Merkblatt Lese- /Rechtschreibstörung (LRS) auf der Sekundarstufe II 1. Begriffsklärung Die WHO definiert in ihrer internationalen Klassifikation ICD-10 die Lese-/ Rechtschreibstörung (abgekürzt LRS) als eine umschriebene Entwicklungsstörung der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten. Sie unterscheidet folgende Erscheinungsformen: • • • Lese-Rechtschreibstörung isolierte Rechtschreibstörung kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten Weitere Begriffe: Dyslexie: Aus dem Griechischen (dys: fehlerhaft, gestört; lexis: Sprache, Rede, Wort), international gebräuchlicher Begriff für eine LRS Legasthenie: lateinisch-griechisch, in der Schweiz gebräuchlich für LRS 2. Symptomatik Rechtschreibprobleme: Hohe Fehlerzahl beim Schreiben von Buchstaben, Wörtern, Sätzen, ganzenTexten Schwierigkeiten beim Abschreiben und selbstständigen Verfassen von Texten Fehler beim mündlichen Buchstabieren Fehlerinkonstanz: Trotz eingehendem Üben werden Wörter verschieden fehlerhaft geschrieben Leseprobleme: Schwierigkeiten, Buchstaben korrekt zu benennen und das Alphabet aufzusagen Auffallend niedrige Lesegeschwindigkeit Startschwierigkeiten beim Vorlesen, Zögern, Verlieren der Zeile im Text, häufiges Stocken Auslassen, Vertauschen oder Hinzufügen von Wörtern oder Wortteilen Ersetzen von Buchstaben, Silben und Wörtern Kein sinnhaftes Betonen Schwierigkeiten bei Doppellauten Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen oder Zusammenhänge zu erkennen Die hohe Fehlerquantität kann grundsätzlich als Leitsymptom betrachtet werden. Die mündliche Sprache dieser Lernenden ist oft unauffällig. -2- 3. Ursachen und Entstehung Ein plausibles Erklärungsmodell für die Entwicklung einer LRS ist dasjenige des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren wie genetische Disposition, Störungen der auditiven und visuellen Wahrnehmung, des Lernens, des Gedächtnisses, und der Einfluss von Umweltfaktoren (z.B. Familie, Schule). 4. Diagnose Eine LRS liegt nach ICD- 10 vor, wenn die Werte der Leistungen in Lesen und Rechtschreibung mindestens zwei Standardabweichungen unterhalb des Niveaus liegen, das aufgrund des chronologischen Alters und der allgemeinen Intelligenz zu erwarten wäre. Die Lesefertigkeit, die Rechtschreibung und der IQ werden in individuell angewandten, standardisierten Tests erfasst. Für die LRS-Diagnose muss ausgeschlossen werden, dass Seh-, Hörschäden oder eine neurologische Krankheit die Ursache ist und keine extremen Unzulänglichkeiten in der Erziehung und Beschulung vorliegen. In der Regel wird die Diagnose einer LRS im Primarschulalter gestellt. In Einzelfällen kann es sein, dass die Problematik immer schon vorlag, aber bis zur Sekundarstufe II aus diversen Gründen nicht entdeckt oder Schwierigkeiten nicht angemessen abgeklärt wurden. Viele Jugendliche, bei denen in der Schulzeit eine Lese-Rechtschreibstörung diagnostiziert und eventuell auch therapiert wurde, werden im Gymnasium oder der Berufsschule von ihren „alten“ Problemen eingeholt. Um eine effektive individuelle Beratung der Lernenden und deren Bezugspersonen zu ermöglichen, ist bei Verdacht auf eine LRS eine aktuelle Diagnostik des Standes der Lese-/Rechtschreibfertigkeiten notwendig. Auch bei Jugendlichen mit einer in der Primarschule diagnostizierten LRS kann auf der Sekundarstufe II wieder Beratungsbedarf entstehen oder muss die Situation erneut beurteilt werden. Abklärende und beratende Stelle für die Sekundarstufe II im Kanton Luzern ist die Schulberatung für Berufsbildung und Gymnasien (SBG). 5. Nachteilsausgleich Grundsätzlich benötigen Lernende, die eine LRS haben, vor allem im schulischen, aber auch im beruflichen Bereich einen individuellen Nachteilsausgleich. Der Nachteil der eine LRS für die Betroffenen mit sich bringt - und für welchen sie nicht verantwortlich sind - soll mit geeigneten Massnahmen gemildert werden. Auf Grund der ursächlichen Wahrnehmungsstörung sowie allfälliger motorischer oder Konzentrations-Defizite bedeutet für Legastheniker Lesen, Schreiben und/ oder Rechtschreiben – in der Muttersprache wie in allen Fremdsprachen – immer eine erhöhte Anstrengung. Es muss zudem beachtet werden, dass eine LRS die Leistung in allen Schulfächern beeinflussen kann. So brauchen Lernende mit ei- Schulberatung für Berufsbidlung und Gymnasien Luzern/ Merkblatt LRS/ Februar 2015 -3- ner LRS ein Vielfaches an Zeit, um Fragen zu lesen und die Problemstellung zu erfassen, Informationen aus Texten aufzunehmen und diese zu verarbeiten, bevor sie eine Lösung erarbeiten können. Auch beim Schreiben benötigen sie mehr Zeit. Es ist in jedem Einzelfall sorgfältig abzuklären, welche Massnahmen als Nachteilsausgleich sinnvoll und angemessen sind. Vorgehen und Massnahmen siehe www.Schulberatung.lu.ch: Merkblatt und Formular Nachteilsausgleich (Berufsfachschulen) Merkblatt "Mögliche Massnahmen/ Unterstützung im Unterricht für Lernende mit Lese-Rechtschreibstörung" Literatur: Monika Lichtsteiner Müller (Hrsg.): Dyslexie, Dyskalkulie. Chancengleichheit in Berufsbildung, Mittelschule und Hochschule. hep-Verlag 2011. Bericht "Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderung in der Berufsbildung". eBook unter: www.berufsbildung.ch/ebook-d. SDBB, Bern 2013. Kontakt: Schulberatung für Berufsbildung und Gymnasien Hirschmattstrasse 25 6002 Luzern [email protected] Tel. 041 228 52 52 Schulberatung für Berufsbidlung und Gymnasien Luzern/ Merkblatt LRS/ Februar 2015