ppp Universität Karlsruhe (TH) IEKP-KA/2002-1 Globale Parameteranpassungen im MSSM Christian Sander Diplomarbeit bei Prof. Dr. W. de Boer Institut für Experimentelle Kernphysik Korreferent Prof. Dr. M. Feindt Institut für Experimentelle Kernphysik an der Fakultät für Physik der Universität Karlsruhe 17. Dezember 2001 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 Das 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 5 Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) Die Bausteine der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eichgruppen, Eichinvarianz und Eichbosonen . . . . . . . Die Lagrangedichte des SM . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Higgsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laufende Kopplungskonstanten . . . . . . . . . . . . . . . Die Parameter des Standardmodells . . . . . . . . . . . . Grenzen des Standardmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 7 8 11 11 16 18 19 . . . . . . . . . . . . . . . . Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 23 24 24 25 25 25 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 29 30 31 33 35 35 37 38 38 5 Bestimmung der Parameter des MSSM 5.1 Algorithmus zur Berechnung des supersymmetrischen Massenspektrums . . . . . 5.2 Vergleich der Theoriewerte mit experimentellen Daten . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Vereinigung der Kopplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Vergleich von MZ aus elektroschwacher Symmetriebrechung mit Messung 5.2.3 Vereinigung der Yukawakopplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Experimentelle untere Schranken für Teilchenmassen . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Das Verzweigungsverhältnis B → Xs γ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.6 Das anomale magnetische Moment aµ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7 Dunkle Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 39 40 40 40 41 43 43 43 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Große Vereinigungstheorien (GUT) 3.1 Höhere Symmetriegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Gleichheit der Beträge von Elektron- und Protonladung . . . . . . . . . 3.3 Beziehungen zwischen Fermionmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Vereinigung der Kopplungskonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Die Kopplungskonstanten α1 , α2 und α3 an der elektroschwachen 3.4.2 Die Renormierungsgruppengleichungen (RGE) der Kopplungen . 3.4.3 Test der Vereinigung der Eichkopplungen . . . . . . . . . . . . . 4 Das 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 Minimale Supersymmetrische Standardmodell Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Teilchenspektrum des MSSM . . . . . . . . . . . Brechung der Supersymmetrie . . . . . . . . . . . . . Die Massen der supersymmetrischen Teilchen . . . . Der Higgssektor im MSSM . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Das Higgspotential in Bornapproximation . . 4.5.2 Higgsmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Korrekturen zum Higgspotential . . . . . . . 4.6 Das Constrained MSSM (CMSSM) . . . . . . . . . . 3 (MSSM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 INHALTSVERZEICHNIS 5.3 5.2.8 Das leichteste supersymmetrische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.9 Elektroschwache Präzisionsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methode zur Parameterbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xs γ) 6.1 Theoretische Berechnung von b → Xs γ . . . . . . . . . . . 6.1.1 Die effektive Hamiltonfunktion . . . . . . . . . . . 6.1.2 Beiträge des Standardmodells . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Beiträge des Modells mit 2 Higgsdubletts . . . . . 6.1.4 Beiträge des MSSM . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.5 Entwicklung der Wilson-Koeffizienten . . . . . . . 6.1.6 Das b → Xs γ Verzweigungsverhältnis . . . . . . . . 6.2 Experimentelle Methoden zur Messung von Br(b → Xs γ) 44 45 45 . . . . . . . . 47 47 47 49 49 50 50 50 51 7 Das anomale magnetische Moment des Myons 7.1 Supersymmetrische Beiträge zu aµ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Experimentelle Methode zur Messung von aµ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 55 57 8 Ergebnisse 8.1 Vereinigung der Eichkopplungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Globale Parameteranpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 59 62 9 Elektroschwache Präzisionsdaten 9.1 Die verwendeten Observablen und Pseudo-Observablen 9.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Parameteranpassung im SM . . . . . . . . . . . 9.2.2 Parameteranpassung im MSSM . . . . . . . . . 9.2.3 Parameteranpassung im CMSSM . . . . . . . . 67 67 69 69 70 74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Zusammenfassung und Ausblicke A Einzelbeiträge und Funktionen zur Berechnung der Wilson-Koeffizienten A.1 Beiträge des Standardmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.2 Beiträge des Modells mit 2 Higgsdubletts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3 Beiträge des MSSM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.4 Entwicklung der Wilson-Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.5 QED Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 79 80 81 82 83 Kapitel 1 Einleitung Die Physik der Elementarkräfte ist seit langer Zeit ein aktives Forschungsgebiet. Heute sind wir daran interessiert eine einheitliche Beschreibung zu erhalten, die die unterschiedlichen Wechselwirkungen als verschiedene Aspekte von ein und derselben Ursache beschreibt. Derzeit ist es uns möglich, bis auf die Gravitation, alle Kräfte einheitlich zu beschreiben. Doch bis zu diesem Kenntnisstand war es ein weiter Weg: Die erste mathematische Formulierung einer fundamentalen Kraft gelang Sir Isaac Newton bereits im Jahr 1687 mit seiner Gravitationstheorie. Sie wurde 1915 durch die von Albert Einstein entwickelte Allgemeine Relativitätstheorie ersetzt. Rund zwei Jahrhunderte später gelang es James Clerk Maxwell im Jahr 1865, die elektrische und die magnetische Kraft zu einer elektromagnetischen Kraft zu vereinigen. Er kam zu dem Schluss, dass elektromagnetische Wellen existieren und, dass es sich bei Licht um eben eine solche handelt. Dieses Phänomen der Wellenausbreitung wurden von Heinrich Hertz in Karlsruhe experimentell bestätigt (1886). Damit war die erste Vereinigung zweier Elementarkräfte sowohl theoretisch hergeleitet als auch experimentell entdeckt worden. Der 1898 von Ernest Rutherford entdeckte Beta-Zerfall war ein erstes Indiz auf eine weitere fundamentale Wechselwirkung. Enrico Fermi formulierte im Jahr 1934 die Theorie dieser schwachen Kernkraft. Die Vereinigung der elektromagnetischen und der schwachen zur sogenannten elektroschwachen Wechselwirkung gelang Sheldon Glashow, Abdus Salam und Steven Weinberg 1967 mit ihrem berühmten Glashow-Salam-Weinberg Modell, welches heute noch ein fester Bestandteil des Standardmodells darstellt. Aus der Notwendigkeit heraus, neue Quantenzahlen einzuführen, wurde schließlich die Quantenchromodynamik von Harald Fritzsch und Murray Gell-Mann formuliert (1973). Sie beschreibt die starke Kernkraft, welche für den Zusammenhalt der einzelnen Quarks in einem Hadron (Proton, Neutron, Meson . . . ) zuständig ist. Ein großes Anliegen der Wissenschaft war es nun, diese starke Wechselwirkung mit der elektroschwachen zu vereinigen. Durch die Anordnung der Elementarteilchen in größeren Multipletts nach Howard Georgi und Sheldon Glashow war dies 1974 theoretisch möglich geworden. Durch neue superschwere“ ” Eichbosonen waren nun Übergänge zwischen Quarks und Leptonen erlaubt. Eine logische Konsequenz daraus war der mögliche Zerfall eines Protons. In einem SU (5)-Modell erhält man für die Lebensdauer eines Protons τp ≈ 1031 a. Experimentell wurde aber für die Lebensdauer τp > 1033 a bestimmt. Eine SU (5)-Theorie war folglich ausgeschlossen. Die Lösung zu diesem Problem lieferte die Supersymmetrie. Sie wurde erstmals in 4 Raum-Zeit Dimensionen von Julius Wess und Bruno Zumino 1973 formuliert. Diese Symmetrie ist die einzige denkbare Erweiterung zur Poincaré-Gruppe. Diese rein mathematischen Überlegungen konnten auch auf die Teilchenphysik übertragen werden. Hier ist die Aussage der Supersymmetrie, dass jedes Teilchen des Standardmodells einen supersymmetrischen Partner erhält, der in allen Quantenzahlen, mit Ausnahme seines Spins, mit diesem übereinstimmt. Der Spin von Teilchen und Super-Partner unterscheidet 5 6 sich um genau eine halbe Einheit. Damit haben Bosonen (ganzzahliger Spin) als Partner Fermionen (halbzahliger Spin) und umgekehrt. Durch die Supersymmetrie war es möglich Modelle zu konstruieren, in denen die Lebensdauer des Protons τp ≈ 1036 a beträgt. Supersymmetrische Modelle helfen auch bei weiteren Problemen in der Teilchenphysik: In einer SU (5)Theorie ist es z.B. nicht möglich mit den bei niedrigen Energien gemessenen Kopplungsstärken eine Vereinigung der Kopplungen bei hohen Energien zu erreichen. Durch die neuen supersymmetrischen Teilchen wird das Laufen der Kopplungen so verändert, dass die Vereinigung der Kopplungen mit den experimentellen Daten verträglich ist. Möchte man auch noch die Gravitation mit den übrigen Wechselwirkungen vereinigen, benötigt man eine lokale Supersymmetrie. Das Austauschteilchen der Gravitation, das Graviton, besitzt einen anderen Spin (σ=2) als die anderen Austauschteilchen (σ=1). Nur mit Hilfe einer supersymmetrischen Algebra, die sowohl Kommutatoren als auch Anti-Kommutatoren enthält, ist es möglich eine Quantenfeldtheorie zu formulieren, die die Vereinigung aller Elementarkräfte zulässt. Allerdings sind derzeitige Quanten-Gravitationstheorien prinzipiell nicht renormierbar. Bis jetzt wurde noch kein supersymmetrisches Teilchen entdeckt. Folglich muss die Supersymmetrie gebrochen sein. Insgesamt wird die Anzahl der freien Parameter der Theorie durch die Supersymmetrie und deren Brechung erhöht. Ziel dieser Arbeit ist es, den Parameterraum dieses Teilchenmodells, inklusive der Brechungsparameter, zu untersuchen und -soweit möglich- Vorhersagen über die zu erwartenden Teilchenmassen zu machen. Dabei hilft eine große Anzahl von Bedingungen, z.B. in Form von experimentellen Daten, die durch das neue Modell ebenso gut oder besser als durch das Standardmodell beschrieben werden sollten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf folgende Punkte gelegt: • Welche Werte für αs (MZ ) und sin2 θW werden bei geforderter Vereinigung der Eichkopplungen bevorzugt? • Welche Regionen der m0 ,m1/2 -Ebene sind durch experimentelle Messungen ausgeschlossen? Was folgt daraus für die Massen der supersymmetrischen Teilchen? • Beschreiben supersymmetrische Modelle elektroschwache Präzisionsdaten genauer als das Standardmodell? Kapitel 2 Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschreibt die fundamentalen Bausteine der Materie und ihre Wechselwirkungen untereinander. Diese Wechselwirkungen (auch Elementarkräfte genannt) sind die elektromagnetische, schwache und starke Wechselwirkung. Die Gravitation wird durch die (allgemeine) Relativitätstheorie beschrieben, welche jedoch auf mikroskopischen Skalen gegenüber der elektromagnetischen, schwachen und starken Wechselwirkung zu vernachlässigen ist. In diesem Abschnitt werden kurz die Elementarteilchen eingeführt und aus dem Eichprinzip die Eichbosonen hergeleitet. Dann wird gezeigt, wie man mit Hilfe der Lagrangedichte und des Higgsmechanismus’ den Teilchen eine Masse geben kann. Ein weiterer Teil dieses Kapitels widmet sich der Energieabhängigkeit der Kopplungskonstanten. Zum Schluss wird noch auf die freien Parameter des Standardmodells eingegangen. 2.1 Die Bausteine der Materie Die Bausteine der Materie sind nach heutigem Kenntnisstand ausschließlich Fermionen, d.h. Teilchen mit halbzahligem Spin. Diese lassen sich in Leptonen und Quarks unterteilen und in drei Familien (oder Generationen) anordnen (s.Tabelle 2.1). Entsprechende Teilchen der drei Generationen stimmen in allen Quantenzahlen überein und unterscheiden sich nur durch ihrer Massen. Die Striche an den down“-Quarks deuten an, dass es sich hier um die Wechselwirkungseigenzustände ” handelt. Die zugehörigen Masseneigenzustände erhält man, wenn man die in der Lagrangedichte auftretenden Massenterme diagonalisiert. Hierbei tritt die 3 × 3 Cabibbo-Kobayashi-Maskawa-Matrix (CKM-Matrix) auf, die die Übergänge zwischen den Familien und die CP -Verletzung beschreibt. Die Indizes L und R bezeichnen die links- bzw. rechtshändigen Komponenten eines Fermions. Diese Komponenten eines Dirac-Fermionfeldes erhält man durch die Projektionen: 1 − γ5 Ψ 2 1 + γ5 Ψ 2 ΨL = ΨR = (2.1) Diese Unterscheidung von links- bzw. rechtshändigen Teilchen wurde durch die Beobachtung der Paritätsverletzung bei elektroschwachen Prozessen nötig. Ein Beispiel für die Paritätsverletzung ist das Experiment von Wu [1], welches zeigt, dass die beim β-Zerfall entstehenden Elektronen eine bevorzugte Helizität besitzen. 7 8 2.2. Eichgruppen, Eichinvarianz und Eichbosonen Generation II I à νe e ! L à ! νµ µ L III à ντ τ ! L Y Quantenzahl Q I3 −1 à Leptonen eR à u d′ µR ! L à c s′ τR ! L à t b′ −2 ! 1 3 L Quarks 0 −1 ! à −1 à 2 3 − 13 1 2 − 12 ! 0 ! à 1 2 − 12 uR cR tR 4 3 2 3 0 d′R s′R b′R − 23 − 13 0 ! Tabelle 2.1: Übersicht der fermionischen Elementarteilchen nach Familien angeordnet und mit den Quantenzahlen I3 (z-Komponente des Isospins), Q (elektrische Ladung) und Y (Hyperladung) 2.2 Eichgruppen, Eichinvarianz und Eichbosonen Das SM beruht auf einem Eichprinzip, nach dem alle Kräfte durch die Wechselwirkung mit so genannten Eichfeldern einer entsprechenden Eichgruppe erzeugt werden. Die zu den Eichfeldern gehörenden Austauschteilchen besitzen ganzzahligen Spin und gehören somit zu den Bosonen. Der Austausch dieser Eichbosonen wird durch Feldtheorien beschrieben. Die erste bekannte (lokale) Eichtheorie war die Quantenelektrodynamik (QED), welche die elektromagnetische Wechselwirkung durch den Austausch eines masselosen Photons beschreibt. Die Masselosigkeit und Neutralität des Austauschteilchens ist auch der Grund für die große Reichweite. Alle elektrisch geladenen Teilchen koppeln mit der elektrischen Elementarladung e an dieses neutrale Eichboson. Die zugehörige Eichgruppe ist die abelsche Gruppe U (1). Das bedeutet, dass die Lagrangedichte L unter (lokaler) Transformation ihrer Symmetriegruppe U (1) invariant ist. Eichtransformationen haben die allgemeine Form: 2 −1 NX U Ψ = exp i θa (x)Ta (2.2) a=1 Ta sind hier die Generatoren der Gruppe und θa sind freie, bei lokalen Eichtheorien von Zeit und Ort abhängige, Parameter. In der QED ist der einzige Generator die elektrische Ladung Q. Betrachtet man die Symmetriegruppe der schwachen Wechselwirkung SU (2), so sind die 3 Paulimatrizen τa die Generatoren, und im Falle der starken Wechselwirkung generieren die 8 Gell-Mann-Matrizen λa die zugehörige Gruppe SU (3). Die erste Formulierung der schwachen Wechselwirkung lieferte Fermi 1934 [2]. Er beschrieb den β-Zerfall als eine Strom-Strom-Wechselwirkung (punktförmige Wechselwirkung). Dieser Ansatz beschreibt alle bekannten Eigenschaften der schwachen Wechselwirkung sehr gut. Für hohe Energien 2. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) 9 erhält man jedoch divergente Wirkungsquerschnitte (z.B. νe e− → νe e− ). Dieser Widerspruch zur Wahrscheinlichkeitserhaltung (einer der fundamentalsten Annahmen der Quantenmechanik) konnte nur durch ein neues Austauschteilchen aufgelöst werden. Dieses Teilchen sollte einerseits geladen sein (Auflösung der punktförmigen Wechselwirkung in eine Fernwirkung), andererseits musste es eine große Masse besitzen, um die kurze Reichweite zu erklären. Erst im Jahr 1983 konnte dieses Teilchen, das W -Boson, am SPS-Beschleuniger am CERN nachgewiesen werden [3]. Dieses W -Boson beseitigte allerdings nur die Divergenzen der geladenen Ströme. Für die Beseitigung der übriggebliebenen Divergenzen durch neutrale Ströme benötigte man ein weiteres neutrales Austauschteilchen (das Z0 Boson), welches eine Masse besitzen sollte vergleichbar der des W -Bosons. Das Experiment von Wu zeigte, dass die schwache Wechselwirkung zwischen links- und rechtshändigen Fermionen unterschied. Dies führte zu einer Anordnung der linkshändigen Fermionen in Dubletts und der rechtshändigen in Singletts. Die Vereinigung der elektromagnetischen und der schwachen zur elektroschwachen Wechselwirkung gelang Glashow, Salam und Weinberg mit dem GSW-Modell [4]. In diesem Modell beschreibt eine SU (2)L ⊗ U (1)Y - Symmetriegruppe die Wechselwirkung. Der Index L soll deutlich machen, dass die SU (2)-Gruppe nur für die linkshändigen Fermionen relevant ist. Der Index Y bezeichnet die so genannte Hyperladung, welche über die Gell-Mann-NishijiamaRelation mit der elektrischen Ladung (Q) und der z-Komponente des Isospins (I3 ) verknüpft ist und der Generator der Gruppe ist: 1 Q = I3 + Y (2.3) 2 Eine U (1)Q -Symmetriegruppe wäre nicht für eine universale Beschreibung von elektromagnetischer und schwacher Wechselwirkung geeignet, da die elektromagnetische Wechselwirkung sowohl durch den Austausch eines Eichbosons der U (1)-Gruppe (Photon) als auch durch den Austausch des neutralen Eichbosons der SU (2)L -Gruppe (Z-Boson) beschrieben wird. Die Tatsache, dass es Atomkerne gibt, die trotz der Coulombabstoßung stabil sind, lässt auf eine weitere elementare Kraft schließen. Es dauerte jedoch sehr lange, bis Gell-Mann schließlich eine Theorie der starken Wechselwirkung formulierte. Er erkannte, dass sich alle Mesonen und Baryonen als eine höhere Darstellung eine SU (3)flavour darstellen ließen. Bei der Anordnung der Baryonen in Multipletts trat jedoch ein Problem auf: Das Modell sagte ein Teilchen Ω− voraus, welches sich aus 3 identischen s-Quarks zusammensetzt. Nach dem Pauliprinzip dürfen jedoch die Fermionen nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen. Nach der Entdeckung dieses exotischen Teilchens“ war man gezwungen ” eine weitere Quantenzahl einzuführen. Diese Quantenzahl nannte man Farbladung. Die Messung des Verhältnisses von hadronischem zu leptonischem Wirkungsquerschnitt bei e+ e− -Vernichtung bevorzugte auch ein Modell mit dieser neuen Quantenzahl, wenn es dadurch dreimal so viele Quarkzustände geben würde, wie vorerst angenommen wurde. Die Quarkeigenschaften konnten nun durch eine SU (3)C -Symmetriegruppe beschrieben werden. Wird die Lagrangedichte eichinvariant unter einer Transformation dieser Gruppe gewählt, so erhält man die Quantenchromodynamik (QCD). Die acht Eichbosonen und Vermittler der starken Wechselwirkung sind die Gluonen, die selber eine Farbladung tragen und darum auch mit sich selber wechselwirken. Eine Zusammenfassung der fundamentalen Wechselwirkungen zeigt Tabelle 2.2. Sofern alle Materieteilchen (Fermionfelder) und die zugrundeliegende Symmetriegruppe bekannt sind, lassen sich aus dem Prinzip der lokalen Eichinvarianz die Eichbosonen herleiten. Als Beispiel betrachten wir die Lagrangedichte eines freien Spin-1/2-Fermions: L = iΨγ µ ∂µ Ψ − mΨΨ (2.4) Diese Lagrangedichte soll nun beispielsweise unter der Eichtransformation U = exp(−iλq) -dies entspricht der Symmetriegruppe der QED- invariant sein, -d.h. die Form der Lagrangedichte muss bis auf totale Divergenzen vor und nach der Transformation erhalten sein-. λ ist eine beliebige Phase und q ist der Generator der Symmetriegruppe. Betrachtet man eine globale Transformation U 6= U (x) (λ 6= λ(x)) so ist L invariant. Geht man aber zu lokalen Transformationen U = U (x) über, so erhält 10 2.2. Eichgruppen, Eichinvarianz und Eichbosonen Wechselwirkungen stark elektroschwach Theorie Symmetrie Austauschteilchen Ladung QCD SU (3)C g1 . . . g8 Farbe GSW SU (2)L ⊗ U (1)Y γ, W ± , Z 0 I3 , Y Tabelle 2.2: Übersicht der fundamentalen Wechselwirkungen, ihrer Symmetriegruppen und ihrer Austauschbosonen man von ∂µ (U Ψ) einen Zusatzterm der Form ∂µ U . Dieser Zusatzterm zerstört die Eichinvarianz. Diese kann allerdings durch die Einführung der kovarianten Ableitung Dµ = ∂µ − iqAµ wiedererlangt werden. Man ersetzt in Gleichung 2.4 die Ableitung ∂µ durch Dµ . Hierfür muss das Vektorfeld Aµ eingeführt werden. Dieses Feld zeigt alle Eigenschaften eines Spin-1 Teilchens, und entspricht damit einem Boson, welches Eichboson genannt wird. Es wurde allein durch die Forderung nach lokaler Eichinvarianz in die Theorie eingeführt. Auch seine Transformationseigenschaften unter solch einer Eichtransformation liegen fest: i A′µ = U Aµ U −1 − (∂µ U )U −1 (2.5) q Damit ergibt sich für eine infinitesimale Eichtransformation: A′µ = Aµ − ∂µ λ (2.6) Diese Konzept kann ebenso auf nicht-abelsche Gruppen (mit nichtvertauschenden Generatoren) erweitert werden. Zur Beschreibung von Wechselwirkungen sind die speziellen unitären Gruppen SU (N ) (speziell: det U = 1) in N Dimensionen von besonderem Interesse. Eine Darstellung solch einer Eichtransformation ist Gleichung 2.2. θa sind frei wählbare, raumzeitabhängige Phasen, die die Drehungen im Raum der SU (N ), welcher durch die N 2 − 1 Generatoren der Gruppe aufgespannt wird, charakerisieren. Da wir eine nicht-abelsche Eichgruppe betrachten, verändert sich das Verhalten der Eichfelder unter infinitesimaler Transformation zu: 1 a F ′ µ = Fµa − ∂µ θa + fabc Fµa θc g (2.7) g ist hierbei die Kopplungskonstante der zu eichenden Symmetriegruppe U (1)Y → g = g′ SU (2)L → g = g SU (3)C → g = gs und fabc ist die Strukturkonstante der Symmetriegruppe, welche durch die Vertauschungsrelation der erzeugenden Generatoren definiert ist: [Ta , Tb ] = ifabc Tc (2.8) Für eine abelsche Gruppe gilt fabc = 0. Für die nicht abelsche SU (2)L der elektroschwachen Wechselwirkung gilt fabc = ǫabc 1 . 1 ǫabc ist der total antisymmetrische Tensor 2. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) 2.3 11 Die Lagrangedichte des SM Die Lagrangedichte des Standardmodells soll die elektromagnetische, die schwache und die starke Wechselwirkung für Fermionfelder beschreiben. Dafür geht man wieder von der Lagrangedichte für freie Fermionen aus: X Lfrei = i Ψf γ µ ∂µ Ψf (2.9) ferm f Diese Lagrangedichte muss unter einer Transformation der Symmetriegruppe SU (3)C ⊗ SU (2)L ⊗ U (1)Y invariant sein. Dies bewirkt man durch das Ersetzen der Ableitung in Gleichung 2.9 durch die kovariante Ableitung: X Ψf γ µ Dµ Ψf (2.10) Lferm = i f mit Dµ = ∂µ + ig ′ ig igs n n Bµ Y + Wµa τ a + G λ 2 2 2 µ Dabei sind Bµ , Wµa und Gnµ die im vorherigen Abschnitt hergeleiteten Eichbosonenfelder der SU (3)C , SU (2)L und U (1)Y . g ′ , g und gs sind die zugehörigen Kopplungskonstanten und Y /2, τ a /2 und λn /2 die Generatoren der entsprechenden Gruppe. Die Lagrangedichte enthält nun einen kinetischen Beitrag der Eichbosonen: 1 a Lgauge = − (Bµν B µν + Wµν W a,µν + Gaµν Ga,µν ) 4 (2.11) Die Lagrangedichte enthält bis jetzt den kinetischen Term der Eichbosonen (Gl. 2.11) und den eichinvarianten Beitrag der Fermionen und Eichbosonen (Gl. 2.10), welcher auch Wechselwirkungsterme zwischen Fermionen und Eichbosonen enthält. Fermionen und Eichbosonen sind aber noch masselos. Zum einen verlangt die lokale Eichinvarianz masselose Austauschteilchen, da sonst die Theorie nicht mehr renormierbar wäre. Vergleicht man diese Forderung mit der Bestimmung der Z-Masse zu ∼ 90GeV, so ist dies eine schlechte Näherung. Ebenso ist es nicht möglich, wie in der Diractheorie direkte Massenterme für chirale Fermionen einzuführen. Diese haben die Form: 1 Lmass = M (ΨL ΨR + ΨR ΨL ) 2 (2.12) Linkshändige Fermionen sind in Dubletts, während rechthändige in Singletts angeordnet sind. Damit wäre die Lagrangedichte keine skalare Größe mehr. Um den Teilchen zwar eine Masse zu geben, die Renormierbarkeit jedoch zu erhalten, muss die Symmetrie gebrochen sein. Dazu führt man ein neues komplexes skalares Feld Φ ein. Durch die Kopplung der Teilchen an dieses sogenannte Higgsfeld erhalten sie eine Masse. Durch die Einführung des Higgsfeldes bleibt die Lagrangedichte, jedoch nicht der Grundzustand invariant. Man sagt, dass die Symmetrie spontan gebrochen ist. Die vollständige Lagrangedichte des Standardmodells ergibt sich zu: LSM = Lferm + Lgauge + LHiggs + LYukawa (2.13) LHiggs ist der Beitrag des Higgsfeldes und LYukawa ist der Wechselwirkungsterm der Fermionen mit dem Higgsfeld, welcher den Fermionen eine Masse gibt. 2.4 Der Higgsmechanismus Das zur Massengenerierung benötigte Higgsfeld wird über den Term LHiggs in die Lagrangedichte eingeführt. Er ist unter SU (2)L ⊗ U (1)Y -Transformationen invariant und lautet: LHiggs = (Dµ Φ)† (Dµ Φ) − V (Φ) (2.14) 12 2.4. Der Higgsmechanismus V(Φ) Φ Abbildung 2.1: Schematische eindimensionale Darstellung des Higgspotentials für µ2 > 0 (obere Kurve) und µ2 < 0 (untere Kurve) (aus [16]) Dabei ist Dµ die kovariante Ableitung und Φ das komplexe skalare Higgsfeld. Dieses lässt sich im Standardmodell als ein SU (2)L -Dublett mit Y = 1 eines geladenen und eines neutralen Higgsteilchens schreiben: à ! à ! φ1 + iφ2 Φ+ 1 (2.15) Φ= =√ φ3 + iφ4 Φ0 2 Das Higgspotential V (Φ) ist gegeben durch: V (Φ) = µ2 Φ† Φ + λ(Φ† Φ)2 (2.16) λ ist ein positiver reeller Parameter. Wenn µ2 positiv oder gleich 0 gewählt wird, hat das Higgspotential ein triviales Minimum bei Φ = 0. Ist dagegen µ2 negativ, so hat man dann ein Minimum, wenn die Feldkonfiguration folgende Bedingung erfüllt: 1 −µ2 |Φ|2 = Φ† Φ = (φ21 + φ22 + φ23 + φ24 ) = 2 2λ Diese Bedingung erfüllen alle Zustände, deren Vakuumserwartungswert r −µ2 |h0|Φ|0i| = v = 2λ (2.17) (2.18) beträgt. In Abbildung 2.1 ist für diese beiden Fälle das Higgspotential dargestellt. Wenn sich das System nun in einem Grundzustand befindet, so überführt eine Transformation der elektroschwachen SU (2)L ⊗ U (1)Y -Gruppe ihn in einen i.A. anderen Grundzustand. Ein bestimmter Grundzustand ist also unter solch einer Transformation nicht invariant, während die Lagrangedichte diese Symmetrie aufweist. Diese Form der Symmetriebrechung nennt man, im Gegensatz zur Brechung durch Einführung expliziter Brechungsterme, spontane Symmetriebrechung. Diese Brechung der elektroschwachen Symmetrie bewirkt, dass die Eichbosonen der schwachen Wechselwirkung eine Masse erhalten, wie im Folgenden gezeigt wird. Da das Vakuum neutral sein soll, wählt man aus der Masse der Grundzustände einen aus, der |Φ+ | = 0 erfüllt. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit ist es möglich folgenden Grundzustand zu wählen: µ ¶ 0 Φ0 = (2.19) v 2. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) 13 Fluktuationen des Feldes Φ um das Minimum des Vakuums lassen sich parametrisieren durch: ¶ µ 0 a a Φ(x) = eiζ (x)τ (2.20) v + h(x) Das Feld h(x) beschreibt radialer Auslenkungen aus dem Minimum und, da die Krümmung des Potentials in radiale Richtung nicht verschwindet, ist es massiv. h(x) charakterisiert ein skalares Teilchen, das Higgsboson. Auch die drei reellen lokalen Phasenfaktoren ζ a (x) können als skalare Felder interpretiert werden. Sie entsprechen Anregungen entlang des Tales der Potentialminima. Da die Krümmung des Potentials längs dieses Weges verschwindet, sind die durch diese Felder beschriebenen pseudoskalaren Goldstonebosonen masselos. Sie können durch die Wahl einer speziellen Eichung aus der Theorie eliminiert werden: µ ¶ 0 ′ −iζ a (x)τ a Φ(x) → Φ (x) = e Φ(x) = (2.21) v + h(x) Die drei Freiheitsgrade gehen aber durch diese Eichung nicht verloren, sondern finden sich bei den durch die Symmetriebrechung massiv gewordenen schwachen Eichbosonen als longitudinale Polarisation wieder. Um jetzt die Massen zu generieren, betrachten wir den kinetischen Term der Lagrangedichte in Gleichung 2.14 und setzen Gleichung 2.21 ein: ig ′ ig (D Φ) (Dµ Φ) = (0, v) Bµ Y + Wµa τ a 2 2 µ † · ¸2 µ ¶ 0 + h(x)-Terme v (2.22) Setzt man nun die Paulimatrizen ein und setzt Y = −1, so erhält man folgende Terme: ³ gv ´2 ³¡ 2 v2 † (B , W 3† ) 4 µ µ à Wµ1 ¢2 g ′2 +gg ′ +gg ′ g2 ¡ ¢2 ´ + Wµ2 !µ Bµ W 3,µ ¶ (2.23) (2.24) Hieraus kann man erkennen, dass die in der Lagrangedichte auftretenden Eichfelder Bµ und Wµa nicht die physikalischen Felder der Theorie sind. Die Wechselwirkungseigenzustände Wµ1,2 mischen sich zu den geladenen W -Bosonen: 1 Wµ± = √ (Wµ1 ∓ iWµ2 ) (2.25) 2 Ihre Masse ergibt sich zu: 2 MW ± = g2 v2 4 (2.26) Um die physikalischen Masseneigenzustände aus den neutralen Eichfeldern Bµ und Wµ3 zu erhalten, muss die in Gleichung 2.24 auftretende Matrix diagonalisiert werden. Die orthogonale Transformation, welche die Matrix diagonalisiert, führt zu dem Photon A0 und dem Z 0 -Boson, welche den physikalischen Teilchen entsprechen. Sie kann in Gestalt einer Drehmatrix geschrieben und somit durch einen Parameter θW parametrisiert werden. Diese Größe wird elektroschwacher Mischungswinkel oder Weinbergwinkel genannt. à !µ ¶ µ 0¶ g −g ′ Bµ 1 A = p Wµ3 Zµ0 +g ′ g g ′2 + g 2 à !µ ¶ cos θW − sin θW Bµ = (2.27) Wµ3 sin θW cos θW 14 2.4. Der Higgsmechanismus Die diagonalisierten Massenterme haben folgende Form: à !µ ¶ 0 0 1 Aµ 2 MW Wµ+ W µ− + (Aµ , Zµ ) 2 2 Zµ 0 MZ (2.28) mit g ′2 + g 2 2 v (2.29) 4 Wenn man nun den neutralen Teil des Wechselwirkungsterms der Lagrangedichte durch die physikalischen Felder ausdrückt, kann man einen Zusammenhang der Kopplungskonstanten g und g ′ feststellen [5]. Dazu geht man von der Annahme aus, dass das Photonfeld nur an das Elektron und nicht an das Neutrino koppelt. Außerdem soll die Stärke der Kopplung gleich der elektrischen Ladung e sein. Der Zusammenhang ergibt sich zu: g ′ cos θW = g sin θW = e (2.30) MZ2 = Damit erhält man folgende Relationen: tan θW = sin2 θW = e = g′ g g ′2 g 2 + g ′2 gg ′ p g 2 + g ′2 (2.31) Mit diesen Gleichungen und den Definitionen der Masse (Gleichung 2.26 und 2.29) erhält man die bekannte Relation zwischen elektroschwachem Mischungswinkel und den Massen der elektroschwachen Eichbosonen: M2 (2.32) sin2 θW = 1 − W2 MZ In dieser Form ist er unabhängig von einem speziellen Prozess und gültig in allen Ordnungen der Störungstheorie. Außerdem kann aus MZ und MW sowie den gemessenen Kopplungskonstanten g und g ′ mit Gleichung 2.26 und 2.29 der Vakuumserwartungswert des Higgspotentials v berechnet werden. Man erhält v ≈ 174GeV. Sollen auch die Fermionen massebehaftet sein, so muss man weitere Terme explizit zu der Lagrangedichte hinzufügen. Diese Terme heißen Yukawaterme und lauten für die erste Generation: µ ¶ ¸ · ¶ µ νe 0 LYukawa = he v (ν e , e)L eR + eR (0, v + h) e L v+h = he v(eL eR + eR eL ) + he (eL eR + eR eL )h (2.33) Der zweite Term beschreibt die Wechselwirkung eines e+ e− -Paares mit einem Higgsboson h. Der erste Term jedoch hat die Form eines Dirac-Massenterms für ein Spin 1/2-Teilchen mit der Masse me = he v. Die Yukawakopplung he ist ein freier Parameter der Theorie, und ihr Wert muss aus dem Experiment bestimmt werden. Der Isospinpartner des Elektrons, das Elektron-Neutrino νe , bleibt masselos. Die down-Quarks einer Generation erhalten ihre Masse auf die gleiche Weise wie die Elektronen. Dazu muss jedoch eine neue Yukawakopplung hd eingeführt werden. Da ihre Isospinpartner, die upQuarks, nicht masselos sind, wird ein weiteres Higgsfeld benötigt. Im minimalen SM kann hierfür das ladungskonjugierte Higgsfeld benützt werden: µ ¶ −v − h C ∗ Φ = −iτ2 Φ ≡ (2.34) 0 2. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) 15 Der gesamte Yukawaterm der Lagrangedichte lautet somit: i i i ij ij C ij LYukawa = hie L ΦeiR + hij d Q ΦdR + hu Q Φ uR (2.35) i und j sind Indizes über die drei Generationen, Li ist ein linkshändiges Leptonendublett, Qi ein linkshändiges Quarkdublett und eR , dR und uR sind die rechtshändigen Partner der Isospindubletts. Die Massenmatrix der Quarks ist nicht diagonal, d.h. die Wechselwirkungseigenzustände entsprechen nicht den Masseneigenzuständen. Die Diagonalisierung erfolgt mit Hilfe der 3 × 3 Cabibbo-KobayashiMaskawa-Matrix (CKM-Matrix). Nicht alle ihre Einträge sind unabhängig, sondern es genügt eine Parametrisierung in drei reelle Parameter und eine komplexe Phase, welche die CP -Verletzung zur Folge hat. Das Nichtverschwinden der off-Diagonalelemente hat zur Folge, dass die einzelnen Quarkzahlen (im Gegensatz zum leptonischen Sektor) nicht mehr seperat erhalten sind. Ein Beispiel ist der folgende Zerfall: Σ− → n + e− + ν̄e (2.36) Betrachtet man die Quarkinhalte der Teilchen Σ− : (sdd) und n : (udd), so beobachtet man indirekt den Zerfall eines s−Quark in ein u−Quark. Über die schwache Wechselwirkung koppelt also nicht nur das d−, sondern auch das s−Quark an das u−Quark. Diese Kopplung ist jedoch um einen Faktor 4-5 unterdrückt. Um also eine einheitliche Beschreibung der schwachen Wechselwirkung zu erhalten, bei der die Kopplung nur innerhalb der einzelnen linkshändigen Dubletts auftritt, ordnet man dem linkshändigen u−Quark eine Mischung aus linkshändigem d− und s−Quark zu: µ ¶ uL (2.37) αdL + βsL Es ist dabei Konvention, die Mischung im down-Quarksektor zu implementieren. Man könnte die Experimente genauso durch Mischung im up-Quarksektor beschreiben. Zieht man nun auch noch die dritte Quark-Familie in Betracht, so ergibt sich folgendes Gesamtbild: Man erhält drei Dubletts, die man nach ihren oberen Komponenten mit Lu , Lc und Lt bezeichnen kann. µ ¶ 1 − γ5 u Lu = d′ 2 µ ¶ 1 − γ5 c Lc = s′ 2 µ ¶ 1 − γ5 t Lt = (2.38) 2 b′ Dabei sind die unteren Komponenten Mischungen der aus der Physik der starken Wechselwirkung bekannten Masseneigenzustände d, s, b. Unter der Bedingung der Erhaltung der Gesamtwahrscheinlichkeit muss der Zusammenhang zwischen d′ , s′ , b′ und d, s, b durch eine unitäre 3 × 3-Matrix Û gegeben sein: d′ d ′ (2.39) s = Û s ′ b b mit Û † Û = 1 Die Matrix Û ist die bereits oben erwähnte CKM-Matrix. Sie hat die allgemeine Gestalt: Vud Vus Vub Vcd Vcs Vcb Vtd Vts Vtb (2.40) (2.41) 16 2.5. Laufende Kopplungskonstanten e e e+ e Abbildung 2.2: Borngraph und exemplarisches 1-Loop Diagramm für e− µ− -Streuung (aus [16]) Man sieht, dass nicht alle Quarks miteinander mischen. Es sind nur Übergänge von up-Quarks zu down-Quarks erlaubt. Übergänge zwischen der 3. Generation und einer anderen sind stark unterdrückt. Sollten auch die Neutrinos eine Masse besitzen, so erfolgt die Generierung ihrer Massen analog zur Erzeugung der up-Quark-Massen. Es würde im Leptonensektor eine der CKM-Matrix ähnliche Matrix existieren, die Neutrinooszillationen erlauben würde, d.h. es würde Umwandlungen der einzelnen Neutrinosorten untereinander geben. Für die Neutrinooszillationen spricht die Beobachtung, dass man nur die Hälfte der Elektron-Neutrinos auf der Erde beobachtet, die man nach der Energieabstrahlung der Sonne eigentlich erwartet. Beim Superkamiokande-Experiment in Japan wurden die Neutrinooszillationen nachgewiesen. Bisher konnten allerdings nur obere Massenschranken bestimmt werden. In der vorliegenden Arbeit werden die Neutrinos als masselos betrachtet. 2.5 Laufende Kopplungskonstanten In der Quantenfeldtheorie sind die Kopplungskonstanten energieabhängige Größen. Diese Abhängigkeit kommt sowohl von virtuellen Korrekturen der QED als auch der QCD. Am Beispiel der elektromagnetischen Kopplungskonstante α soll nun dieses Verhalten erläutert werden. α ist hierbei e2 /4π. Betrachten wir nun den QED-Prozess der e− µ− -Streuung, so tragen in der Störungstheorie nicht nur Borngraphen bei, sondern auch Diagramme höherer Ordnung in α. Ein Beispiel für ein 1-Loop Diagramm der Ordnung α2 ist in Abbildung 2.2 dargestellt. Berechnet man ein 1-Loop Diagramm dieser Art mit den Feynmanregeln, so erhält man divergente Integrale. Diese Integrale müssen regularisiert werden, um mit den Divergenzen umgehen zu können. Eine Methode ist die dimensionale Regularisierung, bei der die Integrale in 4 − ε Dimensionen berechnet werden und danach der Grenzübergang ε → 0 durchgeführt wird. Dadurch erhält man Divergenzen von ganz bestimmter Form, die in Renormierungen absorbiert werden können. Eine einfachere Regularisierungsmethode ist die sog. cut-off“-Methode, bei der ein Abschneidepa” rameter Λ für die Integrationskonstante eingeführt wird. Nach der Integration lässt man Λ gegen unendlich laufen. Auch hier sind nun die Divergenzen isoliert. Gehen wir nun wieder zurück zum Beispiel der e− µ− -Streuung, so tragen beide Diagramme (und natürlich auch weitere Diagramme höherer Ordnung) zur Streuamplitude bei. Benutzt man die beiden obigen Diagramme zur Herleitung eines analytischen Ausdruckes der Streuamplitude, so lässt sich diese in gleicher Form wie die Bornamplitude (nur der Borngraph wird berücksichtigt) darstellen, wenn man die Kopplung α durch eine effektive Kopplung αeff ersetzt. D.h. das Effekte höherer Ordnung Störungstheorie teilweise durch Umdefinition der Kopplungskonstanten kompensiert werden können. Dadurch ist allerdings noch nicht das Problem der Divergenzen gelöst, welche mit dem cut-off“-Parameter Λ zusammenhängen, wenn man diesen ” gegen unendlich laufen lässt. Diese Divergenzen lassen darauf schließen, dass es sich bei den Para- 2. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) 17 metern in der Lagrangedichte nicht um physikalische Größen handeln kann. Die dort auftretenden Parameter werden nun so gewählt, dass sie die Divergenzen absorbieren. Sie werden somit zu den unphysikalischen nackten“ Größen. In solch einem Renormierungsschema kann man folgendermaßen ” vorgehen: Man bestimmt eine Referenzkopplung α(µ2 ) bei einem bestimmten Impulsübertrag µ (dies entspricht einer bestimmten Energie). Die Kopplungskonstante bei einem anderen Impulsübertrag q kann dann durch diese Referenzkopplung ausgedrückt werden: µ ¶ α(µ2 ) µ2 α(q 2 , µ2 ) = α(µ2 ) 1 − Cf (2.42) ln 2 3π q Der Faktor Cf berücksichtigt, dass nicht nur e+ e− -Paare zu virtuellen Korrekturen beitragen, sondern auch andere Fermion-Antifemion-Paare: 1 4 Cf = nl + nc nu + nc nd 9 9 (2.43) wobei nl die Anzahl der geladenen Leptonen, nc den Farbfaktor (nc = 3), nu die Anzahl der upQuarks und nd die Anzahl der down-Quarks angibt. Führt man dies in höheren Ordnungen von α aus (O(αn )), so haben die Terme führender Korrekturen immer die gleiche Form: ³ α ´n µ q 2 ¶m ln 2 m≤n Cmn π M Hierbei ist M die Masse des in der Schleife umlaufenden Teilchens. Es gibt nun zwei verschiedene Möglichkeiten, die Terme zu klassifizieren. Möglichkeit 1: ist m = n, so spricht man von leadinglog-Termen (LL), ist m = n − 1 dann nennt man sie next-to-leading-log-Terme (NL). Möglichkeit 2 beruht auf einer Ordnung nach den Potenzen von α. Terme in niedrigster Ordnung (O(α)) werden als leading-order-Terme (LO), von Ordnung α2 als next-to-leading-order Terme (NLO) bezeichnet. Summiert man alle LL-Terme auf, so erhält man eine geometrische Reihe, die einen Ausdruck für die renormierte Kopplung in ein-Schleifen-Näherung (nur Fermion-Loops) liefert: α(q 2 , µ2 ) = α(µ2 ) 2 2 ) µ 1 + Cf α(µ 3π ln q 2 (2.44) Häufige Referenzkopplungen findet man an der Skala µ = me (Thomson-Limit), bei der man einen Zahlenwert von ungefähr ∼ 1/137 misst, oder bei der Skala µ = MZ , an der der Wert von α schon auf ∼ 1/128 angewachsen ist. Es ist nun einsichtig, dass die Größe der Kopplungskonstante an einer bestimmten Skala nicht von dem willkürlich gewählten Referenzpunkt µ2 abhängen darf. Diese Eigenschaft wird mathematisch von der Renormierungsgruppengleichung (RGE) beschrieben. Dazu betrachten wir die Renormierung der nackten“ Ladung e0 , die multiplikativ geschrieben werden kann: ” e2 (µ2 ) = e20 Z(µ2 ) (2.45) e2 (µ2 ) ist dabei die renormierte Ladung am Renormierungspunkt µ2 . Diese Beziehung gilt für alle µ2 . Eine Änderung von µ2 ändert zwar Z(µ2 ), aber nicht e0 . e2 (µ2 ) ändert sich also bei einer Änderung von µ2 um eine multiplikative Konstante. Die Operationen, die den Renormierungspunkt ändern, bilden also eine multiplikative Gruppe. Dass das Laufens der Kopplungskonstante unabhängig vom Renormierungspunkt ist, besagt folgende Renormierungsgruppengleichung: µ ∂α = β0 α2 + β1 α3 + β2 α4 + . . . ∂µ (2.46) 18 2.6. Die Parameter des Standardmodells Die β-Funktionen βi können aus Schleifendiagrammen berechnet werden [6]. Ebenso wie die Kopplungskonstante oder die Ladung können auch andere Größen wie z.B. Massen renormiert werden. Auch für diese Größen gibt es Renormierungsgruppengleichung. Im Falle der Starken Wechselwirkung verhält sich das Laufen der Kopplungskonstante etwas anders. Von den Fermionen tragen hier nur die Farbladung tragenden Quarks zur Vakuumpolarisation des Gluons bei. Durch den nicht-abelschen Charakter der Eichgruppe und die damit verbundene Selbstwechselwirkung der Gluonen tragen auch Gluonenschleifen zur Vakuumpolarisation bei. Diese Beiträge haben das umgekehrte Vorzeichen zu den Quark-Antiquark-Termen. Der aus der QED bekannte Faktor Cf kann also aufgeteilt werden in einen Quark- (CQuark = −2nf /3) und einen Gluonenanteil (CGluon = 11), wobei nf die Anzahl der beitragenden Quarks ist. Solange nf ≤ 16, ist der Gluonbeitrag dafür verantwortlich, dass man das Phänomen der asymptotischen Freiheit“ (αs (µ2 ) ” wird kleiner für zunehmenden Impulsüberträge q 2 ) und des Confinement“ (αs (µ2 ) wird größer für ” abnehmende Impulsüberträge q 2 ) beobachtet. αs (q 2 , µ2 ) = 2.6 αs (µ2 ) ´ 2nf αs (µ2 ) µ2 1 − 11 − 3 3π ln q 2 ³ (2.47) Die Parameter des Standardmodells Die bis jetzt noch auftretenden freien Parameter des Standardmodells sind: α, αs , MZ , MW , MH und mf , wobei mf die Fermionmassen sind und MH die Higgsmasse ist. Diese Parameter sind i.A. abhängig vom Renormierungsschema und müssen daher in einem einheitlichen Schema betrachtet werden. Die vier Parameter der CKM-Matrix sind eigentlich auch noch zu den freien Parametern zu zählen. Von diesen Parametern ist MH der einzige, der bis jetzt gänzlich unbestimmt ist. Es ist möglich, statt der Masse des W -Bosons MW die Myonzerfallskonstante Gµ als Parameter zu verwenden. Sie kann über die Lebensdauer τµ des Myons mit größerer Genauigkeit gemessen werden. In niedrigster Ordnung Störungstheorie gilt: πα 1 Gµ = √ (2.48) 2 2 MW sin2 θW Die Leptonenmassen (me , mµ und mτ ), die Myonzerfallskonstante Gµ , die bottom-Quark-Masse und die Kopplungskonstante α im Thomson-Limit sind aus diversen Experimenten gut bekannt. Betrachtet man nun die Wirkungsquerschnitte und Asymmetrien, die an Teilchenbeschleunigern (z.B. LEP) gemessen werden, so bleiben folgende Größen als freie noch zu bestimmende Parameter übrig: α(MZ ), αs , MZ , MH und mt Es scheint verwunderlich, dass α(MZ ) noch ein freier Parameter ist, da α bei niedrigen Energien mit hoher Präzission bekannt ist (1/α(me ) = 137.03599976(50)). Bei der Berechnung der Kopplung an der Z-Skala treten jedoch Unsicherheiten auf. Die Energieabhängigkeit der elektromagnetischen Kopplungskonstante läßt sich in verschiedene Beiträge aufteilen [7]. Im on-shell-Schema hat die Energieabhängigkeit folgende Gestalt: α(MZ ) = mit α 1 − ∆α (2.49) (5) ∆α = ∆αlep + ∆αhad = ∆αlep + ∆αhad + ∆αtop (2.50) Die leptonischen Beiträge sind explizit bekannt. In der small mass - Approximation lauten sie: µ ¶ MZ2 5 α X ln 2 − (2.51) ∆αlep = 3π 3 ml l 2. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) 19 Referenz Wert Kommentar BES [10] Davier & Höcker [11] Kühn & Steinhauser [12] Jegerlehner [13] Groote et al. [14] 0.02755(46) 0.02763(16) 0.02778(16) 0.02778(24) 0.02787(32) Experiment QCD Summenregeln komplett O(αs2 ) Konvertierung aus MOM-Schema QCD Summenregeln Tabelle 2.3: Einige experimentelle Ergebnisse und theoretische Werte für den hadronischen Anteil (5) der Vakuumpolarisation ∆αhad Der Wert dieser Korrektur beträgt ∆αlep = 0.03142081(37). Der hadronische Beitrag ∆αhad hängt entscheidend, von den leichten Quarkmassen ab, welche nur ungenau bekannt sind. Deshalb wird er aus einer Dispersionsrelation bestimmt: Z ∞ αMZ2 ds R(s) (2.52) ℜ ∆αhad = 2 3π 4m2π s(MZ − iε − s) Der Beitrag des top-Quarks beträgt ∆αtop = α 4 MZ2 →0 3π 15 m2t (2.53) und ist zu vernachlässigen. Aus experimentellen Daten ist das Wirkungsquerschnittsverhältnis R(s) = σe+ e− (s)/σ0 (s) (2.54) bestimmbar, wobei gilt: σe+ e− (s) = σ(e+ e− → γ ⋆ → Hadronen) und σ0 (s) = 4πα2 /3s (2.55) (5) ist. Für den hadronische Anteil der Vakuumspolarisation ∆αhad erhält man je nach Methode die in Tabelle 2.3 zusammengefassten Werte. Um die Kopplungen im DR-Schema (siehe Kapitel 3.4.1) zu erhalten, benötigt man α(MZ ) im MS-Schema. Die Kopplung in diesem Schema lässt sich iterativ bestimmen [8]. In Tabelle 2.4 werden einige Parametersätze des Standardmodells angegeben, welche mit dem Programmpaket ZFITTER [9] bestimmt wurden. 2.7 Grenzen des Standardmodells Obwohl das Standardmodell zu den am besten bestätigten Modellen der Physik gehört, gibt es einige offene Fragen und auch Probleme, die es nicht erklären oder lösen kann: Parameter: Das Standardmodell benötigt insgesamt 18 freie Parameter: • 3 Kopplungen g, g ′ und gs . Äquivalent dazu sind die Parameter α, αs und sin θW • 2 Parameter aus dem Higgspotential, z.B. die Masse des Z 0 -Bosons MZ und die Masse des Higgsbosons MH • 9 Yukawakopplungen für die 6 Quarks und 3 Leptonen. Neutrinos werden als masselos angenommen. Ist dies nicht der Fall, müssen 3 weiter Yukawakopplungen eingeführt werden. • 4 Parameter der CKM-Matrix 20 2.7. Grenzen des Standardmodells αs (MZ ) sin2 θW α(MZ )−1 MZ MH mt alle Daten MZ , Γtot , σhad Rl 0.1184(27) 0.23140(16) 127.951(22) 91.1870(23) GeV 99.1+51 −35 GeV 175.5+4.4 −4.3 GeV 0.1155(40) 0.23149(2) 127.951(22) (fixed) 91.187 GeV(fixed) 116 GeV(fixed) 174.3 GeV(fixed) 0.1226(37) 0.23152(2) 127.951(22)(fixed) 91.187 GeV(fixed) 116 GeV(fixed) 174.3 GeV(fixed) Tabelle 2.4: Einige Parametersätze des Standardmodells. α(MZ )−1 ist im MS-Schema angegeben (5) und wurde mit einem rekursiven Verfahren nach Fanchiotti et al. [8] aus ∆αhad = 0.02763(16) [11] und αs (MZ ) berechnet. Daraus ergibt sich eine Reihe von Fragen: • Lässt sich die Anzahl der freien Parameter reduzieren? • Warum gibt es 3 Generationen von Teilchen? • Warum gibt es neben der Gravitation 3 fundamentale Wechselwirkungen? • Sind Neutrinos masselos, und wenn ja, warum? Gleichheit von Elektron- und Proton-Ladung: Sie stimmen bis auf das Vorzeichen exakt überein. Hierarchieproblem: Warum ist die elektroschwache Skala so klein gegenüber einer möglichen großen Vereinigungsskala (MW ≈ 10−17 MPlanck )? Elektroschwache Symmetriebrechung: Die Elektroschwache Symmetriebrechung wurde eingeführt, um den Teilchen des Standardmodells eine Masse zu geben, gleichzeitig aber die Renormierbarkeit der Theorie zu bewahren. Das Standardmodell liefert keine Erklärung dafür, warum es diese Symmetriebrechung gibt. Fine Tuning Problem: p Die Masse des Higgsbosons kann aus dem Higgspotential des Standardmodells zu MH = −µ2 bestimmt werden. Durch Strahlungskorrekturen enthält MH quadratisch divergente Beiträge. Diese Divergenzen können durch Regularisierung aus der Theorie entfernt werden. Die Korrekturen zu µ2 hängen dann vom verwendeten Regularisierungsschema ab. Bei quadratischen Divergenzen muss man jedoch eine neue Skala einführen, die nichts mit den anderen Skalen wie z.B. den Teilchenmassen oder der elektroschwachen Vereinigungsskala zu tun haben. Bei der cut-off“-Methode übernimmt der Abschneideparameter Λ die Rolle dieser Ska” la. An dieser Skala besitzt die Theorie eine neue physikalische Struktur. Die Korrekturen zu µ2 haben folgende Größenordnung: δµ2 = λΛ2 (2.56) Da diese Korrekturen nicht größer als die Higgsmasse selber werden sollen, müssen die Parameter des Higgspotential ungewöhnlich genau eingestellt“ (fine tuning) sein. Für das SM bedeutet ” dies das Auftreten neuer Physik im TeV-Bereich. Gravitation: Da die Kopplungskonstante der Gravitation gegenüber den anderen Kopplungskonstanten zu vernachlässigen ist, wird die Gravitation nicht im Standardmodell berücksichtigt. Bei hohen Energien in der Nähe der Planckskala MPlanck ≈ 10−19 GeV ist die Stärke der Gravitation jedoch nicht mehr zu vernachlässigen. Eine weiterführende Theorie sollte Hinweise auf die Integration der Gravitation geben. 2. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik (SM) 21 Vereinigung der Grundkräfte: Die 3 Kopplungskonstanten α1 , α2 und α3 können aus den beiMS den Kopplungskonstanten αMS und αsMS sowie dem elektroschwachen Mischungswinkel sin θW bestimmt werden: MS α1 = (5/3)g ′2 /(4π) = (5/3)αMS / cos2 θW MS (2.57) α2 = g 2 /(4π) = αMS / sin θW MS 2 α3 = gs /(4π) = αs g ′ , g und gs sind die bereits bekannten Kopplungen der SU (3)C , SU (2)L und U (1)Y . Der Faktor 5/3 für α1 ist ein Normierungsfaktor, da der Generator der U (1)Y normiert ist. Betrachtet man die Energieabhängigkeit dieser drei Kopplungskonstanten, so erwartet man für eine große Vereinigungstheorie, dass sich diese 3 Kopplungen bei einer Skala MGUT treffen. Im Standardmodell ist dies nicht der Fall! Es ist möglich einen Großteil dieser Fragen in einer großen Vereinigungstheorie zu erklären. Kapitel 3 Große Vereinigungstheorien (GUT) 3.1 Höhere Symmetriegruppen Das Ziel einer großen Vereinigungstheorie ist es, die elektroschwache und starke Wechselwirkung in einer neuen höheren Symmetriegruppe einheitlich zu beschreiben. Diese neue Symmetriegruppe muss die des Standardmodells (SU (3)C ⊗ SU (2)L ⊗ U (1)Y ) als Untergruppe beinhalten. Eine Eigenschaft der neuen Gruppe muss sein, dass sie unterhalb der Vereinigungsskala (MGUT ≈ 1016−19 GeV) gebrochen ist. Unterhalb dieser Skala besitzt das Modell dann nur noch die Symmetrie des Standardmodells. Die kleinste mögliche Gruppe, die diese Bedingungen erfüllt, ist die SU (5). Es sind aber auch größere Gruppen denkbar, wie zum Beispiel SO(10). Geht man von einer einheitlichen Kopplung αGUT an der GUT-Skala aus, so ist die unterschiedliche Energieabhängigkeit der 3 Kopplungskonstanten nur durch verschiedene Strahlungskorrekturen zu erklären. Betrachtet man die SU (5), so lassen sich die 15 Fermionen einer Generation in einer reduziblen Darstellung durch ein Pentaplett {5} und ein Dekuplett {10} darstellen. Um nur Multipletts von definierter Helizität (Händigkeit) zu erhalten, benutzt man die Identität fR = fLC , wobei C die Ladungskonjugation bedeutet. Die Multipletts haben dann folgende Form: {5} = dC g dC r dC b − e −νe , L 1 √ 2 0 −uC b uC r −ug −dg uC b 0 −uC g −ur −dr −uC r uC g 0 −ub −db ug dg ur dr ub db 0 e+ −e+ 0 L Um die lokale Eichinvarianz diese Symmetrie zu wahren, ist es nötig N 2 − 1 = 24(N = 5) Eichbosonen einzuführen. Davon können 12 mit den Eichbosonen des Standardmodells identifiziert werden. Die weiteren 12 sind jedoch neue Teilchen: C C Xµi , Yµi , Xi,µ und Yi,µ mit i = 1, 2, 3 Die elektrische Ladung dieser Bosonen ist gebrochen (QX = 4/3e und QY = 1/3e). Xi und Yi bilden ein Isospindublett und ein Farbtriplett. Ihre Masse liegt in der Größenordnung von MGUT . Da die neuen Eichbosonen neben der Hyperladung auch noch Farbladung besitzen, verletzen sie sowohl die Baryonen- als auch die Leptonenzahl. Eine Folgerung daraus ist, dass das Proton nicht mehr stabil ist, sondern zerfallen kann. Die Feynman-Diagramme der größten Zerfallskanäle (in niedrigster Ordnung) sind in Abbildung 3.1 dargestellt. Eine einfache Lebensdauerabschätzung der Lebensdauer des Protons liefert: 4 1 MX (3.1) τp ≈ 2 αSU (5) Mp5 23 24 3.2. Gleichheit der Beträge von Elektron- und Protonladung d u e+ X e+ d u u X d d u Abbildung 3.1: Die zwei dominanten Zerfallskanäle des Proton. Bei beiden Prozessen besteht der Endzustand aus einem e+ und einem π 0 -Meson (aus [16]) Da bisher kein Protonzerfall im Experiment beobachtet werden konnte, kann Gleichung 3.1 zur Bestimmung einer unteren Schranke für MX und damit für MGUT benutzt werden. Die experimentelle untere Schranke (90% C.L.) liegt zur Zeit bei ∼ 1033 Jahren. Daraus ergibt sich MGUT > 2.4 × 1015 GeV 3.2 Gleichheit der Beträge von Elektron- und Protonladung Da die U (1)Y eine Untergruppe der betrachteten SU (5) ist, ist die Hyperladung Y und damit auch die elektrische Ladung Q ein Generator der SU (5). Die Spur über den Generator einer Gruppe verschwindet jedoch (Tr(Q)=0). Für das Pentaplett {5} gilt somit: 3QC d + Qe = 0 Die Ladung eines down-Quarks beträgt somit −1/3e. Berücksichtigt man jetzt noch die Tatsache, dass up- und down-Quarks Isospindoubletts bilden, folgt aus der Gell-Mann-Nishijima-Relation (Gl.2.3), dass die elektrische Ladung eines up-Quarks +2/3e betragen muss. Da ein Proton nun zwei up- und ein down-Quark enthält, ist seine Ladung exakt +1e. 3.3 Beziehungen zwischen Fermionmassen Aufgrund der Anordnung der Leptonen in Multipletts lassen sich Aussagen über ihre Yukawakopplungen jenseits der GUT-Skala machen. In einer SU (5)-Theorie sollten oberhalb von MGUT die Kopplungen der down-Quarks und Leptonen zusammenfallen, da diese Teilchen in einem Multiplett stehen. hd = he , hs = hµ und ht = hτ Die Kopplungen der up-Quarks bleiben jedoch unbestimmt. In einer SO(10)-Theorie stehen sogar alle Leptonen einer Generation im gleichen Multiplett, was eine Vereinigung aller Yukawakopplungen jenseits der GUT-Skala bewirkt. Analog zum Laufen der Eichkopplungen hängt nun der genaue Wert der Yukawakopplungen nur noch von unterschiedlichen Strahlungskorrekturen ab. Die Anzahl der freien Parameter der Theorie wurde also vermindert. Um die Vereinigung der Yukawakopplungen zu überprüfen, bestimmt man sie aus den Teilchenmassen bei niedrigen Energien und entwickelt sie dann mit Hilfe von Renormierungsgruppengleichungen zur GUT-Skala. 3. Große Vereinigungstheorien (GUT) 3.4 3.4.1 25 Die Vereinigung der Kopplungskonstanten Die Kopplungskonstanten α1 , α2 und α3 an der elektroschwachen Skala Die 3 Kopplungskonstanten α1 , α2 und α3 der SU (3)C ⊗ SU (2)L ⊗ U (1)Y können aus den beiden MS bestimmt Kopplungskonstanten αMS und αsMS sowie dem elektroschwachen Mischungswinkel sin θW werden (Gl. 2.57): MS α1 = (5/3)g ′2 /(4π) = (5/3)αMS / cos2 θW MS (3.2) α2 = g 2 /(4π) = αMS / sin θW 2 MS α3 = gs /(4π) = αs Hier sind die Kopplungen im MS-Schema angegeben. In diesem Renormierungsschema sind die Schwellenkorrekturen der Teilchen einfache Stufenfunktionen. Im SM treffen sich die Kopplungen an der GUT-Skala jedoch nicht exakt. Durch die zusätzlichen superschweren Eichbosonen der SU (5) erhält man eine weitere kleine Verschiebung durch Schwellenkorrekturen. Wenn die X- und Y -Bosonen näherungsweise alle eine Masse MGUT besitzen, so kann dieser Abweichung durch das Verwenden des DRSchemas ( dimensional reduction scheme“) Rechnung getragen werden. Die Kopplungen berechnen ” sich in diesem Schema folgendermaßen: 1 1 Ci = MS − DR 12π αi αi (3.3) Die Ci sind die Casimir-Koeffizienten der zugehörigen Eichgruppe des Standardmodells (CI = N für SU (N ) und 0 für U (1)Y ). 3.4.2 Die Renormierungsgruppengleichungen (RGE) der Kopplungen Benötigt man nun die Kopplungskonstanten an einer bestimmten Energieskala Q, so muss man hierfür die RGE lösen. Dafür gelten folgende Konventionen: α̃i = αi , 4π α̃(0) = αGUT , 4π t = ln 2 MGUT Q2 h2 h2t h2 , Yb = b , Yτ = τ 4π 4π 4π wobei i = 1, 2, 3 ist und die Yukawakopplungen der ersten beiden Generationen vernachlässigt werden. Betrachten man nun einen kleinen Energiebereich, so sind die RGE in erster Ordnung ausreichend. Sie lauten: dα̃i=1,2,3 = −bi α̃i2 (3.4) dt Für sie existiert eine analytische Lösung: Yt = α̃i=1,2,3 = α̃(0) 1 + bi α̃(0)t (3.5) Die Koeffizienten bi sind nur von der Anzahl der Teilchen des Modells abhängig. Jedes Teilchen, das in einer Schleife auftreten kann, liefert einen Beitrag. Im Standardmodell lauten sie: 1 4 b1 0 3 10 1 4 + N + N (3.6) b2 = − 22 Higgs G 3 3 6 4 b3 −11 0 3 NG ist die Anzahl der Generationen und NHiggs steht für die Anzahl der Higgsdubletts im Standardmodell. Wenn man nun von der Kopplung an der Z-Masse ausgeht, so überschreitet man bei der 60 1/α1 SM 40 1/αi 3.4. Die Vereinigung der Kopplungskonstanten 1/αi 26 1/α1 60 40 1/α2 1/α2 20 20 1/α3 0 MSSM 0 1/α3 0 10 0 log10 Q 10 log10 Q Abbildung 3.2: Vereinigung der Kopplungskonstanten im SM und MSSM Entwicklung zu hohen Energien hin die Schwelle des top-Quarks. Zwischen bottom- und top- Masse muss also der Beitrag des top-Quarks abgezogen werden. Unterhalb der τ -Masse ist NG = 2, während oberhalb der top-Masse NG = 3 ist. Bei einer Entwicklung über einen sehr großen Energiebereich, wie hier im Falle der Extrapolation zu MGUT , ist es notwendig die RGE in 2. Ordnung zu verwenden [15]. Sie bilden für die 3 Eichkopplungen und die 3 Yukawakopplungen ein System von 6 gekoppelten Differentialgleichungen. Da für dieses System keine analytische Lösung existiert, muss es numerisch gelöst werden. 3.4.3 Test der Vereinigung der Eichkopplungen Möchte man nun die Vereinigung der Kopplungskonstanten der fundamentalen Wechselwirkungen testen, so geht man folgendermaßen vor: MS • Zunächst bestimmt man durch ein Experiment die drei Messgrößen αMS , αsMS und sin θW • Daraus lassen sich nach Gleichung 2.57 die 3 Kopplungskonstanten im MS-Schema berechnen. • Mit Gleichung 3.3 geht man zum DR-Schema über. • Aus den Polmassen der 3. Generation lassen sich die Massen von b-Quark und τ -Lepton an der MZ -Masse im DR-Schema bestimmen. Daraus folgen die beiden Yukawakopplungen an der MZ Masse. Aus der laufenden top-Masse mt (mt ) lässt sich die Yukawakopplung Yt (mt ) berechnen. • Mit den RGE lassen sich jetzt die Kopplungen bis zur top-Masse entwickeln. Dafür verwendet man für die RGE die Koeffizienten, bei denen der Beitrag des top-Quarks abgezogen wurde. Danach lassen sich mit den vollen RGEs die Kopplungen bis zur GUT-Skala entwickeln. In Abbildung 3.2 ist diese Energieabhängigkeit für die reziproken Kopplungskonstanten für zwei verschiedene Modelle dargestellt. Im SM lassen sich die Kopplungen nicht vereinigen. Diese SchlussfolgeMS und α(M 2 )MS , so lässt rung wird auch durch Experimente bestätigt. Misst man zum Beispiel sin θW Z 3. Große Vereinigungstheorien (GUT) 27 sich daraus MGUT bestimmen. Der Wert von α3 , der nötig ist, um eine Vereinigung aller Kräfte zuzulassen (α3 ≈ 0.7), wurde experimentell klar ausgeschlossen. Des weiteren liegt der Wert von MGUT bei ∼ 1013 GeV. Nimmt man an, dass die Masse der superschweren Austauschbosonen ungefähr MGUT entsprechen, so folgt daraus eine viel zu kurze Lebensdauer des Protons (Gl. 3.1). Diese Sachverhalte schließen eine Vereinigung der Kräfte im SM in höheren Symmetriegruppen aus. Das zweite Modell (Abbildung 3.2), ist die minimale supersymmetrische Erweiterung des Standardmodells (MSSM). In diesem Modell treffen sich die Kopplungskonstanten. Wir betrachten nun folgendes einfache Modell: Alle supersymmetrischen Teilchen haben die gleiche Masse MSUSY . Ab dieser neuen Skala MSUSY können weitere Teilchen (die supersymmetrischen Partner der Elementarteilchen) in den Schleifenkorrekturen der Wechselwirkungen auftreten. Sie tragen dann zu den Koeffizienten der RGE bei und bewirken das deutlich erkennbare Abknicken bei ∼ 1TeV. Bestimmt man jetzt aus den gemessenen Kopplungen außer αGUT und MGUT auch noch die neue Skala MSUSY , so ist dies eine Parameteranpassung mit keinem Freiheitsgrad. Es muss also eine Lösung geben, welche folgende Bedingungen erfüllt: • Aufgrund der Protonlebensdauer muss MGUT > 2.4 · 1015 GeV sein. • Die Massen der supersymmetrischen Teilchen sollten auf Grund des Fine-Tuning-Problems nicht wesentlich größer als 1 TeV sein. Das MSSM erfüllt beide Bedingungen und ist deshalb das zur Zeit populärste Modell, welches eine Große Vereinigungstheorie zulässt. Die genauen Eigenschaften dieses Modells werden im folgenden Kapitel vorgestellt. Kapitel 4 Das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM) 4.1 Motivation Ein Ziel der Teilchenphysik ist es, alle elementaren Wechselwirkungen zu vereinigen. Geht man zu großen Energien (MPlanck ≈ 1.2 · 1019 GeV) über, so wird auch die Gravitation mit eingeschlossen. Das Austauschteilchen der Gravitation, das Graviton, hat jedoch im Gegensatz zu den anderen Austauschteilchen Spin 2. Sie gehören also zu einer anderen Darstellung der Poincaré-Algebra. Wenn alle vier Kräfte mit der gleichen Algebra vereinigt werden sollen, ergibt sich daraus ein Problem. Die einzige Möglichkeit für eine Vereinigung ist eine supersymmetrische Algebra. Sie enthält sowohl Kommutatoren als auch Anti-Kommutatoren und ist die einzige Lie-Algebra mit dieser Eigenschaft, die in einer relativistischen Quantenfeldtheorie möglich ist. Bei der Supersymmetrie handelt es sich um eine Symmetrie zwischen Fermionen und Bosonen. Es sei Q nun ein Generator der SUSY-Algebra. Dann gilt: Q|bosoni ∝ |fermioni und Q|fermioni ∝ |bosoni (4.1) Lässt man nun Q als Leiteroperator wirken und beginnt man beim Gravitonzustand mit Spin 2, so erhält man eine Kette von Zuständen (Spin 2 → Spin 3/2 → Spin 1 → Spin 1/2 → Spin 0). Man sieht, dass der Versuch, die Gravitation mit allen Grundkräften zu vereinigen, zu einer Vereinigung von Materie (Fermionen) und Kräften (Bosonen) geführt hat. Die Generatoren Q ändern den Spin der Teilchen: Sie müssen folglich selbst einen Spinorindex besitzen und damit antikommutieren. Die Antivertauschungsrelationen zwischen zwei Generatoren Q oder einem Generator und einem konjugierten Generator Q lauten: {Qα , Qβ } = 0 µ {Qα , Qβ } = 2σαβ Pµ und (4.2) Pµ ist hier der Viererimpuls, und σ µ sind die Paulimatrizen. Es sind auch Modelle mit mehreren Generatoren (Q → Qi (i = 1, 2 . . .)) möglich. Für das bereits im vorangegangenen Kapitel genannte minimale Supersymmetrische Modell (MSSM) benötigt man nur einen solchen Generator (globale N =1-Supersymmetrie). Betrachten wir nun eine N =1 supersymmetrische Erweiterung des SM, so erhält jedes alte“ Teilchen einen neuen“ supersymmetrischen Partner. Ein Teilchenpaar unterschei” ” det sich dann nur durch seinen Spin stimmt aber in allen anderen Quantenzahlen und Transformationseigenschaften überein. Dies ist für keine zwei bekannten Teilchen der Fall. Die Symmetrie zwischen diesen Teilchen muss also gebrochen sein. Außerdem hat sich mit der neuen Symmetrie der Teilcheninhalt des Standardmodells genau verdoppelt. Diese Verdopplung bedeutet mathematisch, dass man die neue Symmetriegruppe durch das direkte Produkt aus der Supersymmetriegruppe und der die inneren Symmetrien beschreibenden Eichgruppen erhält. 29 30 4.2. Das Teilchenspektrum des MSSM Superfeld Bosonen Fermionen SU (3)C SU (2)L U (1)Y Eichf. Ga Vk V′ ga W k (W ± , Z0 ) B/γ g̃ a w̃k (w̃± , z̃0 ) b̃ / γ̃ 8 1 1 0 3 1 0 0 0 1 1 3 3 3 2 1 2 1 1 −1 2 1/3 −4/3 2/3 1 1 2 2 −1 1 Materief. Li Ei Qi Ui Di Higgsf. H1 H2 Sleptonen ( L̃i = (ν̃, ẽ)L Ẽi = ẽR ˜ Q̃i = (ũ, d)L Squarks Ũi = ũR D̃i = d˜R Higgs ( H1 H2 Leptonen ( Li = (ν, e)L Ei = eR Qi = (u, d)L Quarks Ui = uR Di = dR Higgsinos ( H̃1 H̃2 Tabelle 4.1: Der Teilcheninhalt des MSSM. Die Teilchen werden mit ihren Super-Partnern in gemeinsamen Super-Multipletts angeordnet. a = 1 . . . 8 ist der Index der SU (3)c und k = 1 . . . 3 der der SU (2)L . i = 1 . . . 3 ist der Index der Generation. Die letzten drei Spalten geben die Quantenzahlen bezüglich der inneren Symmetriegruppen an, aus denen auf das Verhalten unter einer Transformation geschlossen werden kann. 4.2 Das Teilchenspektrum des MSSM Die Nomenklatur der supersymmetrischen Teilchen wurde so gewählt, dass den Bosonen (Partner der Quarks und Leptonen) ein S“ dem Namen der zugehörigen Fermionen vorangestellt wird (Bsp.: ” Elektron → Selektron). Die Partner der Eichbosonen, welche nun Fermionen sind, werden durch das Anhängen der Silbe ino“ an den Namen des zugehörigen Bosons gekennzeichnet (Bsp.: Photon → ” Photino, W → Wino, Z → Zino). Auch die SUSY-Partner der Higgsbosonen (Spin 0) werden so benannt, allerdings wird bei ihnen nicht der Spin um 1/2 erniedrigt, sondern um 1/2 erhöht. Im MSSM ist aus theoretischen Gründen die Einführung eines zweiten Higgs-Multipletts nötig. Im Gegensatz zum SM kann im MSSM nicht das ladungskonjugierte Higgsfeld zur Massengenerierung im up-QuarkSektor verwendet werden, denn die Materie- und Higgsfelder, aus denen das Super-Potential (siehe Gleichung 4.5) gebildet wird, sind in chiralen Multipletts eingeordnet, während das ladungskonjugierte Higgsfeld in antichiralen Multipletts eingeordnet ist. Das neue Teilchenspektrum des MSSM sieht somit folgendermaßen aus: Die linkshändigen Leptonen einer Generation bilden zusammen mit ihren Super-Partnern ein Multiplett. Gleiches gilt für die linkshändigen Quarks. Die rechtshändigen Leptonen und Quarks bilden jeweils mit ihren SuperPartnern Dubletts. Die Eichbosonen einer Gruppe bilden mit ihren entsprechenden supersymmetrischen Teilchen ein Multiplett. Gleiches gilt für die beiden Higgsdubletts. Tabelle 4.1 fasst die Teilchen des MSSM und ihre Quantenzahlen, aus denen sich das Verhalten unter den Wechselwirkungen des Modells ergibt, zusammen. Die der Theorie zu Grunde liegende Lagrangefunktion besteht nun aus zwei Teilen: zum einen einem Teil, der einer supersymmetrischen Verallgemeinerung des Standardmodells entspricht, und zum anderen einem Teil, der der Tatsache Rechnung trägt, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt kein supersymmetrisches Teilchen entdeckt wurde. Da die Partner aber bei vollständiger Symmetrie gleiche Massen besitzen sollen, muss die Symmetrie gebrochen sein. Die neue Lagrangedichte muss also einen 4. Das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM) 31 Brechungsterm enthalten: L = LSUSY + LSUSY-Brechung (4.3) Der erste Term lässt sich wiederum in zwei Teile aufspalten: zum einen in die supersymmetrische Verallgemeinerung des Terms, der die kinetische Energie der Eichfelder und die Wechselwirkung der Materiefelder mit den Eichfeldern beschreibt, und zum anderen in den entsprechend supersymmetrisch erweiterten Term, der die Wechselwirkung der Teilchen untereinander beschreibt (Yukawaterm): LSUSY = LEichung + LYukawa (4.4) Der Yukawaterm ist gegeben durch das Super-Potential WR . j C i ab j C i ab j C i i j WR = εij (hab U Qa Ub H2 + hD Qa Db H1 + hL La Eb H1 + µH1 H2 ) (4.5) Hier sind i, j = 1, 2 SU (2)-Indizes, a, b = 1, 2, 3 sind die Generationen-Indizes, hU,D,L sind die Yukawakopplungen und εij ist der total antisymmetrische Tensor mit ε12 = −1. Alle auftretenden Felder sind Superfelder; der Index C bezeichnet ladungskonjugierte Felder. Fordert man nur die Eichinvarianz, so gibt es noch weitere Terme WN R [17] als Beitrag zum SuperPotential, die dann allerdings Übergänge zwischen Baryonen und Leptonen erlauben würden. Da aber im Experiment noch keine Baryonen- bzw. Leptonenzahl-Verletzung (wie z.B. der bereits betrachtete Protonzerfall) nachgewiesen wurde, müssen solche Terme stark unterdrückt sein, oder sogar gänzlich fehlen. Die minimale supersymmetrische Erweiterung des SM beinhaltet solche Terme nicht. Man kann Terme dieser Art vermeiden, indem man eine neue Symmetrie unter der sogenannten R-Parität fordert. Die Felder sollen unter der diskreten Transformation Φ → e±iRπ Φ invariant sein. Die zu dieser Symmetrie gehörende erhaltene Quantenzahl R ist die R-Paritätszahl. Sie ist gegeben durch: R = (−1)3(B−L)+2S (4.6) wobei B und L die Baryonen- bzw Leptonenzahl, und S die Spinquantenzahl ist. Für die Teilchen des SM gilt R = +1, für ihre Super-Partner hingegen R = −1. Aus ihrer Erhaltung und dem multiplikativen Charakter dieser Quantenzahl folgt, dass Superteilchen nur paarweise erzeugt werden können. Außerdem muss das leichteste Superteilchen stabil sein, was es zu einem Kandidaten für dunkle Materie macht. Soll es aber ein Kandidat für dunkle Materie sein, so muss es elektrisch neutral sein, da es sonst bereits hätte beobachtet werden müssen. 4.3 Brechung der Supersymmetrie Da keine Superteilchen bis jetzt beobachtet wurden, geht man davon aus, dass es sich bei der Supersymmetrie nicht um eine exakte Symmetrie handelt. Sie muss gebrochen sein. Es gibt nun viele Möglichkeiten, Terme zu der Lagrangedichte hinzuzufügen, so dass die Symmetrie gebrochen wird. Eine davon ist das Einführen so genannter soft breaking“-Terme. Soft“ bedeutet hierbei, dass keine ” ” neuen quadratischen Divergenzen in die Theorie eingehen, denn es ist ja genau dies einer der Vorteile des MSSM, dass sich die Divergenzen bosonischer und fermionischer Natur gegenseitig aufheben. Die allgemeinste Form solcher Brechungsterme hat folgende Gestalt: ¡ ¢ VSUSY-Brechung = m2H1 H1† H1 + m2H2 H2† H2 + Bµ H2T iτ2 H1 + h.c. ´ X³ m̃2Qi Q̃†i Q̃i + m̃2Li L̃†i L̃i + m̃2Ui Ũi† Ũi + m̃2Di D̃i† D̃i + m̃2Ei Ẽi† Ẽi + h.c. + i + X³ i,j 3 + ´ ij ij ˜ ij ij ˜ ij ˜ Aij Q̃ + A h Q̃ + A h D̄ H h L̃ + h.c. Ū H L̄ H i 1 j u u i 2 j e e i 1 j d d 1X Ml λl λl + h.c. 2 l=1 (4.7) 32 4.3. Brechung der Supersymmetrie Dabei sind H1,2 die Higgsdubletts, µ ist der bereits aus dem Super-Potential bekannte Massenparameter, B ist die sogenannte Bilineare Kopplung, und Aij u,d,e sind die sogenannten Trilinearen Kopplungen, wobei i, j = 1, 2, 3 wiederum Generationsindizes sind. Alle Super-Partner der Eichbosonen sind zu λ̃l (Gauginos) zusammengefasst. Durch die Einführung dieses Termes in die Lagrangedichte werden 48 neue Parameter in das Modell eingeführt. Dies geschieht außerdem an unterschiedlichen Skalen. Durch so zahlreiche Parameter ist die Vorhersagekraft des neuen Modells stark eingeschränkt. Um die große Anzahl von Parametern zu reduzieren, benötigt man Verknüpfungen“ der Soft-Breaking“-Terme. ” ” Für das in dieser Arbeit verwendete Modell wird als Ansatz angenommen, dass die Brechung der Supersymmetrie durch das Ankoppeln der N =1-Supersymmetrie an eine noch unbekannte N =1Supergravitationstheorie (SUGRA) hervorgerufen wird. Daraus ergeben sich folgende Zwangsbedingungen für die Soft-Breaking“-Terme: ” • Einheitliche Gaugino-Massenterme m1/2 bei MGUT : M1 (MGUT ) = M2 (MGUT ) = M3 (MGUT ) ≡ m1/2 • Einheitliche skalare Massenterme m0 bei MGUT : m̃E,L,U i ,Di ,Qi (MGUT ) = mH1,2 (MGUT ) ≡ m0 • Einheitliche trilineare Kopplung A0 bei MGUT : At (MGUT ) = Ab (MGUT ) = Aτ (MGUT ) ≡ A0 (4.8) (4.9) (4.10) Bei Betrachtung der trilinearen Kopplungen fällt auf, dass sie immer als Produkt mit der zugehörigen Yukawakopplung auftauchen. Aus diesem Grund genügt es, nur die trilinearen Kopplungen der 3. Generation zu betrachten, da die Yukawakopplungen der anderen beiden Generationen gegenüber der dritten vernachlässigbar sind. Insgesamt reduziert sich damit die Anzahl der neuen Parameter im MSSM an der GUT-Skala auf fünf: • ein Massenparameter µ, der die beiden Higgs-Supermultipletts miteinander verknüpft • eine einheitliche skalare Masse m0 an der GUT-Skala • eine einheitliche Gauginomasse m1/2 an der GUT-Skala • eine einheitliche trilineare Kopplung A0 • die Bilineare Kopplung B. Äquivalent zu ihr kann auch der Parameter tanβ verwendet werden. Er ist definiert als das Verhältnis der beiden Vakuumserwartungswerte v1 und v2 der beiden Higgsdubletts: v1 tanβ = v2 Die Energieabhängigkeit der Parameter ist wie im SM gegeben durch RGEs, die aus der Lagrangedichte hergeleitet werden können. Im SM benötigte man allerdings nur 6 gekoppelte RGEs (3 für die Eichkopplungen und 3 für die Yukawakopplungen der 3. Generation). Im MSSM sind es hingegen 25 RGEs: • 6 Eich- bzw. Yukawakopplungen analog zum SM. Diese Differentialgleichungen bilden ein Untersystem, das von keiner anderen RGE abhängt. • 13 Brechungsterme der skalaren Felder und Gauginos • 3 Trilineare Kopplungen • 3 Higgspotentialparameter Die RGEs sind in Referenz [18] zu finden. Aus den Startwerten an der GUT-Skala können durch Lösen der gekoppelten Differentialgleichungen die Werte der Kopplungen und Teilchenmassen bei niedrigeren Energien berechnet werden. 4. Das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM) 4.4 33 Die Massen der supersymmetrischen Teilchen Die Massen der supersymmetrischen Teilchen lassen sich aus dem skalaren Teil der Lagrangedichte bestimmen. Er lässt sich schreiben als: V = VF + VD + VSUSY-Brechung (4.11) Dabei erhält man VF durch die quadratische Summe der Ableitungen des Super-Potentials 4.5 nach den skalaren Feldern Ai = H1 , H2 , Ũ , Q̃, . . . VF X ¯¯ ∂W ¯¯2 ¯ ¯ = ¯ ∂Ai ¯ i = |hU Ũ † Q̃ + µH1 |2 + |hD D̃† Q̃ + hE Ẽ † L̃ + µH2 |2 + |hU Q̃H2 |2 + |hD Q̃H1 |2 + |hE L̃H1 |2 + |hU Ũ † H2 + hD D̃† H1 |2 + |hE Ẽ † H1 |2 (4.12) VD enthält die Terme aus dem Sektor der Lagrangedichte, der die kinetischen Beiträge der Eichfelder und deren Wechselwirkung mit den Materiefeldern beschreibt. Er lautet: VD = + + g′ 2 g2 8 gs2 8 µ 2 1 1 1 1 1 † Q̃i Q̃i − Ũi† Ũi + D̃i† D̃i − L̃†i L̃i + Ẽi† Ẽi + H1† H1 + H2† H2 6 3 3 2 2 2 ´2 ³ Q̃†i ~τ Q̃i + L̃†i ~τ L̃i + H̃1†~τ H̃1 + H̃2†~τ H̃2 ´2 ³ D̃i†~λD̃i − Ũi†~λ⋆ Ũi − D̃i†~λ⋆ D̃i ¶2 (4.13) ~τ sind dabei die drei Paulimatrizen und ~λ sind die acht Gell-Mann-Matritzen. Mit Hilfe der RGEs können nun die Massenterme von der GUT-Skala bis zu niedrigen Energien entwickelt werden. Man erhält für die Massen der Standardmodellteilchen: Quark- und Leptonenmassen: m2q = h2q |Hi |2 = hq vi2 mit ( i=2 i=1 für up-Quarks für down-Quarks m2l = h2l |H1 |2 = hl v12 (4.14) (4.15) Eichbosonenmasse: Die Massen der Eichbosonen lassen sich analog zum SM berechnen (siehe Gleichung 2.26 und 2.29). Da es im MSSM aber zwei Higgsdubletts gibt, sind sie proportional zu der Summe der quadratischen Vakuumserwartungswerte: 2 MW ± = MZ = g2 g2 (|H1 |2 + |H2 |2 ) = (v12 + v22 ) 2 2 g ′2 + g 2 g ′2 + g 2 2 (|H1 |2 + |H2 |2 ) = (v1 + v22 ) 2 2 (4.16) (4.17) Für die Massen der supersymmetrischen Partner erhält man: Squark- und Sleptonenmasse: Betrachtet man den Diracterm der Lagrangedichte, so folgt daraus, dass rechts- und linkshändige Fermionen gleiche Massen haben. Ihre Super-Partner sind Bosonen (Spin=0) und sie dürfen daher auch unterschiedliche Massen besitzen. Deshalb unterscheiden wir im 34 4.4. Die Massen der supersymmetrischen Teilchen Folgenden auch zwischen den Super-Partnern der rechts- bzw. linkshändigen Fermionen, obgleich sie selber keine Händigkeit besitzen. Die Massen der Wechselwirkungseigenzustände lauten: m̃2eL = m̃2νL = m̃2eR = m̃2uL = m̃2dL = m̃2uR = m̃2dR = ¶ 1 2 + + cos(2β) − + sin θW 2 µ ¶ 1 m̃2Li + MZ2 cos(2β) 2 ¢ ¡ 2 2 2 m̃Ei + mEi − MZ cos(2β) sin2 θW µ ¶ 1 2 2 2 2 m̃Qi + mUi + MZ cos(2β) + + sin θW 2 µ ¶ 1 1 2 2 2 2 m̃Qi + mDi + MZ cos(2β) − + sin θW 2 3 ¶ µ 2 2 2 2 2 sin θW m̃Ui + mUi + MZ cos(2β) 3 µ ¶ 1 sin2 θW m̃2Di + m2Di − MZ2 cos(2β) 3 m̃2Li m2Ei MZ2 µ (4.18) (4.19) (4.20) (4.21) (4.22) (4.23) (4.24) Hier ist zu beachten, dass der auf der rechten Seite jeweils mit einemr Tilde versehene Term seinen Ursprung in VSUSY-Brechung hat. Er ist an der GUT-Skala für alle Sfermionen gleich und lässt sich über RGEs an niedrigeren Energien bestimmen. Der ohne Tilde versehene Term steht für die Masse eines Standardmodell-Teilchens (z.B. m2Di = m2s für i=2). In der Lagrangedichte treten auch Mischungsterme zwischen links- und rechtshändigen Fermionen auf. Um die Masseneigenzustände zu erhalten, muss also die Massenmatrix diagonalisiert werden. Da die Mischung proportional zu den SM-Massen ist, wird im Folgenden nur die Mischung der dritten Generation betrachtet. Für die Massen der ersten beiden Generationen können dann die Massen der Wechselwirkungseigenzustände genommen werden. Die Massenmatritzen der 3. Generation haben folgende Gestalt: Mt̃ = à Mb̃ = à Mτ̃ à = m̃2tL mt (At − µ cot β) mt (At − µ cot β) m̃2tR ! m̃2bL mb (Ab − µ tan β) mb (Ab − µ tan β) m̃2bR m̃2τL mτ (Aτ − µ tan β) mτ (Aτ − µ tan β) m̃2τR (4.25) ! ! (4.26) (4.27) Nach dem Diagonalisieren erhält man die Massen der physikalischen Teilchen (Masseneigenzustände) der 3. Generation: r ¢2 ¢ 1¡ 2 1¡ 2 2 2 mt̃1,2 = (4.28) m̃tL + m̃tR ± m̃tL − m̃2tR + m2t (At − µ cot β)2 2 4 r ³ ´2 ¢ 1 1¡ 2 m̃bL + m̃2bR ± m̃2bL − m̃2bR + m2b (Ab − µ tan β)2 (4.29) m2b̃ = 1,2 2 4 r ¢ ¢2 1¡ 2 1¡ 2 2 2 mτ̃1,2 = m̃τL + m̃τR ± m̃τL − m̃2τR + m2τ (Aτ − µ tan β)2 (4.30) 2 4 Das τ -Neutrino ντ mischt nicht, da im SM keine rechtshändigen Neutrinos existieren und folglich auch keine entsprechenden Super-Partner im MSSM. Da die Massenmatrix Mt̃ symmetrisch und reell ist, benötigt man zu ihrer Diagonalisierung eine 4. Das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM) 35 unitäre Matrix T . Eine solche Matrix hat die Form einer Drehung und kann somit durch einen Drehwinkel θt̃ parametrisiert werden: ! à cos θt̃ sin θt̃ (4.31) T = − sin θt̃ cos θt̃ Wendet man diese Drehmatrix auf die Wechselwirkungseigenzustände t̃L und t̃R an, so erhält man die physikalischen Felder: t̃1 = cos θt̃ t̃L + sin θt̃ t̃R t̃1 = − sin θt̃ t̃L + cos θt̃ t̃R Neutralino- und Charginomassen: Analog zu den Materiefeldern gibt es auch Mischungsterme im Sektor der Super-Partner der Eichbosonen. Die Gluinos stellen bereits die physikalischen Masseneigenzustände dar. Man erhält ihre Masse durch die Renormierungsgruppengleichung, da an der GUT-Skala eine einheitliche Gaugino-Masse existiert. Etwas komplizierter ist es im Fall der neutralen SuperPartner der Eichbosonen. Sie mischen nämlich nicht nur untereinander, sondern auch noch mit den neutralen Higgsinos. Es ist also eine 4 × 4-Massenmatrix M0 zu diagonalisieren: M1 0 −MZ cos β sin θW MZ sin β sin θW 0 M2 MZ cos β cos θW −MZ sin β cos θW 0 (4.32) M = 0 −µ −MZ cos β sin θW MZ cos β cos θW MZ sin β sin θW −MZ sin β cos θW −µ 0 Die physikalischen Masseneigenzustände heißen Neutralinos. Auf die gleiche Weise mischen die geladenen Winos mit den geladenen Higgsinos. Die 2 × 2-Massenmatrix hat folgende Gestalt: à ! √ M 2M sin β 2 W √ M± = (4.33) 2MW cos β µ Nach der Diagonalisierung erhält man die Masseneigenzustände χ± 1,2 mit folgenden Massen: µ ¶ q 1 2 2 2 2 2 4 2 2 2 2 2 2 M2 + µ + 2MW ∓ (M2 − µ ) + 4MW cos 2β + 4MW (M2 + µ + 2M2 µ sin 2β) mχ± = 1,2 2 (4.34) Nach der Berechnung der supersymmetrischen Massen sollte sich herausstellen, dass das leichteste Neutralino gleichzeitig das leichteste Supersymmetrische Teilchen (LSP) ist. Das LSP ist unter erhaltener R-Parität stabil. Wäre es geladen, so hätte man es bereits über seine elektromagnetische Wechselwirkung beobachtet. Es bleibt noch zu erwähnen, dass für die symmetrischen Massenmatrizen eine unitäre Matrix zur Diagonalisierung ausreicht, während für die nichtsymmetrische Chargino-Matrix 2 unitäre Matrizen nötig sind: 0 m2χ± 1 U M± V = (4.35) 0 m2χ± 2 4.5 4.5.1 Der Higgssektor im MSSM Das Higgspotential in Bornapproximation Im MSSM gibt es zwei Higgsdubletts. Dadurch wird der Higgssektor komplizierter als im SM. Das skalare Higgspotential ist gegeben durch: VBorn = m21 |H1 |2 + m22 |H2 |2 − m23 (H1 H2 + h.c.) + ¢2 g 2 g 2 + g ′2 ¡ |H1 |2 − |H2 |2 + |H1∗ H2 |2 8 2 (4.36) 36 4.5. Der Higgssektor im MSSM H2 h t t t~L=t~R h t H2 H2 t H2 h2t Abbildung 4.1: Feynmangraphen der führenden Korrekturen zu m2 (aus [16]) mit den Massenparametern: m21 = m2H1 + µ2 m22 = m2H2 + µ2 m23 = Bm0 µ (4.37) Das Higgspotential hat ein nicht verschwindendes Minimum für: m21 (t)m22 (t) < m43 (t) (4.38) Möchte man erreichen, dass die elektroschwache Symmetrie gebrochen ist, so muss man sicherstellen, dass es sich bei dem Minimum um ein globales handelt. Mit den Vakuumerwartungswerten der Higgsfelder hH1 i = v1 und hH2 i = v2 muss also gelten: VBorn (v1 , v2 ) < VBorn (0, 0) < VBorn (∞, ∞) Diese Relation ist erfüllt, wenn gilt: m21 (t) + m22 (t) > 2m23 (t) (4.39) Betrachtet man nun diese Bedingungen an der GUT-Skala (t=0), so gilt dort m21 (0) = m22 (0) = m20 +µ2 . In diesem Fall ist es nicht möglich sowohl Bedingung 4.38 als auch Bedingung 4.39 zu erfüllen. Über die RGEs für die Parameter des Potentials erhält man diese an einer niedrigeren Skala. Die Feynmangraphen der führenden Korrekturen zu m2 sind in Abb. 4.1 dargestellt. Die Hauptkorrekturen zu m1 erhält man durch Ersetzung von H2 durch H1 und t̃/t durch b̃/b. Diese Korrekturen sind proportional zum Quadrat der jeweiligen Yukawakopplung: µ ¶ −3 2 2 MGUT 2 δm1 = h m̃ ln 16 b Q Q2 ¶ µ −3 2 2 MGUT 2 δm2 = (4.40) h m̃ ln 16 t Q Q2 Im Falle einer ungebrochenen Symmetrie ist der Brechungsparameter m̃2Q aus VSUSY-Brechung gleich 0. Die beiden Graphen 4.1 würden sich also gegenseitig aufheben. Wenn nun ht ≫ hb gilt, dann wird m2 in einem höheren Maß kleiner als m1 und es ist möglich, dass die beiden Bedingungen 4.38 und 4.39 ab einer bestimmten Energieskala erfüllt sind. Die SU (2)L ⊗ U (1)Y - Symmetrie ist nun gebrochen. Die Korrekturen zu m1 und m2 laufen logarithmisch mit der Skala Q2 . Dies erklärt den großen Unterschied zwischen der GUT-Skala und der elektroschwachen Skala. Durch die Supersymmetrie wird also auch das Hierarchieproblem des SM gelöst. Da das MSSM zwei Higgsdubletts besitzt, besitzt das Teilchenspektrum 8 Freiheitsgrade. Die 3 auftretenden Goldstonebosonen können in den logitudinalen Komponenten der schweren Eichbosonen 4. Das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM) 37 absorbiert werden. Entwickelt man analog zum Higgsmechanismus im SM um das Minimum des Higgspotential herum die Higgsdubletts, so haben sie folgende Gestalt (die Goldstonebosonen sind hier bereits weggeeicht): H1 = µ H2 = µ H10 H1− H2+ H20 ¶ ¶ = µ = µ v1 + v2 + √1 (ψ1 2 H1− H2+ √1 (ψ2 2 ¶ + iφ1 ) (4.41) ¶ (4.42) + iφ2 ) Eingesetzt in das Higgspotential müssen folgende Minimierungsbedingungen erfüllt sein: ¯ ¯ ∂V ¯¯ ∂V ¯¯ 0 =0 und =0 wobei Ψ1,2 = ℜH1,2 ∂ψ1 ¯v1 ∂ψ2 ¯v2 (4.43) Daraus ergibt sich folgende Bedingung: v2 g 2 + g ′2 − v1 2 2 v1 g + g ′2 = 2m23 + v2 2 2m21 = 2m23 2m22 Mit dem Verhältnis der Vakuumerwartungswerte tan β = ¡ ¡ v2 v1 v12 − v22 v12 − v22 ¢ ¢ (4.44) (4.45) und MZ aus 4.17 folgt: MZ2 m21 − m22 tan2 β = 2 tan2 β − 1 ¢ ¡ 2m23 = m21 + m22 sin 2β (4.46) (4.47) Es lässt sich nun durch eine Präzisionsmessung von MZ eine Einschränkung des Bereiches von tan β vornehmen. Dazu löst man Gleichung 4.46 nach tan β auf: tan2 β = m21 + 12 MZ2 m22 + 12 MZ2 (4.48) Nimmt man an, dass h2t > h2b gilt, so folgt aus Gleichung 4.40: m22 < m21 . Mit Gleichung 4.48 erhält man als untere Grenze tan2 β > 1. Geht man von der Annahme aus, dass h2t < h2b gilt, so folgt analog tan2 β < 1. Betrachtet man aber in diesem Fall die beiden Quarkmassen m2t = h2t v 2 sin2 β und m2b = h2b v 2 cos2 β, so ergibt sich für das Verhältnis der Quarkmassen m2t /m2b = h2t /h2b tan2 β. Da die Topmasse größer als die Bottommasse ist, folgt daraus (tan2 β < 1) zwingend: h2t > h2b . Dies ist jedoch ein Widerspruch zur Annahme. Es gilt also tan2 β > 1. Dann folgt aber aus m2t /m2b = h2t /h2b tan2 β als obere Grenze tan2 β < m2t /m2b . Für die Einschränkung des Parameterbereichs von tan β ergibt sich insgesamt: mt 1 < tan β < (4.49) mb 4.5.2 Higgsmassen Die Massenmatrix M der Spin 0 Bosonen erhält man durch die partiellen Ableitungen des Higgspotentials nach den einzelnen Komponenten (ηi = ψi , φi , H ± ) der Zerlegung der Higgsdubletts an der Stelle (v1 , v2 ) des Minimums: µ 2 ¶ ∂ V 1 (4.50) M= 2 ∂ηi ∂ηj v1 ,v2 38 4.6. Das Constrained MSSM (CMSSM) Diese Matrix lässt sich in 2 × 2 Blöcke faktorisieren. Einen CP -geraden, einen CP -ungeraden und einen geladenen Block. Nach der Diagonalisierung erhält man folgende Eigenwerte: MA2 = m21 + m22 µ ¶ q 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 MA + MZ ± (MA + MZ ) − 4MA MZ cos 2β MH,h = 2 2 MH ± 2 = MA2 + MW (4.51) (4.52) (4.53) Die anderen Eigenwerte sind 0 und gehören zu den massenlosen Goldstonebosonen. MA ist die Masse des pseudoskalaren, CP -ungeraden Higgsbosons, MH,h sind die Massen des schweren und leichten CP -geraden Higgsbosons. MH ± sind die Massen der geladenen Higgsbosonen. Die Transformationsmatrix, welche den CP -geraden Block diagonalisiert, kann durch einen Mischungswinkel α diagonalisiert werden. Man erhält als Relation für α: tan 2α = MA2 + MZ2 tan 2β MA2 − MZ2 (4.54) Dieser Winkel ist wichtig für die Berechnung von Produktionsquerschnitten. 4.5.3 Korrekturen zum Higgspotential Aus dem Bornpotential folgt als obere Grenze für die leichte Higgsmasse: m2h ≤ MZ2 cos2 2β (4.55) Dieser Massenbereich wurde jedoch bereits experimentell ausgeschlossen. Es müssen folglich Strahlungskorrekturen zum Born-Potential hinzugenommen werden, die die leichte Higgsmasse stark anheben. Dazu berechnet man Terme höherer Ordnung und addiert diese als Beitrag zu einem effektiven Potential. Das effektive Potential lautet dann in Ein-Schleifen-Näherung: V1 = VBorn + ∆V1 (4.56) ∆V1 ist dabei gegeben durch [19]: ∆V1 = µ ¶ Mi2 3 1 X 2Ji 4 − (−1) (2J + 1)C M ln i i i 64π 2 Q2 2 (4.57) i Dabei ist Ji der Spin des Teilchens und Ci der Faktor, der für die Farb- und Ladungsfreiheitsgrade steht (Bsp: Ctop = 3×2 = 6). Mi ist die Teilchenmasse an der Skala Q. Aus diesem effektiven Potential erhält man die korrigierten Higgsmassen [15]. 4.6 Das Constrained MSSM (CMSSM) Das hier beschriebene MSSM muss mit Experimenten mindestens ebenso gut übereinstimmen wie das Standardmodell. Ausgehend von den Parametern an der GUT-Skala und den dortigen Zwangsbedingungen, ist das Massenspektrum bei jeder kleineren Energie durch die Renormierungsgruppengleichungen gegeben. Mit diesem Spektrum müssen sich Vorhersagen über experimentell messbare Größen machen lassen. Durch den Vergleich Theorie und Messung lässt sich dann der erlaubte Parameterraum einschränken. Das mit solchen Einschränkungen (engl. constraints) versehene MSSM wird auch Constrained MSSM (CMSSM) genannt. Kapitel 5 Bestimmung der Parameter des MSSM In diesem Kapitel wird beschrieben, wie man die Parameter des MSSM bestimmt. Wie man aus früheren Analysen [20]-[22] ersehen kann, ist eine Vereinigung der Grundkräfte (mit Ausnahme der Gravitation) bei einer Skala MGUT ≈ 1016 GeV möglich. Neben den Parametern des SM treten an dieser Skala 5 neue Parameter auf: m0 , m1/2 , µ0 , A0 und tan β. Aus den Renormierungsgruppengleichungen kann mit diesen Parametern das gesamte Massenspektrum bei niedrigeren Energien bestimmt werden. Alleine aus der Vereinigung der Kopplungen lassen sich nicht alle Parameter berechnen. Es werden weitere Bedingungen oder Einschränkungen benötigt: • MZ kann aus der elektroschwachen Symmetriebrechung bestimmt werden. • Mögliche Bedingungen aus der Vereinigung der Yukawa-Kopplungen bei MGUT . • Experimentelle Messungen der Fermionmassen der 3. Generation [23]. • Experimentelle Schranken für die Massen der supersymmetrischen Teilchen [23]. • Messung des Verzweigungsverhältnisses b → Xs γ [24]-[26]. • Messung des anomalen magnetischen Moments des Myons [27]. • Das leichteste supersymmetrische Teilchen sollte neutral sein (siehe vorheriges Kapitel). • Aus der unteren Schranke für die Lebensdauer des Universums kann der Anteil des leichtesten supersymmetrischen Teilchens an der dunklen Materie bestimmt werden. 5.1 Algorithmus zur Berechnung des supersymmetrischen Massenspektrums Die Massen der supersymmetrischen Teilchen und die Eich- und Yukawakopplungen werden aus folgenden Parametern an der GUT-Skala bestimmt: MGUT , αGUT , Yt (0), Yb (0), Yτ (0), m0 , m1/2 , µ0 , A0 und tan β (5.1) Mit Renormierungsgruppengleichungen werden die Kopplungen und Brechungsparameter zu niedrigeren Energien entwickelt. Da die RGEs selber von den Teilchenmassen abhängen (Schwelleneffekte), ist ein iteratives Verfahren notwendig. Der Algorithmus wird im folgenden beschrieben: 1. Die Renormierungsgruppengleichungen beschreiben ein System von 25 gekoppelten Differentialgleichungen. Die 6 Gleichungen für die Eich- und Yukawakopplungen bilden ein abgeschlossenes Untersystem. Im ersten Schritt des Iterationsverfahrens werden die Anfangswertbedingungen an der GUT-Skala festgelegt. Die Anfangsbedingungen sind durch die Parameter an der GUT-Skala gegeben (5.1). 39 40 5.2. Vergleich der Theoriewerte mit experimentellen Daten 2. Das Differentialgleichungssystem wird, ausgehend von den Anfangswerten, ohne Berücksichtigung von Schwelleneffekten bis zur Z-Skala gelöst. 3. Mit den Kopplungen und Brechungsparametern an der Z-Skala sowie tan β lässt sich eine erste Näherung des Teilchenspektrums berechnen. 4. Aus diesem Spektrum lassen sich die Ein-Schleifen-Korrekturen zur Minimierung des Higgspotentials und zu den Higgsmassen berechnen. 5. Um die Schwelleneffekte der Renormierungsgruppengleichungen zu berücksichtigen, benötigt man die sogenannten laufenden Massen (running masses) Mi (Mi ). Um diese zu erhalten integriert man die RGEs bis zu Mi und erhält daraus eine neue Masse Mi′ . Dabei berechnet man die Lösung an einer endlichen Zahl von Stützstellen und erhält die Werte an einer beliebigen Skala durch Splines. Nach 3-5 Iterationen ergibt sich ein stabiles Spektrum (|Mi′ − Mi | < 0.01 GeV). 6. Im nächsten Schritt werden die RGEs nochmals von MGUT aus gelöst, allerdings nur bis zur schwersten laufenden Teilchenmasse. Danach wird dessen Beitrag von den Koeffizienten der RGEs abgezogen und bis zum nächsten Teilchen integriert . . . Dies wird fortgeführt bis zur Z-Skala. Ein Problem stellt sich bei den Koeffizienten zweiter Ordnung. Bei diesen Prozessen laufen nämlich zwei Teilchen verschiedener Massen. Es ist also nicht ersichtlich, bei welcher Skala die Beiträge entkoppeln. Da die Schwelleneffekte zweiter Ordnung jedoch hinreichend klein sind, kann man einige Korrekturen zusammenfassen. Die Renormierungsgruppengleichungen mit ihren Koeffizienten in den verschiedenen Bereichen sind in Referenz [15] angegeben. 7. Aus den neuen Parametern erhält man ein neues Spektrum an der Z-Skala, welches die Schwelleneffekte der schweren Teilchen berücksichtigt. Ebenso erhält man neue Schwellenwerte für die laufenden Massen. Außerdem lassen sich aus den Massenparametern wieder die Higgsmassen und die Z-Masse berechnen. 8. Beginnend bei Schritt 5 kann man ein iteratives Verfahren zur Massen- und Kopplungsbestimmung durchführen. Nach wenigen Iterationen erhält man ein stabiles Spektrum (bereits nach einem Iterationsschritt sind alle Änderungen kleiner als 1 GeV). Nach der Iteration erhält man das komplette supersymmetrische Teilchenspektum, alle Higgsmassen und die Z-Masse in erster Ordnung. Die Eich- und Yukawakopplungen erhält man an der Z-Skala in zweiter Ordnung. Die resultierenden Massen und Kopplungen können jetzt mit experimentellen Daten verglichen werden. 5.2 5.2.1 Vergleich der Theoriewerte mit experimentellen Daten Vereinigung der Kopplungen Nach dem Lösen der RGE erhält man die Eichkopplungen α1 (MZ ), α2 (MZ ) und α3 (MZ ). Die Stärke dieser Kopplungen lassen sich jetzt mit experimentellen Werten von sin2 θW und αs (MZ ) sowie dem in Kapitel 2.6 bestimmten α(MZ ) vergleichen. Bei der Bestimmung der Vergleichsdaten geht man von der Annahme aus, dass die supersymmetrischen Teilchen nicht wesentlich zu den Kopplungen an der Z-Skala beitragen. Dies ist auch in guter Näherung erfüllt, da bis jetzt keine wesentliche Abweichung zum Standardmodell auftraten. Einige Datensätze für das SM sind in Tabelle 2.4 angegeben. 5.2.2 Vergleich von MZ aus elektroschwacher Symmetriebrechung mit Messung Das Higgspotential soll für die Vakuumserwartungswerte v1 und v2 der beiden Higgsdubletts ein Minimum besitzen. Wendet man die Minimierungsbedingungen auf das Ein-Loop-Higgs-Potential an, 5. Bestimmung der Parameter des MSSM 41 erhält man folgende Bedingungen: 2m21 = 2m23 tan β − MZ2 cos 2β − Σ1 2m22 mit = Σ1 = Σ2 = 2m23 cos β + MZ2 cos 2β − Σ2 (5.2) (5.3) ∂m2i 1 f (m2i ) ψ1 ∂ψ1 (5.4) 1 X 1 ∂m2i 2Ji f (m2i ) (−1) (2J + 1)C i i 32π 2 ψ2 ∂ψ2 (5.5) 1 32π 2 X (−1)2Ji (2Ji + 1)Ci i i Hierbei ist Ci = Ccolor × CLadung , Ji der Spin und mi die Masse des Teilchens. Die Funktion f (m2i ) ist definiert als: µ ¶ m2i 2 2 (5.6) f (mi ) = mi ln 2 − 1 Q Σ1,2 sind die Ein-Schleifen-Korrekturen in analytischer Form. Die resultierenden Terme für Stop, Sbottom und Stau findet man in [15]. Daraus ergibt sich für die Masse des Z-Bosons: MZ = 2 · m21 + Σ1 − (m22 + Σ2 ) tan2 β) tan2 β − 1 (5.7) Dieser Wert kann nun mit experimentellen Messungen verglichen werden. Es ist auch möglich, mit den Gleichungen 4.37 eine Bestimmungsgleichung für µ in folgender Form zu schreiben: µ2 = m2H1 − m2H2 tan2 β Σ1 − Σ2 tan2 β MZ2 + − 2 tan2 β − 1 tan2 β − 1 (5.8) Misst man MZ , so kann daraus der Betrag von µ bestimmt werden. Das Vorzeichen von µ ist allerdings noch unbestimmt. Es muss allerdings beachten werden, dass die Korrekturen Σ1,2 von den Squarkund Leptonenmassen abhängen, welche wiederum durch µ bestimmt sind. Deshalb wird µ als freier Parameter der Theorie belassen, und Gleichung 5.7 verwendet. Bei gegebenen m0 und m1/2 wird µ0 nun im Wesentlichen durch die Z-Masse bestimmt. 5.2.3 Vereinigung der Yukawakopplungen Die laufenden Leptonenmassen der 3. Generation werden aus den laufenden Yukawakopplungen bestimmt: mt = ht (mt )v sin β mb = hb (mb )v cos β mτ = hτ (mτ )v cos β (5.9) In einer Großen Vereinigungstheorie (GUT) vereinigen sich nicht nur die Eichkopplungen, sondern je nach zugrundeliegender Symmetriegruppe auch die Yukawakopplungen. Dadurch gibt es starke Einschränkungen für tan β. In Figur 5.1 ist auf der linken Seite dieser Fall dargestellt. Man sieht deutlich, dass das zugehörige χ2 für tan β ≈ 1.5 und tan β ≈ 40 Minima besitzt. Möchte man die Leptonenmassen der dritten Generation im MSSM berechnen, so erhält das bottom-Quark Korrekturen durch Squark-Gluino- und Stop-Chargino-Schleifen [28, 29]: Yt 2α3 m̃g µ tan β I(m̃2b1 , m̃2b2 , m̃2g ) + Aτ m0 µ tan β I(m̃2t1 , m̃2t2 , µ) 3π 4π xy log xy + yz log yz + zx log xz I(x, y, z) = − (x − y)(y − z)(z − x) ∆mb = (5.10) (5.11) 5.2. Vergleich der Theoriewerte mit experimentellen Daten 200 1 µ>0 µ<0 -1 10 µ>0 150 1 Yt,b,τ(0) Yt,b,τ(0) Mtop[GeV] 42 -2 µ<0 10 Yt Yt -3 10 -3 10 -4 10 -6 10 100 Yb=Yτ -5 10 χ 2 Yτ -6 50 10 Yb -7 0 10 10 tanβ 10 tanβ Abbildung 5.1: Yukawakopplungen in Abhängigkeit von tan β. Im linken Diagramm ist der Verlauf unter Annahme von bottom-τ -Vereinigung dargestellt. Im rechten Diagramm wurde keine Vereinigung vorausgesetzt. Bei beiden Rechnungen wurde αs = 0.1224 und sin2 θW = 0.23156 verwendet. mit der Gluinomasse m̃g . Für große tan β können diese Korrekturen bis zu 30% betragen. Die korrigierte bottom-Masse, welche schließlich mit der experimentellen Messung verglichen wird, lautet: mMSSM (MZ2 ) = hb (MZ )v cos β(1 + ∆mb ) b (5.12) Analog dazu erhält auch die Masse des τ -Leptons supersymmetrische Korrekturen: ∆mτ = α1 m̃b µ tan β I(m̃2τ1 , m̃2τ2 , m̃2b ) 4π (5.13) Diese Korrekturen sind jedoch viel kleiner als ∆mb , da sie proportional zu α1 und der Binomasse m̃b sind. Für die Parameteranpassung werden die berechneten mit den gemessenen Massen an der Z-Skala verglichen. Aus dem Experiment sind jedoch nur die Polmassen bekannt: mt = (174.3 ± 5.1) GeV mb = (4.8 ± 0.2)) GeV mτ = (1777.03 ± 0.30) MeV (5.14) Aus den Polmassen lassen sich jedoch die laufenden Massen an der Z-Skala berechnen. Für die bottomMasse wurde die dritte Ordnungsformel aus [30] verwendet. 5. Bestimmung der Parameter des MSSM Teilchen χ̃± 1 Gaugino Higgsino Bedingung 43 u.Limit (Gev/c2 ) Gev/c2 Quelle Mν̃ > 500 Mν̃ > Mχ̃± any Mν̃ M2 < 1 TeV/c2 94 75 45 89 LEP2 LEP2 Zerfallsbreite des Z-Bosons LEP2 χ̃01 indirekt bel. tan β, Mν̃ > 500 any tan β, bel. m0 33 32 LEP2 LEP2 ẽL µ̃L τ̃L eχ̃01 µχ̃01 τ χ̃01 ∆M > 10 GeV/c2 ∆M > 10 GeV/c2 Mχ̃01 < 20 GeV/c2 89 84 71 LEP2 kombiniert LEP2 kombiniert LEP2 stabil 43 71 Zerfallsbreite des Z-Bosons LEP2 kombiniert bel. φmix , ∆M > 10 GeV/c2 bel. φmix , Mχ̃01 < 21 Mt̃ 87 88 LEP2 kombiniert D0 bel. φmix , ∆M > 7 GeV/c2 90 LEP2 kombiniert g̃ bel Mq̃ g̃ Mq̃ = Mg̃ 190 180 260 230 D0 Jets + E /T CDF dileptons D0 Jets + E /T CDF dileptons ν̃ µ̃R , τ̃R t̃1 cχ̃01 Tabelle 5.1: Diese Tabelle fasst die aktuellen unteren Schranken für supersymmetrische Teilchenmassen zusammen [23]. Dabei ist E / T ist die fehlende Transversalenergie“ und ∆M ist der ” Massenunterschied zwischen betrachtetem Slepton und Neutralino ∆M = Ml̃ − Mχ̃01 . 5.2.4 Experimentelle untere Schranken für Teilchenmassen Bis heute konnte noch kein supersymmetrisches Teilchen im Experiment nachgewiesen werden. Dadurch ergeben sich untere Schranken für die Massen der Teilchen. Zum Beispiel müssen alle geladenen supersymmetrischen Teilchen schwerer sein als MZ /2, da sonst das Z-Boson direkt in ein TeilchenAntiteilchenpaar zerfallen könnte. Die in Tabelle 5.1 angegebenen Limits beeinflussen vor allem m0 und m1/2 , da durch diese Parameter das supersymmetrische Massenspektrum grob vorgegeben ist. 5.2.5 Das Verzweigungsverhältnis B → Xs γ Im Standardmodell ist der Zerfall eines b-Quarks in ein s-Quark auf Bornniveau verboten. Erst mit einer top-W − -Schleife als Korrektur ist dieser Zerfall erlaubt. Im MSSM tragen nun noch weitere Korrekturen zur totalen Zerfallsbreite bei. Die experimentellen Werte und theoretischen Formeln sind im nächsten Kapitel 6 ausführlich behandelt. 5.2.6 Das anomale magnetische Moment aµ Ein Experiment, welches besonders empfindlich auf neue Physik reagiert, ist die Messung des anomalen magnetischen Moments des Myons aµ . Diese Größe eignet sich aufgrund der hohen Myonmasse (mµ ≈ 200 me ) gut zur Betrachtung von Strahlungskorrekturen, da diese üblicherweise zur Leptonenmasse proportional sind. Experiment und Theorie sind in Kapitel 7 näher erläutert. 44 5.2.7 5.2. Vergleich der Theoriewerte mit experimentellen Daten Dunkle Materie Wenn man die Rotationskurve einer Spiralgalaxie untersucht, beobachtet man, dass die Rotationsgeschwindigkeit nach einem kurzen Anstieg im Zentrum der Galaxie ungefähr konstant bleibt. Nach den Keplerschen Gesetzen entspricht dies einer Dichteverteilung ρ(r) ∼ r−2 . Nimmt man den radialen Verlauf der Helligkeit als Maß für die Dichte, so entspricht die Helligkeitskurve einer anderen Dichteverteilung, welche nach außen hin schneller abnimmt. Dies ist ein Indiz für dunkle Materie. Mögliche Kandidaten sind folgende: Kaltes Gas: Dieser Kandidat kann ausgeschlossen werden, da die Gaswolken sich im Laufe der Zeit aufheizen und damit strahlen würden. Außerdem reicht selbst bei riesigen Gaswolken die Masse nicht aus, um die beobachtete Rotationskurve zu erklären. Staubwolken: Sie würden durch die Reemission des absorbierten Sternenlichts im Infraroten strahlen. Ein weiteres Gegenargument ist, dass solche gewaltige Staubmengen die Sternbildung erheblich mit beeinflusst hätten. Schwarze Löcher: Diese Form von dunkler Materie ist zwar dunkel“, hat aber den Nachteil, dass ” sie nicht mit größerer Häufigkeit im Außenbereich, dem Halo, der Galaxie zu finden ist. Die beobachteten Rotationskurven von Galaxien benötigen aber mehr Materie im Halo. Braune Zwerge: Gleiches gilt für Sterne geringerer Masse, so dass bei ihnen keine Fusion einsetzen konnte. Baryonische Materie : Sie würde durch die Gravitation ins Zentrum der Galaxie gezogen werden, dort aufgrund der starken Wechselwirkung Energie verlieren und sich somit dort ansammeln. Nichtbaryonische Materie : Da man geladene Teilchen aufgrund ihrer Wechselwirkung bereits beobachtet hätte, sind nur neutrale Teilchen mögliche Kandidaten (z.B. Neutrinos). Weitere Kandidaten sind supersymmetrische Teilchen wie z.B. Neutralinos. Man kann den Anteil einer bestimmten Teilchensorte an der dunklen Materie mit folgender Methode abschätzen: Aus der Lebensdauer des Universums (τ ≈ 1010 a) und der Hubblekonstante H0 (h0 ≈ 0.4 in Einheiten von [100 km s−1 Mpc−1 ]) lässt sich folgende Bedingung herleiten [31]: Ωχ h20 < 1 (5.15) Ωχ ist hier das Verhältnis der Teilchendichte ρc hi zur kritischen Dichte ρkritisch des Universums, welche ein flaches Universum charakterisiert und welche gegeben ist durch: ρkritisch = 2H0 g = 1.88 × 10−29 (h20 ) 3 8πG cm (5.16) Unabhängig von der Teilchenart darf kein Teilchen mehr zur dunklen Materie beitragen, als durch Gleichung 5.15 erlaubt ist. Das leichteste Neutralino χ01 kann nur paarweise in gewöhnliche Teilchen annihilieren. Also ist sein Anteil an der dunklen Materie proportional zum Annihilationswirkungsquerschnitt, welcher wiederum von den Massen und Kopplungen der Teilchen im Endzustand abhängt. Da die Neutralinos eine Mischung von Zuständen sind, ist der Zerfall sowohl über einen t-Kanal mit Selektronen- als auch über einen s-Kanal mit Z 0 -Bosonenaustausch möglich. Der Anteil wurde in Referenz [32] berechnet. 5.2.8 Das leichteste supersymmetrische Teilchen Durch die Erhaltung der sogenannten R-Parität (siehe Gl.4.6), ist das leichteste supersymmetrische Teilchen (LSP) stabil. Würde das LSP geladen sein, so wäre es bereits aufgrund seiner elektromagnetischen Wechselwirkung beobachtet worden. Aus diesem Grund sollte die Masse des leichtesten Neutralinos kleiner als die, des leichtesten Charginos, sein. 5. Bestimmung der Parameter des MSSM 5.2.9 45 Elektroschwache Präzisionsmessung Die an Teilchenbeschleunigern gemessenen elektroschwachen Präzisionsdaten werden zur Bestimmung der Parameter des SM verwendet. Auch hier gibt es supersymmetrische Strahlungskorrekturen. Dadurch lässt sich ebenso wie im SM auch im MSSM eine Parameteranpassung durchführen. Kapitel 9 beschäftigt sich mit dieser Fragestellung. 5.3 Methode zur Parameterbestimmung Ein Parametersatz des MSSM muss nun alle experimentellen Bedingungen, die in den vorherigen Abschnitten aufgeführt wurden, erfüllen. Zu diesem Zweck definiert man eine χ2 -Funktion [33]: 2 χ = −1 3 2 X (αi−1 (MZ ) − αi,M SSM (MZ )) i=1 σi2 + (MZ − 91.187)2 (Mt − 174.3)2 (Mb − 4.8)2 (Mτ − 1.77703)2 + + + στ2 σZ2 σt2 σb2 + (M̃ − M̃exp )2 (Br(b → Xs γ) − 3.21 × 10−4 )2 (für M̃ < M̃ ) + exp 2 2 σM̃ σb→X sγ + (aµ − 333 × 10−11 )2 (Ωh20 − 1)2 (für Ωh20 > 1) + 2 σa2µ σΩ + (m̃LSP − m̃χ )2 (für m̃LSP charged) 2 σLSP (5.17) Diese Funktion hat die Eigenschaft, dass sie für einen Parametersatz, der Vorhersagen nahe an den experimentellen Größen liefert, klein wird. Durch Minimieren dieser χ2 -Funktion lassen sich die Parameter des MSSM bestimmen. In den folgenden beiden Kapiteln werden die in der χ2 -Funktion verwendeten Werte für b → Xs γ und aµ erläutert. Kapitel 6 Das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xsγ) In dieser Arbeit wird besonderes Augenmerk auf das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xs γ) gelegt. Dabei geht ein bottom-Quark in ein strange-Quark über. Dieser Zerfall ist auf Bornniveau verboten, da es sich hierbei um einen flavour changing neutral current“ (FCNC) handelt, der im SM verbo” ten ist. Der Übergang ist aber durch virtuelle Schleifen erlaubt. Im Standardmodell läuft dazu ein W -Boson und ein top-Quark um (siehe Abbildung 6.1). Durch diese starke Unterdrückung ist das Verzweigungsverhältnis sehr empfindlich auf mögliche neue Physik, da es von der Anzahl und der Art der umlaufenden Teilchen abhängt. In einem Modell mit zwei Higgsdubletts gibt es zum Beispiel einen weiteren Beitrag durch eine Schleifen, in der ein geladenes Higgs H ± und ein Top umläuft. Im MSSM schließlich gibt es Beiträge durch Chargino-Stop-Schleifen und Gluino-Squark-Schleifen. Alle diese Beiträge haben unterschiedliche Vorzeichen, wodurch es zu konstruktiver und destruktiver Interferenz kommen kann. Durch den Vergleich von Theorie und Experiment können sich somit Einschränkungen auf den Parameterraum des MSSM gewinnen lassen. Im folgenden Kapitel werden die verwendeten theoretischen Formeln dargestellt, welche zur Berechnung des Verzweigungsverhältnisses verwendet werden. Danach wird kurz die experimentelle Methode zur der Messung dieser Größe erläutert. 6.1 Theoretische Berechnung von b → Xs γ Die Formeln zur theoretischen Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit sind den Referenzen [34][37] entnommen. 6.1.1 Die effektive Hamiltonfunktion Man geht bei der Berechnung von einer effektiven“ Hamiltondichte Heff aus. Effektiv“ bedeutet ” ” dabei, dass schwere Teilchen (W -Boson, top-Quark und SUSY-Teilchen) bereits ausintegriert sind und sich somit eine effektive ∆B = 1 Niedrigenergiehamiltondichte ergibt. In einem on-shell-Formalismus werden dafür acht relevante Operatoren benötigt, die folgende Gestalt haben: O1 = (s̄L γµ T a cL )(c̄L γ µ T a bL ) µ O2 = (s̄L γµ cL )(c̄L γ bL ) X (q̄γ µ q) O3 = (s̄L γµ bL ) (6.1) (6.2) (6.3) q O4 = (s̄L γµ T a bL ) X (q̄γ µ T a q) q 47 (6.4) 48 6.1. Theoretische Berechnung von b → Xs γ W s b t=t Abbildung 6.1: Ein-Schleifen-Diagramm, durch das der Übergang b → Xs γ im Standardmodell erlaubt ist. O5 = (s̄L γµ1 γµ2 γµ3 bL ) X (q̄γ µ1 γ µ2 γ µ3 q) (6.5) X (6.6) q O6 = (s̄L γµ1 γµ2 γµ3 T a bL ) (q̄γ µ1 γ µ2 γ µ3 T a q) q O7 = O8 = e mb (s̄L σ µν bR )Fµν 16π 2 gs mb (s̄L σ µν T a bR )Gaµν 16π 2 (6.7) (6.8) T a ist dabei der Generator der SU (3)C , gs die starke und e die elektromagnetische Kopplungskonstante. Die qL,R sind die chiralen Quarkfelder, und Fµν (Gaµν ) sind die QED (QCD Feldstärken). Mit dieser Operatorbasis lautet die effektive Hamiltondichte: 8 X 4GF Heff = − √ Vts∗ Vtb Ci (µ)Oi (µ) 2 i=1 (6.9) Hier sind Vi,j die Elemente der CKM-Matrix, GF die Fermikonstante, Oi (µ) die renormierten relevanten Operatoren und Ci (µ) die zugehörigen Wilson-Koeffizienten an der Energieskala µ. Man muss nun die Anfangsbedingungen der Wilson-Koeffizienten bestimmen. Dazu gleicht man die volle Theorie mit der effektiven Fünf-Quark-Theorie an einer Skala µW = O(MW ) ( matching scala“) ” ab. Die Wilson-Koeffizienten an der matching-Skala erhält man durch Vergleich der Ergebnisse, die man erhält, wenn man die Übergangsamplitude für beide Theorien berechnet. Mit Hilfe von Renormierungsgruppengleichungen entwickelt man die Wilson-Koeffizienten zu einer niedrigeren Energie-Skala, die für den Übergang relevant ist (µb = O(mb )). In niedrigster Ordnung (also 1-Loop) genügt an der Skala µW allein der Operator O7 zur Berechnung des Übergangs. Bei einer Entwicklung zu niedrigeren Energien mischen die Operatoren, und man muss auch die Beiträge der anderen Operatoren berücksichtigen. Einschließlich der NLO-Beiträge durch QCD-Korrekturen (Abbildung 6.2 zeigt eine QCD-Korrektur durch ein zusätzliches Gluon) können die Wilson-Koeffizienten an einer Skala µ in folgender Form geschrieben werden: (0) Ci (µ) = Ci (µ) + αs (1) C (µ) 4π i (6.10) 6. Das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xs γ) 49 g W b b s t=t s Abbildung 6.2: Feynmangraph eines NLO-Beitrages zu b → Xs γ. Durch das Gluon handelt es sich um eine QCD-Korrektur. Es ist günstig, bestimmte Linearkombinationen einzuführen und neue effektive“ Koeffizienten zu ” betrachten: C7eff = C7 + C8eff = C8 + 6 X i=1 6 X yi Ci (6.11) zi Ci (6.12) i=1 Dabei werden die konstanten Vorfaktoren so gewählt, dass in niedrigster Ordnung die Matrixelemente der effektiven Hamiltondichte zu b → sγ (b → sg) proportional sind zu C7eff (C8eff ). Die Vorfaktoren sind schemaabhängig und lauten im MS-Schema: y = (0, 0, −1/3, −4/9, −20/3, −80/9) z = (0, 0, 1, −1/6, 20, −10/3) In den folgenden Abschnitten werden die zu den einzelnen Modellen gehörigen Beiträge zu den WilsonKoeffizienten an der Matching-Skala angegeben. 6.1.2 Beiträge des Standardmodells Die expliziten Ausdrücke für die Wilson-Koeffizienten und ihre Beiträge der einzelnen Modelle sind (0)eff im Anhang A angegeben. Im Standardmodell seien Ci (µW ) die Wilson-Koeffizienten in Leading ” Order“ (LO). Berücksichtigt man jetzt noch führende Logarithmische Korrekturen ( Leading Log“ ” LL,eff (µW ) [36]. Die Beiträge zu den Koeffizienten in Next to Leading Order“ (LL)), so erhält man C7,8 ” (1)eff (NLO) sind Ci (µW ). 6.1.3 Beiträge des Modells mit 2 Higgsdubletts Erweitert man nun das Standardmodell, indem man ein zweites Higgsdublett einführt, so erhält man Korrekturen zu den Wilson-Koeffizienten. Diesewerden durch Schleifen hervorgerufen, welche (0)eff durch die neuen Teilchen des Modells ermöglicht werden. Diese Korrekturen δ H Ci (µW ) für LO, (1)eff LL,eff H H δ Ci (µW ) für LL und δ Ci (µW ) für NLO sind im Anhang angegeben. 50 6.1.4 6.1. Theoretische Berechnung von b → Xs γ Beiträge des MSSM Durch den erhöhten Teilcheninhalt gibt es auch im MSSM Korrekturen zu den Wilson-Koeffizienten. (0)eff (1)eff Die analytischen Ausdrücke für δ S Ci (µW ) (LO), δ S CiLL,eff (µW ) (LL) bzw. δ S Ci (µW ) (NLO) sind wiederum im Anhang zu finden. Im up-Squarksektor wurde nur die Mischung innerhalb der dritten Generation zwischen dem links- und rechtshändigen Stop berücksichtigt. 6.1.5 Entwicklung der Wilson-Koeffizienten Addiert man alle Beiträge auf, so erhält man für die Wilson-Koeffizienten an der Matching-Skala: (0)eff (0)eff (0)eff Cieff (µW ) = Ci (µW ) + δ H Ci (µW ) + δ S Ci (µW ) h i αs (µW ) (1)eff (1)eff (1)eff Ci (µW ) + δ H Ci (µW ) + δ S Ci (µW ) + 4π (6.13) Das System der Renormierungsgruppengleichungen für die Wilson-Koeffizienten lautet: µ d eff eff C (µ) = Cjeff (µ)γji (µ) dµ i (6.14) Dabei ist γ eff (µ) die Matrix der anormalen Dimension, welche folgende Gestalt hat [38]: γ eff (µ) = αs (µ) (0)eff α2 (µ) γ (µ) + s 2 γ (1)eff (µ) + · · · 4π (4π) (6.15) (0)eff Die Lösungen der RGEs an der Skala µb für die Wilson-Koeffizienten sind dann Ci (1)eff Ci (µb ) (siehe Anhang). 6.1.6 (µb ) und Das b → Xs γ Verzweigungsverhältnis Mit den in den vorherigen Abschnitten angegebenen Koeffizienten lässt sich nun das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xs γ) berechnen. Um Unsicherheiten zu minimieren, die von der Bottomquarkmasse und den CKM-Matrixelementen herrühren, wird meist das Verzweigungsverhältnis mit dem semileptonischen Verzweigungverhältnis Br(b → Xc eν e ) normiert [39]. Das Verzweigungsverhältnis hat folgende Gestalt [34]: Br(b → Xs γ) Br(b → Xc eν e ) m2b (mb ) [|D|2 + A] |Vts∗ Vtb |2 3αem ³ ³ ´ h ´i |Vcb |2 π I mc 1 − 2 α (µ )f mc m2b mb 3π s b mb ! à NP δγNP δcNP δSL × 1− 2 + 2 + 2 mc mb mb £ 2 ¤ = C |D| + A = (6.16) Bei I(mc /mb ) handelt es sich um den semileptonischen Phasenraumfaktor und bei · µ ¶¸ 2 mc 1− αs (µb )f 3π mb um QCD-Korrekturen zum semileptonischen Zerfall. Ihre analytische Form ist in Referenz [34] angegeben. αem ist die elektromagnetische Kopplungskonstante (≈ 1/137) und αs (µb ) ist die starke Kopplung an der b-Polmasse. Die Vij sind die Einträge der CKM-Matrix. Im CKM-Faktor wurden allerdings Korrekturen hinzugefügt, die berücksichtigen, dass leichte Supersymmetrische Teilchen die Prozesse beeinflussen, aus denen die Matrixelemente bestimmt werden [35]. Der Faktor m2b (mb )/m2b 6. Das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xs γ) 51 ist eine weitere NLO-Korrektur. Die in diesem Ausdruck stehende laufende b-Masse ist im MS-Schema auf 2-Schleifen-Niveau in Referenz [40] gegeben. Der Faktor à ! NP δγNP δcNP δSL 1− 2 + 2 + 2 mc mb mb berücksichtigt dabei, dass sich die b-Quarks beim Übergang in einem gebundenen Zustand befinden. Dabei wird die Näherung der Effektiven Theorie Schwerer Quarks (HQET) verwendet [41]. Die genaue Form der einzelnen Beiträge ist in Quelle [34] zu finden. Der Term, welcher durch ein A gekennzeichnet ist, beschreibt die Korrekturen, welche zu dem Prozess b → sγg gehören: 8 ³ ´ αs (µb ) X (0)eff (0)eff (0)eff Ci (µb )Cj (µb )fij (δ) A = e−αs (µb ) ln(δ)(7+2 ln(δ))/3π − 1 |C7 (µb )|2 + π i,j=1 (6.17) i≤j Dabei ist δ ein Abschneideparameter für die Photonenergie, d.h. die Energie des Photons soll über einer Schwelle liegen, welche gegeben ist durch: Eγ > (1 − δ) mb 2 (6.18) Wählt man δ = 0.99, so erhält man die dadurch definierte totale“ inklusive Zerfallsrate. Die Koeffi” zienten fij (δ) sind in Referenz [38] zu finden. Der Term D kennzeichnet die Amplitude und hat, wenn man ihn nach αs entwickelt, folgende Gestalt: " ¶# µ 8 X mb αs (µb ) (0)eff (0)eff (1)eff (0)eff Ci (µb ) ri + γi7 ln C7 (µb ) + D = C7 (µb ) + 4π µb i=1 αem (em)eff + C (µb ) (6.19) αs (µb ) 7 (0)eff (em)eff Die Koeffizienten ri und γi7 sind in Referenz [38] zu finden. Der Term C7 (µb ) enthält die durch ein Renormierungsgruppenverfahren verbesserten QED-Korrekturen und ist im Anhang zu finden. Der mit diesen Formeln für das SM berechnete Wert liegt bei Br(b → Xs γ) = (3.21 ± 0.30) × 10−4 . Von P. Gambino und M. Misiak wurde vor kurzem vorgeschlagen, in D und A für mc /mb nicht die Polmassen, sondern die laufende c-Masse zu verwenden. Dadurch verändert sich das Verhältnis von = 0.22 auf mc (µ)/mpole = 0.29. Das erzeugt einen Anstieg des Verzweigungsverhältnisses mpole /mpole c b b −4 im SM von 3.20 × 10 auf 3.46 × 10−4 . Neue theoretische Berechnungen zeigen einen noch größeren Anstieg (3.35 × 10−4 auf 3.73 × 10−4 ) [37]. In Abbildung 6.3 ist das Verzweigungsverhältnis als Funktion von tan β für verschiedene m0 und m1/2 dargestellt. Als theoretische Unsicherheit ist hier einmal die Abhängigkeit von der Skala µb und zum anderen die Abhängigkeit von der trilinearen Kopplung A0 gezeigt. 6.2 Experimentelle Methoden zur Messung von Br(b → Xs γ) Die erste Messung, die auf das Verzweigungsverhältnisses Br(b → Xs γ) hingewiesen hat, war die Beobachtung des B → K ∗ (892)γ Zerfalls mit dem CLEO-Detektor am Cornell Electron Storage Ring (CESR) im Jahr 1993 [42]. Durch die großen Unsicherheiten beim Hadronisierungsprozess konnte man nur eine grobe Abschätzung zur Größe des Verhältnisses angeben. Ein Jahr später wurden Messungen zum einen auf der Υ-Resonanz bei 10.5800(35) Gev und zum anderen 60 MeV niedriger durchgeführt [43]. Als Signatur für einen Prozess, bei dem ein Bottomquark in ein Strangequark übergeht, wurde ein hochenergetisches Photon mit einer Energie zwischen 2.2 GeV < Eγ < 2.7 GeV genommen. (b → Xsγ)*10 (b → Xsγ)*10 4 6.2. Experimentelle Methoden zur Messung von Br(b → Xs γ) 4 52 8 µ0 < 0 7 6 m .5 =0 µb 5 b b 2m = µb 4 7 6 µ0 < 0 5 4 3 3 2 µ0 > 0 2 A0=0 µ0 > 0 m0=600 1 0 8 20 m0=1000 1 m1/2=400 0 A0=0 0 40 m1/2=1000 0 20 40 (b → Xsγ)*10 8 µ0 < 0 7 6 =3 0 A 4 8 6 -3m 0 5 A 0= 4 3 3 2 2 µb=mb 0 µ0 > 0 m0=600 1 20 40 tanβ µ0 > 0 µb=mb m0=1000 1 m1/2=400 0 µ0 < 0 7 0 5 m (b → Xsγ)*10 4 tanβ 4 tanβ 0 m1/2=1000 0 20 40 tanβ Abbildung 6.3: Auftragung von Br(b → Xs γ) als Funktion von tan β für verschiedene m0 und m1/2 . Im der oberen Hälfte ist die Abhängigkeit von der Skala µb , in der unteren die Abhängigkeit von der trilinearen Kopplung A0 dargestellt. Es wird auch deutlich, dass momentane experimentelle Messungen (schraffierter horizontaler Balken) ein positives Vorzeichen des Higgsparameters µ0 bevorzugen. 6. Das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xs γ) 53 1000 Yield (Arbitrary Units) 800 600 400 200 0 −1.0 −0.5 0 r 0.5 1.0 Abbildung 6.4: Hier ist für alle Prozesse mit einem hochenergetischen Photon im Endzustand (2.2 GeV < Eγ < 2.7 GeV) die Neuronale-Netz-Variable r, für Monte Carlo Daten des Signals (durchgezogene Linie) und des Untergrundes (gestrichelte Linie) sowie für die Off-Resonanz Daten (Punkte) dergestellt [43]. Diese Energie entspricht der theoretisch erwarteten Doppler-verbreiterten Linie eines sich im Detektor bewegenden b-Quarks. Ungefähr 75-90% des Signals liegen in diesem Energiebereich. Es gibt zu dieser Signatur einen großen Untergrund, der vor allem von zwei Prozessen stammt: • initial state radiation (ISR)“ Prozess: e+ e− → qqγ ” • Nach der Kontinuumsreaktion e+ e− → qq strahlt das entstandene Baryon (π 0 , η, ω) ein Photon ab. Zur Unterdrückung des Untergrundes wurden zwei unterschiedliche Methoden verwendet: 1. Man wählt acht Ereignisvariablen: R2 , S⊥ , R2′ und cos θ′ , welche in Ref. [42] definiert sind, sowie die Energie in den Kegeln mit Öffnungswinkeln von 20◦ und 30◦ , jeweils parallel und antiparallel zur Richtung des hochenergetischen Photons. Diese Variablen werden zu einer einzelnen Variable r kombiniert, welche zu +1 für einen b → Xs γ Übergang und zu −1 für einen Untergrundprozess tendiert. In Abbildung 6.4 ist die Variable r für Monte Carlo Daten von Signal und Untergrund sowie für die Off-Resonanz Daten dargestellt. Danach summiert man alle Ereignisse mit r gewichtet auf. 2. Bei der zweiten Methode wird jedes Ereignis nach Kombinationen von Teilchen durchsucht, die einen b → Xs γ Zerfall rekonstruieren. Für das Xs wird zum Beispiel nach einem Ks0 gesucht, indem man nach einer geladenen Bahn mit einem zu einem Kaon passenden dE/dx oder nach einem Zerfall Ks0 → π + π − sucht. Außerdem sucht man nach 1-4 Pionen π, von denen eines ein neutrales π 0 sein darf. Außer b → Xs γ gibt es viele weitere Kanäle, die solche Zerfallseigenschaften haben. Allerdings ist auch keine Einteilung in die genauen Zerfallskanäle erforderlich, sondern nur eine Unterdrückung des Untergrundes. Für jedes Ereignis sucht man nun eine Kombination, die eine χ2 Funktion minimiert, welche folgende Beiträge beinhaltet: 54 6.2. Experimentelle Methoden zur Messung von Br(b → Xs γ) 3000 200 (a) (a) 150 100 1000 Events / 0.1 GeV Weighted Events / 0.1 GeV 2000 0 (b) 150 50 0 (b) 25 0 50 −25 1.8 0 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 E gamma (GeV) 4.5 5.0 2.0 2.2 2.4 2.6 E gamma (GeV) 2.8 Abbildung 6.5: Hier sind die Photonenspektra für die beiden Analysemethoden dargestellt (Methode 1: rechts, 2: links). (a) On-Resonanz Daten (durchgezogene Linie), skalierte Off-Resonanz Daten sowie Summe aus Off-Resonanz und Υ(4S)-Untergrund (Punkte) (b) Hintergrund abgezogene Daten (Punkte) und Monte Carlo Vorhersage für die Form des Signals (durchgezogene Kurve) [43] • dE/dx • fehlende Ks0 -Masse • fehlende π 0 -Masse • cos θtt , wobei θtt der Winkel zwischen Bewegungsrichtung des B-Kandidaten und dem Rest des Ereignisses ist • χ2B = µ MB − 5.279 σM ¶2 + µ EB − Ebeam σE ¶2 (6.20) mit den berechneten Größen MB (beam constrained mass) und EB (beam constrained energy) Es wird nun ein Ereignis als Signal gewertet, wenn | cos θtt | < 0.6 und χ2B < 6.0 erfüllt sind. Während die erste Methode eine bessere Effizienz für b → Xs γ-Prozesse besitzt (32% gegenüber 9%), hat die zweite Methode ein um Faktor 4 besseres Verhältnis von Signal zu Untergrund. Beide Methoden haben also ungefähr die gleiche Sensitivität und sind nur leicht miteinander korrelliert. In Abbildung 6.5 sind die Photonenspektra für die beiden Methoden dargestellt. Der Durchschnittswert aller experimentellen Messungen ([24], [25] und [26]) liegt bei: Br(b → Xs γ) = (3.21 ± 0.41) × 10−4 (6.21) Zur Berechnung des Fehlers wurden experimentelle und theoretische Fehler quadratisch addiert. Kapitel 7 Das anomale magnetische Moment des Myons Eine experimentelle Größe, die sich besonders gut zur Suche nach neuer Physik eignet, ist das anomale magnetische Moment des Myons aµ , welches definiert ist durch: aµ = gµ − 2 2 (7.1) Diese Größe ist bei weitem nicht so präzise zu messen wie das anomale magnetische Moment des Elektrons ae , denn ae hat eine um den Faktor 350 höhere Präzision. Allerdings sind Korrekturen zu ae,µ typischerweise proportional zum Quadrat der betreffenden Leptonenmasse. Das Verhältnis m2µ /m2e ≈ 4 × 104 ist so groß, dass die niedrigere Genauigkeit der experimentellen Messung nicht mehr ins Gewicht fällt. Der derzeitige Durchschnittswert aller aµ -Messungen liegt bei: −11 aexp µ = 116 592 023 (151) × 10 Dieser Wert lässt sich jetzt mit theoretischen Berechnungen vergleichen. Das Standardmodell liefert mit QED-Korrekturen bis zur 5.Ordnung, mit hadronischen Korrekturen bis zur 2.Ordnung und mit light-by-light scattering“-Beiträgen: ” −11 aSM µ = 116 591 690 (85) × 10 Typische Feynmandiagramme, die zu diesen Korrekturen gehören, sind in Abbildung 7.1 dargestellt. Es ergibt sich eine Diskrepanz zwischen Experiment und Vorhersage des SM. Dieser Unterschied ∆aµ beträgt: ∆aµ = (333 ± 173) × 10−11 Eine mögliche Ursache für diese Abweichung sind supersymmetrische Beiträge, wie sie in Abbildung 7.2 dargestellt sind. Im folgenden Abschnitt werden die theoretischen Formeln für die supersymmetrischen Korrekturen angegeben [44]. Am Ende wird kurz auf die experimentellen Methoden der Messung eingegangen. 7.1 Supersymmetrische Beiträge zu aµ Der Supersymmetrischen Beitrag lässt sich in zwei Beiträge aufteilen, die durch die Diagramme in Abbildung 7.2 gegeben sind: ± 0 ∆aSUSY = ∆aχµ ν̃ + ∆aµχ µ̃ (7.2) µ 55 56 7.1. Supersymmetrische Beiträge zu aµ had Abbildung 7.1: Typische Korrekturen im SM für aµ . Links ist eine QED Einschleifenkorrektur abgebildet, die rechte Seite zeigt Korrekturen durch die hadronische Vakuumpolarisation ~ ~ ~ ~ ~ ~0 Abbildung 7.2: Typische Korrekturen im MSSM für aµ . Links ist ein Diagramm mit einer SneutrinoChargino-Schleife abgebildet. Die rechte Seite zeigt Korrekturen durch eine SmyonNeutralino-Schleife Der Beitrag durch die Sneutrino-Chargino-Schleife ist gegeben durch: ! à µ ¶ 2 2 2 X m m 4α m̃ α ± µ 1 2 2 2 − µ xj fg(1) (xj ) Uj2 ∆aχµ ν̃ = 1− ln 2 2 cos2 β + Vj1 π mµ 2π m 2M ± W χj j=1 m2µ xj fg(2) (xj )Uj2 Vj1 +√ 2mχ± MW cos β (7.3) j (1),(2) Dabei ist xj = m2χ± /m2ν̃µ und die fg sind in Gleichung A.4 bereits definiert. Der Vorfaktor ist ein j Term, der führende zwei-Schleifenkorrekturen berücksichtigt [45]. Die darin enthaltene Masse m̃ ist eine durchschnittliche Masse supersymmetrischer Teilchen (∼ mχ± ). Der Beitrag durch die Smyon-Neutralino-Schleife lautet: µ µ ¶ ¶ 4 X m2µ 4α 1 m̃ α 0 1 2 χ µ̃ (1) ∆aµ = − 1− ln 2 xj xj fg (xj ) + 12 π mµ 2π m χ0j j=1 ! à m2µ 1 2 5 2 2 2 + N tan θW + N2j + N2j N1j tan θW × 2N3j 2MW cos2 β 2 1j 2 7. Das anomale magnetische Moment des Myons 57 # m2µ xj fg(3) (xj )N3j (N2j − N1j tan θW ) + 2mχ0 MW cos β (7.4) j (3) Hier ist xj = m2χ0 /m2µ̃ ; fg hat folgende Form: j 1+x x ln x fg(3) (x) = − − 2 2(1 − x) (1 − x)3 µ ¶ 1 x2 ln x 1 − 5x − 2x2 xfg(1) (x) + − = 12 12(1 − x)3 2(1 − x)4 (7.5) Dieser Beitrag erhält eine andere Form, wenn man zwischen links- und rechtshändigen Smyonen unterscheidet: µ ¶ 4 m̃ α2 X 4α1 χ0 µ̃ ln ∆aµ = − 1− π mµ 2π j=1 ! µ ¶Ã m2µ m2µ L 1 1 L (1) L 2 2 x xj fg (xj ) + N3j + (N1j tan θW + N2j ) 12 2MW cos2 β 2 m2χ0 j j ! µ ¶Ã m2µ m2µ R 1 R (1) R 2 2 2 + 2N1j tan θW N3j + 2 xj xj fg (xj ) + 12 2MW cos2 β mχ0 j m2µ xL f (3) (xL j )N3j (N2j + N1j tan θW ) 2mχ0 MW cos β j g j # m2µ R (3) R x f (xj )N3j (−2N1j tan θW ) + 2mχ0 MW cos β j g + (7.6) j Entsprechend zum einfacheren vorangegangenen Fall (7.4) ist xL,R = m2χ0 /m2µ̃L,R . j j In allen obigen Formeln wurde die Myonmasse und das Mischen der Smyonen vernachlässigt. Uij und Vij sind die Matrizen, die die Charginomatrizen diagonalisieren. Nij ist die Neutralinomatrix (siehe Gleichung 4.32). In Abbildung 7.3 ist nun ∆aSUSY als Funktion von tan β für verschiedene m0 und m1/2 aufgetragen. µ 7.2 Experimentelle Methode zur Messung von aµ Das BNL Experiment findet am Alternating Gradient Synchrotron (AGS) in Brookhaven statt. Dabei werden Protonen aus dem großen Beschleuniger, welcher mit einer Energie von 24 GeV betrieben wird, auf ein Nickel target geschossen. Dort entstehen π + Pionen, welche wiederum in µ+ Myonen zerfallen. Diese werden in einem kleineren Speichering (7,11 m Radius) mit dem Magnetfeld B auf einer Kreisbahn gehalten. Der Spin der Myonen ist senkrecht zu dem Magnetfeld und unterliegt somit einer Präzessionsbewegung mit folgender Präzessionsfrequenz ω ~ a , also der Differenz von Spinpräzessionsfrequenz ω ~ s und Zyklotronfrequenz ω ~ c: ¸ · µ ¶ e 1 ~ ~ ~ ω ~a = − β×E (7.7) aµ B − aµ − 2 mc γ −1 ~ das elektrische Quadrupolfeld, welches die Myonen vertikal fokussiert. β ist die GeDabei ist E schwindigkeit der Myonen in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit c. Die Energie der Myonen wird nun so gewählt, dass γ ≈ 29.3 ( magisches“ γ) wird. In diesem Fall ist der zweite Term in Gleichung 7.7 ” zu vernachlässigen. Bei dieser Energie hat das Myon eine mittlere Lebensdauer von γτ ≈ 64.4µs. Mit 7.2. Experimentelle Methode zur Messung von aµ 600 ) (m 0, (20 m1/ ) 0,2 2 00 ) aµSUSY*10 11 58 400 00 0,4 (40 ( 200 µ0 ) 00 ,3 0 30 >0 0 µ 0 -200 <0 (4 00 00 ,3 0,2 (20 (3 00 ,40 0) ) 00 ) -400 0 10 20 30 40 50 60 70 tanβ Abbildung 7.3: In dieser Abbildung ist ∆aSUSY als Funktion von tan β für verschiedene m0 und m1/2 µ aufgetragen. Das schraffierte Band gibt die experimentelle Messung mit ihrem Fehler an. Es wird deutlich, dass die experimentellen Messungen ein positives Vorzeichen des Higgsparameters µ0 bevorzugen. dem entsprechenden Magnetfeld erhält man eine Präzessionsdauer von 4.37µs und eine Umlaufdauer von 149ns. Wenn nun das Myon zerfällt (µ+ → e+ νe ν µ ), so ist die Richtungsverteilung nicht isotrop, sondern die Positronen fliegen bevorzugt in Richtung des Spins des zerfallenden Myons. Dadurch ergibt sich für die 24 Detektoren im Innenraum des Speicherringes folgendes erwartetes Positronen-Zeitspektrum: 1 − γτ N (t) = N0 · e · [1 + A(E) cos(ωa t + φ(E))] (7.8) Dabei ist N0 ein Normierungsfaktor und A(E) der Paritätsverletzungs-Asymmetrieparameter, welcher von der Schwellenenergie abhängt, die in den Detektoren nachgewiesen wird. Die Verteilung N (t) wird nun an die Zählraten gefittet und daraus ωa bestimmt. Mit dem magischen“ γ gilt: ” ωa aµ = e (7.9) mµ c hBi −11 . Damit ergibt sich eine Der Mittelwert aller aµ Messungen liegt bei aexp µ = 116 592 023 (151) × 10 Abweichung vom Standardmodell ∆aµ = (333 ± 173) × 10−11 [46]. Diese 2 σ-Abweichung ist eines der stärksten experimentellen Indizien auf Supersymmetrie. Kapitel 8 Ergebnisse In diesem Kapitel werden nun die Ergebnisse der Parameteranpassung vorgestellt und vor allem zwei Schwerpunkte diskutiert: zum einen die Vereinigung der Eichkopplungen, woraus folgt, dass für relativ leichte supersymmetrische Massen (m0 , m1/2 < 300 GeV) sowohl der elektroschwache Mischungswinkel sin2 θW als auch die starke Kopplung αs an der oberen experimentellen Grenze liegen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die globale Parameteranpassung (ausgenommen Dunkle Materie und Protonzerfall) mit besonderem Augenmerk auf b → Xs γ und aµ [47]. Gerade diese beiden Beiträge haben sich durch neueste experimentelle Ergebnisse angeboten, an ihnen die Modelle der Teilchenphysik zu testen. Aus den Grenzen des erlaubten Parametergebietes lassen sich Vorhersagen über supersymmetrischen Massen machen. 8.1 Vereinigung der Eichkopplungen Wie in Kapitel 3.4.1 beschrieben wurde, können die drei Kopplungen α1,2,3 durch αQED , αs und sin2 θW beschrieben werden. Die elektromagnetische Kopplungskonstante αQED ist für niedrige Energien im Thomson-Limit (µ = me) mit höchster Präzision bekannt. Entwickelt man sie zu höheren Energien, so hängt sie in hohem Maß von der Vakuumpolarisation des Photons ab (siehe Abschnitt 2.6). Diese ist aufgrund des Niederenergiebereichs, welcher nicht perturbativ (störungstheoretisch) behandelt werden kann, mit einem relativ großen Fehler behaftet. Der resultierende Fehler der Kopplung ist jedoch immer noch wesentlich kleiner als der experimentelle Fehler von αs und sin2 θW . Aus diesem Grund wird αQED als fester Parameter genommen. Nun wird getestet, welche Werte von αs und sin2 θW für verschiedene m0 , m1/2 -Werte von der Vereinigung der Eichkopplungen verlangt werden. Die Parameteranpassung erfolgt mit dem in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Verfahren. Die χ2 -Funktion besteht aus folgenden Beiträgen: Eichkopplungsvereinigung, MZ aus elektroschwacher Symmetriebrechung, Teilchenmassen der dritten Generation und supersymmetrischen Massenlimits. Verzichtet man auf die Vereinigung der Yukawakopplungen an der GUT-Skala, erhält man für m0 , m1/2 > 200 GeV ein sehr gutes Gesamt-χ2 (≈ 0). In Abbildung 8.1 ist nun das bevorzugte αs für einen festen Mischungswinkel (sin2 θW = 0.2315) dargestellt. Man kann sofort sehen, dass die resultierenden Werte (0.122 bis 0.13 und mehr) deutlich über dem derzeitigen Weltdurchschnitt (αs = 0.1185(27)) liegen. Vor allem große m1/2 -Werte (d.h. große SUSY-Massen) bewirken ein niedrigeres αs . Die Abhängigkeit von m0 ist vergleichsweise schwach. Führt man die gleiche Analyse mit b-τ -Vereinigung an der GUT-Skala aus, so erhält man ein etwas anderes Bild (siehe Abb. 8.2). Die bevorzugten Werte von αs liegen deutlich niedriger, und es gibt einen Parameterbereich von m0 und m1/2 , in dem perfekte Übereinstimmung mit dem experimentellen Durchschnittswert besteht. Allerdings ist das zugehörige χ2 (≈ 29 − 35) viel größer als das ohne b-τ Vereinigung, und zwar deshalb, weil die Teilchenmassen der 3. Generation nicht mehr gleichzeitig gut angepasst werden können. Vor allem die Masse des Top-Quarks wird in diesem Modell mit ∼ 200 GeV 59 m1/2 [GeV] 8.1. Vereinigung der Eichkopplungen αs(MZ) 60 0.122 1500 0.13 0.123 1000 0.124 0.125 0.125 500 [G /2 m1 500 1000 1500 1500 1000 0.126 500 eV eV] 500 m 0 [G 1000 1500 ] m0 [GeV] 0.124 χ2 total αs(MZ) Abbildung 8.1: Starke Kopplung in m0 , m1/2 -Ebene ohne b-τ Vereinigung 0.122 34 0.12 32 0.118 30 1500 ] eV [G m 0 [G eV] 500 1000 1500 /2 ] eV [G /2 1500 1000 500 m1 m1 500 1000 1500 1000 500 eV] m 0 [G Abbildung 8.2: Starke Kopplung in m0 , m1/2 -Ebene mit b-τ Vereinigung deutlich zu groß . Aus diesem Grund wird im folgenden keine Vereinigung der Yukawakopplungen an der GUT-Skala vorausgesetzt. Lässt man nun die starke Kopplungskonstante fest (αs = 0.1226(30)) und versucht sin2 θW anzupassen, so erhält man ein ähnliches Bild (8.3), wie im umgekehrten Fall: zum einen ein sehr gutes χ2 , zum anderen sehr große Mischungswinkel. Die Werte variieren zwischen 0.2313 und 0.2328 (und höher) im Vergleich zu einem experimentellen Weltdurchschnitt von sin2 θW =0.23152(17). Auch hier erhält man durch die starke Abhängigkeit von m1/2 bessere Werte für schwere SUSY Massen. Diese beiden Analysen lassen sich nun zu einer verbinden. Dazu wählt man feste Werte von m0 und m1/2 , durchläuft den Wertebereich von αs und bestimmt die dazugehörigen Mischungswinkel. Diese Prozedur wiederholt man für mehrere m0 und m1/2 und trägt die erhaltenen Kurven in einem Diagramm auf (siehe Abb. 8.4). 61 m1/2 [GeV] 8. Ergebnisse sin2θW 0.233 0.232 0.2313 1500 0.2315 1000 0.2317 0.2319 0.2321 500 [G /2 m1 500 1000 1500 1500 1000 500 eV] 500 eV m 0 [G 1000 1500 ] m0 [GeV] sin2θW Abbildung 8.3: Elektroschwacher Mischungswinkel sin2 θW in m0 , m1/2 -Ebene ohne b-τ Vereinigung 0.236 (m , 0 m 1/2 ) ,100 ) (100 0.234 (200 ,20 (300 0) ,300 ) (500 ,500 ) (100 0,10 00) A0,b FB 0.232 world avg. ALR(SLD) 0.23 world avg. 0.228 0.116 0.118 0.12 0.122 0.124 αs Abbildung 8.4: αs (MZ ) und sin2 θW füe verschiedene m0 , m1/2 . Der senkrechte Balken kennzeichnet den Weltdurchschnitt von αs . Die drei horizontalen Balken stehen für den Mischungswinkel, der aus AbF B bestimmt ist (oben), den Mischungswinkel, der aus ALR bestimmt ist (unten) und den Weltdurchschnitt (Mitte). Die beiden verschiedenen experimentellen Messungen für sin2 θW (oberer und unterer horizontale Balken) sind momentan nicht miteinander vereinbar. Auf dieses Problem wird im Kapitel 9 näher eingegangen. Orientiert man sich an den Weltdurchschnitten, so sieht man, dass die Massenparameter a µSUSY × 10-11 8.2. Globale Parameteranpassung Br(b → Xsγ) × 10-4 62 4 1000 3 750 2 500 1 250 0 0 2000 1000 m 1/ ] ] ] [GeV 2 eV eV 2000 1000 [G m0 [G m0 1000 2000 2000 1000 ] m 1/2 [GeV Abbildung 8.5: Berechnete Werte für Br(b → Xs γ) und aµ in der m0 , m1/2 -Ebene für αs =0.1185 und sin2 θW =0.23144. m0 und m1/2 größer als 1000 GeV sein müssen, um Abweichungen zu erhalten, die jeweils kleiner sind als eine Standardabweichung. Eine aussagekräftigere Analyse benötigt genauere experimentelle Werte der starken Kopplung und des elektroschwachen Mischungswinkels. Auch bedarf es weiterer Überlegungen, ob, wie im Rahmen dieser Arbeit geschehen, auf die Vereinigung der Yukawakopplungen verzichtet werden kann. 8.2 Globale Parameteranpassung In diesem Abschnitt wird eine Parameteranpassung im CMSSM durchgeführt. Dabei wird über m0 und m1/2 gescannt und die χ2 -Funktion besteht aus folgenden Beiträgen: Eichkopplungsvereinigung, MZ aus elektroschwacher Symmetriebrechung, Teilchenmassen der dritten Generation, supersymmetrische Massenlimits, Bedingung an leichtestes Supersymmetrisches Teilchen, das Verzweigungsverhältnis Br(b → Xs γ) und das anomale magnetische Moment des Myons aµ . Vier Beiträge tragen besonders zur Einschränkung des Parametergebietes bei: • Higgslimit: Für kleine Werte von m1/2 wird die Higgsmasse kleiner als die experimentelle untere Grenze von 114.1 GeV. • LSP: Vor allem für zu kleine Werte von m0 wird das leichteste Chargino leichter als das leichteste Neutralino. Dies ist ein Widerspruch zur experimentellen Beobachtung, dass ein geladenes LSP nicht beobachtet wurde. • Br(b → Xs γ): Für kleine Werte von m0 und m1/2 wird das Verzweigungsverhältnis kleiner als der gemessene Wert. Die berechneten Werte sind in Abb. 8.5 dargestellt. Diese Ergebnisse müssen nun mit der experimentellen Messung verglichen werden. Der aktuelle Durchschnitt aller Messungen ergibt Br(b → Xs γ) = (3.21 ± 0.6) × 10−4 , wobei der experimentelle Fehler von 0.41, der theoretische Fehler von 0.3 und der geschätzte Fehler der Skalenabhängigkeit von 0.3 (siehe Abb. 6.3) quadratisch addiert wurden. Das resultierende χ2 ist in Abbildung 8.6 dargestellt. 63 χ2 (aµSUSY) χ2 (b → Xsγ) 8. Ergebnisse 8 7 6 5 4 3 2 1 0 500 1000 1000 ] m 1/2 [GeV ] ] 500 eV [G m0 eV [G m0 500 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1000 1000 500 ] m 1/2 [GeV Abbildung 8.6: χ2 Beiträge für Br(b → Xs γ) (links) und aµ (rechts). Man sieht deutlich, dass der aµ -Beitrag für leichte m0 und m1/2 ein Minimum annimmt. Zur Berechnung wurde verwendet: αs =0.1226, sin2 θW =0.23152 und tan β = 35 • aµ : Dieser Beitrag ist der einzige, der derzeit eine Beschränkung für zu große m0 und m1/2 bewirkt, da in diesem Bereich die supersymmetrischen Korrekturen zu klein werden. Ebenso werden sie für kleine m0 und m1/2 zu groß. Derzeitige Analysen ergeben aSUSY = 333(170) × µ 10−11 . Das zugehörige χ2 ist in Abbildung 8.6 zu sehen. Das totale χ2 hängt auch von den als Messung vorausgesetzten Kopplungen ab, wie man in Abbildung 8.7 erkennen kann. Bestimmt man z.B. αs aus Rl (Verhältnis von hadronischer zu leptonischer Zerfallsbreite des Z-Bosons), so erhält man αs = 0.1226(37) (siehe auch Tabelle 2.4). Diese Kopplung beschreibt das Modell besser (niedrigere χ2 -Kurve), als wenn sie durch σhad zu 0.1155(40) bestimmt wird, und zwar deshalb, weil die Vereinigung der Eichkopplungen einen größeren Wert von αs bevorzugt, wie im ersten Teil dieses Kapitels gezeigt wurde. Bei den folgenden Analysen wurden αs und sin2 θW , die aus Rl bestimmt wurden, verwendet. Außerdem ist das in den χ2 -Abbildungen verwendete totale χ2 eine Neudefinition, die aus folgenden Beiträgen besteht: Br(b → Xs γ), aµ , LSP und Higgslimit. Die letzten beiden Beiträge wurden nicht bei der Parameteranpassung verwendet, sondern nur im Nachhinein manuell dazu addiert. Die übrigen Beiträge wurden vernachlässigt, da sie kaum das erlaubte Parametergebiet verändern. Die m0 -m1/2 -Ebene wurde nun für tan β = 20, 35, 50 abgetastet (siehe Abb. 8.8-8.10). Dabei ist zu beachten, dass die Trilineare Kopplung als freier Parameter belassen wurde, der sich zwischen −3m0 und +3m1/2 bewegt. Es bleibt nachzutragen, wie die χ2 -Konturen erzeugt wurden. Die dunklen Gebiete entsprechen einem χ2 > 2.69, was einer Abweichung von 1.64σ entspricht. Im Falle einer einseitigen Grenze entspricht dies einem Vertrauensniveau von 95%. Berücksichtigt man sowohl obere als auch untere Grenzen, so gehört zum gleichen Vertrauensniveau ein χ2 > 4, was einer 2σ-Abweichung entspricht. In diesem Fall würde man jedoch keine obere Grenzkontur erhalten, da der einzige dort relevante χ2 -Beitrag nicht größer als 3.7 wird. Also beschränken wir uns hier auf reine“ obere und untere Grenzen. ” 64 8.2. Globale Parameteranpassung χ 2 35 30 αs and sinθw from m0=200 all EW data Rl 25 MZ,Γtot,σhad 20 15 m0=2000 10 5 0 250 500 750 1000 m1/2 [GeV] 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1000 excl. LSP m1/2 [GeV] χ2 total Abbildung 8.7: Hier ist χ2 in zwei Grenzfällen (schweres und leichtes m1/2 ) als Funktion von m0 dargestellt. Die drei Kurven sind mit verschiedenen αs und sin2 θW berechnet. Man erkennt, dass das χ2 ein Minimum für leichte m0 und m1/2 annimmt. exc l. a µ 500 excl. Higgs 1000 ] eV [G m0 500 1000 500 ] m 1/ [GeV 2 500 1000 m0 [GeV] Abbildung 8.8: χ2 für tan β = 20. Der dunkle Bereich ist mit einem Vertrauensniveau von 95% ausgeschlossen, wobei entweder obere oder untere Grenzen betrachtet werden. 65 P exc LS l. a µ cl. 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1000 ex m1/2 [GeV] χ2 total 8. Ergebnisse 500 excl. Higgs cl ex .b sγ 1000 1000 ] eV [G m0 500 500 500 ] [GeV 2 1000 m0 [GeV] m 1/ 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1000 excl. LSP m1/2 [GeV] χ2 total Abbildung 8.9: χ2 für tan β = 35 500 exc l. bs γ excl. Higgs 1000 ] eV [G m0 500 1000 500 ] m 1/ [GeV 2 500 1000 m0 [GeV] Abbildung 8.10: χ2 für tan β = 50 Aus den χ2 -Konturen lassen sich nun obere bzw. untere Massenlimits für Charginos und Neutralinos bestimmen. Dazu benötigt man die obere bzw. untere Grenze von m1/2 und bestimmt die zugehörigen Gauginomassen. Die Massengrenzen sind in Tabelle 8.1 zusammengefasst. 66 8.2. Globale Parameteranpassung Neutralinos Charginos tan β untere Massengrenze obere Massengrenze untere Massengrenze obere Massengrenze 20 35 50 146 169 204 305 440 n.a. 273 327 286 607 774 n.a. Tabelle 8.1: Gaugino Massengrenzen in GeV. Der Eintrag n.A. bedeutet, dass bei unserem Scan keine obere Grenze für m1/2 bestimmbar war. P LS exc l. a µ cl. 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1000 ex m1/2 [GeV] χ2 total Betrachten wir nun noch den Fall, dass die Trilineare Kopplung A0 nicht frei gelassen wird, sondern fest auf 0 gesetzt wird, so erhält man ein sehr ähnliches erlaubtes Parametergebiet in der m0 -m1/2 Ebene. Der Unterschied zu dem Fall, bei dem A0 freigelassen wurde, besteht darin, dass das untere Limit jetzt von Br(b → Xs γ) bestimmt wird und der Higgslimit nun keinen Einfluss mehr hat (Abb. 8.11). 500 excl. bsγ excl. Higgs 1000 ] eV [G m0 500 1000 500 ] [GeV 2 m 1/ Abbildung 8.11: χ2 für tan β = 35 und A0 = 0 500 1000 m0 [GeV] Kapitel 9 Elektroschwache Präzisionsdaten Zusätzlich zu den in Kapitel 5 beschriebenen Methoden zur Bestimmung der Parameter des MSSM gibt es eine Reihe weiterer experimenteller Größen, welche Einschränkungen an den Parameterraum stellen. Mit den Elektroschwachen Präzisionsdaten, welche an Teilchenbeschleunigern gemessen wurden, steht eine ganze Reihe von so genanten Pseudoobservablen (PO) zur Verfügung, an denen die verschiedenen Modelle der Teilchenphysik getestet werden können. Pseudoobservable bedeutet, dass aus der experimentellen Realität geeignet angepasste Größen verwendet werden. Dazu gehören z.B. Asymmetrien. In diesem Kapitel werden drei verschiedene Modelle an diesen Daten getestet: (5) SM: Das Standardmodell mit seinen fünf freien Parametern MZ , mt , mh , αs (MZ ) und ∆αhad . Die Parameteranpassung wird mit dem Programm ZFITTER [9] durchgeführt. MSSM: Das Minimale Supersymmetrische Modell, welches keine Vereinigung der Eichkopplungen und Sfermionmassen berücksichtigt, sondern diese als freie Parameter verwendet. Damit ergeben sich folgende Parameter: MZ , mt , αs (MZ ), m2 , µ, tan β, mA , mt̃R , mt̃L , mq̃ , ml̃ , mg̃ Dabei ist m2 die Winomasse, µ der Higgsmassenparameter, mA die pseudoskalare Higgsmasse, mt̃R die rechtshändige Stopmasse, mt̃L die linksshändige Stopmasse, mq̃ die typische Massenskala der übrigen Squarks, ml̃ die typische Massenskala der Sleptonen und mg̃ die Gluinomasse. Für die Parameteranpassung wird eine supersymmetrische Erweiterung des Programmes ZFITTER (MSSMFITTER) verwendet [48]. CMSSM: In diesem Modell wird die Vereinigung der Eichkopplungen, Gaugino- und Sfermionmassen vorausgesetzt. Die freien Parameter sind die in Kapitel 5 genannten. 9.1 Die verwendeten Observablen und Pseudo-Observablen Es werden folgende Größen zur Parameteranpassung verwendet: • MZ : Die Masse des Z-Bosons • ΓZ : Die totale Zerfallsbreite des Z-Bosons 0 : Der hadronische Polwirkungsquerschnitt des Austauschs von Z-Bosonen. Er ist folgender• σhad maßen definiert: 12π Γee Γhad 0 (9.1) σhad = 2 mZ Γ2Z Dabei sind Γee und Γhad die partiellen Zerfallsbreiten des Z-Bosons in Elektronen und Hadronen. 67 68 9.1. Die verwendeten Observablen und Pseudo-Observablen • Rl : Ist das Verhältnis der hadronischen zur leptonischen Zerfallsbreite: Rl = Γhad Γll (9.2) Γll gehört hier zur partiellen Zerfallsbreite des Z-Bosons in zwei masselose geladene Leptonen. Alle Leptonen werden hier universell als gleiche masselose Teilchen betrachtet. • A0,l F B : Die Vorwärts(F)-Rückwärts(B)-Asymmetrie für Universalität der Leptonen. Allgemein gilt: σF − σB AF B = (9.3) σF + σB σF bzw. σB geben die Wirkungsquerschnitte für auslaufende negative Leponen in bzw. gegen die Richtung der einlaufenden Elektronen an. 0 : Das Verhältnis von der partiellen Zerfallsbreite des Z-Bosons in bb bzw. cc zu der partiellen • Rb/c hadronischen Zerfallsbreite. Γ Γcc (9.4) Rb0 = bb und Rc0 = Γhad Γhad bb/cc • AF B : Die Vorwärts-Rückwärts-Asymmetrie von bottom- und charm-Quarks. • Ab/c/τ /e : Diese Asymmetrieparameter sind Kombinationen der effektiven Vektor- und Axialvektorf eines Z-Bosons an ein f f -Paar: Kopplungen gVf und gA Af = f 2gVf gA f 2 ) (gVf )2 + (gA (9.5) lept 2 /M 2 mit• sin2 θeff : effektiver Mischungswinkel, bei dem alle Korrekturen zu sin2 θ = 1 − MW Z genommen wurden. Diese Größe kann auf zwei Arten bestimmt werden: zum einen durch die Ladungsasymmetrie hQF B i, welche stark mit AFbbB korreliert ist, und zum anderen durch die links-rechts-Asymmetrie ALR , die am SLC-Beschleuniger gemessen wurde. • sin2 θW (MS): Zur Renormierung wird das MS-Schema verwendet. Diese Definition enthält alle großen universelle Beiträge durch Fermionschleifen. Dadurch gibt es zwar keine einfache Relation mehr zu physikalischen Größen, diese Definition des Mischungswinkels ist dafür aber universell und lässt sich somit zum Test von Großen Vereinigungstheorien (GUTs) benutzen. • MW : W -Bosonenmasse • mt : Topmasse • αQED (MZ ): elektromagnetische Kopplungskonstante an der Z-Skala Desweiteren werden auch Br(b → Xs γ) und aµ zur Parameterbestimmung verwendet. 9. Elektroschwache Präzisionsdaten 69 Preliminary 0,l Afb 0.23099 ± 0.00053 Al(Pτ) 0.23159 ± 0.00041 Al(SLD) 0.23098 ± 0.00026 Afb 0,b 0.23226 ± 0.00031 0,c Afb 0.23272 ± 0.00079 <Qfb> 0.2324 ± 0.0012 0.23152 ± 0.00017 Average mH [GeV] 10 10 χ2/d.o.f.: 12.8 / 5 3 ∆α(5) had= 0.02761 ± 0.00036 mZ= 91.1875 ± 0.0021 GeV mt= 174.3 ± 5.1 GeV 2 0.23 0.232 lept 0.234 sin2θeff lept Abbildung 9.1: Dieses Diagramm zeigt sin2 θeff für unterschiedliche Experimente [LEP Electroweak Working Group]. Man beachte die große Abweichung der beiden Werte von ALR (SLD) (Al (SLD)) und A0,b F B. 9.2 9.2.1 Ergebnisse Parameteranpassung im SM Führt man die Parameteranpassung im SM durch, stößt man auf zwei Probleme. Zum einen wird eine Higgsmasse bestimmt, welche leichter als die experimentelle untere Schranke (von 114.1 GeV) ist. Führt man jedoch einen Higgslimit ein, so steigt die Masse des Higgsbosons auf die erforderlichen 114.1 GeV, ohne dabei die übrigen Parameter oder das gesamte χ2 wesentlich zu verändern. lept Weiterhin fällt auf, dass AbF B und sin2 θeff (ALR ) besonders große Abweichungen von der experimentellen Messung zeigen (siehe Abbildung 9.3). Die Ursache dafür ist, dass sin2 θeff auf zwei Arten bestimmt wird. Zum einen durch die links-rechts-Asymmetrie ALR und zum anderen durch die Ladungsasymmetrie hQF B i. hQF B i ist aber stark korreliert mit AbF B . Die Messwerte von ALR und AbF B ergeben einzeln unvereinbare Ergebnisse für den Mischungswinkel (siehe Abbildung 9.1). Da es sich hier um zwei verschiedene Experimente handelt (ALR wurde am SLC bestimmt, während AbF B bei LEP gemessen wurde) kann man nicht sagen, bei welcher Messung der Fehler zu gering abgeschätzt wurde. Um diese widersprüchlichen Messungen etwas weniger stark zu gewichten, kann man die Fehler der beiden Messungen skalieren, wie es von der Particle Data Group [23] vorgeschlagen wird. Dazu skaliert man die Fehler der betreffenden Werte mit der Wurzel des zugehörigen χ2 -Beitrages. Dadurch wird erreicht, dass die χ2 -Beiträge in der Größenordnung von 1 liegen und somit die Diskrepanz aufgehoben wird. Bei der hier durchgeführten Analyse wurde als Skalierungsfaktor 2.69 (1.73) lept für AbF B (sin2 θeff (ALR )) verwendet. Diese Skalierung reduziert das χ2 deutlich. Die Wahrscheinlichkeit steigt von 4.3% auf 24.9%. Die Parameter, die die beste Anpassung an die Daten beschreiben, bleiben davon unbeeinflusst. In Tabelle 9.1 sind die gefitteten Parameter für die drei verschiedenen Methoden zusammengefasst. 70 9.2. Ergebnisse Parameter SM SM + Higgs-Limit SM + Higgs-Limit + reskal. MZ [GeV] mt [GeV] mh [GeV] αs (MZ ) 91.1877(21) 175.4(3.8) 99+53 −43 0.1186(27) 91.1878(21) 176.5(3.1) 114.1 0.1185(26) 91.1875(21) 177.2(3.2) 114.1 0.1184(25) ∆αhad (MZ ) 0.02764(33) 0.02763(31) 0.02757(33) sin2 θ (MS) lept sin2 θeff MW 0.23140(15) 0.23140(13) 80.393(18) 0.23145(10) 0.23143(11) 80.392(18) 0.23141(12) 0.23139(13) 80.398(19) χ2 /d.o.f. Probability 28.1/17 4.4% 28.2/17 4.3% 20.5/17 24.9% (5) Tabelle 9.1: Hier sind die Parameter des SM angegeben. Wird zur χ2 -Funktion ein Higgslimit hinzugefügt, so ändern sich die Parameter kaum. Ebenso hat eine Skalierung der Fehler lept von AbF B und sin2 θeff (ALR ) kaum Einfluss auf die Parameter. 9.2.2 Parameteranpassung im MSSM Die Supersymmetrischen Teilchen tragen ebenso wie ihre Partner des Standardmodells zu Strahlungskorrekturen bei. Im Falle der hier betrachteten Physik an der Z-Skala gibt es Beiträge zu den Selbstenergien der Fermionen, W - und Z-Bosonen und zu der Vakuumpolarisation des Photons. Auch die Myon-Zerfallskonstante hat Strahlungskorrekturen durch supersymmetrische Teilchen: 1 α π √ 2 2 sin θW MW 1 − ∆r ∆r = ∆rSM (α, MW , MZ , mt , . . .) + ∆rMSSM (α, MW , MZ , mt , . . .) Gµ = (9.6) (9.7) Die Korrektur ∆r zur Myonzerfallskonstante Gµ lässt sich in mehrere Beiträge aufteilen: ∆r = ∆α − cos2 θW ∆ρ + ∆rem sin2 θW (9.8) • ∆α entspricht der Vakuumpolarisation des Photons. • ∆ρ ist die Vakuumpolarisation des W -Bosons. • In ∆rem werden alle übrigen Beiträge zusammengefasst. Daraus kann iterativ die Masse des W -Bosons berechnet werden. Die theoretischen Formeln zur Berechnung dieser supersymmetrischen Korrekturen sind in den Referenzen [48] bis [51] zu finden. Die Ergebnisse, die das MSSM liefert, unterscheiden sich von den Ergebnissen des SM vor allem in zwei Beiträgen. Ein Beitrag ist aµ , was nicht weiter verwunderlich ist, da das SM die Differenz ∆aµ nicht erklären kann, wohl aber das MSSM. Ein weiterer Unterschied ist die Masse des W -Bosons. Der SM Fit (ohne Anpassung an gemessene W -Masse) liefert einen niedrigeren Wert (80.367(23) GeV) als die direkte Messung bei LEP2 (80.450(39)GeV). Im MSSM kann durch Sfermionbeiträge die W Masse genau gefittet werden (siehe Abb. 9.2). Dass man im MSSM keine exakte Übereinstimmung von gefitteter und gemessener W -Masse erhält (siehe Abb. 9.3), liegt daran, dass MW mit sin2 θW korreliert ist. 9. Elektroschwache Präzisionsdaten 71 MW 80.55 80.525 80.5 MS 80.475 – LEP2+pp SM 80.45 m =17 t 9.4 G eV 80.425 80.4 80.375 SM 169.2 80.35 GeV 80.325 300 400 500 1000 msusy [GeV] Abbildung 9.2: Hier ist die Abhängigkeit der W -Masse von der supersymmetrischen Massenskala gezeigt. Der untere horizontale Balken gibt die Vorhersage des SM an, der obere Balken die direkte Messung. reskaliert tan β = 35 tan β = 20 tan β = 50 tan β = 35 tan β = 20 tan β = 50 mt [GeV] αs mt̃1 [GeV] mt̃2 [GeV] mb̃1 [GeV] mb̃2 [GeV] mq̃ [GeV] ml̃ [GeV] mχ̃± [GeV] 177.5 0.1178 1099 213 1087 1451 1087 575 221 176.0 0.1179 956 255 945 921 945 385 220 176.8 0.1178 968 251 954 1213 954 894 221 177.7 0.1177 799 268 783 1140 783 598 221 177.0 0.1181 825 279 810 1170 810 393 220 176.8 0.1184 690 297 672 1867 672 716 222 mχ̃± [GeV] 105 107 105 105 107 105 χ2 /d.o.f. 22.5/13 22.2/13 22.5/13 14.7/13 14.2/13 15.0/13 Wahrscheinlichkeit 4.8% 5.2% 4.8% 32.8 35.9 30.5 1 2 Tabelle 9.2: Hier sind die besten Parametersätze mit ihrem dazugehörigen Massenspektrum für verschiedene Werte von tan β aufgelistet. Die Ergebnisse sind auch für den Fit mit reskalept lierten Fehlern von AbF B und sin2 θeff (ALR ) dargestellt. 72 9.2. Ergebnisse SM: MSSM: χ2/d.o.f = 28.2/17 χ2/d.o.f = 22.5/13 SM: MSSM: LEP: MZ LEP: MZ ΓZ ΓZ σhad σhad Rl Rl Al Al Rb Rb Rc Rc Ab Ab A Ac Mt Mt FB FB FB c FB FB FB sin2Θlept sin2Θlept MW(LEP) MW(LEP) SLC:sin2Θlept(ALR) SLC:sin2Θlept(ALR) b → Xsγ b → Xsγ aµSUSY aµSUSY eff eff eff -4 χ2/d.o.f = 20.5/17 χ2/d.o.f = 14.7/13 -2 eff 0 pulls=(data-theo)/error 2 -4 -2 0 2 pulls=(data-theo)/error Abbildung 9.3: Hier sind die Abweichungen der angepassten Werte von den Messergebnissen in Einheiten von Standardabweichungen dargestellt. Der obere Balken ist die Abweichung für das SM, der untere für das MSSM. Die Abweichungen von b → Xs γ und aµ wurden nicht mitgefittet, sondern extern berechnet und manuell zum χ2 hinzuaddiert. Die Wahrscheinlichkeit ist für beide Modelle gleich und beträgt 4.3%. Das rechlept te Balkendiagramm zeigt die Pulls, wenn die Fehler von AbF B und sin2 θeff (ALR ) skaliert werden. Dies hat keinen Einfluss auf die anderen Beiträge, hat aber einen starken Anstieg der Wahrscheinlichkeiten zur Folge (SM: 24.9%, MSSM: 31.9%). Ebenso wie im SM sind auch hier die Abweichungen von Parameteranpassung und Experiment für lept AbF B und sin2 θeff (ALR ) besonders groß. Eine Reskalierung der zugehörigen Fehler reduziert diese Beiträge und erhöht die Wahrscheinlichkeit von 4.8% auf 32.8%. Die übrigen Beiträge bleiben davon unverändert. Das totale χ2 ist im MSSM wesentlich geringer als im SM (22.5 zu 28.2). Vor allem aµ und MW werden im MSSM besser angepasst. Allerdings relativiert sich diese Verbesserung durch die höhere Anzahl freier Parameter, so dass die Wahrscheinlichkeit in beiden Modellen wieder vergleichbar ist (4.8% (MSSM) zu 4.3% (SM)). In Tabelle 9.2 sind die angepassten Parameter und Massenspektren des MSSM für verschiedene tan βSzenarien dargestellt. Die Gauginomassen werden durch eine GUT Relation berechnet [5]. Der Higgsmassenparameter µ wurde so gewählt, dass die Charginos schwerer als 103.5 GeV sind (LEP2 Susy Working Group). Man sieht, dass die Teilchenspektren für unterschiedliche tan β sehr ähnlich sind. Für kleine tan β wird das χ2 etwas besser, aber die Betrachtung der Vereinigung der Eichkopplungen und Sfermionmassen (siehe voriges Kapitel) bevorzugt tan β ≈ 35. Observable bei bester Parameteranpassung SM SM reskaliert pull MZ [GeV] ΓZ [GeV] σh [nb] Rl AlF B Rb Rc AbF B AcF B Ab Ac Aτ Ae lept sin2 θeff hQF B i MW [GeV] 2 /M 2 1 − MW Z mt [GeV] lept sin2 θeff (ALR ) 1/α(MZ ) Br(b → Xs γ)/10−4 SY /10−11 ∆aSU µ Wahrscheinlichkeit 91.1875 ± 0.0021 2.4952 ± 0.0023 41.540 ± 0.037 20.767 ± 0.025 0.01714 ± 0.00095 0.21646 ± 0.00065 0.1719 ± 0.0031 0.0990 ± 0.0017 0.0685 ± 0.0034 0.922 ± 0.020 0.670 ± 0.026 0.1439 ± 0.0042 0.1498 ± 0.0048 0.2321 ± 0.0010 80.450 ± 0.039 0.2253 ± 0.0021 174.3 ± 5.1 0.23098 ± 0.00026 128.947 ± 0.049 3.21 ± 0.60 333 ± 170 MSSM (tan β=35) pull MSSM (tan β=35) reskaliert pull pull 91.1878 2.4963 41.481 20.739 0.01637 0.21571 0.1723 0.1036 0.0740 0.935 0.668 -0.13 -0.46 1.59 1.12 0.81 1.15 -0.12 -2.69 -1.63 -0.63 0.07 91.1875 2.4964 41.482 20.739 0.01644 0.21569 0.1723 0.1038 0.0742 0.935 0.668 0.021 -0.53 1.58 1.12 0.74 1.19 -0.12 -1.04 -1.68 -0.63 0.06 91.1876 2.4946 41.477 20.751 0.01637 0.21628 0.1709 0.1036 0.0740 0.935 0.668 -0.06 0.26 1.72 0.66 0.81 0.27 0.32 -2.73 -1.62 -0.67 0.07 91.1879 2.4948 41.479 20.748 0.01641 0.21612 0.1710 0.1038 0.0741 0.935 0.668 -0.14 0.17 1.65 0.77 0.77 0.52 0.30 -1.03 -1.65 -0.67 0.07 0.1477 0.1477 0.2314 80.391 0.2228 176.5 0.23143 128.942 3.46 0 -0.91 0.43 0.67 1.50 1.30 -0.43 -1.73 0.09 -0.35 1.94 .1481 .1481 0.2314 80.397 0.2227 177.2 0.23139 128.951 3.46 0 -0.99 0.36 0.71 1.36 1.35 -0.56 -0.91 0.08 -0.35 1.94 0.1477 0.1477 0.2314 80.426 0.2221 174.8 0.23143 128.910 3.15 333 -0.91 0.43 0.67 0.61 1.54 -0.11 -1.73 0.76 0.10 0.003 0.1479 0.1479 0.2314 80.432 0.2220 177.7 0.23141 128.909 3.39 329 -0.96 0.39 0.69 0.47 1.54 -0.66 -0.91 0.78 -0.30 0.02 4.3% 24.9% 4.8% 9. Elektroschwache Präzisionsdaten Messung 32.8% 73 Tabelle 9.3: Hier sind die experimentellen Messwerte und die Werte, die von den Modellen vorausgesagt werden, zusammengefasst. Die Pulls sind definiert als (Messung - Vorhersage) / Fehler der Messung. Um den Fehler von b → Xs γ zu erhalten, wurde der theoretische und der experimentelle Fehler sowie die Unsicherheit durch die Renormierungsskala µb quadratisch addiert. 74 9.2. Ergebnisse SM: χ2/d.o.f = 20.5/17 MSSM: χ2/d.o.f = 14.7/13 CMSSM: χ2/d.o.f = (19.3+5.9*)/20 LEP: MZ ΓZ σhad Rl Al FB Rb Rc Ab FB Ac FB Mt sin2Θlept eff MW(LEP) SLC:sin2Θlept(ALR) eff b → Xsγ aµSUSY -4 -2 0 2 pulls=(data-theo)/error Abbildung 9.4: Darstellung der Pulls im SM, MSSM und CMSSM, wobei die Fehler von AbF B und lept sin2 θeff (ALR ) skaliert wurden. Hierbei ist zu beachten, dass der für das CMSSM angegebene χ2 -Wert, nicht nur aus den Beiträgen für elektroschwachen Präzisionsdaten besteht. Auch die Vereinigung der Eichkopplungen, die Teilchenmassen der 3. Generation und die Masse des Z-Bosons tragen hier bei (mit ∗ gekennzeichneter Beitrag). 9.2.3 Parameteranpassung im CMSSM Im vorherigen Abschnitt wurde eine Parameteranpassung im MSSM durchgeführt: dabei sind die Squark- bzw. Sleptonenmasse sowie die beiden Stopmassen unabhängig voneinander. Geht man jedoch von einer Große Vereinigungstheorie aus, so sind alle Sfermionenmassen an der GUT-Skala vereinigt. Die Massen an der Z-Skala sind dann durch Renormierungsgruppengleichungen und den Massenparameter m0 gegeben. Damit sind die Teilchenmassen nicht mehr unabhängig voneinander. Technisch geht man dabei nun folgendermaßen vor: Die Parameteranpassung funktioniert, wie in Kapitel 5 beschrieben. Einzig die zu minimierende χ2 -Funktion erhält einen weiteren Beitrag χ2EWD . Dieser wird berechnet, indem man die aus der Vereinigung berechneten Massen und Parameter an das Programm MSSMFITTER übergibt. In Abb.9.4 sind nun die Pulls im CMSSM mit den anderen beiden Modellen verglichen. Durch die neuen Zwangsbedingungen ist das gesamte χ2 (25.2) deutlich größer und damit ist die Wahrscheinlichkeit im CMSSM (19.3%) deutlich kleiner als im MSSM (31.9%) oder im SM (24.9%). Dies liegt neben den elektroschwachen Präzisionsdaten auch an den anderen Beiträgen zur χ2 -Funktion: 9. Elektroschwache Präzisionsdaten 75 • Vereinigung der Eichkopplungen (χ2 = 2.8): Dieser Beitrag schlägt deswegen so zu Buche, da die starke Kopplung mit einem Wert von αs = 0.123 immer noch zu niedrig ist. In der Parameterregion der besten Anpassung ist m0 ≈ 410 GeV und m1/2 ≈ 270 GeV, was nach Abb.8.1 einen Wert von ungefähr αs ≈ 0.127 bevorzugt. • Br(b → Xs γ) (χ2 = 3.1): Die leichten m0 und m1/2 bewirken ein zu niedriges Verzweigungsverhälnis (siehe Abb. 8.5). • Elektroschwache Präzisionsdaten (χ2 = 19.3): Die gleichen Beiträge im SM ergeben ein χ2 von 16.4. Der höhere Wert kommt vor allem durch den Beitrag von σhad zustande, der von 2.5 im SM auf 5.8 im CMSSM steigt. Der Grund für diesen Anstieg ist der höhere Wert von αs . Die Parameter und zugehörigen Massen sind in Tabelle 9.4 aufgelistet (supersymmetrische Massenangaben in Größenordnungen). 76 9.2. Ergebnisse Parameter αs (MZ ) 1/αQED (MZ ) sin2 θW MZ [GeV] Yt / mt [GeV] Yb Yτ m0 [GeV] m1/2 [GeV] µ(0) [GeV] A0 [m0 ] αGUT MGUT [1016 GeV] tan β = 20 tan β = 35 0.1228 127.95 0.23149 91.1877 1.68 × 10−1 / 175.4 6.18 × 10−3 1.29 × 10−2 375 268 331 2.19 0.04081 2.006 0.1234 127.95 0.23148 91.1876 1.69 × 10−1 / 174.6 1.81 × 10−2 4.74 × 10−2 414 270 357 2.37 0.04080 2.047 SUSY - Massen [GeV] mẽL mẽR mν̃L mq̃L mq̃R 423 392 415 710 689 458 429 451 734 714 mt̃1 mt̃2 mb̃1 mb̃2 mτ̃1 mτ̃2 663 541 626 684 358 413 663 552 614 697 302 414 χ̃01 χ̃02 χ̃03 χ̃04 χ̃± 1 χ̃± 2 g̃ 110 204 335 360 206 356 668 111 208 346 368 210 365 674 h H A H± 113.7 509 509 516 113.5 483 483 490 Statistik χ2 / d.o.f. Wahrscheinlichkeit 23.1 / 20 28.2% Tabelle 9.4: Parameter und Massen im CMSSM 25.2 / 20 19.3 % Kapitel 10 Zusammenfassung und Ausblicke In dieser Arbeit wurden mehrere Tests an supersymmetrischen Modellen durchgeführt. Dabei wurde gezeigt, dass es einen Parameterbereich gibt, der relativ leichte supersymmetrische Teilchen zulässt und gleichzeitig die experimentellen Daten gut beschreibt. Insbesondere kann die 2σ-Diskrepanz des Standardmodells, welche vom anomalen magnetischen Moment des Myons herrührt, mit Hilfe supersymmetrischer Korrekturen aufgelöst werden. Ein weiterer Schwerpunkt war die Vereinigung der Eichkopplungen an der Skala MGUT . Diese Zwangsbedingung bevorzugt allerdings größere Werte für αs und sin2 θW als elektroschwache Präzisionsdaten. Diese an Teilchenbeschleunigern gemessene Daten werden im MSSM (ohne Vereinigung der SfermionMassen und der Eichkopplungen an der Skala MGUT ) durch supersymmetrische Korrekturen etwas besser beschrieben als im SM. Vor allem die Masse des W -Bosons wird im MSSM deutlich besser an die direkte Messung seiner Masse angepasst als im SM. Verlangt man zusätzlich noch die Vereinigung der Sfermion-Massen und der Eichkopplungen an der Skala MGUT (CMSSM), so erhält man eine schlechtere Parameteranpassung als im MSSM. Dies rührt vor allem von der starken Kopplung αs her, die von elektroschwachen Präzisionsdaten wesentlich niedriger bevorzugt wird als von der Vereinigung der Eichkopplungen. Auch wenn die Supersymmetrie in der Lage ist einige Probleme des Standardmodells zu lösen: es gilt, dass bis jetzt noch kein supersymmetrisches Teilchen beobachtet wurde. In der nahen Zukunft werden einige neue Experimente gestartet, die Aufschluss darüber geben werden, ob Supersymmetrie in einem vernünftigen“ Parameterbereich (wenige hundert GeV für das ” leichteste supersymmetrische Teilchen) existiert. Zu diesen Experimenten gehören zum einen erdgebundene Teilchenbeschleuniger wie der LHC (Large Hadron Collider) und das geplante TESLA (e+ e− -Linearbeschleuniger). Auf der anderen Seite wird auch der Orbit Schauplatz moderner Hochenergiephysik werden. Im Jahr 2004 soll dazu der Detektor AMS (Alpha Magnetic Spectrometer) an der Internationalen Raumstation (ISS) befestigt werden und den Elektron-Positron-Hintergrund ausmessen. Daraus werden Rückschlüsse auf mögliche Neutralino-Paarvernichtung gezogen werden können. Bemerkung: Die Ergebnisse dieser Arbeit, welche auf der 2σ-Diskrepanz des anomalen magnetischen Moments des Myons beruhen, sind nicht mehr auf dem aktuellsten Stand. Bei der Berechnung des Wertes von aµ im Standardmodell wurde eine Vorzeichenkonvention durch das Programmpaket FORM verletzt. Dies führte dazu, dass der light-by-light-scattering-Beitrag fehlerhaft berechnet wurde. Korrigiert man diesen Fehler, so erhält man für aµ einen Wert, der wesentlich verträglicher mit dem SM ist [53]. In dieser Referenz ist angegeben, dass die Abweichung zum SM von 2.6 auf 1.6σ zurückgeht. Die 2σ-Abweichung [46], die in dieser Arbeit verwendet wird, geht dementsprechend auch zurück. Dies hat einen großen Einfluss auf die Ergebnisse in Kapitel 8: Der zu aµ gehörende χ2 -Beitrag (siehe Abb. 8.5) wird für schwere Massenparameter m0 und m1/2 keine signifikante Abweichung zum SM aufweisen. Das hat zur Folge, dass die oberen Grenzen der erlaubten Parametergebiete (siehe 77 78 Abb. 8.8-8.10) verschwinden werden. Somit gibt es für die supersymmetrischen Massen keine oberen Grenzen mehr. Auch die in Kapitel 9 betrachteten elektroschwachen Präzisionsdaten werden mit der neuen Berechnung von aµ deutlich besser als vorher durch das SM beschrieben. Anhang A Einzelbeiträge und Funktionen zur Berechnung der Wilson-Koeffizienten Die Wilson-Koeffizienten werden zur Berechnung des Verzweigungsverhältnisses b → Xs γ benötigt. Sie sind störungstheoretisch berechenbar und lauten in 2.Ordnung Störungstheorie: (0) Ci (µ) = Ci (µ) + (0) αs (1) C (µ) 4π i (A.1) (1) Dabei sind die einzelnen Beiträge Ci (µ) und Ci (µ) die Summe von Beiträgen verschiedener Teilchenmodellen (SM, 2 Higgs-Duplett, MSSM). Im folgenden sind die Terme erster und zweiter Ordnung, sowie führende logarithmische Korrekturen für die drei betrachteten Modelle angegeben. A.1 Beiträge des Standardmodells Im Standardmodell lauten die LO-Koeffizienten: (0)eff Ci (µW ) (0)eff C2 (µW ) = 0, für i=1,3,4,5,6 = 1 3x3 − 2x2 −8x3 − 5x2 + 7x (0)eff (1) C7 (µW ) = ln x + =: F7 (x) 4(x − 1)4 24(x − 1)3 −3x2 −x3 + 5x2 + 2x (0)eff (1) C8 (µW ) = ln x + =: F8 (x) 4(x − 1)4 8(x − 1)3 wobei x= (A.2) m2t (µW ) . 2 MW (0)eff Berücksichtigt man jetzt noch weitere führende logarithmische Korrekturen, so hat C7,8 (µW ) folgende Gestalt [36]: ¶ µ 1 (2) 1 3 (1) LL,eff xf (x) + xfγ (x) 1 − (µW ) = C7 2 γ 2 1 + ∆mb ¶ µ 3 (1) 3 (2) 1 LL,eff (µW ) = C8 (A.3) xf (x) + xfg (x) 1 − 2 g 2 1 + ∆mb mit ∆mb aus Gleichung 5.10 und folgenden Definitionen: fγ(1) (x) = 7 − 5x − 8x2 x(3x − 2) + ln x 36(x − 1)3 6(x − 1)4 79 80 A.2. Beiträge des Modells mit 2 Higgsdubletts fγ(2) (x) = fg(1) (x) = fg(2) (x) = (1)eff Für die NLO-Beiträge Ci 3 − 5x 3x − 2 + ln x 2 6(x − 1) 3(x − 1)3 2 + 5x − x2 x − ln x 3 12(x − 1) 2(x − 1)4 3−x 1 − ln x 2(x − 1)2 (x − 1)3 (µW ) ergibt sich im SM: µ2W 2 MW (1)eff (µW ) = 15 + 6 ln (1)eff (µW ) = 0, für i= 2,3,5,6 (1)eff (µW ) = E(x) − (1)eff (µW ) = Gi (x) + ∆i (x) ln C1 Ci C4 Ci (A.4) µ2 2 2 + ln W2 3 3 MW µ2W 2 , für i=7,8 MW (A.5) Die analytische Form von Gi , ∆i und E sind in Referenz [34] angegeben. A.2 Beiträge des Modells mit 2 Higgsdubletts (0)eff δ H Ci (µW ) = 0, i=1,2,3,4,5,6 1 1 (0)eff (1) (2) δ H C7,8 (µW ) = F (x) + F7,8 (x) 3 tan2 β 7,8 (1) (A.6) (2) Die Funktionen F7,8 sind oben definiert. Die Funktionen F7,8 haben folgende Form: x(3 − 5x) x(3x − 2) + ln x 2 12(x − 1) 6(x − 1)3 x(3 − x) x (2) F8 (x) = − ln x 4(x − 1)2 2(x − 1)3 (2) F7 (x) = wobei x= (A.7) m2t (µW ) . 2 MH Die Berücksichtigung weiterer führender logarithmischer Korrekturen ergibt [36]: µ ¶ 1 1 1 LL,eff (2) (1) δ H C7,8 (µW ) = x f (x) f (x) + 2 1 + ∆mb γ,g tan2 β γ,g (A.8) Als von Null verschiedene zusätzliche NLO-Beiträge ergeben sich: (1)eff (µW ) = E H (x) (1)eff H (µW ) = GH 7 (x) + ∆7 (x) ln µ2W 4 − E H (x) 2 9 MH (1)eff H (µW ) = GH 8 (x) + ∆8 (x) ln µ2W 1 − E H (x) 2 6 MH δ H C4 δ H C7 δ H C8 H H wird wieder auf Referenz [34] verwiesen. Für die analytische Form von GH 7,8 , ∆7,8 und E (A.9) A. Einzelbeiträge und Funktionen zur Berechnung der Wilson-Koeffizienten A.3 81 Beiträge des MSSM Berücksichtigt man im up-Squarksektor nur die Mischung innerhalb der dritten Generation zwischen dem links- und rechtshändigen Stop, dann lauten die zusätzlichen Beiträge zu den WilsonKoeffizienten aufgrund von Supersymmetrischen Teilchen in niedrigster Ordnung: " X 2 M2 Ũj2 MW (3) S (0)eff W 2 (1) δ C7,8 (µW ) = Ṽj1 F7,8 (zj ) + √ Ṽj1 F7,8 (zj ) 2 3 m̃ 2 cos β mχj j=1,2 − 2 Ũj2 MW 2 2 MW (1) (3) t1j 2 F7,8 (y1j ) − √ t1j cos θt̃ F7,8 (y1j ) 3 m mt̃ 2 cos β χj 1 − # 2 Ũj2 MW 2 2 MW (1) (3) F (y2j ) − √ t t2j cos θt̃ F7,8 (y2j ) 3 2j m2t̃ 7,8 2 cos β mχj 2 (A.10) (3) Die analytischen Ausdrücke für F7,8 sind gegeben durch: (3) = (3) = F7 F8 5 − 7x x(3x − 2) + ln x 2 6(x − 1) 3(x − 1)3 1+x x − ln x 2 2(x − 1) (x − 1)3 (A.11) Folgende weitere Definitionen wurden ebenfalls verwendet: t1j t2j zj = Ṽj1 cos θt̃ − tan θt̃ Yj = Ṽj1 sin θt̃ + Yj m̃2 = m2χj yki = Yj = m2t̃ k m2χj Ṽj2 cos θt̃ mt (µW ) √ 2 sin β MW (A.12) Dabei ist mt (µW ) die laufende Topmasse an der Skala µW . t̃1 , 2 sind die Masseneigenzustände des top-Quark zu den Masseneigenwerten mt̃1,2 : t̃1 = cos θt̃ t̃L + sin θt̃ t̃R t̃2 = − sin θt̃ t̃L + cos θt̃ t̃R (A.13) Die restlichen Squarkmassen sind in obigen Formeln entartet und mit m̃ bezeichnet. mχj sind die Charginomassen und Ũij und Ṽij sind die Matrizen, die die Charginomassenmatrix diagonalisieren. Wendet man auch bei dieser Ein-Schleifen-Korrektur eine Resummation an, um alle Diagramme in LL,eff (µW ) zu den führenden Logarithmen zu berücksichtigen, so erhält man die Korrekturterme δ S C7,8 Wilson-Koeffizienten, welche in Referenz [36] zu finden sind. Die nichtverschwindenden NLO-Beiträge des MSSM zusätzlich zu den SM- und Zwei-Higgs-DublettBeiträgen lauten: M2 X 2 (1)eff δ S C4 (µW ) = W t Eχ (y2j ) (A.14) m2t̃ j=1,2 2j 2 mit folgender Definition für Eχ : Eχ = x x(11 − 7x + 2x2 ) ln x 3 18(x − 1) 3(x − 1)4 (A.15) 82 A.4. Entwicklung der Wilson-Koeffizienten (1)eff Die QCD-Korrekturen in Ordnung αs zu den Koeffizienten C7,8 (µW ) können in vier Anteile aufgespalten werden: (1)eff (1)eff (1)eff (1)eff (1)eff δ S C7,8 (µW ) = δ χ C7,8 (µW ) + δ W C7,8 (µW ) + δ φ1 C7,8 (µW ) + δ φ2 C7,8 (µW ) (A.16) (1)eff δ χ C7,8 (µW ) bezeichnet dabei den Beitrag durch Charginos. Die anderen drei Beiträge (W, φ1 , φ2 ) berücksichtigen Renormalisierungseffekte durch schwere Teilchen von O(mg̃ ) in den physikalischen und unphysikalischen geladenen skalaren Kopplungen. " à ! 2 2 X M µ 4 (1)eff χ,1 W t22j W δ χ C7 (µW ) = Gχ,1 − Eχ (y2j ) 7 (y2j ) + ∆7 (y2j ) ln 2 2 m 9 m χj t̃2 j=1,2 à ! µ2W Ũj,2 sin θt̃ MW 4 (3) χ,2 χ,2 t2j G7 (y2j + t2j ∆7 (y2j ) ln 2 − Yj Rs F7 (y2j ) + √ mχj 3 2 cos β mχj # 2 8 MW (1) − Yj 2 t2j (Rs + Rb )F7 (y2j ) 9 mt̃ 2 µ ¶ 4 1 χ (1)eff χ (1)eff δ C8 (µW ) = δ C7 (µW ) 7 → 8, − Eχ (y2j ) → − Eχ (y2j ) (A.17) 9 6 (1)eff χ1,2 χ1,2 sowie die Beiträge (δ W , δ φ1 , δ φ2 )C7,8 (µW ) sind und ∆7,8 Die Ausdrücke für die Funktionen G7,8 in Referenz [35] zu finden. A.4 Entwicklung der Wilson-Koeffizienten Als Lösung der RGE an der Skala µb erhält man folgende Wilson-Koeffizienten [38]: (0)eff 12 6 (µb ) = −η − 23 + η 23 1 − 12 2 6 (0)eff C2 (µb ) = η 23 + η 23 3 3 1 − 12 2 6 (0)eff C3 (µb ) = − η 23 + η 23 − 0.0659η 0.4086 + 0.0595η −0.4230 − 0.0218η −0.8994 + 0.0335η 0.1456 27 63 1 6 1 − 12 (0)eff C4 (µb ) = η 23 + η 23 + 0.0237η 0.4086 − 0.0173η −0.4230 − 0.1336η −0.8994 − 0.0316η 0.1456 9 21 1 − 12 1 6 (0)eff C5 (µb ) = η 23 − η 23 + 0.0094η 0.4086 − 0.0100η −0.4230 + 0.0010η −0.8994 − 0.0017η 0.1456 108 126 12 1 6 1 (0)eff C6 (µb ) = − η − 23 − η 23 + 0.0108η 0.4086 + 0.0163η −0.4230 + 0.0103η −0.8994 + 0.0023η 0.1456 36 84 8 ´ X 16 16 8 ³ 14 (0)eff (0)eff (0)eff 23 23 23 C7 (µb ) = η C7 (µW ) + hi η ai C8 (µW ) + η −η 3 i=1 ´ 39 39 8 ³ 37 (1)eff (1)eff (1)eff (µW ) + (µW ) η 23 − η 23 C8 C7 (µb ) = η 23 C7 3 µ ¶ 297664 16 7164416 14 256868 37 6698884 39 (0)eff 23 23 23 23 + C8 (µW ) η − η + η − η 14283 357075 14283 357075 ´ 16 37208 ³ 39 + η 23 − η 23 eff(µW ) 4761 · ¸ ¶ 8 µ X µ2W 2 ei ηE(x) + fi + gi η + η ei + 6li ln 2 η ai + (A.18) 3 MW i=1 ¶ µ 14 313063 (0)eff (0) η 23 C8 (µb ) = C8 (µW ) + 363036 C1 − 0.9135η 0.4086 + 0.0873η −0.4230 − 0.0571η −0.8994 + 0.0209η 0.1456 (A.19) A. Einzelbeiträge und Funktionen zur Berechnung der Wilson-Koeffizienten 83 Das dabei auftretende η ist der Quotient aus der starken Kopplungskonstante an den Skalen µW und µb : αs (µW ) (A.20) η= αs (µb ) Die Funktion E(x), sowie die konstanten Koeffizienten ai , ei , fi , gi und hi können Referenz [38] entnommen werden. A.5 QED Korrekturen (em)eff (µb ) enthält die durch ein Renormierungsgruppenverfahren verbesserten QEDDer Term C7 Korrekturen und lautet [39]: µ ¶ 32 − 9 40 − 7 88 16 (em)eff (0)eff C7 (µb ) = (µW ) η 23 − η 23 + η 23 C7 75 69 575 ¶ µ 32 − 7 640 14 704 16 32 − 9 (0)eff (µb ) + η 23 + η 23 + η 23 − η 23 C8 575 1449 1449 1725 359 − 17 4276 − 12 350531 − 9 190 − 35 η 23 − η 23 + η 23 + η 23 + 8073 3105 121095 1009125 2 −7 5956 6 38380 14 748 16 + (A.21) η 23 − η 23 + η 23 − η 23 4347 15525 169533 8625 Literaturverzeichnis [1] C.S.Wu, E.Ambler, R.Hayward, D.Hoppes and R.Hudson, Phys.Rev.Lett. 105 1413 (1957) [2] E.Fermi, Z.Physik 88 161 (1934) [3] G.Arnison et al., Phys.Rev.Lett. 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Christian Sander Danksagungen Zum Schluss möchte ich mich noch bei einigen Personen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben, bedanken: • Herrn Prof. Dr. Wim de Boer für die interessante Aufgabenstellung, die zahlreichen Diskussionen und die tatkräftige Unterstützung bei Problemen • Herrn Prof. Dr. Michael Feindt für die Übernahme des Korreferats • Markus Huber für die Einführung in das Programmpaket SUSY • Meinen Zimmergenossen Bettina Hartmann und Valeria Bartsch sowie allen anderen Mitgliedern des IEKP für die angenehme Arbeitatmosphäre • Den Systemadministratoren Patrik Schemitz und Thomas Allmendinger • Meinem Vater und Valeria Bartsch für das Korrekturlesen der Arbeit • Meinen Eltern für die Unterstützung während des Studiums • Meiner Freundin