Prof. Dr. Georg Pfleiderer Vorlesung: Was ist der Mensch? Anthropologie und Bioethik in theologischer und philosophischer Perspektive (Ethik des Christentums IV) 6.2. Anthropologie der Aufklärung: Selbstbildung durch Selbstkritik (I. Kant) 6.2.1. Anthropologie in pragmatischer Absicht (1798/1800). In: Immanuel Kant: Werke, hrsg. v. W. Weischedel, Bd. 10. Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik, 2. Teil, 395690. „Von der Gattung gewisser Wesen einen Charakter anzugeben, dazu wird erfordert: daß sie mit anderen uns bekannten unter einen Begriff gefaßt, das aber, wodurch sie sich von einander unterscheiden, als Eigentümlichkeit (proprietas) zum Unterscheidungsgrunde angegeben und gebraucht wird. — Wenn aber eine‘ Art von Wesen, die wir kennen (A), mit einer andern Art Wesen (non A), die wir nicht kennen, verglichen wird: wie kann man da erwarten oder verlangen, einen Charakter des ersteren anzugeben, da uns der Mittelbegriff der Vergleichung (tertium comparationis) abgeht? — Der oberste Gattungsbegriff mag der eines irdischen vernünftigen Wesens sein, so werden wir keinen Charakter desselben nennen können, weil wir von vernünftigen, nicht irdischen‘ Wesen keine Kenntnis haben, um ihre‘ Eigentümlichkeit angeben und so jene irdische unter den vernünftigen überhaupt charakterisieren zu können. — Es scheint also, das Problem“, den Charakter der Menschengattung anzugeben, sei schlechterdings“ unauflöslich; weil die Auflösung durch Vergleichung zweier Spezies vernünftiger Wesen durch Erfahrung angestellt sein müsste, welche die letztere uns nicht darbietet. Es bleibt uns also, um dem Menschen im System der lebenden Natur seine Klasse anzuweisen und so ihn zu charakterisieren, nichts übrig, als: dass er einen Charakter hat, den er sich selbst schafft; indem er vermögend ist, sich nach seinen von ihm selbst genommenen Zwecken zu perfektionieren; wodurch er, als mit Vernunftfähigkeit begabtes Tier (animal rationale), aus sich selbst ein vernünftiges Tier (animal rationale) machen kann.“ (672f) „... wobei aber das Charakteristische der Menschengattung, in Vergleichung mit der Idee möglicher vernünftiger Wesen auf Erden überhaupt, diese ist: dass die Natur den Keim der Zwietracht in sie gelegt und gewollt hat, dass ihre eigene Vernunft aus dieser diejenige Eintracht, wenigstens die beständige Annäherung zu derselben, herausbringe, welche letzte zwar in der Idee den Zweck, der Tat nach aber die erstere (die Zwietracht) in dem Plane der Natur das Mittel einer höchsten uns unerforschlichen Weisheit ist: die Perfektionierung des Menschen durch fortschreitende Kultur, wenn gleich mit mancher Aufopferung der Lebensfreuden desselben, zu bewirken. (673f) Unter den lebenden Erdbewohnern ist der Mensch durch seine technische (mit Bewusstsein verbunden-mechanische) zu Handhabung der Sachen, durch seine pragmatische (andere Menschen zu seinen Absichten geschickt zu brauchen) und durch die moralische Anlage in seinem Wesen (nach dem Freiheitsprinzip unter Gesetzen gegen sich und andere) zu handeln, von allen übrigen Naturwesen kenntlich unterschieden, und eine jede dieser drei Stufen kann für sich allein schon den Menschen zum Unterschiede von anderen Erdbewohnern charakteristisch unterscheiden.“ (673f) Ad 1, technische Anlage: „Ein erstes Menschenpaar, schon mit völliger Ausbildung, mithin unter Nahrungsmitteln von der Natur hingestellt, wenn ihm nicht zugleich ein Naturinstinkt, der uns doch in unserem jetzigen Naturzustande nicht beiwohnt, zugleich beigegeben worden, lässt sich schwerlich mit der Vorsorge der Natur für die Erhaltung der Art vereinigen. Der erste Mensch würde im ersten Teich, den er vor sich sähe, ertrinken; denn Schwimmen ist schon eine Kunst, die man lernen musss; oder er würde giftige Wurzeln und Früchte geniessen und dadurch umzukommen in beständiger Gefahr sein. Hatte aber die Natur dem ersten Menschenpaar diesen Instinkt eingepflanzt, wie war es möglich, dass er ihn nicht an seine Kinder vererbete; welches doch jetzt nie geschieht?“ (674f.) Ad 2, pragmatische Anlage „Die pragmatische Anlage der Zivilisierung durch / Kultur, vornehmlich der Umgangseigenschaften und der natürliche Hang seiner Art, im gesellschaftlichen Verhältnisse aus der Rohigkeit der bloßen Selbstgewalt herauszugehen und ein gesittetes (wenn gleich noch nicht sittliches), zur Eintracht bestimmtes, Wesen zu werden, ist nun eine höhere Stufe. — Er ist einer Erziehung, sowohl in Belehrung als Zucht (Disziplin), fähig und bedürftig. Hier ist nun (mit oder gegen Rousseau) die Frage: ob der Charakter seiner Gattung ihrer Naturanlage nach sich besser bei der Rohigkeit seiner Natur, als bei den Künsten der Kultur, welche kein Ende absehen lassen, befinden werde. — (676) „Zuvörderst muss man anmerken: dass bei allen übrigen sich selbst überlassenen Tieren jedes Individuum seine ganze Bestimmung erreicht, bei den Menschen aber allenfalls nur die Gattung: so, dass sich das menschliche Geschlecht nur durch Fortschreiten, in einer Reihe unabsehlich vieler Generationen, zu seiner Bestimmung empor arbeiten kann; wo das Ziel ihm doch immer noch im Prospekte bleibt, gleichwohl aber die Tendenz zu diesem Endzecke zwar wohl öfters gehemmt, aber nie ganz rückläufig werden kann.“ (676) Ad 3., moralische Anlage: „….[E]in mit praktischem Vernunftvermögen und Bewusstsein der Freiheit seiner Willkür ausgestattetes Wesen (eine Person) sieht sich in diesem Bewusstsein, selbst mitten in den dunkelsten Vorstellungen unter einem Pflichtgesetze und im Gefühl (welches dann das moralische heisst), dass ihm oder durch ihn anderen recht oder unrecht geschehe. Diese ist nun schon selbst der intelligible Charakter der Menschheit überhaupt und in so fern ist der Mensch seiner angebornen Anlage nach (von Natur) gut. Da aber doch auch die Erfahrung zeigt: dass in ihm ein Hang zur tätigen Begehrung des Unerlaubten, ob er gleich weiss, dass es unerlaubt sei, d.i. zum Bösen sei, der sich so unausbleiblich und so früh regt, als der Mensch nur von seiner Freiheit Gebrauch zu machen anhebt, und darum als angeboren betrachtet werden kann: so ist der Mensch, seinem sensibelen Charakter nach, auch als (von Natur) böse zu beurteilen, ohne dass sich dieses widerspricht, wenn vom Charakter der Gattung die Rede ist; weil man annehmen kann, dass dieser ihre Naturbestimmung im kontinuierlichen Fortschreiten zum Besseren bestehe.“ (677f) „Die Summe der pragmatischen Anthropologie in Ansehung der Bestimmung des Menschen und die Charakteristik seiner Ausbildung ist folgende. Der Mensch ist durch seine Vernunft bestimmt, in einer Gesellschaft mit Menschen zu sein, und in ihr sich durch Kunst und Wissenschaften zu kultivieren, zu zivilisieren und zu moralisieren; wie groß auch sein tierischer Hang sein mag, sich den Anreizen der Gemächlichkeit und des Wohllebens, die er Glückseligkeit nennt, passiv zu überlassen, sondern vielmehr tätig, im Kampf mit den Hindernissen, die ihm von der Rohigkeit seiner Natur anhängen, sich der Menschheit würdig zu machen. Der Mensch muß also zum Guten erzogen werden; der aber, welcher ihn erziehen soll, ist wieder ein Mensch, der noch in der Rohigkeit der Natur liegt, und nun doch dasjenige bewirken soll, was er selbst bedarf. Daher die beständige Abweichung von seiner Bestimmung, mit immer wiederholten Einlenkungen zu derselben.“ (678) 6.2.2. Zur Umdeutung der Sündenlehre Kant, Immanuel: Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte (1786). In: Kultursoziolog. Reihe. Geschichtsphilosophische Dokumente, hrsg. v. Kurt Rossmann, Heidelberg 1946. „Die Veranlassung, von dem Naturtriebe abtrünnig zu werden, durfte nur eine Kleinigkeit sein; allein der Erfolg des ersten Versuchs, nämlich seiner Vernunft, als eines Vermögens bewusst zu werden, das sich über die Schranken, worin alle Tiere gehalten werden, erweitern kann, war sehr wichtig und für die Lebensart entscheidend. Wenn es also nur eine Frucht gewesen wäre, deren Anblick, durch die Ähnlichkeit mit anderen annehmlichen, die man sonst gekostet hatte, zum Versuche einladete; ... so konnte dieses schon der Vernunft die erste Veranlassung geben, mit der Stimme der Natur zu chikaniren, und trotz ihrem Widerspruch, den ersten Versuch von einer freien Wahl zu machen, der als erster wahrscheinlicher Weise nicht der Erwartung gemäss ausfiel. Der Schaden mochte nun gleich so unbedeutend gewesen sein, als man will, so gingen dem Menschen hierüber doch die Augen auf ... Er entdeckte in sich ein Vermögen, sich selbst eine Lebensweise auszuwählen und nicht gleich anderen Tieren an eine einzige gebunden zu sein. ... / (A)us diesem einmal gekosteten Stande der Freiheit war es ihm ... jetzt unmöglich, in den der Dienstbarkeit (unter der Herrschaft des Instinkts) wieder zurückzukehren.“ (79) „Und so war der Mensch in eine Gleichheit mit allen vernünftigen Wesen, von welchem Range sie auch sein mögen, getreten...; nämlich in Ansehung des Anspruchs selbst Zweck zu sein, von jedem anderen auch als ein solcher geschätzt und von keinem bloss als Mittel zu anderen Zwecken gebraucht zu werden. Hierin, und nicht in der Vernunft, wie sie bloss als ein Werkzeug zu Befriedigung der mancherlei Neigungen betrachtet wird, steckt der Grund der so unbeschränkten Gleichheit des Menschen, selbst mit höheren Wesen, die ihm an Naturgaben sonst über alle Vergleichung vorgehen möchten, deren keines aber darum ein Recht hat, über ihn nach blossem Belieben zu schalten und zu walten.“ (82f.) 6.2.3. Geschichtsphilosophische Wendung der Anthropologie Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). In: Kultursoziolog. Reihe. Geschichtsphilosophische Dokumente, hrsg. v. Kurt Rossmann, Heidelberg 1946) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 1. „Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmässig auszuwickeln.“ (47) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 1. „Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmässig auszuwickeln.“ (47) 2. „Am Menschen (als dem einzigen vernünftigen Geschöpf auf Erden) sollten sich diejenigen Naturanlagen, die auf den Gebrauch seiner Vernunft abgezielt sind, nur in der Gattung, nicht aber im Individuum vollständig entwickeln.“ (48) Ad 2: „(W)enn die Natur seine Lebensfrist nur kurz angesetzt hat (wie es wirklich geschehen ist,) so bedarf sie einer vielleicht unabsehlichen Reihe von Zeugungen, deren eine der andern ihre Aufklärung überliefert, um endlich ihre Keime in unsere Gattung zu derjenigen Stufe der Entwickelung zu treiben, welche ihrer Absicht vollständig angemessen ist. Und dieser Zeitpunkt muss wenigstens in der Idee des Menschen das Ziel seiner Bestrebungen sein, weil sonst die Naturanlagen grösstenteils als vergeblich und zwecklos angesehen werden müssten; welches alle praktischen Prinzipien aufheben, und dadurch die Natur, deren Weisheit in Beurteilung aller übrigen Anstalten sonst zum Grundsatze dienen muss, am Menschen allein eines kindischen Spiels verdächtig machen würde.“ (48f) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 1. „Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmässig auszuwickeln.“ (47) 2. „Am Menschen (als dem einzigen vernünftigen Geschöpf auf Erden) sollten sich diejenigen Naturanlagen, die auf den Gebrauch seiner Vernunft abgezielt sind, nur in der Gattung, nicht aber im Individuum vollständig entwickeln.“ (48) 3. „Die Natur hat gewollt: dass der Mensch alles, was über die mechanische Anordnung seines tierischen Daseins geht, gänzlich aus sich selbst herausbringe und keiner anderen Glückseligkeit oder Vollkommenheit teilhaftig werde, als die er sich selbst, frei von Instinkt, durch eigene Vernunft verschafft hat. Die Natur tut nämlich nichts überflüssig und ist im Gebrauche der Mittel zu ihren Zwecken nicht verschwenderisch. Da sie dem Menschen Vernunft und darauf sich gründende Freiheit des Willens gab, so war das schon eine klare Anzeige ihrer Absicht in Ansehung seiner Ausstattung. Er sollte nämlich nun nicht durch Instinkt geleitet, oder durch anerschaffene Kenntniss versorgt und unterrichtet sein; er sollte vielmehr alles aus sich selbst herausbringen. Die Erfindung seiner Bedeckung, seiner äusseren Sicherheit und Verteidigung, (wozu sie ihm weder die Hörner des Stiers, noch die Klauen des Löwen, noch das Gebiss des Hundes, sondern bloss Hände gab,) alle Ergötzlichkeit, die das Leben angenehm machen kann, selbst seine Einsicht und Klugheit, und sogar die Gutartigkeit seines Willens sollten gänzlich sein eigen Werk sein. Sie scheint sich hier in ihrer grössten Sparsamkeit selbst gefallen zu haben. .. Es scheint aber der Natur darum gar nicht zu tun gewesen zu sein, dass er wohl lebe; sondern dass er sich so weit hervorarbeite, um sich, durch sein Verhalten, des Lebens und des Wohlbefindens würdig zu machen. Befremdend bleibt es immer hiebei, dass die älteren Generationen nur scheinen um der späteren willen ihr mühseliges Geschäft zu treiben. .. und dass doch nur die spätesten das Glück haben sollen, in dem Gebäude zu wohnen, woran eine lange Reihe ihrer Vorfahren (zwar freilich ohne ihre Absicht) gearbeitet hatten, ohne doch selbst an dem Glück, das sie vorbereiteten, Anteil nehmen zu können. Allein so rätselhaft dieses auch ist, so notwendig ist es doch zugleich, wenn man einmal annimmt: eine Tiergattung soll Vernunft haben, und als Klasse vernünftiger Wesen, die insgesammt sterben, deren Gattung aber unsterblich ist, dennoch zu einer Vollständigkeit der Entwickelung ihrer Anlagen gelangen.“ (49-51) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 1. „Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmässig auszuwickeln.“ (47) 2. „Am Menschen (als dem einzigen vernünftigen Geschöpf auf Erden) sollten sich diejenigen Naturanlagen, die auf den Gebrauch seiner Vernunft abgezielt sind, nur in der Gattung, nicht aber im Individuum vollständig entwickeln.“ (48) 3. „Die Natur hat gewollt: dass der Mensch alles, was über die mechanische Anordnung seines tierischen Daseins geht, gänzlich aus sich selbst herausbringe und keiner anderen Glückseligkeit oder Vollkommenheit teilhaftig werde, als die er sich selbst, frei von Instinkt, durch eigene Vernunft verschafft hat. 4. „Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwickelung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonismus derselben in der Gesellschaft, sofern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmässigen Ordnung derselben wird.“ Ich verstehe hier unter dem Antagonismus die ungesellige Geselligkeit der Menschen, d.i. den Hang derselben in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welche diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist. Hierzu liegt die Anlage offenbar in der menschlichen Natur. Der Mensch hat eine Neigung, sich zu vergesellschaften: weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, di. die Entwicklung seiner Naturanlagen fühlt. Er hat aber auch einen grossen Hang, sich zu vereinzeln (isolieren); weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloss nach seinem Sinne richten zu wollen und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiss, dass er seinerseits zum Widerstand gegen Andere geneigt ist. Dieser Widerstand ist es nun, welcher alle Kräfte des Menschen erweckt, ihn dahin bringt, seinen Hang zur Faulheit zu überwinden, und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er nicht wohl leiden, von denen er aber auch nicht lassen kann. Da geschehen nun die ersten wahren Schritte aus der Rohigkeit zur Kultur, die eigentlich in dem gesellschaftlichen Wert des Menschen besteht; da werden alle Talente nach und nach entwickelt, der Geschmack gebildet, und selbst durch fortgesetzte Aufklärung der Anfang zur Gründung einer Denkungsart gemacht, welche die grobe Naturanlage zur sittlichen Unterscheidung mit der Zeit in bestimmte praktische Prinzipien, und so eine pathologisch-abgedrungene Zusammenstimmung zu einer Gesellschaft endlich in ein moralisches Ganze verwandeln kann. Ohne jene, an sich zwar nicht liebenswürdigen Eigenschaften der Ungeselligkeit, woraus der Widerstand entspringt, würden in einem arkadischen Schäferleben, bei vollkommener Eintracht, Genügsamkeit und Wechselliebe, alle Talente auf ewig in ihren Keimen verborgen bleiben. ..“ (51f) „Die natürlichen Triebfedern .., die Quellen der Ungeselligkeit und des durchgängigen Widerstandes, woraus so viele Übel entspringen, die aber doch auch wieder zur neuen Anspannung der Kräfte, mithin zu mehrerer Entwickelung der Naturanlagen antreiben, verraten also doch wohl die Anordnung eines weisen Schöpfers; und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes, der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischer Weise verderbt habe.“ (53) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 5. Das grösste Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft. Da nur in der Gesellschaft, und zwar derjenigen, die die grösste Freiheit, mithin einen durchgängigen Antagonismus ihrer Glieder, und doch die genaueste Bestimmung und Sicherung der Grenzen dieser Freiheit hat, damit sie mit der Freiheit Anderer zusammenbestehen könne, - da nur in ihr die höchste Absicht der Natur, nämlich die Entwickelung aller ihrer Anlagen, in der Menschheit erreicht werden kann, die Natur auch will, dass sie diesen, so wie alle Zwecke ihrer Bestimmung, sich selbst verschaffen solle; so muss eine Gesellschaft, in welcher Freiheit unter äusseren Gesetzen im grösstmöglichen Grade mit unwiderstehlicher Gewalt verbunden angetroffen wird, d.i. eine vollkommen gerechte bürgerlicher Verfassung die höchste Aufgabe der Natur für die Menschengattung sein; weil die Natur nur vermittelst der Auflösung und Vollziehung derselben ihre übrigen Absichten mit unsrer Gattung erreichen kann. ... Allein in einem solchen Gehege, als bürgerliche Vereinigung, tun ebendieselben Neigungen hernach die beste Wirkung... Alle Kultur und Kunst, welche die Menschheit ziert, die schönste gesellschaftliche Ordnung, sind Früchte der Ungeselligkeit, die durch sich selbst genöthigt wird, sich so zu diszipliniren und so, durch abgedrungene Kunst, die Keime der Natur vollständig zu entwickeln.“ (53-55) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 5. „Das grösste Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft.“ 6. „Dieses Problem ist zugleich das schwerste, und das, welches von der Menschengattung am spätesten aufgelöst wird. .. der Mensch ist ein Tier,das, wenn es unter anderen seiner Gattung lebt, einen Herrn nötig hat.“ Der Mensch ist ein Tier, das, wenn es unter anderen seiner Gattung lebt, einen Herrn nötig hat. Denn er missbraucht gewiss seine Freiheit in Ansehung anderer Seinesgleichen. ../ Wo nimmt er aber diesen Herrn her? Nirgend anders, als aus der Menschengattung. Aber dieser ist ebensowohl ein Tier, das einen Herrn nötig hat. .. (J)eder derselben wird immer sein Freiheit missbrauchen, wenn er Keinen über sich hat, der nach den Gesetzen über ihn Gewalt ausübt. Das höchste Oberhaupt soll aber gerecht für sich selbst , und doch ein Mensch sein. Diese Aufgabe ist daher die schwerste unter allen; ja ihre vollkommene Auflösung ist unmöglich; aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts Gerades gezimmert werden. Nur die Annäherung zu dieser Idee ist uns von der Natur auferlegt.“ (56) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 5. „Das grösste Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft.“ 6. „Dieses Problem ist zugleich das schwerste, und das, welches von der Menschengattung am spätesten aufgelöst wird. .. der Mensch ist ein Tier,das, wenn es unter anderen seiner Gattung lebt, einen Herrn nötig hat.“ 7. „Das Problem der Errichtung einer vollkommenen bürgerlichen Verfassung ist von dem Problem eines gesetzmässigen äusseren Staatenverhältnisses abhängig, und kann ohne das letztere nicht aufgelöst werden.“ „Die Natur.... treibt durch die Kriege, durch die überspannte und niemals nachlassende Zurüstung zu denselben, durch die Not, die dadurch endlich ein jeder Staat, selbst mitten im Frieden, innerlich fühlen muss, ... zu dem, was ihnen die Vernunft auch ohne so viel traurige –Erfahrung hätte sagen können, nämlich: aus dem gesetzlosen Zustande der Wilden hinauszugehen, und in einen Völkerbund zu treten; wo jeder, auch der kleinste Staat, seine Sicherung und Rechte, nicht von eigener Macht... , sondern allein von diesem grossen Völkerbunde .., von einer vereinigten Macht und von der Entscheidung nach Gesetzen des vereinigten Willens erwarten könnte.“ (58) Frage offen, „ob es wohl vernünftig sei, Zweckmässigkeit der Naturanstalt in Teilen und doch Zwecklosigkeit im Ganzen anzunehmen?“ (60) „Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft kultiviert. Wir sind civilisirt, bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Kultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äusseren Anständigkeit hinausläuft, macht bloss die Civilisirung aus.“ (61f) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 5. „Das grösste Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft.“ 6. „Dieses Problem ist zugleich das schwerste, und das, welches von der Menschengattung am spätesten aufgelöst wird. .. der Mensch ist ein Tier,das, wenn es unter anderen seiner Gattung lebt, einen Herrn nötig hat.“ 7. „Das Problem der Errichtung einer vollkommenen bürgerlichen Verfassung ist von dem Problem eines gesetzmässigen äusseren Staatenverhältnisses abhängig, und kann ohne das letztere nicht aufgelöst werden.“ 8. „Man kann die Geschichte der Menschengattung im Grossen als die Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur ansehen, um eine innerlich- und zu diesem Zwecke auch äusserlich-vollkommene Staatsverfassung zu Stande zu bringen, als den einzigen Zustand, in welchem sie alle ihre Anlagen in der Menschheit völlig entwickeln kann.“ Der Satz ist eine Folgerung aus dem vorigen. Man sieht: die Philosophie könne auch ihren Chiliasmus haben. .. Es kommt nur darauf an, ob die Erfahrung etwas von einem solchen Gange der Naturabsicht entdecke. Ich sage: etwas Weniges; denn dieser Kreislauf scheint so lange Zeit zu erfordern, bis er sich schliesst, dass man aus dem kleinen Teil, den die Menschheit in dieser Absicht zurückgelegt hat, nur ebenso unsicher die Gestalt ihrer Bahn .. bestimmen kann, als aus allen bishingen Himmelsbeobachtungen den Lauf, den unsere Sonne... nimmt“ (62f) Kant, Immanuel: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). 5. „Das grösste Problem für die Menschengattung, zu dessen Auflösung die Natur ihn zwingt, ist die Erreichung einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft.“ 6. „Dieses Problem ist zugleich das schwerste, und das, welches von der Menschengattung am spätesten aufgelöst wird. .. der Mensch ist ein Tier,das, wenn es unter anderen seiner Gattung lebt, einen Herrn nötig hat.“ 7. „Das Problem der Errichtung einer vollkommenen bürgerlichen Verfassung ist von dem Problem eines gesetzmässigen äusseren Staatenverhältnisses abhängig, und kann ohne das letztere nicht aufgelöst werden.“ 8. „Man kann die Geschichte der Menschengattung im Grossen als die Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur ansehen, um eine innerlich- und zu diesem Zwecke auch äusserlich-vollkommene Staatsverfassung zu Stande zu bringen, als den einzigen Zustand, in welchem sie alle ihre Anlagen in der Menschheit völlig entwickeln kann.“ 9. „Ein philosophischer Versuch, die allgemeine Weltgeschichte nach einem Plane der Natur, der auf die vollkommen bürgerlicher Vereinigung in der Menschengattung abziele, zu bearbeiten, muss als möglich und selbst für diese Naturabsicht beförderlich angesehen werden.“ 07 Der geschichtliche Mensch: 19. Jahrhundert 07 Der geschichtliche Mensch: 19. Jahrhundert 7.1. Sozialität und Sprachlichkeit des Menschen: Johann Gottfried Herder, Johann Gottfried (1744-1803 7.2. Die vernünftige Natur als principium individuationis:Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) 7.3. Geschichtlichkeit ohne Transzendenz: Ludwig Feuerbach (18041872) 7.4. Kapitalistische Arbeit als Selbstentfremdung des Menschen: Karl Marx (1818-1883) 7.5. Die Naturalität des Menschen: Charles Darwin (1809-1882) 7.6. Der Mensch – das geschichtliche Tier: Friedrich Nietzsche (18441900) 7.1. Sozialität und Sprachlichkeit des Menschen (Johann Gottfried Herder, Johann Gottfried (1744-1803) Herder, Johann Gottfried (1744-1803): Abhandlung über den Ursprung der menschlichen Sprache (1772), in: Ders.: Von deutscher Art und Kunst und andere Schriften (Deutsche Klassiker), Berlin o.J., 11-108. Herder, Johann Gottfried (1744-1803): Abhandlung über den Ursprung der menschlichen Sprache (1772), in: Ders.: Von deutscher Art und Kunst und andere Schriften (Deutsche Klassiker), Berlin o.J., 11-108. „Schon als Tier hat der Mensch Sprache. Alle heftigen, und die heftigsten unter den heftigen, die schmerzhaften Empfindungen seines Körpers, alle starken Leidenschaften seiner Seele äussern sich unmittelbar in Geschrei, in Tönen, in wilden, unartikulierten Lauten. Ein leidendes Tier sowohl, als der Held Philoktet, wenn es der Schmerz anfällt, wird wimmern! wird Ächzen! und wäre es gleich verlassen, auf einer wüsten Insel, ohne Anblick, Süur und Hoffnung eines hülfreichen Nebengeschöpfes. Es ist, als ob es freier atmete, indem es dem brennenden, geängstigten Hauche Luft gibt: es ist, als ob es einen Teil seines Schmerzes verseufzte und aus dem leeren Luftraum wenigstens neue Kräfte zum Verschmerzen in sich zöge, indem es die tauben Winde mit Ächzen füllet. So wenig hat uns die Natur als abgesonderte Steinfelsen, als egoistische Monaden geschaffen! Selbst die feinsten Saiten des tierischen Gefühls..., ... sind in ihrem ganzen Spiele auch ohne das Bewusstsein fremder Sympathie, zu einer Äusserung auf andere Geschöpfe gerichtet. Die geschlagene Saite tut ihre Naturpflicht: sie klingt! Sie ruft einer gleichfühlenden Echo; selbst wenn keine da ist, selbst wenn sie nicht hoffet und wartet, dass ihr eine antwortet.“ (11) „Jedes Tier hat seinen Kreis, in den es von der Geburt an gehört, gleich eintritt, in dem es lebenslang bleibet und stirbt: nun ist es aber sonderbar, dass je schärfer die Sinne der Tiere, und je wunderbarer ihre Kunstwerke sind, desto kleiner ist ihr Kreis: desto einartiger (sic) ist ihr Kunstwerk.“ (24) „In dem Falle würde die Sprache dem Menschen so wesentlich, als er ein Mensch ist. Man siehet, ich entwickele aus keinen willkürlichen oder gesellschaftlichen Kräften, sondern aus der allgemeinen tierischen Ökonomie.“ (27) „Zweiter Teil: Auf welchem Wege der Mensch sich am füglichsten hat Sprache erfinden können und müssen?“ Erstes Naturgesetz: Der Mensch ist ein freidenkendes, tätiges Wesen, dessen Kräfte in Progression fortwürken; darum sei er ein Geschöpf der Sprache! Erstes Naturgesetz: Der Mensch ist ein freidenkendes, tätiges Wesen, dessen Kräfte in Progression fortwürken; darum sei er ein Geschöpf der Sprache!“ Zweites Naturgesetz Der Mensch ist in seiner Bestimmung ein Geschöpf der Herde, der Gesellschaft: die Fortbildung einer Sprache wird ihm also natürlich, wesentlich, notwendig.“ Erstes Naturgesetz: Der Mensch ist ein freidenkendes, tätiges Wesen, dessen Kräfte in Progression fortwürken; darum sei er ein Geschöpf der Sprache!“ Zweites Naturgesetz Der Mensch ist in seiner Bestimmung ein Geschöpf der Herde, der Gesellschaft: die Fortbildung einer Sprache wird ihm also natürlich, wesentlich, notwendig.“ Drittes Naturgesetz So wie das ganze menschliche Geschlecht unmöglich eine Herde bleiben konnte, so konnte es auch nicht eine Sprache behalten. Es wird also eine Bildung verschiedener Nationalsprachen. Erstes Naturgesetz: Der Mensch ist ein freidenkendes, tätiges Wesen, dessen Kräfte in Progression fortwürken; darum sei er ein Geschöpf der Sprache!“ Zweites Naturgesetz Der Mensch ist in seiner Bestimmung ein Geschöpf der Herde, der Gesellschaft: die Fortbildung einer Sprache wird ihm also natürlich, wesentlich, notwendig.“ Drittes Naturgesetz So wie das ganze menschliche Geschlecht unmöglich eine Herde bleiben konnte, so konnte es auch nicht eine Sprache behalten. Es wird also eine Bildung verschiedener Nationalsprachen. Viertes Naturgesetz So wie nach aller Wahrscheinlichkeit das menschliche Geschlecht ein progressives Ganzes von einem Ursprung in einer grossen Haushaltung ausmacht: so auch alle Sprachen, und mit ihnen die ganze Kette der Bildung. Humanität ist der Zweck der Menschennatur, und Gott hat unserm Geschlecht mit diesem Zweck sein eigenes Schicksal in die Hände gegeben Der Zweck einer Sache, die nicht bloß ein totes Mittel ist, muß in ihr selbst liegen. Wären wir dazu geschaffen, um, wie der Magnet sich nach Norden kehrt, einen Punkt der Vollkommenheit, der außer uns ist und den wir nie erreichen könnten, mit ewig vergeblicher Mühe nachzustreben: so würden wir als blinde Maschinen nicht nur uns, sondern selbst das Wesen bedauern dürfen, das uns zu einem tantalischen Schicksal verdammte, indem es unser Geschlecht bloß zu seiner, einer schadenfrohen, ungöttlichen Augenweide schuf. … Glücklicherweise aber wird dieser Wahn von der Natur der Dinge uns nicht gelehret; betrachten wir die Menschheit, wie wir sie kennen, nach den Gesetzen, die in ihr liegen: so kennen wir nichts Höheres als Humanität im Menschen; denn selbst wenn wir uns Engel oder Götter denken, denken wir sie uns nur als idealische, höhere Menschen. Zu diesem offenbaren Zweck, sahen wir, ist unsre Natur organisieret; zu ihm sind unsre feineren Sinne und Triebe, unsre Vernunft und Freiheit, unsre zarte und daurende Gesundheit, unsre Sprache, Kunst und Religion uns gegeben. In allen Zuständen und Gesellschaften hat der Mensch durchaus nichts anders im Sinn haben, nichts anders anbauen können als Humanität, wie er sich dieselbe auch dachte. Ihr zugut sind die Anordnungen unsrer Geschlechter und Lebensalter von der Natur gemacht, daß unsre Kindheit länger daure und nur mit Hilfe der Erziehung eine Art Humanität lerne. Ihr zugut sind auf der weiten Erde alle Lebensarten der Menschen eingerichtet, alle Gattungen der Gesellschaft eingeführt worden. (397) 7.2. Die vernünftige Natur als principium individuationis:Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) Fichte, Johann Gottlieb: Die Bestimmung des Menschen (Berlin 1800). Stuttgart 1981. „[D]ie Menschenbildende Naturkraft hat sich schon dargestellt, ehe ich entstand, unter mancherlei äussern Bedingungen und Umständen. Diese äussern Umstände sind es, welche die besondere Weise ihrer gegenwärtigen Wirksamkeit bestimmen, in denen sonach der Grund liegt, dass gerade ein solches Individuum meiner Gattung wirklich wird. Dieselben Umstände können nie zurückkehren, weil dann das Natur-Ganze selbst zurückkehren, und zwei Naturen statt Einer entstehen würden: es können daher diejenigen Individuen nie wieder wirklich werden, die es schon einmal waren. Ferner, die Menschenbildende Naturkraft stellt sich dar in derselben Zeit, da auch ich bin, unter allen dieser Zeit möglichen Umständen. Keine Vereinigung solcher Umstände ist derjenigen vollkommen gleich, durch welche ich wirklich wurde, wenn nicht das Ganze sich in zwei vollkommen gleiche, und unter einander nicht zusammenhängende Welten teilen soll. Es können zu der derselben Zeit nicht zwei vollkommen gleiche Individuen wirklich sein. Dadurch ist denn bestimmt, was ich, ich, diese bestimmte Person, sein musste; und das Gesetz, nach welche ich der wurde, der ich bin, ist im Allgemeinen gefunden. Ich bin dasjenige, was die Menschenbildende Kraft, - ..werden konnte, und, weil in ihr selbst kein Grund liegen kann, sich zu beschränken, da sie es konnte, notwendig werden musste. Ich bin, der ich bin, weil in diesem Zusammenhange des Naturganzen nur ein solcher und schlechterdings kein anderer möglich war; und ein Geist, der das Innere der Natur vollkommen übersähe, würde aus der Erkenntnis eines einzigen Menschen bestimmt angeben können, welche Menschen von jeher gewesen, und welche zu jeder Zeit sein würden; in Einer Person würde er alle wirklichen Personen erkennen. Dieser mein Zusammenhang mit dem Naturganzen ist es denn, der da bestimmt, alles was ich war, / was ich bin, und was ich sein werde: und derselbe Geist würde aus jedem möglichen Momente meines Daseins unfehlbar folgern können, was ich vor demselben gewesen bin, und was ich nach demselbem sein werde.“ (23) „In jedem Individuum erblickt die Natur sich selbst aus einem besondern Gesichtspunkt. Ich nenne mich ich, und dich du: du nennenst dich ich, und mich du: ich liege für dich ausser dir, wie du für mich ausser mir liegst. Ich begreife ausser mir zuerst, was mich zunächst begrenzt; du was dich zunächst begrenzt: von diesem Punkte aus gehen wir durch seine nächsten Glieder hindurch weiter, - aber wir beschreiben sehr verschiedene Reihen, die sich wohl hier und da durchschneiden, aber nirgends nach derselben Richtung neben einander fortlaufen – Es werden alle mögliche Individuen, sonach auch alle möglichen Gesichtspunkte des Bewusstseins wirklich. Dieses Bewusstsein aller Individuen zusammengenommen macht das vollendete Bewusstsein des Universums von sich selbst aus; und es gibt kein anderes, denn nur im Individuum ist vollendete Bestimmtheit und Wirklichkeit.“ (28f) 7.3. Geschichtlichkeit ohne Transzendenz: Ludwig Feuerbach (1804-1872) Feuerbach, Ludwig: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (1830). Durchges. und neu hrsg. v. Friedrich Jodl (Sämtliche Werke. Neu hrsg. von Wilhelm Bolin und Friedrich Jodl, 1. Bd., 2. Aufl.), Stuttgart-Bad Cannstatt 1960 „Das göttliche Wesen ist nichts anderes als das menschliche Wesen oder besser: das Wesen des Menschen, abgesondert von den Schranken des individuellen, d.h. wirklichen, leiblichen Menschen, vergegenständlicht, d.h. angeschaut und verehrt als ein andres, von ihm unterschiedenes, eigenes Wesen“ (XXVIII) „Du kannst ...Gott keine Liebe zuschreiben, wenn Du ihn nur unter der Bestimmung der Persönlichkeit zum Gegenstand Deiner Seele machst.. Du kannst nicht sagen, dass Gott die Liebe sei, wenn Du sie ihm nur in Beziehung auf Dich zuschreibst, wenn Du in ihm nur Bestimmungen erkennst, die Affirmationen Deines persönlichen Daseins sind, wenn Du nur Dich in ihm enthalten und bestätigt findest, nur Dir in ihm Platz machst, alles Andere aus ihm verdrängend. Erkennst Du in Gott nur die Bestimmungen, die die Subjecte nur / zu Subjecten machen, nicht gleichfalls die Bestimmungen, die das Object zum Object, die Natur zur Natur machen, so ist Dein Gott nicht Liebe, Wesen und Substanz, sondern nur die aufs Höchste gesteigerte, die absolute Ich- und Selbstheit, wenn Du gleich dieselbe als ein selbständiges, von Dir unterschiedenes Wesen vorstellt. Gott ist nur dann nicht blos ein subjectives, sondern auch ein objektives, ein absolutes Wesen, wenn Du ihn nicht blos unter die Bestimmungen befassest, in welchen Du ein Ich bist, sondern auch unter die Bestimmungen, vermittelst welcher ein Nicht-Ich, ein Ding bist; wenn Du also in ihm ebensowohl den Anfang und Grund Deiner Persönlichkeit und Existenz, als auch das Ende, die Negation derselben enthalten findest. Gott ist nicht blos ein Dich bejahender, sondern auch ein Dich verneinender Gott; er ist nicht blos der Anfang und das Ende aller Dinge, sondern auch der Anfang und das Ende Deiner selbst. Die Dinge und Wesen, die ausser Dir existiren, die Du von Dir unterscheidend unter den Gattungsbegriff des Objectes oder der Natur ordnest, sind alle Grenz- und Negationspuncte von Dir... An jedem Baume, an jeder Wand, an jedem Tische, an dem Du anstössest, stössest Du gleichsam auf Deinen Tod, auf die Grenze, auf das Ende Deines Daseins. ... Da nun aber Gott nicht blos ein Gott des Selbsts, sondern auch ein Gott der Natur ist; da in Gott nicht nur die Beistmmung der Persönlichkeit, also nicht Du allein, sondern auch die Bestimmung der Objectivität, folglich die Dinge und Wesen ausser Dir enthalten sein: so ist folglich auch in Gott die Grenze, das Ende, die Verneinung Deines persönlichen Daseins, Deines Ichs enthalten, und Gott hast du also ebensowohl als den Grund Deines Todes zu erkennen, wie Du/ ihn als den Grund Deines Daseins anerkennst. Denn sind die Dinge in Gott, oder komme sie wenigstens aus Gott, so kommen auch die Grenzen Deines Ichs aus ihm; kommen aber die Grenzen Deines Ichs aus Gott, so kommt auch der Tod aus Gott; denn der Tod ist nur die Folge, die Erscheinung der inneren Grenzen Deines Selbst...“ (26-28) 7.4. Kapitalistische Arbeit als Selbstentfremdung des Menschen: Karl Marx (1818-1883) Marx, Karl: Philosophischökonomische Manuskripte. In MEW Ergänzungsbd, I, 1968 „(I)n der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch ... erst wirklich als ein Gattungswesen. Diese Produktion ist sein werktätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk und seine Wirklichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegenständlichung des Gattungslebens des Menschen: indem er sich nicht nur wie im Bewusstsein intellektuell, sondern werktätig, wirklich verdoppelt und sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut. Indem daher die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegenstand seiner Produktion entreisst, entreisst sie ihm sein Gattungsleben, seine wirkliche Gattungsgegenständlichkeit und verwandelt seinen Vorzug vor dem Tier in den Nachteil, dass sein unorganischer Leib, die Natur, ihm entzogen wird.“ (196) „Eine unmittelbare Konsequenz davon, dass der Mensch dem Produkt seiner Arbeit, seiner Lebenstätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet ist, ist die Entfremdung des Menschen von dem Menschen. Wenn der Mensch sich selbst gegenübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegenüber.“ (196) „(D)urch die entfremdete, entäusserte Arbeit erzeugt der Arbeiter das Verhältnis eines der Arbeit fremden und ausser ihr stehenden Menschen zu dieser Arbeit. Das Verhältnis des Arbeiters zur Arbeiter erzeugt das Verhältnis des Kapitalisten zu derselben.. Das Privateigentum ist also das Produkt, das Resultat, die notwendige Konsequenz der entäusserten Arbeit, des äusserlichen Verhältnisses des Arbeiters zu der Natur und zu sich selbst.“ (198) „Gesetzt, wir hätten als Menschen produziert: Jeder von uns hätte in seiner Produktion sich selbst und den andren doppelt bejaht. Ich hätte 1. in meiner Produktion meine Individualität, ihre Eigentümlichkeit vergegenständlicht und daher sowohl während der Tätigkeit eine individuelle Lebensäusserung genossen, als im Anschauen des Gegenstandes die individuelle Freud, meine Persönlichkeit als gegenständliche, sinnlich anschaubare und darum über allen Zweifel erhabene Macht zu wissen. 2. In deinem Genuss oder deinem Gebrauch meines Produkts hätte ich unmittelbar den Genuss, sowohl des Bewusstseins, in meiner Arbeit ein menschliches Bedürfnis befriedigt, also das menschliche Wesen vergegenständlicht/ und daher dem Bedürfnis eins andren menschlichen Wesens seinen entsprechenden Gegenstand verschafft zu haben, 3. für dich der Mittler zwischen dir und der Gattung gewesen zu sein, also von dir selbst als eine Ergänzung deines eignen Wesens und als ein notwendiger Teil deiner selbst gewusst und empfunden zu werden, also sowohl in deinem Denken wie in deiner Liebe mich bestätigt zu wissen 4. in meiner individuellen Lebensäusserung unmittelbar deine Lebensäusserung geschaffen zu haben, als in meiner individuellen Tätigkeit unmittelbar mein wahres Wesen, mein menschliches, mein Gemeinwesen bestätigt und verwirklicht zu haben. Unsere Produktionen wären ebenso viele Spiegel, woraus unser Wesen sich entgegenleuchtete.“ (Exzerpthefte, S. 462f.) 7.5. Die Naturalität des Menschen: Charles Darwin (1809-1882) Darwin, Charles: Die Abstammung des Menschen (The Origin of Species) (1871), üb. von Heinrich Schmidt, Leipzig o. J. „Die wichtigste Schlussfolgerung, zu der wir hier gekommen sind, und die jetzt von vielen kompetenten und urteilsfähigen Naturforschern angenommen wird, ist der Satz, dass der Mensch von einer weniger hoch organisierten Form abstammt. Die Gründe, worauf diese Schlussfolgerung ruht, werden niemals erschüttert werden. Die grosse Ähnlichkeit zwischen dem Menschen und den unter ihm stehenden Tieren sowohl in der Embryonalentwicklung als auch in unzähligen bedeutungsvollen oder auch bedeutungslosen oder auch bedeutungsvollen Punkten der Struktur und der Konstitution, die Rudimente, die er noch bewahrt, und die abnormen Rückschläge, denen er zuweilen unterworfen ist – das sind Tatsachen, die nicht bestritten werden können. ..Wer nicht gleich einem Wilden damit zufrieden ist, die Naturerscheinungen als unzusammenhängende Geschehnisse zu betrachten, der kann nicht länger mehr glauben, dass der Mensch seinen Ursprung einem separaten Schöpfungsakt verdanke. Er wird sich zur Erkenntnis gezwungen sehen, dass die grosse Ähnlichkeit eines Menschenembryo mit dem Embryo z. B. eines Hundes, der Bau seines Schädels, .. seines ganzen Körpers nach demselben Plan wie bei den anderen Säugetieren, unabhängig von dem Gebrauch, zu dem die Teile bestimmt sind, dass das gelegentliche Wiedererscheinen verschiedener Strukturen, z .B. verschiedener Muskeln, die der Mensch normalerweise nicht besitzt, die / jedoch bei den Quadrumanen (Vierhändern) gewöhnlich sind, und eine Menge analoger Tatsachen in der deutlichsten Weise zu dem Schluss führen, dass der Mensch und die anderen Säugetiere von derselben Stammform abstammen.“ (203f) „ „Es ist kein Zweifel, dass der Mensch ebenso wie jedes andere Tier, Strukturen aufweist, die nach unserer beschränkten Kenntnis durchaus keine Nutzen für ihn haben, noch jemals gehabt haben..“ (204) „Es ist kein Zweifel, dass der Mensch ebenso wie jedes andere Tier, Strukturen aufweist, die nach unserer beschränkten Kenntnis durchaus keine Nutzen für ihn haben, noch jemals gehabt haben..“ (204) „Der Mensch vermehrt sich in einem stärkeren Masse als sein Existenzmittel; infolgedessen ist er gelegentlich einem harten Kampf um die Existenz ausgesetzt, und die natürliche Zuchtwahl wird getan haben, was in ihrer Macht steht.“ „Es ist kein Zweifel, dass der Mensch ebenso wie jedes andere Tier, Strukturen aufweist, die nach unserer beschränkten Kenntnis durchaus keine Nutzen für ihn haben, noch jemals gehabt haben..“ (204) „Der Mensch vermehrt sich in einem stärkeren Masse als sein Existenzmittel; infolgedessen ist er gelegentlich einem harten Kampf um die Existenz ausgesetzt, und die natürliche Zuchtwahl wird getan haben, was in ihrer Macht steht.“ „Seitdem er (sc. der Mensch) die Würde der Menschheit erreicht hat, hat er sich in verschiedene Rassen oder, wie sie passender genannt werden könne, in Sub-Spezies gespalten. Einige von diesen, wie die Neger und Europäer, sind so verschiedenartig, dass, wenn einem Naturforscher einige Exemplare ohne weitere Information übergeben würden, diese sie unzweifelhaft als gute und echte Arten betrachten würde.“ (205) „Wenn wir zu dieser Schlussfolgerung vom Ursprung des Menschen gekommen sind, so stellt sich uns der hohe Zustand unserer intellektuellen Fähigkeiten und moralischen Disposition als die grösste Schwierigkeit dar. ...() Der Intellekt muss für ihn (sc. den Menschen) allesbedeutend/ gewesen sein, selbst in einer sehr weit zurückliegenden Periode, da er ihn in den Stand gesetzt hat, die Sprache zu erfinden und anzuwenden, Waffen, Werkzeuge, Fallen usw. herzustellen, wodurch er, unterstützt durch seine sozialen Gewohnheiten, schon seit langem das über alle anderen Geschöpfe herrschende Tier geworden ist.“ (206f) „Als moralisches Wesen bezeichnet man ein solches, welches fähig ist, seine früheren Handlungen und deren Motive zu überlegen, dabei die einen gutheissend, die anderen verwerfend; und die Tatsache, dass der Mensch ein Wesen ist, welches Anspruch auf diese Bezeichnung hat, ist der grösste Unterschied zwischen ihm und den unter ihm stehenden Tieren.“ (207) „Wenn wir zu dieser Schlussfolgerung vom Ursprung des Menschen gekommen sind, so stellt sich uns der hohe Zustand unserer intellektuellen Fähigkeiten und moralischen Disposition als die grösste Schwierigkeit dar. ...() Der Intellekt muss für ihn (sc. den Menschen) allesbedeutend/ gewesen sein, selbst in einer sehr weit zurückliegenden Periode, da er ihn in den Stand gesetzt hat, die Sprache zu erfinden und anzuwenden, Waffen, Werkzeuge, Fallen usw. herzustellen, wodurch er, unterstützt durch seine sozialen Gewohnheiten, schon seit langem das über alle anderen Geschöpfe herrschende Tier geworden ist.“ (206f) „Als moralisches Wesen bezeichnet man ein solches, welches fähig ist, seine früheren Handlungen und deren Motive zu überlegen, dabei die einen gutheissend, die anderen verwerfend; und die Tatsache, dass der Mensch ein Wesen ist, welches Anspruch auf diese Bezeichnung hat, ist der grösste Unterschied zwischen ihm und den unter ihm stehenden Tieren.“ (207) „Ich weiss, dass manche die Schlüsse, zu denen dieses Werk gelangt ist, als höchst irreligiös denunzieren werden; allein, wer dies tut, muss zeigen, warum es irreligiöser ist, den Ursprung des Menschen als einer distinkten Spezies durch die Abstammung von einer niederen Form zu erklären, vermittelst der Gesetze der Variation und natürlichen Zuchtwahl, als es ist, wenn man die Entstehung des Individuums durch die Gesetze der gewöhnlichen Reproduktion erklärt. Die Entstehung der Art wie des Individuums sind beide gleiche Teile jener grossen Folge von Ereignissen, die unser Geist unmöglich als das Resultat blossen Zufalls ansehen kann..“ (210) „Es ist begreiflich, dass der Mensch einen gewissen Stolz empfindet darüber, dass er sich, wenn auch nicht durch seine eigenen Anstrengungen, auf den Gipfel der organischen Stufenleiter erhoben hat; und die Tatsache, dass er sich so erhoben hat, anstatt von Anfang an dorthin gestellt zu sein, mag ihm die Hoffnung auf eine noch höhere Stellung in einer fernen Zukunft erwecken. Aber wir haben es hier nicht mit Furcht und Hoffnung zu tun, sondern allein mit der Wahrheit, soweit wir fähig sind, sie zu entdecken... Und wir müssen, wie mir scheint, jedenfalls zugeben, dass der Mensch mit allen seinen edlen Eigenschaften, mit seiner Sympathie für die Niedrigsten, mit seinem Wohlwollen nicht nur gegenüber anderen Menschen, sondern auch gegenüber dem niedrigsten Lebewesen, mit seinem gottähnlichen Verstand, ... immer noch den unaustilgbaren Stempel seines niedrigen Ursprungs erkennen lässt.“ (211)