technische universität dortmund Fakultät für Mathematik Prof. Dr. H. M. Möller Dortmund, im Dezember 2011 Lineare Algebra für Lehramt Gymnasien und Berufskolleg Zusammenfassung der Abschnitte 4.3 und 4.4 4.3 Basis und Dimension Im folgenden ist V immer ein IK-Vektorraum. Ein m-tupel (v1 , v2 , . . . , vm ) ∈ V m = V × V × . . . × V bezeichnen wir als Vektorsystem (der Länge m). Da wir zumeist statt (v1 , v2 , . . . , vm ) nur die Menge {v1 , v2 , . . . , vm } benötigen, schreiben wir das Vektorsystem als v1 , v2 , . . . , vm . Eine Linearkombination eines Vektorsystems ist α1 · v1 + α2 · v2 + . . . + αm · vm mit α1 , α2 , . . . , αm ∈ IK. Definition 4.12 (Erzeugendensystem) Ein Vektorsystem v1 , v2 , . . . , vm von Vektoren aus V heißt Erzeugendensystem von V , wenn jedes v ∈ V Linearkombination von v1 , v2 , . . . , vm ist, also V = Lin{v1 , v2 , . . . , vm }. Definition 4.13 (lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit) Ein Vektorsystem v1 , v2 , . . . , vm heißt linear abhängig, wenn α1 , α2 , . . . , αm ∈ IK existieren mit (α1 , α2 , . . . , αm ) 6= (0, 0, . . . , 0) und α1 · v1 + α2 · v2 + . . . + αm · vm = 0. Andernfalls heißen v1 , v2 , . . . , vm linear unabhängig. Satz 4.14 (Eigenschaften linear unabhängiger Vektorsysteme) Sind v1 , . . . , vm linear unabhängig, dann gelten (i) 0 6∈ {v1 , . . . , vm }, (ii) vi 6= vj für i 6= j, (iii) Für jedes k ∈ {1, . . . , m} gilt vk 6∈ Lin{v1 , . . . , vk−1 , vk+1 , . . . , vm }, (iv) Wenn {u1 , . . . , us } ⊂ {v1 , . . . , vm } und ui 6= uj für i 6= j, dann ist auch u1 , . . . , us ein linear unabhängiges Vektorsystem. 1 Beweis Zu (i): Wenn 0 ∈ {v1 , . . . , vm }, etwa 0 = v1 , dann folgt 0 = 1 · v 1 + 0 · v2 + . . . + 0 · v m , also doch die lineare Abhängigkeit des Vektorsystems. Da das nach Voraussetzung nicht gilt, ist 0 6∈ {v1 , . . . , vm }. Zu (ii): Wenn vi = vj für zwei Indizes i, j mit i 6= j, etwa v1 = v2 , dann folgt 0 = 1 · v1 + (−1) · v2 + 0 · v3 + . . . + 0 · vm , also doch die lineare Abhängigkeit des Vektorsystems. Da das nach Voraussetzung nicht gilt, gilt (ii). Zu (iii): Wenn vk ∈ Lin{v1 , . . . , vk−1 , vk+1 , . . . , vm }, dann ist vk Linearkombination der anderen vi , also vk = γ1 · v1 + . . . + γk−1 · vk−1 + γk+1 · vk+1 + . . . + γm · vm mit γi ∈ IK. Es folgt mit γk := −1 0 = γ1 · v1 + . . . + γk · vk + . . . + γm · vm , im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit von v1 , . . . , vm . Also gilt (iii). Zu (iv): v1 , . . . , vm sind paarweise verschieden nach (ii). Daher kann man o.B.d.A. annehmen, dass u1 = v1 , . . . us = vs gilt. Wenn dann u1 , . . . , us ein linear abhängiges Vektorsystem ist, dann gibt es γ1 , . . . , γs ∈ IK, nicht alle γi Null, mit 0 = γ1 · v1 + . . . + γs · vs + 0 · vs+1 + . . . + 0 · vm , d.h. v1 , . . . , vm ist doch linear abhängig im Widerspruch zur Voraussetzung. Somit ist (iv) wahr. Beispiel 1 Sei IK = R oder = C. Zu vorgegebenen α0 , α1 , . . . , αn ∈ IK ist eine Polynomabbildung p des Höchstgrads n gegeben durch p : IK → IK, x 7→ α0 + α1 x + . . . + αn xn . Die Menge Pn der Polynomabbildungen vom Höchstgrad n ist ein IK-Vektorraum. Die n + 1 Polynome mk : IK → IK, x 7→ xk , k = 0, 1, . . . , n, bilden ein Erzeugendensystem von Pn . Sie sind linear unabhängig, weil sonst Skalare γ0 , γ1 , . . . , γn existieren, die nicht alle Null sind und die γ0 m0 + γ1 m1 + . . . + γn mn = 0 erfüllen. Ist k der größte Index, für den γk 6= 0, dann hat das Polynom γ0 m0 + γ1 m1 + . . . + γn mn einerseits den Grad k, ist andererseits identisch 2 Null, also das Nullpolynom. Das ist ein Widerspruch, d.h., m0 , . . . , mn sind linear unabhängig. Beispiel 2 Die Einheitsvektoren e1 := (1, 0, . . . , 0), e2 := (0, 1, 0, . . . , 0), . . . , en := (0, . . . , 0, 1) ∈ IK n sind linear unabhängig. (Sie bilden, wie schon gezeigt, ein Erzeugendensystem der IK-Vektorraums IK n .) Beispiel 3 Die Vektoren v1 := (1, 1, 0), v2 := (−1, 0, 2), v3 := (3, 2, 1) ∈ R3 sind linear unabhängig, denn α1 · v1 + α1 · v1 + α1 · v1 = (0, 0, 0) führt auf das LGS 1 · α+ (−1) · β+ 3 · γ = 0, 1 · α+ 0 · β+ 2 · γ = 0, 0 · α+ 2 · β+ 1 · γ = 0. Subtraktion der ersten von der zweiten Gleichung gibt 1 · α+ (−1) · β+ 3 · γ = 0, 0 · α+ 1 · β+ (−1) · γ = 0, 0 · α+ 2 · β+ 1 · γ = 0. Zieht man jetzt das zweifache der zweiten von der dritten Gleichung ab und teilt die neue dritte Gleichung durch 3, bekommt man die Stufenform 1 · α+ (−1) · β+ 3 · γ = 0, 0 · α+ 1 · β+ (−1) · γ = 0, 0 · α+ 0 · β+ 1 · γ = 0. Einzige Lösung ist α = β = γ = 0. Damit ist v1 , v2 , v3 ein linear unabhängiges Vektorsystem. Am Beispiel 3 erkennt man, dass es praktisch ist, die Vektoren des Rn als Spaltenvektoren zu notieren. Beim LGS zur Feststellung ihrer linearen Unabhängigkeit oder Abhängigkeit bilden sie dann die Spalten der Koeffizientenmatrix. Definition 4.15 (Basen) Ist das Vektorsystem v1 , . . . , vm ein Erzeugendensystem von V und ist es linear unabhängig, dann nennt man v1 , . . . , vm Basis von V . Satz 4.16 (Eindeutige Linearkombinationen) Ist v1 , . . . , vm ein Erzeugendensystem von V , dann hat jedes v ∈ V genau dann eine Darstellung als Linearkombination von v1 , . . . , vm v = α1 · v1 + . . . + αm · vm 3 mit eindeutig bestimmten Koeffizienten α1 , . . . , αm ∈ IK, wenn v1 , . . . , vm eine Basis von V ist. Beweis Hat ein v ∈ V zwei verschiedene Darstellungen v = α1 · v1 + . . . + αm · vm und v = β1 · v1 + . . . + βm · vm , also (α1 − β1 , . . . , αm − βm ) 6= (0, . . . , 0), dann folgt 0 = v − v = (α1 − β1 ) · v1 + . . . + (αm − βm ) · vm . Das bedeutet, dass v1 , . . . , vm linear abhängig, insbesondere keine Basis ist. Hat umgekehrt jedes v ∈ V nur eine Darstellung als Linearkombination, dann gilt das insbesondere für den Vektor v = 0 ∈ V ; außer 0 = 0 · v1 + . . . + 0 · v m hat 0 keine Darstellung 0 = α1 v1 + . . . + αm vm mit einem/einigen von Null verschiedenen αi , d.h., v1 , . . . , vm ist linear unabhängig. Wir wollen jetzt zeigen, dass in IK m jede Basis aus genau m Elementen besteht. Das tun wir, indem wir zuerst zeigen, dass Erzeugendensysteme des IK m Vektorsysteme der Mindestlänge m sind, und dann, dass linear unabhängige Vektorsysteme aus höchstens m Vektoren bestehen. Lemma 4.17 (Mindestlänge von Erzeugendensystemen im IK m ) Ist v1 , . . . , vs ein Vektorsystem im IK m mit s < m, dann ist v1 , . . . , vs kein Erzeugendensystem des IK m . Beweis Wir nehmen an, dass v1 , . . . , vs Erzeugendensystem des IK m mit s < m ist. Dann ist jedes b ∈ IK m Linearkombination von v1 , . . . , vs . Wir schreiben die vi und b als Spaltenvektoren, b1 v1i v2i b2 vi =: .. , i = 1, . . . , s, b =: .. . . . vmi bm Für beliebiges b ∈ IK m ist dann das LGS v11 · x1 v21 · x1 .. . +v12 · x2 +v22 · x2 .. . . . . +v1s · xs . . . +v2s · xs .. . = b1 , = b2 , .. . vm1 · x1 +vm2 · x2 . . . +vms · xs = bm 4 (1) lösbar, denn genau dann wenn (x1 , . . . , xs ) Lösung ist, ist b die Linearkombination b = x1 · v1 + x2 · v2 + . . . + xs · vs . Wegen s < m hat aber die Stufenform keine m Stufen, d.h., es gibt beim LGS in Stufenform Vektoren b0 der rechten Seite, für die das LGS keine Lösung besitzt. Wir nehmen jetzt ein solches b0 und bringen mit elementaren Zeilenumformungen das Gleichungssystem in Stufenform wieder zurück auf die Gestalt (1), indem wir die Umformungen die auf die Stufenform führten wieder rückgängig machen. Hierbei bekommen wir eine rechte Seite b in (1), so dass das LGS (1) nicht lösbar ist. (Bei elementaren Zeilenumformungen bleibt ja die Lösungsmenge unverändert!) Nach Voraussetzung muss aber (1) für beliebige rechte Seiten lösbar sein. Die Voraussetzung ist also falsch und daher v1 , . . . , vs kein Erzeugendensystem von IK m . Lemma 4.18 (Höchstlänge von lin. unabh. Vektorsystemen im IK m ) Ist v1 , . . . , vs ein Vektorsystem im IK m mit s > m, dann ist v1 , . . . , vs linear abhängig. Beweis Wir schreiben die vi wieder als Spaltenvektoren v1i v2i vi =: .. , i = 1, . . . , s. . vmi Das LGS v11 · x1 v21 · x1 .. . +v12 · x2 +v22 · x2 .. . . . . +v1s · xs . . . +v2s · xs .. . = 0, = 0, .. . vm1 · x1 +vm2 · x2 . . . +vms · xs =0 (2) hat eine Lösung (x1 , . . . , xs ) genau dann, wenn 0 = x1 · v1 + x2 · v2 + . . . + xs · vs . Eine Lösung ist (0, 0, . . . , 0). Weil s > m gilt, hat (2), auf Stufenform gebracht, mehr als eine Lösung. Damit hat auch (2) mehr als eine Lösung, d.h., die Spaltenvektoren v1 , . . . , vs sind linear abhängig. Satz 4.19 Jede Basis des IK-Vektorraums IK m hat die Länge m. Beweis Eine Basis des IK m ist Erzeugendensystem und linear unabhängiges Vektorsystem. Nach Lemma 4.17 hat es daher mindestens die Länge m und nach Lemma 4.18 höchstens die Länge m. Satz 4.20 (Vom Erzeugendensystem zur Basis) Hat V ein endliches Erzeugendensystem v1 , . . . , vs , dann gibt es eine Teilmenge {u1 , . . . , um } ⊆ {v1 , . . . , vs } so dass u1 , . . . , um Basis von V ist. 5 Beweis Wenn v1 , . . . , vs linear unabhängig ist, können wir dieses Vektorsystem als Basis nehmen. Sonst gibt es α1 , . . . , αs ∈ IK, nicht alle αi Null, so dass α1 · v1 + . . . + αs · vs = 0. Sei o.B.d.A. αs 6= 0. Dann folgt vs = − αs−1 α1 · v1 − . . . − · vs−1 . αs αs Jedes v ∈ V = Lin{v1 , . . . , vs } ist also darstellbar als v = γ1 · v1 + . . . + γs vs · vs−1 ) = γ1 · v1 + . . . + γs−1 vs−1 + γs (− αα1s · v1 − . . . − ααs−1 s αs−1 α1 = (γ1 − γs αs ) · v1 + . . . + (γs−1 − γs αs ) · vs−1 , also v ∈ Lin{v1 , . . . , vs−1 }. Somit ist auch v1 , . . . , vs−1 ein Erzeugendensystem von V . Wenn es noch nicht linear unabhängig ist, können wir genauso einen Vektor daraus streichen und erhalten wieder ein Erzeugendensystem von V u.s.w. Dieses Vorgehen endet, sobald ein Erzeugendensystem linear unabhängig, also Basis von V , ist. Satz 4.21 (Basisergänzungssatz) Sind v1 , . . . , vm ∈ V linear unabhängig und sind w1 , . . . , ws weitere Vektoren, so dass V = Lin{v1 , . . . , vm , w1 , . . . , ws }, dann kann man v1 , . . . , vm durch Hinzunahme einiger der wi zu einer Basis von V ergänzen. Beweis v1 , . . . , vm , w1 , . . . , ws ist ein Erzeugendensystem von V . Ist es linear unabhängig, dann sind wir fertig. Wenn es linear abhängig ist, gibt es eine nicht-triviale Linearkombination von 0 ∈ V , α1 · v1 + . . . + αm · vm + β1 · w1 + . . . + βs · ws = 0. Dabei ist mindestens ein βi nicht Null, weil sonst mindestens ein αi von Null verschieden wäre und 0 = α1 · v1 + . . . + αm · vm gälte, im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit von v1 , . . . , vm . Wie im Beweis von Satz 4.20 kann man dann ein wi mit βi 6= 0 streichen und dann dieselbe Überlegung für dieses um ein Element verkleinerte Erzeugendensystem anwenden u.s.w. Man streicht solange Elemente wi heraus, bis das verbleibende Vektorsystem linear unabhängig ist. Im folgenden werden wir Eigenschaften, die wir im Vektorraum IK m gefunden haben, auf allgemeinere IK-Vektorräume übertragen. Dabei müssen wir uns 6 auf Vektorräume beschränken, die ein endliches Erzeugendensystem besitzen, sogenannte endlich erzeugte Vektorräume. (Es gibt IK-Vektorräume, die kein endliches Erzeugendensystem besitzen. Das gilt z.B. für den IK-Vektorraum Abb(M, IK) und auch für seinen Untervektorraum ν0 := {f ∈ Abb(M, IK) | f (x) 6= 0 für nur endlich viele x ∈ M }, sofern M nicht endlich ist. Allein einen geeigneten Basisbegriff zu finden in Vektorräumen ohne ein endliches Erzeugendensystem, ist schon schwierig und führt über den behandelbaren Stoff für Erstsemester hinaus.) Satz 4.22 (Basissatz) Ist V ein endlich erzeugter IK-Vektorraum, dann besitzt V eine Basis. Alle Basen von V haben die gleiche Länge. Der erste Teil des Beweises (V hat eine Basis) folgt aus Satz 4.20. Der vollständige Beweis erfordert Hilfsmittel, die wir erst bereitstellen müssen. Definition 4.23 (lineare Abbildung) Seien V und W zwei IK-Vektorräume. Eine Abbildung Φ : V → W mit Φ(v1 + v2 ) = Φ(v1 ) + Φ(v2 ) für alle v1 , v2 ∈ V Φ(α · v) = α · Φ(v) für alle v ∈ V, α ∈ IK heißt lineare Abbildung (oder IK-Vektorraumhomomorphismus). Betrachten wir beispielsweise einen IK-Vektorraum V und ein Vektorsystem v1 , . . . , vm aus V . Die Abbildung Φ : IK m → V, (α1 , . . . , αm ) 7→ α1 · v1 + . . . + αm · vm ist linear, wie man leicht sieht. Φ ist surjektiv, wenn v1 , . . . , vm Erzeugendensystem von V ist, denn v ∈ V ⇒ ∃(α1 , . . . , αm ) ∈ IK m : v = α1 · v1 + . . . + αm · vm = Φ(α1 , . . . , αm ). Φ ist injektiv, wenn v1 , . . . , vm linear unabhängig ist, denn bei linearer Unabhängigkeit sind die Koeffizienten α1 , . . . , αm in der Darstellung v = α1 · v1 + . . . + αm · vm eindeutig bestimmt (Satz 4.16), also gibt es zu v nur ein (α1 , . . . , αm ) mit v = Φ(α1 , . . . , αm ). Die Abbildung Φ ist also eine bijektive Abbildung, wenn v1 , . . . , vm eine Basis von V ist. Sie ist als lineare Abbildung dann ein (IK−Vektorraum-) Isomorphismus. Lemma 4.24 Ist Φ : IK m → IK n ein Isomorphismus, dann gilt n = m. 7 Beweis Sei e1 , . . . , em eine Basis des IK m . (Die Basislänge ist m nach Satz 4.19.) Dann folgt für beliebige w ∈ IK n , weil Φ surjektiv ist, w = Φ(v) = Φ(α1 · e1 + . . . + αm · em ) = α1 · Φ(e1 ) + . . . + αm · Φ(em ). w ist also Linearkombination von Φ(e1 ), . . . , Φ(em ) Mit anderen Worten, Φ(e1 ), . . . , Φ(em ) ist Erzeugendensystem von IK n . Es folgt m ≥ n mit Lemma 4.17. Die Umkehrabbildung Φ−1 ist ebenfalls ein Isomorphismus. Mit ihm zeigt man, dass Φ−1 (w1 ), . . . , Φ−1 (wn ) ein Erzeugendensystem von IK m ist, wenn w1 , . . . , wn Basis von IK n . Mit Lemma 4.17 also n ≥ m. Zusammen daher m = n. Beweis (von Satz 4.22) Als endlich erzeugter IK-Vektorraum besitzt V Basen (Satz 4.20). Seien v1 , . . . , vm und w1 , . . . , wn zwei Basen von V . Zu zeigen ist n = m. Betrachte dazu Φm : IK m → V, (α1 , . . . , αm ) 7→ α1 · v1 + . . . + αm · vm , Φn : IK n → V, (β1 , . . . , βn ) 7→ β1 · w1 + . . . + βn · wn . Φm und Φn sind bijektive (und lineare) Abbildungen, weil v1 , . . . , vm und w1 , . . . , wn Basen sind. Φm und Φn sind also Isomorphismen. Damit ist auch m −1 → IK n ein Isomorphismus. Aus Lemma Φ−1 n und insbesondere Φn ◦Φm : IK 4.24 folgt m = n. Definition 4.25 (Dimension) Sei V ein Vektorraum mit einer Basis der Länge m. Dann hat V die Dimension m, kurz: dim(V ) = m. Diese Definition ist widerspruchsfrei, d.h., jeder endlich erzeugte Vektorraum hat eine wohlbestimmte Dimension nach Satz 4.22. Der Dimensionsbegriff deckt sich mit dem anschaulichen Dimensionsbegriff im R2 und R3 . Dort hat ein Vektorraum die Dimension 1, wenn er eine Gerade ist, also eine Basis der Länge 1 besitzt, und die Dimension 2, wenn er eine Ebene ist, also von zwei linear unabhängigen Vektoren erzeugt wird. Satz 4.26 (Isomorphe Bilder von IK m ) Ist V ein IK-Vektorraum der Dimension m, dann und nur dann ist V isomorph zu IK m . Beweis Man zeigt, wenn Φ : IK m → V eine isomorphe Abbildung ist und e1 , . . . , em eine Basis von IK m , dass dann Φ(e1 ), . . . , Φ(em ) eine Basis von V ist. Ist umgekehrt V ein IK-Vektorraum mit Basis v1 , . . . , vm , dann ist Φ : IK m → V, (α1 , . . . , αm ) 7→ α1 · v1 + . . . + αm · vm eine isomorphe Abbildung. 8 Korollar 4.27 Sei V ein n-dimensionaler IK-Vektorraum. Dann gelten i) Wenn v1 , . . . , vm Erzeugendensystem von V , dann m ≥ n. ii) Wenn v1 , . . . , vm linear unabhängig und in V , dann m ≤ n. iii) Wenn v1 , . . . , vn Erzeugendensystem von V , dann ist es Basis von V ; wenn v1 , . . . , vn linear unabhängig und in V , dann ist es Basis von V . iv) Wenn U Untervektorraum von V , dann dim(U ) ≤ dim(V ). v) Wenn U Untervektorraum von V und dim(U ) = dim(V ), dann U = V . Beweis Sei Φ : V → IK n ein (nach Satz 4.26 existierender) Isomorphismus. Zu i) : Ist v1 , . . . , vm Erzeugendensystem von V , dann ist Φ(v1 ), . . . , Φ(vm ) Erzeugendensystem von IK n . Nach Lemma 4.17 folgt n ≤ m. Zu ii) : Ist v1 , . . . , vm lin. unabh. und in V , dann ist Φ(v1 ), . . . , Φ(vm ) lin. unabh. und in IK n . Nach Lemma 4.18 folgt m ≤ n. Zu iii) : Ist v1 , . . . , vn ein Erzeugendensystem von V , dann ist eine Teilmenge davon Basis. Nach dem Basissatz kann keine echte Teilmenge Basis sein. Also ist v1 , . . . , vn selbst schon Basis. Ist v1 , . . . , vn linear unabhängig und in V , dann kann man dieses Vektorsystem zu einer Basis von V ergänzen. Weil ein linear unabhängiges Vektorsystem höchstens die Länge n hat, ist v1 , . . . , vn bereits Basis. Zu iv) : Ist v1 , . . . , vk Basis von U , dann kann man dieses Vektorsystem zu einer Basis von V ergänzen. Es folgt dim(U ) = k ≤ n = dim(V ). Zu v) : Wie in iv), nur dass man schon mit den n = dim(V ) Basiselementen von U auskommt, so dass U und V dieselbe Basis besitzen. Definition und Satz 4.28 (Kern) Der Kern einer linearen Abbildung Φ : V → W ist definiert als Kern Φ := {v ∈ V | Φ(v) = 0}. Kern Φ ist ein Untervektorraum von V . Beweis. Die Definition des Kerns gibt Kern Φ ⊆ V . Wegen Φ(0) = Φ(0·v) = 0·Φ(v) = 0 ist 0 ∈ Kern Φ. Wenn v1 , v2 ∈ Kern Φ, also Φ(v1 ) = Φ(v2 ) = 0, folgt Φ(v1 +v2 ) = Φ(v1 )+Φ(v2 ) = 0, also v1 +v2 ∈ Kern Φ. Aus v1 ∈ Kern Φ, α ∈ IK folgt Φ(α · v1 ) = α · Φ(v1 ) = α · 0 = 0, d.h., α · v1 ∈ Kern Φ wenn v1 ∈ Kern Φ. Satz 4.29 (Dimension von Bild und Kern) Sind V und W IK-Vektorräume, V endlich erzeugt und Φ : V → W lineare Abbildung, dann gilt dim(V ) = dim(Kern Φ) + dim(Bild Φ). Beweis Bild Φ ist ein IK-Vektorraum, denn mit w1 , w2 ∈ Bild Φ, also mit ∃v1 , v2 ∈ V : w1 = Φ(v1 ), w2 = Φ(v2 ), ist w1 + w2 = Φ(v1 ) + Φ(v2 ) = 9 Φ(v1 + v2 ) ∈ Bild Φ. Und wenn w = Φ(v), α ∈ IK, dann α · w = Φ(α · v) ∈ Bild Φ. Für α = 0 folgt 0 ∈ Bild Φ. Bild Φ ist endlich erzeugt, denn wenn v1 , . . . , vm ein Erzeugendensystem von V ist (es existiert, weil V endlich erzeugt ist), dann gilt für jedes w ∈ Bild Φ mit w = Φ(v) v = α1 · v1 + . . . + αm · vm ⇒ w = Φ(v) = α1 · Φ(v1 ) + . . . + αm · Φ(vm ). Damit ist Φ(v1 ), . . . , Φ(vm ) ein Erzeugendensystem von Bild Φ. Bild Φ hat also eine Basis w1 , . . . , ws . Zu jedem wi gibt es ein zi ∈ V mit wi = Φ(zi ). Ist u1 , . . . , ur eine Basis von Kern Φ, dann brauchen wir nur noch zu zeigen, dass u1 , . . . , ur , z1 , . . . , zs eine Basis von V ist. Dann gilt nämlich die Behauptung des Satzes dim(V ) = r + s = dim(Kern Φ) + dim(Bild Φ). u1 , . . . , ur , z1 , . . . , zs sind linear unabhängig, denn gilt 0 = α1 · u1 + . . . + αr · ur + β1 · z1 + . . . + βs · zs , dann gibt Φ auf beide Seiten der Gleichung angewendet und Φ(ui ) = 0 ausgenutzt, 0 = β1 · Φ(z1 ) + . . . + βs · Φ(zs ) = β1 · w1 + . . . + βs · ws . Weil w1 , . . . , ws linear unabhängig sind, folgt β1 = . . . = βs = 0 und damit 0 = α1 · u1 + . . . + αr · ur . Aus der linearen Unabhängigkeit der ui folgt, dass auch α1 = . . . = αr = 0 gilt. u1 , . . . , ur , z1 , . . . , zs sind damit linear unabhängig. Sie bilden auch ein Erzeugendensystem von V , denn für beliebiges v ∈ V gilt Φ(v) ∈ Bild Φ, also Φ(v) = β1 w1 + . . . + βs ws . Der Vektor u := v − β1 z1 − . . . − βs zs erfüllt Φ(u) = Φ(v) − β1 Φ(z1 ) − . . . − βs Φ(zs ) = Φ(v) − β1 w1 − . . . − βs ws = 0. Daher gilt u ∈ Kern Φ. Weil u1 , . . . , ur eine Basis von Kern Φ ist, folgt u = γ1 u1 + . . . + γr ur und damit endlich v = u + β1 z1 + . . . + βs zs = γ1 u1 + . . . + γr ur + β1 z1 + . . . + βs zs . u1 , . . . , ur , z1 , . . . , zs ist also auch Erzeugendensystem von V und damit Basis von V . 10 Sind U1 und U2 Untervektorräume eines Vektorraums V , dann ist auch U1 + U2 := {v ∈ V | ∃u1 ∈ U1 , u2 ∈ U2 : v = u1 + u2 } ein Untervektorraum von V , und zwar ist es der kleinste Untervektorraum, der U1 und U2 enthält. Dagegen ist U1 ∩ U2 der größte Untervektorraum von V , der sowohl in U1 als auch in U2 enthalten ist. Satz 4.30 (Dimensionsformel für Summen von Untervektorräumen) Sei V ein endlich erzeugter Vektorraum, U1 und U2 Untervektorräume von V . Dann gilt dim(U1 ) + dim(U2 ) = dim(U1 + U2 ) + dim(U1 ∩ U2 ). Beweis Sei u1 , . . . , uk eine Basis von U1 ∩ U2 . Weil U1 ∩ U2 Untervektorraum von U1 und von U2 ist, kann man die Basis von U1 ∩ U2 mit dem Basisergänzungssatz sowohl zu einer Basis von U1 als auch zu einer von U2 ergänzen. Sei also u1 , . . . , uk , v1 , . . . , vs Basis von U1 , u1 , . . . , uk , w1 , . . . , wt Basis von U2 . Also dim(U1 ) = k + s und dim(U2 ) = k + t. Diese Formeln gelten auch im Fall U1 ∩ U2 = {0} (mit k = 0), im Fall U1 ∩ U2 = U1 (mit s = 0) und im Fall U1 ∩ U2 = U2 (mit t = 0). Wenn wir zeigen, dass u1 , . . . , uk , v1 , . . . , vs , w1 , . . . , wt Basis von U1 + U2 ist, dann folgt dim(U1 ) + dim(U2 ) = k + s + k + t = dim(U1 ∩ U2 ) + k + s + t = dim(U1 + U2 ) + dim(U1 ∩ U2 ). Es reicht also, (3) zu zeigen. Zur linearen Unabhängigkeit von u1 , . . . , uk , v1 , . . . , vs , w1 , . . . , wt : Betrachte α1 u1 + . . . + αk uk + β1 v1 + . . . + βs vs + γ1 w1 + . . . + γt wt = 0. Zu zeigen ist, dass alle αi , βi und γi Null sind. Der Vektor w := γ1 w1 + . . . + γt wt liegt in U2 . Andererseits hat er die Darstellung w = −α1 u1 − . . . − αk uk − β1 v1 − . . . − βs vs . 11 (3) Er liegt also auch in U1 . Damit liegt er in U1 ∩ U2 und hat eine Darstellung w = δ1 u1 + . . . + δk uk . Als Vektor in U2 hat er damit zwei verschiedene Darstellungen mit der Basis u1 , . . . , uk , w1 , . . . , wt von U2 , w = δ1 · u1 + . . . + δk · uk +0 · w1 + . . . + 0 · wt = 0 · u1 + . . . + 0 · uk +γ1 · w1 + . . . + γt · wt Aus der Eindeutigkeit der Darstellung von w als Linearkombination der Basiselemente folgt δ1 = . . . = δk = γ1 = . . . = γt = 0 und insbesondere w = 0. Es verbleibt β1 v1 + . . . + βs vs = 0. Weil die vi (als Elemente der Basis von U1 ) linear unabhängig sind, folgt auch β1 = . . . = βs = 0. Damit ist die lineare Unabhängigkeit von u1 , . . . , uk , v1 , . . . , vs , w1 , . . . , wt gezeigt. Erzeugendensystem: Jedes v ∈ U1 + U2 hat eine Darstellung v = x + y mit x ∈ U1 und y ∈ U2 . Mit den Basen von U1 und U2 also ⇒ x = α1 u1 + . . . + αk uk + β1 v1 + . . . + βs vs , y = γ1 u1 + . . . + γk uk + δ1 w1 + . . . + δt wt , v = (α1 + γ1 )u1 + . . . + (αk + γk )uk + β1 v1 + . . . + βs vs +δ1 w1 + . . . + δt wt . Damit ist u1 , . . . , uk , v1 , . . . , vs , w1 , . . . , wt auch ein Erzeugendensystem von U1 + U2 . Definition 4.31 (direkte Summe und Komplement) Ein Vektorraum V heißt direkte Summe zweier Untervektorräume U1 und U2 , wenn V = U1 + U2 und U1 ∩ U2 = {0} gilt. In diesem Fall heißt U2 Komplement zu U1 in V oder Lkomplementärer Untervektorraum zu U1 in V . Man schreibt dann V = U1 U2 . Korollar 4.32 Sind U1 und U2 Untervektorräume eines endlich erzeugten Vektorraums V , dann gelten folgende zwei Aussagen. L i) Wenn U1 ∩ U2 = {0}, dann dim(U1 U2 ) = dim(U1 )L + dim(U2 ). ii) Wenn dim(V ) = dim(U1 )+dim(U2 ), dann ist V = U1 U2 , falls U1 ∩U2 = {0} oder V = U1 + U2 . Beweis Zu i): U1 und U2 sind Untervektorräume von U1 + U2 . Aus Satz 4.30 mit V := U1 + U2 folgt die Behauptung. Zu ii): Nach Satz 4.30 ist dim(U1 + U2 ) = dim(U2 ) + dim(U2 ) äquivalent zu 12 dim(U1 ∩ U2 ) = 0, also zu U1 ∩ U2 = {0}. Somit gilt: Wenn V = UL 1 + U2 und dim(V ) = dim(U2 ) + dim(U2 ), dann U1 ∩ U2 = {0}, d.h., V = U1 U2 , und wenn U1 ∩ U2 = {0}, dann dim(U1 + U2 ) = dim(U2 ) + dim(U2 ) = dim(V ) und deshalb V = U1 + U2 (weil V Lgleiche Dimension hat wie sein Untervektorraum U1 + U2 ), d.h., V = U1 U2 . Ist V ein endlich erzeugter Vektorraum, dann kann man zu jedem Untervektorraum U von V einen komplementären Untervektorraum konstruieren. Dazu braucht man den Basisergänzungssatz. Hat man nämlich eine Basis v1 , . . . , vm von U durch Vektoren w1 , . . . , ws zu einer Basis von V ergänzt, dann ist W := Lin{w1 , . . . , ws } Komplement zu U , denn U + W = V , weil die Vereinigung der Basen von U und W nach Konstruktion eine Basis von V ergeben und weil aus v ∈ U ∩ W folgt v = α1 v1 + . . . + αm vm und v = β1 w1 + . . . + βs ws , zusammen also α1 v1 + . . . + αm vm − β1 w1 − . . . − βs ws = 0. Aus der linearen Unabhängigkeit von v1 , . . . , vm , w1 , . . . , ws ergibt sich jedoch α1 = . . . = αm = 0 (und β1 = . . . = βs = 0), also v = 0. 13