Kruse / Maio /Althammer Humanität einer alternden Gesellschaft Veröffentlichungen der Joseph-Höffner-Gesellschaft Herausgegeben von Lothar Roos, Manfred Spieker, Werner Münch Band 3 Andreas Kruse / Giovanni Maio / Jörg Althammer H U M A N I TÄT E I N E R A LT E R N DE N GESELLSCH A FT 2014 Ferdinand Schöningh Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zulässigen Fällen ist ohne vorherige Zustimmung des Verlages nicht zulässig. © 2014 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Satz: Martin Mellen, Bielefeld Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-506-77943-4 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Kruse Grenzgänge im Alter. Die Gestaltung des Alters aus individueller, gesellschaftlicher und kultureller Sicht 1. Altern als eine natürliche, kontinuierlich verlaufende Veränderungsreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklungspotentiale in der Verletzlichkeit des hohen Alters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Introversion, Offenheit und Generativität als zentrale Orientierungen des hohen Alters . . . . . . . . . 4. Morbiditätskompression als Beispiel für die Gestaltbarkeit des Alterns – zunehmende Verletzlichkeit als Beispiel für die Grenzen der Gestaltbarkeit . . . . . . . . 5. Eine anthropologische Annäherung an das Alter . . . . . . 6. Altersfreundliche Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 11 11 17 22 27 34 38 40 43 Giovanni Maio Wenn das Annehmen wichtiger wird als das Machen. Für eine neue Kultur der Sorge am Ende des Lebens . 49 1. 2. 3. 4. 5. 6. Vom Erwarten zum Machen des Todes . . . . . . . . . . . . . . Das Argument der Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Verhinderung von unnötigem Leid«? . . . . . . . . . . . . . . Radikale Abwertung verzichtvollen Lebens . . . . . . . . . . Ideologie der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sterben heißt Loslassenkönnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 51 52 53 54 55 Vorwort 7. Der Tod als Geheimnis oder die Frage nach dem Sinn . . . 8. Der »private« Tod und die Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . 9. Mobilisierung der tiefsten Lebensquellen . . . . . . . . . . . . 10. Hilfe zur Annahme – Hilfe zur Dankbarkeit . . . . . . . . . 11. Überwindung der Selbstbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . 12. Zur Bedeutung der Gelassenheit am Ende des Lebens . . . 13. Für eine Ethik der Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Der Wert des Alters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Wertschätzung als zentrale Gabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Für eine Aufwertung der Erkenntnis des Herzens . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 59 61 63 65 66 70 71 75 77 79 Jörg Althammer Nachhaltige Sozialpolitik. Aufgaben der Sozial- und Fami­ lienpolitik angesichts der demografischen Entwicklung 81 1. Die demografische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialpolitische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ebenen der sozialen Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Rentenreform 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zur steuerlichen Behandlung der Ehe und der eingetragenen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Die Entwicklung des Altenquotienten nach unterschiedlichen Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 85 86 87 91 93 98 99 100 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Vorwort Deutschland ist eine alternde Gesellschaft. Das ist zum einen auf das Geburtendefizit zurückzuführen, zum anderen auf die steigende Lebenserwartung. Das Geburtendefizit hält seit 1972 ununterbrochen an und erreichte 2012 die Größe einer Stadt wie Kassel, das heißt 869.582 Sterbefällen standen 673.544 Geburten gegenüber. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines heute 65-jährigen Mannes liegt bei 83, einer heute 65-jährigen Frau bei 86 Jahren. Vor 50 Jahren waren das noch sechs Jahre weniger und in den nächsten 50 Jahren wird sie sich weiter erhöhen – um mehr als ein Jahr pro Jahrzehnt. Der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, der heute bei etwa einem Drittel liegt, wird bis 2035 auf etwa 50% und ab 2050 auf über 60% steigen. Die Herausforderungen, die auf die alternde Gesellschaft zukommen, sind also gewaltig. Das gilt nicht nur für die Alterssicherung, die auf einem Generationenvertrag beruht, der immer mehr die Balance zwischen Erwerbstätigen und Rentnern einerseits und zwischen Erwerbstätigen und Kindern andererseits verliert. Es gilt auch für die Kranken- und Pflegeversicherung und darüber hinaus für das Bildungssystem, den Wohnungs- und Arbeitsmarkt und die Innovationsfähigkeit der Gesellschaft. Die Beiträge in diesem 3. Band der Veröffentlichungen der Joseph-Höffner-Gesellschaft erörtern die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit auch die alternde Gesellschaft eine humane Gesellschaft bleibt. Andreas Kruse untersucht verschiedene Dimensionen des Alterns aus psychologischer, anthropologischer und biologischer Perspektive und nennt Kriterien für eine altersfreundliche Kultur: Teilhabe, Selb7 Vorwort ständigkeit, Mobilität, Rücksichtnahme auf die wachsende Verletzlichkeit im hohen Alter und zielgruppenspezifische Dienstleistungssysteme der Medizin und der Pflege. Mit Hölderlin und Papst Franziskus unterstreicht Kruse darüber hinaus eine Schlüsselressource für die Humanität einer alternden Gesellschaft: die Ruhe, das Gebet und die Weisheit, durch die alte Menschen ihr Leben in eine Generationenfolge integrieren. Giovanni Maios Beitrag knüpft genau an diese Erkenntnis an. Er beschäftigt sich mit dem Ende des Alterns, dem Sterben und der Angst vor dem Sterben, das nicht mehr als Abrundung des Lebens, sondern nur als Schwundstufe des Menschseins gesehen werde. Er sieht im Alter eine Art Lupe, die auf das Wesentliche im Leben hinweist. Das Alter ist aber nicht nur für die betroffenen Menschen eine wichtige Lebensphase, sondern für die ganze Gesellschaft, die daran erinnert wird, dass nicht die Autonomie, sondern die Angewiesenheit eine Grundsignatur des Menschseins ist. Die Defizite einer »Stoppuhr-Pflege« geraten dadurch besonders in den Blick. Maio plädiert für eine neue Kultur der Sorge am Ende des Lebens, wenn das Annehmen wichtiger wird als das Machen. Die Herausforderungen der demographischen Entwicklung für die Alterssicherung untersucht Jörg Althammer als Ökonom. Dass der massive Geburtenrückgang seit Mitte der 60er Jahre den Generationenvertrag, auf dem die Rentenversicherung beruht, in Turbulenzen stürzen wird, ist ebenso bekannt wie die Alternative, die zur Stabilisierung der Rentenversicherung bereit steht: entweder massive Erhöhung der Beiträge oder nicht weniger massive Senkung der Rentenleistungen. Wer darauf verzichtet, Kinder zu erziehen, kann nicht erwarten, die gleichen Rentenleistungen zu erhalten wie der, der Kinder erzogen hat. Die Politik ignoriert das Problem nicht nur seit mehreren Jahrzehnten, sie hat 2014 mit der »Rente mit 63« einen Weg eingeschlagen, der die Probleme noch vermehrt. Nachhaltige Sozialpolitik 8 Vorwort heißt für Althammer ganz im Geiste von Joseph Höffner, dass Kindererziehungszeiten bei den Rentenanwartschaften berücksichtigt werden, dass die Lebensarbeitszeit mit der Lebenserwartung steigen muss und dass auch das Ehegattensplitting ein Gebot der Gerechtigkeit ist. Osnabrück/Bonn/Freiburg, in der Karwoche 2014 Manfred Spieker/Werner Münch/Lothar Roos 9