| {z }
2n
>
1
2n+1
für n > 1
+
n
1
1
n
1
1
2n
n 1
+ · · ·+ n
> + n+1 + · · · + n+1 = + n+1 = + .
n
+2
2 +2
2 |2
2
2
2
2 2
{z
}
| {z }
| {z }
2n
≥
1
2n+1
≥
2n Summanden
1
2n+1
Somit haben wir (durch eine Ungleichungskette) gezeigt, dass
1
1
1
1 1 1
1
n+1
+ + + ··· + n + n
+
+ · · · + n+1 >
.
2 3 4
2
2 + 1 2n + 2
2
2
Die Induktion ist damit vollständig und die Aussage bewiesen.
7
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