Essay "Geschichte des 21. Jahrhunderts"

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Geschichte des
21. Jahrhunderts
Globaler Kollaps und
Regionalisierung
Copyleft 2010
A. Meyer, dipl. Ing. ETH (Schweiz)
http://www.kollaps.ch
Einleitung
Wir schreiben heute das Jahr 2010. Es ist eine Zeit der Krisen. Die
Probleme der Finanzwirtschaft führten zu einer Krise der realen Wirtschaft
bis hin zur Knappheit von Nahrungsmitteln. Gleichzeitig zeigt sich die durch
den Menschen verursachte globale Erwärmung mit immer zahlreicher und
heftiger
werdenden
Katastrophen
wie
Stürme,
Erdrutsche,
Überschwemmungen und Dürreperioden. Die Politik setzt weltweit weiterhin
auf das Wirtschaftswachstum als Heilmittel zur Bewältigung der Krisen. Die
Menschen spüren tief im Inneren, dass die heutige Lebensweise nicht so
weitergehen kann. Doch sie wollen es nicht wahrhaben, dass der Welt
dramatische
Änderungen
bevorstehen.
Die
Bequemlichkeit,
so
weiterzumachen wie bisher, ist zu gross. Die Menschheit muss aufgerüttelt
werden. Je früher sie den Tatsachen ins Auge schaut, desto grösser sind die
Chancen, die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Ich möchte mit diesem Essay
meinen Beitrag dazu leisten, das Bewusstsein der Menschen zu wecken.
Der Essay ist gestaltet als Geschichte des 21. Jahrhunderts. Er zeigt eine
der Möglichkeiten, wie ein Geschichtsschreiber im Jahr 2100 auf die
vergangenen hundert Jahre zurückblicken könnte. Auf diese Weise werden
die heutigen Krisen in einen zeitlich grösseren Zusammenhang gelegt. Ich
habe nicht die Absicht, als Hellseher zu gelten. Es geht mir nicht darum, die
genauen Jahreszahlen der Ereignisse vorauszusagen. Es geht mir lediglich
darum, Tendenzen aufzuzeigen, welche sich zwangsläufig ableiten lassen
aus der heutigen Lebensweise der Menschen.
Zusammenfassung der Geschichte des 21. Jahrhunderts
Das 21. Jahrhundert war geprägt durch den globalen Kollaps. Die
Hauptursachen waren die globale Erwärmung und das exponentielle
Wachstum der Wirtschaft und der Bevölkerung. Auf den Zusammenbruch
erfolgte eine Regionalisierung. Die Globalisierung aus dem 20. Jahrhundert
wurde wieder rückgängig gemacht. Kollapse einzelner Völker gab es schon
früher immer wieder. Das Neuartige im 21. Jahrhundert war das globale
Ausmass des Kollapses.
2000-2010: Vorboten des Kollapses
Die Weltbevölkerung im Jahr 2000 umfasste 6 Milliarden Menschen. Davon
lebten 1 Milliarde in den Industrieländern, 3 Milliarden in den
Schwellenländern und 2 Milliarden in den Entwicklungsländern.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts teilte man die Nationen der Erde grob in
drei Teile ein. Die Industrieländer waren diejenigen, die technologisch am
fortschritlichsten waren, aber auch am meisten Umweltverschmutzung und
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Ressourcenverbrauch verursachten. Typische Nationen waren USA, Japan,
Deutschland, England und Frankreich. Die Entwicklungsländer waren
diejenigen, in denen Hungersnot herrschte, und die wenig Industrie
beherbergten. Beispiele waren Somalia, Nigeria, Kenya, Kongo, Ruanda
und Haiti. Die Schwellenländer waren diejenigen, welche den Schritt vom
Entwicklungsland in Richtung Industrieland machten, also zum Beispiel
Brasilien, China und Indien. Innerhalb den Nationen gab es wiederum drei
Teile von Bevölkerungsschichten. Die reiche regierende Oberschicht hatte
das Interesse, Macht und Vermögen zu vergrössern, also eine Umverteilung
von unten nach oben zu erreichen. Die Mittelschicht gab es nur in Industrieund Schwellenländer. Sie bestand aus der arbeitenden Bevölkerung, die
genügend Mittel hatte um anständig leben zu können. Das politische
Verhalten dieser Mittelschicht wurde durch die Oberschicht mittels
Propaganda in den Medien manipuliert. Und schliesslich gab es die arme
Unterschicht, welche unter dem Existenzminimum lebte und oft unterernährt
war. Diese Unterschicht war gross in Entwicklungs- und Schwellenländern,
klein in Industrieländern. Diese Unterschicht hatte absolut kein
Mitspracherecht. Nationen bestanden meistens aus mehreren Völkern und
Kulturen, was oft zu Konflikten führte, wie zum Beispiel die Kurden in der
Türkei, die Basken in Spanien, Tibeter in China und Korsen in Frankreich.
Der Terroranschlag auf die Twin Towers in New York am 11. September 2001
war ein Paukenschlag als Auftakt des Jahrhunderts. Terroristen flogen mit
vollbesetzten Passagierflugzeugen in zwei Hochhäuser im Zentrum der
Stadt. Nicht der Anschlag selber, sondern die Folgen beeinflussten das
ganze Jahrhundert. Der Anschlag wurde missbraucht, um von den
eigentlichen Problemen der Welt abzulenken. Er führte dazu, dass in den
Industrieländern der Neokonservativismus etabliert wurde. Es spielt
historisch gesehen keine Rolle, ob der Anschlag echt war, das heisst,
tatsächlich von islamistischen Extremisten organisiert, oder ob er gemäss
gewissen „Verschwörungstheorien“ inszeniert war von der amerikanischen
Regierung. Die US-Regierung unter Präsident George W. Bush wurde
getragen durch eine kleine reiche Oberschicht in der Bevölkerung. Diese
Oberschicht bestand aus folgenden Interessengruppen: erdölabhängige
Firmen,
Autoindustrie,
Rüstungsindustrie,
Pharamindustrie,
Elektrizitätswerke und christliche Kirchen. Diese Gruppierungen wollten das
neoliberale Wirtschaftssystem, welches in den letzen 20 Jahren des 20.
Jahrhunderts durch den damaligen US-Präsident Ronald Reagan und der
damaligen britischen Premierministerin Margret Thatcher in den
Industriestaaten verbreitet wurde, auf der ganzen Welt einrichten.
Die USA höhlte die Macht der UNO (United Nations Organization) aus, und
führte mit ihren Verbündeten eigenmächtig Kriege gegen Afghanistan und
Irak. Als Vorwand für diese Angriffe wurde die Gefahr vor weiterem Terror
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angegeben. Diese Kriege sind eine neue Art von Kolonialisierung. Die
Besatzungen in diesen Ländern privatisierten sämtliche Sektoren der
Wirtschaft und führten alle Gewinne heraus. Dies passierte auch in weiteren
Ländern wie zum Beispiel in Kosovo. Ebenfalls unter dem Vorwand der
Terrorbekämpfung wurden drastische Überwachungsmassnahmen der
Bevölkerung durchgesetzt. Biometrische Pässe mit Fingerabdrücken wurden
eingeführt. Die Kommunikation über das Internet wurde überwacht. Mittels
der mobilen Telefone wusste man genau, wer sich zu welcher Zeit an
welchem Ort befindet. Auf öffentlichem Grund wurden zahlreiche Kameras
installiert. Mit diesen Massnahmen wollte man Kritiker des
Neokonservativismus und Neoliberalismus finden und eliminieren. Die
Menschenrechte wurden vor allem in China, Russland, Nordkorea und den
USA missachtet. Regimekritiker wurden gefoltert und getötet.
Es gab viele sogenannte NGOs (Non-Governmental Organizations), welche
sich kritisch mit den neokonservativen und neoliberalen Tendenzen
auseinandersetzten. Beispiele waren Greenpeace und WWF. Doch sie
konnten das Volk nicht überzeugen. Wahlen und Abstimmungen wurden
meistens von denjenigen gewonnen, welche am meisten Geld in den
Wahlkampf gesteckt hatten. Und das war diese reiche Oberschicht. Diese
war international bestens organisiert. Ihre Mitglieder trafen sich regelmässig
an Veranstaltungen wie das WEF in Davos, die Bilderberg-Konferenzen oder
die G8- und G20-Treffen. Die Motivation war die Gier, noch mehr Geld zu
verdienen, egal ob das auf Kosten der Umwelt oder auf Kosten der Mittelund Unterschicht geschah. Darum gaben der Internationale Währungsfonds
(IWF) und die Weltbank Kredite für nicht-nachhaltige Projekte wie
Kohlekraftwerke in Entwicklungsländern. Davon profitierte nur die
Stromlobby. Die Weltbank unterstützte landwirtschaftliche Grossbetriebe in
den Entwicklungsländern, damit die Industrieländer von dort Nahrungsmittel
importieren konnten. Dadurch wurde die Existenz der Kleinbauern vernichtet
und der Hunger vergrössert. Der „Service Public“ wurde laufend abgebaut.
Forschung, Schulen, Spitäler, Gesundheitssystem, Altersvorsorge, Post,
Telekommunikation, Polizei, Wohnungsbau, Medien, Strom- und
Wasserversorgung wurden privatisiert. Die Folge war, dass diese
Dienstleistungen für die Allgemeinheit schlechter wurden, da die privaten
Firmen nur auf die Gewinne aus waren. Die reiche Oberschicht war nicht
angewiesen auf diese staatlichen Dienstleistungen, denn die konnte sich
diesen Service privat mit bester Qualität organisieren.
Eine typische Tendenz der Jahrtausendwende war die Globalisierung.
Multinationale Firmen waren Unternehmen, welche in vielen Nationen tätig
waren. Sie verlagerten die manuellen Tätigkeiten in Billiglohnländer mit
geringen sozialen und ökologischen Richtlinien. Die Abgaben dieser Firmen
an den Fiskus wurden minimiert, indem die Steuern in Steueroasen, also in
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Ländern mit niedrigen Abgaben, deklariert wurden. Da die Staaten keine
international geltende Richtlinien bezüglich Steuern, Arbeitsbedingungen
und Umweltgesetzen hatten, konnten diese Unternehmen ihre Gewinne
maximieren. Reiche Diktatoren konnten vom Volk geklautes Vermögen auf
Bankkonten verschieben von Ländern, in denen das Bankgeheimnis
herrschte. Ein typisches Merkmal der Globalisierung waren die zahlreichen
Transporte von Gütern kreuz und quer durch die Welt. Die Mobilität der
Menschen artete derart aus, dass man es als völlig „normal“ erachtete,
mehrmals jährlich mit dem Flugzeug auf einen anderen Kontinent zu fliegen.
Krankheiten breiteten sich dadurch sehr schnell aus auf der ganzen Welt.
Die landwirtschaftlichen Betriebe setzten auf Gewinnmaximierung und
betrieben grosse Flächen von Monokulturen mit grossem Einsatz von
gentechnisch manipuliertem Saatgut, Pestiziden und Dünger. Solch
intensive Landwirtschaft benötigte weniger menschliche Arbeitskraft, war
aber anfällig auf Dürre, Stürme, Krankheiten, Schädlinge, Erosion und
Vergiftung des Bodens. Die WTO (Welthandelsorganisation) begünstigte
diese naturentfremdete Art des Bauerns, indem sie sämtliche
Handelsschranken beseitigte, und so kleine lokale Hersteller von
landwirtschaftlichen Produkten in den Ruin trieb. Es gab praktisch nur noch
Grossbetriebe. In den Industrieländern sank der Anteil der in der
Landwirtschaft tätigen Bevölkerung bis zum Peak im Jahr 2021 auf 2%
hinunter.
2008 erschienen die Vorboten des Kollapses. Das Finanzsystem basierte
auf wachsenden Geldblasen. Das Finanzvermögen bestand aus verzinsten
Konten und renditeorientierten Wertpapieren. Darum war es zum Wachstum
gezwungen. Ein Wachstum des Finanzvermögens benötigt immer auch ein
entsprechendes Wachstum der Realwirtschaft, weil sonst der
Vermögenszuwachs real nichts wert ist. Doch das Finanzvermögen wuchs
schneller als die Realwirtschaft, was irgendwann zwangsläufig zum Platzen
der Blase führen musste. Die Privatbanken durften sogar selber Geld
schöpfen, also erzeugen. Die staatlichen Zentralbanken konnten nur einen
kleinen Teil der gesamten Geldmenge kontrollieren. Wenn jemand 1'000
Franken auf sein Konto bei der Bank eingezahlt hatte, durfte die Bank bei
einem gesetzlich bestimmten Mindestreservesatz von 2.5% 975 Franken
davon als Kredit weitergeben. Dieses Geld wurde zum Beispiel durch den
Schuldner zur Zahlung verwendet an einen Lieferanten, der das Geld auch
wieder auf ein Konto einzahlte. So wurden aus 1'000 Franken 1'975 Franken
generiert. Geld wurde geschöpft. Dies geschah unter einem hohen Risiko:
Falls die Schuldner das Geld nicht zurückzahlen konnten, konnte die Bank
oft weniger als 10% des Gelds mit ihrem Eigenkapital decken. Das
Eigenkapital der Bank war bewusst viel zu klein, weil die Bank wusste, dass
der Staat sie im Notfall meistens finanziell unterstützte. Die Bank erhielt also
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Zinsen für fiktives Geld! Dieses Geld vermehrte sich exponentiell. 1'000
Franken, die zu 3% jährlich verzinst wurden, hätten nach 600 Jahren einen
Betrag von über 5 Milliarden Franken erreicht! Hätten alle Anleger
gleichzeitig ihre Gelder zurückgezogen, hätten die Banken nur einen sehr
kleinen Teil auszahlen können. Zudem wurden immer komplexere
Finanzprodukte entwickelt, welche nichts mehr mit der realen Wirtschaft zu
tun hatten, sondern wie beim Wetten auf Vorhersagen beruhten, wie sich die
Finanzkurse entwickeln werden. Diese Entwicklung führte zwangsläufig zu
einem weltweiten Crash des Bankensystems. Dieser Crash zog auch eine
Krise der realen Wirtschaft mit sich, da die Banken eine Zeit lang nicht mehr
fähig waren, Kredite zu vergeben. Die Investment Banker begannen darauf,
in Papiere des Nahrungsmittelsektors zu investieren. Dies führte zu einer
künstlichen Verteuerung von Grundnahrungsmittel wie Weizen. Das traf vor
allem die Entwicklungsländer sehr hart. Diese hatten vorher schon gegen
den Hunger zu kämpfen. Da islamische Banken aus religiösen Gründen
ohne Zins arbeiten mussten, waren sie vom Platzen der Blase am wenigsten
betroffen. Die meisten Banken wurden durch staatliche Hilfe gerettet. Um
sich dieses Geld für die Bankenrettung zu beschaffen, mussten sich die
Staaten gerade bei diesen Banken als Kreditnehmer verschulden, weil diese
Banken dieses neue Geld schöpfen durften!
Im Dezember 2009 fand ein Klimagipfel in Kopenhagen statt. Die Nationen
waren sich damals bereits bewusst, dass die globale Erwärmung vom
Menschen verursacht war. Trotzdem wurden keine verbindlichen
Vereinbarungen getroffen, wie die Massnahmen gegen die globale
Erwärmung aussehen sollen ab 2012, wenn der Vertrag von Kyoto aus dem
Jahre 1997 ausläuft. In diesen Vereinbarungen wurden verbindliche Ziele
der Verringerung des Ausstosses von Treibhausgasen definiert. Der
Schwerpunkt in der Umsetzung lag auf dem Clean Development Mechanism
(CDM), welcher definiert, wie man mit den Emissionen von Treibhausgasen
wie CO2, Methan und FKW handeln kann. Verursacher von Treibhausgasen
konnten die Emissionen rechnerisch kompensieren lassen mittels Kauf von
Zertifikaten. Mit diesen Zertifikaten wurden Projekte finanziert, welche den
Anstieg des Treibhausgas-Ausstosses verringerten, indem zum Beispiel ein
Wasserkraftwerk anstatt eines Kohlekraftwerks gebaut wurde. Doch unter
dem Strich konnte das System des CDM den Ausstoss von Treibhausgasen
nicht verringern. Die Ziele von Kyoto wurden 2012 nicht erreicht.
Im ersten Jahrzehnt hatte sich das Internet massiv verbreitet. Es war ein
globales Netzwerk von Computern, über das sich Informationen rasant
verbreiten konnten. Die drahtlose Kommunikation wurde in den
Industriestaaten zu einer Selbstverständlichkeit. Man fürchtete sich jedoch
vor den gesundheitlichen Auswirkungen der Antennen für die mobile
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Telefonie. Beim Hausbau begann sich der Gebrauch von nachhaltigen
Energiequellen wie Wärmepumpen und Solarzellen zu verbreiten. Doch
Wärme aus Erdöl oder Erdgas und Strom aus Atom- und Kohlekraftwerke
waren nach wie vor die Hauptenergiequellen.
2010-2020: letzte Wachstumsphase
Die Weltbevölkerung im Jahr 2010 umfasste 7 Milliarden Menschen. Davon
lebten 1 Milliarde in den Industrieländern, 4 Milliarden in den
Schwellenländern und 2 Milliarden in den Entwicklungsländern. Die
Bevölkerung in den Schwellenländern ist seit 2000 gewachsen, während das
Wachstum in den anderen Ländern stagnierte.
Seit dem zweiten Weltkrieg im 20. Jahrhundert bis ins 21. Jahrhundert hinein
wurde das Wirtschaftswachstum als Naturgesetz verehrt. Politiker von links
bis rechts befürworteten 3% Wachstum pro Jahr. Die linken Politiker
glaubten, das Wachstum helfe gegen die Arbeitslosgikeit. Die rechten
Politiker glaubten, das Wachstum führe zu mehr Reichtum. Das
renditeorientierte Finanzsystem hatte die Realwirtschaft zum Wachstum
gezwungen. Die Auswirkungen des Wachstums waren ständig steigender
Energieverbrauch, stetige Verbauung von Grünflachen durch Strassen und
Häuser, immer mehr Lärm, Luftverschmutzung und Unfälle durch den
Verkehr, steigende Abfallberge, steigender Ausstoss von Treibhausgasen.
Ein Wachstum von 3% im Jahr bedeutet eine Verdoppelung alle 24 Jahre.
Das ist ein exponentielles Wachstum. Ein solches Wachstum kann rein
mathematisch nicht ewig andauern. Die Erde ist begrenzt. Es war eigentlich
offensichtlich, dass das Wirtschaftswachstum irgendwann zum erliegen
kommen musste. Trotzdem verharrten die Menschen noch sehr lange im
Glauben an das ewige Wachstum. Erklären kann man sich dies mittels der
Psychologie. Es gibt 3 Faktoren, welche die Menschen der Vernunft
berauben können: Gier, Bequemlichkeit und Beeinflussbarkeit. Die reiche
regierende Oberschicht war besessen von der Gier, mehr Geld zu
verdienen, ohne Rücksicht auf Umwelt und Mitmenschen. Die grosse
Mittelschicht war zu bequem und zu beeinflusst durch die Propaganda der
Medienmogule, um sich zu besinnen. Vor allem in den USA (Medienmogul
Murdoch) und in Italien (Regierungschef Berlusconi) wurden die Menschen
nur noch aus einer Hand informiert. Aus diesen Gründen wurde nicht
erkannt, dass die Arbeitslosigkeit besser mit einer Verteuerung der
Produktionsfaktoren Kapital und Energie zu beseitigen gewesen wäre statt
mit Wachstum. Die Geldschöpfung hätte nur für die staatlichen
Zentralbanken erlaubt sein dürfen. Kapitalgewinne hätten viel mehr
versteuert werden müssen. Energie hätte durch eine Ökosteuer verteuert
werden müssen. Dann wäre der Produktionsfaktor Arbeit wieder besser
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gestellt gewesen. Mit den Mehreinnahmen durch diese Steuern hätte der
Staat mehr Massnahmen gegen die Armut und die Umweltverschmutzung
ergreifen können.
Es herrschten irrationale Ängste. Als zum Beispiel die Schweinegrippe
weltweit tausend Todesopfer forderte, geriet die ganze Welt in Panik. Man
übersah dann gerne, dass zum Beispiel im Verkehr weltweit jährlich eine
Million Menschen bei Unfällen starben. Man hatte grosse Angst vor
Terroranschlägen, die jährlich mehrere hundert Todesopfer forderten. Doch
gegen den Hunger, der jährlich mehrere Millionen Menschen in den Tod zog,
wurde nichts getan. Man hatte Angst vor zu vielen Ausländern im eigenen
Land, weil der Anteil Ausländer an der Kriminalität höher war als der Anteil
der eigenen Bevölkerung. Doch diese „Ausländer-Kriminalität“ verursachte
einen sehr kleinen Schaden im Vergleich zu den vielen Kriegen, die durch
die Industrienationen angezettelt wurden. In den Schwellenländern war das
Wachstum zu Beginn des 21. Jahrhunderts besonders stark. Profitieren
konnte aber nur die reiche Oberschicht. Die Mehrheit der Bevölkerung in
China und Indien blieb bettelarm. Das Bevölkerungswachstum fand vor
allem in Schwellenländerm wie China und Indien statt, was dort zu einer
massiven Zunahme des Verkehrs und des Energieverbrauchs führte.
Es entstand in der Menschheit langsam ein Umweltbewusstsein. Die
Menschen dachten, mit „Green Lifestyle“ könne man die ökologischen
Probleme lösen. Sie kauften immer mehr biologische Lebensmittel. Sie
begannen, mit Bodenwärme zu heizen und Solarstrom zu benutzen.
Elektroautos begannen langsam die Verbrennungsmotoren zu verdrängen.
Die öffentlichen Verkehrsmittel wurden zwar ausgebaut, doch für den
Ausbau des privaten motorisierten Verkehrs wurde noch mehr Geld
aufgewendet. Und auch die öffentlichen Verkehrsmittel benötigten Energie
und verursachten ebenfalls Abgase und Lärm, wenn auch in kleinerem
Ausmass wie Autos und Lastwagen. Die Menschen realisierten nicht, dass
Technik alleine nicht genügt für die Lösung der Umweltprobleme. Sie wollten
ihre Lebensweise nicht ändern. Konsum, Mobilität und Luxus wurden nicht in
Frage gestellt. Die Regenwälder in Brasilien, Kongo und Indonesien wurden
praktisch vollständig abgeholzt, einerseits um Möbel herzustellen, anderseits
um Flächen für Rinder- und Shrimps-Zucht, Sojaplantagen und BiodieselHerstellung zu schaffen. Es wurden laufend neue Autostrassen gebaut, weil
die Anzahl Kilometer, die ein Mensch pro Tag zurücklegte, immer grösser
wurde. Die Menschen sehnten sich nach immer grösseren Wohnungen, so
dass immer mehr Grünflächen durch Siedlungen verbaut wurden. In den
Industrieländern schwelgten die meisten Leute im Luxus. Es galt als völlig
normal, dass man ein Auto, einen Kühlschrank, eine Waschmaschine, einen
Backofen, einen Mikrowellenofen, einen Herd, eine Stereoanlage, einen
Computer, einen Fernseher und ein mobiles Telefon besass. Fliessend
warmes Wasser und Strom aus der Steckdose waren der Standard. Viele
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Familien konnten sich eine Zweitwohnung im Grünen leisten, um dort 4
Wochen im Jahr Ferien zu verbringen. Viele Menschen flogen einmal jährlich
um die halbe Erde in die Ferien und empfanden das als ganz
selbstverständlich. Die Menschen beschäftigten sich lieber mit Fussball und
Parties als miteinander über Probleme und Politik zu reden.
Die Hauptursache des Kollapses im 21. Jahrhundert war die globale
Erwärmung. Rund die Hälfte des anthropogenen Treibhauseffekts wurde
durch CO2 verursacht. Für die andere Hälfte waren hauptsächlich Methan
und FKW verantwortlich. Methan enstand bei der Rinderzucht und beim
Reisanbau. FKW wurde freigesetzt beim Entsorgen von Klimaanlagen,
Kühlschränken und Isolierschaum. CO2 enstand im Verkehr, in Heizungen
und in Kohlekraftwerken. Das Eis am Südpol besteht aus Schichten, welche
zum Teil mehrere hunderttausend Jahre alt sind. Mit Bohrungen konnten
uralte Eisstücke geborgen und chemisch untersucht werden. So wurde
ermittelt, wie sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre in den letzten 300'000
Jahren entwickelt hat. Er war während dieser langen Zeit noch nie so hoch
wie im Jahr 2020. Kein Wunder, hat doch der Mensch innert wenigen
Jahrzehnten den ganzen Kohlenstoff, der während Millionen von Jahren
langsam aus der Luft entnommen und als Erdöl oder Kohle im Boden
eingelagert wurde, in die Atmosphäre ausgestossen. Die Folgen davon
waren katastrophal. Die Eisberge am Nord- und am Südpol sowie in
Grönland schmolzen, so dass der Meeresspiegel stieg. Riesige, zum Teil
stark besiedelte Gebiete drohten bald unter Wasser zu sein, wie zum
Beispiel Bangladesh, Holland, die ganze amerikanische Ostküste, Japan,
Südaustralien und viele Inseln im Pazifik. Die Stürme und Dürreperioden
wurden zahlreicher und heftiger. Die Landwirtschaft wurde immer mehr in
Mitleidenschaft gezogen, Nahrungsmittel wurden allmählich knapper, da die
Anzahl Missernten wuchs. In den Alpen stieg die Permafrost-Grenze. Das
Eis, welches früher Felsen und Geröll zusammengehalten hat, schmolz, so
dass es vermehrt zu Erdrutschen und Bergstürzen kam. Die Berggebiete
wurden immer weniger gut bewohnbar.
Die Ozonlöcher über den Polen der Erde vergrösserten sich im 21.
Jahrhundert immer weiter, obwohl der Ozonfresser FCKW, welcher in
Sprays, Kühlschränken und Schaumstoffen benutzt wurde, seit 1990
gemäss Protokoll von Montreal verboten war. Die FCKW benötigten 10-30
Jahre, bis sie seit dem Ausstoss auf der Erde zur Ozonschicht gelangten.
Darum begann die FCKW-Konzentration erst jetzt langsam wieder zu
sinken. Ein weiterer Grund war, dass auch die Ersatzstoffe von FCKW, also
die FKW, mitschuldig waren am Ozonloch. In Neuseeland, Chile, Australien,
Südafrika und Skandinavien stieg die Anzahl Hauterkrankungen auf Grund
der intensiveren Sonneneinstrahlung durch die Ozonlöcher.
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Wurden Telefon, Internet und Fernsehen zu Beginn des Jahrhunderts noch
durch verschiedene Kabel betrieben, flossen die Daten im Jahr 2020
einheitlich über das Internet. Innerhalb von Häusern erfolgte die Anbindung
der Geräte ans Internet meistens über die Luft, also kabellos. Intelligente
Karten, sogenannte RFID-Chips, waren weit verbreitet bei Zutrittskontrollen
und beim Einkaufen. Die Bürger wurden immer mehr überwacht:
Konsumverhalten, Mobilitätsverhalten, Krankheitsgeschichte, Strafregister
und das Verhalten im Internet wurden verknüpft und einsichtbar durch den
Staat und durch mächtige Firmen.
Die Nanotechnologie wurde immer breiter eingesetzt. Sie wurde in vielen
Produkten angewendet, wie zum Beispiel Abwaschmittel und
Sonnenschutzmittel. Das versprach Gewinne für die Hersteller, verseuchte
aber die Gewässer, weil die Nanopartikel nicht in den Kläranlagen gefiltert
werden konnten. Diese kleinen Teile verursachten Erkrankungen beim
Menschen. Weil es immer mehr elektrisch betriebene Autos gab, wurden
wieder vermehrt neue Atomkraftwerke gebaut, obwohl nach wie vor keine
Lösung für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle vorhanden war und die
Uran-Vorräte schrumpften.
2020-2030 Kollaps Phase 1: Das Wachstum stoppt
Die Weltbevölkerung im Jahr 2020 umfasste 8 Milliarden Menschen. Davon
lebten 1 Milliarde in den Industrieländern, 5 Milliarden in den
Schwellenländern und 2 Milliarden in den Entwicklungsländern. Die
Bevölkerung in den Schwellenländern ist in den letzten 10 Jahren nochmals
gewachsen, während das Wachstum in den anderen Ländern weiterhin
stagnierte.
Das Jahr 2021 war wohl der höchste „Peak“ der menschlichen Zivilisation.
Soviele Menschen und soviel Wohlstand gab es wahrscheinlich sonst nie in
der Geschichte. Es gab immer wieder einzelne Reiche, welche immer
grösser wurden, in Luxus und Dekadenz schwelgten, irgendwann einen
Peak hatten, und danach einen Kollaps. Beispiele sind die alten Römer, die
Mayas, die Azteken, oder die Osterinsel. Doch der Peak und der darauf
folgende Kollaps waren diesmal global. Das war neuartig in der Geschichte
der Menschheit.
Die Nahrungsmittel waren schon immer knapp in den Entwicklungsländern.
Jetzt begannen sie auch knapp zu werden in den Schwellen- und
Industrieländern. Die Gründe waren vielfältig. Der Klimawandel verursachte
zahlreichere und heftigere Stürme und Dürrekatastrophen als früher, so dass
riesige Flächen der Landwirtschaft vernichtet wurden. Die intensive
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Landwirtschaft führte dazu, dass der Boden immer mehr erodierte und
dadurch weniger fruchtbar wurde. Die Böden waren zudem immer mehr
kontaminiert durch gentechnisch veränderte Organismen und durch
Pestizide aus der Schädlingsbekämpfung. Dass immer mehr
landwirtschaftliche Flächen in den Industrieländern umgewandelt wurden in
Strassen und Siedlungen, trug ebenfalls einen Teil bei zur
Nahrungsmittelknappheit. Nicht nur auf dem Land, auch im Meer wurden die
Lebensmittel knapp. Die industrielle Fischerei hatte die Weltmeere praktisch
leergefischt. Es gab fast keine Meeresprodukte mehr zu kaufen. Ein weiterer
Grund für den Hunger war der exponentielle Anstieg der Weltbevölkerung.
Irgendwann musste der Zeitpunkt kommen, wo die Fläche der Erde nicht
mehr reicht für alle. Die Weltbevölkerung begann ab dem Jahr 2021 auf
Grund des globalen Hungers wieder abzunehmen. Am meisten betroffen
waren
zuerst
die
Entwicklungsländer
und
die
ärmeren
Bevölkerungsschichten in den Schwellen- und Industrieländern. Wenn der
Reichtum gleichmässiger auf alle Menschen verteilt gewesen wäre, dann
hätte der Nahrungsmittelmangel weniger Opfer verursacht. Doch der
Neokonservativismus und der Neoliberalismus hatten zu Beginn des
Jahrhunderts die Armutsschere zwischen den Nationen und innerhalb der
Nationen drastisch vergrössert.
Gleichzeitig zur Nahrungsmittelknappheit wurden auch Erdöl und Erdgas
knapp. Die Menge, die weltweit gefördert wurde, war immer noch etwa
dieselbe wie zur Jahrtausendwende, doch die Nachfrage war viel grösser,
da vor allem China und Indien einen dramatisch steigenden Bedarf hatten.
Die Preise für Energie und Lebensmittel stiegen drastisch. Es war plötzlich
nicht mehr selbstverständlich in den Industrieländern, dass in den Läden die
Regale immer voll waren. Lebensmittel und andere Konsumgüter wie Kleider
und Geräte waren Mangelware geworden. Länder, die früher Lebensmittel
exportierten, wie die USA oder Frankreich, stoppten den Export, um ihren
Eigenbedarf zu decken. Länder, die abhängig von Nahrungsmittel-Importen
waren, bekamen nun Riesenprobleme. Das betraf Länder wie Australien,
Saudi-Arabien, Israel oder die Schweiz. Auch das Wasser wurde knapp.
Länder wie Spanien, Israel, Saudi-Arabien, Texas oder Kalifornien hatten
grösste Probleme mit der Wasserversorgung. Länder, die Rohstoffe
exportierten, tauschten ihre Ware nur noch gegen Lebensmittel und Wasser.
Russland exportierte Uran und Gas, Saudi-Arabien exportierte Erdöl, Nigeria
und Australien diverse Metalle. Die Automobil-Industrie war sich schon lange
bewusst gewesen, dass der erdölbasierte Verbrennungsmotor durch neue
Technologien ersetzt werden muss. So verbreiteten sich Elektromobile und
mit Wasserstoff betriebene Autos immer mehr. Dies hatte zur Folge, dass
der Stromverbrauch rapid anstieg. Der Strompreis stieg gewaltig. Immer
häufiger fiel der Strom aus. Beim Hausbau setzte man vermehrt auf
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Bodenwärme, welche durch Pumpen ins Haus befördert wurde. Doch diese
Pumpen waren strombetrieben und funktionierten nicht mehr zuverlässig.
Die steigenden Energiepreise wirkten sich auf die ganze Wirtschaft aus. Sie
waren mitverantwortlich für die Inflation und für den riesigen Kollaps der
gesamten Weltwirtschaft im Jahr 2028. Die Anzahl Gütertransporte quer
durch die Welt mittels Flugzeugen, Schiffen, Lastwagen und Bahnen nahm
rapide ab. Bargeldloses Bezahlen, Geldautomaten, Kreditkarten und
Internet-Banking funktionierten nicht mehr, da der Strom zu teuer war und
die Banken aus finanziellen Gründen nicht mehr daran interessiert waren.
2030-2040: Kollaps Phase 2: Kriege zwischen Staaten
Die Weltbevölkerung im Jahr 2030 umfasste 7 Milliarden Menschen. Davon
lebten 1 Milliarde in den Industrieländern, 4 Milliarden in den
Schwellenländern und 2 Milliarden in den Entwicklungsländern. Die
Bevölkerung in den Schwellenländern ist seit 2020 kleiner geworden,
während die Anzahl Menschen in den anderen Ländern gleich blieb.
Aufgrund der Strom-Knappheit standen Internet, Telefonie und Fernsehen
nicht mehr zuverlässig zur Verfügung, sowohl über die Luft als auch durch
das Kabel. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften gab es nur noch wenige.
Man musste sich wieder wie 100 Jahre früher übers Radio informieren. Funk
funktionierte weiterhin. Jetzt zahlte es sich aus, wenn man vorgesorgt hat,
indem man die Häuser mit autarker Energieversorgung ausgerüstet hat.
Gebäude mit Solarzellen auf dem Dach und entsprechenden Akkus hatten
nach wie vor zuverlässig Strom zur Verfügung für das wichtigste wie Licht,
Radio, Kochherd und Kühlschrank. Gebäude, welche Warmwasser und
Heizkörper
mittels
Sonnenkollektoren
oder
solarstrombetriebener
Wärmepumpe aufheizten und über eine gute Isolation verfügten, waren nicht
betroffen von der Knappheit des Erdöls und Erdgases. Die Mehrheit der
Bevölkerung in den Industrie- und Schwellenländern wohnten immer noch in
mit nicht-erneuerbaren Energien betriebenen Häusern. Diese mussten
vermehrt frieren im Winter und auf Warmwasser verzichten, da Erdöl und
Erdgas nicht mehr beliebig zur Verfügung stand. Die Menschen heizten
wieder vermehrt mit Holz. Die Wälder wurden dadurch in Mitleidenschaft
gezogen. Autofahren wurde wieder zum Luxus, da sich der Preis für
Kraftstoff gigantisch erhöhte. Erdöl wurde daher nur noch für lebenswichtige
Dinge gebraucht, zum Beispiel für den Betrieb von Traktoren in der
Landwirtschaft oder für das Herstellen von Kunststoffen für wichtige Geräte.
Der Verkehr nahm überall signifikant ab. Es wurden viel weniger Waren
transportiert als noch vor einem Jahrzehnt. Die Nationen stellten ihre
Produkte wieder vermehrt selbst her. Es wurde viel weniger exportiert und
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importiert. Bis zum Peak im Jahr 2021 stieg der Anteil der im
Dienstleistungssektor arbeitenden Menschen laufend, und in den Sektoren
Landwirtschaft und Industrie/Handwerk nahm er laufend ab. Dieser Trend
war nun wieder rückläufig. Da der Produktionsfaktor Energie teurer wurde im
Vergleich zur Arbeit, und der Produktionsfaktor Kapital ebenfalls drastisch
schwand, wurde manuelle Arbeit wieder attraktiver, und die Menschen waren
wieder vermehrt in der Landwirtschaft und im Handwerk tätig. Um den
Nahrungsmittelengpass zu bekämpfen, war es auch dringend nötig, dass
mehr Menschen wieder beim Anbau von Nahrungsmitteln tätig waren. Für
diese Arbeit war auch das Pendeln zwischen Wohnort und Arbeitsort viel
weniger nötig. Man arbeitete in der Nähe von zuhause.
Die globale Erwärmung hatte in den Berggebieten dazu geführt, dass die
Gletscher verschwindend klein geworden sind. Früher dienten die Gletscher
als Ausgleich während Trockenperioden. Flüsse führten dank Gletscher
auch dann Wasser, wenn es lange nicht mehr geregnet hatte. Doch jetzt
fliesst bei mehrwöchigen Schönwetterperioden fast kein Wasser mehr in den
Flüssen. Es ist nun nicht mehr selbstverständlich in den Industrieländern,
dass Wasser einfach vom Wasserhahn fliesst. Die Wasserqualität ist
gesunken, da Gewässer und Grundwasser durch Nanopartikel und sonstige
Gifte aus Industrie und Landwirtschaft verseucht wurden. Die Kläranlagen
wurden ausser Betrieb gesetzt, da die Energie für den Betrieb zu teuer war
und keine Arbeitskräfte mehr zu finden waren.
In diesem Jahrzehnt begannen die Ressourcen-Kriege zwischen den
Nationen. Die Verteilung der Ressourcen wie Erdöl, Metalle, Wasser und
Lebensmittel konnte nicht diplomatisch festgelegt werden. Russland, China,
Indien und die USA waren die Hauptbeteiligten in den Kriegen. Der Auslöser
der Kriege waren der Anspruch Russlands, das Erdöl in der Arktis zu
erschliessen, und der Anspruch der USA, die Antarktis auszubeuten. Diese
Gebiete gehörten eigentlich keiner Nation an. Diese Kriege verursachten
viele Todesopfer in den Industrie- und Schwellenländern. Die Kriege waren
wie schon immer in der Geschichte der Menschheit auch kulturell bedingt.
Man wollte andersartige Kulturen und Religionen bekämpfen. Es wurden
neue Kriegstechnologien eingesetzt. Einerseits versuchte man das Wetter
im feindlichen Gebiet zu beeinflussen, anderseits versuchte man, die
elektronische Infrastruktur des Feinds mittels Hackerangriffen über das
Internet lahmzulegen.
Es war auch das Jahrzehnt der Flüchtlinge. Der steigende Meeresspiegel
überschwemmte weite Teile Hollands, der US-Ostküste, China, Bangladesh
und unzählige Inseln in Indonesien und im Pazifik. Die Erdrutsche in den
Bergen vertrieben die Menschen aus den Alpen, aus Nepal und aus den
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Rocky Mountains. Ausgetrocknete Gebiete waren ebenfalls nicht mehr
bewohnbar, wie Kalifornien, Texas, Mexiko, Israel, Saudiarabien, Spanien
und ganz Mittelafrika. Flüchtlinge flohen auch aus radioaktiv und toxisch
verseuchten Gebieten, also aus Frankreich, England, Russland und China.
Auf Grund des Ozonlochs flohen die Menschen auch aus Neuseeland,
Australien, Chile, Australien und Südafrika. Skandinavien und England
wurden unwirtlich, weil der Golfstrom schwächer wurde. Die Flüchtlinge
strömten nach Zentraleuropa und nach Nordamerika. Diese Flüchtlinge
akzeptierten es eher als die Einheimischen, manuelle Arbeit zu verrichten.
Dadurch gewöhnten sie sich schneller an die neue Situation, wieder mehr in
der Landwirtschaft und im Handwerk tätig zu sein, statt den ganzen Tag im
Büro vor dem Computer zu sitzen. Viele Einheimische weigerten sich trotz
Arbeitslosigkeit zur Selbstversorgung zu wechseln. Viele Länder schlossen
ihre Grenzen, um die Flüchtlingsströme zu stoppen. Dadurch enstand in den
Zufluchtsnationen neuer Terrorismus. Flüchtlinge, die es geschafft hatten, in
die noch intakten Gebiete zu kommen, rächten sich für ihre Angehörigen, die
nicht hereingelassen wurden.
Die Inflation stieg ins unermessliche. Musste man im Jahr 2025 in
Deutschland für ein Kilo Brot drei Euro bezahlen, betrug der Preis im Jahr
2035 dreitausend Euro! Immobilien in von Naturkatastrophen unberührten
Gebieten und Edelmetalle behielten jedoch ihren Wert. Die
Hypothekarzinsen stiegen in schwindelerregende Höhen. Die Hausbesitzer
mit Hypotheken konnten die Zinsen nicht mehr bezahlen und wurden
enteignet. Altersvorsorgekonten und Renten aus Lebensversicherungen,
welche die Menschen jahrzehntelang gespart hatten, waren nichts mehr
wert.
2040-2050: Kollaps Phase 3: Staatszerfall, Anarchie
Die Weltbevölkerung im Jahr 2040 umfasste 4 Milliarden Menschen. Davon
lebten 1 Milliarde in den Industrieländern, 2 Milliarden in den
Schwellenländern und 1 Milliarde in den Entwicklungsländern. Die
Bevölkerung in den Schwellenländern und Entwicklungsländern ist seit 2030
massiv kleiner geworden, während die Anzahl der Menschen in den
Industrieländern stabil blieb.
Da zuwenig Nahrungsmittel und Energieressourcen zur Verfügung standen,
zerbrach schliesslich der Rechtsstaat in globalem Ausmass. In allen
Nationen herrschte Anarchie, es galt das Faustrecht. Diesen Zustand kannte
man früher schon aus einzelnen Entwicklungsländern. Diesmal war der
Zustand global. Verträge wurden nicht mehr eingehalten. Arbeitsverträge
waren nicht mehr gültig. Eigentumsansprüche wurden ignoriert.
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Nahrungsmittel wurden aus den Läden geplündert. Das Geld auf
Bankkonten und aus der Altersvorsorge war nicht mehr verfügbar. Geld war
nicht mehr gültig. Es begann die Zeit des Tauschhandels. Lebensmittel
wurden getauscht gegen Werkzeuge oder Edelmetalle. Der Service Public
wurde nicht mehr gewährleistet. Das heisst, die öffentlichen Schulen, die
öffentlichen Verkehrsmittel, die Spitäler, die Strom- und Wasserversorgung,
Kläranlagen, Müllabfuhr, Telekommunikation und Post stellten ihre Dienste
ein. Polizei gab es ebenfalls nicht mehr. Die Sicherheit vor
Umweltverschmutzung, Atomkraftwerken und Atomwaffen verringerte sich
massiv, da keine Kontrollen mehr gemacht wurden. Es gab zu diesem
Zeitpunkt fast keine Transporte von Gütern mehr zwischen den Regionen
und Ländern. Die Menschen reisten praktisch nicht mehr umher. Züge,
Schiffe und Flugzeuge wurden nicht mehr betrieben. Autos und Lastwagen
wurden nur noch selten benutzt.
In ländlichen Gebieten, welche noch ausreichend mit Wasser versorgt
waren, stand noch genug Nahrung zur Verfügung, sofern diese Gebiete
noch intakt und unbesetzt waren nach den Kriegen, und unversehrt vor
radioaktiver Verseuchung und Klimakatastrophen. Die Ernte wurde direkt
dort verarbeitet, wo sie gewonnen wurde. Die Globalisierung wurde nun
endgültig durch die Regionalisierung ersetzt. Die Waren wurden wieder
regional hergestellt, wie zum Beispiel Werkzeuge, Geräte, Kleidung,
verarbeitete Nahrungsmittel. Aus früheren Jahren existierende Werkzeuge
und Geräte wurden immer wertvoller, da sie nicht mehr hergestellt wurden.
Viele dieser ländlichen Regionen versuchten, energetisch autark zu werden.
Sie erzeugten Wärme für die Heizkörper und für das Warmwasser mittels
Solar- und Erdwärme und Holz. Die Elektrizitätsversorgung wurde mit
Solarzellen auf den Dächern sichergestellt. Erdöl, falls noch vorhanden,
wurde nur noch für Traktoren verwendet. Ansonsten wurde wieder mit Hilfe
von Pferden oder von Hand gesäät, gepflügt und geerntet. Regenwasser
wurde in Tonnen gesammelt, das Abwasser wurde für das Düngen der
Felder verwendet.
In den Städten herrschte akute Hungersnot, es gab viel Gewalt, es herrschte
Bürgerkrieg. Wenn es darum geht, fürs eigene Überleben zu kämpfen,
gehen die Menschen über Leichen. Auf Grund der mangelnden Hygiene
verbreiteten sich Krankheiten rasch. Das Volk versuchte, sich mittels
Plünderungen von Läden oder auch von ländlichen fruchtbaren Gebieten
über Wasser zu halten. Es bildeten sich bewaffnete Gruppierungen,
angeführt durch Warlords. Herrenlose hungrige Hunde bildeten Rudel und
fielen über die Menschen her. Die reiche regierende Oberschicht erreichte
es, dass das Militär ihr treu blieb. Sie versprach den Soldaten genügend
Nahrung. Mit Hilfe des Militärs erstellte sie Sperren an den Stadtgrenzen,
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erliess Ausgangsverbote, und schlug Revolten gnadenlos nieder. Den
Regierungen
wurde
bewusst,
dass
die
Nahrungsmittel
und
Energieressourcen nicht für alle reichen. Daher begingen sie Massenmorde
an der Stadtbevölkerung. Solche Fälle sah man schon Jahre früher bei
vereinzelten Völkern, wie z.B. in Haiti, Darfur oder Ruanda, oder auch noch
früher beim Holocaust oder dem Kollaps auf der Osterinsel. Die ländlichen
intakten Zonen wurden von den Regierungen gezwungen, einen Teil der
Ernte abzugeben. Ansonsten wurden sie bewusst in Ruhe gelassen, weil die
Machthaber genau wussten, dass so ein Maximum an Nahrung für sie
gewonnen werden kann. Wenn sie diese ländlichen Gebiete bekämpft
hätten, dann hätte dort keine Nahrung mehr angebaut werden können. Die
reiche Oberschicht wäre selber verhungert. Zum Teil rüsteten sich diese
ländlichen Regionen mit Waffen und hohen Zäunen mit Stacheldraht auf, um
sich zu wehren gegen die Erpresser. Es gab auch immer wieder hungrige
Plünderer aus den Stadtgebieten, welche die Militärgewalt überlebt hatten
und in den ländlichen Regionen Zuflucht suchten, jedoch dort mit Gewalt
bekämpft wurden.
2050-2060: Aufbau nach dem Kollaps
Die Weltbevölkerung im Jahr 2050 umfasste 1.5 Milliarden Menschen.
Davon lebten eine halbe Milliarde in den Industrieländern, eine halbe
Milliarde in den Schwellenländern und eine halbe Milliarde in den
Entwicklungsländern. Die Bevölkerung ist weltweit reduziert worden in den
letzten 10 Jahren.
Mitte des 21. Jahrhunderts waren die Städte menschenleer. Das Leben fand
in den ländlichen autarken Gebieten statt. Nationen und Länder gab es nicht
mehr. Die Menschen fühlten sich kleineren Regionen zugehörig. Diese
Regionen stabilisierten sich allmählich. Die Gewalt nahm ab, da in den
letzten Jahren die Mehrzahl der Menschen verhungert oder getötet worden
ist. Die meisten Opfer stammten aus den Unter- und Mittelschichten. Es gab
nun genügend Nahrung für die Überlebenden. Die Städte wurden innert
wenigen Jahren überwuchert durch die Pflanzenwelt, und wilde Tiere
bevölkerten sie. Die Menschen aus den ländlichen Regionen versuchten
nun, Teile der Städte wieder bewohnbar und landwirtschaftlich nutzbar zu
machen. Zum Teil gelang es ihnen, gewisse Fabriken wieder in Betrieb zu
setzen, zum Beispiel für die Herstellung von Werkzeugen und Kleidern. Die
Autobahnen standen unbenutzt in der Gegend herum und zerbröckelten
langsam. Die küsten- und gebirgsnahen Gebiete blieben unbewohnbar
wegen den Auswirkungen der globalen Erwärmung. Viele weitere Gebiete
sind durch Dürre oder Stürme oder auch durch radioaktive oder toxische
Verseuchung nicht mehr nutzbar. Auch die Entwicklungsländer erholten sich
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von den Hungersnöten in den letzten 100 Jahren, da es keine ausbeutenden
Industrieländer mehr gab. Es gab keine Kapitalflucht mehr durch
Steuerhinterziehung. Es gab keine multinationalen Firmen mehr, welche
wertvolle Ressourcen aus den Entwicklungsländern abführten. Die
Unterschiede zwischen arm und reich waren wieder kleiner geworden,
sowohl zwischen den Regionen als auch innerhalb der Regionen.
Die Menschen veränderten ihr Verhalten schnell, um sich an die neue
Situation anzupassen. Das Klima hat sich verändert. Die Arbeit wurde neu
definiert. Die Mobilität war kein Menschenrecht mehr. Es gab einen regen
Tauschhandel innerhalb der Regionen, zum Teil begann man auch mit
anderen Regionen zu handeln. Es wurde neues Geld eingeführt,
hauptsächlich regionales Geld, welches innerhalb einer oder mehreren
Regionen galt. Es gab eine Mischung aus mittelalterlichen und neuzeitlichen
Technologien. Kleidung wurde wieder mit Webstühlen und Nähmaschinen
hergestellt, hauptsächlich mittels Leinen aus Flachs. Schuhe wurden
ebenfalls wieder selber genäht. Nahrungsmittel wurde von Hand zubereitet.
Es wurde hauptsächlich Kartoffeln, Getreide, Gemüse, Obst, Eier und
Hühnerfleisch gegessen. Oft wurden Kochkisten verwendet, in welchen die
Speisen lange auf niedriger Hitze garen konnten. Der Kühlschrank wurde
nur noch selten benutzt. Die meisten Lebensmittel wurden im Keller
gelagert. Eingemacht, getrocknet oder gepökelt hält die Nahrung genauso
gut wie tiefgekühlt. Es wurden nur samenfeste Sorten für den Anbau
verwendet. Das sind Sorten, bei denen ein Teil der Ernte als Saatgut für die
nächste Periode verwendet werden kann. Hybride Sorten, bei denen die
Bauern jede Periode wieder neues Saatgut kaufen müssen, gab es nicht
mehr, da es keine Saatgutindustrie mehr gab. Die Bauern achteten wieder
auf einen geschlossenen Nährstoffkreislauf, da sie keinen Dünger mehr von
extern kaufen konnten. Traktoren wurden selten eingesetzt, da praktisch
kein Erdöl mehr vorhanden war. Getreide wurde vom lokalen Müller mit Hilfe
von Solarstrommühlen zu Mehl verarbeitet. Häuser, Ställe und Lagerhäuser
wurden aus Lehm, Stroh und Holz gebaut statt aus Beton und Backsteinen.
Wäsche wurde mit Waschmaschinen gewaschen, die sparsam mit Strom
und Wasser umgegangen sind. Man wechselte die Kleider wieder weniger
oft. Werkzeuge wurden vom örtlichen Schmied hergestellt. Möbel und
Material für den Hausbau wurden vom regionalen Schreiner zugesägt. Im
Haushalt wurden weniger elektrische Geräte verwendet. Musik wurde wieder
mehr „live“ mit akkustischen Instrumenten gespielt, da Stereoanlagen auf
Grund des Strommangels und mangelnder Produktion neuer
Musikkonserven nur noch sporadisch im Einsatz waren. Kinofilme wurden
durch Kleintheater ersetzt. Medikamente wurden wieder aus natürlichen
Mitteln hergestellt. Geheizt wurde mittels Erdwärme, Sonnenkollektoren und
Holz. Strom war ebenfalls noch vorhanden, allerdings nur noch sparsam. Er
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wurde erzeugt mittels Solarzellen und Windräder. Die Kommunikation über
Funk funktionierte weiterhin, Radio wurde teilweise gesendet. Telefon,
Fernsehen und Internet existierten jedoch international nicht mehr, weder
über das Kabel noch über die Luft. Nur innerhalb von einzelnen Regionen
gelang es, ein lokales Telefonnetz aufzubauen. Die Kinder lernten wieder
mehr direkt bei der Mitarbeit im Alltag der Erwachsenen, anstatt jahrelang im
Schulzimmer zu sitzen und Theorie zu büffeln. Es war das grosse Glück der
Menschen, ausgiebig Literatur zu finden, wie die Lebensweise bis zu Beginn
des 20. Jahrhunderts war. Aus diesen Schriften konnten sie viel Knowhow
ableiten, und vergessen gegangene Techniken wieder aufleben lassen.
2060-2100: Regionalisierte Welt
Die Weltbevölkerung im Jahr 2060 umfasste 1 Milliarde Menschen. Die
Anzahl der Menschen ist seit 2050 weltweit nochmals reduziert worden und
pendelte sich bis zum Jahr 2100 auf diesem Niveau ein.
Die Situation war nun stabilisiert in den bewohnbaren Regionen. Regionen
haben die Grössenordnung von 10'000 Leuten auf einer Fläche von 100
Quadratkilometern. Diese Regionen waren unterteilt in Siedlungen. Eine
Siedlung bestand etwa aus 100 Leuten auf einem Quadratkilometer. Es
wurde wieder gehandelt zwischen den Regionen, und zwar vor allem mit
spezialisierten
Waren
wie
Werkzeuge,
Solarzellen,
Maschinen,
Medikamente, Brillen oder Delikatessen. Die Menschen sind wieder
friedlicher miteinander. Die Lebenserwartung liegt nur noch bei etwa 50
Jahren, im Vergleich zu 80 in den Industrieländern zur Jahrhundertwende.
Das hat folgende Gründe: die Ernährung und die medizinische Versorgung
sind nicht mehr so gut wie vor 50 Jahren. Die Unfallgefahr ist grösser bei der
vermehrt manuellen Arbeit als damals, wo die Mehrheit der Menschen im
Büro arbeitete. Ausserdem sind viele Böden und Gewässer vergiftet, und
das wirkt sich über die Nahrungskette aus auf die Menschen. Die typischen
Nationen vor hundert Jahren und deren Einteilung in Industrieländer,
Entwicklungsländer und Schwellenländer gibt es nicht mehr. Die Erde ist in
viele bewohnbare Regionen eingeteilt, welche alle etwa dieselben
Lebensstandards anbieten. Regionen sind natürlicher als Nationen,
bestehen sie doch meistens aus einem Volk mit einer Kultur. Nationen
bestanden früher oft aus mehreren Völkern und Kulturen, was oft zu
Problemen führte, wie zum Beispiel in den Kriegen im Balkan Ende des 20.
Jahrhunderts. Ein Grossteil der Erde wird jedoch auf lange Zeit hinaus nicht
mehr bewohnbar sein, da radioaktive und toxische Verseuchung,
Wassermangel, Unwetter und Überschwemmungen ein Leben unmöglich
machen.
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Der Mensch besitzt genetisch bedingt Gier, Bequemlichkeit und
Beeinflussbarkeit. Daher entwickelte sich im Verlauf der zweiten Hälfte des
21. Jahrhunderts langsam wieder ein grösserer Unterschied zwischen arm
und reich, sowohl zwischen den Regionen als auch innerhalb der Regionen.
Es gibt nach wie vor kleine Konflikte innerhalb Regionen und auch zwischen
den Regionen, aber nicht mehr mit globalem Ausmass. Machtballungen wie
zu Beginn des Jahrhunderts konnten glücklicherweise nicht mehr entstehen.
Die Bevölkerung besteht nicht mehr aus drei Schichten wie noch vor 50
Jahren.
Seit dem Kollaps werden in den Regionen alle möglichen Gesellschafts- und
Wirtschaftsformen angewendet. Man findet heute kapitalistische Regionen,
wo die Produktionsmittel Privateigentum sind. Man findet auch
kommunistische Regionen, in welchen die Produktionsmittel der
Allgemeinheit gehören. Die Verwaltung der Regionen wird sowohl
marktwirtschaftlich als auch durch Zentralverwaltungen gesteuert. Es gibt
auch Regionen, die Mischformen anwenden. Ein Teil der Infrastruktur gehört
der Allgemeinheit, ein Teil ist im Privatbesitz. Gewisse Dinge werden zentral
geregelt, gewisse werden dem Markt überlassen. Zu Beginn des 21.
Jahrhunderts war die gängige Meinung, dass sich das marktwirtschaftlich
kapitalistische Prinzip durchgesetzt hätte, nachdem 1989 die Mauer in Berlin
gefallen war. Doch heute, im Jahr 2100, ist man sich bewusst, dass es keine
allgemeingültige Aussage geben kann, welches System am besten ist. Auch
bezüglich der Toleranz von verschiedenen zwischenmenschlichen
Beziehungsmodellen wurden im Verlauf des Jahrhunderts Fortschritte
gemacht. Ob lebenslange Liebe, serielle Monogamie, sexuell offene
Beziehungen oder Polyamorie; ob hetero-, bi- oder homosexuell; heute
werden alle Formen, bei denen die Beteiligten gleichberechtigt sind, gelebt.
Es gibt Ende des 21. Jahrhunderts keine Weltreligionen mehr. Christentum,
Islam, Buddhismus, Hinduismus und Judentum hatten vor 100 Jahren eine
grosse internationale Bedeutung. Doch heute gibt es viele verschiedene
regionale Religionen und spirituelle Bewegungen, welche friedlich
nebeneinander existieren. Diese Religionen haben alle eine gewisse
Ähnlichkeit zueinander. Sie sind naturnah, haben keine Dogmen und gehen
davon aus, dass Gott in allem drin ist, und dass es der Sinn des Lebens ist,
Bewusstsein und Vernunft zu spüren, denn dann spürt man Gott. Die
Menschen leben getreu folgender buddhistischen Weisheit: „Wenn der Mond
die Wahrheit ist, dann ist jede Religion ein Finger, der zum Mond zeigt.“
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