Heft 1/2011 - Tumorzentrum Erfurt

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ISSN 1868-291X
JOURNAL
TUMORZENTRUM ERFURT
Onkologisches Zentrum
am HELIOS Klinikum Erfurt
zertifiziert
Nach erfolgreich absolviertem Audit am 29. und 30.3.2011 durch
TÜV Süd und OnkoZert hat die
Deutsche Krebsgesellschaft dem
Onkologischen Zentrum HELIOS
Klinikum Erfurt als erstem Zentrum
in Thüringen die Auszeichnung
„Onkologisches Zentrum mit Empfehlung der Deutschen Krebsgesellschaft e.V.“ erteilt.
Zum Onkologischen Zentrum gehören die bereits länger am HELIOS
Klinikum Erfurt bestehenden 4 zertifizierten
Organtumorzentren
(Brustzentrum,
Hauttumorzentrum, Prostatakarzinomzentrum
und Darmzentrum), das ebenfalls
zertifizierte Pankreaskarzinomzentrum und das Kopf-Hals-Tumorzentrum, dessen Zertifizierung Anfang
September 2011 ansteht.
01/2011
INHALT
Seite 3
■ Onkologisches Zentrum am
HELIOS Klinikum Erfurt zertifiziert
Seite 5
■ Freier Zugang zur internationalen Leitlinien-Bibliothek von
G-I-N für Ärzte und Patienten –
ein neuer Service des ÄZQ
Seite 5
■ Neue diagnostische Perspektiven in der gynäkologischen
Zytologie
Seite 8
■ Verhältnis der Lymphgefäßdichte zur synchronen nodalen
Metastasierung und zur Blutgefäßdichte in pharyngealen
Plattenepithelkarzinomen
Seite 13
■ Onkologie und Palliativmedizin –
eine Schnittstellenproblematik?
Seite 16
■ Von Grenzen und Schranken –
oder: Veritas semper maior
Seite 20
■ „Hast Du mich noch lieb, wenn
Du tot bist?“ – Psychosoziale
Hilfen für Kinder krebskranker
Eltern
Seite 24
■ Aktuelle Diagnose-, Therapieund Nachsorgeleitlinien
Seite 29
■ Bericht von der Mitgliederversammlung des
Tumorzentrum Erfurt e.V.
Hauptzielsetzungen des Onkologischen Zentrums sind die Anwendung modernster Verfahren
zur Diagnostik und Therapie von Tumorerkrankungen sowie die Optimierung und Sicherstellung der interdisziplinären Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten.
Seite 32
■ Gemeinsames
Veranstaltungsverzeichnis
Foto: HELIOS Klinikum Erfurt
Seite 33
■ Angebote des
Tumorzentrum Erfurt e.V.
Lesen Sie weiter auf Seite 3
Perspektiven eröffnen mit SUTENT®
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Überleben mit SUTENT®
26,4 Monate in der First-Line bei mRCC 1
17,2 Monate bei GIST nach Imatinib-Versagen/-Unverträglichkeit 2
Progressionsfreies Überleben bei pankreatischen NET im Vergleich
zu Placebo mehr als verdoppelt³
* weltweit; Pfizer, Data on file.
Sutent® 12,5 mg/25 mg/37,5 mg/50 mg Hartkapseln. Wirkstoff: Sunitinib. Zusammensetzung: Wirkstoff: Eine Hartkapsel enthält Sunitinibmalat, entsprechend 12,5 mg/25 mg/37,5 mg/50 mg Sunitinib. Sonstige Bestandteile: Mannitol (Ph.Eur.),
Croscarmellose-Natrium, Povidon (K 25), Magnesiumstearat (Ph.Eur.), Gelatine, Eisen(III)-oxid (E 172), Titandioxid (E 171), Schellack, Propylenglycol, Natriumhydroxid; -25 mg/-37,5 mg/-50 mg zusätzl.: Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Eisen(II,III)oxid (E 172). Anwendungsgebiete: Bei Erwachsenen zur Behandl. nicht resezierbarer u./od. metastasierter maligner gastrointestinaler Stromatumoren (GIST), wenn eine Behandlung mit Imatinibmesylat wegen Resistenz oder Unverträglichkeit
fehlgeschlagen ist. Bei Erwachsenen zur Behandl. fortgeschrittener metastasierter Nierenzellkarzinome (MRCC). Bei Erwachsenen zur Behandl. nicht resezierbarer od. metastasierter, gut differenzierter pankreatischer neuroendokriner Tumoren mit
Krankheitsprogression; die Erfahrung mit SUTENT als First-line-Behandlung ist begrenzt. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: Die wichtigsten schweren Nebenwirkungen bei
der Behandlung von Patienten mit soliden Tumoren waren Lungenembolie (1 %), Thrombozytopenie (1 %), Tumorhämorrhagie (0,9 %), fiebrige Neutropenie (0,4 %) und Hypertonie (0,4 %). Die häufigsten (bei mind. 20 % der Patienten) Nebenwirkungen
aller Schweregrade umfassen u. a. Erschöpfung; gastrointestinale Beschwerden wie etwa Durchfall, Übelkeit, Stomatitis, Oberbauchbeschwerden und Erbrechen; Verfärbung der Haut; Dysgeusie und Anorexie. Bei Patienten mit soliden Tumoren waren
Erschöpfung, Hypertonie und Neutropenie die häufigsten Nebenwirkungen im Schweregrad 3 und eine erhöhte Lipase die häufigste Nebenwirkung im Schweregrad 4. Hepatitis und Leberversagen traten bei weniger als 1 % der Patienten auf und eine
Verlängerung des QT-Intervalls bei weniger als 0,1 %. Ereignisse mit tödlichem Ausgang umfassten u. a. Multiorganversagen, disseminierte intravaskuläre Koagulation, peritoneale Blutungen, Rhabdomyolyse, Apoplex, Dehydrierung, Nebenniereninsuffizienz,
Nierenversagen, akute respiratorische Insuffizienz, Pleuraerguss, Pneumothorax, Schock und plötzlicher Tod. In GIST-Studien: Sehr häufig: Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie; Hypothyreose; Appetitlosigkeit; Beeinträchtigung des Geschmackssinns,
Kopfschmerzen; Hypertonie; Durchfall, Übelkeit, Stomatitis, Erbrechen, Oberbauchbeschwerden, Bauchschmerzen/aufgeblähter Bauch, Blähungen, Schmerzen im Mundbereich; Gelbfärbung/Verfärbung der Haut, palmar-plantares ErythrodysästhesieSyndrom, Veränderung der Haarfarbe, Hautausschlag; Schmerzen in den Extremitäten; Erschöpfung/Kraftlosigkeit, Schleimhautentzündung, Ödeme. Häufig: Leukopenie, Lymphopenie; Schlaflosigkeit; Parästhesie, Schwindel, periphere Neuropathie,
Hypästhesie; Nasenbluten, Dyspnoe; Chromaturie; Verstopfung, Zungenschmerzen, Mundtrockenheit, gastroösophagealer Reflux, Ulzerationen/Beschwerden im Mundbereich; trockene Haut, Haarausfall, Dermatitis, periorbitale Ödeme, Hautreaktionen,
Erythem, Ekzem, Juckreiz, Hyperpigmentierung der Haut, Abschälen der Haut, Blasenbildung, Hautschäden; Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen/-spasmen, Rückenschmerzen, Muskelschwäche; Pyrexie; Lipase erhöht, weißes Blutbild erniedrigt,
Ejektionsfraktion verringert, Hämoglobin erniedrigt, Kreatinphosphokinase erhöht, Thrombozytenzahl erniedrigt, Gewichtsabnahme, Erhöhung von Amylase, Aspartataminotransferase und Alaninaminotransferase. In der Studie bei zytokinrefraktärem und
nicht vorbehandeltem MRCC: Sehr häufig: Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie, Leukopenie; Hypothyreose; verringerter Appetit; Beeinträchtigung des Geschmackssinns, Kopfschmerzen; Hypertonie; Nasenbluten; Durchfall, Übelkeit, Stomatitis/
Stomatitis aphtosa, Oberbauchbeschwerden, Erbrechen, Bauchschmerzen/aufgeblähter Bauch, Verstopfung, Zungenschmerzen, Schmerzen im Mund, Blähungen, Mundtrockenheit; Gelbfärbung/Verfärbung der Haut/Pigmentstörungen, palmar-plantares
Erythrodysästhesie-Syndrom, Hautausschlag, trockene Haut, Veränderung der Haarfarbe, Haarausfall, Hautrötung; Schmerzen in den Extremitäten; Erschöpfung/Kraftlosigkeit, Schleimhautentzündung, Ödeme; Ejektionsfraktion verringert/abnormal,
Gewichtsverlust. Häufig: Lymphopenie; Dehydratation; Schlaflosigkeit, Depression; Schwindel, periphere Neuropathie, Parästhesie, Hypästhesie, Hyperästhesie, verstärkter Tränenfluss, Lidödem; Hitzegefühl, Hitzewallung; Dyspnoe, pharyngolaryngeale
Schmerzen, Husten, Dysphonie, trockene Nase, Pleuraerguss, verstopfte Nase, Belastungsdyspnoe; gastroösophagealer Reflux, Dysphagie, Cheilitis, Zahnfleischbluten, Hämorrhoiden, Proktalgie, Ulzerationen im Mundbereich, Rektalblutungen,
Magenbeschwerden, Aufstoßen; Abschälen der Haut, Hautreaktionen/Hauterkrankungen, Juckreiz, periorbitale Ödeme, Dermatitis, Schädigung/Verfärbung der Nägel, Blasenbildung, Hyperkeratose, Akne; Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen/-spasmen,
Rückenschmerzen, Schmerzen des Muskel- und Skelettsystems; Chromaturie; Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen, Brustschmerzen, grippeähnliche Erkrankung; Thrombozytenzahl erniedrigt, Leukozytenzahl erniedrigt, Lipase erhöht, Hämoglobin erniedrigt,
Amylase erhöht, Kreatinphosphokinase erhöht, Aspartataminotransferase erhöht, Kreatininwert erhöht, Blutdruck erhöht, Alaninaminotransferase erhöht. In der Phase-3-Studie bei pNET: Sehr häufig: Neutropenie, Thrombozytopenie; Anorexie; Dysgeusie,
Kopfschmerzen; Hypertonie; Nasenbluten; Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis, Bauchschmerzen, Verdauungsbeschwerden; Veränderung der Haarfarbe, palmar-plantares Erythrodysästhesie-Syndrom, Hautausschlag, trockene Haut; Erschöpfung/
Kraftlosigkeit, Schleimhautentzündung; Gewichtsverlust. Häufig: Leukopenie; Hypothyreose; verringerter Appetit; Schlaflosigkeit; Schwindel; Lidödem; Dyspnoe; Verstopfung, Mundtrockenheit, Oberbauchbeschwerden, Stomatitis aphtosa, Blähungen,
Zahnfleischbluten; Erkrankungen der Nägel, Hautrötung, Gelbfärbung der Haut; Schmerzen in den Extremitäten, Gelenkschmerzen. Weitere Nebenwirkungen nach Markteinführung: Häufig: erhöhtes schilddrüsenstimulierendes Hormon
(TSH). Gelegentlich: Herzinsuffizienz, dekompensierte Herzinsuffizienz, Linksherzversagen; Pankreatitis; Leberversagen. Selten: Verlängerung des QT-Intervalls, Torsade de pointes; gastrointestinale Perforationen. Häufigkeit unbekannt:
Infektionen (mit oder ohne Neutropenie) einschl. Pneumonien; thrombotische Mikroangiopathie; Angioödeme, Überempfindlichkeitsreaktionen; Hyperthyreose; Kardiomyopathie, Perikarderguss; Hepatitis; Myopathie u./od. Rhabdomyolyse,
Fistelbildung, eingeschränkte Wundheilung, Osteonekrose des Kiefers; Nierenversagen, akutes Nierenversagen, Proteinurie, nephrotisches Syndrom; Pleuraerguss, Lungenembolie, akute respiratorische Insuffizienz. Warnhinweis:
Enthält Mannitol und Propylenglycol. Packungsgrößen: Sutent 12,5 mg/25 mg/37,5 mg/50 mg Hartkapseln: 30 Hartkapseln (N1). Bitte beachten Sie außerdem die Fachinformation. Abgabestatus: Verschreibungspflichtig.
Pharmazeutischer Unternehmer: Pfizer Limited, Sandwich, Kent CT13 9NJ, Vereinigtes Königreich. Repräsentant in Deutschland: PFIZER PHARMA GmbH, 10785 Berlin. Stand: Dezember 2010.
www.pfizer.de
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1. Motzer RJ, Hutson TE, Tomczak, P, et al. Overall Survival and Updated Results for Sunitinib Compared
With Interferon Alfa in Patients With Metastatic Renal Cell Carcinoma. J Clin Oncol. 2009 Aug 1;
27 (22):3584–90.
2. Demetri GD, Huang X, Garrett CR, et al. Novel statistical analysis of long-term survival to account
for crossover in a phase III trial of Sunitinib versus placebo in advanced GIST after imatinib failure.
J Clin Oncol. 2008 May; 26(15SI):559s, Abstract 10524.
3. Niccoli P, et al. Updated Safety and Efficacy Results of the Phase III Trial of Sunitinib vs. Placebo for
Treatment of Pancreatic NET. ASCO 2010 Abstract 4000, J Clin Oncol. 2010 June; 28:15s.
■ Onkologisches Zentrum am
HELIOS Klinikum Erfurt zertifiziert
Hubert Göbel
Onkologisches Zentrum HELIOS Klinikum Erfurt
Ende März 2011 fand die Überprüfung durch den TÜV
Süd und die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), vertreten
durch die Firma OnkoZert, statt. Im Mai kam die offizielle Bestätigung von beiden Organisationen, dass sowohl
die Kriterien nach DIN ISO 9001 als auch die fachlichen
Anforderungen der DKG an Onkologische Zentren erfüllt
worden sind und die entsprechenden Zertifikate erteilt
werden (Abb. 1).
Das Onkologische Zentrum HELIOS Klinikum Erfurt ist damit das 21. nach den Richtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierte Onkologische Zentrum in Deutschland und das erste im Freistaat Thüringen.
Vorausgegangen waren Monate intensiver Vorbereitungen; immerhin gibt es das Onkologische Zentrum bereits
seit mehr als 2 Jahren. Aber erst wenn alle Prozessabläufe auch detailliert aufgeschrieben, langjährig bestehende
Kooperationen auch vertraglich vereinbart, geübte interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit
auch protokolliert und sämtliche erhobenen Daten auch
auswertbar im Tumordokumentationssystem erfasst sind,
kurz gesagt ein Qualitätsmanagementsystem etabliert
und gelebt wird, ist eine erfolgreiche Zertifizierung möglich.
Nach den Vorgaben der Deutschen Krebsgesellschaft werden in Onkologischen Zentren mehrere Tumorerkrankungen unter einem Dach betreut. Orientiert an der Inzidenz,
muss ein Onkologisches Zentrum den überwiegenden Teil
der Tumorentitäten abbilden, d.h. die betreuten Entitäten
müssen mehr als 50% der vom Robert-Koch-Institut (RKI)
und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland (GEKID) ermittelten Krebsneuerkrankungen repräsentieren.
Basis eines Onkologischen Zentrums sind bestehende eigenständige und bereits zertifizierte Organkrebszentren.
Onkologischen Zentren stellen somit die zweite Stufe des
DKG-Modells der onkologischen Versorgung dar (Abb.2).
Die Spitze dieses Modells bilden die durch die Deutsche
Krebshilfe geförderten Onkologischen Spitzenzentren,
deren Schwerpunkt neben der Patientenversorgung auf
Forschung und Lehre liegt.
Die vier bereits bestehenden zertifizierten Organkrebszentren (Brustzentrum, Hauttumorzentrum, Prostatakarzinomzentrum, Darmzentrum) sowie das ebenfalls im
März 2011 erstzertifizierte Pankreaszentrum sind die Basis des Onkologischen Zentrums am HELIOS Klinikum Er-
Abb. 1 Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft für das Onkologische Zentrum HELIOS Klinikum Erfurt
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■ Se ite 3 ■
Die Qualitätsziele des Onkologischen Zentrums sind ebenso wie die Struktur des gesamten Netzwerkes und ausführliche Beschreibungen der Hauptbehandlungsprozesse und
der unterstützenden Prozesse in einem mehr als 140 Seiten umfassenden Qualitätsmanagementhandbuch beschrieben. Zusammen mit einer Vielzahl detaillierter Arbeitsanweisungen (SOP) stellt es die Arbeitsgrundlage für
alle integrierten Bereiche dar. Regelmäßig stattfindende
Qualitätszirkel dienen deren Überprüfung und Weiterentwicklung.
So soll sichergestellt werden, dass auf Dauer ein hohes
Versorgungsniveau erreicht wird. Bei aller Freude über das
erfolgreich abgeschlossene Zertifizierungsverfahren weist
der Leiter des Onkologischen Zentrums, Prof. Dr. med. Michael Herold, (Abb. 3) besonders auf diesen Punkt immer
wieder hin: “Nicht das Zertifikat ist das Ziel, sondern die
ständige Verbesserung der Versorgungsqualität unserer
Patienten“.
Abb. 2 Modell der Onkologischen Versorgung
(Grafik: Deutsche Krebsgesellschaft)
furt. Hinzu kommen das Kopf-Hals-Tumorzentrum und die
Entitäten Leukämien, Lymphome und Lungentumoren.
Die fachübergreifende Versorgung (Pathologie, Radiologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin, operative und medikamentöse Onkologie, Palliativ- und Hospizdienste) wird
durch Kooperationsverträge mit internen und externen
Partnern sichergestellt (siehe unter www.helioskliniken.de/klinik/erfurt/fachabteilungen/onkologischeszentrum.html).
Zentraler Bestandteil der interdisziplinären Zusammenarbeit bei onkologischen Erkrankungen sind die wöchentlichen Tumorkonferenzen. Insgesamt gibt es fünf so genannte Tumorboards im Klinikum. Neben dem allgemeinen Tumorboard sind das die Tumorkonferenzen der Organkrebszentren (Brust-, Haut-, Prostata-, Kopf-Hals-Tumoren). Die Tumorboards stehen auch zuweisenden Kliniken und Ärzten offen. Das für jeden Patienten dort erarbeitete weitere Vorgehen in Diagnostik und Therapie ist
für alle Beteiligten bindend.
Das interdisziplinäre Behandlungskonzept für jeden einzelnen Patienten betrifft jedoch nicht nur die ambulante und
stationäre Krebstherapie, sondern auch die psychoonkologische Begleitung, die onkologische Pflege unter Anleitung speziell onkologisch ausgebildeter Pflegekräfte sowie
Maßnahmen der Rehabilitation und Nachsorge bis hin zur
ambulanten und stationären Palliativ- und Hospizbetreuung. Die emotionale Zuwendung sowie die intensive Beratung unter Einbeziehung der Angehörigen haben gerade bei der Pflege von Krebspatienten einen hohen Stellenwert.
Um die Qualität im Onkologischen Zentrum zu sichern,
wird eine einheitliche Dokumentation aller betreuten Patienten im Klinischen Krebsregister des Erfurter Tumorzentrums erstellt. Dazu gehört auch eine kontinuierliche Fortbildung des ärztlichen und pflegerischen Personals. Die Beteiligung an wissenschaftlichen Programmen, insbesondere an klinischen Studien, hat für alle Bereiche des
Onkologischen Zentrums einen hohen Stellenwert.
■ Seite 4 ■
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Abb. 3 Prof. Dr. med. Michael Herold, Chefarzt der 4. Medizinischen Klinik,
Hämatologie und Onkologie, und Leiter des Onkologischen Zentrums
Korrespondenzadresse:
Dr. rer. nat. Hubert Göbel
Onkologisches Zentrum
HELIOS Klinikum Erfurt
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon 0361-781 4802
e-Mail: [email protected]
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■ Freier Zugang zur internationalen
Leitlinien-Bibliothek von G-I-N für
Ärzte und Patienten –
ein neuer Service des ÄZQ
Das von der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) gemeinsam getragene Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) ist
deren Kompetenzzentrum für medizinische Leitlinien, Patienteninformationen, Patientensicherheit, Evidenzbasierte Medizin und medizinisches Wissensmanagement.
Das ÄZQ selbst ist Initiator und Gründungsmitglied des
2002 gegründeten Guidelines International Network (GI-N), zu dessen Mitgliedern fast 100 Organisationen und
viele Experten aus fast 50 Staaten aller Kontinente zählen.
G-I-N ist damit der größte weltweite Zusammenschluss
von Organisationen und Gesundheitswissenschaftlern,
die sich für die Entwicklung und Nutzung von Leitlinien
zugunsten evidenzbasierter Gesundheits– und Patientenversorgung einsetzen.
Das ÄZQ finanziert nun im Rahmen dieser Kooperation
den freien Zugang zur, bisher nur Experten vorbehaltenen, internationalen Leitlinien-Bibliothek von G-I-N für alle Interessierten aus Deutschland. Neben dem ebenfalls
von BÄK und BKV vorgehaltenen Informationsdienst
www.patienten-information.de und der bereits frei zugänglichen Datenbank der Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
(www.awmf.org/leitlinien) verfügen nun auch Patienten
und Angehörige über eine weitere sehr umfangreiche Informationsquelle.
Die Datenbank enthält über 7000 Leitlinien-Dokumente
der Netzwerk-Mitglieder. Deutschland ist nach Norwegen
die weltweit zweite Region mit einem solchen Service.
Der Zugang ist uneingeschränkt möglich. Notwendig ist
lediglich eine einmalige Registrierung. Danach erhält der
Nutzer eine Mail zur Freischaltung des Zugangs und kann
sich beliebig auf der Seite www.leitlinien.de einloggen
und die Leitlinien-Bibliothek nutzen.
Quelle:
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ)
TiergartenTower
Straße des 17. Juni 106-108
10623 Berlin
Telefon: 030-40052501
e-Mail: [email protected]
website: www.azq.de
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■ Neue diagnostische Perspektiven
in der gynäkologischen Zytologie
Diana Schaffer, Silke Brescius, Anke Siebahn,
Regina Dahse, Birgit John, Hartwig Kosmehl
Gemeinschaftspraxis für Pathologie und Institut für
Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt
In der diagnostischen gynäkologischen Zytologie vollziehen sich derzeit Veränderungen, wie sie die Histopathologie am Ende der 80iger Jahre durchgemacht hat. Durch
Einführung der Immunhistochemie konnte die auf der
persönlichen Erfahrung beruhende Einschätzung der diagnostischen Bewertung der Morphologie durch den
Nachweis differenzierungsspezifischer Proteine objektiviert werden; z. B. ein spindelzelliger Tumor, der das epitheliale Intermediärfilament Zytokeratin exprimiert, ist
kein Sarkom sondern meist ein Spindelzellkarzinom.
Der HPV-Nachweis
In 97% der Zervixkarzinome ist die Karzinogenese durch
humane Papillomaviren (HPV) induziert. Für die Aufklärung des Zusammenhangs zwischen einer HPV-Infektion
und der Entstehung von Zervixkarzinomen wurde Professor Harald zur Hausen, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Folglich ist der Nachweis von Bestandteilen der HPV in Zellen der Zervix von diagnostischer Bedeutung. Virusbestandteile können immunzytochemisch und molekularbiologisch (in situ-Hybridisierung, Hybrid Capture Assay,
Southern Blot und differente PCR-Techniken) nachgewiesen werden. In situ-Hybridisierungen zeigen durch eine
Markierung der Virus-DNA im Zellkern die infizierten Zellen im zytologischen oder histologischen Präparat an. Die
Erhaltung des morphologischen Zusammenhanges bei
der in situ-Hybridisierung wird durch eine eingeschränkte Sensitivität und Spezifität erkauft. Die anderen molekularpathologischen Verfahren setzen eine Isolierung der
DNA aus den Zellen und damit eine Zerstörung der Zellen
voraus. Derzeit sind mindestens 118 verschiedene HPV-Typen bekannt, wobei HPV-Typen mit einem niedrigen Risiko und einem hohen Risiko der malignen Transformation
unterschieden werden. Eine Metaanalyse zur HPV-Prävalenz (2.000 Patientinnen mit Zervixkarzinomen und 2.000
Kontrollpatientinnen) ergab, dass folgende HPV-Typen mit
einem höheren Risiko der Karzinomentstehung verbunden sind: 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59,
68, 73, 82 (Munoz et al. N. Engl. J. Med. 2003; 348: 518527). Es ist daher nicht unwichtig, möglichst viele HPV-Typen diagnostisch zu erfassen und zu unterscheiden.
Eine sehr effektive, erst kürzlich verfügbare, Maßstäbe
setzende Methode der HPV-Typisierung, ist die Chip-Technologie. Die von uns eingesetzten LCD-Arrays unterscheiden 32 HPV-Typen (6, 11, 16, 18, 31, 33, 35, 39, 42, 44,
45, 51, 52, 53, 54, 56, 58, 59, 61, 72, 66, 67, 68, 70, 72,
73, 81, 82, 83, 84, 90, 91). In einem ersten Untersuchungsschritt wird die DNA aus den Zellen isoliert und mit
Konsensusprimern nach einer HPV-Infektion mittels PCR
überhaupt gesucht. Bei Nachweis von Nukleinsäuresequenzen von HPV wird die isolierte DNA mit einer spezifischen Primerkombination vervielfältigt und auf den LCDArray aufgebracht (hybridisiert). Die Arrays enthalten in
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kleinen Spots komplementäre Sequenzen von 32 differenten HPV-Typen. Die Bindung von HPV-Typ-spezifischer DNA
in einem einzelnen Spot wird durch eine Farbreaktion
sichtbar gemacht und weist den entsprechenden HPV-Typ
in der isolierten DNA aus den Zellen der Zervix nach.
Der HPV-DNA-Nachweis hat eine sehr hohe Sensitivität.
Allerdings kann anhand eines positiven Tests nicht zwischen einer vorübergehenden (transienten) Infektion und
einer Krebsvorstufe oder einem invasiven Karzinom unterschieden werden. Bereits der Befund einer niedriggradigen Dysplasie (III, IIID) kann durch einen positiven HPVTest wesentlich gestützt werden.
Im Zeitraum vom 01.05.2010 bis 31.12.2010 haben wir
552 molekularpathologische HPV-Analysen durchgeführt.
In 117 Fällen wurde eine HPV-Infektion nachgewiesen,
107 Fälle mit HPV Hochrisiko-Typen, wobei Mehrfachinfektionen auftraten (Abb. 1).
Erfolgte die Indikationsstellung zur HPV-Analyse aufgrund
zytologischer Veränderungen, wurde eine HPV-Infektion
in 53% der Untersuchungen nachgewiesen. Nur in 73%
der Fälle werden die allgemein bekannten und erfassten
Hochrisikotypen 16, 18, 31 und 33 nachgewiesen. In mehr
als einem Viertel der Fälle sind andere HPV-Typen mit einem erhöhten Risiko der Transformation nachweisbar.
Dieser Befund ist von hohem Interesse für die Bewertung
des Schutzes durch eine Impfung gegen definierte HPVTypen und für die weitere Bedeutung der zytologischen
Vorsorgeuntersuchung. Auch deshalb sollten geimpfte
Frauen an der Vorsorgeuntersuchung teilnehmen.
Abb. 1 Verteilung der HPV-Typen im Einsendegut der Gemeinschaftspraxis.
HPV 16, 33, 31, 39, 18, 56, 52, 51, 58, 73, 45, 68 sind Hochrisikotypen.
Die Dünnschichtzytologie-Methode
Bei dem Dünnschicht-Zytologie oder auch Liquid-Zytologie genannten Verfahren werden die zervikalen Zellen, die
mit einem Träger entnommen wurden, in einer Flüssigkeit
suspendiert. Nach einer Aufarbeitung der Zellen in der
Flüssigkeit im zytologischen Labor werden die zervikalen
Zellen in einem herstellerabhängigen Verfahren auf Objektträger aufgebracht und gefärbt. Dafür, dass die Dünnschichtzytologie eine höhere Sensitivität der Zervixzytologie ermöglicht, lassen sich im internationalen Schrifttum
sowohl positive als auch negative Studien zitieren. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten des Dünnschichtzytologieverfahrens nicht.
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Jenseits der kritisch diskutierten Sensitivitätssteigerung
besitzt das Dünnschichtzytologieverfahren einen unbestrittenen Vorteil: Proben der Zellsuspension eines gynäkologischen Abstriches können auf mehrere Objektträger
mit einer stöchiometrischen Verteilung der atypischen Zellen aufgebracht werden. Beispielsweise können aus einem
zervikalen Abstrich, der mit dem Dünnschichtzytologieverfahren bearbeitet wurde, 5 zytologische Präparate hergestellt werden, die alle einen Anteil atypischer Zellen
enthalten. Bei einer Entnahme von mehreren Abstrichen
durch den Arzt kann die Anwesenheit atypischer Zellen
nicht in jedem Abstrichpräparat garantiert werden. Analog der Histologie gestattet die Dünnschichtzytologiemethode die Anfärbung von "Serienschnitten", die eine Untersuchung jedes einzelnen Objektträgers mit einem differenten immunzytochemischen oder mit molekularpathologischen Verfahren ermöglicht.
Ob es gelingt, mit neuen Verfahren der Dünnschichtzytologie eine Anreicherung der Tumorzellen zu erzielen, was
die Identifikation der wenigen pathologischen Zellen im
Präparat erleichtert, ist derzeit in Diskussion.
Immunzytochemische Prognosemarker
p16 (Cyclin-dependent-Inhibitor 2A) besitzt eine große
Bedeutung bei der Regulation des Zellzyklus. Mutationen
im p16 erhöhen das Risiko der Progression für zahlreiche
Tumortypen, z.B. maligne Melanome. Bei Plattenepithelzellen der Zervix ist die paradoxe Überexpression des Suppressorgens p16 die direkte Folge von HPV-Onkogenen. In
der gynäkologischen Zytologie zeigt p16 die Integration
von Hochrisiko-HPV-DNA in das Genom der zervikalen
Plattenepithelien an. Folglich ist p16 ein Risikomarker einer persistierenden HPV-Infektion.
Die p16/Ki-67-Doppelfärbung
Die Einführung der Doppelmarkierung p16/Ki-67 stellt einen großen diagnostischen Fortschritt dar. Das Ki67-Antigen ist der in der Pathologie am meisten eingesetzte Proliferationsmarker. Der Nachweis von Ki-67-Antigen in gynäkologischen zytologischen Präparaten allein stellt keine
krankhafte Veränderung dar. In jedem repräsentativen gynäkologischen zytologischen Abstrich sind basale Zellen
des Zervixepithels enthalten; hier zeigt das Ki-67-Antigen
die normale Proliferation, Regeneration des Epithels an.
Diagnostisch ist die simultane Koexpression des Suppressorgens p16 und des Proliferationsantigens Ki-67 innerhalb einer Plattenepithelzelle. Der Befund einer geringoder hochgradigen zytologischen Atypie kann durch
Nachweis einer HPV-assoziierten Dysregulation (gleichzeitige Demonstration eines „stopp und go“ –Signals innerhalb einer Zelle) objektiviert werden. Die immunzytochemische Doppelfärbung p16/Ki-67 kann standardisiert mit
hoher Zuverlässigkeit auf einem Färbeautomaten ausgeführt werden (Abb. 2).
HPV L1-Capsid
Das L1-Capsid ist ein HPV-assoziiertes Protein, das ebenfalls immunzytochemisch dargestellt werden kann. Es hat
eine Schlüsselrolle bei dem Zusammenbau der Viruspartikel. Frauen mit L1-positiven gynäkologischen zytologischen Präparaten, einer HPV-Hochrisikoinfektion und einer gering- bis mittelgradigen Atypie (Gruppe III oder IIID) können aufgrund der hohen antigenen Wirkung des
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Abb. 2 Die immunzytochemische Doppelmarkierung des Suppressorgens
p16 (braun) und des Proliferantionsantigens Ki-67 (rot) innerhalb einer zervikalen Plattenepithelzelle zeigt eine HPV assoziierte Dysregulation an.
Abb. 3 Fluoreszenz -in situ Hybridisierung (FISH).
Das grüne Signal hebt die Zentromere des Chromosoms 7 zum Vergleich hervor, 2 Signale sind sichtbar. Das rote Signal markiert die Region 3q26. Es sind
8 Signale im Zellkern sichtbar. Damit ist die Region3q26 gegenüber dem diploiden Chromosomensatz ( grünes Signal ) vervielfacht.
L1-Capsid in 70-80 % der Fälle mit einer Spontanremission rechnen.
Bei gering- bis mittelgradigen Dysplasien stellt der immunzytochemische Nachweis des L1-Capsid einen positiven Prognosemarker dar.
Molekulare Zytologie
Die HPV-assoziierte maligne Transformation des Zervixepithels, genauer die Progression der zervikalen Dysplasie
zum Karzinom ist mit einem Zugewinn des TelomeraseGens auf dem langen Arm des Chromosom 3 (3q26) verbunden (Heselmeyer-Haddad et al. 1996, 1997, 2003; Hopeman et al. 2006). Die Vermehrung (Amplifikation) des
Telomerase-Gens (hTERC) auf 3q26 kann mit einer Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) sichtbar gemacht werden (Abb. 3). Die Anwendung der molekularen Zytologie
wird sicherlich Einzelfällen vorbehalten bleiben. Die 3q26FISH-Analyse gibt einen Hinweis, ob die Erfüllung eines
Kinderwunsches vor der Sanierung einer CIN zu verantworten ist.
Fazit
1. Moderne zusätzliche diagnostische Verfahren können
die zytologischen Diagnosen sichern und präzisieren.
Ihre Anwendung wird in Fällen einer unklaren oder pathologischen Zervixzytologie nachdrücklich empfohlen.
2. Die Chip-Technologie ermöglicht eine effektive HPVDiagnostik mit Erfassung auch seltener HPV-Hochrisikotypen, vor denen Impfungen derzeit nicht schützen.
3. Vorteil des Dünnschichtzytologieverfahrens ist die
Möglichkeit der Herstellung mehrerer zytologischer
Präparate aus einer Zellabnahme mit garantierter Verteilung der fraglichen Zellen auf die verschiedenen Objektträger als Voraussetzung für immunzytochemische
Analysen.
J OU RNAL
4. Die p16/Ki-67-Doppelmarkierung zeigt eine HPV-assoziierte Dysregulation des Zellzyklus und objektiviert
den morphologischen Befund einer unklaren oder
niedriggradigen Atypie.
5. Der immunzytochemische Nachweis des HPV L1-Capsids weist auf die hohe Chance einer Remission niedriggradiger Zervixdysplasien hin (Prognosemarker).
Literatur bei den Autoren.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl
Gemeinschaftspraxis für Pathologie
Nordhäuser Straße 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7812750
e-mail: [email protected]
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■ Se ite 7 ■
■ Verhältnis der Lymphgefäßdichte
zur synchronen nodalen Metastasierung und zur Blutgefäßdichte in pharyngealen Plattenepithelkarzinomen
Sarah Stötzel
Klinik für Gefäßchirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt
Hartwig Kosmehl
Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt
Dirk Eßer
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
HELIOS Klinikum Erfurt
Sven Koscielny
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
Universitätsklinikum Jena
Einleitung: Angioneogenese, Lymphangioneogenese,
Lymphendothelzellmarker
Die Angioneogenese ist die Vorraussetzung für das progressive Wachstum solider Tumore mit einem Durchmesser größer 2mm. Die Erfassung der Blutgefäßdichte und
die Prozesse der Angioneogenese waren und sind Ziel
zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen und haben bereits zu praxistauglichen Therapiestrategien geführt. Im Kontrast dazu wurde die Lymphgefäßdichte als
möglicher Indikator einer nodalen Metastasierung bislang stark vernachlässigt. Bis heute existieren nur unzureichende Informationen über die Entwicklung und das
Wachstum von Lymphgefäßen sowie über deren Bedeutung im Zusammenhang mit der nodalen Metastasierung
solider Tumore.
Die These über die Abhängigkeit des Wachstums solider
Tumore von der Blutgefäßneubildung wird erstmals 1970
von Judah Folkmann formuliert und kann als Beginn der
modernen Angiogeneseforschung angesehen werden
(Folkmann 1971). Im Hinblick auf die Entwicklung neuer
Therapiestrategien hat sich das angiogeneseabhängige
Wachstum solider Tumore seither zu einem zentralen Forschungsthema in der Onkologie entwickelt. Solide Tumore zeigen, ebenso wie deren Metastasen, ein angiogeneseabhängiges Wachstum (Folkmann 1990).
Der Zusammenhang zwischen der Blutgefäßdichte und
der Prognose maligner Erkrankungen konnte zuerst für
das maligne Melanom, das Prostatakarzinom sowie für
das Mammakarzinom gesichert werden (Srivastava et al.
1988; Weidner 1995b). Heute existiert eine kaum überschaubare Anzahl an Untersuchungen zur Blutgefäßdichte an fast allen Tumorentitäten. Für die Mehrzahl konnte
ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer erhöhten
Mikrogefäßdichte und einer schlechteren Prognose, gemessen an der Gesamtüberlebenszeit, festgestellt werden
(Weidner 1995a). Entsprechend den Ergebnissen der Blutgefäßdichte konnte eine erhöhte Expression der bereits
ebenso gut untersuchten Wachstumsfaktoren der Angiogenese in Assoziation mit dem Wachstum und der Metastasierung solider Tumoren nachgewiesen werden (Carmeliet 2005). Das für die Objektivierung der Angioneogenese, am weitesten verbreitete Verfahren ist die mittels
spezieller Immunhistochemie realisierte Markierung und
quantitative Messung der tumorassoziierten Mikrogefäßdichte. Ziel ist die Bestimmung des individuellen Gefäßsta-
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tus eines malignen Tumors (Folkman 1971). Noel Weidner
prägte den Begriff der microvessel density (MVD) als histopathologisches Korrelat der tumorassoziierten Angiogenese (Weidner 1995b) und stellte weiterhin die Mikrogefäßdichte als unabhängigen Faktor für das Überleben
der Patienten heraus (Weidner 1995a). Bewertet wird die
Blutgefäßdichte in den gefäßreichsten Tumorarealen, den
sog. vaskulären hotspots, da diese das angiogene Potential des Tumors am besten widerspiegeln soll.
Das Tumorwachstum wiederum über die Manipulation
der tumorassoziierten Angioneogenese zu beeinflussen,
ist ein viel versprechender Therapieansatz. Die Anti-Angiogenese als zukunftsweisende Therapie solider Tumore hat
bereits Einzug in den klinischen Alltag gefunden. Die erste Zulassung erhielt Bevacizumab (Avastatin®) im Febuar
2004 für die Therapie des metastasierten Kolonkarzinoms,
ein Antikörper der den zentralen Wachstumsfaktor der
Angiogenese VEGF-A (vascular endothelial growth factor
A) bindet.
Kapilläre Lymph- und Blutgefäße können in der konventionellen H.E. Färbung nur schwer differenziert werden.
Auf Grund des gemeinsamen embryonalen Ursprungs von
Blut- und Lymphgefäßen wird eine Vielzahl von Oberflächenmolekülen auf beiden Gefäßtypen exprimiert. Dies
stellt eine besondere Problematik in der Etablierung selektiver Endothelzellmarker dar.
Im Zuge der Entdeckung spezifischer Lymphendothelzellmarker, welche eine selektive Darstellung der Lymphgefäße im histologischen Routinematerial erlauben, ergibt sich
nun die Möglichkeit der ebenso differenzierten Untersuchung der Lymphgefäße und Lymphangiogenese.
In dieser Studie wurden die zwei neuen Lymphendothelzellmarker: Lyve-1 (lymphatic vessel endothelial hyaluronan receptor 1) und D2-40 verwendet. Der Lyve-1-Rezeptor ist ein integrales Typ I-Membranprotein und wird fast
ausschließlich auf Lymphendothelzellen kleinerer Lymphgefäße und Lymphgefäßkapillaren exprimiert. Er bewirkt
die Bindung und Internalisierung von Hyaluron, welches
zu 80% über die Lymphgefäße aus dem Gewebe abtransportiert wird (Prevo et al. 2001). D2-40 ist ein Antikörper,
welcher selektiv das onkofetale M2A, ein fixierungsresistentes Epitop eines Sialoglykoproteins, erkennt (Kahn et
al. 2002). M2A wird auf Lymphendothelzellen von Lymphkapillaren, Kollektoren und Sammelrohren exprimiert.
Ob die Immunhistochemie mit den neuen Lymphendothelzellmarkern eine reliable und praxistaugliche Methode zur Darstellung von Lymphgefäßen darstellt, soll im
Weiteren untersucht werden.
Abbildung 1 zeigt die aktuelle Interpretation der tumorassoziierten lymphogenen Metastasierung, wonach Tumorund Stromazellen analog der Angioneogenese lymphangiogene Wachstumsfaktoren sezernieren und die Lymphangioneogenese induzieren. VEGF-C stellt den, diesem
Zusammenhang zuerst identifizierten, Wachstumsfaktor
der Lymphangiogenese dar, welcher über den VEGFR-3
(vascular endothelial growth factor receptor 3) wirkt.
Gegenstand dieser Untersuchung war die standardisierte
Erfassung der lymphatischen Mikrogefäßdichte mit den
zwei neuen Lymphendothelzellmarkern Lyve-1 und D2-40
am histopathologischen Routinematerial pharyngealer
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Plattenepithelkarzinome. Folglich soll geklärt werden, ob
durch die Bestimmung der Lymphgefäßdichte eine Aussage zur nodalen Metastasierung in diesem Karzinom getroffen werden kann. Weiterhin soll gezeigt werden, ob
die Lymphgefäßdichte als Indikator der synchronen nodalen Metastasierung geeignet ist. Und abschließend soll
das Verhältnis von Blut- und Lymphgefäßdichte nach
standardisierter Erfassung am gleichen Präparat bewertet
werden.
sche Analyse möglicher Zusammenhänge zwischen der
quantitativ bewerteten Blut- und Lymphgefäßdichte und
der Tumorausbreitungsklassifikation (TNM) sowie dem
Grading wurde mit Hilfe des exakten Wilcoxon-MannWhitney-Tests (U-Test) für ungepaarte Stichproben durchgeführt. Vorteil des exakten Wilcoxon-Mann-WhitneyTests ist seine Anwendbarkeit im Rahmen kleiner Stichprobenumfänge. Um eine Abhängigkeit auf dem Signifikanzniveau α=0,05 (einseitige und zweiseitige Fragestellung)
zu prüfen, wurde der p-Wert berechnet. Das Ergebnis galt
als signifikant, wenn p ≤ 0,05. Die Bewertung der Zusammenhänge zwischen der Blutgefäßdichte und der Lymphgefäßdichte erfolgte durch die Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson.
Ergebnisse
Die spezifische Immunhistochemie mit den neuen Lymphendothelzellmarkern Lyve-1 und D2-40 stellte die markierten Lymphgefäße durch eine kontrastreiche Rotfärbung
der Lymphendothelzellen dar. Der Großteil der Lymphgefäße wies sichtbare Gefäßlumina, teils mit Lymphozyten
gefüllt, auf (vgl. Abb. 2–7).
Abb.1 Von Tumorzellen sezernierte lymphangiogene Wachstumsfaktoren
insb. VEGF-C induzieren die Lymphangioneogenese. Weiterhin bewirkt
VEGF-C eine Lumenerweiterung der peritumoralen Lymphgefäße (Achen et
Abb. 2 konventionelle H.E. Färbung. Die Lymphgefäßdichte kann nicht sicher beurteilt werden.
al. 2005).
Die Untersuchung umfasste das formalinfixierte paraffineingebettete Gewebe von 56 pharyngealen Plattenepithelkarzinomen der Lokalisationen Oro- und Hypopharynx sowie ein exemplarisches Carcinoma in situ und
7 Präparate nicht neoplastisch veränderten Stromas der
Kopf-Hals-Region, diagnostiziert nach einheitlichen Untersuchungsstandards einer Klinik. Mittels zertifiziertem
Autostainer (K5005, Dako, Dänemark) wurde die standardisierte Immunhistochemie in Form der LSAB-Methode
(Labelled-StreptAvidin-Biotin Methode) durchgeführt. Die
Bewertung der Blut- und Lymphgefäßdichte erfolgte analog der Vorgehensweise zur Bewertung der Mikrogefäßdichte von Noel Weidner (Weidner 1995a), wonach die
Areale mit der höchsten Gefäßdichte, die vaskulären Hotspots, zu quantifizieren sind. Die Auszählung fand ohne
Kenntnis der jeweiligen Tumorstadien statt. Die statisti-
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Abb. 3 Immunhistochemie mittels Lyve-1. Die Lumina und das einschichtige Endothel der Lymphgefäße sind durch die kontrastreiche Rotfärbung gut
zu erkennen. Die Blutgefäßkapillaren sind negativ.
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Abb. 4 Markierung mit dem Antikörper D2-40 zeigt eine analoge Anfärbung
Abb. 7 Intratumorale Blutgefäße markiert mit FVIII.
Abb. 2–7 Der Serienschnitt zeigt einen Ausschnitt aus der Invasionszone eines oropharyngealen Plattenepithelkarzinoms.
Die quantitative Analyse der Lymphgefäßdichte ließ zunächst erkennen, dass die lymphogenen hotspots vorzugsweise peritumoral, in der Invasionszone lokalisiert
sind. In der Auswertung der Tumorklassifikation stellte
sich die peritumorale Lymphgefäßdichte metastasierter
Karzinome aller pT-Kategorien im Durchschnitt signifikant
höher dar als für nicht metastasierte Karzinome (vgl. Abb.
8). Dieser Unterschied konnte für beide Marker als signifikant bestätigt werden (p=0,04 Lyve-1, p=0,034 D2-40).
Abb. 5 Intratumorales Lymphgefäß durch Karzinomzellen komprimiert.
Abb. 8 Verteilungsmuster (Mittelwert +/-SE) der quantitativ bewerteten
Lymphgefäßdichte von nicht neoplastisch verändertem Stroma und Karzinomen mit (pN+) und ohne (pN0) nodaler Metastasierung. Der Unterschied der Lymphgefäßdichte zwischen den Karzinomen mit und ohne nodaler Metastasierung konnte für beide Lymphendothelzellmarker als signifikant* (p=0,04 Lyve-1, p=0,034 D2-40) gesichert werden.
Abb. 6 Markierung von Lymphgefäßen mittels D2-40. Zellmembran und Zytoplasma von Stroma- und Karzinomzellen zeigen z.T. unerwünschte Kreuzreaktivität.
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In der weiteren Auswertung zeigte sich ein Abfall der peritumoralen Lymphgefäßdichte von kleinen Karzinomen
der pT1/2-Kategorie zu Karzinomen der pT3/4-Kategorie
(Abb.9). Dieser Unterschied stellte sich ebenfalls für beide Lymphendothelzellmarker als signifikant dar (p=0,012
Lyve-1, p=0,004 D2-40). Das mikroinvasive Karzinom
(pT1) zeigte die höchste Lymphgefäßdichte (x=12,8 Lyve1, x=17,6 D2-40), wohingegen das invasive Karzinom der
pT3-Kategorie die niedrigste Lymphgefäßdichte (x=7,4
Lyve-1, x=9,0 D2-40) aufwies.
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Abb. 9 Darstellung der peritumoralen Lymphgefäßdichte (Mittelwert +/-SE)
für die Marker Lyve-1 und D2-40 von nicht neoplastisch veränderten Stroma
der Kopf-Hals-Region und pharyngealen Plattenepithelkarzinomen aufsteigender pT-Kategorie.
Die Lymphgefäßdichte der Invasionszone stellte sich in
gut bis mäßig differenzierten Karzinomen Grading 1/2 geringer dar als in schlecht und undifferenzierten Karzinomen Grading 3/4. Somit nahm die peritumorale Lymphgefäßdichte mit zunehmendem Grading ab.
Die Korrelationsanalyse zum Vergleich von Lymphgefäßund Blutgefäßdichte der Invasionszone zeigte keine Zusammenhänge zwischen den beiden Parametern (Pearson
Korrelationskoeffizient r=−0,004 für Lyve-1; r=0,116 für
D2-40). Somit wiesen Karzinome mit hoher Blutgefäßdichte in der Invasionszone nicht zugleich eine hohe
Lymphgefäßdichte auf. In die abschließende Auswertung
über die Chance der Vorhersagbarkeit einer nodalen Metastasierung wurden folgende klinisch-pathologische Einflussfaktoren eingeschlossen: Ausdehnung des Primärtumors (pT), histologischer Malignitätsgrad (G), peritumorale Lymphgefäßdichte, selektiv für Lyve-1 und D2-40 sowie Blutgefäßdichte der Invasionszone und zentralen
Anteile. Es zeigte sich, dass die mittels Lyve-1 bestimmte
Lymphgefäßdichte der Invasionszone gemeinsam mit
dem Grading die Faktoren mit der größten Aussagekraft
hinsichtlich der synchronen nodalen Metastasierung in
diesem Karzinom sind. Die Analyse zeigte weiterhin, dass
je höher die Lymphgefäßdichte in der Invasionszone der
Karzinome ist, desto größer ist die Chance der synchronen
nodalen Metastasierung. 71% der untersuchten Karzinome konnten über die Bestimmung der Lymphgefäßdichte aus der Invasionszone mittels Lyve-1 und dem Grading
als metastasiert oder nicht metastasiert zugeordnet werden. Wenn zusätzlich die pT-Kategorie einbezogen wird,
ließen sich 78,6% der Karzinome richtig einstufen.
Schlussfolgerung
Die Bestimmung der Mikrogefäßdichte als immunhistologisches Korrelat der tumorinduzierten Angioneogenese
stellt eine akzeptierte Methode zur Quantifizierung der
Blutgefäßneubildung dar, wobei FVIII/vWF (von Willebrand Faktor) der am weitesten verbreitete Antikörper zur
immunhistochemischen Darstellung der Blutgefäße ist
(Weidner 1995b). Da Karzinome mit hoher Frequenz zu
den regionalen Lymphknoten metastasieren, stellt das
Lymphgefäßsystem eine ebenso wichtige Struktur während der Tumorprogression dar. Insbesondere Kopf-HalsTumore, zu 90% Plattenepithelkarzinome, weisen eine
frühe nodale Metastasierung auf (Barnes et al. 2005). In
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der vorliegenden Arbeit wurden erstmals Blut- und
Lymphgefäßdichte simultan und standardisiert an einem
homogenen Patientengut für das pharyngeale Plattenepithelkarzinom untersucht. In der Invasionszone der Karzinome war die Blutgefäßdichte mit zunehmender Tumorgröße erhöht. Dies steht im Einklang mit den pathophysiologischen Erkenntnissen von Judah Folkman, wonach die zunehmende Mikrogefäßdichte den Mehrbedarf
der proliferierenden Tumorzellmasse widerspiegelt (Folkman 1990). Dagegen zeigte sich in den zentralen Anteilen ein Abfall der Blutgefäßdichte bei zunehmender Tumorgröße. Nach heutigen Erkenntnissen existiert intratumoral ein Milieu mit hohem interstitiellen Druck sowie einer zentral zunehmenden Hypoxie, welche die Proliferation der Endothelzellen hemmt (Denekamp 1984). Die eigenen Untersuchungsergebnisse lassen vermuten, dass in
Karzinomen mit einem Durchmesser über 4 cm zentral
keine Angioneogenese mehr stattfindet.
Die Korrelationsanalyse ließ keine Zusammenhänge zwischen Blut- und Lymphgefäßdichte jedes einzelnen Karzinoms erkennen. Es ist bekannt, dass Angiogenese und
Lymphangiogenese durch eine Vielzahl verwandter
Wachstumsfaktoren und Rezeptoren insbesondere der
Molekülfamilie der VEGFs mit teils überschneidendem
Wirkspektrum reguliert werden (McColl et al. 2004). Nach
den eigenen Ergebnissen der simultanen Untersuchung
scheinen Angiogenese und Lymphangiogenese jedoch
unabhängig regulierte Prozesse zu sein, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Tumorprogression stattfinden. Basierend auf den erläuterten Erkenntnissen kann
geschlussfolgert werden, dass die Bestimmung der
Lymphgefäßdichte als Indikator der synchronen nodalen
Metastasierung unabhängig von der Bestimmung der
Blutgefäßdichte erfolgen sollte.
In dieser Arbeit konnte weiterhin gezeigt werden, dass die
neuen Lymphendothelzellmarker Lyve-1 und D2-40 über
die selektive Bindung von Oberflächenantigenen eine valide und reproduzierbare Darstellung von Lymphgefäßen
sowie die sichere Differenzierung zu Blutgefäßen in formalinfixierten paraffineingebetteten Gewebe ermöglichen, wobei D2-40 im Gegensatz zu Lyve-1 ein weiter reichendes Reaktionsspektrum mit unerwünschter Kreuzreaktivität zu Stroma- und Tumorzellen zeigte.
In der quantitativen Auswertung der Lymphgefäßdichte
zeigte sich, dass Karzinome der pT1/2-Kategorie eine signifikant höhere Lymphgefäßdichte aufwiesen als Karzinome der pT3/4-Kategorie. Daraus kann geschlussfolgert
werden, dass die Lymphangioneogenese ein in diesem
Karzinom frühzeitig stattfindender Prozess während der
Progression ist. Dies stellt eine denkbare Erklärung für die
frühzeitige nodale Metastasierung kleiner Primärtumore
dar. Im Weiteren konnte eine Erhöhung der Lymphgefäßdichte von gut bis mäßig differenzierten zu undifferenzierten Karzinomen festgestellt werden. Ob es im Rahmen
der Entdifferenzierung des Tumors zu einer erhöhten Sekretion lymphangiogener Wachstumsfaktoren kommt,
bedarf jedoch weiterer Untersuchungen. Neuchrist und
Mitarbeiter zeigten experimentell, dass Zelllinien aus Plattenepithelkarzinomen der Kopf-Hals-Region die bedeutsamsten Wachstumsfaktoren der Lymphangiogenese
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■ Seit e 11 ■
VEGF-C und VEGFR-3 exprimieren (Neuchrist et al. 2003).
Die assoziierte Entzündungsreaktion in der Invasionszone
leistet durch die Sekretion verschiedener Stimulatoren der
Lymphangiogenese einen zusätzlichen Beitrag (Schoppmann et al. 2002). Die lymphogene Metastasierung kann
über vorbestehende Lymphgefäße des umgebenden Stromas erfolgen. Jedoch konnte gezeigt werden, dass sich
über die Neubildung von Lymphgefäßen das sog. lymphatische Fenster vergrößert und die Wahrscheinlichkeit der
Verbreitung von Tumorzellen erhöht (Karpanen et al.
2001). Da die Lymphangiogenese ihren Ursprung von vorbestehenden Lymphgefäßen nimmt und die peritumorale Lymphgefäßdichte die Zone der lymphogenen Hotspots
ist, kann angenommen werden, dass die Invasionszone
Ort der Lymphangioneogenese ist. Nach dem aktuellen
Wissensstand kann davon ausgegangen werden, dass die
erhöhte peritumorale Lymphgefäßdichte einer tumorinduzierten Lymphangioneogenese entstammt (vgl. Abb.1).
Unklar ist, ob die neu gebildeten tumorassoziierten
Lymphgefäße Abnormitäten hinsichtlich ihrer Struktur
und Funktion aufweisen, welche das Eindringen von Tumorzellen erleichtern. Dies bedarf weiterer Untersuchungen.
Es besteht die Annahme, dass die Lymphgefäßdichte als
Indikator der synchronen nodalen Metastasierung das aktuelle histopathologische Staging erweitern kann. Für das
nicht-kleinzellige Lungenkarzinom, das Magenkarzinom,
das kolorektale Karzinom sowie für das Urothelkarzinom
und das Maligne Melanom (Renyi-Vamos et al. 2005, Takanami 2006, Nakamura et al. 2006, Kaneko et al. 2007,
Miyata et al. 2006, Dadras et al. 2003) konnte bereits gezeigt werden, dass die Lymphgefäßdichte mit dem
Lymphknotenstatus korreliert und als unabhängiger Einflussfaktor der nodalen Metastasierung bewertet werden
kann. Die Bedeutung der Lymphgefäßdichte im Fall des
pharyngealen Plattenepithelkarzinoms ist bislang ungeklärt. Es existieren wenige Untersuchungen zur Lymphgefäßdichte und Lymphangiogenese in Kopf-Hals-Tumoren,
obwohl gerade diese Karzinome durch eine frühe nodale
Metastasierung gekennzeichnet sind und daher als Untersuchungsmaterial nahe liegen. Die bislang vorliegenden
Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Kyzas und
Mitarbeiter konnten einen signifikanten Zusammenhang
für die peritumorale und intratumorale Lymphgefäßdichte zur nodalen Metastasierung nachweisen (Kyzas et al.
2005). Ihr Untersuchungsmaterial beinhaltet jedoch keine pharyngealen Karzinome. Die Arbeitsgruppe um Audet
konnte, unter Verwendung des Chalkley point countings,
diese Zusammenhänge nur für Larynxkarzinome aufzeigen (Audet et al. 2005). Im Gegensatz dazu wiesen Beasley und Mitarbeiter die Korrelation der Lymphgefäßdichte zur nodalen Metastasierung nur für Oropharynxkarzinome nach (Beasley et al. 2002). Auch sie bewerteten ausschließlich die intratumorale Lymphgefäßdichte. Einzig
die Arbeitsgruppe um Franchi bewertete die Lymphgefäßdichte in der Invasionszone und wies diese in der multivariaten Analyse als den aussagekräftigsten Parameter hinsichtlich der nodalen Metastasierung aus (Franchi et al.
2004). In den wenigen vorliegenden Arbeiten zur Lymphgefäßdichte in Kopf-Hals-Tumoren wurden bislang unterschiedliche Lymphendothelzellmarker und Zählmethoden
angewandt, wodurch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse
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JOU RNAL
stark eingeschränkt ist. Eine Vereinheitlichung des Zählmodus sollte analog der heute weitestgehend akzeptierten und hier angewendeten Messung der Mikrogefäßdichte nach den Vorgaben Noel Weidners erfolgen. Bis die
Auswertung der Lymphgefäßdichte nicht standardisiert
ist, werden widersprüchliche Ergebnisse fortbestehen.
In der eigenen Untersuchung zeigte die peritumorale
Lymphgefäßdichte für beide Lymphendothelzellmarker eine signifikante Erhöhung in nodal metastasierten Karzinomen.
Der Lymphknotenstatus ist das Schlüsselkriterium für die
Prognose und das sich anschließende Therapieregime dieser Karzinome. Die Bewertung der peritumoralen Lymphgefäßdichte am primären Operationspräparat stellt nach
eigenen Erkenntnissen, neben dem aktuellen Staging eine neue Methode zur Erweiterung der prognostischen
Aussagekraft des histologischen Präparates dar. Die logistische Regressionsanalyse stellte weiterhin die mittels Lyve-1 bestimmte Lymphgefäßdichte der Invasionszone, gemeinsam mit dem Grading, als die Parameter mit der
höchsten Aussagekraft hinsichtlich des Lymphknotenstatus heraus. Mit einer Sensitivität von 71% konnten die
Karzinome mittels Lymphgefäßdichte und Grading als
metastasiert eingestuft werden. Unter Zunahme der T-Kategorie als bekanntem Prognosefaktor konnte eine Quote von 78,6% erreicht werden. Insbesondere das hier untersuchte pharyngeale Plattenepithelkarzinom zeigt eine
frühe und überwiegend nodale Metastasierung (Barnes et
al. 2005). Es konnte gezeigt werden, dass die peritumorale Lymphgefäßdichte ein aussagekräftiger Indikator der
synchronen nodalen Metastasierung in diesem Karzinom
ist und neben den bekannten histopathologischen Parametern eine Erweiterung des Stagings hinsichtlich des
Lymphknotenstatus für das pharyngeale Plattenepithelkarzinom darstellt.
Diese Untersuchungen bekräftigen die Notwendigkeit der
intensiven Forschung zur Lymphangioneogenese an weiteren Tumorentitäten in der Hoffnung, dass analog der
weitreichenden Erkenntnisse zur Angioneogenese ähnliche Fortschritte erzielt werden können, insbesondere im
Hinblick auf praxistaugliche Therapiestrategien.
Literatur beim Verfasser
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Sarah Stötzel
Klinik für Gefäßchirurgie
HELIOS Klinikum Erfurt
Nordhäuser Straße 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7816559
e-mail: [email protected]
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■ Onkologie und Palliativmedizin –
eine Schnittstellenproblematik?
Vortrag auf dem 7. Palliativmedizinischen Symposium „Übergänge – eine Herausforderung auf
dem Weg vom Vertrauten zum Unbekannten“
am 18. Juni 2011 in Bad Berka
Claudia Binder
Abteilung Hämatologie/Onkologie,
Universitätsmedizin Göttingen
Schnittstellenprobleme sind als lästiges Phänomen aus
der modernen Informationstechnologie bekannt. Sie treten auf, wenn elektronische Betriebssysteme unterschiedlicher Provenienz miteinander verbunden werden sollen
und sich dann als inkompatibel erweisen, meist entgegen
der vorherigen Versicherung der jeweiligen Hersteller.
Auch in der Onkologie und Palliativmedizin scheinen nicht
selten differente „Betriebssysteme“ aufeinander zu treffen und das, obwohl Thematik und Zielpersonen sehr
ähnlich und oft ein und dieselben sind.
Im Lehrbuch für Palliativmedizin (1) findet sich eine grafische Darstellung der Zusammenarbeit von kurativer und
palliativer Medizin. Im Ist-Zustand verabreicht der Onkologe in kurativer Intention eine Behandlung nach der anderen, um dann spät – zu spät wahrscheinlich – die Erfolglosigkeit des Ganzen zu erkennen und für die wenige verbliebene Zeit an den Palliativmediziner zu übergeben.
Dem gegenübergestellt wird ein Idealzustand der kontinuierlichen Kooperation, bei der zu Beginn der Anteil des
Onkologen mit der kurativen Therapie im Vordergrund
steht und der palliative Part mit zunehmendem Fortschreiten der Erkrankung immer größer wird bis hin zur vollständigen Übernahme am Lebensende. Dass solch ein
Konzept für den Patienten von Vorteil ist, wurde unlängst
durch eine klinische Studie belegt, in der bei Lungenkarzinom-Patienten durch frühzeitige Integration von palliativtherapeutischen Strategien nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern sogar das Gesamt-Überleben verlängert werden konnte (2).
Im klinischen Alltag funktioniert dies jedoch meist anders,
was unter anderem daran liegt, dass auf der langen zeitlichen Achse, auf der die beiden „Betriebssysteme“ miteinander kommunizieren sollen, viel Platz für Missverständnisse ist. Dies beginnt bereits bei Begrifflichkeiten.
Nach der Definition der Europäischen Assoziation für Palliativmedizin bezieht sich diese auf Patienten „mit fortgeschrittenen und progredienten Erkrankungen, bei denen
die Behandlung auf die Lebensqualität zentriert ist und
die eine begrenzte Lebenserwartung haben“. Für den Onkologen hingegen bedeutet eine palliative Therapie lediglich die Behandlung einer Erkrankung, die sich nicht heilen lässt. Dass Patienten Erkrankungen aufweisen, die von
Anfang an nicht heilbar, aber dennoch oft über lange Zeit
sehr gut behandelbar sind, ist nicht selten und wird durch
Fortschritte in der interdisziplinären Behandlung zunehmend häufiger. Durch diese Errungenschaften wird allerdings auch der Zeitpunkt, an dem spezifische Therapien
J OU RNAL
nicht mehr sinnvoll sind und ein Übergang zur Palliativmedizin im engeren Sinne erfolgen sollte, immer schwerer erkennbar. Insbesondere bei malignen hämatologischen Erkrankungen wie bestimmten Leukämien und Lymphomen
ist eine Heilung auch in fortgeschrittenen Stadien prinzipiell möglich, gelegentlich auch entgegen einer überwältigend ungünstigen statistischen Wahrscheinlichkeit. Der
Einsatz aller verfügbaren technischen Mittel auch bei ungünstig verlaufender Erkrankung ist daher nicht von vornherein aussichtslos. Ein „Happy end“ in einer solchen Situation ist für den Patienten, der daraus lebend und geheilt hervorgeht, ein extremer Glücksfall. Es wird jedoch
die therapeutische Entscheidungsfindung in ähnlich gelagerten zukünftigen Fällen, die mit großer Wahrscheinlichkeit ganz anders ausgehen, für den Arzt nur noch schwerer machen.
Zusammenfassend ist somit die Frage, die den Onkologen
bewegt, nicht, ob es sich um eine kurative oder palliative
Therapie handelt, sondern ob nun tatsächlich die Phase
des Lebensendes begonnen hat, in der eine intensive tumorspezifische Therapie keinen Sinn mehr macht. Ganz
eng verbunden damit ist die grundsätzliche Fragestellung, ob und unter welchen Umständen wir um der Lebensverlängerung willen alles tun dürfen bzw. sollen, was
die moderne Medizin bietet.
Diese Entscheidung wird zusätzlich dadurch erschwert,
dass sie nicht nur durch die bloßen medizinischen Fakten
bestimmt wird, sondern in einem Spannungsfeld zwischen Arzt und Patienten stattfindet, das noch durch zahlreiche weitere Faktoren moduliert wird. Da ist zum einen
der Kranke mit seinen ganz individuellen Vorerfahrungen,
seinem Selbstbild (sieht er sich als Kämpfer bis zum letzten oder nicht) und seinen Hoffnungen, die im Wechselspiel mit seinem persönlichen Umfeld seine Erwartungen
an den Arzt und an den Verlauf der Krankheit beeinflussen. Auf der anderen Seite der Arzt, der seine eigene Vorstellung davon hat, wie er selbst in dieser Situation behandelt werden möchte, eine Vorstellung, die er mit seinem
beruflichen Selbstbild, seiner medizinischen Erfahrung
und den Erwartungen seiner sozialen Umgebung in Einklang bringen muss. Und auf beiden Seiten ist da ganz viel
Angst. Angst vor dem eigenen Sterben, vor dem beruflichen und menschlichen Versagen, die – auch wenn das
medizinische Personal sie in der Regel besser zu verbergen
gelernt hat – auf beiden Seiten die Entscheidungen in irrationaler Weise beeinflussen kann.
„Früher wusste man, dass man den Tod in sich hatte wie
die Frucht den Kern …, das gab einem eine eigentümliche
Würde und einen stillen Stolz“, sagt Rainer Maria Rilke in
der Geschichte des Malte Laurids Brigge (3). Diese Sichtweise ist heutzutage weitgehend von einer anderen Vorstellung abgelöst, einem fast unbedingten Glauben an die
technischen Möglichkeiten. Durch den „Triumph der Technik“ hat „der Tod …aufgehört, als natürliches und notwendiges Phänomen zu gelten, er ist ein Fehlschlag“,
schreibt Philippe Ariès in seiner Geschichte des Todes (4).
Wo alles möglich scheint, fällt es umso schwerer, sowohl
für den Patienten als auch den ursprünglich als Heiler angetretenen Arzt, die Unmöglichkeit einer Kuration und
den Beginn des Lebensendes zu akzeptieren.
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■ Seit e 13 ■
Angesichts des zwar oft deutlich empfundenen, aber nur
selten ausgesprochenen und somit unbewältigten Widerspruches zwischen „Technikmacht und Todesfurcht“ (5)
kommt es oft zu Entscheidungen, die unter den Fachbegriff „Futility“ (Vergeblichkeit) fallen und die Durchführung einer Maßnahme bedeuten, die zwar technisch möglich, aber in der speziellen Situation medizinisch sinnlos
ist. Auf die Frage „Kennen Sie Situationen, in denen ein
Therapieabbruch/-verzicht sinnvoll gewesen wäre, aber
nicht erfolgt ist?“ antworteten 47 Ärzte und Pfleger auf
Intensivstationen und in der Geriatrie in der überwältigenden Mehrheit mit „ja“ (6). Die Gründe dafür reichten vom
unbedingten Therapiewunsch des Patienten und der Angehörigen über den Dissens zwischen den Ärzten, Angst
vor Unterlassung bis hin zu „niemand kann/will Entscheidung übernehmen“ bzw. „Zeitpunkt der Entscheidung
verpasst“. Insbesondere letztere Aussage erscheint erstaunlich, ist aber angesichts der Entwicklung der modernen Medizin, die durch Spezialisierung, Schichtarbeit etc.
letztlich eine Partikularisierung der Betreuung eines Patienten zur Folge hat, nicht wirklich verwunderlich. Sind
Maßnahmen einmal eingeleitet, ist es für alle Beteiligten
schwer, sie aktiv abzubrechen, nicht zuletzt, da man sich
hier oft in einem Grenzbereich zum schwierigen Thema
Sterbehilfe bewegt.
Wie groß die Unsicherheit in der Unterscheidung zwischen erlaubter passiver und verbotener aktiver Sterbehilfe ist, zeigt eine Umfrage unter 427 in der Onkologie oder
Palliativmedizin tätigen Ärzten in Rheinland-Pfalz (7).
Während nur 7,2 bzw. 13% der Befragten das Nichteinleiten einer Antibiotika-Therapie bzw. die Beendigung einer
künstlichen Ernährung bei infauster Prognose für aktive
Sterbehilfe hielten, betrachteten 26,6% die Beendigung
einer parenteralen Flüssigkeitsgabe sowie 48,8% das Abstellen einer künstlichen Beatmung als solche und hätten
sie demzufolge auch nicht durchgeführt. In Wirklichkeit
handelt es sich in keinem dieser Fälle um aktive Sterbehilfe. Nach dem Gesetz ist „das Wesensmerkmal der verbotenen aktiven Sterbehilfe… nicht die (aktive) Handlung als
solche (beispielsweise das Abstellen eines Katecholaminperfusors oder einer Beatmung), sondern die Intention,
nämlich die gezielte Tötung durch eine Maßnahme, die
auch das Leben des Gesunden beenden würde“ (7).
Dies zeigt, dass Entscheidungen zwischen Onkologie und
Palliativmedizin getroffen werden sollten, bevor die
Krankheit in ein kritisches Stadium eingetreten ist. Voraussetzung dazu ist eine frühzeitige, den ganzen Krankheitsverlauf begleitende, offene Kommunikation zwischen
Arzt und Patient. Dies erfolgt im klinischen Alltag oft nicht
oder nur ungenügend. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Gespräche über das Sterben sind schwierig und erfordern
Zeit, ein kostbares Gut angesichts der zunehmenden Ökonomisierung der Medizin. Insbesondere in der Onkologie
erfolgt die Belohnung vor allem für die Durchführung von
Maßnahmen und Chemotherapien, nicht für Gespräche,
die möglicherweise sogar zur Unterlassung dieser Prozeduren geführt hätten.
Kommunikation, ob eine Maßnahme sinnvoll sein könnte
oder nicht, muss jedoch auch innerhalb und zwischen den
unterschiedlichen beteiligten Berufsgruppen erfolgen. In
die Diskussion zur Vermeidung von „Futility“ sollte die
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Prognose der Grundkrankheit einfließen - ist sie heilbar
oder nicht, ist das Konzept kurz, mittel, oder langfristig.
Die Prognose ist auch bei der Bewertung von Akutkomplikationen, die eine Therapie-Intensivierung erfordern würden, entscheidend, insbesondere, wenn es sich um prognostisch ungünstige Komplikationen durch die Grundkrankheit selbst handelt. Nicht zuletzt ist die Frage nach
der Erreichbarkeit des therapeutischen Ziels in Relation
zur Lebensqualität zu beurteilen und wie der Zustand des
Patienten sein wird, der durch die geplante Therapie erzielt werden kann. Was aus Patientensicht noch Lebensqualität bedeutet und welche Folgezustände noch als lebenswert erachtet werden, ist vom Arzt im konkreten Fall
nur sehr schwer einzuschätzen. Beurteilung von Lebensqualität ist subjektiv und passt sich dem Krankheitsstadium an, so dass ein erheblicher Prozentsatz von Patienten auch in – von außen betrachtet – hoffnungsloser
Lage für eine kurze Lebensverlängerung intensive Maßnahmen in Kauf nehmen möchte (8). Umso wichtiger ist
an dieser Stelle die Kenntnis des Patientenwillens, idealerweise geäußert in direktem Gespräch nach ausreichender
Aufklärung oder – wenn dies nicht mehr möglich ist –
durch eine Patientenverfügung.
Ist die Entscheidung zur Begrenzung der tumorspezifischen Therapie gefallen, ist das vorrangige Ziel, ein Sterben mit Würde zu ermöglichen, unter größtmöglicher Bewahrung der Selbstbestimmung und ohne allzu großes
Leiden. Leiden im Rahmen eines meist vorzeitigen krebsbedingten Lebensendes gänzlich verhindern zu können,
ist sicherlich eine Illusion. Auch werden gewisse Aspekte
des Leidens nicht in allen Weltanschauungen als negativ
erachtet. „Leiden ist das schnellste Pferd zur Vollkommenheit“ besagt beispielsweise ein altes chinesisches
Sprichwort. Abseits aller kulturgeschichtlichen Erwägungen stellt sich jedoch in der konkreten Situation die Frage, inwieweit das Leiden für den Kranken noch ertragbar
ist. Oder, wie es Dorothee Sölle in ihrem Buch über das Leiden formuliert: „Wie unterscheidet sich ein Leiden, das
uns blind und taub macht, das uns zerstört zurücklässt,
von einem Leiden, das für uns produktiv wird?“ (9).
Körperliches Leiden und Schmerzen – ohnehin die Hauptangst der meisten Menschen, wenn sie die Diagnose
Krebs hören – gehören sicherlich in die erste Kategorie. Sie
sollten in Anbetracht der heutigen Kenntnisse in den
meisten Fällen beherrschbar sein und sind in der Regel eine Domäne der Palliativmedizin. Allerdings gibt es auch
jenseits des körperlichen Schmerzes eine zerstörende
Form von Leiden, die in jeder Phase der Erkrankung auftreten kann, oft schon direkt nach der Diagnose: das
überwältigende Bewusstsein der persönlichen Ohnmacht,
der Bedeutungslosigkeit und der Einsamkeit. Dieses vernichtende Gefühl zu erleichtern, ist oft schwer und erfordert ein Zusammenwirken aller Disziplinen, der Onkologie, der Psychoonkologie und der Palliativmedizin. Auch
hier wieder erfordert es vor allem Kommunikation, das
Gespräch untereinander in dem Versuch, „dem Meer des
sprachlosen Todes Land ab(zu)gewinnen“ (9).
Zum Abschluss sei noch eine Inschrift auf einem schottischen Grabstein zitiert aus einer Zeit, in der noch unbefangener über das Lebensende gesprochen wurde:
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„Remember man, as You pass by:
as You are now, so once was I.
As I am now, so must You be.
Prepare for death and follow me!”
NEU
ZUR
ASSEN
ZUGEL ENTHERAPIE
I
RSTLIN
C M L- E
Literatur
1. Aulbert, Zech: Lehrbuch der Palliativmedizin, Schattauer
2. Temel JS et al.: New Engl J Med 2010, 363:733 ff
3. Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge,
Suhrkamp 2000
4. Philippe Ariès: Geschichte des Todes, DTB 1999
5. Hannes Friedrich et al.: Technikmacht und Todesfurcht, VWB-Verlag 2008
6. Albisser Schleger H et al.: Z Palliativmed 2008, 9: 67 ff
7. Weber M et al., DÄB 2001, 98: A3184 ff
8. Winkler et al., J Clin Oncol 2009, 27: 2225 ff
9. Dorothee Sölle: Leiden, Kreuz-Verlag Stuttgart 2003
TASIGNA
Besserer Schutz vor
Progression1*
Tieferes Ansprechen1*
Gute Verträglichkeit1
*im Vergleich zu Imatinib
1
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Claudia Binder
Abteilung Hämatologie/Onkologie
Universitätsmedizin Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen
Telefon: 0551-3922331
e-Mail: [email protected]
J OU RNAL
Saglio G et al., N Engl J Med. 2010; 362(24):2251-2259
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200 mg zusätzl.: entölte Phospholipide aus Sojabohnen (E 322). Anwend.-gebiete: Behandlung von Erwachsenen mit
neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom positiver chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen
Phase. Tasigna 200 mg zusätzl.: Behandlung von Erwachsenen mit Philadelphia-Chromosom positiver CML in der chronischen und akzelerierten Phase mit Resistenz oder Unverträglichkeit gegenüber einer Vorbehandlung einschließlich
Imatinib. Wirksamkeitsdaten zu Patienten mit CML in der Blastenkrise liegen nicht vor. Gegenanz.: Überempfindlichkeit
gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Schwangerschaft (strenge Ind.-stellung) und Stillzeit. Nebenw.: Sehr häufig: Kopfschmerzen, Übelkeit, Exanthem, Pruritus, Myalgie, Müdigkeit, Neutropenie, Thrombozytopenie,
Anämie, Erhöhung Lipase. Tasigna 200 mg zusätzl.: Obstipation, Diarrhö. Häufig: Erbrechen, Schmerzen im Oberbauch,
Bauchschmerzen, Alopezie, Hauttrockenheit, Arthralgie, Muskelspasmen, Asthenie, peripheres Ödem, Follikulitis, Hautpapillome, febrile Neutropenie, Panzytopenie, Lymphopenie, Hypokaliämie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie, Hyperglykämie, Hypophosphatämie, Erhöhung Kreatinin/Lipase/ASAT/ALAT/Gesamtbilirubin, Appetitlosigkeit, Insomnie, Benommenheit, Hypästhesie, Parästhesien, periorbitales Ödem, Augenjucken, Konjunktivitis, trockene Augen,
Schwindel, Arrhythmie, Verlängerung d. QT-Zeit im EKG, Palpitationen, Hypertonie, Hitzegefühl/Hautrötung, Dyspnoe,
Belastungsdyspnoe, Epistaxis,Husten, Pankreatitis, aufgeblähter Bauch, Dyspepsie, Flatulenz, Leberfunktionsstörung, Erythem, Hyperhidrose, Kontusion, Akne, Dermatitis, nächtliche Schweißausbrüche, Ekzem, Urtikaria, Knochenschmerzen,
Gliederschmerzen, Rückenschmerzen, Fieber, Schmerzen im Brustraum, Unwohlsein, muskuloskelettale Schmerzen, Pollakisurie, Erniedrigung Thrombozytenzahl, Erhöhung Blutamylase/alk. Phosphatase im Blut/GGT, Gewichtszunahme, Gewichtsverlust. Tasigna 150 mg zusätzl.: Obstipation, Diarrhö, leichte Bauchschmerzen, (leichte) Brustschmerzen. Tasigna
200 mg zusätzl.: Elektrolytstörungen (einschließlich Hypomagnesiämie, Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Hypokalzämie,
Hyperkalzämie, Hyperphosphatämie), Depression, Augenblutungen, Angina pectoris, AV-Block, Herzflattern, Extrasystolen,
Tachykardie, Vorhofflimmern, Bradykardie, Dysphonie, Magenbeschwerden, Schmerzen (einschl. Nackenschmerzen),
Beschwerden im Brustbereich, Erhöhung Blutkreatininkinase. Gelegentlich: Infektionen der oberen Atemwege, HerpesVirus-Infektionen, Candidose im Mund, Appetitverlust, Angst, Migräne, Tremor, Augenirritationen/Sehstörungen, Lidödem,
Photopsie, Zyanose, Hämatom, Pleuraerguss, Pleuritis, Stomatitis, Ösophagusschmerzen, Dysgeusie, Mundtrockenheit,
Hepatitis, Ikterus, Arzneimittelexanthem, Hautschmerzen, Gesichtsschwellung, Flankenschmerzen, Schmerzen, Muskelschwäche, Dysurie, Gynäkomastie, Gesichtsödem, Schüttelfrost, Erniedrigung Hämoglobin/Neutrophilenzahl/Blutphosphor.
Tasigna 150 mg zusätzl.: Hyperkaliämie, Hypokalzämie. Tasigna 200 mg zusätzl.: Pneumonie, Harnwegsinfektion, Gastroenteritis, Bronchitis, Thrombozythämie, Leukozytose, Hyperthyreose, Hypothyreose, Dehydratation, gesteigerter Appetit,
intrakranielle Blutungen, Bewusstseinsverlust (einschließlich Synkopen), Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, Hyperästhesie, verschwommenes Sehen, verminderte Sehschärfe, Augenreizung, Herzversagen, Perikarderguss, koronare
Herzkrankheit, Herzgeräusche, hypertone Krise, Lungenödem, interstitielle Lungenkrankheit, Pleuraschmerzen, pharyngolaryngeale Schmerzen, Halsreizung, gastrointestinale Blutungen, Meläna, Ulzeration im Mund, gastroösophagealer Reflux,
exfoliatives Exanthem, Ekchymose, muskuloskelettale Steifheit, Gelenkschwellungen, verstärkter Harndrang, Nykturie, Erektionsstörungen, Stauungsödem, Influenza-ähnliches Krankheitsbild, Erhöhung Blutlaktatdehydrogenase/Blutharnstoff,
Erniedrigung Blutzucker, bei Patienten mit Herzerkrankungen in d. Vorgeschichte od. signifikanten kardialen Risikofaktoren
plötzlich auftretende Todesfälle. Nicht bekannt: Atemwegsinfektionen, subkutaner Abszess, Analabszess, Furunkel, Nasopharyngitis, Rhinitis, Fußpilz, Papillome, Überempfindlichkeit, sekundärer Hyperparathyreoidismus, Hyperurikämie, Gicht,
Hypoglykämie, Dyslipidämie, periphere Neuropathie, Lethargie, Dysästhesie, Blepharitis, Augenschmerzen, Chorioretinopathie, Bindehautblutungen, allergische Konjunktivitis, konjunktivale Hyperämie, okuläre Hyperämie, Erkrankungen der
Augenoberfläche, sklerale Hyperämie, verminderte Ejektionsfraktion, Gastritis, Hämorrhoiden, Hiatushernie, Rektalblutungen, erhöhte Zahnsensibililtät, Gingivitis, Hepatotoxizität, Blasenbildung, dermale Zysten, Talgdrüsenhyperplasie, Atrophie
und Hypertrophie der Haut, schuppende Haut, Hyperpigmentierung, Hautverfärbungen, Chromaturie, Brustverhärtung,
Menorrhagie, Anschwellen der Brustwarzen, Hitzewallungen, lokalisierte Ödeme, Erhöhung Blut-Insulin/VLDL/Parathyroidhormon im Blut/Blutkalium/Blutdruck, Erniedrigung Leukozytenzahl. Tasigna 150 mg zusätzl.: Appetitstörungen, Synkope,
Herzbeutelerguss, Sinusbradykardie, Ösophagusulkus, Magengeschwür. Tasigna 200 mg zusätzl.: Sepsis, Thyreoiditis,
Orientierungsstörungen, Verwirrtheitszustand, Amnesie, Dysphorie, Hirnödem, Optikusneuritis, Papillenödem,
Doppeltsehen, Photophobie, Augenschwellung, vermindertes Hörvermögen, Ohrenschmerzen, Tinnitus, Herzinfarkt, ventrikuläre Dysfunktion, Perikarditis, hämorrhagischer Schock, Hypotonie, Thrombose, pulmonale Hypertonie, Keuchen, Perforation eines Magen-Darm-Ulkus, retroperitoneale Blutungen, Hämatemesis, Ulcus ventriculi, ulzerierende Ösophagitis,
Subileus, Cholestase, Hepatomegalie, Erythema nodosum, Hautulkus, palmar-plantares Erythrodysästhesie-Syndrom, Petechien, Photosensitivität, Arthritis, Niereninsuffizienz, Hämaturie, Harninkontinenz. Warnhinweis: Enthält Lactose. Weitere
Hinweise: Siehe Fachinformationen. Verschreibungspflichtig.
Stand: Juli 2011 (MS 11/10.1).
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■ Von Grenzen und Schranken – oder:
Veritas semper maior
Vortrag auf dem 7. Palliativmedizinischen Symposium „Übergänge – eine Herausforderung auf
dem Weg vom Vertrauten zum Unbekannten“
am 18. Juni 2011 in Bad Berka
Eberhard Tiefensee
Lehrstuhl für Philosophie, Katholisch-Theologische
Fakultät, Universität Erfurt
1. Grenzsituationen
„Definition: Ein Hund / der stirbt / und der weiß / dass er
stirbt / wie ein Hund / und der sagen kann / dass er weiß
/ dass er stirbt / wie ein Hund / ist ein Mensch.“ (Erich
Fried)
Sie stellt den Übergang schlechthin vom Vertrauten zum
Unbekannten für uns dar: die Grenze zwischen Leben und
Tod. Mit ihr ist die Palliativmedizin wohl mehr als alle anderen Sparten der Medizin konfrontiert. Der österreichische Lyriker Erich Fried (1921–1988) kennzeichnet in seinem verblüffend einfachen und doch tiefgründigen Text
uns als die wohl einzigen Lebewesen auf diesem Planeten,
welche die Fähigkeit haben, die Grenze zwischen Leben
und Tod – und damit Grenzen überhaupt – zu erkennen,
sie im Bewusstsein zu haben und in Sprache zu bringen.
Damit aber überschreiten wir auch zugleich in gewisser
Weise diese Begrenztheit. Denn wenn jemand eine Grenze denken kann, denkt er – möglicherweise unausgesprochen und unthematisch – immer ein „Jenseits“ der Grenze mit. Das ist eine hintergründige Dialektik, der zu allen
Zeiten immer wieder nachgegangen worden ist. Beispielsweise von Blaise Pascal (1623–1662), dem französischen
Mathematiker und Philosophen, der in einem seiner nachgelassenen Pensées (Gedanken) notierte: „Die Größe des
Menschen ist groß, weil er sich als elend erkennt. Ein
Baum weiß nichts von seinem Elend. Also: Elend ist nur,
wer sich als elend kennt; aber nur das ist Größe, zu wissen, dass man elend ist.“
Es kann also nicht der menschenwürdige Weg sein, diese
Erfahrung, welche die Fachleute Kontingenzerfahrung
nennen, zu verschleiern. Denn hierbei würde der Mensch
sich selbst verlieren. Wenn er aber seine Nicht-Notwendigkeit – das meint „Kontingenz“ – erfährt, also sich mit der
Tatsache konfrontiert, dass alles, was ist, auch nicht sein
oder anders sein könnte, kann diese Erfahrung, die zunächst als Begrenzung und endgültige Beschränkung erscheint, zum Ort werden, an dem sein Leben durchsichtig
wird auf etwas, was über ihn hinausgreift. Dafür lautet
der Fachbegriff „Transzendenz“: Überschritt in ein Anderes – oder dessen Einbruchstelle. Erfahrung von Kontingenz / Endlichkeit würde dann zur Erfahrung von Transzendenz / Überschritt. Aus Elend würde Größe.
Das wird an der endgültigen Grenze des Lebens am stärksten erfahrbar und erkennbar: dem Tod. Schon von den
Neandertalern nimmt man an, dass sie sich mit dieser
Grenze auseinandersetzten, zumindest scheinen sie Be-
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stattungsrituale gekannt zu haben, bedeckten sie doch ihre Toten mit ockerfarbener Erde. Für die Paläontologen
stellt dies ein entscheidendes Merkmal für menschliche
Kultur dar, denn Werkzeuge benutzen schon die Tiere.
Aber sie verscharren ihre Toten bestenfalls und bestatten
sie nicht. Was, so darf man an dieser Stelle wohl fragen,
wird aus unserer Kultur, wenn diese Kontingenz- bzw.
Transzendenzerfahrung verdrängt wird, wie es z.B. der
Niedergang unserer Beerdigungskultur zeigt (ein wachsender Anteil der Bestattungen in Erfurt sind anonyme Urnenbeisetzungen). Denn: „Das postmoderne Lebensgefühl ist aus zwei Komponenten gefügt: Erstens, der Erfahrung, dass es keinen Sinn mehr gibt für das Ganze, und
zweitens, der Entschlossenheit, dass dies noch lange kein
Grund zu sein braucht, Trübsal zu blasen.“ (Bernd Guggenberger, geb. 1949). Es gibt ja weitere Grenzen, die solche Bruchstellen und Übergänge in neue Erfahrungsbereiche sein könnten; „Grenzsituationen“ nennt sie der Philosoph Karl Jaspers (1883-1969): „Letzte Situationen …, die
mit dem Menschsein als solchem verknüpft, mit dem endlichen Dasein unvermeidlich gegeben sind“. Er zählt außer dem Tod unter anderem auf: den Zufall, meine Herkunft, Leiden, den Kampf und die Erfahrung von Schuld.
Man kann sich diesen Erfahrungen stellen – oder versuchen, ihnen auszuweichen; es könnte zur Wahl zwischen
Menschsein und Nicht-Menschsein werden.
2. Grenzen und Schranken – Versuch einer
Begriffsbestimmung
Wir brauchen in unserer jüngeren Kulturgeschichte eigentlich nicht lange nach einer Metapher für Grenze und
Übergang, nach der Darstellung einer Herausforderung
auf dem Weg vom Vertrauten zum Unbekannten zu suchen: In diesem Jahr erinnern wir uns an den Bau der Berliner Mauer vor 50 Jahren und haben vor nicht langer Zeit
den 20. Jahrestag ihres Falls gefeiert. Ist damit eine Grenze gefallen? Dass am 9. November 1989 eine Mauer gefallen ist, die sich nicht nur um einen Teil Berlins, sondern
quer durch Europa, wenn nicht sogar durch die ganze
Welt gezogen hat, dürfte unstrittig sein. Aber noch einmal: Ist damit eine Grenze gefallen – oder nur eine Schranke?
Der Hintergrund dieser Frage ist eine Unterscheidung, auf
die Immanuel Kant in seinen vernunftkritischen Schriften
aufmerksam gemacht hat und die dann von Georg Wilhelm Friedrich Hegel weiter diskutiert wurde. Es geht hier
nicht darum, den Verästelungen dieses Diskurses nachzugehen. Alltagssprachlich-intuitiv verbinden wir mit „Beschränkung“ ein Defizit in Bezug auf einen bestimmten
Bereich, das durch Überwindung der jeweiligen Barriere
ausgeglichen und so der Bereich erweitert werden kann –
z.B. eine beschränkte Sehfähigkeit durch Sehhilfen wie
Brillen, Mikroskope, Fernrohre etc. „Grenze“ wäre dagegen als etwas Prinzipiell-Unüberwindbares zu begreifen.
Beispielsweise richtet sich Sehen immer auf irgendwie
Sichtbares; somit ist die Sehfähigkeit so in Grenzen eingeschlossen, dass das prinzipiell „Unsichtbare“ nur durch
andere Fähigkeiten erschlossen werden kann: Töne durch
Hören, Gerüche durch Riechen. Keine irgendwie denkbare „Entschränkung“ des Sehsinnes ermöglicht einen Vorstoß in diese neuen Dimensionen, erst andere davon dif-
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ferierende Sinnesvermögen machen überhaupt eine Ahnung oder sogar ein „Wissen“ um die Grenze jener Fähigkeit und damit um ein „Jenseits“ des zugeordneten Bereichs möglich. Einem von Geburt an Blinden kann man
nicht erklären, was es heißt, Farben zu sehen, einem Tauben nicht, was es bedeutet, Töne zu hören. Aber er kann
vermittels eines anderen Vermögens, nämlich der Vernunft, seine Begrenztheit einsehen und damit eine Ahnung davon bekommen, dass es noch ein Anderes gibt,
auch wenn er es nicht zu fassen vermag. Das gilt dann
aber auch für die Sinneserfahrung als solche und infolgedessen z.B. für den gesamten naturwissenschaftlichen Zugang zur Welt: Schranken können hier ständig fallen, aber
es bleibt eine prinzipielle Grenze: „Wir fühlen“, so der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889-1951), „dass selbst
wenn alle möglichen [natur‑]wissenschaftlichen Fragen
beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht
berührt sind.“
Hat man sich einmal dieserart terminologisch verständigt
(was natürlich ein anderes Verständnis der fraglichen Begriffe nicht ausschließt), wird die genannte Gegenüberstellung hoffentlich plausibel: Ist am 9. November 1989
eine Grenze gefallen – oder nur eine Schranke? Geographisch gesehen können hinderliche Bahn-, Zoll- und andere Schranken fallen, um aber die zweifellos begrenzte,
in Quadratkilometern präzise messbare Erdoberfläche zu
verlassen, hilft keine Aufhebung von Beschränkungen,
sondern nur die Bewegung in eine neue Dimension hinein – und das erfordert eine alternative Fähigkeit (z.B. die
der Raumfahrt). So gesehen sind 1989 mit der Mauer
zweifellos Schranken gefallen: „Unbeschränkter Reiseverkehr“ von Ost nach West wurde möglich; umgekehrt kam
es zu einer Ausweitung des Geltungsbereichs des Grundgesetzes und der Währung „Deutsche Mark“, der Europäischen Union, der NATO, des Handels mit Osteuropa etc.
Aber ist damit wirklich eine Grenze gefallen, d.h. in eine
neue Dimension des Denkens und Handelns vorgestoßen
worden? Oder wurde doch nur ein schon bestehender Bereich ausgeweitet? Dann wäre man versucht, den polnischen Aphoristiker Stanisław Jerzy Lec (1909–1966) zu zitieren: „Nun bist du mit dem Kopf durch die Wand ... Und
was willst du in der Nachbarzelle tun?“
3. Horizontverändernde Erfahrungen
Grenzen zu überwinden ist offensichtlich erheblich
schwieriger als die Beseitigung von Schranken (so schwer
letzteres im Fall des Eisernen Vorhangs auch gewesen sein
mag). Sind sie doch der Übergang in eine neue Dimension von Wirklichkeit. Trotzdem ist es möglich: durch horizontverändernde Erfahrungen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass das bisherige Kategorienschema gesprengt
wird – ganz im Sinne des biblischen „Metanoiete! – Kehrt
um! Denkt neu! Denkt größer!“ (Markusevangelium). Naturwissenschaftler entdecken dann plötzlich die Ethik,
Ökonomen die mitmenschliche Verantwortung, Deterministen den Zufall, „hinter dem Gott lächelt“ – also etwas,
das in den bisherigen Schemata keinen Platz hatte und in
diese auch nur um den Preis seiner Fehl- und Missdeutung
eingeordnet werden kann. So ist es ein typischer Kategorienfehler, Mitmenschlichkeit z.B. nur nach ökonomischen
Parametern zu beurteilen.
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Woran kann man solche horizontverändernden Erfahrungen erkennen? Ein Anzeichen ist eine mehr oder minder
lang anhaltende Sprachlosigkeit, vielleicht auch Orientierungslosigkeit: Ich verstehe selbst nicht mehr, wie ich damals dachte. Ein Zurück in vorherige Denkmuster erscheint unangemessen, irgendwie bin ich einen Schritt
weiter gekommen, wenn auch unsicherer als früher: „Ich
bilde mir nicht ein, dass ich es schon ergriffen hätte. Eines aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und
strecke mich nach dem aus, was vor mir ist.“ (Paulus im
Brief an die Philipper).
Horizontverändernde Erfahrungen haben also immer eine Gerichts- und eine Befreiungskomponente, sie sind
Abbruch und Aufbruch und insofern horizonterweiternd.
Diese Basiserfahrung eines Bruches oder einer Differenz –
die es nicht mehr möglich macht, die Dinge zur Synthese
zu bringen – ist deshalb nicht nur destruierend, sondern
hat auch Verweisungscharakter: Es erscheint ein (noch)
unbestimmbar Anderes, Neues, die „veritas semper maior“ (die Wahrheit, die immer größer ist), die sich nicht in
die nun als begrenzt erkannten Denkschemata pressen
lässt, auch wenn die Versuchung dazu besteht. Letztendlich und wieder bis an die mögliche Grenze gedacht, verweisen Erfahrungen dieser Art auf „das, umfassender als
welches nichts zu denken möglich ist“ – das ist die Definition des mittelalterlichen Anselm von Canterbury (um
1033-1109) für Gott.
Um nicht nur Schranken, sondern auch Grenzen als solche zu erkennen und sie zu sprengen (oder sprengen zu
lassen), braucht es also eine Achtsamkeit auf diese Unterbrechung des Gewohnten, welche eine Gegenwart „dahinter“ oder „dazwischen“ verbirgt – und zugleich offenbart. In dieser Perspektive können auch die Reaktionen auf
den Fall der Mauer in Richtung auf eine solche horizontverändernde Erfahrung gelesen werden. Das gilt vor allem
für den (inzwischen abgeschliffenen) spontanen Ruf
„Wahnsinn“ der Nacht des 9. November – ein Ausdruck
des offenkundigen Versagens geregelter Sprache. Eines
der Denkschemata, von denen sich die Betroffenen damals zu verabschieden begannen, war das einer in gesetzmäßigen Bahnen verlaufenden Geschichte, wie es der
Historische Materialismus bis in den schulischen Staatsbürgerkundeunterricht hinein immer wieder propagiert
hatte und das auch die sozialistischen Biographien von
der Wiege bis zur Bahre kennzeichnete – inklusive langer
Anmeldezeiten für den Privat-PKW. Dieses historisch-materialistische Schema einer gesetzmäßig verlaufenden Geschichte schimmerte übrigens noch in dem Gorbatschow
zugeschriebenen Satz: „Wer zu spät kommt, den bestraft
das Leben“ durch. War also der 9. November nicht nur das
Ende einer Beschränkung, sondern ein wirklicher Grenzdurchbruch, Aufscheinen einer neuer Dimension von
Wirklichkeit? Der Ruf „Wahnsinn“ deutet es zumindest an.
4. Leben im Übergang: ein Widerspruch innerhalb
unserer Vernunft
Es lässt sich durchaus fragen, wie lange ein Mensch eine
solche Umbruchsituation mit ihrer horizontverändernden
Kraft, ihrer Sprengung vertrauter Denkschemata, ihrer
Sprachlosigkeit erträgt. Spontan wird er sie zu überwin-
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den suchen. Das liegt an der Konstruktion unserer Vernunft, die auf Einheit und Systematik aus ist, auf eine Kohärenz, in der alles zusammenpasst. Einem Zeugen, der
sich vor Gericht selbst widerspricht und keine zusammenhängende Geschichte bieten kann, also inkohärent ist,
wird man nicht trauen. Die Vernunft ist architektonisch,
hat Kant gesagt, und deshalb sucht sie das Ganze, Geordnete und Runde, wenn sie nicht an sich selbst verzweifeln
will. Guggenbergers oben zitierter Satz, dass die Sinnlosigkeitserfahrung noch kein Grund ist, Trübsal zu blasen,
wäre eigentlich die Kapitulation unserer Vernunft. „Nüchterner Pragmatismus und fröhlicher Fatalismus“, so
brachte im Jahr 2000 eine Allensbach-Umfrage das Lebensgefühl der Deutschen auf den Punkt. Hier stellt sich
nicht nur die Frage, ob das tatsächlich so ist (Fröhlichkeit
scheint sich ja bei uns Deutschen selten einzustellen), sondern noch mehr: ob uns mit diesem nüchternen Pragmatismus nicht etwas Entscheidendes entgeht.
Tatsächlich leben wir generell in einer merkwürdigen Unstimmigkeit. Ich mache das an einem Umfrageergebnis
des Allensbach-Instituts des Jahres 2002 deutlich. Auf die
berühmte Frage nach dem Sinn des Lebens wählten die
meisten Befragten folgende Antworten: „Das Leben hat
nur dann einen Sinn, wenn man ihm selber einen Sinn
gibt.“ bzw. „Für mich besteht der Sinn des Lebens darin,
dass man versucht, das Beste daraus zu machen.“ Das war
sozusagen die pragmatische Antwort. „Unser Leben ist
letztlich bestimmt durch die Gesetze der Natur.“ bzw.
„Das Leben ist nur ein Teil der Entwicklung der Natur.“ –
auch diesen Aussagen stimmten die meisten zu. Das war
eher die fatalistische Version. Die letzteren Varianten sind
eine naturwissenschaftliche Feststellung: So ist das Leben;
die ersten dagegen enthalten eine ethische Forderung: Du
sollst aus deinem Leben etwas machen.
Es ist der Vernunftphilosoph Immanuel Kant, dem wir die
gut begründete Erkenntnis verdanken, dass hier zwei Vernunftarten walten, die schwerlich zu vereinigen sind, so
dass jede für sich allein an ihre Grenze kommt. Es handelt
sich um den Widerspruch zwischen theoretischer und
praktischer Vernunft oder, um es in unsere Lebenswirklichkeit zu übersetzen, um den Widerspruch zwischen realistischem und sittlichem Verhalten. Wir leben einerseits
in der Welt der physikalischen, ökonomischen und soziologischen Gesetze des Lebens, die für Kant das Reich der
Natur bilden, und andererseits in der Welt der (sittlichen)
Zwecke oder Ziele, die Gegenstand von Moral und Sitte
sind und für Kant das Reich der Freiheit darstellen. Wir
sind hier mit zwei Unbedingtheiten konfrontiert: Erstens
mit der Unbedingtheit der Naturgesetze, die sind, wie sie
sind. Die Natur ist nicht bereit, sich irgendeinem menschlichen Sollen zu beugen, ihre Gesetze gelten unerbittlich.
Zweitens mit der Unbedingtheit, mit der sich das Gewissen meldet, wenn es sagt, was ich soll und noch öfter, was
ich nicht soll bzw. darf – und mit dem Gewissen ist bekanntlich auch nicht zu diskutieren. Man kann nur versuchen, es zum Schweigen zu bringen (was ja nicht selten
auch gelingt): „’Das habe ich getan’, sagt mein Gedächtnis. ‚Das kann ich nicht getan haben’, sagt mein Stolz und
bleibt unerbittlich. Endlich – gibt das Gedächtnis nach.“
So treffend Friedrich Nietzsche. Beide Welten erweisen
sich aber zumeist als nicht kompatibel. Wenn ich aus mei-
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nem Leben etwas machen will, lautet doch immer wieder
die quälende Frage: Verhalte ich mich nun realistisch (d.h.
ich passe mich den Verhältnissen an) oder moralisch? Nur
selten kommt beides zusammen.
Kant konnte zeigen, dass es sich hierbei um einen Antagonismus, d.h. einen unüberwindlichen Widerspruch handelt. Wir kennen das: Eine Klinik will beispielsweise Menschen helfen, aber ist zugleich ein Wirtschaftsunternehmen; soll sie nun den ökonomischen Gesetzen folgen
oder der Nächstenliebe und Barmherzigkeit, welche die
Moral gebietet? Was ist vernünftig zu raten? Oder: In einem Land bahnt sich ein Völkermord an. Wer eingreift,
macht sich notwendig die Hände schmutzig, was moralisch unakzeptabel ist. Wer aber die Hände sauber behalten will, muss tatenlos zuschauen, wie sich die Dinge ihren jeweiligen Gesetzen gemäß entwickeln, auch das ist
nicht moralisch: Er macht sich der Unterlassung schuldig.
Der Rat der Philosophen war häufig, sich mit dieser Absurdität abzufinden oder gar anzufreunden, um glücklich
leben zu können. Allerdings verlangt das Gewissen eben
oft anderes, spätestens dann, wenn zum Beispiel der
Schrei der Opfer unüberhörbar wird.
5. Lösungsvorschläge
Bertolt Brecht hat die Diskrepanz, die sich in der Allensbach-Umfrage andeutet und die Kant analysiert hat, in
seinem Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ eindrucksvoll dargestellt. Die Tabakhändlerin Shen Te, die
Hauptfigur des Dramas, treibt in dem Versuch, ein guter
Mensch zu sein, ihren Laden fast in den Ruin. Sie muss sich
als ihr eigener Vetter verkleiden, der die Obdachlosen
dann aus dem Laden wirft und nach ökonomischen Kriterien wirtschaftet – was in die nächste Katastrophe führt,
fragen sich doch bald die Leute, wo denn die herzensgute Shen Te geblieben sei. Also verschwindet der vermeintliche Vetter, sie kommt wieder und das Spiel beginnt von
vorn. Zum Schluss tritt ein Schauspieler vor die Zuschauer und ruft: „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den
Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!“
Offenbar fordert unsere „architektonische“ Vernunft eine
Lösung. Sie schreit nach Gerechtigkeit.
Die Lösung könnte so lauten: Letzter Zweck alles wahrhaft
sittlichen Handelns müsste eine Konstellation sein, in der
man sich zugleich realistisch und sittlich gut verhalten
kann. Kant nennt dieses Ziel die „moralische Weltordnung“. Dieser Vorschlag hat viele Freunde gefunden: Sozialisten, Kommunisten (an die Abschaffung der kapitalistische Ordnung hat sicher Brecht in seinem Theaterstück
gedacht), Demokraten, Menschenrechtler, Fundamentalisten und Humanisten aller Couleur – aber leider ist er naiv,
denn er verstärkt nur das Problem und löst es nicht: Alle
Versuche, eine solche „moralische Weltordnung“ zu
schaffen, haben bisher die Welt zur Hölle gemacht. Zyniker, Nihilisten und Antihumanisten weisen genau auf diesen Punkt hin: Es sei naiv zu hoffen, wir bekämen diesen
Bruch zwischen Realität und Moralität gekittet; hier gelangt unsere Vernunft eben an eine Grenze der Irrationalität und Absurdität – und nicht nur an eine Schranke. Die
wäre vielleicht durch etwas mehr Nachdenken und konsequentere Bemühungen zu überwinden. Aber schon
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Kant hatte die Französische Revolution vor Augen, bei
welcher der Versuch, die Vernunft zum Sieg zu führen und
gerechte Verhältnisse zu schaffen, in Terror umschlug,
und das war schließlich nicht das erste und letzte missglückte gesellschaftliche Experiment, den Himmel auf die
Erde zu holen. Die Entgleisung in den Terror und in gesellschaftliche Verwerfungen ist nämlich nicht zufällig: Wo
gehobelt wird, fallen eben Späne, sagt das Sprichwort.
Kant hat das wahrscheinlich noch nicht so scharf gesehen,
aber im 21. Jahrhundert ist nach den verschiedenen Experimenten dieser Art der Zusammenhang deutlicher: Der
Wille zum umfassenden Guten führt zwangsläufig und
nicht nur aufgrund fehlerhafter Entscheidungen zu verheerenden Folgen für Individuum und Gesellschaft. Solche Experimente zu erneuern, verbietet sich von daher (so
forderte schon Kant).
Der jüdische Philosoph Walter Benjamin (1892-1940) hat
das während des zweiten Weltkrieges in ein starkes Bild
gefasst: Der „Engel der Geschichte“ wird von einem Sturm
hilflos in die Zukunft geblasen, rückwärtsgewandt aber
kehrt er sein entsetztes Gesicht den Leichenbergen zu, die
sich in der Vergangenheit immer höher auftürmen: „Aber
ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie
nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während
der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das,
was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ Es gehört zu der Erfahrung unserer Begrenztheit, dass die Vergangenheit nicht mehr zu korrigieren ist: Passiert ist passiert; getan oder nicht getan, ist getan oder nicht getan.
Man ist natürlich versucht, das Dilemma dieser fundamentalen Grenzerfahrung durch einen Kompromiss zu
unterlaufen: Verhalte dich den Gegebenheiten entsprechend und nutze die Spielräume, die sie dir lassen, soweit
wie möglich, um das zu tun und zu lassen, was du als richtig und gut erkannt hast. „Social engineering“ nennt es
der Philosoph Karl Popper (1902-1994). Alle darüber hinausgehenden Forderungen seien unverantwortlich. Das
klingt pragmatisch. Für uns aber ist doch die Frage: Ist diese Haltung rational vertretbar, also wirklich vernünftig?
Kant wäre nicht dieser Meinung gewesen, für ihn wäre
das eine Kapitulation der Vernunft. Sie fordert Einheit, das
ist ihr geheimes Ideal. Mit Kompromissen gibt sie sich
letztlich nicht zufrieden. Es kann nicht zwei „Vernünfte“
geben, die sich schiedlich-friedlich irgendwo auf die Mitte einigen. Das zerrisse nämlich auch die Einheit des Vernunftsubjekts in zwei „Ichs“. Meine Identität wäre angesichts einer gespaltenen Vernunft nicht mehr zu wahren,
wenn ich je nach Situation mich einmal als Teil der Natur
den Gesetzen beuge und ein andermal als Freiheitssubjekt
dem Gewissen folge, mich also zuweilen realistisch und
dann wieder mal sittlich verhalte – oder ein wenig von beiden. Wenn aber dieses Einheitsideal sich als unerreichbar
erweist? Dann, so Kant, muss die Vernunft eben eine Lösung fordern, um nicht unterzugehen. Denn, um noch
einmal an Brecht zu erinnern, „es muss ein guter Schluss
da sein, muss, muss, muss!“ Die Vernunft postuliert (fordert) deshalb die Existenz eines Wesens, das beide Weltordnungen vereint, gemeinhin „Gott“ genannt. Kant sagt
nicht, dass dieses Wesen wirklich existiert, er fordert nur
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seine Existenz, damit Vernunft überhaupt möglich ist.
„Gäbe es keinen Gott, so müsste man ihn erfinden“, sagt
deshalb Voltaire.
6. Die Wahrheit ist immer größer
Man mag sich wundern, bei welchen Überlegungen wir
inzwischen angekommen sind. Es fing doch relativ harmlos bei einer Umfrage über den Sinn des Lebens an. Doch
muss man zuweilen bis an die Grenze und in solche Extreme gehen, um den tiefen Widerspruch, diese Rätselhaftigkeit in unserem Dasein, zu verdeutlichen. Er ist, wie oben
gezeigt wurde, nicht nur destruierend, sondern hat auch
Verweisungscharakter: Denn genau an solchen Bruchlinien schimmert das auf, was man die „veritas semper maior“ nennen kann. So sind es ja auch nicht der Konsens und
die Übereinstimmung, die uns weiterbringen, sondern es
sind der Dissens und die Widerrede, welche das Denken
und Handeln vorantreiben, unsere Horizonte, die ständig
drohen, eng zu werden, wieder weiten und uns durch das
Fragen und Zweifeln auf etwas hin öffnen, das wir zuweilen mehr ahnen als erfassen können: Es fehlt uns eben in
solchen horizontverändernden Erfahrungen (noch?) die
angemessene Sprache. Es ist die Konfrontation zwischen
verschiedenen Perspektiven, welche z.B. interdisziplinäres
Vorgehen in komplizierten Sachfragen (auch auf einer
Palliativstation) erfordert. Es ist die Interkulturalität, welche zuweilen einen „clash of civilizations“ (Samuel Phillips
Huntington, 1927–2008) auslöst, aber auch den Blick weitet, selbst wenn vieles vom jeweils anderen nicht verstanden werden kann, weil er eben anders „tickt“. In unserer
hoch spezialisierten und differenzierten Welt kann niemand mehr alles und braucht jeder einen anderen, der
weiß oder kann, was man selbst nicht weiß oder kann.
Das und vieles mehr hat Verweisungscharakter auf diese
„veritas semper maior“, die ich nicht habe und die du
nicht hast, aber die in unseren Differenzen und Übergängen aufscheint. „Denn Stückwerk ist unser Erkennen,
Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das
Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. Als ich ein
Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und
urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab,
was Kind an mir war. Jetzt schauen wir in einen Spiegel
und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir
von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so
wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.“ (Paulus im 1. Korintherbrief)
Vielleicht werden nicht alle Kants Lösungsvorschlag folgen wollen: zu fordern, dass da eine göttliche Instanz sein
muss, welche zusammenbringt, was für unsere Vernunft
nicht zusammenpasst, und damit garantiert, dass das Bemühen um Wahrheit und Gerechtigkeit, das aus dem Innersten unserer Existenz angetrieben wird, nicht letztlich
sinnlos ist. Aber oft lassen sich tastende Stimmen hören
– so zum Beispiel manche Reaktionen von 1989: Gorbatschows Berater Nikolai Portugalow (1928-2008) nannte
die gelungenen Verhandlungen zur Wiedervereinigung
Deutschlands das „Wunder vom Kaukasus“, und signifikant ist auch Vaclav Havels Prager Begrüßungsrede vom
April 1990: „Ich weiß nicht, ob ich weiß, was ein Wunder
ist. Trotzdem wage ich zu sagen, dass ich in diesem Au-
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genblick ein Wunder erlebe: Ein Mann, der noch vor sechs
Monaten als Feind des Staates verhaftet wurde, begrüßt
heute als dessen Präsident den Papst.“
Kontingenzerfahrung – Erfahrung der Endlichkeit und Begrenztheit – wird so vorsichtig zur Transzendenzerfahrung
– zur Erfahrung des Übergangs und des Überstiegs. Wer
nicht vom Wunder sprechen möchte, fühlt doch zuweilen
mit dem Satz: „Da muss es noch etwas geben“, in diesen
numinosen Bereich des Unbekannten vor. In den Niederlanden hat diese Art Weltanschauung inzwischen sogar
einen Namen bekommen: „Ietsisme“ – deutsch am besten
mit „Etwasismus“ zu übersetzen: „Iets is beter dan niets.“
(Etwas ist besser als nichts.) Dieses „Da gibt es noch etwas“ ist die Hoffnung auf ein „Mehr“, auf eine größere
Wahrheit jenseits der naturwissenschaftlichen Lebensvisionen. Es ist eine Reaktion auf das Unbehagen an einer
Wirklichkeit, die sich in ihre Grenzen einschließt und
nichts weiter zulässt als kühlen Verstand und ein Leben
mit pragmatischen Kompromissen. Die Hoffnung auf ein
„Mehr“ richtet sich aber auch gegen den Nihilismus und
Zynismus, der aufgrund der vielen gescheiterten Utopien
zutiefst von der Welt und dem Leben enttäuscht ist. Gerade die Grenzerfahrungen, diese Bruchstellen des Daseins bieten offensichtlich den Ansatzpunkt für einen solchen „Etwasismus“. Fragt sich nur, ob Anselm von Canterburys „das, umfassender als welches nichts zu denken
möglich ist“, als ein Etwas vorzustellen ist – oder nicht
eher als ein Jemand, ein „Du“. Wenn es ein „Mehr“ ist,
müsste es sich mindestens auf dem Niveau befinden, das
wir selbst haben: Wir aber sind personale Wesen, also
„Ich“ und „Du“, nicht „Es“.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Eberhard Tiefensee
Lehrstuhl für Philosophie
Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt
Nordhäuser Straße 63
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7372511
e-Mail: [email protected]
http://www.uni-erfurt.de/philtheol
Sie können die Arbeit
des Tumorzentrum Erfurt e.V.
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BLZ 820 510 00 · Konto-Nr. 130 123 609
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■ „Hast Du mich noch lieb, wenn Du
tot bist?“ – Psychosoziale Hilfen für
Kinder krebskranker Eltern
Vortrag auf dem 7. Palliativmedizinischen Symposium „Übergänge – eine Herausforderung auf
dem Weg vom Vertrauten zum Unbekannten“
am 18. Juni 2011 in Bad Berka
Sascha Weis
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik des Kinder- und Jugendalters,
Medizinische Fakultät der Universität Leipzig
Einführung
Zu Beginn meines Vortrags möchte ich Bezug nehmen auf
den Vortrag von Prof. Tiefensee. In dem von ihm erläuterten ersten Brief von Paulus an die Korinther steht: „Als ich
ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war“. In
der Arbeit mit Kindern liegt die Herausforderung bei den
Erwachsenen, sich das Kindsein wieder anzueignen, um in
die Phantasiewelt des Kindes eintauchen zu können. Der
Titel „Hast Du mich noch lieb, wenn Du tot bist?“ soll zeigen, wie konkret und direkt Kinder in bestimmten Altersspannen existentielle Themen ansprechen können. Oftmals lassen solche und ähnliche Fragen (z.B. „Wie viel
muss man krank sein, damit man auch stirbt?“) Eltern und
Angehörige verstummen, weil sie sich ob der Direktheit
der Fragen überrumpelt fühlen. Im „Erwachsenensystem“
stellen sich solche Fragen nicht, da sie mitunter als naiv
oder gar pietätlos eingestuft werden. Der folgende Vortrag soll die kindliche Verarbeitung einer elterlichen Krebserkrankung anhand der Themen „Belastung“ und „Trauer“ beleuchten und dabei die entwicklungspsychologischen Übergänge berücksichtigen.
Epidemiologie
In Deutschland leben nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes (2008) schätzungsweise 14,4 Mio. minderjährige Kinder. 5-15% aller Kinder und Jugendlichen in
westlichen Industrieländern sind im Laufe ihrer Entwicklung von einer schweren körperlichen Erkrankung eines
Elternteils betroffen. Die Punktprävalenz der 4- bis 17-Jährigen beträgt 4,1%, bei einem Drittel der körperlichen Erkrankungen handelt es sich um Krebserkrankungen (Barkmann, Romer, Watson, & Schulte-Markwort, 2007). Barkmann und seine Kollegen (2007) verweisen darauf, dass
Kinder körperlich kranker Eltern ein höheres Risiko für
psychische Probleme haben. Nach Romer & Haagen
(2007) sind Krebserkrankungen die bedeutendste Gruppe
von schweren elterlichen Erkrankungen mit hohem Einfluss auf die Entwicklung und psychische Gesundheit des
Kindes. So zeigen sich insbesondere erhöhte Werte für internalisierende Symptome (Depressivität, Ängste, sozialer
Rückzug) vorzugsweise in den Gruppen der 4- bis 11-jährigen Jungen und 12- bis 18-jährigen Mädchen (Visser et
al., 2005).
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Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit von Beratungsangeboten, welche die Bedürfnisse des Kindes während der Krise einer elterlichen Krebserkrankung berücksichtigen und gemeinsam mit der ganzen Familie Bewältigungsmöglichkeiten erarbeiten. Trotzdem möchte ich
betonen, dass sich unsere Familiensprechstunde als ein
präventives Beratungsangebot versteht, da die Kinder
nicht per se psychisch auffällig sind bzw. sein müssen. Zumeist sind es „intakte“ Familien, die aufgrund einer plötzlichen Krebserkrankung eines Elternteils in eine Krise geraten.
Typische altersspezifische Belastungen
Selbstverständlich ist jedes Kind einzigartig in seiner Entwicklung sowie in seiner Fähigkeit, sowohl emotional als
auch kognitiv existentielle Krisen zu verstehen und ggf. zu
bewältigen. Dieser Aspekt ist aus meiner Sicht deswegen
betonenswert, da er eine genaue Beobachtung (Diagnostik) eines Kindes verlangt. Es sollte stets Aufgabe des professionellen Teams sein, ein Kind „dort abzuholen, wo es
steht“. Mit dieser Prämisse im Hinterkopf möchte ich dennoch typische altersspezifische Charakteristika aufzeigen,
die im Rahmen einer elterlichen Krebserkrankung im Vordergrund stehen können (vgl. Tab. 1).
Tabelle 1
Altersspezifische Belastungen
(aus Romer & Haagen, 2007, S. 24)
Schwangerschaft
Säuglingszeit
Kleinkindalter
Vorschulalter
Schulalter
Pubertät & Jugend
Zielkonflikt: Leben der Mutter vs.
Leben des Kindes
Trennung als existentielle Bedrohung
Trennung als Bestrafung;
Verstümmelungsängste
Magische Idee, Krankheit verursacht
zu haben
Körperbezogene Ängste;
Angst, die Eltern zu belasten
Angst vor Vererbbarkeit; Autonomie vs.
Verantwortung, „Ausbruchsschuld“,
Identitätskonflikte
Während der Schwangerschaft kann es zum Konflikt zwischen der Mutter und dem Ungeborenen kommen, da unter Umständen die notwendigen medizinischen Maßnahmen (z.B. Chemotherapie) zur Behandlung der Krebserkrankung mit der körperlichen Unversehrtheit des Ungeborenen in Widerspruch stehen.
Während der Säuglingszeit (0-12 Monate) wird beispielsweise eine Brustkrebserkrankung der Mutter, welche im
mittleren Erwachsenenalter (ca. 30. bis 50. Lebensjahr) die
häufigste unter den Krebsdiagnosen ist, vom Säugling
aufgrund der behandlungsbedingten Trennung von der
Mutter als existentielle Bedrohung erlebt. Der Hauptgrund liegt darin, dass Kinder dieser Altersspanne das
Wiederkommen der Mutter (z.B. nach einem Krankenhausaufenthalt) noch nicht antizipieren können. Darüber
hinaus kann eine frühe „sichere“ Bindung (vgl. Bowlby,
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1988) durch eine depressive Verarbeitung der Mutter
nachhaltig beeinflusst werden.
Kleinkinder zwischen ein und drei Jahren sind hingegen
bereits in der Lage, die besagte Wiederkehr nach einer
räumlichen Trennung von der Mutter zu erahnen. Vordergründig in dieser Entwicklungsspanne sind die möglichen
Verstümmelungsängste dieser Kinder, da sie für die sichtbaren körperlichen Veränderungen (z.B. Haarausfall der
Mutter) besonders sensibel sind. Kinder dieses Alters können die Phantasie entwickeln, ebenfalls die Haare oder ein
Körperteil zu verlieren. Dieses Beispiel zeigt, dass die
(kindlichen) Phantasien oftmals bedrohlicher sind als die
Wirklichkeit.
Die magische Idee, die Krebserkrankung der Mutter oder
des Vaters verursacht zu haben, ist häufig im Vorschulalter zu beobachten (4.–5. Lebensjahr). Kinder dieses Alters
können der festen Überzeugung sein, dass beispielsweise
ihre bösen Gedanken (Wut auf Papa) den Krebs verursacht
haben. Des Weiteren können sie aus einem ernsten Gesichtsausdruck der Eltern fälschlicherweise den Rückschluss ziehen, dass ein freudiges unbeschwertes Spielen
ihrerseits nun in der Familie unerwünscht sei.
Im Schulalter dominiert die kindliche Reflektion über die
Krebserkrankung und ihre Folgen. Aufgrund einer aus
Kindsicht wahrgenommenen sozialen Verantwortung
können eigene Bedürfnisse in den Hintergrund gestellt
werden („Ich bin tapfer!“). Mögliche emotionale Belastungen zeigen sich in dieser Altersspanne häufig in somatischen Symptomen.
In der Jugendphase wird die kognitive Verarbeitung der
Krebserkrankung häufig um die Frage der Vererbbarkeit
ergänzt. Zudem tritt der Konflikt auf, dass der/die Jugendliche auf der einen Seite eine fürsorgliche Verantwortung
fühlt und auch übernehmen möchte, auf der anderen Seite jedoch im Zuge des jugendlichen Autonomiewunsches
sich vom Elternhaus abzulösen versucht. Besonders kritisch gestaltet sich diese Phase, wenn bereits eine konfliktreiche Eltern-Kind-Beziehung existiert.
Kindliche Trauerreaktionen
Im Folgenden möchte ich auf die kindlichen Trauerreaktionen eingehen und mich dabei auf die Ergebnisse von
Christ (2000) beziehen. Die Trauer, die als Prozess verstanden werden kann, sich vom Verstorbenen emotional zu lösen, läuft bei Kindern phasenweise ab und ist meist
schwer zu erkennen. Wir erleben häufig einen facettenreichen Mix aus Wut, Ärger, Schuldgefühlen, Somatisierungen, Leistungsabfällen, Gleichgültigkeit oder dissoziativen Symptomen. Wie im vorherigen Punkt angesprochen,
gilt es hier auch, sich sorgsam und mit Geduld der kindlichen Wahrnehmung zu nähern und zu schauen, was das
Kind braucht. Auf der Grundlage der innovativen Arbeit
von Frau Christ (2000) möchte ich entwicklungsspezifische Themen der kindlichen Trauer nun erläutern.
3 – 5 Jahre
In dieser Altersspanne ist die Trauer oft schwer zu erkennen. Aufgrund des noch nicht vollständig integrierten Todeskonzepts (v. a. bezüglich der Punkte Irreversibilität und
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Finalität) kann es lange dauern, bis der endgültige Verlust
verstanden wird. Diese Dauer kann über Wochen anhaltendes Nachfragen nach der Rückkehr des Elternteils beinhalten. Mögliche Wiederherstellungsthemen (z. B. Mutter, Vater und Kind sitzen gemeinsam am Essenstisch)
können in dieser Phase das kindliche Spiel dominieren.
6 – 8 Jahre
Der kognitive Entwicklungsfortschritt erlaubt Kindern dieser Altersspanne ein zunehmendes Verständnis des Todeskonzepts. Der Verstorbene wird häufig im Himmel lokalisiert. Wenn Kinder über den verstorbenen Papa bzw. die
verstorbene Mama reden, dominieren oft freudige Stimmungen beim Kind, da Papa oder Mama als liebende Beschützer dargestellt werden. Auffällig ist, dass in dieser Altersgruppe besonders intensiv somatische Symptome auftreten, die gern denen des verstorbenen Elternteils ähneln
(z.B. Herzschmerzen beim Kind, nachdem der Elternteil an
Herzversagen verstorben ist).
9 – 11 Jahre
Kinder aus dieser Altersgruppe tendieren dazu, Informationen über die Erkrankung und den Tod des Elternteils zu
erfahren. Diese Form der Intellektualisierung kann die
Kontrolle über die Emotionen zu bewahren, so dass überschäumende Gefühlsausbrüche verhindert werden. Vielmehr zeigen diese Kinder ihre Gefühle eher indirekt durch
sozialen Rückzug oder beispielsweise stures Verhalten.
Das Sprechen über den verstorbenen Elternteil wird oft
vermieden. Des Weiteren ist auffallend, dass 9- bis 11-Jährige auch anfangen, sich Sorgen um die Gesundheit des
verbliebenen Elternteils zu machen.
12 – 14 Jahre
Als neue Facette der Trauerreaktion kann bei Kindern bzw.
Jugendlichen dieser Altersspanne eine starke Identifikation mit dem verstorbenen Elternteil präsent werden („Ich
handle so, wie Mama es gewollt hätte!“). Aufgrund der
in dieser Altersspanne anstehenden Themen wie Autonomie, Identitätsentwicklung und Ablösung kann die bereits
erwähnte Ausbruchsschuld allgegenwärtig werden.
Assoziierte Risiko- und Schutzfaktoren
Bezüglich der Risikofaktoren für das Auftreten der psychischen Symptome bei Kindern krebskranker Eltern spielen
die medizinischen Parameter (Prognose, Dauer, Stadium
der Erkrankung) keine signifikante Rolle (Lewis, Hammond & Woods, 1993; Compas, Worsham, Ey & Howell,
1996; Huizinga, Visser, Van der Graaf, Hoekstra & Hoekstra-Weebers, 2005; Visser et al., 2005). Lediglich bei einem Krebsrezidiv scheinen Kinder ab 11 Jahren höherer
psychischer Belastung ausgesetzt zu sein.
Von hingegen großer Bedeutung scheinen folgende psychosoziale Faktoren zu sein (im Sinne einer höheren Wahrscheinlichkeit für das Auftreten psychischer Symptome
beim Kind):
– Ausmaß der elterlichen Depression (Watson et al.,
2006 ; Sigal, Perry, Robbins, Gagné & Nassif, 2003;
Romer et al., 2007; Schmitt et al., 2008).
1
– Mangel an Offenheit in der familiären Kommunikation
(Watson et al., 2006; Romer & Piha, 2007).
– Familiäre Dysfunktionalität: geringer familiärer Zusammenhalt, geringe affektive Ansprechbarkeit, Neigung
zu affektiver Verstrickung (Watson et al., 2006).
Implementierung des Beratungsangebots
Seit dem 01. Januar 2009 bieten wir in Leipzig ein Beratungsangebot für Kinder von krebskranken Eltern an. Diese „Familiensprechstunde“ basiert konzeptionell auf dem
COSIP-Beratungskonzept, welches PD Dr. med. Georg Romer1 federführend in einem multizentrischen Verbundprojekt (2002–2005) entwickelt hat.
Das COSIP-Beratungskonzept (COSIP=Children of somatically ill parents) bietet einen inhaltlichen und formalen
Rahmen, mit dessen Hilfe der Berater in einen kindorientierten Dialog mit der gesamten Familie treten kann. Formal gliedert sich das Beratungskonzept in eine diagnostische sowie eine Interventionsphase. In der diagnostischen
Phase nehmen wir uns zu Beginn ausführlich Zeit, die Eltern in einem ersten Gespräch kennenzulernen. Dies ist
wichtig, damit wir uns gemeinsam mit den Eltern ein Bild
über die familiäre Situation machen können bzw. um
mögliche Tabuthemen (Was weiß das Kind bis jetzt?) anzusprechen. Nach Möglichkeiten versuchen wir, das sog.
Elternvorgespräch mit beiden Elternteilen zu führen, was
u. U. einen Krankenzimmer- oder Hausbesuch nicht ausschließt.
In einem nächsten Schritt lernen wir das Kind bzw. die Kinder kennen. Je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes können diese Termine sehr unterschiedlich gestaltet
werden. Mitunter können projektive Tests (z. B. Familie in
Tieren oder Scenotest) hilfreich sein, um einen spielerischen Zugang zur kindlichen Wahrnehmung zu bekommen. Am Standort Leipzig setzen wir bedarfsweise auch
kindgerechte diagnostische Verfahren ein, da wir großen
Wert auf die Selbsteinschätzung von Kindern legen. Zudem sind zahlreiche Spiele, Themenkarten, Gefühlssteine
oder schlicht Papier und Buntstifte vorhanden, um in einen spielerischen Dialog mit dem Kind zu kommen.
Die möglicherweise im Anschluss stattfindende fokussierte COSIP-Intervention besteht in der Regel aus drei bis
acht Sitzungen, die wahlweise im Eltern-, Familienund/oder Kindsetting umgesetzt werden. Hierbei verfolgt
die kindzentrierte Familienberatung genau definierte Ziele, zu denen beispielsweise eine offene Kommunikation
über die Erkrankung und eine kindgerechte Aufklärung
gehören. Inwieweit wir welches Setting gemeinsam mit
der Familie wählen, ist Gegenstand unserer teilprojektspezifischen Forschungsfragestellung am Standort Leipzig
(vgl. Koch et al., 2011). Nach Möglichkeit schließen wir die
Beratung mit einem bilanzierenden Familiengespräch ab
und besprechen mit der Familie gemeinsam, ob eine weitere Anbindung im psychosozialen Hilfesystem notwendig ist.
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters
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Unsere Beratungsarbeit in Leipzig ist eingebettet in das
multizentrische Verbundprojekt „Psychosoziale Hilfen für
Kinder krebskranker Eltern. Differentieller Versorgungsbedarf für indizierte familienorientierte Prävention, Implementierung innovativer Versorgungsangebote und deren
schrittweise Evidenzbasierung.“, welches von der Deutschen Krebshilfe gefördert wird (Fördernummer: 108303).
Bundesweit wird die Beratung an Kliniken in Hamburg,
Berlin, Magdeburg, Heidelberg und Leipzig angeboten.
Das Verbundprojekt möchte neben der klinischen Implementierung auch einen wissenschaftlichen Beitrag in diesem noch jungen Forschungsgebiet leisten, so dass insgesamt acht Partnerzentren2 an der wissenschaftlichen Begleitforschung beteiligt sind (nähere Informationen unter
www.verbund-kinder-krebskranker-eltern.de).
Literatur
Barkmann, C., Romer, G., Watson, M., & Schulte-Markwort, M. (2007).
Parental Physical Illness as a Risc for Psychosocial Maladjustment in Children
and Adolescents Epidemiological Findings from a national Survey in Germany. Psychosomatics, 48, 476-481.
Bowlby, J. (1988). A Secure Base: Clinical Applications of Attachment
Theory. London: Tavistock/Routledge.
Christ, G. (2000). Healing Children s Grief: Surviving a Parent s Death from
Cancer. Oxford: Oxford Universities Press.
Compas, B. E., Worsham, N. L., Ey, S., & Howell, D. C. (1996). When Mom
or Dad Has Cancer: II. Coping, Cognitive Appraisals, and Psychological Distress in Children of Cancer Patients. Health Psychology, 15(3), 167-175.
Huizinga, G. A., Visser, A., Van der Graaf, W. T. A., Hoekstra, H. J., & Hoekstra-Weebers, J. E. H. M. (2005). The quality of communication between parents and adolescent children in the case of parental cancer. Annals of Oncology, 16, 1956-1961.
Lewis, F. M., Hammond, M. A., & Woods, N. F. (1993). The Family's Functioning with Newly Diagnosed Breast Cancer in the Mother: The Development
of an Explanatory Model. Journal of Behavioral Medicine, 16(4), 351-370.
Koch, K., Dieball, St., Weis, S. & von Klitzing, K. (2011). Kinder krebskranker
Eltern. Settingwahl in der kindzentrierten Familienberatung. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 43 (1), 73-84.
Zusammenfassung
Zum Abschluss meines Vortrags möchte ich zusammenfassen, warum es wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche
über die Krebserkrankung informiert werden. Ich möchte
hierbei auf die Leitlinien der American Cancer Society verweisen (zitiert in Romer & Haagen, 2007, S.39):
• Kinder bemerken es, wenn in ihrer Familie etwas nicht
stimmt. Dabei sind ihre Phantasien meist schlimmer als
die Realität.
• Nicht über die familiäre Situation zu sprechen, signalisiert, dass sie zu schrecklich ist, um darüber sprechen
zu können.
• Möglicherweise werden Kinder von anderen von der
Erkrankung erfahren und falsche Informationen bekommen.
• Unter Umständen fühlen sich Kinder isoliert, ausgeschlossen und unwichtig, wenn sie nicht über wichtige Ereignisse innerhalb der Familie aufgeklärt werden.
• Eventuell ziehen Kinder falsche Schlüsse aus ihren Beobachtungen oder machen falsche Annahmen.
• Informierte Kinder machen es ihren Eltern leichter. Es
muss keine Energie mehr für die Aufrechterhaltung
von Geheimnissen aufgebracht werden.
• Mit Unterstützung haben Kinder bessere Bewältigungsmechanismen; sogar sehr traurige Wahrheiten
sind besser als die Angst der Ungewissheit.
• Die Einbeziehung des Kindes unterstreicht den Glauben an die Fähigkeiten des Kindes, die Situation zu bewältigen; das Selbstbewusstsein wird erhöht.
Korrespondenzadresse:
Anmerkung
Diese Ausarbeitung des Vortrags verzichtet auf die Darstellung der Fallvorstellung. Bei Interesse an detaillierten
Fallbeschreibungen aus der Familiensprechstunde Leipzig
wird auf Koch et al. (2011) verwiesen.
Dipl.-Psych. Sascha Weis
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und
Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters
Medizinische Fakultät der Universität Leipzig
Liebigstraße 20a
04103 Leipzig
Telefon: 0341-9724013
e-Mail: [email protected]
Romer, G., & Haagen, M. (2007). Kinder körperlich kranker Eltern. Göttingen: Hogrefe.
Romer, G., & Piha, J. (2007). Children of Parents with Cancer: A Collaborative Project Between a Child Psychiatry Clinic and an Adult Oncology Clinic.
Clinical Child Psychology and Psychiatry, 12(3), 421-436.
Romer, G., Saha, R., Haagen, M., Pott, M., Baldus, C., & Bergelt, C. (2007).
Lessons learned in the implementation of an innovative consultation and liaison service for children of cancer patents in various hospital settings. Psycho-Oncology, 16, 138-148.
Schmitt, F., Santalahi, P., Saarelainen, S., Savonlahti, E., Romer, G., & Piha, J.
(2008). Cancer Families with children: factors associated with family functioning - a comparative study in Finland. Psycho-Oncology, 17, 363-372.
Sigal, J. J., Perry, J. C., Robbins, J. M., Gagné, M.-A., & Nassif, E. (2003). Maternal Preoccupation and Parenting as Predictors of Emotional and Behavioural Problems in Children of Women Wirh Breast Cancer. Journal of Clinical
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Statistisches Bundesamt (2008). Gesundheit von Kindheit und Jugendlichen.
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Visser, A., Huizinga, G. A., Hoekstra, H. J., Van der Graaf, W. T. A., Klip,
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Watson, M., James-Roberts, I. S., Ashley, S., Tilney, C., Brougham, B., Edwards, L., et al. (2006). Factors associated with emotional and behavioural
problems among school age children of breast cancer patients. British Journal of Cancer, 94(1), 43-50.
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (PD Dr. med. Georg Romer); Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für
Medizinische Psychologie (Prof. Dr. med. Dr. phil. Uwe Koch-Gromus); Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters (Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Ulrike Lehmkuhl); Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
des Kindes- und Jugendalters (Prof. Dr. med. Kai von Klitzing); Universitätsklinikum Leipzig, Selbständige Abeilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie (Prof. Dr. rer.
biol. hum. Elmar Brähler); Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin (Prof. Dr. med. Wolfgang Herzog); Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg am Städtischen Klinikum Magdeburg (Prof.
Dr. med. Hans-Henning Flechtner)
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■ Aktuelle Diagnose-, Therapieund Nachsorgeleitlinien
Die Verbreitung aktueller Leitlinien im Versorgungsgebiet ist eine Hauptaufgabe der Tumorzentren.
Wir werden an dieser Stelle regelmäßig auf die geltenden Leitlinien hinweisen.
In dieser Ausgabe finden Sie die Empfehlungen zur
Nachsorge ausgewählter Tumorentitäten.
Nachsorge bei Malignomen im Kopf-Hals-Bereich
Nach Abschluss der Primärbehandlung und AHB sollte bei
allen onkologischen Patienten außer T1a Larynxkarzinomen im Rahmen einer stationären Wiederaufnahme ein
Restaging durchgeführt werden.
Dieses beinhaltet:
• Anamnese
• klinische Untersuchung
• bildgebende Diagnostik entsprechend der Erstdiagnostik tumorkonformal
• ggf. Panendoskopie
• abschließende Stellungnahme zur Tumorsituation
• Vereinbarung des Nachsorgetermins und Einleitung
notwendiger Rehabilitationsmaßnahmen (Logopädie,
Physiotherapie, Psychologie, Wiedereingliederung, Ernährung, Selbsthilfegruppe) als Empfehlung an den
Hausarzt
Behandlungsgrundsätze bei Tumoren im Kopf-HalsBereich
Die Therapiechancen bei der Behandlung von Tumoren im
Kopf-Hals-Bereich korrelieren eng mit dem Tumorstadium
bei der Erstdiagnose. Bei kurativem Therapieansatz ist die
radikale Operation das Mittel der Wahl.
Bei ausgedehnten Tumoren oder bestehender Lymphknotenmetastasierung ist meist die adjuvante Radiatio oder
Radio-Chemotherapie indiziert. Bei primär inoperablen
Tumoren und multifokalen Tumoren i. S. einer Flächenkanzerogenisierung ist die primäre Radio-Chemotherapie die
vordergründige Behandlungsoption.
Im Fall von Rezidiven oder Metastasen kommt neben weiteren operativen Maßnahmen, First- oder Second-LineChemotherapien einschließlich Antikörpertherapie die erneute Strahlentherapie in Frage.
Die mund-, kiefer-, gesichtschirurgische Nachsorge nach
primärer Tumortherapie sollte in einer Dispensairesprechstunde der Klinik abgestimmt mit den niedergelassenen
Fachkollegen einschließlich der HNO-ärztlichen und dermatologischen Kollegen durchgeführt werden. Die Nachsorge gilt primär der frühzeitigen Aufdeckung von Rezidiven und Metastasen, um die bestehenden Behandlungsoptionen optimal nutzen zu können. Zusätzlich muss bei
Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des oberen AeroDigestiv-Trakts in der Eigenanamnese wegen des erhöhten Risikos nach Zweittumoren gesucht werden.
Neben der rein onkologischen Nachsorge gilt die Aufmerksamkeit den funktionellen Folgezuständen der Tumorbehandlung (Störungen der Sprache, Nahrungsaufnahme, Fazialisparese), aber auch ästhetischen Belangen
sowie der resultierenden psychosozialen Situation mit
entsprechender Prüfung möglicher Korrektureingriffe.
Einbezogen sind zahnärztliche Betreuungsaufgaben im
Zusammenhang mit Kieferresektionen, der Versorgung
mit speziellem Zahnersatz, Rekonstruktionen als präprothetische Therapieoption, aber auch die chirurgische Sanierung und Behandlung entzündlicher Komplikationen
nach Radiatio des zervikofazialen Tumorbettes und der
dazugehörigen Lymphabflusswege. Die Auswahl der
Nachsorgeintervalle orientiert sich an den Plattenepithelkarzinomen, da diese am häufigsten auftreten.
Korrespondenzadressen:
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hans Pistner
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
Plastische Operationen
HELIOS Kopf-Hals-Tumorzentrum
HELIOS Klinikum Erfurt GmbH
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7812230
e-Mail: [email protected]
Priv.-Doz. Dr. med. Jörn-Uwe Piesold
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
Plastische Operationen
HELIOS Kopf-Hals-Tumorzentrum
HELIOS Klinikum Erfurt GmbH
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-78172602
e-Mail: [email protected]
1. Jahr
2. Jahr
3. – 5. Jahr****
Anamnese und klinische
Untersuchung
6-wöchentlich*
6-wöchentlich*
6-monatlich
Ggf. Sonografie oder
Schichtbildgebung
3-monatlich
3-monatlich
6-monatlich
Bildgebende Diagnostik
und Labordiagnostik
befundabhängig**
befundabhängig***
befundabhängig
*unter Einbeziehung der niedergelassenen Fachärzte wohnortnah
**posttherapeutische Schichtbildbasisdiagnostik 3 Monate nach Radiatio
***Schichtbilddiagnostik vor Einleitung der Rekonstruktion
****jährliche Nachsorge ab 5-jähriger Rezidivfreiheit
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JOU RNAL
01/2005
01/2011
Dr. med. Dirk Vollrath
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
Plastische Operationen
HELIOS Kopf-Hals-Tumorzentrum
HELIOS Klinikum Erfurt GmbH
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-78172605
e-Mail: [email protected]
Prof. Dr. med. Dirk Eßer
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,
Plastische Operationen
HELIOS Kopf-Hals-Tumorzentrum
HELIOS Klinikum Erfurt GmbH
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7812101
e-Mail: [email protected]
Nachsorge Prostatakarzinom
Nachsorgeuntersuchungen im engeren Sinne sind bei
Prostatakarzinompatienten indiziert nach kurativer Therapie des lokal begrenzten Prostatakarzinoms. Neben rein
onkologisch zu erfassenden Parametern spielen dabei Faktoren, welche die Funktionalität des Harntrakts beschreiben, eine wesentliche Rolle. Die zu evaluierenden Parameter richten sich nach der Art der Primärtherapie. Nach
strahlentherapeutischen Verfahren kommt entsprechend
der Vorgaben der Strahlenschutzrichtlinie der Erfassung
strahlenbedingter Nebenwirkungen eine besondere Bedeutung zu. Üblicherweise wird die erste Nachsorgeuntersuchung zur Bewertung der Akuttoxizität 6 Wochen
nach Ende der Therapie vorgenommen. Im Weiteren werden jährliche Evaluierungen der Spättoxizität an Hand international standardisierter Kriterien (CTC-AE bzw. LENTSOMA) als adäquat angesehen. Nach operativer Therapie
müssen hingegen operationsassoziierte Faktoren berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere in der frühen postoperativen Phase.
Nachsorge Magenkarzinom
Gegenwärtig gibt es kein strukturiertes Tumornachsorgeprogramm zur Rezidivfrüherkennung und Verbesserung
der Prognose nach operativer Behandlung eines Magenkarzinoms. Die Rationale dazu ist, dass das festgestellte
Rezidiv meist zu keiner kurativen therapeutischen Konsequenz führt und darüber hinaus die Metastasentherapie
die Überlebenszeit nicht verlängert. Deshalb wird beim
Magenkarzinom die Nachsorge überwiegend symptomorientiert durchzuführen sein. Hauptbestandteil ist die
Sonographie zur Erfassung von Fernmetastasen. Bei neu
auftretenden Dysphagien ist die Endoskopie zum Ausschluss eines Lokalrezidivs anzuraten, bei Subileusbeschwerden als mögliche Manifestation einer Peritonealkarzinose die Computertomographie des Abdomens und
des Beckens. Tumormarkerkontrollen sind in der Regel
nicht Hinweis gebend. Neu auftretende Symptome sollten innerhalb von vier bis sechs Wochen abgeklärt werden.
Wenn ein auf die Schleimhaut begrenztes Frühkarzinom
durch Mukosektomie oder lokale Magenwandexzision behandelt wurde, ist wegen des möglicherweise erhöhten
Rezidivrisikos und der Möglichkeit einer kurativen Reoperation eine gastroskopische Überwachung in sechsmonatigen Abständen für die ersten drei Jahre zu empfehlen.
Sind Patienten mit Magenkarzinom in Therapiestudien
behandelt worden, muss eine strukturierte Nachsorge
nach entsprechendem Protokoll durchgeführt werden.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Henri Kriechling
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
HELIOS Darmzentrum Erfurt
HELIOS Klinikum Erfurt
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7812331
e-Mail: [email protected]
J OU RNAL
Neben der Kontinenzsituation und Überprüfung der Harnabflussverhältnisse (supra- und subvesikal) rückt die Problematik der Erektilen Dysfunktion und Potenzstörungen
im weiteren Sinne in den letzten Jahren zunehmend in
den Fokus des Interesses. In diesem Zusammenhang sind
auch Indikationen bzw. Kontraindikationen der Testosteronsubstitution nach kurativer Therapie des Prostatakarzinoms zu nennen.
Alle genannten Aspekte werden in der 2009 veröffentlichten interdisziplinären S3-Leitlinie Prostatakarzinom aufgegriffen.
Im Gegensatz zu anderen Tumorentitäten wird nach potenziell kurativer Therapie des Prostatakarzinoms die Tumornachsorge nicht an der individuellen Risikokonstellation des einzelnen Patienten bzw. der Therapiemodalität
ausgerichtet. Zur onkologischen Bewertung des Therapieerfolges wird heute bei allen Patienten ausschließlich die
PSA-Bestimmung empfohlen. Auch wenn diese in der
Früherkennung des Prostatakarzinoms nicht unumstritten
ist (fehlende Kostenübernahme für die PSA-Bestimmung
im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)), stellt der PSA-Wert
als Bestimmung des prostataspezifisches Antigens insbesondere nach radikaler Prostatektomie einen idealen
Nachsorgeparameter dar. Mit der Organentfernung ist
jegliche physiologische Synthese dieses Enzyms gestoppt,
so dass eine Persistenz bzw. ein Wiederanstieg des PSA
postoperativ eindeutig einen Tumornachweis führt.
Steigt der PSA-Wert aus dem nicht messbaren Bereich
nach radikaler Prostatektomie auf 0.2 ng/ml gefolgt von
mindestens einem subsequenten Anstieg, handelt es sich
definitionsgemäß um ein biochemisches Rezidiv der Tumorerkrankung.
Nach primär kurativer Strahlentherapie ist eine grundsätzlich andere Situation gegeben. Nach Brachy- oder perkutaner Strahlentherapie sinkt der PSA-Wert langsam auf
ein stabil niedriges Niveau (Nadir). Dieser Nadir wird
durchschnittlich 18 Monate nach Strahlentherapie erreicht.
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Als „Bounce-Phänomen“, das in etwa 1/3 der Fälle nach
18-19.5 Monaten auftritt und ein biochemisches Rezidiv
vortäuschen kann, wird der vorübergehende Anstieg des
PSA um mehr als 0.1 ng/ml bezeichnet. Als ursächlich wird
die Entwicklung einer Strahlenprostatitis angesehen.
Gemäß den Leitlinien der American Society for Therapeutic Radiology and Oncology (ASTRO) aus dem Jahr 1997
kann von einem Rezidiv nach Strahlentherapie erst ausgegangen werden, wenn die PSA-Werte ausgehend vom Nadir kontinuierlich ansteigen und kontrolliert Nadir + 2
ng/ml oder mehr erreichen (Konsensuskonferenz 2005).
Als Zeitpunkt des Rezidivs wurde dabei der o.g. Nachweis
definiert.
Neben der PSA-Bestimmung bilden Anamneseerhebung
sowie klinische und sonografische Untersuchungen essentielle Bestandteile der Tumornachsorge. Dabei wird
heute die digital-rektale Untersuchung beim Patienten
ohne biochemisches Rezidiv nicht mehr als indiziert angesehen. Analoges gilt für den routinemäßigen transrektalen Ultraschall. Im Fall eines biochemischen Rezidivs können sie orientierend eingesetzt werden, die diagnostische
Akkuratesse ist jedoch limitiert. Hilfreich kann hier die
Computertomografie, besser jedoch die Magnetresonanztomografie - insbesondere unter Einsatz der endorektalen Spule - sein. Zu beachten ist, dass das zeitliche Intervall bis zum Auftreten eines PSA-Rezidivs, die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit und der primäre PSA-Abfall in den
nicht messbaren Bereich einen hohen prognostischen
Wert für das Auftreten eines lokalen Rezidivs bzw. die Entwicklung von Fernmetastasen aufweisen und somit die zu
veranlassende Diagnostik und Therapie modifizieren. Ein
Zeitintervall von mindestens 2 Jahren nach Radikaloperation in Verbindung mit einer PSA-Verdopplungszeit von
>15 Monaten sowie einem primären Gleason-Summenscore <8 im Operationspräparat spricht für die Entwicklung eines Lokalrezidivs und ist nach retrospektiven Analysen mit einem guten Langzeitüberleben der Patienten
assoziiert.
Den diagnostischen Standard in der Diagnostik von Knochenmetastasen eines Prostatakarzinoms bildet auch heute noch die Ganzkörperknochenszintigrafie. Die ossären
Metastasen sind typischerweise osteoplastisch und zeigen
einen erhöhten Metabolismus. Einschränkend ist jedoch
zu bemerken, dass in retrospektiven Studien nur bei <5%
der Patienten mit einem biochemischen Rezidiv und PSAWert <10 ng/ml ein positives Untersuchungsergebnis zu
erwarten war. Dies zeigt die eingeschränkte Aussagekraft
der Untersuchungstechnik in der spezifischen Situation.
Auch die Positronenemissionstomografie (PET) visualisiert
Stoffwechselvorgänge. Die relativ geringe glykolytische
Aktivität von Prostatakarzinomzellen führt dazu, dass der
am häufigsten verwendete PET-Tracer [18F] 2-Fluor-Desoxyglucose (FDG) nicht für die Diagnostik dieses Tumors
geeignet ist. Alternativ wird 11Carbon-Cholin ([11C]Cholin) eingesetzt. Gerade in der Situation eines biochemischen Rezidivs ist die Sensitivität des Verfahrens jedoch limitiert. So ist bei einem PSA-Wert von <2 ng/ml mit einem richtig positiven PET-CT-Befund in nur ca. 40% der
Fälle zu rechnen. Damit erscheint das Cholin-PET-CT nicht
geeignet für die Differenzierung eines Lokalrezidivs gegenüber Fernmetastasen zum Zeitpunkt der Entscheidung
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über eine Salvage-Radiatio bei biochemischem Rezidiv
(empfohlener PSA-Bereich bei Radiatio zwischen 0.2 und
0.5 ng/ml)
In der Diskussion ist seit Jahren die Möglichkeit einer Testosteronsubstitution nach kurativ behandeltem Prostatakarzinom. Letztlich ist an Hand der publizierten Datenlage nicht abschließend zu entscheiden, ob dem Patienten
hierdurch Risiken entstehen. Ein gravierender Testosteronmangel ist andererseits langfristig mit Einschränkungen
der Lebensqualität und einer signifikanten Morbidität verbunden. Daher gilt eine Substitutionstherapie bei nachgewiesenem Testosteronmangel heute nicht mehr als kontraindiziert. Die Patienten sollten zu den offenen Fragen
jedoch ausführlich aufgeklärt und unter derartiger Behandlung besonders engmaschig überwacht werden.
Konkrete Empfehlung zur Nachsorge
Außer den Empfehlungen zur regelmäßigen PSA-Bestimmung gibt es in der S3 Leitlinie Prostatakarzinom keine
konkreten Aussagen zu erforderlichen Untersuchungen in
der Nachsorge nach radikaler Prostatektomie oder Radiatio.
Aus Sicht des Autors sollten analog den PSA-Werten in regelmäßigen Intervallen anamnestische Erhebungen sowie symptomorientierte klinische Untersuchungen vorgenommen werden. Eine Sonografie der Nieren sollte mindestens jährlich erfolgen, Restharnbestimmungen aller 36 Monate.
Folgende konkrete Empfehlung erscheint sinnvoll:
• Anamnese und ärztliche Untersuchung alle 3 Monate,
nach 1 Jahr alle 6 Monate, nach 5 Jahren alle
12 Monate
• Urinbefund nach 3, 6 und 12 Monaten, dann alle
12 Monate
• Sonografie der Nieren nach 3 Monaten, dann alle
12 Monate
• Restharnbestimmung nach 3 und 6 Monaten, dann
alle 6 Monate
• Laboruntersuchung (PSA) alle 3 Monate, nach 1 Jahr
alle 6 Monate, nach 5 Jahren alle 12 Monate
Ergänzende Untersuchungen:
• Uroflow
• Laboruntersuchungen (BB, Kreatinin)
Literatur beim Verfasser
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Thomas Steiner
Klinik für Urologie
HELIOS Prostatakarzinomzentrum
HELIOS Klinikum Erfurt GmbH
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7812201
e-Mail: [email protected]
01/2005
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Nachsorge Indolenter Non Hodgkin-Lymphome (NHL)
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und
Onkologie (Stand: 17.2.2010)
Definition und Basisinformationen Indolenter Non
Hodgkin-Lymphome
Die indolenten Non-Hodgkin Lymphome stellen eine heterogene Gruppe maligner Erkrankungen des lymphatischen Systems dar. Das häufigste indolente Lymphom ist
das follikuläre Lymphom, seltenere Formen sind der Morbus Waldenström, dem histologisch das lymphoplasmazytische Lymphom zu Grunde liegt, das Marginalzonenlymphom und das Mantelzell-Lymphom, das aufgrund
seines klinischen Verlaufs z. T. auch den aggressiven Lymphomen zugeordnet wird.
Eine Sonderform stellt die Haarzell-Leukämie aufgrund ihrer gesonderten Therapieempfehlungen dar. Die indolenten Lymphome sind eine Erkrankung des fortgeschrittenen Alters. Die große Mehrheit aller Patienten befindet
sich bei Diagnosestellung bereits in den fortgeschrittenen
Ann Arbor Stadien III und IV und ist damit einer kurativen
Therapie nicht mehr zugänglich. Die Behandlungsmöglichkeiten der indolenten Lymphome haben sich jedoch in
den letzten Jahren durch die Etablierung neuer, insbesondere Antikörper-gestützter Therapieansätze deutlich verbessert.
Nachsorge des Follikulären Lymphoms
Unter und unmittelbar nach Therapie (Therapiekontrolle,
Erkennung von Komplikationen und Nebenwirkung)
• Anamnese und körperliche Untersuchung
• Zellzählung, Differentialblutbild, LDH
• Leber- und Nierenfunktionsparameter, ggf. weitere Labordiagnostik zur Therapieüberwachung und Komplikationskontrolle
Therapiebewertung (Zytoreduktion, Nebenwirkungen)
nach der Hälfte der Therapiezyklen und nach Abschluss einer zytostatischen Therapie sowie bei Verdacht auf Progression oder Komplikation:
• Anamnese und körperliche Untersuchung
• Kontrolle initial pathologischer Befunde, soweit zur Entscheidungsfindung erforderlich
• Ausschluss von Therapiekomplikationen (Leber- Nierenparameter; bei klinischen Verdacht Echokardiographie,
Röntgen Thorax, ggf. Lungenfunktion)
Verlaufskontrollen nach Abschluss der Therapie in 3monatigen, ab dem dritten Jahr in zwölfmonatigen Abständen
als Nachsorge (Remissionsüberwachung bzw. Rezidiverkennung, Erkennung von Langzeittoxizität, z.B. Schilddrüse nach zervikaler Radiatio, oder Auftreten sekundärer
Neoplasien):
• Anamnese und körperliche Untersuchung
• Zellzählung, Differentialblutbild
• LDH, Leber und Nierenfunktionsparameter
• Kontrolle initial pathologischer Befunde (bildgebende
Verfahren)
• weiterführende Diagnostik in Abhängigkeit von den
initial und im Verlauf erhobenen Befunden
PET bzw. PET-CT nur bei klinischen Konsequenzen bzw. in
klinischen Studien (bei positivem Befund histologische Sicherung obligat!), Zulassungsstatus beachten
Bestimmung der „minimalen Resterkrankung“ (MRD) nur
innerhalb von Studien.
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Nachsorge bei Morbus Waldenström, Mantelzell-Lymphom und nodalem Marginalzonen-Lymphom
Die Verlaufskontrollen und die Nachsorge entsprechen
denen des follikulären Lymphoms.
Nachsorge bei Haarzell-Leukämie (HZL)
Die Haarzell-Leukämie ist eine chronische Erkrankung.
Auch Spätrezidive sind möglich. Ein prospektiv evaluiertes Kontrollprogramm gibt es nicht. Empfohlen wird ein
risikoadaptiertes Vorgehen: In den ersten 6 Monaten nach
Erreichen des optimalen Ansprechens sind 4 wöchentliche
Blutbildkontrollen sinnvoll, Sonographie Abdomen zur
Kontrolle der Milzgröße alle 3 Monate, falls der Tastbefund nicht eindeutig ist. Bei stabiler hämatologischer Remission können die Untersuchungsintervalle für die Blutbilder auf 3 Monate und für die Sonographie auf 6 Monate verlängert werden.
Nachsorge der Chronischen Lymphatischen Leukämie
(CLL)
Die Nachsorge asymptomatischer Patienten sollte eine
Blutbilduntersuchung in einem Zeitabstand von ca. 3-6
Monaten neben einer klinischen Untersuchung von
Lymphknoten, Leber und Milz einschließen.
Dabei sollte auf das Auftreten von Autoimmun-Zytopenien (AIHA, ITP) und Infektionen geachtet werden. Des
Weiteren sollten schnelle Lymphknotenvergrößerungen,
B-Symptome und/oder eine Erhöhung der LDH Anlass geben, neben einem Rezidiv der CLL auch eine Transformation in ein hochmalignes Lymphom (Richter Syndrom)
auszuschließen
Literatur beim Verfasser
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Michael Herold
4. Medizinische Klinik
Onkologisches Zentrum
HELIOS Klinikum Erfurt
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7812473
e-Mail: [email protected]
Nachsorge kolorektales Karzinom
Die Nachsorge wird entsprechend der aktuellen S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ aus dem Jahre 2007 durchgeführt. Sie hängt vom Tumorstadium ab:
1. Bei Patienten mit frühem Tumorstadium (UICC I)
ist nach R0-Resektion wegen der niedrigen Rezidivrate und der günstigen Prognose durch regelmäßige
Nachuntersuchung kein prognostischer Gewinn zu erwarten. Eine Koloskopie nach zwei und fünf Jahren
dient der Früherkennung von Zweittumoren.
2. Nach palliativer Tumorresektion (R2-Resektion) ist eine
symptomorientierte Nachbetreuung ausreichend.
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3. Regelmäßige Nachuntersuchungen nach operativer
Therapie bei kolorektalen Karzinomen sind zu empfehlen bei Patienten nach R0-Resektion von Tumoren der
UICC-Stadien II und III, sofern der Allgemeinzustand
und die Lebenserwartung einen erneuten Eingriff bei
einem Rezidiv vertretbar erscheinen lassen.
Empfehlenswert ist es, allen Patienten bei ihrer Entlassung
aus der Klinik einen persönlichen Nachsorgeplan auszuhändigen, in dem die Nachsorgetermine individuell angepasst aufgeführt sind.
Bei Hinweisen auf ein Tumorrezidiv oder eine Metastasierung sollte der Patient in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden, damit über das weitere Procedere, beispielsweise eine Second-line-Chemotherapie
oder die Operation von metachronen Lebermetastasen,
entschieden werden kann.
• In den ersten 24 Monaten postoperativ erfolgen alle 6 Monate Untersuchungen, die regelhaft eine
Anamnese, körperliche Untersuchung, die Bestimmung des CEA und eine Ultraschalluntersuchung
umfassen. Ab dem 2. Jahr erfolgen diese Untersuchungen in jährlichen Abständen. Ist eine vollständige Koloskopie präoperativ nicht erfolgt, ist diese
bis spätestens 6 Monate nach der Operation nachzuholen. Die erste Nachsorgekoloskopie erfolgt
dann nach 3 Jahren.
• Bei Patienten mit Rektumkarzinom, die keine neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie erhalten haben, wird in den ersten 24 postoperativen
Monaten halbjährlich eine Sigmoidoskopie durch-
Korrespondenzadresse:
geführt. Um einen Ausgangsbefund zum späteren
Vergleich zu haben, wird zudem 3 Monate nach der
Operation eine Spiralcomputertomographie durchgeführt.
Dr. med. Henri Kriechling
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
HELIOS Darmzentrum Erfurt
HELIOS Klinikum Erfurt
Nordhäuser Str. 74
99089 Erfurt
Telefon: 0361-7812331
e-Mail: [email protected]
• Die Durchführung einer Röntgen-Thorax-Untersuchung im Rahmen der Nachsorge kann, aber muss
nicht durchgeführt werden. Hierüber konnte bei der
Erstellung der Leitlinien kein Konsens erreicht werden.
Untersuchungen im Rahmen der Nachsorge bei kolorektalem Karzinom UICC II oder III
Monate
Untersuchung
3
6
9
12
18
x
21
24
36
48
60
x
x
x
x
x
x
Anamnese, Körperliche Untersuchung, CEA
x
Koloskopie
x1
Abdomensonographie3
x
x
x
x
Sigmoidoskopie (Rektoskopie)4
x
x
x
x
Spiralcomputertomographie5
x
15
x2
x
x
Röntgen-Thorax (Kein Konsens)
Wenn keine vollständige Koloskopie präoperativ durchgeführt worden ist
Bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom), nächste Koloskopie nach 5 Jahren
3
Eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für ein bildgebendes Verfahren zum Nachweis von Lebermetastasen in der Nachsorge. Aus diesem Grund entschied
sich die Expertenkomission, das einfachste und kostengünstigste Verfahren anzuwenden.
4
Nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie
5
Nur beim Rektumkarzinom 3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie (Operation bzw. adjuvante Strahlen-/Chemotherapie) als Ausgangsbefund.
1
2
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JOU RNAL
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■ Bericht von der Mitgliederversammlung des Tumorzentrum
Erfurt e.V. am 16.06.2011
Abb.1 Neu erfasste Patienten/Tumoren im Klinischen Krebsregister Erfurt
Prof. Dr. Albrecht Stier
Vorsitzender des Tumorzentrum Erfurt e.V.
Foto: HELIOS Klinikum Erfurt
Auszüge aus dem Jahresbericht 2010
1. Krebsregister
Die klinische Tumordokumentation ist ein wesentliches
Element der Qualitätssicherung in der Onkologie und eine der Hauptaufgaben des Tumorzentrums.
Wiederum können wir erfreulicherweise feststellen, dass
sowohl die Meldebereitschaft der Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte als auch das Interesse an den Daten
des Klinischen Krebsregisters weiter zugenommen haben.
Wesentlichen Anteil an dieser Zunahme haben die laufenden Zertifizierungsverfahren kooperierender Organkrebszentren sowie die Screening-Programme für Haut- und
Brustkrebs. Am 31.12.2010 waren die Krankheitsverläufe von 79.542 Patienten mit insgesamt 91.275 Tumoren
im klinischen Register des Tumorzentrums gespeichert.
7.709 Patienten (9.744 Tumoren) wurden im Berichtsjahr
neu erfasst (Abb. 1). Den meldenden Ärzten gilt dafür unser Dank, ebenso den Mitarbeitern des Klinischen Registers.
Was die Grafik nicht zeigt: Erfreulicherweise werden die
Krankheitsverläufe zunehmend vollständiger dokumentiert. Das betrifft insbesondere die Dokumentation der
Therapien aber auch der Tumornachsorge. Ziel ist es, zu
jedem Krankheitsverlauf mindestens einmal im Jahr den
Tumorstatus zu dokumentieren. Nur so können entitätsund stadienbezogene Auswertung der rezidiv- oder progressionsfreien Überlebenszeit als einem der wichtigsten
Qualitätsindikatoren vorgenommen werden.
J OU RNAL
Wir wünschen uns dafür eine Fortsetzung der erfreulichen
Entwicklung und noch mehr aktive Nachsorgemeldungen. Damit helfen Sie dem Tumorzentrum und dienen der
Sache, denn das Nachfragen und Einholen von Nachsorgedaten durch das Register sind sehr mühsam und angesichts fehlender personeller Ressourcen vom Register
kaum zu leisten. Der Aufwand zur Meldung von Nachsorgeergebnissen (Datum, aktueller Tumorstatus) ist vergleichsweise gering. Eine Arztbrief-Kopie an das Tumorzentrum reicht aus. Die Mitarbeiter des Tumorzentrums
beraten gern und stellen Informationsmaterial zur Verfügung.
Nach wie vor ist in Thüringen keine befriedigende Lösung
für einen Datenabgleich mit den Einwohnermeldeämtern
zur Ermittlung des Life-Status der Patienten in Sicht. Angestrebt wird ein kostengünstiger jährlicher elektronischer Datenabgleich mit dem Landes-Melderegister. Die
Ermittlung des Life-Status über den Totenscheinabgleich
mit dem Epidemiologischen Krebsregister in Berlin hat
sich zwar in der Vergangenheit bewährt. Die Aktualität
und Zuverlässigkeit der Daten ist jedoch für viele Fragestellungen nicht ausreichend.
Das Register ist Kooperationspartner von 7 zertifizierten
Organtumorzentren (HELIOS Brustzentrum Erfurt und Gotha, Darmkrebszentrum Erfurt, Darmkrebszentrum Südthüringen, Prostatakrebszentrum Südthüringen [Meiningen], HELIOS Hautkrebszentrum Erfurt, HELIOS Darmzentrum Erfurt, HELIOS Prostatakarzinomzentum Erfurt) und
an der Vorbereitung und Durchführung der aufwendigen
Zertifizierungsverfahren sowie der jährlichen Audits beteiligt. Außerdem ist das Register in die Dokumentation des
Brustzentrums Mittelthüringen (Sömmerda/UH-Kreis) einbezogen.
Im Berichtsjahr wurden zudem die Vorbereitungsarbeiten
für die Zertifizierung eines Onkologischen Zentrums (OZ
HELIOS Klinikum Erfurt mit dem HELIOS Kopf-Hals-Tumorzentrum) und von 4 weiteren Organkrebszentren (HELIOS
Pankreaskarzinomzentrum Erfurt, Prostatakarzinomzentrum im KKH Erfurt, Darmkrebszentren in LSZ und MHL)
geleistet.
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Die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur für die Tumordokumentation einschließlich der Möglichkeiten statistischer Auswertungen ist für bestehende und künftige Organzentren vor allem wegen der Unterstützung bei der
Beschaffung der unerlässlichen Follow up-Daten vorteilhaft. Außerdem erfüllen die Einrichtungen auf diesem
Wege die in Thüringen geltende Meldepflicht für Tumorerkrankungen, da die epidemiologischen Daten vom Klinikregister an das Gemeinsame Krebsregister in Berlin
weitergeleitet werden.
Auch von den anderen Ärzten der Region werden die Serviceleistungen des klinischen Registers regelmäßig genutzt (täglich Anforderungen von Übersichtsberichten
zum Krankheitsverlauf, weiterhin Abteilungs- bzw. Praxisstatistiken einschließlich Überlebenszeitanalysen).
Die immer bessere Erfassungsrate im Klinischen Register
wirkt sich auch positiv auf die Melderate für das Gemeinsame Krebsregister der neuen Bundesländer und Berlins
(GKR) in Berlin aus, da fast alle Meldungen über die Tumorzentren zum epidemiologischen Register gelangen.
Trotzdem wurde die geforderte 90%-Marke aus Arztmeldungen erfasster Krebserkrankungen bisher nicht erreicht
(Abb. 2).
Abb.2 Vollzähligkeit der epidemiologischen Krebsregistrierung in Thüringen
(DCO – Death Certifivcate Only, nur über den Leichenschauschein dokumentierter Tumor)
38,9 % aller im Jahr 2009 erstmals von Thüringen nach
Berlin gemeldeten Neuerkrankungen kamen vom Erfurter
Register. Das entspricht auch dem Durchschnittswert der
zurückliegenden 5 Jahre (Abb. 3).
2. Interdisziplinäre onkologische Konsile
Seit November 1993 werden vom Tumorzentrum regelmäßig interdisziplinäre Konsile organisiert. Die Zahl der
beratenen Fälle hat auch im Jahr 2010 weiter zugenommen. In den 51 durchgeführten Konsilen des Berichtsjahres sind insgesamt 823 Fälle beraten worden (2009: 461
Fälle).
■ Seite 30 ■
JOU RNAL
Abb.3 Eingangsstatistik des Gemeinsamen Krebsregisters (GKR Berlin):
Prozentualer Anteil der Erstmeldungen aus den Thüringer Tumorzentren
Das von einer Arbeitsgruppe unter maßgeblicher Beteiligung von Prof. Stier und Dr. Göbel entwickelte SAP-gestützte Konzept für die Anmeldung, Organisation und
Protokollierung von Konsilen ist leider noch immer nicht
realisiert. Der Anfang 2010 mit der Programmierung beauftragten Firma ist der Auftrag inzwischen wieder entzogen worden.
3. Leitlinien / Projektgruppen
Nachdem inzwischen anerkannte Leitlinien von der Deutschen Krebsgesellschaft und den medizinischen Fachgesellschaften für nahezu alle Tumorentitäten vorliegen,
wurde die Erarbeitung eigener Leitlinien weitgehend eingestellt. Das TZ sieht seine Aufgabe vorrangig darin, die
überregionalen Leitlinien stärker in der Region zu propagieren.
Im Berichtsjahr wurde vom Wissenschaftlichen Beirat die
Bildung von Projektgruppen für folgende Tumorentitäten
beschlossen:
Magenkarzinom (Leitung: PD Dr. med. L.-D. Schreiber, Klinik Allgemein- und Viszeralchirurgie, Unstrut-Hainich-Klinikum, Standort Bad Langensalza)
Lungentumoren (Leitung: Dr. med. A. Nemat, Klinik für
Thoraxchirurgie und Thorakale Endoskopie, HELIOS Klinikum Erfurt)
ZNS-Tumoren (Leitung: PD Dr. med. K. Hamm, Abteilung
für Stereotaktische Neurochirurgie und Radiochirurgie,
HELIOS Klinikum Erfurt)
Ziel der interdisziplinären und multiprofessionellen Projektgruppen ist es, das aktuelle leitliniengestützte Wissen
im Einzugsgebiet des TZ zu implementieren und die Anwendung dieses Wissens sowie die notwendige Abstimmung zwischen den einzelnen Versorgungsträgern zu fördern. Auf diesem Handlungsfeld bestehen im TZ Erfurt
nach wie vor Defizite.
Eine erste wichtige Aufgabe der Projektgruppe ist die
Festlegung geeigneter Parameter, die es ermöglichen, die
Umsetzung gültiger Leitlinien sowie die erreichte Qualität
der Versorgung in der Region mit Hilfe des Klinischen
Krebsregisters (anonymisiert) darzustellen.
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01/2011
4. Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen
Das Profil der vom Tumorzentrum veranstalteten Fortund Weiterbildungen wurde beibehalten. Die Veranstaltungen werden überwiegend als Symposien von ca. 3
Stunden Dauer organisiert. Die Onkologische Konferenz
als Hauptveranstaltung des Jahres fand traditionsgemäß
wieder im Haus Hainstein Eisenach statt.
Insgesamt sind 16 Fort- und Weiterbildungen allein oder
gemeinsam mit anderen Kliniken oder Instituten organisiert worden, bei denen insgesamt 1511 Teilnehmer registriert wurden:
5. Psychoonkologie
Für onkologische Patienten am HELIOS Klinikum besteht
ein psychologisches Betreuungsangebot (2,2 Vollstellen).
Im Berichtsjahr wurden insgesamt mehr als 400 Tumorpatienten begleitet. Die Betreuung wird überwiegend als
psychoonkologischer Konsiliardienst in den bestehenden
Organtumorzentren und dem Onkologischen Zentrum
angeboten und rege in Anspruch genommen.
In Zusammenarbeit mit dem Onkologischen Zentrum
wurde im Oktober 2010 ein psychoonkologisches Screeningverfahren im HELIOS Klinikum etabliert, das die Sicherheit bei der Selektierung psychisch instabiler Patienten erhöht und eine frühzeitige Kontaktaufnahme zwischen den Betroffenen und dem Psychoonkologischen
Dienst ermöglicht.
Ein wichtiger Teil der Arbeit ist die psychologische Unterstützung des Ärzte- und Pflegepersonals bei ihrem belastenden Umgang mit traumatisierten Patienten. Weiterbildungen zum Umgang mit der Angst bei Krebspatienten und Angehörigen sowie zur sozialen Wahrnehmung
sind in der Klinik für Frauenheilkunde und im Hautkrebszentrum durchgeführt worden. Darüber hinaus gab es in
der Klinik für Hautkrankheiten eine Weiterbildung zur
Compliance der Patienten im Behandlungsprozess.
In Zusammenarbeit mit dem Brustzentrum wurden 2 Veranstaltungen für Grüne Damen und Patienten zum Umgang mit emotional dichten Betreuungssituationen
durchgeführt.
6. Patientenberatung, Öffentlichkeitsarbeit,
Selbsthilfe
Die regelmäßig per Telefon und e-Mail eingehenden Anfragen von Patienten und Angehörigen werden überwiegend von den Mitarbeitern der Geschäftsstelle selbst beantwortet. Schwierige medizinischen Anfragen werden
an entsprechende Fachvertreter weitergegeben, die die
oft zeitaufwendige Beantwortung übernehmen. Dafür an
dieser Stelle unser Dank!
Im Berichtsjahr wurde eine Informationsveranstaltung für
Patienten und interessierte Bürger durchgeführt (Informationstag Darmkrebs am 20.10.10 im Festsaal des Erfurter
Rathauses als gemeinsame Veranstaltung mit dem Darmzentrum des Kath. Krankenhauses Erfurt und dem HELIOS
Darmzentrum Erfurt)
J OU RNAL
Ständiger Kontakt besteht zum Erfurter Gesundheitsamt
(Geschwulstberatungsstelle, Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen) und zur Frauenselbsthilfe
nach Krebs.
Die Internetseite des TZ wurde ständig aktualisiert. 5
Newsletter sind versandt worden.
Auch im 5. Erscheinungsjahr sind planmäßig 2 Hefte des
„Journal Tumorzentrum Erfurt“ herausgegeben worden.
7. Forschung, Serviceleistungen, Ausbildung
Die Geschäftsstelle gab Unterstützung bei der statistischen Auswertung und bei der Präsentation der Ergebnisse von verschiedenen Studien und Untersuchungen, die in
den Kliniken durchgeführt worden sind. Eine Dissertation
wurde mitbetreut.
Auf dem 29. Deutschen Krebskongress im Februar 2010
in Berlin wurde ein Vortrag gehalten und ein Poster präsentiert. Dr. Göbel nahm mit einem Vortrag am Workshop
der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie im Juli 2010
in Frankfurt/M. teil.
Im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme zum Medizinischen Dokumentationsassistenten wurde erneut Seminar
„Tumordokumentation und TNM-System“ durchgeführt.
Vier Praktikanten wurden im Klinischen Register betreut.
8. Zusammenarbeit mit anderen Tumorzentren und
Fachgesellschaften
In der Interessengemeinschaft der Thüringischen Tumorzentren spielt das Tumorzentrum Erfurt eine aktive Rolle.
Regelmäßig finden Treffen der Koordinatoren statt. Prof.
Ulshöfer war bis 09/2010 Vertreter der Interessengemeinschaft im Vorstand der Thüringischen Krebsgesellschaft
(ThKG). Prof. Hoyme ist stellv. Vorsitzender der Thüringischen Krebsgesellschaft. Als Vertreter der Thüringer Tumorzentren nimmt Dr. Göbel an den regelmäßigen Beratungen des Verwaltungsrates der am Gemeinsamen
Krebsregister beteiligten Bundesländer teil.
In der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren
(ADT) arbeitet das Tumorzentrum Erfurt ebenfalls aktiv
mit. Dr. Göbel ist Mitglied einer Arbeitsgruppe zur Mitgliederevaluation und Leistungserfassung.
Das Tumorzentrum ist Mitglied im Kooperationsverbund
klinischer Krebsregister Deutschlands, der sich eine bessere Vernetzung lokaler und regionaler Aktivitäten zum Ziel
gesetzt hat sowie gemeinsame Datenauswertungen
durchführt. An der Vorbereitung der auf dem 29. Deutschen Krebskongress vorgestellten und viel beachteten
überregionalen Datenauswertungen zu Prostatakarzinom, Mammakarzinom, kolorektalen Karzinomen und
Lungenkrebs war das Erfurter Register beteiligt
9. Mitgliederstatistik
Am 31.12.2010 hatte der Verein 303 Mitglieder (16 Mitglieder sind neu aufgenommen worden.
2 Mitglieder erklärten mit Erreichen des Ruhestandes ihren Austritt).
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■ Seit e 31 ■
■ Gemeinsames Veranstaltungsverzeichnis
von Medizinisch-wissenschaftlicher Gesellschaft Erfurt e.V.
HELIOS Klinikum Erfurt GmbH und Tumorzentrum Erfurt e.V.
15.10.2011, 9.30 bis 13.00 Uhr
TU Ilmenau, Kirchhoffbau, Hörsaal 1
Informationstag Harnblasentumoren
Klinik für Urologie Ilmenau, Ilm-Kreis-Kliniken Arnstadt-Ilmenau, und
Tumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit der Selbsthilfegruppe Harnblasentumoren Thüringen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir möchten Ihre gezielten und konzentrierten Fortbildungsaktivitäten
mit einem gemeinsamen Veranstaltungsverzeichnis unterstützen und Ihnen ein breites Spektrum zertifizierter und hoffentlich für Sie interessanter Fort- und Weiterbildungen anbieten.
Die nachstehende Kurzfassung kann weder vollständig sein, noch umfassend informieren. Sie soll als Orientierungshilfe dienen und Sie animieren, alle weiteren Informationen und die laufenden Aktualisierungen
auf der Internetseite www.mwg-erfurt.de nachzulesen und / oder direkt bei den Organisatoren zu erfragen.
Über eine zahlreiche Teilnahme an den Veranstaltungen, rege Diskussionen sowie die Vertiefung und Ausweitung persönlicher Kontakte freuen
wir uns besonders.
Prof. Dr. med.
R. Erkwoh
Vorsitzender
MWG e.V.
Prof. Dr. med.
A. Stier
Vorsitzender
Tumorzentrum Erfurt e.V.
Prof. Dr. med.
D. Eßer
Ärztlicher Direktor
HELIOS Klinikum Erfurt
November 2011
04.-05.11.2011
Haus Hainstein Eisenach
24. Onkologische Konferenz
Tagungsschwerpunkte:
· Supportive Therapie
· Neues aus der Krebsforschung
· Dermatoonkologie
· Der interessante Fall
· Diagnostische und therapeutische Standards häufigen
Tumoren (Ösophaguskarzinom)
Tumorzentrum Erfurt e.V. in Kooperation mit dem Onkologischen
Zentrum, HELIOS Klinikum Erfurt, und der Medizinisch-Wissenschaftlichen Gesellschaft Erfurt e.V.
8.11.2011, 16.00 bis 18.00 Uhr
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
Klinische Krebsregister und Nationaler Krebsplan – Status quo
und künftiges Potential
Tumorzentrum Erfurt e.V.
September 2011
14.09.2011, 17.00 bis 20.00 Uhr
Restaurant Zumnorde, Erfurt
4. Erfurter Dialog Gynäkologie – Allgemeinmedizin
Gynäkologische Gemeinschaftspraxis Dres. med. Apel/Kolpin, Erfurt,
in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.
14.09.2011, 17.00 Uhr
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
165. Unfallchirurgisch-Orthopädisches Kolloquium
Thema: Rekonstruktion chronischer Achillessehnendefekte
HELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Orthopädie und Klinik für Unfall-,
Hand- und Wiederherstellungschirurgie
16. – 17.09.2011
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
23. Kurs Audiometrie
HELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohren-Heilkunde,
Plastische Operationen
09.11.2011, 17.00 Uhr
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
166. Unfallchirurgisch-Orthopädisches Kolloquium
Thema: Diabetischer Fuß
HELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Orthopädie und Klinik für Unfall-,
Hand- und Wiederherstellungschirurgie
09.11.2011, 16.00 bis 18.00 Uhr
Rathausfestsaal Erfurt
2. Erfurter Aktionstag Darmkrebs
Tumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit den Darmzentren
am Kath. Krankenhaus Erfurt und dem HELIOS Klinikum Erfurt
12.11.2011, 10.00 bis 13.00 Uhr
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
45. Erfurter Ophthalmologengespräch
HELIOS Klinikum Erfurt, Klinik für Augenheilkunde
28.09.2011, 17.00 bis 20.00 Uhr
Augustinerkloster Erfurt
Symposium „Ausgewählte onkologische Aspekte in der
Frauenheilkunde“
Tumorzentrum Erfurt e.V. in Zusammenarbeit mit der Klinik für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe, HELIOS Klinikum Erfurt
30.11.2011,17.00 bis 20.00 Uhr
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
Aktuelles in der HNO-Onkologie
HELIOS Klinikum Erfurt, HELIOS Kopf-Hals-Tumorzentrum Erfurt in
Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.
Oktober 2011
Dezember 2011
08.10.2011, 9.00 bis 18.00 Uhr
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
3. Erfurter Dermatologische Herbsttagung
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Hautumorzentrum Erfurt, HELIOS Klinikum Erfurt, in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum Erfurt e.V.
1.12.2011, 19.00 bis 20.30 Uhr
HELIOS Klinikum Erfurt, Auditorium
38. Erfurter Fortbildung Hämatologie und Onkologie für Krankenschwestern und -pfleger
Thema: Kolorektales Karzinom
Tumorzentrum Erfurt e.V.
■ Seite 32 ■
JOU RNAL
01/2005
01/2011
KONTAKTADRESSEN:
Medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaft Erfurt e.V.
Sekretär Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Hamm
Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-67 18
Telefax: 03 61 / 7 81-67 19
e-Mail: [email protected]
www.mwg-erfurt.de
HELIOS Klinikum Erfurt
Pressesprecherin Sylvia Kreyßel-Minar
Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-10 36
Telefax: 03 61 / 7 81-10 32
e-Mail: [email protected]
www.helios-kliniken/erfurt
Tumorzentrum Erfurt e.V.
Geschäftsführer Dr. Hubert Göbel
Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-48 06
Telefax: 03 61 / 7 81-48 03
e-Mail: [email protected]
www.tumorzentrum-erfurt.de
■ ANGEBOTE DES
TUMORZENTRUM ERFURT e.V.
KONSILARDIENSTE
• Interdisziplinäres onkologisches Konsil
Jeden Mittwoch, 7.30 Uhr, Demo-Raum C 1.400 im
Hauptgebäude 1. OG, HELIOS Klinikum Erfurt, Nordhäuser Straße 74
Anmeldungen über Telefon 03 61 / 7 81-48 02
Leitung: Prof. Dr. Herold / Prof. Dr. Scharf
Jeder Arzt kann seine onkologischen Fälle persönlich einem Gremium von Experten aller Fachdisziplinen vorstellen. Am Ende der (kostenfreien) Beratung erhält er eine
konkrete Therapieempfehlung. Zu jeder Fallbesprechung
wird ein Protokoll angefertigt, das dem vorstellenden Arzt
und eventuellen mitbehandelnden Ärzten zugeht.
• Telefonischer Konsilardienst
Unkompliziertes Vermitteln von Kontakten zu den
speziellen onkologischen Ansprechpartnern aller Fachgebiete
f www.tumorzentrum.de
J OU RNAL
ONKOLOGISCHE LEITLINIEN
Hilfestellung bei der Umsetzung der aktuellen Diagnose-, Therapie- und Nachsorgeleitlinien der Deutschen
Krebsgesellschaft und der medizinischen Fachgesellschaften.
In Ergänzung und zur praktischen Durchführung werden
diese bei Bedarf für die speziellen regionalen Bedingungen adaptiert.
KONTAKTE ZU SELBSTHILFEGRUPPEN UND
HOSPIZDIENSTEN IN DER REGION
PSYCHOLOGISCHE BETREUUNG
Betreuungsangebote für stationäre Tumorpatienten des
HELIOS Klinikum Erfurt sowie für Ärzte und Pflegepersonal.
FORT- UND WEITERBILDUNG
• Ärzte
• Krankenschwestern und -pfleger
• Sozialdienste
DOKUMENTATION
• Klinische Tumordokumentation
In Erfüllung des Qualitätssicherungsauftrages des Sozialgesetzbuches (SGB V) wird für jeden Patienten der gesamte Krankheitsverlauf nach anerkannten Regeln (Tumorbasisdokumentation) dokumentiert. Die Unterlagen stehen
dem Patienten und ihren behandelnden Ärzten zur Verfügung. Im Einzelfall (bei Umzug, Arztwechsel, Verlust von
Originalunterlagen) sind sie für den Arzt eine unschätzbare Hilfe.
• Gemeinsames Krebsregister der neuen
Bundesländer
Epidemiologisch relevante Daten werden entsprechend
geltender Gesetze an das Gemeinsame Krebsregister der
neuen Bundesländer weitergegeben.
Mehr als 95 % der Meldungen des Einzugsgebietes kommen vom Tumorzentrum. Diese Daten werden regelmäßig mit den amtlichen Sterbedaten abgeglichen und stehen dem meldenden Einrichtungen zur Verfügung.
SERVICE
• Unterstützung der Nachbetreuung,
Erinnerungsfunktion
Auf persönlichen Wunsch werden Patienten (und ihre betreuenden Ärzte) an vereinbarte bzw. vergessene Nachsorgetermine erinnert.
• Statistiken für Krankenhäuser und Praxen
Erstellung von Übersichten, Leistungsstatistiken und
Überlebenszeitanalysen für die von der jeweiligen Einrichtung betreuten Patienten.
• Informationen
Kostenlose Bereitstellung von Tumor-Nachsorgepässen
und Informationsmaterialien für Patienten, Ärzte, Pflegepersonal und Sozialdienste
01/2011
■ Seit e 33 ■
■ HIER ERREICHEN SIE UNS
HELIOS Klinikum Erfurt GmbH
Haus 8, Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt
Telefon:
Telefax:
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Homepage:
Geschäftsführer:
03 61 / 7 81-48 02
03 61 / 7 81-48 03
[email protected]
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Dr. rer. nat. Hubert Göbel
■ WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT
Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl (Vorsitzender)
Chefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-27 50
Adjunct Professor Dr. med. Rainer Bonnet M.D.
Dpt. of Medicine, Loma Linda Univ., California
Chefarzt, Klinik für Pneumologie, Zentralklinik Bad Berka
Telefon: 03 64 58 / 5 15 00
Dr. med. Karl-Matthias Deppermann
Chefarzt, 1. Medizinische Klinik, Thoraxzentrum,
HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-25 80
Michael Domrös
Leiter der Landesvertretung Thüringen
Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)
Lucas-Cranach-Platz 2, 99099 Erfurt
Telefon: 03 61 / 4 42 52 11
Dr. med. Alexander Fichte
Urologe, Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 Erfurt
Telefon: 03 61 / 6 43 73 03
Dr. med. Michael Glatzel
Chefarzt, Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-24 00
Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Hamm
Leiter der Abteilung Stereotaktische Neurochirurgie und
Radiochirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-67 18
Prof. Dr. med. Udo B. Hoyme
Direktor, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,
HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-40 00
Markus Klaus
Leiter des Fachbereichs Verhandlungsstrategie KH/Reha,
AOK PLUS – Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen, Samuel-Beck-Weg 4, 99097 Erfurt
Telefon: 03 61 / 65 32 38 12 41
■ Seite 34 ■
JOU RNAL
Dipl.-Med. Susanne Köhler
Oberärztin, 1. Medizinische Klinik, Hämatologie und
internistische Onkologie, HELIOS Kreiskrankenhaus
Gotha-Ohrdruf
Telefon: 0 36 21 / 2 20-1 30
Prof. Dr. med. Steffen Rosahl
Chefarzt, Klinik für Neurochirurgie, HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-22 60
Prof. Dr. med. Axel Sauerbrey
Chefarzt, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,
HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-45 00
Priv.-Doz. Dr. med. Lutz-Dieter Schreiber
Chefarzt, Chirurgische Abteilung, Hufeland Klinikum,
Standort Bad Langensalza
Telefon: 0 36 03 / 8 55-0
Prof. Dr. med. Thomas Steiner
Chefarzt, Klinik für Urologie,
HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-22 00
■ VORSTAND
Prof. Dr. med. Albrecht Stier (Vorsitzender)
Chefarzt, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie,
HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-23 30
Prof. Dr. med. Michael Herold (Stellv. Vorsitzender)
Chefarzt, 4. Medizinische Klinik, HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-25 66
Prof. Dr. med. Dirk Eßer
Chefarzt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,
HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-21 00
Prof. Dr. med. Rudolf A. Herbst
Chefarzt, Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie,
HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-43 00
Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl
Chefarzt, Institut für Pathologie, HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-27 50
Dr. med. Jörg Pertschy
Chefarzt, Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie,
Katholisches Krankenhaus St. Nepomuk Erfurt
Telefon: 03 61 / 6 54-12 00
Dr. med. Jörg Weniger
Hämatologe und internistischer Onkologe,
Geschwister-Scholl-Straße 6, 99085 Erfurt
Telefon: 03 61 / 5 66 78 19
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01/2011
VON EISEN BEFREIEN –
PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN
Längeres Überleben durch
Eisenchelation 1
Verbesserung der Hämatopoese 2
Belegte Langzeitverträglichkeit 3
IMPRESSUM
ISSN 1868-291X (Print-Ausgabe)
ISSN 1868-2928 (Internet)
■ Herausgeber:
Tumorzentrum Erfurt e.V.
■ Redaktion:
Prof. Dr. med. Hartwig Kosmehl · Dr. rer. nat. Hubert Göbel
■ Redaktionsbüro und Versand:
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Nordhäuser Straße 74 · 99089 Erfurt
Telefon: 03 61 / 7 81-48 02 · Telefax: 03 61 / 7 81-48 03
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■ Layout, Satz und Druck:
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■ Hinweis:
Das Tumorzentrum Erfurt erstellt die Artikel nach bestem
Wissen und Gewissen. Die Verantwortung für den Inhalt der
medizinischen und wissenschaftlichen Beiträge obliegt den
Autoren. Sie stellen keine Handlungsempfehlungen für den
individuellen Fall dar.
1 Rose et al., Leuk Res 2010; Vol. 34(7): 864-870
2 Gattermann et al., Blood 2010; Vol. 116(21): 2912
3 Vichinsky et al., Br J Haematol 2011; Vol. 154(3): 387–397
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Magnesiumstearat. Anwendungsgebiete: Behandlung der chronischen Eisenüberladung auf Grund häufiger Transfusionen (≥ 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat) bei
Patienten mit Beta-Thalassämia major im Alter von 6 Jahren und älter. Behandlung der
chronischen, transfusionsbedingten Eisenüberladung, wenn eine Deferoxamin-Therapie
bei folgenden Patientengruppen kontraindiziert oder unangemessen ist: Pat. mit anderen Anämien, Pat. im Alter zwischen 2 und 5 Jahren, Pat. mit Beta-Thalassämia
major mit Eisenüberladung auf Grund seltener Transfusionen (< 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder
einen der sonstigen Bestandteile. Kombination mit anderen Eisenchelattherapien. Pat.
mit einer Kreatininclearance < 60 ml/min. Pat. mit schweren Leberfkt.störungen (nicht
untersucht). Bei Pat. mit geringer Lebenserwartung (z. B. MDS der Hochrisikogruppe)
Anwendung nicht empfohlen. Schwangerschaft/Stillzeit: Anwendung nicht empfohlen.
Nebenwirkungen: Sehr häufig: Erhöhtes Serumkreatinin. Häufig: Kopfschmerzen,
Diarrhö, Obstipation, Erbrechen, Übelkeit, Bauchschm., Blähungen, Dyspepsie, erhöhte Transaminasen, Hautausschlag, Juckreiz, Proteinurie. Gelegentlich: Angstzustände, Schlafstör., Schwindel, früher Katarakt, Makulopathie, Hörverlust, pharyngolaryngeale Schmerzen, gastrointest. Blutungen, Magenulkus, Zwölffingerdarmgeschwür, Gastritis, Hepatitis, Cholelithiasis, Pigmentierungsstörung, renale Tubulopathie (erworb. Fanconi-Syndrom), Glukosurie, Fieber, Ödeme, Müdigkeit. Selten: Ösophagitis. Nicht bekannt: Panzytopenie, Thrombozytopenie, akutes Nierenversagen,
leukozytoklastische Vaskulitis, Urtikaria, Erythema multiforme, Alopezie, Überempfindlichkeitsreaktionen (einschl. Anaphylaxie und Angioödem), Leberversagen. Warnhinweis: Enthält Lactose. Weitere Angaben: Siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Stand: Juli 2011
(MS 12/10.7). Novartis Pharma GmbH,
90327 Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0,
Fax: (09 11) 273-12 653. www.novartis.de
Wirksamkeit
bestimmt den Kurs
✓ Signifikant längeres Gesamtüberleben bei
Hochrisikopatienten mit mRCC1
✓ Signifikant längeres progressionsfreies Überleben beim rez./ref. MCL2
TORISEL 30 mg. Konzentrat und Verdünnungsmittel zur Herstellung einer Infusionslösung. Wirkstoff: Temsirolimus. Zusammensetzung:
1 Durchstechflasche TORISEL Konzentrat enth. 30 mg Temsirolimus, gelöst in einem Gesamtvol. von 1,2 ml. Nach Verdünnung v. TORISEL 30 mg
Konzentrat mit 1,8 ml des aufgezogenen Verdünnungsmittels beträgt die Konzentration v. Temsirolimus 10 mg/ml. Sonst. Bestandteile: Konzentrat:
Ethanol, All-rac-α-Tocopherol (E 307), Propylenglycol, Citronensäure (E 330). Verdünnungsmittel: Polysorbat 80 (E 433), Macrogol 400, Ethanol.
Jede Durchstechfl. des Konzentrates enth. 474 mg Ethanol, jede Durchstechfl. des Verdünnungsmittels enth. 358 mg Ethanol. Anwendungsgebiete:
First-line-Behandl. des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms [renal cell cancer, RCC] bei Pat., die mind. 3 von 6 prognostischen Risikofaktoren
aufweisen, sowie Behandl. von erw. Pat. mit rezidivierendem u./od. refraktärem Mantelzell-Lymphom [mantle cell lymphoma, MCL]. Gegenanzeigen:
Überempfindlichkeit gegen Temsirolimus, seine Metabolite (einschl. Sirolimus), Polysorbat 80 od. einen der sonst. Bestandteile von TORISEL; Anw.
bei Pat. m. MCL m. mäßigen od. schweren Leberfunktionsstör. nicht empf. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Bei Startdosis v. wöchentl.
175 mg zur MCL-Ther. Pat. engmaschig überwachen, ggf. Dosisredukt. od. -verschiebung; Anw. bei pädiatr. Pat. nicht empf.; bei älteren Pat. kann
es wahrscheinlicher sein, dass bestimmte Nebenwirk. auftreten; Vorsicht bei Leberfunktionsstör., bei Pat. m. RCC u. schw. Leberfunktionsstör.
Dosisanpass. gem. Fachinfo; Pat. m. ZNS-Tumoren u./od. unter gerinnungshemmender Ther. können unter Ther. m. Temsirolimus ein erhöhtes
Risiko f. intrazerebrale Blutung (auch letal) haben. Überempfindlichkeits-/Infusionsreakt. (u. a. Hautrötung, Schmerzen im Brustkorb, Atemnot,
Hypotonie, Atemstillstand, Bewusstlosigkeit, Überempfindlichkeit u. Anaphylaxie) wurden beobachtet (sehr früh währ. der 1. Infusion od. auch bei
nachfolgenden Infusionen). Pat. entspr. überwachen. Bei schweren Infusionsreakt. Infusion abbrechen, geeignete medizin. Versorgung einleiten u.
Nutzen-Risiko-Abwägung vor Ther.-fortführung. Pat. vor Start der i. v. Temsirolimus-Infusion ein H1-Antihistaminikum verabreichen; daher
Temsirolimus bei Pat. mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Antihistaminen od. bei Pat., die aus anderen medizin. Gründen kein
Antihistaminikum erhalten dürfen, vorsichtig anwenden. Pat. darauf hinweisen, dass ein Anstieg der Blutglukosespiegel auftreten kann.
Immunsuppression kann auftreten; Pat. sorgfältig auf Auftreten v. Infektionen, einschl. opportunistischer Infektionen, hin überwachen. Unspez.
interstitielle Pneumonitis, einschl. fataler Verläufe, trat bei Pat. auf, die wöchentl. TORISEL i. v. erhielten (z. T. asymptomatisch); daher wird
radiologische Basisuntersuchung u. engmaschige Beobachtung auf klin. Symptome des Atemtrakts empf., ggf. Unterbrechung der Behandl.
Erhöhungen der Serumtriglyzeride u. des Cholesterins traten auf; Serumcholesterin u. Triglyzeride vor u. während der Ther. untersuchen. Wegen
mögl. Wundheilungsstör. TORISEL im perioperativen Zeitraum m. Vorsicht anw.; gleichzeitige Anw. m. Sunitinib führte zu dosislimitierender Tox.;
während der Behandl. kann eine Impfung weniger wirksam sein. Anw. v. Lebendimpfstoffen vermeiden. Enth. 35 Vol-% Ethanol. Keine Anw. in
Schwangerschaft u. Stillzeit. Frauen im gebärfähigen Alter zur Anwendung zuverlässiger Kontrazeption anweisen Männer müssen während der
Behandl. eine medizinisch anerkannte Verhütungsmethode anw. Nebenwirkungen: Die schwersten sind: Überempfindlichkeits-/Infusionsreakt.
(einschl. einiger lebensbedrohl. u. seltenen tödl. verlaufenden Fällen), Hyperglykämie/Glukoseintoleranz, Infektionen, interstitielle Lungenerkrank.
(Pneumonitis), Hyperlipidämie, intrazerebrale Blutung, Nierenversagen, Darmperforation u. Wundheilungsstör. Bei Komb. v. Temsirolimus m.
Interferon-α wurden Katarakte beobachtet. Nebenwirkungen aus klin. Studien: Infekt. u. parasitäre Erkrank.: Bakt. u. virale Infekt. (einschl.
Gewebeentzünd., Herpes zoster, Herpes simplex, Bronchitis, Sinusitis, Abszess), Harn-wegsinfekt. (einschl. Miktionsbeschwerden, Hämaturie,
Zystitis, Miktions-frequenz, Harndrang), Pharyngitis, Rhinitis, Pneumonie (einschl. interstit. Pneumonie), Infekt. d. oberen Atemwege, Follikulitis,
Sepsis (einschl. sept. Schock). Erkrank. d. Blutes u. des Lymphsystems: Thrombozytopenie, Anämie, Neutropenie, Leukopenie, Lymphopenie.
Erkrank. d. Immunsystems: Allerg./Überempfindlichkeitsreakt. Stoffwechsel- u. Ernährungsstör.: Hypokaliämie, Anorexie, Hyperglykämie/Diabetes
mellitus, Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie, Hypophosphatämie, Dehydratation, Hyperkalzämie. Psychiatr. Erkrank.: Schlaflosigkeit,
Angstzustände, Depression. Erkrank. d. Nervensystems: Dysgeusie, Schläfrigkeit, Parästhesie, Schwindel, Ageusie, intrazerebrale Blutung.
Augenerkrank.: Konjunktivitis (einschl. Stör. d. Tränenbild.), Hämorrhagie d. Auges. Herzerkrank.: Perikarderguss (einschl. hämodynam. signifik.
Perikardergüsse, die einen Eingriff erfordern). Gefäßerkrank.: venöse Thromboembolie (einschl. Thrombose d. tiefen Venen, Lungenembolie (auch
letal), Thrombose), Hypertonie, Thrombophlebitis. Erkrank. v. Atemwegen, Brustraum u. Mediastinum: Atemnot, Nasenbluten, Husten,
Lungenentzünd. (auch letal), Pleuraerguss. Erkrank. d. Gastrointestinaltraktes: Bauchschmerzen, Erbrechen, Stomatitis, Durchfall, Übelkeit,
Trommelbauch, Schmerzen im Mund, Gingivitis, aphthöse Stomatitis, Darmperforation, Ulzeration d. Mundes, Glossitis, gastrointestin. od. rektale
Blutung, Gastritis, Schluckstör. Erkrank. d. Haut u. d. Unterhautzellgewebes: Ausschlag (einschl. juckender, makulopapulöser od. pustulöser
Ausschlag, Ekzem), Hautjucken, Akne, Veränd. d. Nägel, trockene Haut, exfoliative Dermatitis, Candidose (einschl. Candidose d. Mundes), Dermatitis
durch Pilzbefall, Ekchymose. Skelettmuskulatur-, Bindegewebs- u. Knochenerkrank.: Rückenschmerzen, Arthralgie, Myalgie (einschl. Beinkrämpfe,
Muskelkrämpfe). Erkrank. d. Nieren u. Harnwege: Nierenversagen (auch letal). Allg. Erkrank. u. Beschwerden am Verabreichungsort: Ödem (einschl.
Gesichtsödem, peripheres Ödem, Ödem des Skrotums, genitales Ödem, generalisiertes Ödem), angioneurotisches Ödem bei gleichz. Gabe v. ACEHemmern. Asthenie, Schmerzen, Fieber, Mukositis, Schmerzen im Brustkorb, Schüttelfrost, gestörte Wundheilung. Untersuchungen: Blutkreatininkonz.
erhöht, Aspartataminotransferase erhöht, Alaninaminotransferase erhöht. Berichte nach Markteinführung: Stevens-Johnson-Syndrom; Rhabdomyolyse.
Pädiatr. Population: Hämatolog. Nebenwirk. (Anämie, Leuko-, Neutro- u. Thrombozytopenie), metabol. NW (Hypercholesterol-,
Hyperlipid-, Hyperglykämie, erhöhte Plasmaspiegel v. AST und ALT) u. den Verdauungstrakt betreffende NW (Mukositis, Stomatitis,
Nausea u. Erbrechen). Weitere Informationen siehe Fach- u. Gebrauchsinformation. Abgabestatus: Verschreibungspflichtig.
Pharmazeutischer Unternehmer: Wyeth Europa Ltd., Huntercombe Lane South, Taplow, Maidenhead, Berkshire, SL6 0PH,
Vereinigtes Königreich. Örtlicher Vertreter Deutschland: PFIZER PHARMA GmbH, 10785 Berlin. Stand: Januar 2011.
www.pfizer.de
b-1v2ts-kn-30
1. Hudes G et al. N Engl J Med. 2007 May 31;356(22):2271–81
2. Im Vergleich zur Monochemotherapie; Hess G. et al. J Clin Oncol. 2009 Aug 10;27(23):3822–9
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