Inhalt/Editorial Inhalt Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke des Klinikums Bogenhausen 4 12 Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken 18 Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie 26 Risiken in der Software­entwicklung von Zytostatikaund Warenwirtschaftssystemen 30 Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms 32 Jahrestagung der DGHO 2012 in Stuttgart 36 Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte 40 X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls 46 Vorstellung der German Pediatric Oncology Nurses Group (GPONG) 52 Ständige Rubriken Testiertes interaktives Selbststudium 10 Kommentar des Herausgebers 24 Impressum 25 Buchbesprechungen (Seiten 35, 58) 35 Who is who 57 Die besten Websites 59 EDITORIAL 15. Jahrgang · Nr. 1/2013 Eine systematische HautkrebsFrüherkennung ermöglicht es, Hauttumore früh zu erkennen und damit in höherer Anzahl als gut zu behandelnde Tumorstadien zu entdecken. Aus der vorliegenden Datenauswertung des Pilotprojektes SCREEN 1 in SchleswigHolstein aus den Jahren 2003 bis 2004 geht hervor, dass unter Screening-Bedingungen deutlich weniger Menschen an einem malignen Melanom versterben. Bundesweit wurde das gesetzliche Hautkrebs-Screening 2008 eingeführt. Die klinischen Krebsregister sind auf den Weg gebracht und werden dazu beitragen, dass sich die Qualität der individuellen Krebstherapie und der Krebsbehandlung in einer Region mit Hilfe der erhobenen Daten verbessern wird. Andererseits gilt als schön, wer braun ist. Bei Reisen in sonnige Länder setzt man sich heute viel intensiver als noch vor wenigen Jahrzehnten der Sonne aus. Der Besuch von Solarien wird nicht als vermeidbares Risiko erkannt, obwohl sich das Melanom-Erkrankungsrisiko bei regelmäßiger Solarien-Nutzung bis zu einem Alter von 35 Jahren verdoppelt. Aber besonders diese Patientengruppe – jung, sportlich und auch dynamisch – hat damit ein erhöhtes Risiko an Hautkrebs zu erkranken! Zwischenzeitlich ist die Front der Aufklärung zu den Ursachen von Hautkrebs breit aufgestellt. Führend dabei die Deutsche Krebshilfe, die Arbeitsgemeinschaft für dermatologische Onkologie und die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention. Professor Eckhard W. Breitbart wurde in diesem Zusammenhang im Frühjahr das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland für sein kontinuierliches fachliches und ehrenamtliches Engagement verliehen. Auch Apotheker können und müssen hier einen aktiven Beitrag leisten. Deshalb hat die Redaktion der „Onkologischen Pharmazie“ für Sie, liebe Leser, aktuelle Beiträge im vorliegenden Heft zur Thematik „Hautkrebs“ zusammengestellt: Neue Therapieoptionen beim Basalzellkarzinom, neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms, chirurgische Aspekte von Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion u.a. Und sicher werden Sie für Ihre Arbeit vor Ort die Beiträge zur Reinraum-Qualifizierung und zu den dynamischen Störfaktoren beim Betrieb von Sicherheitswerkbänken nutzen können. Bei der Lektüre des ersten Heftes des 15. Jahrgangs wünsche ich Ihnen viel Freude. Ihre Karla Domagk SCREEN: Skin Cancer Research to provide Evidence for Effectiveness of Screening in Northern Germany 1 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 3 Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor Von Wiebke Suttorp1, Elisabeth Livingstone1, Andrea Hübner2, Lisa Zimmer1, Uwe Hillen1, Dirk Schadendorf1 Zusammenfassung Das Basalzellkarzinom (auch Basaliom genannt) ist der am häufigsten beim Menschen auftretende Tumor. Es wird als semimaligne bezeichnet, da es lokal-destruierend wächst, allerdings nur sehr selten metastasiert. Ätiopathogentisch spielen unter anderem die kumulative UV-Belastung der Haut, ein heller Hauttyp sowie verschiedene genetische Ursachen eine Rolle. Die Hauptprädilektionsstelle ist das Gesicht. Klinisch wird das Basalzellkarzinom in verschiedene Subtypen unterteilt, von denen das noduläre Basalzellkarzinom der häufigste ist. Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt, zur Diagnosesicherung ist jedoch die histologische Untersuchung notwendig. Therapeutisch stellt die operative Entfernung mit histologischer Schnittrandkontrolle den Goldstandard dar. Zur Behandlung insbesondere von dünnen Basalzellkarzinomen können alternativ topische Externa wie Aldara®, Efudix®, sowie die Kryotherapie, Laser, andere chirurgische Verfahren und die photodynamsiche Therapie eingesetzt werden. Mit den oralen Inhibitoren des sogenannten Sonic-Hedgehog-Signaltransduktionswegs stehen nun auch erstmalig Therapieoptionen zur Behandlung von lokal-fortgeschrittenen oder metastasierten Basalzellkarzinomen zur Verfügung. beträgt in Deutschland ca. 100/100.000 Einwohner/Jahr und ist seit mehreren Jahrzehnten steigend mit einer durchschnittlichen Zunahme von 3-8% pro Jahr [27]. Somit werden durch das Basalzellkarzinom zunehmend gesundheitsökonomische Kosten verursacht. Die Inzidenz steigt zudem mit dem Lebensalter, wobei das Durchschnittsalter bei 60 Jahren liegt [10]. Treten Basalzellkarzinome bereits in der 2.-3. Lebensdekade auf, kann dies ein Hinweis für das Vorliegen einer erblichen Erkrankung wie dem Gorlin-GoltzSyndrom sein [27]. Aber auch bei Patienten, die regelmäßig und schon frühzeitig ins So- Definition Das Basalzellkarzinom (BCC), erstmals beschrieben von Krompecher 1900 [14], ist ein semimaligner Hauttumor, der ausgehend von den im Wulst des Haarfollikels gelegenen epidermalen Stammzellen beziehungsweise undifferenzierten Zellen der äußeren Haarwurzelscheide wächst und somit bis auf seltene Ausnahmen nur in Haarfollikel-tragenden Körperregionen auftritt [23]. Der Tumor weist eine ausgeprägte Fähigkeit zur lokalen Invasion und Destruktion auf, wächst jedoch eher langsam und setzt nur selten Metastasen (0,003-0,1%) [6, 35]. Epidemiologie Basalzellkarzinome sind die häufigsten Tumoren des Menschen und kommen weltweit vor [15]. Personen mit hellem Hauttyp (Hauttyp I oder II) sind bevorzugt betroffen, Männer erkranken etwas häufiger als Frauen [16]. Prädilektionsstellen sind chronisch lichtexponierte Areale wie die Gesichtshaut, Kopf, Hals und das Dekolleté. Die Inzidenz 1 Hauttumorzentrum, Klinik für Dermatologie, Universitätsklinik Duisburg-Essen, Essen Hedgehog‐Aktivierung primäres Zilium Hh Endosom Vismodegib PTCH 1 smoothend Gli Nucleus PTCH, Gli1, Gli2 Abb. 1: In Abwesenheit des Hedgehog-Moleküls wird das Smoothend-Protein durch PTCH1 inhibiert. Kommt es zur Bindung des Hedgehog-Moleküls an den PTCH1-Rezeptor wird die Inhibition von Smoothend aufgehoben, sodass es durch die Aktivierung einer Kaskade, die die Gli-Transkriptionsfaktoren beinhaltet, zu einer vermehrten Expression von Genen kommt, die Zellwachstum und Proliferation fördern. Inaktivierende Mutationen des PTCH1-Gens führen zu einer unkontrollierten Aktivität von Smoothend und somit zu einer permanenten Hochregulation des HedgehogSignalwegs. Inhibitoren des Smoothend-Proteins, wie z.B. Vismodegib, stellen eine neue therapeutische Alternative dar [modifiziert nach Caro I, Low JA. Clin Cancer Res. 2010 Jul 1;16(13):3335-9]. 2 sk-Apotheken, Duckwitzstr. 55, 28199 Bremen 4 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor larium gehen oder immunsupprimiert sind, kommen Basalzellkarzinome in früheren Lebensdekaden vor. Ätiologie/Genetik Für die Entstehung von Basalzellkarzinomen sind verschiedene Ursachen von Bedeutung. Die wichtigsten Faktoren sind eine genetische Disposition mit einer geringen Pigmentierung der Haut sowie die kumulative UV-Belastung. Eine systemische Immunsuppression, Exposition mit ionisierenden Strahlen, Kontakt zu Arsen, aber auch eine chronische Hautschädigung zum Beispiel im Rahmen von Wundheilungsstörungen stellen weitere Risikofaktoren für die Entstehung von Basalzellkarzinomen dar [10]. In selteneren Fällen können Basalzellkarzinome auch im Rahmen von genetisch bedingten Syndromen wie dem Gorlin-Goltz-Syndrom (nävoides Basalzellkarzinom-Syndrom), bei Xeroderma pigmentosum („Mondscheinkrankheit“) oder Albinismus entstehen [36]. Das Gorlin-Goltz-Syndrom ist ein seltenes, autosomal-dominant erbliches Syndrom bei dem eine Keimbahnmutation im PTCH1Tumorsuppressorgen vorliegt [8]. PTCH1 kodiert für ein zellmembranständiges Rezeptorprotein, das normalerweise hemmend auf den sogenannten Hedgehog-Signalweg wirkt. Der Hedgehog-Signalweg ist unter anderem wichtig für die korrekte Entwicklung des Zentralnervensystems, des Skeletts und der Haut und spielt nicht nur beim Gorlin-Goltz-Syndrom, sondern auch bei sporadisch auftretenden Basalzellkarzinomen eine wichtige Rolle. Die Aktivierung des Signalweges erfolgt normalerweise über die Bindung des Sonic Hedgehog-Moleküls, welches die inhibierende Wirkung von PTCH1 auf das aktivierende Smoothend-Protein aufhebt. Insgesamt kommt es durch die Aktivierung der Kaskade zu einer vermehrten Expression von Genen, die Zellwachstum und Proliferation fördern (Abb. 1) [18]. Inaktivierende Mutationen des PTCH1Gens, wie sie beim Gorlin-Goltz-Syndrom vorkommen, führen zu einer unkontrollierten Aktivität von Smoothend, wodurch es zu einer permanenten Hochregulation des Hedgehog-Signalwegs kommt. Auch bei ca. 30% bis 75% der sporadisch auftretenden Basalzellkarzinome liegen somatische Mutation des PTCH1-Gens vor [5]. Seltener findet man aktivierende Mutationen im Smoothend-Gen (10%) [37]. Klinik Basalzellkarzinome entstehen in der Regel auf klinisch unauffälliger Haut ohne Vorstufen. Bei etwa 80% der Patienten bilden sie sich im Gesicht, die Nase ist mit 30% am häufigsten betroffen. Der Rumpf, das untere Gesichtsdrittel und die Kopfhaut folgen in absteigender Häufigkeit. Im Gegensatz zu Plattenepithelkarzinomen besteht für Basalzellkarzinome eine weniger stark ausgeprägte Korrelation zwischen der kumulativen UV-Exposition und der Frequenz des Auftretens, sodass Basalzellkarzinome häufiger als Plattenepithelkarzinome auch an kaum UV-belasteten Körperstellen vorkommen [28]. Basalzellkarzinome zeichnen sich durch eine große klinische Variationsbreite aus. Der häufigste Subtyp, das noduläre (Syn.: solide) Basalzellkarzinom zeigt sich meist als gelblich-rötliche Papel von perlmuttartigem Glanz mit einem perlschnurartigen Randsaum und typischen, vom Rand ins Tumorzentrum ziehenden, erweiterten Blutgefäßen (Abb.2). Daneben existieren andere Varianten wie das Rumpfhautbasalzellkarzinom (Syn.: superfizielles Basalzellkarzinom, oberflächlich-multizentrisches Basalzellkarzinom), das sich in Form einer rötlichen Plaque manifestiert (Abb. 3) und somit leicht mit chronisch-entzündlichen Dermatosen verwechselt werden kann. Sklerodermiforme Basalzellkarzinome erinnern häufig an eine Narbe. Auch pigmentierte Basalzellkarzinome kommen vor (Abb. 4) – hier ist die differentialdiagnostische Abgrenzung unter anderem zu einem malignen Melanom wichtig. Bei einem Fortschreiten des Tumorwachstums treten häufig Blutungen mit Krustenbildung auf. Basalzellkarzinome entwickeln sich über Monate bis Jahre, bei langen Ver- läufen entstehen großflächige offene Tumore (Ulcus rodens), auch ein Einwachsen in darunter liegende Strukturen wie Knorpel, Muskel und Knochen ist möglich (Ulcus terebrans). Wenn durch das invasiv-destruierende Wachstum zum Beispiel das Gehirn oder große Blutgefäße erreicht werden, kann das Basalzellkarzinom einen letalen Verlauf nehmen [27, 10]. Trotz exzessiver lokaler Tumorinvasion kommt es nur selten zu einer Metastasierung (< 1:1000) [29]. Die Metastasierung erfolgt in ca. der Hälfte der Fälle über den Lymphweg und zur anderen Hälfte über den Blutweg mit bevorzugter Absiedelung in Lunge und Skelett [27]. Diagnostik Die Diagnose eines Basalzellkarzinoms ist in der Regel eine Blickdiagnose [6, 33]. Zur Diagnosesicherung ist jedoch die feingewebliche Untersuchung notwendig. Abb. 2: knotiges Basalzellkarzinom Abb. 3: Rumpfhaut­ basalzellkarzinom Abb. 4: pigmentiertes Basalzellkarzinom Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 5 Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor Die Stadieneinteilung erfolgt nach der UICC-Klassifikation, hat jedoch im klinischen Alltag eher wenig Bedeutung, da die T-Klassifikation (Ausdehnung des Primärtumors) zu grob ist und die Kategorien N (Lymphknotenbefall) und M (Fernmetastasen) nur äußerst selten vorkommen. Wichtiger sind die Angaben zur klinischen Tumorgröße, Lokalisation, dem histologischen Typ, dem maximalen vertikaler Tumordurchmesser und die Aussage, ob der Tumor im Gesunden entfernt wurde [10]. rokoagulation des Wundgrundes), ShaveExzision (horizontale Abtragung mit einem Skalpell oder einer Ringkürette), Kryotherapie (Vereisung mit Flüssigstickstoff), Lasertherapie (CO2-Laserablation, gepulster Farbstofflaser), photodynamische Therapie (Bestrahlung des vorher mit einem Photosensibilisator behandelten Gewebes mit Licht geeigneter Wellenlänge) bis zu topischen Therapieverfahren mit Imiquimod 5% (Abb. 5) oder 5-Fluoruracil. Therapie Eine Vielzahl von Behandlungsmethoden steht zur Therapie des Basalzellkarzinoms zur Verfügung. Die operative Therapie mit histologischer Untersuchung stellt das Standardverfahren in der Behandlung des Basalzellkarzinoms dar. Die mikrografisch kontrollierte Chirurgie, bei der eine sparsame Operation des Tumors (Sicherheitsabstand ca. 2-4mm) mit Markierung des Präparates zur genauen histopathologischen Beurteilung von für das Auge nicht sichtbaren Ausläufern vorgenommen wird, macht eine lückenlose Beurteilung aller Schnittränder möglich. Somit kann, wenn nötig, ein gezieltes Nachschneiden erfolgen. Ein Nachschneiden mit dem Ziel einer kompletten Entfernung des Tumors sollte immer angestrebt werden, sofern es der Allgemeinzustand des Patienten und die Tumorausdehnung erlauben [10]. Durch die mikrografisch kontrollierte Chirurgie kann eine hohe diagnostische Sicherheit erzielt und gesunde Haut geschont werden. Insbesondere im Gesichtsbereich und an anderen problematischen Lokalisationen ist diese Maßnahme indiziert. Die einfache Exzision mit stichprobenartiger histologischer Kontrolle ist der mikrografisch kontrollierten Chirurgie unterlegen, da auch bei kleinen Tumoren zu Lasten des Patienten größere Sicherheitsabstände von 3-15mm eingehalten werden müssen, da sonst mit einem höheren Anteil an Tumorresten gerechnet werden muss. Die Anzahl der weiteren Therapiemodalitäten ist groß und reicht von Strahlentherapie über Kürettage („Auskratzen“ des Basalzellkarzinoms mit anschließender Elekt- Abb. 5: Strukturformel von Imiquimod [http://upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/4/4a/Imiquimod_ Formula_V.1.svg] Der Nachteil dieser Methoden besteht in der fehlenden histologischen Kontrolle des Behandlungsergebnisses (keine Sicherheit durch eine Kontrolle des Gewebes, dass der Tumor komplett entfernt wurde) und der damit einhergehenden erhöhten Rezidivrate. Bei primär nicht operablen oder lokal nicht vollständig resezierbaren Tumoren ist derzeitig noch die Strahlentherapie Therapie der ersten Wahl. Bei Patienten mit GorlinGoltz-Syndrom ist die Strahlentherapie hingegen kontraindiziert, da dies die Entstehung von weiteren Basalzellkarzinomen im Bestrahlungsfeld triggert. Die lokal-destruierenden Verfahren wie Kryotherapie, Kürettage, Shave-Exzision und Laser eignen sich vor allem für kleine, oberflächliche Basalzellkarzinome [10]. Der Wirkungsmechanismus von Imiquimod beruht auf der Aktivierung des Immunsystems der Haut. Durch eine Bindung an den TLR 7 (toll-like receptor) kommt es zu einer vermehrten Synthese der proinflammatorischen Zytokine IFN-a, TNF-a und IL-6, was über die Entstehung einer Entzündungsreaktion zu einer effektiven Bekämpfung der Tumorzellen führt [1]. 6 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Entsprechend der Zulassungsstudien wird eine Behandlung von oberflächlichen Basalzellkarzinomen mit Imiquimod einmal täglich an 5 Tagen/Woche (z.B. MontagFreitag), vorzugsweise abends für 6 Wochen empfohlen [7]. Die histologisch kontrollierte Rückbildungsrate liegt bei superfiziellen Basalzellkarzinomen bei ca. 80% [3, 22]. Nebenwirkungen von Imiquimod ergeben sich über die gewünschte Entstehung einer lokalen Entzündungsreaktion. Es kommt vor allem zu lokalen Hautreizungen, jedoch sind auch systemische Nebenwirkungen wie ein grippeartiges Gefühl unter Umständen einhergehend mit Fieber möglich [9]. Patienten müssen vor Anwendung von Imiquimod über die mögliche starke Hautreaktion aufgeklärt werden, damit die Therapie von ihnen erfolgreich durchgeführt wird. Trotz der starken Lokalreaktion heilt das behandelte Areal in der Regel ohne Narben oder Pigmentverschiebungen ab. Insbesondere bei Patienten unter Antikoagulation (Gebrauch von Warfarinen, ASS etc.) kann es zu Blutungen kommen, die meist aber nur sehr gering sind und keiner Behandlung bedürfen. Bei sehr starken Lokalreaktionen kann die Frequenz der Anwendungen ggf. reduziert werden. Eine topische Immuntherapie mit Imiquimod 5% Creme wurde auch bei Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom erfolgreich angewendet [11, 32]. Eine weitere, aufgrund relativ hoher Rezidivraten weniger bedeutende Alternative zur topischen Behandlung von superfiziellen Basalzellkarzinomen stellt das Zytostatikum 5-Fluoruracil (5% in Creme) dar [2]. Ähnlich wie bei Imiquimod können Entzündungsreaktionen der Haut auftreten. Es ist zu beachten, dass auch die gleichzeitige Anwendung von 5-Fluoruracil auf der Haut zusammen mit Brivudin kontraindiziert ist. Das Hauptproblem der Behandlung mit den beschriebenen Externa besteht in der Compliance der Patienten. Für einen Therapieerfolg ist eine konsequente Anwendung der Therapie über den empfohlenen Zeitraum auch bei Auftreten von Lokalreaktionen notwendig. Die photodynamische Therapie (PDT) stellt eine weitere relativ einfach durchführbare Behandlungsoption für oberflächliche Basalzellkarzinome dar. Bei der PDT wird auf das Zielgewebe ein Photosensibilisator Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor Unerwünschtes Ereignis Auftreten [%] im Rahmen der Phase II-Studie mit GDC-0049* Muskelkrämpfe 68 Haarausfall 63 Geschmacksstörung 51 Gewichtsverlust 46 Abgeschlagenheit 36 Tabelle 1: Nebenwirkungen von GDC-0049 (Vismodegib) in prozentualer Häufigkeit * modifiziert nach Sekulic A, Migden MR, Oro AE, Dirix L, Lewis KD, Hainsworth JD, et al. Efficacy and safety of vismodegib in advanced basal-cell carcinoma. The New England journal of medicine. 2012 Jun 7;366(23):2171-9. (delta-Aminolävulinsäure und seine Ester) in Form einer Creme, z.B. Metvix© oder neuerdings auch in Form eines Pflasters (Alacare®) aufgebracht, der zunächst für ca. vier Stunden einwirken muss. Im Tumorgewebe kommt es zur Bildung von Protoporphyrin IX. Anschließend erfolgt eine intensive Lichtbestrahlung, deren Wellenlänge im Absorptionsspektrum des Photosensibiliators liegt. Hierdurch entstehen reaktive Sauerstoffspezies, die weitgehend selektiv die malignen Zellen zerstören. Die Behandlung muss insgesamt zweimal pro Behandlungszyklus durchgeführt werden. Die komplette Rückbildungsrate liegt bei ca. 87% [19]. Für metastasierte Basalzellkarzinome sind bisher insbesondere Cisplatin-haltige Chemotherapien auch in Kombination mit 5-Fluoruracil eingesetzt worden. Probleme bei der Anwendung dieser Polychemotherapie sind insbesondere die von Cisplatin ausgehende Toxizität und die nur kurz andauernden Remissionen [21, 12, 26]. Neue Therapieoptionen – Sonic Hedgehog-Inhibitoren Eine neue Möglichkeit zur Behandlung lokal-fortgeschrittener oder metastasierter Basalzellkarzinomen beziehungsweise von Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom stellt die Therapie mit Inhibitoren der HedgehogSignalkaskade dar (Abb. 1). Momentan stehen die Substanzen in Deutschland nur im Rahmen von klinischen Studien zur Verfügung. Abb. 6: Strukturformel von GDC-0049 (Vismodegib) [http://upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/7/7d/ Vismodegib.svg] Zur Entdeckung eines natürlichen Inhibitors der Hedgehog-Signalkaskade kam es bereits Anfang der 1960er Jahre in den USA. Binns und Mitarbeitern war aufgefallen, dass Schafe im Westen der USA nach Verzehr der Lilienpflanze Veratrum californicum missgebildete Nachkommen zur Welt brachten. Insbesondere kam es zur Entstehung einer Cyclopie (Entwicklung nur eines Auges in der Mitte der Stirn), weshalb man der Substanz den Namen Cyclopamin gab [4]. Ausgehend von Cyclopamin wurde von der Firma Genentech der oral einzunehmende Smoothend-Inhibitor GDC-0049 (Abb. 6) entwickelt, zu dem im Jahre 2009 eine erste klinische Phase-I-Dosiseskalationsstudie an 33 Patienten durchgeführt wurde. 18 der 33 Patienten zeigten eine partielle oder komplette Abheilung ihres bereits vorbestrahlten nicht-resektablen oder zum Teil metastasierten Basalzellkarzinoms. Bei weiteren 11 Patienten schritt die Erkrankung zumindest nicht weiter fort [34]. Abb. 7: Basalzellkarzinom am Capillitium eines Gorlin-Goltz-SyndromPatienten a) vor Einleitung einer Therapie mit einem Hedgehog-Inhibitor Aufgrund dieses ersten vielversprechenden Ergebnisses wurde eine weltweite PhaseII-Studie angeschlossen, die 2010 beendet werden konnte. Hier zeigte sich bei einmal täglicher Einnahme von 150mg GDC-0049 für Patienten mit einem metastasierten Basalzellkarzinom eine Ansprechrate von 30%. Für Patienten mit einem lokal-fortgeschrittenen Basalzellkarzinom konnte eine Ansprechrate von 43% nachgewiesen werden, wovon 21% sogar komplette Remissionen waren [30] (Abb. 7a-8b). Am 30.01.2012 wurde GDC-0449 in den USA in Form von „Vismodegib“ (Erivedge®, Roche) von der FDA zugelassen. Eine Zulassung in Deutschland wird für das zweite Quartal 2013 erwartet. Vismodegib wird generell gut vertragen, allerdings treten bei über 30% der Patienten klas- b) nach 8 Monaten unter Therapie mit einem Hedgehog-Inhibitor Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 7 Das Basalzellkarzinom sen-abhängige Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe, Veränderung des Geschmacks, Gewichtsverlust, Haarausfall und Abgeschlagenheit auf (Tab. 1, modifiziert nach [30]). Da das Medikament teratogene Eigenschaften hat, müssen gebährfähige Patientinnen vor Beginn einer Behandlung mit Vismodegib ausführlich über eine notwendige sichere Verhütung aufgeklärt werden. Vor und unter der Therapie müssen regelmäßig Schwangerschaftstests erfolgen. Auch Männer, die einen Hedgehog-Inhibitor erhalten, müssen darüber aufgeklärt werden, dass sie unter der Therapie keine Kinder zeugen dürfen. Die mediane Ansprechdauer beträgt ca. 7,6 Monate, dann kommt es oftmals zum Auftreten von Resistenzen, was ein relevantes klinisches Problem darstellt. Einige Resistenzmechanismen konnten bereits identifiziert werden [25]. An der weiteren Erforschung wird aktuell gearbeitet [20]. Weitere Smoothend-Inhibitoren, wie LDE225 (Novartis), IPI-926 (Infinity Pharmaceuticals) oder BMS-833923 (XL139) (Bristol-Myers Squibb) werden momentan in klinischen Studien getestet [20]. Eine weitere Substanz mit Smoothend-hemmenden Eigenschaften, die aktuell im Rahmen von klinischen Studien zum Einsatz kommt, ist Itraconazol, das normalerweise zur systemischen Behandlung von Mykosen eingesetzt wird [13]. Vielversprechende Ergebnisse zeigte auch eine klinische Studie, bei der LDE225 in einer topischen Formulierung bei Patienten mit Gorlin-GoltzSyndrom verwendet wurde [31]. Abb. 8: Lebermetastasen eines Basalzellkarzinoms a) vor Einleitung einer Therapie mit einem Hedgehog-Inhibitor werden, da in diesem Zeitraum sowohl das Rezidivrisiko als auch das Auftreten weiterer Basalzellkarzinome am höchsten ist [10]. Patienten mit lokal rezidivierenden oder nicht komplett exzidierten Tumoren oder solche mit einem erhöhten Risiko für weitere neue Tumoren (Immunsuppression, genetische Disposition, multiple Basalzellkarzinome in der Vorgeschichte) sollten individuell engmaschiger und längerfristiger, ggf. lebenslang einer Nachsorge zugeführt werden [17, 24]. Wichtig ist darüber hinaus, Patienten über die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes vor UV-Licht aufzuklären (u.a. physikalischer Lichtschutz, Meidung der Mittagssonne, keine Solariumbesuche, möglichst Verwendung von Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50+) und zur regelmäßigen Selbstinspektion anzuleiten [10]. Nachsorgeempfehlungen Beurteilung Die Heilungsraten nach Therapie primärer Basalzellkarzinome liegen bei ca. 95-99%, für Rezidivtumoren bei ca. 90% [27]. Aufgrund des deutlich erhöhten Risikos des Auftretens von weiteren Hauttumoren sollten Patienten mit Basalzellkarzinomen der Haut regelmäßig nachgesorgt werden. Patienten mit isolierten Basalzellkarzinomen sollten für mindestens 3 Jahre mindestens einmal jährlich mittels Ganzkörperinspektion durch den Hautfacharzt nachkontrolliert Früh erkannt und behandelt hat das Basalzellkarzinom eine exzellente Prognose mit Heilungsraten von fast 100%. Die Operation ist nach wie vor der Goldstandard, es stehen jedoch weitere Therapieoptionen insbesondere für die dünnen Basalzellkarzinome zur Verfügung. Die Entwicklung der SonicHedgehog-Inhibitoren ist ein weiteres Beispiel für den zielgerichtenten (targeted) Einsatz der neuen Onkologika, die endlich eine Behandlungsoption für lokal fortgeschrittene und metastasierte Basalzellkarzinome 8 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 b) nach 8 Wochen Therapie mit einem Hedgehog-Inhibitor sowie Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom bieten. Ähnlich wie bei vielen anderen zielgerichteten Onkologika stellt die Resistenzentwicklung ein großes Problem dar. Literatur: 1. 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Jahrgang | Nr. 1/2013 | 9 Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP I/2013 1. Das Basalzellkarzinom (BCC) 4. Zu den Therapiemöglichkeiten des BCC zählen u.a. a) setzt nur selten Metastasen (0,003-0,1%). a) operative Therapie mit histologischer Untersuchung. b) tritt nie in Haarfollikel-tragenden Körperregionen auf. b) Brachytherapie c) ist ein schnell wachsender Hauttumor. d) weist eine ausgeprägte Fähigkeit zur lokalen Invasion und Destruktion auf. c) Shave-Exzision für kleinere, oberflächlichere Basalzellkarzinome, nicht geeignet für z.B. sklerodermiforme Basalzellkarzinome. 2. Der häufigste Subtyp, das noduläre Basalzellkarzinom, d) photodynamische Therapie für kleinere, oberflächliche Basalzellkarzinomen. a) zeigt sich meist als gelblich-rötliche Papel von perlmuttartigem Glanz mit einem perlschnurartigen Randsaum und typischen, vom Rand ins Tumorzentrum ziehenden, erweiterten Blutgefäßen. b) typische Differentialdiagnosen sind chronisch-entzündliche Dermatosen. 5. Vismodegib a) ist seit Herbst 2011 in Deutschland zugelassen. b) wird generell gut vertragen, allerdings treten Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe, Geschmacksveränderung, Gewichtsverlust, Haarausfall und Abgeschlagenheit auf. c) hat keine teratogenen Eigenschaften, weshalb gebährfähige Patientinnen vor Beginn einer Behandlung nicht über eine notwendige sichere Verhütung aufgeklärt werden müssen. c) ist immer von Beginn an intensiv pigmentiert. d) erinnert charakteristischerweise an eine Narbe. 3. Die Inzidenz des Basalzellkarzinoms a) beträgt in Deutschland ca. 250/100.000 Einwohner/Jahr. b) steigt mit dem Lebensalter, wobei das Durchschnittsalter bei 60 Jahren liegt. c) ist seit mehreren Jahrzehnten steigend mit einer durchschnittlichen Zunahme von 3-8% pro Jahr. d) beträgt in Deutschland ca. 100/100.000 Einwohner/Jahr. d) entwickelt oftmals klinisch relevante Resistenzen. Richtige Antworten zum Beitrag: „Schutzkleidung und Verhalten im Reinraum“ in Heft 3/2012 Frage 1: c Frage 2: d Frage 3: a, c, d Frage 4: b, c, d Frage 5: a, b, c Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2013 Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforder­lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende Fax-Nummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg! Per Fax: +49-40-79 14 03 02 Name: Vorname: Einrichtung: Straße: PLZ/Ort: Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor (Onkologische Pharmazie Nr. 1/2013) Meine Antwort (X) lautet bei: Frage 1: a b c d Frage 2: a b c d Frage 3: a b c d Frage 4: a b c d Frage 5: a b c d 10 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl. Datum: Unterschrift: 5. NZW-Dresden Auch Sie sollten dabei sein: mit Sicherheit! Der NZW-Dresden hat sich in kurzer Zeit zum größten nationalen Arbeitssicherheits-Treffen onkologisch tätiger Apotheker, der Fachleute für betriebliche Sicherheit sowie des Arbeitsschutzes und der pharmazeutischen Überwachung im Bereich der aseptischen Herstellung von CMR-Arzneimitteln entwickelt. Auch der 5. Pharmazeutisch-onkologische Fachkongress NZW-Dresden vom 14.-15.Juni 2013 wird den Teilnehmern das notwendige Wissen in bewährter Weise praxisnah liefern, um mit den Entwicklungen in diesem Arbeitsbereich jederzeit Schritt zu halten. Erfahrungsaustausch und Anregungen für die tägliche Arbeit sind durch Symposien, Vorträge, DGOP-Zertifikatskurse, zahlreiche Workshops und die interaktive Industrieausstellung mit Live-Präsentationen garantiert. Die sächsische Landeshauptstadt mit ihrem weltbekannten Ensemble aus Zwinger, Semperoper, Residenzschloss, Brühlscher Terrasse und Frauenkirche wird uns erneut das passende Ambiente für dieses innovative Kongress-Format bieten. Symposien auf dem 5. NZW-Dresden Ein Jahr neue ApBetrO: QMS und aseptische Herstellung in der Apotheke Umgebungsbelastungen in Apotheken und ambulanten onkologischen Einrichtungen Workshops auf dem 5. NZW-Dresden u.a. Schutzkleidung und Verhalten im Reinraum Effektive Reinigung belasteter Oberflächen und Materialien Mikrobiologische Validierung Erstellen einer Unterweisung zum Spill- Vorträge auf dem 5. NZW-Dresden u.a. management „Isolator- Update 2013“ – Zum Stand Sicherheitsdatenblatt & Betriebsanwei- der Entwicklung von Prüfkriterien für den Isolator in der Zytostatika-Herstellung sung in der pharmazeutischen Praxis Kriterien für die Auswahl von Mehrfachkleidung in der Zytostatika-Herstellung Permeation von Zytostatika durch Schutz­handschuhe Umsetzung der ApBetrO am Beispiel einer öffentlichen Apotheke Pumpen und andere Hilfsmittel zur Entnahme/Herstellung von Zytostatika Erfahrungsworkshop für QM-Beauftragte Qualitätskriterien für die Bewertung der Stabilität und Verweildauer von Infusionssystemen Gefahrstoffrecht-Update 2013 Das Programm, weitere Informationen und Anmeldeformulare stehen Ihnen wie gewohnt unter www.nzw.de zur Verfügung. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 11 Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke des Klinikums Bogenhausen Von Jürgen Frenger, München und Birgit Althof, Stuttgart N icht nur bei der Herstellung von Zytostatika selbst, sondern auch bei der Überwachung der Herstellbedingungen, dem Monitoring, wird seitens der Aufsichtsbehörden zunehmend strenger auf die Einhaltung der GMP-Standards geachtet. Davon betroffen ist nicht nur die Herstellung in Betrieben mit Herstellungserlaubnis nach §13 AMG, sondern auch in Apotheken im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs. Zusätzlich verschärft wird die Situation durch die neue Apothekenbetriebsordnung. Ein ganz wesentlicher Bestandteil bei der Einrichtung eines Monitorings und die Voraussetzung für eine erfolgreiche Abnahme durch die Aufsichtsbehörde ist der Qualifizierungsprozess. Die Qualifizierung ist der dokumentierte Nachweis, dass ein Raum, eine Anlage oder ein Gerät für den vorgesehenen Zweck geeignet ist. Im Folgenden sollen die Grundzüge des Qualifizierungsprozesses erläutert und an einem konkreten Praxisbeispiel dargestellt werden. Eine sichere und konstante Gewährleistung der Schutzziele in den Laborbereichen erfordert ein durchgängiges Konzept und die Gewissheit, dass die installierten Systeme Weiterhin relevant sind Annex 1 und Annex 11 des GMP-Leitfadens sowie die Normen DIN EN ISO 14644 und VDI 2083. Eine vollständige Qualifizierung setzt sich aus mehreren einzelnen Qualifizierungsschritten zusammen: DQ– Designqualifizierung (design qualification) IQ – Installationsqualifizierung (installation qualification) OQ– Funktionsqualifizierung (operational qualification) PQ – Leistungsqualifizierung (performance qualification) und Einrichtungen ihre Aufgaben wie vorgesehen erfüllen. Im pharmazeutischen Umfeld ist die Qualifizierung von Anlagen und Räumen daher Pflicht. Sie ist ein essentieller Bestandteil der Good Manufacturing Practice (GMP). Die hierfür benötigten Richtlinien finden sich im EU-GMP-Leitfaden (Annex 15- Qualification and Validation). Die gesetzliche Umsetzung dieses Teils des GMP-Leitfadens ist in der AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) festgehalten. Sie besagt unter anderem, dass Anlagen, die zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden und für die Arzneimittelqualität von entscheidender Bedeutung sind, auf ihre Eignung überprüft werden müssen (Qualifizierung). Auch die neue Apothekenbetriebsordnung schreibt für die patientenindividuelle parenterale Herstellung die Qualifizierung im Rahmen der Implementierung eines geeigneten Qualitätsmanagementsystems vor. Der Qualifizierungsprozess ist überaus komplex und streckenweise rein technisch. Dies gilt insbesondere für die Schritte IQ und OQ , die durch den Hersteller des Monitoringsystems durchgeführt werden. Dennoch lohnt es sich auch für den Apothekenbetreiber, den Prozess von Beginn an zu begleiten, da er sich ja anschließend im täglichen Arbeitsalltag mit dem System auseinandersetzen muss. 12 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Vor dem eigentlichen Qualifizierungsprozess steht die GMP-Risikoanalyse. Sie wird bei der Diskussion der Entwurfsplanung vor dem Abschluss der Design-Qualification (DQ ) durchgeführt. Die GMP-Risikoanalyse ist gemäß Annex 15 zum EG - GMP- Leitfaden „Ergänzende Leitlinien für die Qualifizierung und Validierung“ vorgeschrieben. Sie soll alle kritischen Parameter, die für das Funktionieren der Ausrüstung und des Herstellungsprozesses bedeutsam sind, definieren und bewerten und muss mögliche Fehlerursachen und Fehlerfolgen aufzeigen. Ihr Hauptziel ist, Risiken, die sich durch Änderungen des Anlagendesigns minimieren oder ausschließen lassen, aufzunehmen und in Designänderungen münden zu lassen. Risiken, die nicht durch Systemoptimierungen am Anlagendesign minimiert werden können, sind durch Qualifizierungen als Factory Acceptance Tests (FAT) und, wenn nötig, durch wiederkehrende Prüfungen auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. I. Ausgangslage, Ein- und Umbau der Reinräume und des MonitoringSystems In der Krankenhausapotheke des Klinikums München-Bogenhausen werden seit 1999 Zytostatika hergestellt. Bis 2008 wurden ca. 60 Zubereitungen täglich in einer Zytostatika-Werkbank in Reinraumumgebung D produziert. Im Zuge der Zusammenführung zweier Krankenhausapotheken sollte die Zahl der Zubereitungen auf täglich etwa 130-140 verdoppelt werden. Dies war mit der bisherigen Ausstattung nicht zu bewältigen. Deshalb fiel 2008 die Entscheidung, das Labor mit drei Isolatoren in Reinraumklasse D auszustatten. Zum Einschleusen und Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke Weg von der Planung bis hin zur betriebsfertigen Anlage Risikoanalyse PQ URS/ Lastenheft Leistungs‐ verzeichnis Pflichtenheft Funktionelle Anforderungen überprüfen Technische Anforderungen überprüfen OQ IQ Nutzer/Planer Fertigung Fa. Briem Heute produziert die Apotheke etwa 35.000 Zubereitungen jährlich: durchschnittlich 140 pro Tag mit Spitzen von bis zu 250 Zubereitungen, davon 7 bis 8 Prozent monoklonale Antikörper. Die Kapazitätsgrenze der Anlage ist damit jedoch noch nicht erreicht. Ohne Schichtbetrieb wäre bei maximaler Ausschöpfung der möglichen Arbeitszeit auch eine Herstellungsmenge von bis zu 300 Zubereitungen pro Tag möglich. Abb. 2: Einer der Isolatoren mit vorgeschalteter Werkbank im neuen Herstellungsbereich Desinfizieren der Materialien wurde je eine vorgeschaltete mikrobiologische Werkbank vorgesehen (Abb. 2). Die Anforderung, eine selbständige Einheit von 120m 2 in den bestehenden Baukörper bei laufendem Betrieb einzupassen, stellte eine zusätzliche Herausforderung dar. Nach ca. 18-monatiger Planungs- und Bauphase konnte die Anlage im Oktober 2009 in Betrieb genommen werden. Sukzessive wurden alle onkologischen Stationen in die Versorgung einbezogen, bis die Umstellung Anfang 2010 endgültig abgeschlossen war. Parallel zum Umbau der Apothekenräumlichkeiten wurde ein computergestütztes Monitoring-System zur kontinuierlichen Messung der Umgebungsparameter Raumdifferenzdruck, Feuchte und Temperatur im Reinraum der Klasse D installiert. Die zuständige Aufsichtsbehörde erteilte die Auflage, dass in den Reinräumen der Klasse A zusätzlich eine kontinuierliche Partikelüberwachung eingerichtet werden müsse. Diese Umrüstung erfolgte 2011. In die Erweiterung des Monitoring-Systems um die Partikelüberwachung wurde gleichzeitig die Überwachung der Kühlschranktemperatur integriert. Dies war ohne Probleme möglich, da das bereits installierte MonitoringSystem modular aufgebaut ist und somit jederzeit den wachsenden Anforderungen angepasst werden kann. Diese Erweiterung des Monitorings brachte weitere Vorteile mit sich: Zusätzliche Si- Abb. 1: Zyklus einer Qualifizierung cherheit durch Aufschaltung der Kühlschranktemperaturen auf die Gebäudeleittechnik und möglicher Verzicht auf bisheriges händisches Auslesen der Kühlschranktemperaturen; auch sind seitdem die Verhältnisse in den Reinräumen wie auch in den Kühlschränken jederzeit auf dem Bildschirm dargestellt. Somit sind alle zu überwachenden Parameter nachvollziehbar dokumentiert, sicher und valide in einem Monitoringsystem hinterlegt und dauerhaft verfügbar. II. Qualifizierung des MonitoringSystems Risikoanalyse Die der eigentlichen Qualifizierung vorausgehende Risikoanalyse wurde nach der FMEA (Failure Mode and Effect Analysis)Methode durchgeführt. Diese hat den Vorteil, dass sie schon vor dem Auftreten eines Fehlers angewandt werden kann. Die Analyse identifizierte vor Ort zwölf Risikofaktoren, darunter: a.) Einen möglichen Blackout des Monitoringservers, bedingt durch einen Stromausfall oder unkontrolliertes Abschalten der Versorgungsspannung. b.) Einen möglichen Ausfall der Datenaufzeichnung der Sensoren durch Ausfall Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 13 Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke Nr. VorgangsmTask Name 1 Dauer Ausführungsplanung Anfang Ende Vorgänger 26 Tage? Mon 02.02.09 Mon 09.03.09 2 Technische Klärung 5 Tage? Mon 02.02.09 Fre 06.02.09 3 Konstruktion Feldgeräte 14 Tage Mit 18.02.09 Mon 09.03.09 7 4 Konstruktion Schaltschrank 14 Tage Mit 18.02.09 Mon 09.03.09 7 40 Tage? Mon 09.02.09 Fre 03.04.09 5 Qualifizierung 6 Erstellen DQ‐Unterlagen 3 Tage Mon 09.02.09 Mit 11.02.09 2 7 Prüfung / Freigabe DQ‐Unterlagen 4 Tage? Don 12.02.09 Die 17.02.09 6 8 Durchführung FAT 2 Tage Die 10.03.09 Mit 11.03.09 4;3 9 Erstellung IQ‐Unterlagen 2 Tage Mit 18.02.09 Don 19.02.09 7 10 Prüfung / Freigabe IQ‐Unterlagen 3 Tage? Fre 20.02.09 Die 24.02.09 9 11 Erstellung OQ‐Unterlagen 2 Tage Mit 25.02.09 Don 26.02.09 10 12 Prüfung / Freigabe OQ‐Unterlagen 3 Tage? Fre 27.02.09 Die 03.03.09 11 13 Durchführung IQ 2 Tage Fre 20.03.09 Mon 23.03.09 22;10 14 Prüfung / Freigabe IQ‐Durchführung 3 Tage? Die 24.03.09 Don 26.03.09 13 15 Durchführung OQ 2 Tage Fre 27.03.09 Mon 30.03.09 14;12 16 Prüfung / Freigabe OQ‐Durchführung 3 Tage? Die 31.03.09 Don 02.04.09 15 17 Qualifzierungsabschlussbericht 1 Tag Fre 03.04.09 Fre 03.04.09 16 18 Unterstützung bei PQ 0 Tage? Fre 03.04.09 Fre 03.04.09 17 Montage / Inbetriebnahme 18 Tage? Don 12.03.09 Mon 06.04.09 19 08 Feb '09 D 20 Montage Feldgeräte 4 Tage Don 12.03.09 Die 17.03.09 8 21 Montage Schaltschrank 4 Tage Don 12.03.09 Die 17.03.09 8 22 Inbetriebnahme 2 Tage Mit 18.03.09 Don 19.03.09 20;21 23 Personalschulung 1 Tag? Fre 20.03.09 Fre 20.03.09 22 24 Abnahme 1 Tag? Mon 06.04.09 Mon 06.04.09 17 M F Abb. 3: Zeitlicher Ablaufplan für die Qualifizierung eines Monitoringsystems der Buskommunikation GRM-Monitoring 1 c.) Falsche Messwerte durch falsch gewählte Messbereiche oder fehlerhafte Kalibrierung der Sensoren Basierend auf dieser Risikoanalyse wurden mögliche Vorbeugungsmaßnahmen in den Bereichen Design und Qualifizierung erarbeitet, um die Risiken zu minimieren und die Fehlerquellen auszuschalten. Im Bereich Design ergaben sich daraus beispielsweise folgende Lösungsvorschläge: a.) Anschluss des Servers an eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV). GRM: Ganzheitliches Reinraum-Monitoring, das im Vorfeld auf intensiver Analyse und Beratung aufbaut und bereits bei der Planung künftige Anforderungen mit einbezieht – zum Beispiel durch eine Konstruktion, die eine unkomplizierte Wartung und Kalibrierung ermöglicht. 1 c.) Erstellen eines Messstellenverzeichnisses mit Messbereich und Kalibrierzertifikaten. Als Maßnahmen im Bereich Qualifizierung/Requalifizierung wurden 11 der insgesamt 12 Risikofaktoren für die folgenden Qualifizierungsschritte IQ/OQ vorgemerkt. Task Summary Inactive Milestone Duration-only Split Project Summary Inactive Summary Manual Summary Rollup Milestone Inactive Task Manual Task Manual Summary 14Project: | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Monitoring Apotheke Date: Mon 10.12.12 b.) Kontinuierliche Überwachung der Kommunikation und automatische Alarmierung über PC bei Kommunikationsstörung. Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke D S M 22 Feb '09 S 08 Mrz '09 D M F D S M 22 Mrz '09 S 05 Apr '09 D M F D 03.04 03.04 06.04 Darüber hinaus wurden die Requalifizierung beziehungsweise regelmäßige Kontrolle, etwa im Zusammenhang mit der jährlichen Wartung, empfohlen. Die Wartung wird seit 2010 jährlich durch den Lieferanten nach einem festen Wartungsplan durchgeführt. Die durch die Risikoanalyse identifizierten Aufgaben flossen in das „Lastenheft“ mit ein, das die Anforderungen des Betreibers (Apotheke) an den Hersteller des Monitoringsystems (Fa. Briem) beschreibt. Start-only External Milestone Finish-only Deadline External Tasks Progress Designqualifizierung (DQ ) In der DQ wird dieses Lastenheft den Leistungen des Lieferanten (Pf lichtenheft) gegenübergestellt, das am Ende alle Hauptfunktionen erfasst, die das Monitoringsystem befähigen, GMP- kritische und relevante Daten sicher aufzuzeichnen und zu speichern. Die Anforderungen im Lastenheft werden dabei in „Kann“- oder „Muss“- bzw. „GxP“Kategorien 2 eingestuft. Die „Muss“-Kategorien sind bereits regulatorisch durch die Manual Progress eingangs genannten Annexe im GMP-Leitfaden vorgegeben. Das Lastenheft der Krankenhausapotheke des Klinikums München-Bogenhausen umfasste einen 27 Seiten füllenden Anforderungskatalog. Zu den Hauptanforderungen zählen: GXP: Zusammenfassung aller Richtlinien für gute Arbeitspraxis (u.a. in der Pharmazie) 2 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 15 Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke Erfassung, Speicherung und Archivierung von Prozessdaten und Batchreporten Darstellung der Messdaten in Diagrammbildern Passwortgeschützte Zugriffsrechte-Struktur Nicht editierbare Rohdaten Audit-Trail Funktion (Überwachung der Benutzeraktivität) Elektronische Unterschrift Profilumschaltung (Umschaltung der Klimabedingungen in einzelnen Räumen) Messwertaufzeichnung und Alarmierung standardmäßig Funktionsqualifizierung (OQ ) Bei der OQ wird die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems in Form verschiedener OQ-Tests überprüft. Dabei wird die Datenübergabe von den Messgeräten über den Schaltschrank an den Server und an das Visualisierungstool (Devicemanager) überprüft. Des Weiteren wird getestet, ob die Alarmierung an den definierten Stellen optisch und akustisch erfolgt. Die Benutzerverwaltung, die Funktion der USV sowie das kontrollierte Verhalten des Systems bei Stromausfall oder sonstigen Störungen werden kontrolliert. Die Umsetzung aller Anforderungen der „Muss“- und „GxP“-Kategorie muss im Pf lichtenheft beschrieben werden. Die Punkte der „Kann“ -Kategorie können, müssen jedoch nicht erfüllt werden. Der Abgleich zwischen Lasten- und Pflichtenheft erfolgt in Form einer Verfolgbarkeitsmatrix (Traceability-Matrix). Die DQ legt somit fest, was die Anlage/das Gerät können muss, wie es auszusehen hat und in welcher Form (Qualifizierung/Kalibrierprotokoll) dies nachgewiesen und geprüft werden muss. Leistungsqualifizierung (PQ ) und Qualifikationsdokumentation Bei der PQ wird die Leistung des Systems über einen definierten Zeitraum getestet. Dieser Test obliegt dem Betreiber der Anlage und kann auch als sogenannter Langzeittest betrachtet werden. Installationsqualifizierung (IQ ) Bei der IQ wird vor der Auslieferung des Systems/der Anlage ein sogenannter FAT (factory acceptance test) durchgeführt. Dabei wird das System im Betrieb des Lieferanten aufgebaut und auf Korrektheit der Komponenten, der Verkabelung und der Funktion überprüft. Das System wird erst nach erfolgreich abgeschlossenen FAT ausgeliefert. Nach der Installation des Systems beim Kunden werden verschiedene IQ-Tests durchgeführt, bei denen die korrekte Installation überprüft wird. Dabei wird unter anderem kontrolliert und dokumentiert, ob alle in der DQ spezifizierten Geräte vorhanden und an der definierten Stelle installiert sind, ob alle Geräte ein gültiges Werks- und Vor-Ort-Kalibrierprotokoll besitzen, ob die Elektroinstallation korrekt vorgenommen wurde und ob die notwendigen Soft- und Hardwarekomponenten (Server/Client PC) vorhanden sind. Die Qualifizierung kann erst abgeschlossen werden, nachdem alle im Laufe des Prozesses entdeckten kritischen Mängel beseitigt wurden. Nach Abschluss der Phasen wird ein Qualifizierungsabschlussbericht erstellt, wonach das System in Betrieb genommen werden kann. Generell darf die nächste Phase der Qualifizierung erst durchgeführt werden, wenn die vorherige abgeschlossen, d.h. genehmigt und somit freigegeben ist. Alle Schritte und Prüfungen sind parallel zur durchführenden Tätigkeit GMP-gerecht zu dokumentieren. Eine vollständig und korrekt durchgeführte und dokumentierte Qualifizierung aller qualitätsrelevanten Einrichtungen/Geräte und Bauteile ist Grundvoraussetzung für das Erlangen der Herstellerlaubnis. Change Control/Qualifizierung der Monitoring-Erweiterung (Partikel- und Kühlschrank-Monitoring) Nach der Auflage der Aufsichtsbehörde, in der Krankenhausapotheke München-Bogenhausen neben dem allgemeinen Monitoring zusätzlich ein kontinuierliches Partikelmo- 16 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 nitoring in den Reinräumen A einzurichten, wurde jeder Isolator mit einem Kombinationsgerät zur Partikelmessung ausgestattet. Diese Geräte bestehen aus einer Sonde innerhalb des Isolators und einem daran angeschlossenen, außerhalb positionierten Partikelzähler. Sowohl das neue Partikelmonitoring wie auch die Kühlschränke des Labors wurden an das bestehende Monitoring-System angeschlossen. Diese Erweiterungen mussten selbstverständlich auch dem Qualifizierungsprozess unterzogen werden. Hierfür wird das Change-Control-Verfahren angewandt: die neu hinzukommenden Geräte sowie die bereits vorhandenen Komponenten des Systems, die von der Erweiterung berührt werden, mussten neu qualifiziert werden. In einer Risikoanalyse wurden zunächst die betroffenen Bereiche verifiziert. Lediglich diese wurden anschließend neu qualifiziert. Somit war nach der Systemerweiterung nur ein Bruchteil des Aufwands der Gesamtqualifizierung erforderlich. Fazit: 1.) Bei der Einrichtung des Reinraummonitorings empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit von Auftraggeber, Fachplaner, Anbieter und zuständiger Aufsichtsbehörde – bereits von der Planung an. 2.)Der Risikoanalyse und der darauffolgenden DQ kommt eine Schlüsselposition bei der Planung des Gesamtsystems zu. Beide sollten vorausschauend, mit äußerster Sorgfalt und in enger Abstimmung aller Beteiligten durchgeführt werden. 3.) Auch für Apothekenbetreiber lohnt es sich, den Qualifizierungsprozess von Beginn an zu begleiten, da sie sich später im täglichen Betrieb mit dem System auseinander setzen müssen. Das Monitoringsystem ist ein Qualitätssicherungsinstrument, das nur optimalen Nutzen bringt, wenn es richtig und umfassend angewandt wird. Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke INTERVIEW Interview mit Jürgen Frenger, Leiter der Krankenhausapotheke im Klinikum Bogenhausen Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Reinraum-Monitoring? Seit den drei Jahren, in denen wir das Gesamtmonitoring im Einsatz haben, hatten wir mit dem System noch nie Probleme. Dasselbe gilt für das vor einem Jahr installierte Partikel- und KühlschrankMonitoring. Die Software ist intuitiv bedienbar und sehr übersichtlich. Alle Berechtigungskonzepte sind gemäß den behördlichen Anforderungen eingerichtet. Nicht nur die aktuellen Zustände in den Reinräumen, auch die Kühlschranktemperaturen sind immer übersichtlich auf dem Bildschirm. Das erspart uns nicht nur das händische Auslesen, sondern gibt uns auch mehr Sicherheit. Welche Erfahrungen und Tipps würden Sie ApothekerInnen mit auf den Weg geben, die die Einrichtung eines Monitoring-Systems planen? Ich würde jedem empfehlen, sich gut zu überlegen, was eventuell auch in Zukunft benötigt werden könnte. Das MonitoringSystem der Firma Briem hat zwar den großen Vorteil, dass es mühelos erweiterbar ist. Dennoch kommt es natürlich immer teurer, wenn man nachrüsten muss. Partikelmessgeräte können auch ohne Aufschaltung auf die Überwachungssoftware betrieben werden, was deutlich günstiger, aber auch weniger komfortabel und sicher ist. Und was bedeutet das alles für die Qualifizierung? Eine gute und vorausschauende Planung – beginnend mit der DQ – erspart Nachbesserungen und damit Zeit und Geld. Sie sollte in enger Abstimmung von Bau- und Fachabteilung, Fachplaner und Aufsichtsbehörde durchgeführt werden. Diese Zusammenarbeit sollte auch den gesamten Bauprozess begleiten, damit es auch hierbei nicht zu Fehlern kommt, die später kaum oder nicht mehr behoben werden können. Auch unser pharmazeutischer Sachverstand ist kontinuierlich gefordert, insbesondere hinsichtlich der Prozessorientierung. Ein Fachplaner in der Bauaufsicht kann das eigene Nach- und Mitdenken nicht ersetzen. Am Ende muss die Fachabteilung/Apotheke mit den erarbeiteten Lösungen leben. Darüber hinaus sollte Zeit und Kosten nach der Bauphase nicht außer Acht gelassen werden. Alle Geräte und Einrichtungen müssen regelmäßig gewartet bzw. rekalibriert werden. Dies ist am besten durch Wartungsverträge abgebildet. Am Beispiel der Monitoringanlage bedeutet dies also eine jährliche Überprüfung der Messsysteme in Abstimmung mit einem kompetenten Partner. Wie erlebten Sie den Qualifizierungsprozess? Mit der Firma Briem hatten wir einen Partner, für den das Thema Qualifizierung eine Selbstverständlichkeit ist. Die Firma übernahm die Qualifizierung und stellte uns außerdem sämtliche Dokumente in der geforderten Qualität komplett und unverzüglich zur Verfügung. Ermüdende Diskussionen zur Klärung der GMP-Anforderungen konnten wir uns damit sparen. Noch ein kleiner Praxistipp für unsere Leser? Bei der Planung sollte man einen starken Fokus auf die internen Prozesse legen. Beispielsweise sollte der Überwachungsmonitor schnell zugänglich für Entscheidungsträger sein oder die Partikelmesssonden so montiert sein, dass einerseits der Herstellungsprozess nicht behindert wird, andererseits aber die Messwerte aussagekräftig bleiben. Herzlichen Dank für das Interview! Das Interview führte unsere Chefredakteurin Dr. Karla Domagk Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 17 Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken Von Gragert, S.; Harder, M.; Hinrichs, T.; Kamdem Medom, B.; Elmshorn S icherheitswerkbänke (SWB) sind in vielen biotechnologischen und pharmazeutischen Laboratorien eine wichtige Schutzeinrichtung für den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen resp. gefährlichen biologischen Arbeitsstoffen [1-3]. Die Schutzfunktionen in Form des Personen-, Produkt- und Verschleppungsschutzes sind die elementaren Eigenschaften einer jeden Sicherheitswerkbank. Diese werden durch veränderte Luftströmungsverhältnisse ebenso beeinflusst, wie durch dynamische Störfaktoren in Form eines sich bewegenden Menschen. In einem zweijährigen Forschungsprojekt zusammen mit dem Institut für Energie- und Umwelttechnik e.V. (IUTA) konnte aufgezeigt werden, dass der sich bewegende Mensch vor einer Sicherheitswerkbank und zu schnelle Armbewegungen in der Arbeitsöffnung die größten Störungen verursachen. 1 Einleitung Bei der Handhabung von biologischen Arbeitsstoffen und Gefahrstoffen werden in pharmazeutischen und biotechnologischen Laboratorien sowie in medizinischen Einrichtungen Sicherheitswerkbänke (SWB) nach DIN EN 12469 [4] und nach DIN 12980 [5] für den Personen-, Produkt- und Verschleppungsschutz eingesetzt. Für den Personenschutz ist das Rückhaltevermögen an der Arbeitsöffnung der SWB von besonderer Bedeutung. Das Rückhaltevermögen beschreibt die Eigenschaft einer SWB, den Austritt von gefährlichen Partikeln durch die Arbeitsöffnung zu verhindern. Die Definition der jeweiligen Schutzfunktion basiert auf einer bestandenen mikrobiologischen Prüfung gem. Stand der Technik (Abb. 1) bei spezifischen Luftströmungsverhältnissen einer SWB. Bei dieser Prüfung werden die Luftströmungen mit Bioaerosolen beaufschlagt. Ein Vernebler dispergiert die Bioaerosole aus einer apathogenen Sporensuspension von Bacillus subtilis. In verschiedenen Probenahmeverfahren werden aus- und übertretende luftgetragene Sporen gesammelt, inkubiert und ausgewertet. Diese mikrobiologische Prüfung ist das normative Verfahren in Europa, den USA und Asien zur Bestimmung der Schutzfunktionen von SWB [6-7]. Partikel überwinden die Luftbarriere in der Arbeitsöffnung einer SWB umso leichter: a) je schneller und ungünstiger die Bewegungsmuster des an der SWB arbeiten- Abb. 1: Prüfstand der mikrobiologischen Prüfung des Personen­ schutzes gem. DIN EN 12469. 18 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 den Personals und ggf. des an der SWB vorbeigehenden Personals sind, b) je kleiner die Geschwindigkeiten der Lufteintrittsströmung in der Arbeitsöffnung (Inflow) und die der turbulenzarmen Verdrängungsströmung im Arbeitsraum (Downflow) der SWB sind, c) je kleiner die Geschwindigkeit der Lufteintrittsströmung im Verhältnis zur Verdrängungsströmung ist. Zu a): In entsprechenden Merkblättern und Regelwerken werden aus diesem Grund vom Personal bestimmte Verhaltensregeln gefordert. Hierzu zählen z. B. langsame Armbewegungen innerhalb des Arbeitsraumes einer SWB sowie den Personenverkehr während der Tätigkeit an Sicherheitswerkbänken einzuschränken oder gar vollständig zu vermeiden [8, 9]. Im Merkblatt M620 der BGW [10] werden in Bezug auf die Mindestanforderungen der Betriebsanweisung für SWB u. a. folgende Verhaltensregeln aufgestellt: Störungen des laminaren Luftstroms vermeiden. Arbeiten nur mit Frontscheibe in Arbeitsposition durchführen. Ansaugöffnungen im Arbeitsraum der SWB und Abluftöffnungen nicht blockieren. Keine schnellen und heftigen Bewegungen. Zugluft verhindern (unter anderem Fenster, Türen geschlossen halten). Auch im Merkblatt B011 der BGRCI [11] ist in den Verhaltensregeln u. a. der Passus „Starker Personenverkehr in der direkten Umgebung einer SWB ist zu vermeiden“ zu finden. Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken Zu b): Die absoluten Werte von Inflow und Downflow werden aktuell von immer mehr Herstellern von SWB verringert. Gründe dafür sind z. B. Reduzierung des Schalldruckpegels Reduzierung von Vibrationen Verlängerung der Standzeit von Filtern und hiermit Reduzierung der Wartungskosten Verwendung von kleineren und i. d. R. günstigeren Ventilatoren Luftströmungen dürfen nicht zugunsten eines niedrigen Schallpegels, eines geringeren Energieverbrauchs oder aber Verlängerung von Filterstandzeiten beliebig reduziert werden, da dies mit einer Minimierung resp. Versagen der Schutzfunktionen einhergehen kann [12, 13]. Zu c): Jede SWB hat bauartspezifisch einen optimalen Betriebspunkt hinsichtlich der Strömungsgeschwindigkeiten an der Arbeitsöffnung (Inflow) und im Arbeitsraum (Downflow). Diese strömungsmechanische „Inflow-Downflow“ Wechselbeziehung (Abb. 2) ist in den USA eine bekannte Tatsache [14]. Nach der amerikanischen Norm NSF 49 für mikrobiologische Sicherheitswerkbänke sind zusätzliche Prüfungen hinsichtlich der Schutzfunktionen durchzuführen. Die unter Punkt a) beschriebene Problematik wird noch verstärkt, wenn wie unter Punkt b) beschrieben, die Strömungsgeschwindig- Abb. 2: Wechselbeziehung der Lufteintritts- vs. Verdrängungsströmung bei Sicherheitswerkbänken in der Seitenansicht. Abb. 3: Ergebnisse der mikrobiologischen Prüfung des Personen- und Produktschutzes in Abhängigkeit der Lufteintritts- und Verdrängungsströmung keiten von Inflow und Downflow reduziert werden. Durch die reduzierten Strömungsgeschwindigkeiten reagieren die Sicherheitswerkbänke empfindlicher auf Störströmungen, z. B. aufgrund ungünstiger Bewegungen des Personals. Formal bestehen auch diese SWB die für die Zulassung vorgeschriebene Prüfung bzgl. der Schutzfunktion an der Arbeitsöffnung. In der Praxis, wenn im Vergleich zu den Prüfbedingungen weniger ideale Umgebungs- und Betriebsbedingungen vorherrschen, arbeiten die Sicherheitswerkbänke möglicherweise aber bereits im kritischen Grenzbereich. Schon bei geringeren Störungen der Luftströmung im Nahbereich der Arbeitsöffnung kann dann die Schutzfunktion der SWB reduziert und der Austritt von gefährlichen Partikeln aus dem Inneren der SWB in das Labor begünstigt werden. Die empfohlenen Verhaltensregeln ans Personal während des Arbeitens an der SWB erlangen in diesen Fällen eine noch größere Bedeutung. Insbesondere detaillierte und nachvollziehbare Beschreibungen, wie „langsame Bewegungen“ in der Praxis durchzuführen sind, existieren nicht. In der täglichen Arbeitsroutine ist das Personal somit auf das eigene „Gefühl“ angewiesen. In der Realität erfolgt die Prüfung des Personenschutzes an der Arbeitsöffnung einer SWB gem. DIN EN 12469 resp. DIN 12980, ohne dass der Mensch während der Prüfung anwesend ist (Abb. 1). 2 Material und Prüfmethoden 2.1 Ohne Störung Die Strömungsgeschwindigkeiten der BERNER FlowSafe® SWB wurden zunächst entsprechend den Herstellerangaben auf den spezifischen Betriebspunkt mit: 0,35 m/s Verdrängungsströmungsgeschwindigkeit und 0,44 m/s Lufteintrittsströmungsgeschwindigkeit eingemessen. Um das angestrebte Ziel, den Verlust der Schutzfunktionen, zu erreichen wurde dann die Lufteintritts- und Verdrängungsströmungsgeschwindigkeit der SWB solange stufenweise gem. NSF 49 reduziert bis die Schutzfunktionen nach Norm nicht mehr vorhanden waren (Abb. 3). Die Schutzfunktion der SWB bei reduzierten Strömungs- Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 19 Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken verhältnissen außerhalb des Betriebspunktes der SWB wurde bei allen Einstellungen mittels der mikrobiologischen Prüfung gem. DIN EN 12469 ermittelt. Um den Einfluss von externen Faktoren auf die Leistung bzw. Schutzfunktion der SWB zu prüfen, wurden während der Prüfung des Personenschutzes definierte Störobjekte vor und in der SWB platziert. Als Störobjekte dienten in diesem Forschungsprojekt: Eine Dummy-Puppe, zur Ermittlung des Einflusses der arbeitenden Person, ein Roboterarm, für Bewegungen in der Arbeitsöffnung und innerhalb der SWB und eine bewegte Platte, zur Simulation von Bewegungen außerhalb der SWB. 2.2 Störung „Person vor der SWB“ Als Störfaktor wurde eine Dummy-Puppe (Abb. 4) eingesetzt, die eine vor der SWB sitzenden bzw. arbeitenden Person simuliert. Diese wurde in der Mitte der SWB so positioniert, dass sie keinen Einfluss auf die aufgestellten Luftkeimsammler hat. Der Abstand von Kopf und Brust zur Frontscheibe wurde gemessen und der Sitzposition einer arbeitenden Person angepasst. Die Eindringtiefe der Arme der Dummy-Puppe in die SWB betrug 25 cm. 2.3 Störung „Bewegter Arm“ Um den Einfluss von Störströmungen innerhalb der Arbeitsöffnung und des Arbeitsraumes der SWB zu untersuchen, wurde ein Roboterarm als externer Störfaktor (Abb. 5) eingesetzt. Dieser war so konzipiert, dass er wie der Arm einer arbeitenden Person in einer Ebene bewegt werden konnte. Außerdem konnten reproduzierbare Bewegungsmuster realisiert werden. Der Roboterarm wurde mittig vor der SWB platziert und ragte 55 cm in den Arbeitsraum der SWB hin. Während der Prüfsequenz schwenkte er von der Mittenposition um ± 55° nach links bzw. nach rechts. Dabei bewegte sich der Arm zusätzlich um 11 cm aus der SWB heraus. Diese Bewegung ist der Schulterbewegung einer an der SWB arbeitenden Person nachempfunden. 2.4 Störung „Bewegter Mensch“ Eine sich bewegende Person wurde durch eine Platte simuliert, welche parallel zur Abb. 4: Störung „Person vor der SWB“ während der Prüfung des Personenschutzes. Abb. 5: Störung „Bewegter Arm in der Arbeitsöffnung und im Arbeitsraum“ während der Prüfung des Personenschutzes SWB vorbeilief und potentiellen Einfluss auf die Schutzfunktion der SWB nehmen konnte. Die Abmaße und Randbedingungen der bewegten Platte wurden der DIN EN 14175-3 „Robustheit der Rückhaltevermögens von Laborabzügen“ entnommen [14]. In Abbildung 6 ist der Versuchsaufbau zur Prüfung des Personenschutzes mittels mikrobiologischer Prüfung dargestellt. Die Startposition ist die Mitte der Lineareinheit auf der die 400mm breite und 1900mm hohe Platte montiert war. Diese war 40 cm von der Arbeitsöffnung der SWB entfernt. Von dieser Position fuhr sie ca. 80 cm über die Außenkanten der SWB hinaus. An der Endposition angekommen, fuhr die Platte nach einer Verweilzeit von 30 Sekunden wieder zur anderen Seite zurück. Während der gesamten Prüfung bewegte sich die Platte mit einer Geschwindigkeit von 1,0 ± 0,1 m/s parallel zur Vorderseite der SWB. 2.5 Theoretische Betrachtung mittels numerischer Simulation Parallel zur Prüfung des Personenschutzes wurde am IUTA die Strömungssituation als instationärer Vorgang mittels der numerischen Simulationssoftware FLUENT berechnet. Da sich durch die bewegte Platte das Rechengitter zeitlich veränderte, wurde zur Berechnung das sogenannte MDM (Moving Deforming Mesh) – Verfahren eingesetzt. Um die Arbeitsbedingungen möglichst realistisch nachzubilden, wurde 20 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Abb. 6: Störung „Bewegter Mensch vor der SWB“ während der Prüfung des Personenschutzes. zusätzlich zur bewegten Platte eine vor der SWB sitzende Person in das numerische Modell integriert. Abb. 7 zeigt in der Vektordarstellung die unterschiedlichen Beträge der Strömungsgeschwindigkeiten durch unterschiedliche Farben (blau: kleine Geschwindigkeit, grün: größere Geschwindigkeit). 3 Ergebnisse Detaillierte Ergebnisse sind Tabelle 1 und den Abbildungen 8 und 9 zu entnehmen. 3.1 Ohne Störung Die Leistungsgrenze der untersuchten SWB bzgl. des Personenschutzes liegt bei 0,19 m/s Lufteintrittsströmung und 0,09 m/s Verdrängungsströmung. Bezogen auf den Be- Dynamische Störungen Abb. 7: Bewegte Platte („Vorübergehende Person“) und sitzende Person vor der SWB im Simulationsraum (links) und zugehörige Geschwindigkeitsvektoren 4 s nach dem Start der bewegten Platte (rechts). triebspunkt (0,44m/s / 0,35m/s) ist somit eine theoretische Strömungsreduzierung um bis zu 57% bzw. 74% möglich. 3.2 Störung „Person vor der SWB“ Die Leistungsgrenze bzgl. des Personenschutzes mit einer starren Person als Stör- faktor vor der SWB liegt bei 0,19 m/s Lufteintrittsströmung und 0,13 m/s Verdrängungsströmung. Bezogen auf den Betriebspunkt ist eine theoretische Strömungsreduzierung um bis zu 57% bzw. 63% möglich. 3.3 Störung „Bewegter Arm“ Die Leistungsgrenze bzgl. des Personenschutzes mit dem bewegten Arm als Störfaktor liegt bei 0,24 m/s Lufteintrittsströmung und 0,15 m/s Verdrängungsströmung für die Bewegung nach rechts resp. 0,28 m/s Lufteintrittsströmung und 0,19 m/s Verdrängungsströmung für die Bewegung nach links. Bezogen auf den Betriebspunkt ist eine theoretische Strömungsreduzierung nur noch bis zu 45% und 57% resp. 36% und 46% möglich. Dies lässt den Schluss zu, dass die Armbewegungen ein Störpotential aufweisen. 3.4 Störung „Bewegter Mensch“ Die Leistungsgrenze bzgl. des Personenschutzes mit einer bewegten Person vor der SWB als Störfaktor liegt bei 0,38 m/s Lufteintrittsströmung und 0,25 m/s Verdrängungsströmung. Bezogen auf den Betriebspunkt ist eine theoretische Strömungsreduzierung um lediglich bis zu 14% und 29% möglich. Dies lässt den Schluss zu, dass Tab. 1: Leistungsgrenzen für den Personenschutz einer BFS® SWB und mögliches Strömungsreduzierungspotential mit und ohne Störung. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 21 Dynamische Störungen Abb. 8: Reduzierungspotential der Verdrängungsströmung bzgl. des Betriebspunktes, so dass die Schutzfunktion des Personenschutzes gerade noch vorhanden ist. Abb. 10: Auf der Rückseite der sich bewegenden Platte („Vorübergehende Person“) entsteht partiell ein Unterdruck mit einer lokalen mittleren Strömungs­ geschwindigkeit von 1-1,8 m/s (grüngelb-orange). Simulation unter www.berner-international.de/Forschung. Verlust der Schutzfunktionen einhergeht (Abb. 8, 9). Wenn der spezifische Betriebspunkt sehr nah an den Leistungsgrenzen lokalisiert ist, kann jede noch so kleine Veränderung in der Umgebung (z. B. Personenverkehr, Öffnen einer Tür) oder in der Arbeitsöffnung (z. B. Armbewegungen) zu einer Störung bis zum Verlust der Schutzfunktionen von SWB führen. Abb. 9: Reduzierungspotential der Lufteintrittsströmung bzgl. des Betriebspunktes, so dass die Schutzfunktion des Personenschutzes gerade noch vorhanden ist. die bewegte Person das größte Störpotential aufweist. 3.5 Strömungssimulation Störung „Bewegter Mensch“ Diese gemessenen Ergebnisse decken sich mit den Resultaten der numerischen Berechnung des Partikeltransportes vom IUTA. Im Bereich zwischen Arbeitsöffnung und Person wurden kleine, gegen Null strebende Geschwindigkeiten berechnet. Die Vergrößerung dieses Bereiches und die zusätzliche Darstellung der Geschwindigkeitsvektoren zeigen, dass die normalerweise in die SWB gerichtete Strömung sich umkehrte und aus der SWB heraus gezogen wird. Es besteht die Gefahr, dass freigesetzte Partikel in diesem Fall aus der SWB heraus in die Umgebung transportiert werden. Tabelle 1 zeigt die ermittelten Strömungsverhältnisse bei denen der Personenschutz der SWB noch gewährleistet ist. 4 Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Leistungsgrenzen einer SWB für den Personenschutz deutlich unterscheiden (Tab. 1). So können die Luftströmungen ohne Störung bis zu 74% resp. 57% bezogen auf den Betriebspunkt der hier untersuchten SWB reduziert werden, ohne dass dies mit dem 22 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Es wird dringend davon abgeraten, Luftströmungen pauschal zu reduzieren, um Schallpegel, Energieverbrauch, Vibrationen etc. zu verringern, ohne die spezifischen Leistungsgrenzen einer SWB zu kennen. Das Leistungsvermögen bzgl. der Schutzfunktionen bei SWB ist, je nach Konstruktion und Modell, völlig unterschiedlich. Dies belegen die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Leistungsgrenzen von Sicherheitswerkbänken“ hinreichend. Dies ist vor dem Hintergrund der realen durch den Menschen verursachten Störungen umso bedeutsamer [16]. Eine vor der SWB sitzende und sich nicht bewegende Person stellt im Grunde keine Störung hinsichtlich des Personenschutzes dar. Die Leistungsgrenze und das hiermit einhergehende Reduzierungspotential der Luftströmungen ist nahezu identisch mit der Konstellation „ohne Störung“. Der Grund liegt darin, dass die Luft in der Arbeitsöffnung und im Arbeitsraum nahezu ohne Störeinfluss strömen kann und die „Dummy-Puppe“ sich nicht bewegt. In der Realität führt der Mensch Bewegungen vor und in der SWB durch. Es war Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken festzustellen, dass die dynamischen Störfaktoren in Form von „Bewegter Arm in der Arbeitsöffnung“ und „Bewegter Mensch vor der SWB“ die Schutzfunktion des Personenschutzes relevant beeinflussen. geht (Abb. 3). Diese Voraussetzung gilt jedoch nur für den Fall, dass keine Person vor der SWB sitzt und arbeitet, sowie keine Person sich unmittelbar vor der Arbeitsöffnung der SWB bewegt. Als größtes Störpotential konnte der „Bewegte Mensch“ vor der SWB identifiziert werden. Hierbei konnte die Lufteintrittsströmung maximal um 14% und die Verdrängungsströmung bis zu 29% reduziert werden, ohne die Schutzfunktion zu verlieren. Wurde die SWB bzgl. der Luftströmungen relativ nahe resp. am Betriebspunkt betrieben, konnte allerdings die signifikante Störung in Form des „bewegten Menschen“ vor der SWB kompensiert werden. Die Realität zeigt jedoch, dass eine SWB in der Regel nie ohne äußere Störungen betrieben werden kann. Als das größte Störpotential konnte der „Bewegter Mensch“ vor der SWB identifiziert werden. Hierbei können die Luftströmungen nur noch bis zu 29% reduziert werden, bevor die Personenschutzfunktion außer Kraft gesetzt wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Hersteller den Betriebspunkt einer SWB so wählt, dass auftretende externe Störeinflüsse problemlos kompensiert werden können. Nur so können die Schutzfunktionen der SWB zu jeder Zeit aufrechterhalten werden. Die Strömungssimulation „Bewegter Mensch“ zeigte eine gute Korrelation mit den Ergebnissen aus der Personenschutzprüfung. Eine Störströmung ausgelöst durch einen partiellen Unterdruck direkt hinter der Platte kann Geschwindigkeiten bis zu 2 m/s (Abb. 10) erreichen. Die ohne Störung in die SWB hinein gerichtete Lufteintrittsströmung wird regelrecht aus der Arbeitsöffnung herausgezogen. Im Arbeitsraum freigesetzte Partikel werden in diesem Fall aus der SWB heraus und in die Umgebung transportiert. Dies zeigen die Ergebnisse der Personenschutzprüfungen und der Visualisierungsversuche (Video „Bewegter Mensch“). Zukünftig müssen die Anforderungen gem. DIN EN 12469 und DIN 12980 für die Prüfung der Schutzfunktionen von Sicherheitswerkbänken geändert werden. Für Hersteller von SWB gilt es, die spezifischen Leistungsgrenzen bzgl. des Personen- und Produktschutzes seiner SWB zu ermitteln. Der Betriebspunkt für die Lufteintritts- und Verdrängungsströmung ist so zu wählen, dass selbst signifikante Störungen, durch sich bewegende Menschen vor der Arbeitsöffnung kompensiert werden können. 5 Zusammenfassung Es konnte gezeigt werden, dass diverse externe Störfaktoren die Leistungsgrenzen und somit die Schutzfunktionen einer SWB beeinflussen. Der optimale Betriebspunkt der untersuchten SWB ist so gewählt, dass die Luftströmung ohne Störungen bis zu 74 % reduziert werden könnte, ohne dass dies mit dem Verlust der Schutzfunktionen einher- Liegt der Betriebspunkt aufgrund der Reduzierung der Luftströmungen jedoch zu nahe an den Leistungsgrenzen, besteht die Gefahr, dass die Schutzfunktionen einer SWB im alltäglichen Betrieb nicht mehr gewährleistet werden können. Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein Herabsenken der Luftströmungen in Verbindung mit der Bewegung des Menschen zu deutlich verringerten Schutz des Personals führen kann. Videos mikrobiologische Prüfung, bewegter Arm und bewegter Mensch können unter www.youtube.de Stichwort „Berner International“ betrachtet werden. Danksagung Wir danken dem IUTA e. V. und seinen Mitarbeitern für die hervorragende Zusammenarbeit in Rahmen dieses Forschungsprojektes und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie für die finanzielle Unterstützung. Autoren Dipl.-Ing. Sven Gragert Dipl.-Ing. Marcus Harder Dipl.-Ing. Thomas Hinrichs Dipl.-Ing. Berthe Kamdem Medom Berner International GmbH Mühlenkamp 6 25337 Elmshorn T 04121/4356-55 [email protected] www.berner-international.de Literatur [1] Hinrichs, T.: Sicherheitswerkbänke in Reinräumen: Eine elementare Schutzeinrichtung; labor & more; Succidia AG; 54-55; Darmstadt; 01.2009 [2] Hinrichs, T.: Sicherer Umgang mit biologischen Arbeits- und Gefahrstoffen; contamination control report; bw medien AG; 8-13; CH-Einsiedeln; 01.2007 [3] Hinrichs, T.: Sicherheitswerkbänke: Schutz vor biologischen Arbeitsstoffen und Gefahrstoffen; Reinraum Technik; GIT Verlag; 25-27; Darmstadt; 03.2006 [4] DIN EN 12469; Biotechnologie - Leistungskriterien für mikrobiologischen Sicherheitswerkbänke; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 09.2000 [5] DIN 12980; Laboreinrichtungen - Sicherheitswerkbänke für Zytostatika; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 06.2005 [6] NSF/ANSI 49; Biosafety Cabinetry: Design, Construction, Performance and Field Certification; Ann Arbor, Michigan, USA; 06.2009 [7] JIS K3800; Class II biological safety cabinets; Japan; 04.2009 [8] Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP e.V.): QuapoS 4: Qualitätsstandard für den pharmazeutisch-onkologischen Service; onkopress; Oldenburg; 01.2009 [9] Predel, B. et al.: Zytostatika - Pharmazeutische Grundlagen; Deutscher Apotheker Verlag; Stuttgart; 2003 [10] Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege: Zytostatika im Gesundheitsdienst, M620; Hamburg; 07.2009 [11] Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (BG Chemie); B 011 bzw. BGI 863: Merkblatt „Sicheres Arbeiten an mikrobiologischen Sicherheitswerkbänken“; Jedermann Verlag; Heidelberg; 09.2004 [12] Christiansen, S., Gragert, S., Hinrichs, T., Karpinska, R.: Leistungsgrenzen von Sicherheitswerkbänken; Onkologische Pharmazie, onkopress; Oldenburg; 12. Jahrgang; 01.2010 [13] Hinrichs, T.; Christiansen, S.; Karpinska, R.; Gragert, S.: Microbiological safety cabinets – Protective functions and their limits; Abstract for poster presentation; 15th EBSA Conference; Manchester, UK; 06.2012 [14] Jones, R., Stuart, D., et al.: The effects of changing intake and supply air flow on biological safety cabinet performance; Appl. Occup. Environ. Hyg. 5(6); 06.1990 [15] DIN EN 14175-3; Abzüge – Teil 3: Baumusterprüfverfahren; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 03.2004 [16] Hinrichs, T.; Gragert, S.; Kamdem Medom, B.: Safety Cabinets: The influence of dynamic interference factors on the safety function; Abstract for Poster Presentation; 55th Annual Biological Safety Conference; Orlando, FL, USA; 10.2012 Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 23 Kommentar des Herausgebers Kommentar des Herausgebers „Wer Stille strebt auf graden Wegen, dem kommt zuletzt das Ziel entgegen.“ Otto von Leixner Klaus Meier Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfließenden Ströme, die Weite des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst. (Confessiones, Augustinus) D ie Sicht der Dinge ist für den Ablauf des Lebens entscheidend. Ein weiteres Jahr ist um und ein neues hat begonnen. Der Lauf der Dinge scheint sich nicht zu ändern und dennoch gibt es Menschen, die sich der ständigen Vereinnahmung durch die alltägliche Selbstberuhigungsmanie widersetzen. 2012 wurde die Apothekenbetriebsordnung nicht nur in marginalen Punkten verändert, sondern wegen der propagierten Gefahren, die den Patienten durch vermeintlich unprofessionelle Arbeitsweisen seitens der Apotheken drohen könnten, die industrielle Arbeitsweise als Lösung auch für Apotheken angeordnet. Dass dieses Damoklesschwert nicht vollends herab fiel, war dem Einsatz vieler engagierter Menschen zu verdanken. Dennoch sind weitere Anstrengungen notwendig, um der nun folgenden praktischen Umsetzung unnötige Schärfen zu nehmen. Denn die auseinander driftenden Sichtweisen der Aufsichtsorgane scheinen eine industrielle Herstellungssicherheit aber weniger die pharmazeutische Versorgungssicherheit im Auge zu haben. Ein Meilenstein kann hierbei der pharmazeutisch-onkologische Fachkongress NZW-Dresden 2013 sein. Unter der Überschrift Arbeitssicherheit und pharmazeutische Herstellung unter Apotheken-Bedingungen für patientenindividuelle Parenteralia bietet die DGOP seit 5 Jahren ein Forum zur Findung nicht nur gemeinsamer Sprachlichkeiten. tung sondern ein Arzneimittelmanagement betreiben sollen. Die hierzu erforderliche Kompetenz von Apothekern und Apothekerinnen zeigt sich darin, auch unter sich verändernden Rahmenbedingungen an der Seite der Patienten zu bleiben, damit die richtige Medikation und das notwendige Wissen dazu ihre Patienten erreicht. Vor 3 Jahren haben wir aufgrund unserer Patientenumfrage erkannt, dass die Patienten, sobald sie orale Zytostatika einnehmen, sich mehrheitlich in ihrer Stammapotheke gut aufgehoben fühlen und nicht in spezialisierte Apotheken wechseln. Wir haben daraufhin alle Beteiligten angesprochen, unseren Vorschlag zur Adherenceunterstützung unterbreitet und bundesweit, insbesondere die Mitglieder der DGOP, zur Teilnahme an unserer Initiative Orale Zytostatikatherapie sicher und effektiv durch gemeinsame Beratung aufgerufen. Den 250 Informationsveranstaltungen werden sich zusätzliche Fortbildungen zur Verbesserung der Patientenberatung zu oralen Zytostatika anschließen. Die Kompetenz wird jedoch nicht durch Rabatte definiert, wie im „Kompass Gesundheitspolitik” als Lösung propagiert. „Heute fokussieren sich Patienten bei der Auswahl des Leistungserbringers auf die Qualität, weshalb zwischen den Leistungserbringern ausschließlich ein Kosten treibender Qualitätswettbewerb stattfindet”, monieren die Forscher. Sie fordern einen generellen PreisLeistungs-Wettbewerb im Gesundheitswesen - und zwar nicht nur bei Krankenkassen konstatiert Herr van Heuvel in einem doccheck-Kommentar Anfang Januar auf Basis einer Veröffentlichung der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) über Ergebnisse einer neuen Studie des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG). Die neue Apothekenbetriebsordnung sieht auch vor, dass Apotheken nicht nur Bera- Da man ja bekanntlich den Dieb zuerst im Nachbarhaus sucht, kann es nicht überra- 24 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Impressum Herausgeber: Klaus Meier, Soltau Verlag: onkopress, Theo-Mülders-Straße 92, 47918 Tönisvorst, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825 Chefredakteurin: Dr. Karla Domagk, Cottbus Fotos: Seite 57 oben: www.istockphoto.com/Knape, Seiten 35, 58 oben: www.istockphoto.com/Sasa schen, dass in einer Zeit, in der die Presse voll ist mit Berichten über Versorgungsengpässe, die unter anderem auch der Preispolitik im Gesundheitswesen geschuldet sind, von diesem Thema durch Benennung anderer Erlösfelder abgelenkt werden soll. Die von vielen Verbänden gemeldeten Versorgungsmängel bei Arzneimitteln und nicht zuletzt auch die von der DGOP angestoßene Informationspolitik hinsichtlich der onkologischen Präparate gegenüber Ministerium und Abgeordneten haben eine patientenbezogene Orientierung erreicht, die das Interesse der Patienten an stabilen wohnortnahen Versorgungsstrukturen zur Kenntnis nimmt. sequenzen und Vorschläge zum Handeln ist unsere Sache nicht. Diskussionen um erweiterten Mehrbesitz von Apotheken oder die Ausweitung des Anreizes bei Großpackungen tragen nicht zur Verbesserung der Patientenversorgung bei. Und es sieht manchmal so aus, als sei das Gesundheitswesen frei von Interessenvertretern für Patientenrechte. Auch Kenntnisse über Einschränkungen im Alter in Wahrnehmung und Gedächtnis scheinen nicht parat, wenn über mangelnde Einnahmegewährleistung berichtet wird. Ein Bericht ohne Kon- Wir haben die Kompetenz und den Willen. Wir haben beschlossen, uns mitverantwortlich zu fühlen und mehr zu tun. Deshalb arbeiten wir gemeinsam, veranstalten seit 20 Jahren pharmazeutischonkologische Fachkongresse ( NZW) und sind gewillt, uns als Patientenanwälte noch stärker einzubringen. Denn die bereits realisierten Qualifizierungsmaßnahmen, an denen allein mit der DGOP mehr als 400 Apothekerinnen und Apotheker und 900 PTA teilgenommen haben, sprechen eine klare Sprache. Redaktion: Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja Holsing, Köln; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem Potenberg, Berlin; Dr. Susanne Rau, Hannover; Thomas Schubert, Mönchen­gladbach; Wioletta Sekular, Tönisvorst; Dr. Gisela Sproßmann-Günther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine ThorWiedemann, Ravensburg. Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Universitäts­klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg; Carola Freidank, Hannover. Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungs­ anlagen sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf vertrauen, dass Autoren und Redak­t ion größte Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung. Ein Markenzeichen kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, auch wenn ein Hinweis auf etwa bestehende Schutzrechte fehlt. Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie Von Susanne Rau, Hannover U nter diese Überschrift hatte Prof. Dr. Bernd Meibohm, University of Tennessee Health Science Center, seinen Vortrag auf dem 20. NZW im Januar 2012 in Hamburg-Harburg gestellt. Vergleicht man allein die Molekülgröße eines herkömmlichen chemischen Wirkstoffs, z.B. Acetylsalicylsäure, mit einem kleinen Biological, z.B. hGH (humanes Wachstumshormon) und einem großen Antikörper, so stellen sich die Größenverhältnisse im Vergleich wie ein Fahrrad zu einem Kleinwagen und einem Verkehrsflugzeug dar (Abb. 1). Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Pharmakokinetik und -dynamik. tion, Distribution, Metabolisierung und Elimination von Wirkstoffen. Allerdings verläuft die Elimination eines Biologicals nicht nur auf dem gradlinigen Weg über die Niere und die Leber. Die Bindung an spezifische Antikörper hat erheblichen Einfluss, und auch die Bindung an die Rezeptoren und Zielstrukturen spielen bei der Pharmakokinetik von Proteinen im Die Pharmakokinetik beschreibt alle Vorgänge, die nach Applikation einer Arzneistoffdosis dessen Konzentration in verschiedenen Körperflüssigkeiten beeinflussen. Welche Effekte die Arzneistoffkonzentration auf die Wirkung und die Toxizität haben, wird durch die Pharmakodynamik als zweitem zentralen Paradigma der Klinischen Pharmakologie beschrieben. Die Pharmakokinetik umfasst die Vorgänge der Absorp- Permeabilität der Magen-Darm-Mukosa für solche großen Moleküle. Bei der extravaskulären parenteralen Gabe (i.m., s.c.) können präsystemisch im Gewebe schon Moleküle abgebaut werden. Die großen Proteinmoleküle werden entweder über die Blutkapillaren oder die Lymphbahnen aufgenommen, dies ist linear abhängig von ihrem Molekulargewicht. Trägt man die Substanzen entsprechend ihrem Molekulargewicht auf einer x-Achse und der Aufnahmequote in die Lymphe auf der y-Achse auf, so liegen z.B. Inulin, Cytochrome C und IFN alpha2a auf einer ansteigenden Gerade (Abb. 2). Abb. 1: Größenverhältnis zwischen herkömmlichem chemischen Wirkstoff, Biological und Antikörper. Nonlineare Pharmakokinetik von Biologicals Abb. 2: Absorption von Proteinen in Abhängigkeit vom Molekulargewicht Vergleich zu kleinen Molekülen eine größere Rolle und führen insgesamt zu einer häufig nonlinearen Kinetik dieser Moleküle. Absorption von Proteinen Die orale Gabe von Proteinen ist wegen ihrer geringen Bioverfügbarkeit kein geeigneter Weg, um Proteine in den Körper gelangen zu lassen. Dafür gibt es zwei Gründe: zum einen die hohe Proteaseaktivität im MagenDarm-Trakt und zum anderen die geringe 26 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Distribution in gesundes Gewebe und in Tumorgewebe Mit der Aufnahme ins Blut werden die Proteine im ganzen Körper verteilt. Ihr Austritt in die Gewebe erfolgt entweder parazellulär durch Poren zwischen den Endothelzellen oder durch die Endothelzellen hindurch (Transzytose). Triebkraft für den Übertritt ins Gewebe ist vor allem die Konvektion entlang eines Strömungsgradienten, weniger ihre Diffusion. Die Strömung entsteht durch den Abtransport der extrazellulären Gewebeflüssigkeit durch Lymphgefäße. Da Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie die Transferclearance vom Gewebe in die Lymphgefäße für Proteine sehr viel größer ist als die Transferclearance vom vaskulären zum Extrazellularraum, wird eine starke Sogwirkung auf die Proteinmoleküle im Extrazellularraum ausgeübt und ihre Konzentration dort bleibt niedrig. Der Übertritt von Proteinen aus dem Blut in gesundes Gewebe erfolgt durch Konvektion, Transzytose und Diffusion. Die Penetration in Tumorgewebe ist jedoch beeinträchtigt, da sich Tumorgewebe durch eine nicht so gut organisierte, undichte Blutbahnstruktur mit einer instabilen Durchblutung auszeichnet. Der Konzentrationsgradient zwischen Blutgefäß, Extravasalraum und Lymphe kann sich nicht so gut ausbilden. Dadurch kommt es zu einer erheblichen Behinderung des Austritts insbesondere der großen Proteinmakromoleküle aus den Blutgefäßen in das Tumorgewebe. Für kleinere Moleküle spielt dies keine Rolle. Unter dem Elektronenmikroskop lässt sich nach Anfärbung erkennen, dass die Verteilung des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab im Tumorgewebe nicht gleich ist. Die Antikörperkonzentrationen sind direkt an den Kapillaren angrenzend am höchsten, in anderen Gewebegebieten ist überhaupt kein Antikörper nachzuweisen. Auch die Tumorgröße spielt dabei eine Rolle. In großen soliden Tumoren mangelt es an funktionierenden Lymphbahnen, so dass die Interstitiumsflüssigkeit nicht ausreichend schnell abgeführt wird und sich der Druck in diesem Kompartment erhöht. Dieses wiederum führt zu einer effektiven Behinderung des Proteinaustritts aus dem Blutgefäß in das Interstitium. Bei kleineren Tumoren oder bei Mikrometastasen tritt dieses Phänomen noch nicht auf, so dass der Druck im Interstitium nicht so groß ist und die Makromoleküle daher vermehrt über die Konvektion ins Gewebe übertreten können. Elimination – Bedeutung von Endothelzellen, RES, Leber und Niere Applizierte Proteintherapeutika unterliegen im Körper denselben Abbaumechanismen wie körpereigene oder mit der Ernährung aufgenommene Proteine. Ihre Aminosäuren gelangen in den körpereigenen Pool und werden daraus zum Wiederaufbau von Proteinen verwendet. Zwischen der intakten Proteinstruktur und den Aminosäuren liegen aber Myriaden unterschiedlicher Metaboliten. Die nicht-metabolische Ausscheidung, z.B. biliär, ist dabei vernachlässigbar. Was biliär in den Magen-Darm-Trakt ausgeschieden wird, unterliegt dort der Proteolyse. Generell ist die Proteolyse entweder unspezifisch oder auf besondere Organe oder Gewebe beschränkt: besonders sind die Endothelzellen der Blutgefäße sowie phagozytische Zellen wie Makrophagen als Teil des RES (Retikuloendotheliales System) mit mehr als 1000 m 2 beim Erwachsenen an der Endozytose und dem anschließenden Abbau der Proteinmoleküle beteiligt. Proteine werden gewöhnlich nicht unverändert mit dem Urin ausgeschieden. Die Niere ist der Metabolisierungsort für kleine Proteine. Dies geschieht, indem sie glomerulär filtriert werden. Die Filtrationsrate ist für sie der die Ausscheidung bestimmende Schritt. Ob ein Protein glomerulär filtriert wird, hängt neben seinem Molekulargewicht auch von seiner effektiven Molekülgröße ab und wird ebenfalls von seiner Ladung beeinflusst. In der Rangfolge werden anionische Proteine in geringerem Maße als neutrale und diese schlechter als kationische Proteine glomerulär filtriert. Bei einem Molekulargewicht <5 kDa entspricht die Filtrationsrate annähernd der GFR, bei >30 kDa fällt die Filtrationsrate steil ab und bei einem Molekulargewicht >60 kDa werden die Proteinmoleküle gar nicht mehr glomerulär filtriert. Einfluss einer Nierenfunktionseinschränkung Auf der Basis von Theorie und klinischen Beobachtungen sind die Nieren wirklich nur für den Metabolismus kleiner Proteine mit <60 kDa von Einfluss. Es wurde auch tatsächlich kein pharmakokinetischer Effekt auf große Antikörper wie Bevacizumab oder Cetuximab (150 kDa) bei einer Nierenfunktionseinschränkung festgestellt. Andererseits lässt sich ein mit dem Grad der Funktionseinschränkung korrelierender Rückgang in der Clearance und ein Anstieg in der systemischen Verfügbarkeit von Proteinen mit einem MG unterhalb des Cut-offs von 60 kDa feststellen (Bsp.: IL-10 mit 18 kDa, Wachstumshormon mit 22 kDa, Anakinra mit 17,3 kDa). Bei Pegfilgrastim mit 39 kDa stellt man jedoch keine Veränderung fest, da es aufgrund seines durch eine Hydrathülle vergrößerten Molekülumfangs nicht glomerulär filtriert wird. Leber Neben den Endothelzellen und dem RES ist die Leber das Organ, das am Abbau größerer Proteine hauptsächlich beteiligt ist. Der Abbau beginnt im Normalfall durch Endopeptidasen, anschließend übernehmen Exopeptidasen den weiteren Abbau. All dies findet innerhalb der Leberzelle statt. Die Aufnahme des Proteinmoleküls in die Leberzelle ist also die Voraussetzung. Hierfür hat man in der Praxis drei Wege festgestellt: a) durch Pinocytose (Flüssigphasen-Endozytose), b) durch eine Rezeptor-vermittelte Endozytose durch relativ unspezifische, membranständige Leberzellrezeptoren (z.B. LDLR, LRP oder zucker-erkennende Rezeptoren, z.B. Mannose/Fucose-bindende C-Typ-Lektinrezeptoren; oder c) über die Target Rezeptor-gesteuerte Endozytose. Die Rezeptor-vermittelte Endozytose ist ein Eliminationsweg mit hoher Affinität für das entsprechende Protein. Die Zahl der Rezeptoren ist jedoch häufig begrenzt. Dadurch ist dieser Prozess schnell sättigbar und führt dann, abhängig von der Dosis, zu einer nonlinearen Pharmakokinetik (Bsp.: M-CSF). Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 27 Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie Arzneimittelwechselwirkungen mit Proteinen durch Beeinflussung von Rezeptordichte/-aktivitäten Tabelle: Proteintherapeutika in der Onkologie Handelsname Wirkstoff Indikation Zulassung Proleukin S Aldesleukin met. Nierenzell-Ca Dezember 89 Avastin Bevacizumab Mamma-Ca, Kolon-Ca Januar 05 Removab Catumaxomab maligne Ascites bei EpCAMpositiven Karzinomen September 11 Erbitux Cetuximab Kolon-Ca Juni 04 Zevalin Ibritumomabtiuxetan follikuläres Lymphom Januar 04 Yervoy Ipilimumab fortgeschrittenes Melanom Juli 11 Arzerra Ofatumumab CLL April 10 Vectibix Panitumumab Kolon-Ca Dezember 07 MabThera Rituximab Non-Hodgkin-Lymphom Juni 98 Beromun Tasonermin Weichteilsarkom April 99 Herceptin Trastuzumab Mamma-Ca, met. Magen-Ca August 00 Die meisten pharmakokinetischen Wechselwirkungen werden durch entzündliche oder andere das Immunsystem betreffende Prozesse ausgelöst: Die meisten berichteten Interaktionen betreffen den Entzündungsstatus des Körpers (durch den pharmakodynamischen Effekt des Arzneimittels auf das Immunsystem). Man weiß heute, dass CYP-Enzyme als Akutphasenproteine bei akuten Entzündungen im Körper nicht so stark exprimiert und in ihrer Aktivität herunterreguliert werden. Aranesp Darbepoetin-alpha Blutarmut Juni 01 Prolia Denosumab Knochenschwund bei Prostata-Ca Mai 10 XGEVA Denosumab Komplikationsprophylaxe bei Knochenmetastasen Juli 11 Erypo Epoietin alpha Blutarmut November 88 Neupogen Filgrastim Neutropenieprophylaxe und -therapie Juli 91 Granocyte Lenograstim Neutropenieprophylaxe und -therapie Oktober 93 INF, IL-6 und TNF-α inhibieren die hepatischen CYP-Enzyme und verursachen damit Arzneimittel-Zytokin-Wechselwirkungen. Beispielsweise hat hochdosiertes INFα2b einen substantiellen Effekt auf CYP1A2 (-60% Aktivität), auf andere CYPEnzyme jedoch nur einen geringeren oder gar keinen Effekt. Neulasta Pegfilgrastim Neutropenieprophylaxe und -therapie August 02 Fasturtec Rasburicase krebstherapiebedingter Harnsäureüberschuß Februar 01 Eine Beeinflussung der Dichte oder Aktivität von Rezeptoren, die in Eliminationsvorgängen von Proteinarzneimitteln eine Rolle spielen, wirkt sich potentiell auf die Clearance des Proteinarzneimittels aus. Methotrexat ist ein Beispiel für ein Molekül, das den FcgRI-Rezeptor herunterreguliert, was wahrscheinlich zu einer Verringerung der Clearance von Antikörper-basierten Arzneimitteln führt. Potentiell kann dieser Mechanismus für die reduzierte Ausscheidung (um 29-44%) von Adalimumab (Humira®) unter Methotrexat-Therapie verantwortlich sein. Zielzellen-vermittelte ArzneistoffVerfügbarkeit (target-mediated drug disposition) Bei der Betrachtung der Verstoffwechslung von Proteintherapeutika fällt besonders auf, dass die Wechselwirkung zwischen dem Proteintherapeutikum und der pharmakodynamischen Zielstruktur wesentlichen Einfluss auf die Verfügbarkeit des Arzneistoffs hat, sei es durch die Rezeptorvermittelte Verteilung oder die Rezeptorvermittelte Elimination. Beides führt zu Quelle: http://www.vfa-bio.de/vb-de/aktuelle-themen/arzneimittel-datenbanken-vb/amzulassungen-gentec.html einer nonlinearen Pharmakokinetik dieser Arzneimittel. Deutlich wird diese Nichtlinearität bei einem Vergleich der Abbauraten von Trastuzumab nach einer Gabe von Dosen über 1, 2, 3 und 4 mg/kg Körpergewicht (Tokumda et al.). Bitte in einen Kasten „Bei der Verstoffwechselung von Proteinen unterscheidet der Körper nicht zwischen Proteintherapeutika und diätetischen oder endogenen Proteinen.“ Prof. B. Meibohm (20.NZW) 28 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Einfluss des Krankheitsstatus auf Proteinarzneimittel mit Zielzellenvermittelter Arzneistoffverfügbarkeit Der Krankheitsstatus kann einen Einfluss auf die Anzahl verfügbarer Rezeptoren haben (über deren Dichte bzw. die Anzahl Zellen, die Rezeptoren exprimieren) und bestimmt somit die Clearance für mindestens einen von mehreren Eliminationswegen. Häufig identifizierte Kovariablen, die einen Teil der interindividuellen Variabilität in der Clearance von Proteintherapeutika bestimmen, sind z.B. Zellzählungen, Rezeptordichte, Zeitpunkt und Dauer einer Therapie. Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie Beispielhaft hierfür seien Omalizumab (Xolair®), Alemtuzumab (MabCampath®), Bevacizumab (Avastin®) und Trastuzumab (Herceptin®) als Proteintherapeutika genannt. Beispielsweise ist beim Alemtuzumab, das in der Therapie der B-CLL eingesetzt wird, die Zahl der Leukozyten ein starker Prognosewert für die maximale Eliminationsrate Vmax, denn der Zielrezeptor der Alemtuzumab-Therapie ist CD52, der auf Lymphozyten und Monozyten exprimiert wird, wie Mould et al. nachweisen konnten. Immunogenität Die Gabe eines Fremdproteins kann im Körper eine Immunantwort auslösen, indem Antikörper gegen das Fremdprotein gebildet wird (ADA = anti-drug-antibody). Beim Effekt b, der Erhöhung der Clearance durch die Bildung eines Immunkomplexes aus Antikörper und Proteintherapeutikum, triggert die Immunkomplexbildung das RES und führt zu einem verstärkten Abbau durch den neuen, zusätzlichen Abbauweg RES und zu einer Verkürzung der Eliminations- Mögliche Szenarien bei Gabe eines Fremdproteins: a) Durch die Immunantwort können neutralisierende Antikörper gebildet werden, die das Proteintherapeutikum abfangen und seine Aktivität komplett aufheben. b) Oder es bilden sich Protein-Antikörper-Komplexe, die die Clearance erhöhen und somit die Aktivität ebenfalls reduzieren. gerten systemischen Verfügbarkeit führt und eine längere Verfügbarkeit am Zielgewebe ermöglicht. Die Halbwertszeit des Protein­ therapeutikums erreicht dabei oft die des IgG. Dieses Phänomen wird häufig bei kleinen Proteintherapeutika angetroffen (z.B. bei Zytokinen und Hormonen). Bei ihnen wirkt die Bildung der Immunkomplexe stabilisierend, die Eliminationshalbwertszeit wird vergrößert durch die Verhinderung der glomerulären Filtration und des nachfolgenden tubulären Metabolismus. c) Oder es bilden sich Protein-Antikörper-Komplexe, die die Clearance verringern und somit sogar die Aktivität erhöhen können! „Die Vorhersagbarkeit des Ausmaßes und der klinischen Konsequenzen der Bildung von Protein-AntikörperKomplexen ist noch immer begrenzt, und die Bestimmung ihrer Auswirkung auf die Arzneimittelsicherheit bleibt auch weiterhin häufig Verlaufsstudien nach Markteinführung vorbehalten.“ halbwertszeit. Durch die Bildung der Immunkomplexe kann auch die Aufnahme ins Zielgewebe verhindert werden. Beim Effekt c, der Verminderung der Clearance durch die Bildung eines Immunkomplexes aus Antikörper und Proteintherapeutikum, wird kein Abbau des Immunkomplexes ausgelöst, sondern der Immunkomplex dient als Speicher für das Proteintherapeutikum. Dadurch wird seine Elimination verringert, was zu einer verlän- Prof. B. Meibohm (20. NZW) Literatur bei der Autorin. Autorin: Susanne Rau, Bischofsholer Damm 34, Hannover HINTERGRUND-INFORMATION Forderungen zum Gesundheitsschutz in Solarien Am 23. April 2012 fand in Berlin der internationale Workshop der European Society of Skin Cancer Prevention, EUROSKIN, 'Health Risks of Sunbed Use – Needs, Regulations and Perspectives' statt. Die Experten erarbeiteten folgenden Forderungskatalog: Abschaffung unbeaufsichtigter „Münzsolarien“. Durchführung von UV-Therapien nur in medizinischen Einrichtungen. Erstellung der Ausbildungsrichtlinien für Solarien sollen grundsätzlich nicht zur Solarienfachpersonal durch unabhängige Experten. Deckung des Vitamin-D-Bedarfs genutzt werden. Regelmäßige Kontrollen der Betreiber von Keine Ausbildung des Solarienfachperso- Solarien hinsichtlich der Einhaltung der UV-Schutz-Verordnung durch die zuständigen Behörden der Bundesländer. nals durch industrieabhängige oder -nahe Institute. Weitere Informationen erhalten Interessierte unter www.euroskin.eu Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 29 Risiken in der Software­entwicklung von Zytostatika- und Warenwirtschaftssystemen Risiken in der Software­ entwicklung von Zytostatikaund Warenwirtschaftssystemen Über die Überschätzung der Produktionsfähigkeit von Informatikern und die Unterschätzung der Risiken dabei produzierter Fehler. Von Henrik Justus und Frank Bartel, Uslar D ie gesetzlichen Anforderungen an die Softwareentwicklung im Bereich der Zytostatika-Herstellungs- und Abrechnungsprogramme haben in der Bundesrepublik Deutschland seit 2009 im Rahmen der Einführung der Arzneimittel-Rabattverträge mit 9,8 Millionen Vertragsdaten, der Einführung der standardisierten Datenschnittstelle FIVE-RX zum Transport des elektronischen Rezeptes zwischen Apothekenverwaltungssystemen und Apothekenrechenzentren und der 15. AMG-Novelle zu erheblichen Problemen bei den Softwareherstellern und -anwendern geführt. Zur Erinnerung: 2010 sollten den Krankenkassen mittels Hash-Code und FIVE-RXDatenschnittstelle die Herstellungsdaten übermittelt werden. Start: 01.Januar 2010. Das Problem: Die Warenwirtschaftssysteme konnten keine Software präsentieren, da zur Umsetzung nicht nur die FIVE-RXSchnittstelle sondern auch wichtige Daten fehlten, an die man nicht gedacht hatte (z.B. zweitgünstigster Einkaufspreis). genügend umsetzen. Es fehlte auch die „handwerkliche Qualität“. Beim Taxieren von Zytostatika-Lösungen konnten Fehler bei der Einpflege von Umrechnungsfaktoren zu Abrechnungsfehlern zu Ungunsten des Arzneimittelherstellers in bis zu 5stelliger Höhe führen. Diesen finanziellen Schaden mussten die Softwarehersteller ausgleichen, da eine erneute korrekte Abrechnung tatsächlich erbrachter Leistungen mit den Kostenträgern nicht möglich war. Die dann ausgelieferte Software wurde unter enormen Zeitdruck entwickelt und konnte die vertraglichen Anforderungen nicht Fehlte damals schon die Abstimmung aller Beteiligten in einem praxisnahen Zeitraum, so blieb diese Entwicklung erhalten: 30 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Die Übermittlung der Verwürfe und Herstellungszeiten über die Rechenzentren sollten am 01. August 2012 umgesetzt sein. Aber auch hier: die Vorgaben der Rechenzentren dauerten länger als geplant, die Auslieferung der Warenwirtschaftssysteme und unseres Zytostatikaprogramms Cypro erfolgte erst in letzter Sekunde. Damit es zu keinen „Interpretations-Spielräumen“ der Teilnehmer (Rechenzentren, Software-Häuser, Apotheken) kommt, bedarf es im Vorfeld zeitaufwendiger Recherchen und Gespräche zwischen diesen. Arbeiten unter hohem Termindruck werfen natürlich auch immer die Frage auf, ob alle Anforderungen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit richtig verstanden und dem entsprechend umgesetzt worden sind, wobei man dann leicht auch wieder bei dem oben erwähnten „InterpretationsSpielräumen“ landen kann. Wir machen uns deshalb ernsthafte Sorgen wegen der durch derartigen Termindruck entstehenden Risiken. Wenn Programmierer dazu genötigt werden, nicht getestete Programme frei zu geben, wie können wir dann sicher gehen, dass die Patientenparameter und Berechnungsparameter unter allen erdenklichen Bedingungen noch stimmen? Zurück zum Anfang: Offenbar ist es bisher nicht gelungen, sich mit den am Verhandlungstisch sitzenden Verbänden und Entscheidungsträgern über die Risiken dieser komplexen Änderungen bei der Softwareentwicklung und die notwendige Zeit zu verständigen, die die Softwareentwicklung braucht, um keine Bananensoftware zu entwickeln, die beim Kunden reift. Die Folge dieser Miss- oder Nichtverständnisse war, dass erneut nicht genug Zeit für eine Softwareentwicklung „lege artis“ blieb und unrealistische Termine gesetzlich festgelegt wurden. Dies geschah auf Kosten der Sicherheit der Patienten, der Zytostatika herstellenden Apotheken sowie der Softwarehersteller und ihrer Mitarbeiter, welche erhebliche Überstunden leisten mussten. Die hohe Anzahl von Updates bei Softwareherstellern im Rahmen der 16. AMGNovelle, die Probleme bei der Installation und die zahlreichen Fehler zeigen eines deutlich: Softwareentwickler können nicht zaubern, sind Menschen, die Fehler machen. Unnötiger Zeitdruck mindert die Qualität der Software und steigert die Risiken für alle Beteiligten. Das größte Risiko aber trägt der Patient! Wenn eine Software zur Unterstützung der Herstellung von Zytostatika umfangreich geändert wird, können Fehler in der Anwendung für den Patienten tödliche Folgen haben: So kann es zu Überdosierungen kommen, welche unter Umständen bei den verschiedenen Validierungsprozessen während des Herstellungsprozesses nicht auffallen! Der Softwarehersteller muss sorgfältig und qualitätsgesichert arbeiten, weil er für Schäden haftbar gemacht werden kann. Kommt es hier nachweislich aufgrund fehlerhaft programmierter Software zu Personenschäden, stellen die Haftungsfrage und der Umfang der Haftung des Softwareherstellers und des ZytostatikaHerstellers eine überaus komplexe juristische Herausforderung dar. Zytostatikalabore und Blisterräume reinraumsysteme Von der Planung bis zur Qualifizierung Zusammenfassung: Die Umsetzung der komplexen gesetzlichen Anforderungen an die Softwareentwicklung von Zytostatika-Herstellungs-, -Warenwirtschafts- und -Abrechnungsprogrammen in der Bundesrepublik Deutschland machen seit 2009 ein Risikomanagement aller Beteiligten, wie es in GMP geführten Betrieben Alltag ist, zwingend erforderlich. •innovativ •modular •wirtschaftlich Ein rücksichtsloses Durchsetzen von Zeitplänen durch fachfremde Entscheider wirkt sich massiv auf die Qualität aus. Daher: Wollen wir sparen oder Qualität? Wir bedanken uns hiermit sowohl bei Herrn Betram von ASYS sowie bei Herrn Knecht von Cypro, die an diesem Artikel mitgewirkt haben. Schilling engineering Industriestraße 26 D-79793 Wutöschingen + 49 (0)7746 / 92789-0 www.SchillingEngineering.de Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms Von Petra Jungmayr, Esslingen S eit drei Jahrzehnten kommt erstmals Bewegung in die Therapie des metastasierten malignen Melanoms. Standen bis vor kurzem nur einige wenige, kaum wirksame Zytostatika zur Verfügung, so erweitern heute neue zielgerichtete Wirkstoffe und immunologisch wirksame Substanzen die therapeutischen Möglichkeiten. Einige dieser neuen Wirkstoffe sind bereits zugelassen, weitere befinden sich in klinischen Prüfungen. In Deutschland sterben jährlich etwa 1365 Männer und 1135 Frauen an einem fortgeschrittenen, metastasierten Melanom. Im Vergleich zu frühen Krankheitsstadien, die mit einer guten Prognose einhergehen, ist das metastasierte Melanom eine äußerst aggressive Erkrankung mit mittleren Überlebenszeiten nach Diagnosestellung zwischen acht und achtzehn Monaten. Bis vor kurzem herrschte ein therapeutischer Nihilismus, da die bis dato bekannten Wirkstoffe nur marginale Effekte aufwiesen. In randomisierten Studien wurden Dacarbazin, Temozolomid, Carboplatin, Cisplatin, Paclitaxel, Vindesin und Fotemustin eingesetzt. Für keine dieser Substanzen konnte eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit gezeigt werden. Am häufigsten wurde das Alkylanz Dacarbazin verwendet, das als Standardtherapeutikum zur Behandlung des metastasierten Melanoms gilt. Die objektiven Ansprechraten liegen zwischen 5-12%, wobei nur einzelne Patienten dauerhaft ansprechen. Mit wachsenden Kenntnissen über die komplexe und unterschiedliche Tumorbiologie des Melanoms findet eine gezielte Entwicklung neuer Wirkstoffe statt. Bereits auf dem Markt sind der BRAF-Inhibitor Vemurafenib (Zelboraf®) und das Immuntherapeutikum Ipilimumab (Yervoy®). Weitere Wirkstoffe sind in der Erprobung oder stehen kurz vor der Zulassung. Hemmung der gestörten Signalkaskade In den vergangenen Jahren konnten verschiedene Melanom-Untergruppen charakterisiert werden. Bei 40 bis 60% aller malignen Melanome ist eine aktivierende Mutation in der Gencodierenden SerinThreonin-Protein-Kinase B-RAF (BRAF) nachweisbar, weitere Mutationen betreffen NRAS und cKit, die seltener auftreten. Die BRAF-Mutation beruht in den meisten Fällen auf dem Austausch der Aminosäure Valin durch die Aminosäure Glutamin an Position 600 (V600E). Das mutierte BRAFProtein hat eine erhöhte Kinase-Aktivität und führt zu einer vermehrten Aktivierung mehrerer Signaltransduktionswege, was ein unkontrolliertes Zellwachstum zur Folge hat. Dieser Signalweg kann mit BRAFInhibitoren unterbunden werden (Abb. 1). RAS = Rat Sarcoma; ERK = Extracellular-signalregulated Kinase; MAPK = Mitogen-activated Protein Kinase; MEK = MAP- oder ERK-Kinase (MAP-Kinase-Kinase); BRAF = Serin-ThreoninProtein-Kinase Abb. 1: Hemmung der Signaltrans­ duktions­wege beim Melanom [Quelle: Tumorzentrum Heilbronn-Franken] 32 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Beim malignen Melanom ist besonders häufig der MAPK-Signalweg betroffen, der über die nacheinander geschalteten Proteinkinasen RAS, BRAF, MEK und ERK das Zellwachstum reguliert. Vemurafenib Vemurafenib ist ein potenter, oral einzunehmender Inhibitor der mutierten BRAF, der im Februar 2012 europaweit für die Monotherapie zur Behandlung erwachsener Patienten mit einem nicht resezierbaren oder metastasierten Melanom und einer BRAF-V600-Mutation zugelassen wurde (Entwicklung Roche/Plexxikon). Voraussetzung für den Einsatz von Vemurafenib ist ein positiver BRAF-V600-Mutationsnachweis im Tumor, der in zertifizierten Testzentren bestimmt werden sollte. In Deutschland gibt es derzeit etwa zehn zertifizierte und validierte Testzentren, in denen die BRAF-Mutationsanalyse erfolgen kann. In der Zulassungsstudie (BRIM-3-Studie) wurde Vemurafenib mit Dacarbazin verglichen. Die ermittelten Daten waren im Vergleich zur Standardtherapie überraschend. So wurden unter anderem das progressionsfreie Überleben (5,2 Monate vs. 1,6 Monate) deutlich verlängert und die Ansprechrate erhöht (48,4% vs. 5,5%). Ferner wurde in einem Update eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (13,6 Monate vs. 9,7 Monate) gezeigt. Nebenwirkungen sind unter anderem Hautausschläge, Juckreiz, eine erhöhte Photosensitivität, Fatigue und Gelenkschmerzen. Ferner wurde das Auftreten niedrig-gradiger Hauttumore wie kutane Plattenepithelkarzinome oder Keratoakanthome beobachtet. Probleme bereitet die Resistenzentwicklung, so dass es derzeit keine Langzeitüberlebenden unter einer Vemurafenib-Therapie gibt. Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms Dabrafenib, ein neuer BRAFInhibitor Mit Dabrafenib (GlaxoSmithKline) befindet sich derzeit ein weiterer oral verfügbarer BRAF-Inhibitor in der klinischen Prüfung, der selektiv die Aktivität der BRAF-V600Kinase hemmt. Auch für die Behandlung mit Dabrafenib ist der Nachweis einer BRAF-V600E-Mutation mithilfe einer validierten Testmethode erforderlich. In der BREAK-3-Studie wurde Dabrafenib gegen Dacarbazin getestet. Die Therapie mit Dabrafenib führt zu höheren Remissionsraten und einem längeren progressionsfreien Überleben (5,1 Monate vs. 2,7 Monate) als die Chemotherapie mit Dacarbazin. In der BREAK-MB-Studie konnte die Wirksamkeit von Dabrafenib bei Hirnmetastasen gezeigt werden, die in Folge eines metastasierten Melanoms entstanden waren. Wahrscheinlich treten unter Dabrafenib weniger Nebenwirkungen auf als unter Vemurafenib, dies gilt vor allem für die Lichtempfindlichkeit und für die Entwicklung gutartiger Hauttumore. MEK-Inhibitor Trametinib BRAF-Inhibitoren hemmen den mutierten BRAF-Weg. Bei einem anderen, möglicherweise auch ergänzenden Ansatz wird die Hemmung des nachgeschalteten Proteins MEK verfolgt, die auch dann noch wirksam sein könnte, wenn eine Resistenz gegen BRAF-Inhibitoren vorliegt. So führte in der Phase-III-Studie METRIC der selektive MEK-Inhibitor Trametinib (GlaxoSmithKline) bei Patienten mit malignem Melanom und BRAF-Mutation zu einem signifikant längeren progressionsfreien und Gesamtüberleben als eine Chemotherapie mit Dacarbazin oder Paclitaxel. Kombination aus BRAF- und MEKInhibition Melanompatienten mit einer BRAF-V600Mutation sprechen zwar schnell auf eine Therapie mit BRAF-Inhibitoren an, allerdings kommt es bei der Mehrzahl der Patienten nach einigen Monaten zur Resistenzentwicklung gegen die BRAF-Hemmung Malignes Melanom (Quelle: Dr. Christian Öhlschlegel, St.Gallen). Neue S3-Leitlinie zum Melanom kurz vor der Fertigstellung Ende 2012 soll die neue S3-Leitlinie zum Melanom fertig gestellt sein. Sie trägt den Titel „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ und ist im AWMF-Register (AWMF = Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) unter der Nummer 032-024OL gelistet. Sie ersetzt die bisherige S2-Leitlinie von 2007. Derzeit ist die Konsultationsfassung vom 29.06.2012 einsehbar. Als Herausgeber wird das Leitlinienprogramm Onkologie der AWMW, der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und der Deutschen Krebshilfe e.V. genannt; federführende Fachgesellschaften sind die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) sowie die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO). Die Leitlinie umfasst in der Konsultationsfassung 276 Seiten. Geplant sind eine Langversion, eine Kurzversion sowie eine Patientenleitlinie. Die Gültigkeit der Leitlinie wird auf drei Jahre geschätzt. Am Zustandekommen der Konsultationsfassung waren 64 Autoren sowie 32 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt. und somit zu einem Wirkverlust. Die gleichzeitige Blockade der kompensatorischen Mechanismen mit MEK-Inhibitoren, die in derselben Signalkaskade, aber an einer unterschiedlichen Stelle angreifen, kann der Resistenzentwicklung entgegenwirken und die Sensitivität gegenüber BRAF-Inhibitoren über längere Zeit erhalten. Dieses Konzept wurde bereits in einigen Studien Die Leitlinie wurde nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Literatur und Ergebnissen internationaler Studien erarbeitet. Insgesamt werden 723 Literaturstellen aufgeführt. Die Leitlinie enthält rund 130 Empfehlungen oder Statements, bei denen jeweils der Level of Evidenz und/oder der Empfehlungsgrad sowie das Abstimmungsergebnis im Plenum (Angabe der Konsensstärke in Prozent) angegeben sind. Die Evidenzgraduierung entspricht dem Oxford-Schema (Level 1a bis 5). Die Empfehlungen reichen von A (starke Empfehlung mit der Formulierung „soll“) über B (Empfehlung mit der Formulierung „sollte“) bis O (Empfehlung offen; Formulierung „kann“). Die Leitlinie ist in vier große Blöcke gegliedert: Informationen zu der Leitlinie (u.a. Herausgeber, Kontakte, Autoren) Einführung (u.a. Geltungsbereich, Zielsetzung und Fragestellung, methodische Fragen) Konsentierte und abgestimmte Empfehlungen (der fachliche Teil der Leitlinie) Literatur mit Erfolg umgesetzt. So verlängerte die kombinierte Therapie mit Dabrafenib und Trametinib das progressionsfreie Überleben signifikant gegenüber einer Dabrafenib-Monotherapie. Auch die Kombination von Vemurafenib und dem MEK-Inhibitor GDC-0973 zeigte in einer ersten Analyse eine Tumorreduktion. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 33 Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms Immuntherapie mit Ipilimumab Ipilimumab (Bristol-Myers Squibb, Zulassung 2011) ist ein rekombinanter, vollständig humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Antigen (CTLA-4) auf der T-Zelle blockiert. Durch die Blockade von In einer anderen Phase-III-Studie wurden Ipilimumab plus Dacarbazin mit einer Dacarbazin-Monotherape verglichen. Auch hier führte Ipilimumab plus Dacarbazin zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens im Vergleich zur Monochemotherapie mit Dacarbazin (11,2 Monate vs. 9,1 Monate). Ipilimumab kann schwere im- Neue Therapien beim nicht BRAF-mutierten Melanom Beim diesjährigen ASCO wurden einige potentielle Behandlungsoptionen vorgestellt, die für Patienten mit BRAF-Wildtyp möglicherweise in Frage kommen. Diskutiert wurden die duale MET/Angiogenese-Hemmung bei NRAS-Mutation (Kombination des Tyrosinkinase-Inhibitors Sorafenib mit dem c-MET-Inhibitor Tivantinib oder ARQ 197). Pazopanib plus Paclitaxel in der Erstlinie beim fortgeschrittenen Melanom (Kombination von metronomisch ver- CTLA-4 werden Aktivierung und Proliferation von T-Zellen, Autoimmunität und die Antitumor-Immunität erhöht. Aus der Zulassungsstudie MDXO10-20 (mit den Armen Ipilimumab, einer Vakzine, Ipilimumab plus Vakzine) geht hervor, dass Ipilimumab im Vergleich zur Vakzinierung das Gesamtüberleben signifikant verlängerte (im Median von 6,4 auf 10,1 Monate) und das Ein- und Zwei-Jahres-Überleben nahezu verdoppelte (von 25% auf 46% bzw. von 14% auf 24%). Die meisten Patienten, die zwei Jahre nach Behandlung mit Ipilimumab noch lebten, profitierten auch weiter von der Therapie. abreichtem Paclitaxel mit Pazopanib. Pazopanib richtet sich als Multityrosinkinasehemmer gegen mehrere Rezeptoren (VEGF-R 1-3, PDGR-B und c-KIT), deren Expression und Aktivierung mit Metastasierung und Angiogenese assoziiert sind). Sequenztherapie mit Axitinib beim BRAF-Wildtyp (sequentielle Therapie mit Axitinib und Carboplatin/Paclitaxel). [Quelle: www.deutschekrebsgesellschaft.de] munvermittelte Nebenwirkungen hervorrufen (u.a. neurologische, kutane, gastrointestinale Nebenwirkungen, Hepatotoxizitäten und Endokrinopathien). Für das Nebenwirkungsmanagement wurden dezidierte Leitlinien ausgearbeitet. Da das Ansprechen auf Ipilimumab verzögert bis zu 12 Wochen und sogar Monate nach Therapiebeginn eintreten kann, wird die Beurteilung des Tumoransprechens auf Ipilimumab erst nach Abschluss der vier Applikationen empfohlen. • Robert C, et al. Ipilimumab plus dacarbazine for previously untreated metastatic melanoma. N Engl J Med 2011; 364: 2517-226. • Hauschild A, et al. Phase III, randomized, openlabel, multicenter trial (BREAK-3) comparing the BRAF kinase inhibitor dabrafenib (GSK2118436) with dacarbazine (DTIC) in patients with BRAFV600E-mutated melanoma. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl): abstract LBA8500. • Robert C, et al. METRIC Phase 3 Study: Efficacy of trametinib, a potent and selective MEK inhibitor, in progression-free survival and overall survival, compared with chemotherapy in patients with BRAFV600E/K mutant advanced or metastatic melanoma. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl): abstract LBA8509. • Long G et al. Dabrafenib in patients with Val600Glu or Val600Lys BRAF-mutant melanoma metastatic to the brain (BREAK-MB): a multicentre, open-label, phase 2 trial. The Lancet Oncology 2012; 13: 1087-95. • Flaherty TK, et al. Improved survival with MEK inhibition in BRAF-mutated melanoma. N Engl J Med 2012; 367:107-14. • Long G, et al. Phase II three-arm randomised study of the BRAF inhibitor (BRAFi) dabrafenib alone vs combination with MEK1/2 inhibitor (MEKi) trametinib in pts with BRAF V600 mutation-positive metastatic melanoma (MM). ESMO 2012, Abstr. LBA27_PR. • Gonzales R, et al. Phase IB Study of Vemurafenib in Combination with the MEK inhibitor, GDC-0973, in Patients (pts) with Unresectable or Metastatic BRAFV600 Mutated Melanoma (BRIM7). ESMO 2012, Abstr. LBA28_PR. • Fachinformation Zelboraf® (Februar 2012) • Fachinformation Yervoy® (Juni 2012) • www.b-raf.de/testverfahren/testzentren.html • www.awmf-online.org • www.leitlinienprogramm-onkologie.de • http://hautkrebs.wordpress.com Literatur: • www.rki.de • Chapman PB, et al. Improved survival with vemurafenib in melanoma with BRAF V600E mutation. N Engl J Med 2011; 364: 2507-16. • www.deutschekrebsgesellschaft.de • Chapman PB, et al. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl): Abstract 8502. 34 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 • www.slk-kliniken.de Buchbesprechung Buchbesprechung Rezension von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten Komplementäre Onkologie: Supportive Maßnahmen und evidenzbasierte Empfehlungen Von Jutta Hübner Schattauer Verlag 2012 461 Seiten ISBN: 978-3-7945-2853-0 € 69,- (Deutschland), € 71,- (Österreich) Schon in der Überschrift taucht auf, was in der komplementären Krebstherapie das Hauptproblem ist: die Evidenz der empfohlenen Maßnahmen. Apotheker und Ärzte tun sich oft schwer, gegenüber Patienten, die komplementäre Methoden in Betracht ziehen, glaubwürdig zu argumentieren und so fundiert zu- oder abzuraten. Hier bietet dieses Standardwerk, das jetzt in der 2. Auflage erschienen ist, die notwendige Unterstützung. Die Autorin, Dr. Jutta Hübner, bürgt als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft „Prävention und Integrative Onkologie“ der Deutschen Krebsgesellschaft, für die nötige Sorgfalt bei der Bewertung der Methoden. Obwohl das Werk mit 461 Seiten umfangreich ist, erlaubt das Inhaltsverzeichnis dank seines pragmatischen Aufbaus rasche Orientierung. An allgemeine Ernährungsempfehlungen für Tumorpatienten schließt sich ein Kapitel über Phytotherapeutika gegen Tumor- und Therapiefolgen an. Es orientiert sich an Symptomen, beispielsweise Appetitlosigkeit, Durchfall oder Klimakterische Beschwerden. Hier gibt es Verweise zu pflanzlichen und anderen „alterna- tiven“ Mitteln, die im Folgekapitel „Komplementäre Wirksubstanzen“ ausführlich in alphabetischer Reihenfolge von Aloe bis Zitrusflavonoide bewertet werden. Die systematische Darstellung umfasst postulierte Wirkungen, in vitro- und tierexperimentelle Daten sowie klinische Studien. Hier wird immer wieder deutlich, dass für zahlreiche Substanzen keine zuverlässigen Studien am Menschen existieren. Jeweils ein eigener Absatz behandelt Wechsel- und Nebenwirkungen sowie Kontraindikationen. An die zusammenfassende Bewertung jeder Substanz schließt sich jeweils ein Verzeichnis der wissenschaftlichen Literatur an. Im Kapitel „Komplexe komplementäre Verfahren“ werden Methoden wie Akupunktur, Homöopathie oder Yoga nur kurz gestreift – hier könnte man sich eine etwas umfassendere Darstellung vorstellen. Ganz am Schluss widmet sich die Autorin den „Schmuddelkindern“ der alternativen Szene mit umstrittenen Verfahren wie Cellsymbiosistherapie, Energiemedizin oder „Germanischer Neuer Medizin“. Wieso Massagen in dieser Kategorie auftauchen, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Das vom Verlag als „neu in der 2. Auflage“ angekündigte Kapitel zu komplementärer Medizin in der Palliativbegleitung fällt mit lediglich drei Seiten leider recht kursorisch und allgemein aus und wird der zunehmenden Bedeutung der Palliativmedizin nicht gerecht. Fazit: Ein wissenschaftlich fundiertes Werk zu Nutzen und Risiken komplementärer Substanzen und Verfahren, das bei aktuell auftauchenden Patientenfragen rasche Klärung ermöglicht und als Nachschlagewerk in jeder Apotheke liegen sollte. Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 35 KONGRESSBERICHT Jahrestagung der DGHO 2012 in Stuttgart Von Brigitte Hübner, Quedlinburg U nter dem Motto „Hoffnung aus der Grundlagenforschung“ fand die jährliche Tagung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie vom 19.-23. Oktober 2012 in Stuttgart statt. Die fast 5.000 Teilnehmer tauschten bei sonnigem Herbstwetter unter der Leitung von Kongresspräsidentin Frau Professor Else Heidemann aktuelle Erkenntnisse und Fortschritte in der Behandlung von Tumorerkrankungen aus. Zudem feierte die Gesellschaft in einem Medizin-historischen Symposium das Jubiläum „75 Jahre DGHO“. Themenschwerpunkte der DGHO-Tagung Evidenz und Ethik in der Hämatologie Grundlagen der Immunantwort Biologie des triplenegativen Mammakarzinoms Bedeutung alternder Stammzellen Neue Medikamente in der Pipeline Klärung molekularer Ursachen Molekular-stratifizierte Therapie beim NSCLC Einen Schwerpunkt der Tagung stellte der Paradigmenwechsel von der zellulären zu molekular-pathologischen Testung bei Tumorerkrankungen dar. So sollte mittlerweile eine EGFR (epidermal growth factor receptor)-Testung beim Bronchialkarzinom (NSCLC) Routine sein, wobei noch kein Biopsie-Goldstandard existiert. Eine EGFR-Mutation weist auf längeres Überleben und gutes Ansprechen auf eine Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren hin. Afatinib vs. Cisplatin/Pemetrexed in der First Line in einer Dosierung 40mg/d oder eine Cis­ platin-Pemetrexed-Chemotherapie (75mg/m2 plus 500mg/m2). Die Patientencharakteristika waren weitgehend ausgeglichen. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), ermittelt durch ein zentrales, unabhängiges Review. Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 11,1 versus 6,9 Monate (p=0,004). Bei 308 Patienten mit den häufigsten EGFR-Mutationen (del19/L858) betrug das mediane Überleben sogar 13,6 Monate (p<0,0001). Die objektiven Ansprechraten unterschieden sich ebenfalls erheblich und lagen bei 56 bzw. 23% (p<0,0001). Als häufigste Nebenwirkungen traten Hautausschlag, Juckreiz, Durchfall und Akne auf. Es bleibt anzumerken, dass die Behandlung mit Afatinib zu einem besseren allgemeinen Gesundheitszustand im Vergleich zur Chemotherapie führt und hinsichtlich Lebensqualität deutliche Vorteile aufweist. Der Tyrosinkinase-Inhibitor verlängert somit als first-line Therapie bei fortgeschrittenem Bronchialkarzinom mit EGFR-Mutation das progressionsfreie Überleben im Vergleich zur Chemotherapie signifikant bei gleichzeitig deutlich verbesserter Lebensqualität (1). © Stuttgart Marketing GmbH VOD-Prophylaxe mit Defibrotide Afatinib ist ein oral verfügbarer, irreversibler Tyrosinkinase-Inhibitor der erbB-1,-2 und -4 Familie, der in der LUX-Lung-3-Studie an 345 Patienten (2:1 Randomisierung) mit fortgeschrittenen NSCLC und nachgewiesener EGFR-Mutation untersucht wurde. Die Patienten erhielten entweder Afatinib 36 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Unter VOD (veno-occlusive disease) versteht man eine Lebervenenverschluss-Erkrankung, die auf einem sinusoidalen Endothelzellschaden, assoziiert mit Fibrinanlagerung beruht. Diese kann nach autologer oder allogener Stammzelltransplantation (HSCT), insbe- Jahrestagung der DGHO 2012 © DGHO Kongresspräsidentin Else Heidemann und wirkt dabei entzündungshemmend, antithrombotisch und antiischämisch (2). Met-Inhibition als neues Target in der Onkologie Die C-MET Rezeptor-Tyrosinkinase (mesenchymal-epithelial transition factor) und ihr Ein neuer selektiver c-MET-Hemmstoff, der sich gegenwärtig in der klinischen Entwicklung befindet ist Tivantinib (ARQ-197). Tivantinib besitzt potente Antitumor-Aktivität. Dies konnte an der Hemmung der Zellproliferation zahlreicher Zelllinien gezeigt werden (IC50=0,1µM). te in der Erlotinib/Tivantinib-Gruppe und 2,3 Monate in der Erlotinib/Placebo-Gruppe (p=0,24). Das mediane Überleben (14-Monate-Follow-up) lag bei 8,5 bzw. 6,9 Monaten (p=0,47). Die Kombination schien besonders effektiv bei Patienten mit Kras-Mutation, da die 15 behandelten Patienten ein PFS-Hazard- © DGHO In einer randomisierten, kontrollierten PhaseIII-Studie an pädiatrischen Patienten nach Stammzelltransplantation wurde die Wirkung einer VOD-Prophylaxe mit Defibrotide (25mg/kg/d, aufgeteilt auf 4 Infusionen à 6,25mg/kg über 2 hr) untersucht. In die Studie wurden 356 jugendliche Erwachsene (<18 Jahre) nach myeloablativer Konditionierung vor einer allogenen oder autologenen HSCT eingeschlossen. Primärer Studienendpunkt war das Auftreten einer VOD innerhalb von 30 Tagen nach Stammzelltransplantation. Dabei entwickelten 180 Patienten des DefibrotideArmes (12%) eine VOD, verglichen mit 176 Patienten des Kontroll-Armes (20%). Somit konnte gezeigt werden, dass durch eine Prophylaxe mit Defibrotide bei Hochrisikopatienten das Auftreten einer VOD signifikant (p=0,0488) gesenkt oder deren Verlauf deutlich gemildert werden kann. Das Auftreten von Nebenwirkungen war in beiden Studienarmen ähnlich, insgesamt wurde die Therapie gut vertragen. Defibrotide entfaltet schützende und stabilisierende Effekte auf das Gefäßendothel Ligand Hepatozytenwachstumsfaktor (HGF) spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation und Kontrolle der Gewebehomöostase. Der HGF/c-MET-Pfad ist ebenso an der Regulation von Zellwachstum, Angiogenese, Invasion und Metastasierung der Tumorzellen beteiligt Nach Ligandbindung dimerisiert c-MET und wird autophosphoryliert. Dies führt zur Aktivierung der Signaltransduktion mit MAPK, PI3K-Akt vsrc, SRC und STATProteinen. Die Hemmung des c-MET-Pfades ermöglicht somit eine neue Strategie in der Behandlung invasiver Tumore mit hohem metastatischem Potential. Blick auf die Posterwände Ratio von 0,18 (p=0,006) erzielten. Die Kombination Erlotinib plus Tivantinib ist in der Behandlung von NSCLC sicher, da Nebenwirkungen und Toxizitäten in beiden Gruppen ähnlich waren. Die Wirksamkeit der Therapie muss jedoch weiter untersucht werden (3). Best abstracts © DGHO sondere einer Hochdosistherapie mit Busulfan oder Cyclophosphamid, auftreten und ist aufgrund des Multiorganversagens meist mit einer sehr hohen Mortalität von ca. 90% verbunden. Die VOD ist gekennzeichnet durch Hyperbilirubinämie, Lebervergrößerung, Aszites (Flüssigkeitseinlagerung) und schnelle Gewichtszunahme (>5%). Eine Therapieoption besteht in der intravenösen Gabe von Defibrotide, welches ein aus Schweinedarmmukosa isoliertes Oligonucleotidgemisch darstellt. Blick in den großen Vortragssaal Tivantinib hemmt die c-MET über einen nicht-ATP-abhängigen Mechanismus, der das hohe Ausmaß an Kinase-Selektivität unterstreicht. Der Tyrosinkinase-Hemmer blockiert die Ligand-vermittelte c-METPhosphorylierung und somit die nachfolgende Signaltransduktionskaskade. Beim NSCLC ist eine c-MET-Rezeptor-Aktivierung mit schlechter Prognose und Resistenz gegenüber Tyrosinkinase-Inhibitoren assoziiert. In der randomisierten doppeltblinden MARQUEE-Studie wurde Tivantinib plus Erlotinib versus Erlotinib plus Placebo an 167 Patienten mit EGFR-naivem NSCLC geprüft. Die Patienten erhielten entweder orales Erlotinib (150mg täglich) plus orales Tivantinib (360mg zweimal täglich) oder Erlotinib plus Placebo. Die Behandlung wurde kontinuierlich über 28 Tage fortgesetzt. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Das mediane PFS betrug 3,8 Mona- Die von Gutachtern der DGHO prämierten „best abtracts“ beschäftigen sich mit individuellen Therapiekonzepten, Psychoonkologie und Stammzelltherapien, wobei wissenschaftliche Aktualität, Methodenqualität und klinische Bedeutung ausschlaggebend waren. Pschoonkologie: verbesserte Versorgung von Patienten mit kolorektalem Karzinom (V561) Die psychoonkologische Betreuung stellt ein wichtiges Element in der umfassenden Versorgung von Tumorpatienten dar. Da derzeit jedoch wenig Daten zu Bedarf, Akzeptanz und Organisation dieser Versorgung existieren, wurde diesen Fragen in einer Studie an 534 Patienten mit kolorektalem Karzinom nachgegangen. 26% der Patienten gaben dabei eine psychische Belastung, 14,8% eine Depression an. Insgesamt 52% der Patienten besaßen keine Kenntnisse zu pschoonkologischer Betreuung, wobei Patienten im ländlichen Raum besser informiert waren als Patienten aus der Stadt. Die beunruhigen- Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 37 Jahrestagung der DGHO 2012 © iStockphoto/Rolphus CLC) im Stadium III das progressionsfreie Überleben verbessern kann (GILT-Studie). den Daten dieser Patientenbefragung weisen auf ein großes Defizit in der Information psychisch belasteter Tumorpatienten über Möglichkeiten der gezielten Betreuung hin. NSCLC: keine konsolidierende Chemotherapie nach Radiochemotherapie (V562) In der Studie wurde geklärt, inwieweit eine konsolidierende Chemotherapie mit Cisplatin/Vinorelbin nach Strahlenchemotherapie bei Patienten mit Bronchialkarzinom (NS- Dabei erhielten 201 Patienten im Anschluss an die Radiochemotherapie entweder best supportive care oder eine Cisplatin-Vinorelbin-Chemotherapie. Die disease control rate (DCR), also Remission oder stabile Erkrankung, betrug für beide Arme 78,5%. Daraus lässt sich ableiten, dass die Radiochemotherapie eine hohe Kontrollrate ermöglicht, jedoch führt eine weitere anschließende Chemotherapie nicht zu einem verbesserten Ergebnis. Daher kann eine konsolidierende Chemotherapie nach Strahlenchemotherapie im Stadium III nicht empfohlen werden. GRID-Studie: Regorafenib nach Versagen von Imatinib und Sunitinib bei GIST-Tumor (V563) Viele Patienten mit GIST-Tumor sind auch nach medikamentöser Erst- und Zweitlinientherapie in gutem Allgemeinzustand, so dass sich die Frage nach einer weiteren Behand- lungsoption auftut. In der folgenden Phase III-Studie (GRID) wurde die Wirkung des oralen Tyrosinkinase-Inhibitors Regorafenib bei Patienten mit metasiertem bzw. nicht resektablem GIST-Tumor nach Progression unter Imatinib- und Sunitinib-Therapie untersucht. Das progressionsfreie Überleben betrug im Regorafenib-Arm 4,8 Monate gegenüber 0,9 Monate im Placebo-Arm (p<0,0001). Insgesamt führt Regorafenib bei intensiv vorbehandelten Patienten zu einer signifikanten Verbesserung der Krankheitskontrolle und des progressionsfreien Überlebens. Regorafenib erweitert somit die Therapieoptionen, wobei aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen die optimale Dosis noch zu ermitteln ist. Verbesserte Krankheitskontrolle durch allogene Stammzelltrans­ plan­tation bei NPM-1 positiven AML-Patienten mit intermediärem Risiko (V564) In der SAL-AML-Studie 2003 war die allogene Stammzelltransplantation von ei- Jahrestagung der DGHO 2012 nem verwandten Spender die empfohlene Therapieoption bei Patienten zwischen 18 und 60 Jahren, wenn ein geeigneter Spender zur Verfügung stand. In einem DonorNoDonor-Vergleich wurde der Einfluss der allogenen Stammzelltransplantation auf die Prognose der Patienten untersucht. Die rezidivfreie Überlebensrate betrug dabei 47% versus 72% (p=0,002). Zusammenfassend führt somit die allogene Stammzelltransplantation von einem Familienspender bei NPM1+-Patienten zu einer signifikanten Verbesserung des rezidivfreien Überlebens. Non-Hodgkin-Lymphom: verbesserte Krankheitskontrolle durch Hoch­dosis­therapie und autologe Stammzelltransplantation bei Patienten mit T-NHL (V565) Die meisten Patienten mit Non-HodgkinLymphom (T-NHL) werden mit CHOP oder CHOP-ähnlichen Therapieschemata behandelt. In dieser retrospektiven Studie an 113 Patientendaten wurde die Frage untersucht, inwieweit eine frühe Therapieintensivierung mit autologer Stammzelltransplantation (ASZT) die Prognose dieser Patienten verbessern kann. Bei Patienten mit peripherem T-Zell-Lymphom betrug die Rezidivrate nach kompletter Remission 15,1% für Patienten mit ASZT und war damit signifikant niedriger als für Patienten ohne ASZT (68,0%; p=0,0046). Die Überlebensrate war nicht signifikant unterschiedlich. Eine ähnliche Tendenz ergab sich für Patienten mit Angioimmunoblastischem T-Zell-Lymphom. Beim ALK-negativen anaplastischen großzelligem Lymphom (ALCL) war die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patienten mit ASZT signifikant besser (87,5 vs 21,8%,p=0,01). Insgesamt konnte in der Studie gezeigt werden, dass eine frühe Therapieintensivierung mit autologer Stammzelltransplantation eine Therapieoption für diverse Patientensubgruppen mit T-NHL sein kann. basan weiß, wo es lang geht. Literatur: (1) Yang et al. LUX-LUNG-3: A randomized open-label phase III study of afatinib versus pemetrexed and cisplatin as first-line treatment for patients with advanced adenocarcinoma of lung harboring EGFR-activating mutations. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.): Abstr. LBA 7500 (2) Corbacioglu et al.: Defibrotide for prophylaxis of hepatic-venocclusive disease in paediatric haemopoetic stem-cell transplantation. Lancet 2012; 379: 1301-09. (3) Markman et al.: A phase 3 randomized placebocontrolled study of ARQ-197 plus erlotinib versus placebo plus erlotinib in NSCLC with wild type epidermal growth factor receptor: mixed results. J Clin Oncol 2011; 29: 3307-3315. Autorin: Dr. Brigitte Hübner Harzklinikum Dorothea Chr. Erxleben GmbH Standort Quedlinburg Ditfurter Weg 24 06484 Quedlinburg 30 Jahre basan: Unsere Erfahrung ist Ihr Vorteil uns auf Besuchen Sie amburg, H ZW N . dem 21 Stand 2 3, 25. - 27.1.201 basan Portfolio: Ihr Vollversorger für den Reinraum und kontrollierte Umgebungen basan Service: Maßgeschneidert für Ihre Anforderungen basan Beratung: Mitarbeiter, die Sie kennen, verstehen und Lösungsfinder sind basan Logistik: Zuverlässige Lieferleistung, SAP-Bestellabwicklung, 4100 m² Hochregallager mit topmoderner Lagertechnologie basan Kooperationen: Starke und stabile Lieferanten- und Kundenbeziehungen basan GmbH the cleanroom division of VWR Versorgungssicherheit aus einer Hand Mönchhof-Gelände Donaustraße 1 65451 Kelsterbach Tel. +49 6107 9008-500 [email protected] www.basan.de Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 39 Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte Von Asadulla Garayev und Jens Büntzel, Nordhausen B ösartige Veränderungen der Haut im Gesichtsbereich treten im Vergleich zu anderen Tumoren der Region relativ häufig auf, so dass sie Gegenstand verschiedener Fachgebiete sind. Allen gemeinsam ist das Grundverständnis, dass ausschließlich durch eine chirurgische Resektion des Ausgangstumors mit einem entsprechenden Sicherheitsabstand die Grundlage einer erfolgreichen Behandlung gelegt werden kann. Mit Blick auf die aktuellen Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft fällt auf, dass es lediglich zur mikrografischen Chirurgie eine gegenwärtig gültige Fassung der S1-Leitlinie gibt, die Leitlinie zum malignen Melanom seit 2010 in Überarbeitung zu sein scheint. Die folgenden Ausführungen fußen deshalb neben diesen beiden Dokumenten auf einem Blick in die aktuelle internationale Literatur zu thematischen „Guidelines“, wie z.B. der britischen Fassung für das Basaliom, die allerdings auch schon aus dem Jahr 2008 stammt. Das chirurgische Selbstverständnis fußt hierbei auf solchen Ergebnissen wie dem der viel zitierten Studie von Avril et al. aus dem Jahre 1997. Hierbei wurde eine Strahlentherapie gegen die onkologischen und kosmetischen Ergebnisse der chirurgischen Versorgung verglichen und das Outcome jener chirurgisch behandelten Patienten wurde als deutlich günstiger beschrieben. Insgesamt schlossen die Autoren damals, dass man bis zu einer Größe von 4 cm im Gesichtsbereich immer eine chirurgische Resektion anstreben sollte. Basalzellkarzinome Das Basalzellkarzinom gilt als das häufigste der bösartigen Hauttumoren bei Menschen weißer Farbe. Es tritt besonders im lichtexponierten Kopf-Hals-Bereich auf. Mehrere Untersuchungen haben eine international steigende Inzidenz gezeigt. Als therapeutische Optionen kommen neben der chirurgischen Resektion die Bestrahlung von außen sowie Formen einer Kontaktbestrahlung in Frage. In der Regel sind sie auf besondere Lokalisationen wie das Augenlid oder den medialen Augenwinkel beschränkt, da hier Tab. 1: Indikationen zur mikrografischen Chirurgie Tumorlokalisation im zentralen Gesicht, d.h. Nase, Auge, Ohr und Lippen Tumorgröße, insbesondere bei Durchmesser > 2 cm Histologische Eigenschaften wie infiltratives Wachstum Unklare klinische Tumorränder Rezidivläsionen Perineurales oder perivaskuläres Wachstum störende kosmetische Veränderungen nach Chirurgie zu erwarten wären. Grundlage der chirurgischen Behandlung ist die mikroskopische Kontrolle des Resektionsrandes, der mit ausreichendem Sicherheitsabstand tumorfrei zu sein hat. Erstbeschreiber eines systematischen Vorgehens war 1941 der Amerikaner Mohs. Bis heute gilt sein Vorgehen als Standard in einzelnen Ländern und international wird die MohsChirurgie noch immer als Referenzmethode hinsichtlich der Ergebnisse in Tumor- und Rezidivfreiheit angesehen. Tabelle 1 fasst die Indikationen zur mikrografischen Chirurgie entsprechend der britischen Leitlinie für die Behandlung des Basalzellkarzinoms zusammen. In Tabelle 2 sind die moderneren Verfahren der mikrografischen Chirurgie abgeleitet aus der aktuellen deutschen Richtlinie zusammengefasst. Im Falle einer Rezidivsituation sollte grundsätzlich auf die genannten Verfahren der mikrografisch kontrollierten Chirurgie zurückgegriffen werden. Nach bestätigter in-sano-Resektion ist die erfolgreiche Tab. 2: Verfahren der mikrografischen Chirurgie Verfahren Vorteile Nachteile Mohs-Chirurgie: Schüsselförmige Exzision, Kryostatschnitte Vollständige Kontrolle Zeitnaher Wundverschluss Nicht reproduzierbar Fehleranfällig Münchner Methode: Horizontale Stufenschnitte, zylinderförmige Exzision, Kryostatschnitte Beurteilung des Gesamttumors Reproduzierbarkeit Aufwand Hohe Erfahrung des Beurteilers Weitere Methoden der Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie Tübinger Torte und Muffintechnik La Galette Square Procedere Quadrantentechnik Wallgrabentechnik Vertikale Stufenschnitte, ggf. mit Randbiopsien 40 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Abb. 3: Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte Epithese zur Defektdeckung nach Exenteratio orbitae k nach Joseph Plattenepithelkarzinom der Haut Abb. 1: Z-Plastik nach Joseph Für diese Patienten gelten ähnliche Grundsätze wie in der Behandlung des Basalioms. Auch hier ist die Resektion des Tumors in sano mit mikroskopisch kontrollierten Randschnitten die Methode der Wahl. Es wird eine schnelle Defektdeckung angestrebt. Im Gegensatz zu den Basaliomen muss mit einer lymphogenen Ausbreitung in die regionalen Halsgebiete gerechnet werAbb. 3: Epithese zur Defektdeckung nach den, so dass sich die Durchführung einerAbb. 4: Exenteratio orbitae Hautnekrose nach Neck Dissection bei Tumorinfiltration des kutanen Gewebes Neck Dissection anbietet. Im Falle einer erfolgreichen R0-Resektion besteht keine Indikation zu einer adjuvanten Bestrahlung. Malignes Melanom h Tagliacozzi Die Resektion des Primärtumors richtet sich beim malignen Melanom in der Regel nach der Dicke des Tumors. Die Leitlinie schlägt bei in-situ-Tumoren einen tumorfreien Bezirk Abb. 4: Hautnekrose nach Neck von 0,5 cm vor, bei einer Dicke von 1 mm ist Dissection bei Tumorinfiltration des dieser Abstand bereits 1 cm und alle anderen Abb. 5 kutanen Gewebes Melanome sollen mit 2 cm SicherheitssaumExzision der Hautnekrose am Hals und Präparation des gestielten Lappens mit Haut aus dem Thorax exzidiert werden. Gerade in Regionen des Kopf-Hals-Bereiches ist man hiermit nicht selten überfordert, zumal es bisher keine suffizienten Daten gibt, die einen Einfluss der Breite des Sicherheitsabstandes auf die Rate der Fernmetastasierung gezeigt haben. Abb. 2: Wanderlappen nach Tagliacozzi plastische Deckung des entstandenen Defektes, einschließlich des Wiederauf baus zerstörter knorpliger Strukturen sinnvoll. Dies geschieht nach den Grundprinzipien der rekonstruktiven Chirurgie. Auf eine Chirurgie der Halsweichteilstrukturen kann beim Basalzellkarzinom der Haut verzichtet werden, außer es liegen sonografisch vergrößerte Lymphknoten in dieser Region vor. Auf eine adjuvante Bestrahlung kann verzichtet werden. Ein wesentlicher Unterschied im therapeutischen Vorgehen beim Melanom liegt in der konsequenten Beurteilung und Therapie der regionären Lymphknoten. HauptmeAbb. 5: Exzision der Hautnekrose am thode ist dabei die sentinel node Technik, Hals und Präparation des gestielten d.h. es wird der Ausgangstumor mit einem Lappens mit Haut aus dem Thorax Abb. 6 radioaktiven Tracer umspritzt und anschlie-Defektdeckung nach Abschluss der Operation ßend im Falle einer Metastasierung dieser Tracer im Wächterlymphknoten (sentinel node) aufgespürt. Fällt der Nachweis des Sentinelknotens positiv aus, so sollte sich aus chirurgischer Sicht eine Lymphknotenausräumung anschließen. Allerdings muss auch hier festgehalten werden, dass suffiziente Daten dieser Maßnahme auf das Outcome der Patienten bisher kaum vorliegen. So sollte bei Durchführung der Lymph­knotenchirurgie besonderer Wert auf den Erhalt der Funktionalität gelegt werden. Im Halsbereich bedeutet dies die Durchführung einer modifiziert-radikalen Neck Dissection oder einer elektiven Neck Dissection, Abb. 6: Defektdeckung nach Abschluss der Operation Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 41 Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte so dass Strukturen wie der Nervus accessorius, die Arteria carotis externa oder der Musculus sternocleidomastoideus erhalten bleiben können. An eine Grenze gerät jede chirurgische Maßnahme bei multiplem Auftreten von Tumoren bzw. Satellitentumoren. Letztlich dürfte jedoch gerade in dieser Situation die subtile Exzision die einzige Chance des Patienten auf Genesung sein, da sowohl die Bestrahlung als auch systemische Therapien in ihrer Erfolgsrate der exakten Chirurgie bis heute unterlegen sind. Eine adjuvante Strahlentherapie ist aus unserer Sicht immer dann individuell zu diskutieren, wenn die chirurgischen Maßnahmen entweder nicht in vollem Umfang zumut- rzinom exulzerierend wachsend Abb. 7: Ohrmuschelkarzinom exulzerierend wachsend Z-förmige Schnittführung wurde durch Joseph inauguriert und ist heute noch Grundwerkzeug eines jeden Gesichtschirurgen (Abb. 1). Auch ein Umklappen des Lappens – Jospeh nennt es einen Frontwechsel des Lappens – sehen wir heute als Grundrepertoire an, insbesondere wenn wir im Bereich der Innenseite des Nasenflügels eine Rekonstruktion nach Tumorabtragung durchzuführen haben. Namen großer Chirurgen wie Dieffenbach (Lappenplastik), Reverdin und Thiersch (Hauttransplantation) oder Kirchner (Temporalislappen) weiß die moderne plastische Chirurgie als Vorväter noch heute zu würdigen. Allerdings sind auch Entwicklungen verlassen worden. So war bei der WanderlappenMethode ein Gewebeanteil von einer Ext- Abb. 8 Resektionsgebiet und entwickelter Lappen zur Defektdeckung Tradition plastischer Gesichtschirurgie Vor wenigen Jahren ist eine Faksimile-Auflage von Jopseh’s Nasenplastik und sonstige Gesichtsplastik erschienen, die sehr schön auf die lange Tradition der plastischen Gesichtschirurgen in Deutschland hinweist. Bereits 1856 hat Burow mit der „Methode der beiden Dreiecke“ eine erste Lappenplastik zur Defektdeckung beschrieben. Auch der Austausch gestielter Lappen über eine remität in das Gesicht verpflanzt worden. Nachdem die Ernährung des Transplantates nicht mehr durch die Extremität erfolgte, sondern das umgebende Gewebe, konnte die Extremität vom Gesicht getrennt werden und die eigentliche Defektdeckung erfolgte in der kommenden Sitzung. Moderne Gefäßanastomosen oder gefäßgestielte Lappen ersparen uns und unseren Patienten heute derartige heroische Eingriffe. Abbildung 2 zeigt als Beispiel den Tagliacozzi-Lappen in seiner Erstbeschreibung aus dem Jahre 1597 [http://books.google.it/books?id=5qg 1lwTm79cC&printsec=titlepage&source= gbs_summary_r&cad=0]. 42 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Nach ausgedehnten Resektionen kann eine Situation entstanden sein, in der eine zufriedenstellende Rekonstruktion des Gesichtes nicht mehr durch den plastischen Chirurgen gelingt. Epithesen sind dabei bereits seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Die Entwicklung der Epithetik hat nach dem ersten Weltkrieg einen deutlichen Schub bekommen. Heute wird im anglo-amerikanischen Sprachraum nicht mehr von der Epithese, sondern der „facial prosthesis“ gesprochen, was die Bedeutung dieses Hilfsmittels für den Patient und seine Funktionalität unterstreicht. Abbildung 3 zeigt eine Orbitaepithese, die nach Entfernung des Auges eingesetzt wird [© Klaus D. Peter, Gummersbach]. Abb. 9 Zustand nach Resektion und Defektdeckung Abb. 8: Resektionsgebiet und entwickelter Lappen zur Defektdeckung bar oder nur begrenzt erfolgreich waren (R1 bzw. Rx-Situation). Epithetische Versorgung Abb. 9: Zustand nach Resektion und Defektdeckung Während jüngere und bewegliche Patienten oftmals auf die implantatfixierten Epithesen angewiesen sind, kommt es bei älteren Patienten auf eine einfache Handhabbarkeit an. Diese kann mit einer selbstklebenden Epithese gegeben sein oder mittels der Befestigung des Hilfsmittels an der Brille. Wichtig ist in der Anpassungsphase immer eine klare Vorstellung von der gewünschten Gesichtskontur, eine ordentliche Kommunikation der Resektionsgrenzen sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Epithetiker und onkologisch verantwortlichem Arzt. Eindeutiger Vorteil einer Epithese ist die gute Beurteilbarkeit der Tumorsituation in Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte der Nachsorge, so dass wir uns gelegentlich zu einer vorübergehenden Nutzung der Epithese und einem Verschluss eines Defektes im späteren Verlauf entscheiden. Patientenbeispiele An Hand von drei Patienten möchten wir die chirurgischen Möglichkeiten der Resektion und Defektdeckung im Bereich des Gesichtes und sichtbaren Halses verdeutlichen. Patient 1 hatte nach einer ausgedehnten Neck Dissection bei einer Lymphknotenmetastase mit Einbruch in die Haut ausgeprägte Wundheilungsstörungen nach dem Ersteingriff. Abbildung 4 zeigt eine Haut- und Muskelnekrose bei erheblicher utende Metastase eines Nierenzellkarzinoms am Nasenflügel Abb. 10: Leicht blutende Metastase eines Nierenzellkarzinoms am Nasenflügel Hautlappens nachvollziehbar. Abbildung 9 verdeutlicht das onkologisch und kosmetisch zufriedenstellende Ergebnis für unseren Patienten. Patient 3 litt an einer Hautmetastase eines malignen Hypernephroms, die ständig zu Blutungen aus dem Bereich des rechten Nasenflügels führte. Palliatives Ziel unseres chirurgischen Vorgehens war ein Stoppen der Blutung, um den Patienten die letzte Lebenszeit unabhängig von ständiger HNOärztlicher Versorgung zu ermöglichen. Abbildung 10 zeigt den relativ unscheinbaren Ausgangsbefund. In der Abbildung 11 wird ein regionaler Lappen (bilobed-flap) aus dem Nasolabialbereich in das Gebiet der Resektion am Nasenflügel geschwenkt. Zehn Tage nach der Operation ist ein funktionell und Abb. 11 bilobed flap zur Defektdeckung aus dem Nasolabialbereich Patient 2 litt an einem ausgedehnten Karzinom der Ohrmuschel. Abbildung 7 zeigt einen Tumorbefall auf der Rückseite des Ohres und die geplante plastische Deckung des zu erwartenden Defektes. In Abbildung 8 werden die intraoperative Situation mit Resektion und die Ausbildung des dreiteiligen Literatur Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG): AWMF-Leitlinienregister 013/064: Mikroskopisch kontrollierte Chirurgie (MKC). Letzte Überarbeitung 03/2009 Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG): AWMF-Leitlinienregister 032/024: Malignes Melanom der Haut. In Überarbeitung Telfer NR, GB Colfer, CA Morton: Guidelines for the management of basal cell carcinoma. Br J Dermatol2008; 59: 35-48 Abb. Postoperatives Ergebnis nach zehn Tagen Abb. 11: bilobed flap zur Defektdeckung aus dem Nasolabialbereich Vernarbung der umgebenen Haut als Folge der Bestrahlung der Region. Über einen Lappen aus dem Gebiet des Musculus pectoralis major gelang es, sowohl eine muskuläre Abdeckung der großen Halsgefäße zu schaffen, als auch eine ausreichende Versorgung des großen Hautdefektes vorzunehmen (Abb. 5, 6) und rekonstruktiven Chirurgie gibt es einige Eckpfeiler zu beachten, die für eine optimale Versorgung des Patienten notwendig sind. Die Chirurgie in der Hand des erfahrenen Operateurs ist eine wertvolle Grundlage der Tumorbehandlung im vorgestellten Gebiet. ästhetisch ansprechendes Ergebnis in der Abbildung 12 dokumentiert. Zusammenfassung Dem erfahrenen Gesichtschirurgen stehen in der Behandlung maligner Veränderungen des Bereiches zwischen Gesicht, Ohr und äußerem Hals zahlreiche Möglichkeiten der Resektion und Defektdeckung zur Verfügung. Sowohl in der Indikation (Basaliome, Melanome, Plattenepithelkarzinome, Metastasen) als auch im Bereich der onkologischen Abb. 12: Postoperatives Ergebnis nach zehn Tagen Avril MF, A Auperin, A Margulis et al.: Basal cell carcinoma of the face: surgery or radiotherapy? Results of a randomized study. Br J Cancer 1997; 76: 100-106 Jospeh J : Nasenplastik und sonstige Gesichtsplastik nebst einem Anhang über Mammaplastik und einige weitere Operationen aus dem Gebiete der äusseren Köperplastik. Leipzig Curt Kabitzsch 1931 Autor: Oberarzt Dr. A. Garayev, Klinik für HNO-Erkrankungen, Kopf-Hals-Chirurgie, Südharz Klinikum Nordhausen gGmbH, Dr.-Robert-Koch-Straße 39, 99734 Nordhausen Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 43 Pressemitteilung PRESSE M I T T E I LU N G Moderne Chemotherapien beim mCRPC erfordern mehr Aufmerksamkeit für die Neutropenie B eim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) sind dank neuer Therapiestrategien wie der sequenziellen Chemotherapie mit Docetaxel und Cabazitaxel heute lange Überlebenszeiten möglich. Allerdings sind diese Behandlungen mit Nebenwirkungen behaftet. Besondere Aufmerksamkeit muss der Vermeidung einer febrilen Neutropenie (FN) gelten. Diese kann im praktischen Alltag durch den prophylaktischen Einsatz von Granulozyten-koloniestimulierenden Faktoren (G-CSF) verhindert werden. Anlässlich eines Symposiums in Leipzig beim diesjährigen Urologenkongress betonte Dr. Joachim Kleeberg, Stuttgart, dass diese Nebenwirkung niedergelassenen Urologen häufig noch nicht so geläufig ist und in Anbetracht der zunehmenden Anwendung der Chemotherapeutika mehr Beachtung erfahren sollte. Besonders bewährt zur Primärprophylaxe hat sich seiner Meinung nach der nur einmal pro Zyklus zu verabreichende pegylierte Granulozyten-koloniestimulierende Wachstumsfaktor (G-CSF) Pegfilgrastim (Neulasta®). Die Einmalgabe pro Chemotherapiezyklus bietet besonders den ambulant behandelten Prostatakarzinompatienten deutliche Vorteile. Den Patienten so lang wie möglich in der Therapie halten Für Patienten mit mCRPC, bei denen die Erkrankung trotz Docetaxel-Behandlung fortschritt, gab es bis vor kurzem keine weitere Therapieoption mit Überlebensvorteil. Dies hat sich seit der Verfügbarkeit von Cabazitaxel geändert. Nun ergibt sich jedoch die Frage, wie die neuen Optionen zu nutzen sind, damit der Patient so gut und so lang wie möglich in der Behandlung gehalten werden kann. „Docetaxel ist Standard für die Erstlinientherapie. Wir sollten uns den Patienten genau anschauen, um das weitere Vorgehen anzupassen“, erläuterte Dr. Stefan Machtens, Bergisch Gladbach. Speziell bei aggressiver Tumorbiologie und schlechtem Ansprechen auf die vorangegangene Hormontherapie wird vorzugsweise die chemotherapeutische Weiterbehandlung mit Cabazitaxel empfohlen. Die Substanz bezeichnete der Urologe als Mittel der ersten Wahl, wenn ein hoher Gleason Score (Gleason 8-10) sowie ein schlechtes PSA-Ansprechen auf die primäre Androgenblockade vorliegt, der Progress nach Docetaxel sehr schnell verläuft oder der Patient Docetaxel refraktär ist. Febrile Neutropenie – eine potentiell lebensbedrohliche Komplikation In der Zulassungsstudie TROPIC reduzierte Cabazitaxel das relative Sterberisiko der Patienten um 30% gegenüber der Behandlung mit Mitoxantron (HR 0,70; p<0,0001) (1). Ein medianes Überleben von 30 Monaten durch die Sequenz Docetaxel-Cabazitaxel eröffnet neue Aussichten für die CRPC-Patienten, so Machtens weiter (2). Allerdings entwickelten fast 8% der Patienten unter Cabazitaxel in der TROPIC-Studie eine febrile Neutropenie (FN) dritten oder vierten Grades. Dabei handelt es sich um eine ernsthafte Komplikation, die unbedingt berücksichtigt werden sollte, forderte Kleeberg. Wie gefährlich die FN sein kann, belegt eine Studie: Demnach stirbt einer von zehn wegen 44 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 einer FN ins Krankenhaus aufgenommenen Patienten - trotz entsprechender stationärer Therapie. Komorbiditäten steigern die Mortalitätsrate deutlich, so dass bei einer zusätzlichen Komorbidität eine Mortalität von 20% auftritt (3). Reduktionen der geplanten Dosis und/oder Verschiebungen des darauf folgenden Chemotherapiezyklus mit Verminderung der Dosisintensität sind keine Lösung. Im Gegenteil, so Kleeberg weiter, Dosiskompromisse gefährden erwiesenermaßen das Therapieziel. Proaktives Neutropenie-Management mit G-CSF-Einsatz von Anfang an „Im Compassionate Use Programm (CUP) wurde von Anfang an ein proaktives Nebenwirkungsmanagement mit entsprechendem G-CSF-Support gefahren, so dass die Rate an Nebenwirkungen wesentlich reduziert werden konnte“, erläuterte der Stuttgarter Urologe (4). Die Sorge, dass Patienten die Behandlung mit Cabazitaxel nicht ausreichend gut vertragen, sei bei entsprechender Aufklärung und regelmäßigem Monitoring unbegründet, schildert er seine eigenen umfangreichen Erfahrungen. Dazu gehöre aber auch zwingend der präventive G-CSFEinsatz bei gefährdeten Patienten. Bei einer Chemotherapie mit einem moderaten Risiko von 10 bis 20% empfehlen die Leitlinien der EORTC, patientenbezogene Faktoren wie das Lebensalter mit zu berücksichtigen, um das individuelle Gesamtrisiko beurteilen zu können (6). So ist bei über 65-jährigen Patienten, aber auch bei fortgeschrittener Erkrankung und/oder vorliegenden Komor- Pressemitteilung Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) in der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) Mit 505 Mitgliedern ist die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) heute die drittstärkste Arbeitsgemeinschaft in der DKG und kann bereits auf eine 40jährige Geschichte zurückblicken. biditäten die Gefahr größer, dass sie im Verlauf der Behandlung eine febrile Neutropenie entwickeln. Unter den verschiedenen Wachstumsfaktoren hob der Urologe Pegfilgrastim hervor: „Dieses bietet einen besseren Schutz und eventuell auch eine bessere Wirkung als Filgrastim. Dazu kommt noch der Vorteil, dass die Dosierungsschemata und Therapie-Tage nicht variieren“, erklärte Kleeberg. Um den Einsatz von Pegfilgrastim richtig zu gestalten, müsse nur einmal pro Zyklus und zwar 24 Stunden nach der letzten Chemotherapie-Dosis 6 mg subkutan verabreicht werden. Dabei ist es Kleebergs Auffassung nach wichtig, den Wachstumsfaktor bei entsprechendem individuellem Risiko ab dem 1. Zyklus der Chemotherapie an zu geben, da die größte Gefahr, eine febrile Neutropenie zu erleiden, während des ersten Therapiezyklus besteht (nach einer Pressemitteillung der Amgen GmbH). Quellen Bereits seit den 1970er Jahren bildete die dermatologische Onkologie einen eigenständigen Schwerpunkt der dermatologischen Tätigkeit mit wachsender Bedeutung, denn Hautkrebs und insbesondere das maligne Melanom nahmen stetig zu. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) berief deshalb zu Beginn der 1980er Jahre die Kommission Malignes Melanom. 1983 wurde das Zentralregister Malignes Melanom der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft gegründet. Eine Ausweitung der Aktivitäten erfolgte 1990 mit Gründung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie innerhalb der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). In der DKG ist die ADO für die Erarbeitung der S2-Leitlinien Basalzell-, Plattenepithel-, Merkelzell-Karzinom, Dermatofibrosarcoma protuberans, kutane Lymphome und KaposiSarkom verantwortlich. Unter Federführung bzw. Beteiligung der ADO stehen kurz vor Verabschiedung die S3-Leitlinien „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ und „Prävention und Früherkennung des Hautkrebses“. Die ADO arbeitet beim DGUV-Forschungsbegleitkreistreffen FB 170 - „Durch UV-Strahlung induzierte bösartige Hauttumore – Erarbeitung und Evaluation von versicherungsrechtlich relevanten Abgrenzungskriterien beruflicher gegenüber nicht beruflicher Verursachung“ aktiv mit. Vom 26.09. - 28.09.2013 findet bereits der 23. Deutsche Hautkrebskongress und zugleich Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie in Essen unter der Leitung von Professor Dr. Dirk Schadendorf statt. Auf der Homepage der ADO (http://adohomepage.de) ist ein Studien-Navigator zu finden. Nach Eingabe der Diagnose kann man anhand des Kurztitels den genauen Titel der Studie, die Stadien, die Therapiekategorie erfahren und interaktiv die Adressen der beteiligten Studienzentren herausfiltern. Ebenfalls an dieser Stelle ist der Download möglich für die von der ADO erstellte erste deutschsprachige App zur Berechnung des Tumorstadiums nach den aktuellen AJCC 2009 Kriterien beim Malignen Melanom. Nach Eingabe der Daten wie z.B. Tumordicke, Ulzeration, Mitosen, Lymphknotenstatus, Vorhandensein von Fernmetastasen in die App werden die TNM-Klassifikation, das klinische Stadium und die 5-Jahres-Überlebensrate errechnet. 1 de Bono et al., Lancet 2010, 376: 1147-54 2 Sartor et al., Proc ASCO 2011, #4525 Ziele und Arbeitsschwerpunkte der ADO: 3 Kuderer NM, et al. Cancer. 2006;106: 22582266 1.Förderung der dermatologischen Onkologie, Verbesserung und Kontrolle der Qualität dermato-onkologischer Patientenversorgung, Koordinierung wissenschaftlicher und klinischer Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz 4 Heidenreich A et al.,/Eur Urol 2012; 11 (Suppl): e128 5 Aapro MS, et al. 2010 update of EORTC guidelines for the use of granulocyte-colony stimulating factor to reduce the incidence of chemotherapy-induced febrile neutropenia in adult patients with lymphoproliferative disorders and solid tumours. Eur J Cancer.2011; 47(1): 8–32. 2.Organisation von Fortbildungsmaßnahmen (u.a. Durchführung jährlicher Tagungen, wie der Deutsche Hautkrebskongress) 3.Förderung der Zusammenarbeit und des Austausches von Informationen mit benachbarten Disziplinen und Fachgebieten 4.Initiierung und Durchführung qualitativ hochwertiger Studien zur operativem, adjuvanten und palliativen Therapie von Hautkrebs. 5.Erstellung dermato-onkologischer Leitlinien 6.Förderung und Etablierung von Hauttumorzentren Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 45 X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls Von Jürgen Barth, Gießen D ie Tumortherapie des 21. Jahrhunderts beinhaltet niedermolekulare Kinase­ inhibitoren (smKI = small molecular Kinase Inhibitors). Da sie idealerweise den oder die molekularen Treiber einer Tumorerkrankung treffen sollen, gelten sie als hoch spezifisch und zielgerichtet. Man musste jedoch bald lernen, dass es zu den mutierten, tumorfördernden Treibern auch Normalvarianten gibt. Wegen der nur relativen Spezifität der smKI werden auch diese getroffen, was dann für Toxizitäten sorgt, die zunächst nicht erwartet wurden und die bei neuen Stoffen auch nicht absehbar sind. Mit der Dauer des Einsatzes und dem Aufkommen neuer Substanzen, treten immer mehr und mit dem erstmaligen Vorkommen auch „exotisch“ erscheinende Nebenwirkungen auf. Dieser Beitrag1 beschäftigt sich mit derartigen, derzeit noch nicht allgemein bekannten Toxizitäten und einigen Supportivmaßnahmen. Toxizitäten der smKI Sämtliche Organe können von smKI toxisch geschädigt werden. So wirken die BCR/AblInhibitoren Dasatinib, Imatinib und Nilotinib auf die Normalvariante Abl in kontraktilen Myozyten, was für die beobachtbare Herzinsuffizienz verantwortlich ist. Lapatinib blockiert den physiologisch kardioprotektiven HER2/neu-Rezeptor, Sorafenib die RAF-Kinase und damit indirekt die für das zelluläre Überleben wichtige ER-Kinase (extracellular signal regulated kinase), Sunitinib hemmt die ribosomale S 6 Kinase (RSK6), wodurch in jedem der aufgezählten Fälle Kardiotoxizität die Resultante ist (Übersicht in 1). Toxizitäten anti-angiogen wirkender Substanzen Blutdruckerhöhung ist ein Klasseneffekt aller anti-angiogenen Wirkstoffe und wird teilweise als Biomarker für eine beginnende pharmakodynamische Wirkung diskutiert. Weitere potenzielle Nebenwirkungen sind venöse Thrombosen, Lungen­embolien, Wundheilungsstörungen und Schwindel. Recht neu gesellen sich Rhinitis und Epistaxis dazu. Diese entstehen durch eine veränderte Differenzierung des nasalen Epithels (2). Als Symptome zeigen sich eine nasale 1 Obstruktion, Rhinorrhö, Gesichtsschmerzen (im Nasenbereich), Geruchsverlust, Krustenbildung und purulente Sekretionen (2). Pathologisch (via Nasenendoskopie) zeigen sich ischämische Areale mit blass-blauer oder blass-weißer Mukosa auf der Septen- und der Nasenmuscheloberfläche sowie kleine Krusten. Des Weiteren findet man eine abnormale Nasenzytologie mit zahlreichen zilienreichen Zellen, viele Basal- und Schleimzellen, die allesamt blutkontaminiert sind, und es gibt inflammatorische Reaktionen mit Einwanderung polymorphonukleärer Neutrophile. Diese Veränderungen treten auch bei „indirekter“ anti-angiogener Therapie mit mTOR-Inhibitoren wie Everolimus auf. Prulière-Escabasse et al. berichten im konkreten Fall über den erwähnten Symptomkomplex im Rahmen einer Kombinationsstudie von Everolimus + Erlotinib/Gefitinib bei NSCLC (3). Abhilfen sind derzeit nicht bekannt. Ebenso unklar ist, ob eine prophylaktische Nasenpflege, bspw. mit Dexpanthenol-Nasensalbe, die pathologischen Veränderungen und daraus resultierenden Symptome abmildert oder verhindert. Schwankende Hämoglobinspiegel und Erythrozytose unter Sunitinib und Sorafenib Eine klinische Beobachtung sind steigende Hämoglobinspiegel und Erythrozytenzahlen Nach dem gleichnamigen Vortrag auf dem 11. NZW-Süd in Ravensburg 46 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 unter der Therapie mit Sunitinib und Sorafenib. Insbesondere bei Sunitinib sieht man ondulierende Werte in Abhängigkeit vom Dosierungsschema 4 + 2, was eine 4 wöchige Einnahme, gefolgt von einer 2 wöchigen Pause bedeutet (4 Wochen on – 2 Wochen off). Erklärt wird das von van der Veldt et al. mit der anti-angiogenen- und damit auch anti-VEGF-Teilwirkung jeder der Substanzen. Der Blutdruck steigt (s. o.), Hämatokrit und Plasmavolumen sinken. Letzteres geschieht durch einen „Albuminescape“ in Lunge, Herz, Leber, Niere und GI-Trakt, der im Median mit einer Größenordnung von 3 g/L angegeben wird. Summeneffekt dieses Phänomens: Hämoglobin, Hämatokrit und Erythrozytenzahlen steigen während der 4-on-Wochen und normalisieren sich während der 2 off-Wochen durch die Albuminrückverteilung. Diese Erklärung greift allerdings nicht für das per continuitatem einzunehmende Sorafenib. Unter diesem Medikament beginnt die Erythrozytose - wenn sie entsteht - nach 1 -2 Therapiewochen, mit einem Peak in Woche 4 bis 9. Van der Veldt et al. (4) deuten das als smKIEffekt und nicht als paraneoplastisches Syndrom. Obwohl bei den betroffenen Patienten das Serum-Erythropoetin (EPO) nicht erhöht war, wird über eine erhöhte Empfindlichkeit auf EPO-Effekte durch eine Kinasehemmung spekuliert. Möglicherweise entsteht durch die VEGF-Blockade eine „Rebound-Erythrozytose“ durch Stimulation der Hypoxie induzierbaren Faktoren (HIF) (4, 5). Radiation Recall Pneumonitis (RRP) durch Erlotinib Eine RRP zeigt sich als eine frühe inflammatorische Reaktion in der Lunge nach Bestrahlung (RTX) von Lunge, Brust und/ oder Ösophagus. Die Latenzzeiten können 1 - 6 Monate, in Einzelfällen auch 14 Monate nach RTX betragen. Onal et al. (6) be- X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls richten über einen weiteren Fall von RRP durch Erlotinib 4 Monate nach einer hypofraktionierten RTX mit 30 Gy. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Beweislage bisher sehr begrenzt ist (3 Fälle), sind aber der Ansicht, dass nach RTX vom Grundsatz her mit einer RRP unter einer Erlotinibtherapie gerechnet werden muss. Eine Radiation Recall Dermatitis scheint ebenfalls durch Erlotinib möglich (7). Medikamentös (mTOR-Inhibitoren) bedingte Pneumonitis als Biomarker für Stable Disease? Dabydeen et al. (8) diskutieren ob eine mTOR-Therapie assoziierte Pneumonitis - also medikamenteninduziert - eine Art Biomarker für eine positive klinische Korrelation bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC) sein könnte. Sie analysierten retrospektiv 46 Patienten mit mRCC: 21 waren mit Temsirolimus, 25 mit Everolimus behandelt, die Patienten wurden radiologisch und nach klinischen Symptomen ausgewertet. Von den 46 eingeschlossenen Patienten konnten nur 24 ausgewertet werden, weil von den anderen 22 entweder keine Bildgebung oder kein follow-up zu ermitteln war. 14 Patienten entwickelten pulmonale Abnormitäten, die mit arzneimittelinduzierten Pneumonitiden vergleichbar sind. Ohne statistische Signifikanz, war die Pneumonitisrate in der Everolimusgruppe höher als in der Temsirolimusgruppe. 7 der 14 Patienten blieben klinisch asymptomatisch, deren Befunde waren also nur radiologisch positiv. Eine stabile Erkrankung (stable disease) nach RECIST-Kriterien, zeigte sich bei 12 von 14 Patienten, die eine radiographische Pneumonitis entwickelten, verglichen mit 14 von 32 ohne Pneumonitis. Ein Progress zeigte sich bei 2 von 14 Patienten mit radiographischer Pneumonitis, im Vergleich zu 18 von 32 Patienten ohne Pneumonitis. Partielle oder komplette Remissionen wurden in diesem Patientenkollektiv gar nicht erreicht. Die Gesamtinzidenz der Pneumonitiden liegt in der Größenordnung anderer, größerer Phase III Studien. Die Autoren weisen darauf hin, dass die radiologisch detektierbaren Pneumonitiden früh auftreten – im Median 56 Tage nach Therapiebeginn. Sie unterscheiden sich von interstitiellen oder kryptogenen organisierten Pneumonien. Mechanistisch ist die Pathologie unklar. Es wird über direkte, toxische Arzneimitteleffekte, in der Folge mit autoimmuninduzierter lymphozytischer Alveolitis spekuliert. Tumorkontrolle und stable disease nach RECIST waren in der Patientengruppe mit Pneumonitis mit statistischer Signifikanz deutlich erhöht. Ob diese Phänomen als ein früher Biomarker zu werten ist, können nur prospektive Studien klären. Die Autoren sind sich der Präliminarität ihrer Beobachtungen und Schlussfolgerungen bewusst, warnen aber vor einem zu frühzeitigen Absetzen der mTOR-Inhibitoren (8). Thyreotoxizität Die Unterdrückung der Schilddrüsenfunktion ist eine relativ neuartige Toxizität von smKI. Lange Zeit galt sie als auf Sunitinib beschränkt. So wurden in den Zulassungsstudien von Sunitinib bei vier bis sieben Prozent der Patienten klinische oder biochemische Hinweise auf eine Hypothyreose gefunden (TSH-Erhöhungen). Bei einer Tagesdosis von 50 mg trat bei 36 % der Patienten nach durchschnittlich 50 Wochen eine persistierende, primäre Hypothyreose auf. Die Therapiedauer ließ das Risiko einer abnormen Schilddrüsenfunktion ansteigen. Bei zwei Patienten war szintigrafisch kein Schilddrüsengewebe mehr darstellbar (9). Der Grund dafür war auch bald detektiert: die Hemmwirkung von Sunitinib auf Appetitlosigkeit – was jedoch nicht als Altersdemenz fehlinterpretiert werden darf. Derzeit sind 11 smKIs bekannt, die negativen Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion haben können. Hierbei muss aber folgende Fallunterscheidung gemacht werden: 1. Präexistierender Hypothyreodismus Besteht vor dem Therapiebeginn mit Imatinib, Sorafenib oder Motesanib eine Schilddrüsenunterfunktion, so können die genannten Wirkstoffe eine Aktivitätserhöhung des T3 und T4 metabolisierenden Enzyms Typ 3 Deiodinase induzieren (11-15). Diese werden schneller abgebaut, so dass bei bereits substitutionspflichtigen Patienten die übliche Dosis nicht mehr ausreicht. 2. Normale Schilddrüsenfunktion vor Therapiebeginn mit einem smKI Bei Studien mit Sunitinib traten Schilddrüsenunterfunktionen mit einer Häufigkeit zwischen 32 bis 85% (9, 16-21), mit variablem Beginn 4 bis 94 Wochen nach Therapiestart auf (9, 20). Je nach Studie liegt die Inzidenz für Schilddrüsenunterfunktionen unter Sorafenib zwischen 18 und 67% (22, 23). Aber auch weitere smKI verursachen diese Nebenwirkung. So entwickelten in ei- Die dem Tumorabgeschlagenheitssyndrom (Fatigue) ähnelnde Symptomatik der Hypothyreose darf nicht mit dem tumoralen oder Chemotherapie induzierten Fatigue verwechselt werden! die (off-target) Kinase RET (rearranged in transfection) (10). Erscheinungsbilder einer Hypothyreose können sein: Leistungsminderung Schwäche Antriebslosigkeit Müdigkeit und leichtes Frieren Diese dem Tumorabgeschlagenheitssyndrom (Fatigue) ähnelnde Symptomatik darf nicht mit dem tumoralen oder Chemotherapie induzierten Fatigue verwechselt werden! Ältere Patienten klagen über depressive Stimmungen, Gedächtnisminderung und ner prospektiven Studie mit 64 Patienten mit einer CML 13% unter Imatinib, 50% unter Dasatinib und zu 22% unter Nilotinib einen Hypothyreodismus (24). Hierbei war die Inzidenz einer vorausgehenden, transienten Thyreotoxikose hoch (24). Ein TSH-Anstieg als früher Marker einer Schilddrüsenunterfunktion wurde auch unter Axitinib festgestellt (25). Der reine VEGF-Rezeptorenblocker Cediranib verursachte im Rahmen einer Studie in 45% der Patienten ebenfalls einen Hypothyreodismus (26). Von den RET-Kinase-aktiven smKIs abgesehen (Sunitinib, Vandetanib), bleibt der Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 47 X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls Wirkungsmechanismus der Schilddrüsentoxizität eher spekulativ. Neben einer vorausgehenden Thyreotoxikose geht man von direkt toxischen Effekten auf Thyrozyten und verminderter Aktivität der Thyroidoxidase (TPO) aus (21). Mechanistisch kommen folgende Gründe in Frage: jedem 3. Zyklus (45). Hamnvik empfiehlt etwas pragmatischer- eine prätherapeutische TSH Bestimmung und danach alle 4 Wochen für 4 Monate, danach alle 2-3 Monate (30). Eine medikamentös beeinträchtigte Iodidaufnahme (27) oder Crizotinib ist ein gegen das onkogene Fusionsprotein EML4-ALK (Echinoderm microtubule associated protein like 4 - anaplastic lymphoma kinase ) gerichteter smKI, der beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom mit einer Mutation dieser Rezeptortyrosinkinase Anwendung findet. Diese sog. ALK+NSCLCs machen 2 – 7% aller NSCLCs aus. Stimulation einer Hashimoto Thyreoditis (28), was aber sehr unwahrscheinlich ist, da die Prävalenz von anti-TPO-Antikörpern sehr gering ist (18, 27). Die i. weitesten Sinne antivaskulär/antiangiogen wirkenden Substanzen (Axitinib, Pazopanib, Sunitinib, Sorafenib, Vandetanib) verursachen eine Minderdurchblutung der Schilddrüse und dadurch eine rasche, pharmakodynamische Ischämie, die eine transiente Periode einer Thyreotoxikose nach sich zieht. Dem letzten Punkt widerspricht die klinische Beobachtung, dass eine Therapie mit dem anti-angiogenen, monoklonalen Antikörper Bevacizumab kaum mit Schilddrüsenunterfunktionen einhergeht. Im Rahmen einer pädiatrischen Studie mit Bevacizumab gegen primäre ZNS-Tumore entwickelten zwar 7 von 30 Kindern (immerhin 23,3%) einen Hypothyreodismus, allerdings waren diese Kinder hirnbestrahlt was auch diese Symptomatik auslösen kann (29). Die Konsequenz aus diesen Daten ist, dass Patienten unter anti-angiogener Medikation bezüglich der Schilddrüse proaktiv gemonitort werden müssen. Die Fachinformation von Pazopanib beispielsweise, empfiehlt eine prätherapeutische Bestimmung der Schilddrüsenwerte sowie eine engmaschige Überwachung auf Anzeichen und Symptome einer Schilddrüsenfehlfunktion während der Behandlung. Laboruntersuchungen der Schilddrüsenfunktion sollten regelmäßig durchgeführt und entsprechend der gängigen klinischen Praxis gehandhabt werden. Nach Wolter und Hamnvik soll zum einen THS als früher Marker einer Schilddrüsenunterfunktion und nicht T3/T4 bestimmt werden, weil der TSH-Spiegel bereits dann in die Höhe geht, wenn T3/T4 noch in der Norm sind. Wolter empfiehlt im Fall einer Therapie mit Sunitinib TSH-Bestimmungen an Tag 1+28 in den ersten 4 Zyklen, dann nur an Tag 28 nach Testosteon-Abfall durch Crizotinib Ein junger Mann (35 J) mit einem ALK+NSCLC fällt durch ungewöhnliches Fatigue, sexuelles Desinteresse und andere Symptome auf und wird eingehend untersucht. Das Resultat ist ein eklatanter Testosteronmangel. Es ist bekannt, dass 30% aller Männer unter anderen Krebstherapien erniedrigte Testosteronspiegel haben/entwickeln. Weickhardt und Mitarbeiter (31) untersuchten retrospektiv die Daten aller verfügbaren Crizotinib-Patienten. Die Analyse dieser Crizotinib-Population ergab: 100%, also alle Männer entwickelten diesen Hormonmangel. Mögliche Folgen sind: Verminderte Knochendichte Verminderte Muskelkraft Fatigue Depression Über welchen Mechanismus dieser Testosteronmangel induziert wird, ist derzeit unbekannt (31). Die Patienten sollten jedoch daraufhin gemonitort werden. Erhöhte Infektionsraten bei CML Patienten durch Dasatinib Dasatinib ist ein hochpotentes ATP-Mimetikum und Hemmstoff diverser Kinasen (u. a. Src/Abl) und damit ein effektives Therapeutikum bei Imatinib resistenter CML. Wie häufig, werden auch hiervon Off-Target Kinasen von ATP-Mimetika getroffen. Neutrophile gehören zum angeborenen Immunsystem und werden in Inflammationsgebiete oder in Bereiche verletzten Gewebes gelenkt/gelockt. Während reduzierte Neutrophilenaktivierung zu verminderter Immunabwehr führt, ist die Folge einer „Überrekrutierung“ ein chronisches Entzündungsgeschehen. Der erste Kontakt von Neutrophilen mit Endothelialzellen wird über Selektine vermittelt. Der nächste Schritt ist die Aktivierung durch G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) mittels Signaltransduktion. Der nächste Schritt ist, über eine intrazelluläre Signaltransduktion, eine Integrinaktivierung für das sog. Insideout-signaling. Durch die Einbeziehung der Integrine ist eine bidirektionale Kommu- Was resultiert aus einer Hemmung durch Dasatinib? Dasatinib verursacht: eine Blockade des „adhesionmediated respiratory burst“ und verhindert damit die Freisetzung von reaktiven Sauerstoffspezies. Inhibition anderer adhäsionsmediierter Funktionen. Dasatinib verursacht nicht: die TNF Signaltransduktion TNF induzierte Exozytose Heraufregulation von CD 11b eine Einschränkung im bakteriellen Killing eine verminderte Phagozytose Exozytose sekundärer Granula. Blockade der Aktivierung von Syk (Spleen tyrosine kinase) im Downstream unter Src Blockade einer Immunkomplexinduzierten Neutrophilenaktivierung 48 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Summeneffekt Dasatinib bewirkt: Eine Inhibition von Integrin- und Fc-Rezeptor abhängiger Neutrophilen­ aktivierung bei niedrigen Konzentrationen (9-50 nM) Syk-abhängige Zellfunktionen Reduktion von Chemotaxis und Adhäsion X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls nikation im Sinne eines Outside-in-signaling (der Integrine) die Folgereaktion. Über weitere intrazelluläre Signalwege erfolgen nun Migration, Phagozytose und der sog. „Respiratory Burst“ –also Immunzellen bedingter, oxidativer Stress mit reaktiven Sauerstoffradikalen. An diesen Prozessen sind auch Kinasen der Src-Familie und die Btk (Bruton`s Kinase) beteiligt. Diese werden vom Hemmspektrum des Dasatinib erfasst. Dasatinib hemmt: Abl, BCR-Abl, die SrcFamilien-Kinasen (SFK) Lyn, Fyn, Lck, Hck, Fgr, Blk, Yrk, c-Yes, wie erwähnt Btk, C-Kit, PDGFR, Eph-Rezeptoren. Die SFK Lyn, Fyn, Lck, Hck, Fgr, Blk, Yrk und c-Yes spielen bei der Neutrophilenaktivierung eine Rolle. Summarisch gesehen hat Dasatinib eine Hemmwirkung auf die Integrin- und Fc-Rezeptor-abhängige Neutrophilenaktivierung, bereits bei niedrigen Konzentrationen (IC50 = 9 – 50 nM) (32). Imatinib und NSAR: Es zeigte sich eine behinderte Aufnahme von Imatinib in CML-Zellen durch Ibuprofen und eine verbesserte Aufnahme von Imatinib in CML-Zellen durch Diclofenac. nac, jeweils einhergehend mit verminderter (Ibuprofen) und erhöhter (Diclophenac) Zytotoxizität in-vitro (34). Basierend auf diesen Daten wäre bei einer Imatinib-bedingten Schmerzintervention Diclophenac zu bevorzugen, da sich daraus auch eine erhöhte Anti-Tumoraktivität ableiten lässt. mTOR Inhibitoren – Mukositisähnliche Mundschleimhautdefekte Ein Klasseneffekt der mTOR Inhibitoren scheint die Induktion mukositisähnlicher Die Folge ist eine erhöhte Infektionsrate durch reduzierte Neutrophilenrekrutierung im entzündeten Gewebe. Phagozytose oder die Abtötung von Bakterien sind nicht negativ beeinflusst. Futosi et al. (33) diskutieren, ob dieses Phänomen bei Neutrophilen mediierten, inflammatorischen Erkrankungen genutzt werden kann. Periphere Mausneutrophile konnten mit Dosen von 5 mg/kg Maus an proinflammatorischen Reaktionen gehindert werden. Erhöhte Infektionsraten Kardiotoxizität Blutdruckerhöhung Thyreotoxizität Juckreiz Schwankende Hämoglobinspiegel Imatinib und NSAR Gemäß der Fachinformation von Imatinib kann eine Therapie recht häufig mit Muskelkrämpfen, Muskel- und Skelettschmerzen einschließlich Myalgien, Arthralgien, Knochenschmerzen, also Schmerzen i. w. S. einhergehen. Diesen kann eine Gabe von Schmerzmitteln (NSAR) notwendig machen. Stellt sich also die Frage, ob jedes NSAR gleich gut geeignet ist. Dieser Frage gingen Wang et al. nach. Imatinib wird aktiv in CML Zellen transportiert. Dies geschieht über den organischen Kationentransporter-1 (OCT-1, Organic Cation Transporter-1). Von 12 untersuchten NSAR waren 10 ohne Einfluss auf die OCT-1 Aktivität. Allerdings zeigte sich eine behinderte Aufnahme von Imatinib in CML-Zellen durch Ibuprofen und eine verbesserte Aufnahme von Imatinib in CML-Zellen durch Diclofe- davon entwickelten sich 11% bis zum Grad 3–4. OU anderer Ursache verlängerten sich unter der Everolimustherapie 30%. Bei 25% der Patienten wurde ein Widerauftreten von OU (= RCOU = recurrent and chronic oral ulcer) verzeichnet. Ein Risikofaktor für OU und RCOU war eine Vorbehandlung mit Zytostatika. Eine irgendwie geartete Chemotherapie in der Anamnese ließ die OU-Rate auf 80% steigen, verglichen mit 40% bei chemotherapeutisch unbehandelten Patienten. Gleiches gilt für Grad 3-4 OU. Diese lag bei vorbehandelten Patienten bei 15% im Vergleich zu 0% bei unvorbehandelten Patienten. Auch kombinatorische Effekte smKI Erythrozytose Mukositisähnliche Mundschleimhautdefekte Testosteon-Abfall Radiation Recall Pneumonitis Beispiele für Organtoxizitäten, die durch smKl verursacht werden können Beispiele für Organtoxizitäten, die durch smKI verursacht werden können Mundschleimhautdefekte zu sein. Sie werden als orale Ulzerationen (OU) bezeichnet, treten überwiegend an der non-malpighschen 2 Mukosa der Mundschleimhaut auf und sind sehr schmerzhaft. Vielfach sind Mundstellen betroffen, wo die Schleimhaut am Kiefer anliegt (z. B. Innenseite der Lippen). Ferté und Mitarbeiter monitorten prospektiv Patienten, die einer Everolimustherapie (mit Dosiseskalation) zugeführt wurden (35). Die Rate an OU betrug 72%, 2 Tiefste Schicht der Epidermis wirken sich negativ auf die OU-Rate aus. Patienten die eine Kombination mit Everolimus bekamen, hatten ein höheres OURisiko als monotherapeutisch behandelte Patienten (78% vs. 57%). Ein weiterer Risikofaktor ist der Performance Status (PS). Patienten mit PS1 hatten eine OU-Rate von 73%, verglichen mit 65 % bei Patienten mit PS0. Grad 3-4 Toxizitäten waren 19 % bei PS1 vs. 8% bei PS0. Auch war die OU-Dauer bei PS1 Patienten deutlich länger als bei PS0 Patienten. Mit steigen- Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 49 X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls der Everolimus-Tagesdosis (auch kumulativ) verkürzte sich die Zeit bis zum Auftreten von OU. Präventive Mundspülungen hatten faktisch keinen positiven Effekt auf das Auftreten und den Verlauf von OU/RCOU (35). Allerdings muss man darauf hinweisen, dass die verwendeten Spülungen ausschließlich entweder NaHCO3 oder Fluconazol oral waren. Die hohe OU-Rate von 72 % deckt sich in der Größenordnung mit anderen beobachteten OU aus Phase I Studien und deuten auf einen Klasseneffekt hin. So verursachten die mTOR-Inhibitoren Ever,- Temsi-, Defound Ridaforolimus in 54%, 89%, 45–78% und 79% OU aller Grade (35). Juckreiz Juckreiz, insbesondere medikamentös induzierter Juckreiz ist nicht selbstlimitierend, für den Betroffenen sehr quälend und löst eine Abwehrreaktion aus (Kratzen), die so schlecht beherrschbar sein kann, dass die physiologische Schutzbarriere durch dieses Kratzen zerstört wird. Von der belastenden Unbehaglichkeit abgesehen, bieten Kratzstriemen oder blutende Wunden eine Eintrittspforte für Keime. Die Folge sind Infektionen, ohne dass der Juckreiz dadurch abnimmt. Etwas Abhilfe bieten Antihistaminika (häufig zu schwach) und/oder topische oder systemische Kortikoide. Kortikoide werden wegen ihrer Nebenwirkungen auf Haut und System aber auch ungern verabreicht. Eine „Neuentdeckung“ ist die juckreizstillende Wirkung des NK1-Antagonisten Aprepitant. Zwar befinden wir uns damit weit im off-label Bereich, allerdings gibt es Situationen, in denen man für medikamentös bedingten Pruritus eine echte „Notbremse“ braucht (z. B. wenn man eine orale Dauertherapie nicht ab- oder umsetzen kann). Wie geht das? – Pathophysiologie Medikamentös bedingt, wird aus Keratinozyten der Stammzellfaktors (SZF) freigesetzt. Dadurch kommt es zu einer Mastzell­ akkumulation in der Haut. Die Mastzellen werden über ihren NK1-Rezeptor aktiviert, degranulieren und setzen damit Histamin frei. Dieser Schritt unterbleibt durch den NK1-Rezeptorantagonismus von Aprepitant (36-40). Aprepitant gegen Pruritus – Wie zu dosieren? Nach Santini, Rom wird Aprepitant zu 125 mg an Tag 1, gefolgt von 80 mg an den Tagen 3 und 5 gegeben (39). Ein deutsches Dosierungsschema sieht eine Gabe von 80 mg über eine Woche vor (41). Abschließend sei noch angemerkt, dass auch 5-HT 3 Antagonisten eine juckreizstillende Wirkung unterschiedlicher Genese haben, wie phänomenologisch bei chronischen Lebererkrankungen entdeckt wurde; (Übersicht in 42). Wie eingangs erwähnt, lernen wir fast monatlich neue Nebenwirkungen der smKI kennen. Gegen einige in diesem Beitrag noch exotisch erscheinende, unerwünschte Wirkungen gibt es – zumindest derzeit – keine befriedigenden Supportivtherapeutika. Sämtliche Organe können von smKI toxisch geschädigt werden! Literatur: 1. Barth J. Molekular zielgerichtete Therapien – gibt es sie wirklich? Krankenhauspharmazie. 2008; 29: 288-301. 2. 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Jahrgang | Nr. 1/2013 | 51 Vorstellung der German Pediatric Oncology Nurses Group (GPONG) Vorstellung der German Pediatric Oncology Nurses Group (GPONG) Von Carola Freidank und Katja Königstein-Lüdersdorff, Hannover D ie German Pediatric Oncology Nurses Group – GPONG – ist eine Arbeitsgruppe von Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pflegern, die in deutschen Gesundheitssektoren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen mit onkologischer Erkrankung versorgen. Die GPONG wurde 1995 gegründet und ist seit 1997 eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft der Konferenz onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege (KOK), die wiederum eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. Sektion B ist. Derzeit sind 45 Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger aus 21 pädiatrisch onkologischen Abteilungen ordentliche Mitglieder der GPONG. Die Mitglieder bringen unterschiedliche Kompetenzen ein, verfügen zum Teil über eine onkologische Fachweiterbildung, eine Fortbildung zur Praxisanleitung oder Palliative Care und übernehmen beratende oder/ und leitende Aufgaben sowie Funktionen in ihrem Tätigkeitsfeld. So ist ein bundesweites Netzwerk entstanden, dessen Mitglieder mittlerweile den virtuellen Raum einer Lernplattform zum kontinuierlichen gemeinsamen Austausch nutzen, weiterhin finden halbjährig Treffen in einem der beteiligten Zentren statt. Die inhaltliche Arbeit bewältigen die Mitglieder überwiegend außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die professionelle Pflege in der pädiatrischen Onkologie zu fördern und bundesweit konzeptionell abzustimmen. Zur professionellen Pflege zählen unter anderem die pflegerischen Interventionen zur Prophylaxe und Therapie der Nebenwirkungen aufgrund der Tumor­ therapien sowie die Begleitung, Beratung und Schulung von Betroffenen und ihren Familien, die palliative Pflege sowie Brückenpflege. Daraus leiten sich zahlreiche Aktivitäten der Mitglieder der GPONG ab. Eine Auswahl der Aktivitäten/Projekte: Entwicklung, Einsatz und Weiterentwicklung des „Wegbegleiter für Kinder und Ihre Eltern“, eine Loseblattsammlung ausgesuchter auf bereiteter Themen, die während aller Phasen der Behandlung für die Familien eine hohe Relevanz haben. Ausarbeitung des Ordners „Palliative Care, Hilfestellung zur Betreuung von Patienten und ihren Angehörigen“ für das pädiatrisch onkologische Behandlungsteam. Die Themen, die sich auf die letzte Lebensphase beziehen, sollen die Mitglieder des Versorgungsteams darin unterstützen, Menschen in dieser schwierigen Situation Halt, Sicherheit, Geborgenheit und Verbundenheit zu geben. Entwicklung von Empfehlungen zu pflegerischen Aspekten, wie die Mund- und Hautpflege oder komplementäre Maßnahmen in der Pflege. Spezifische Inhalte werden mit Experten, z. B. aus Pflegewissenschaft, Pharmazie und Medizin besprochen und vor der Einführung in den Zentren mit der Fachgesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) abgestimmt. Vision der GPONG Eine bundesweit abgestimmte und nachvollziehbare pflegerische Betreuung und Versorgung der pädiatrisch-onkologischen Patient(inn)en und deren Angehörigen unter Einbeziehung aktueller, pflegewissenschaftlicher Studien. 52 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 Organisation innerbetrieblicher Fortbildungen in den eigenen Abteilungen/ Zentren. Organisation oder Mitgestaltung von Pflegeveranstaltungen und Fachkongressen. Multiprofessionelle Vernetzungen und Zusammenarbeit (KOK; GPOH; Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie - PSAPOH; International Society of Pediatric Oncology – SIOP, Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie – DGOP). Vorstellung der German Pediatric Oncology Nurses Group (GPONG) Aktuell arbeitet die GPONG an einem „Wegbegleiter für Jugendliche und junge Erwachsene“, um den speziellen Anforderungen und Bedürfnisse der Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren gerecht zu werden. Die Bedürfnisse dieser Patientengruppe unterscheiden sich von denen der Kinder und älteren Erwachsenen. Die jungen Menschen sind auf dem Weg zum Erwachsensein oder gerade dort angekommen. Auf diesem Weg probieren sie Unterschiedliches aus und bedienen sich eigener sprachlicher Muster oder Merkmale. Die Erkrankung bringt wieder Unsicherheit in den sich gerade erkämpften Alltag. Hier können Pflegende Tipps und Ansprechpersonen benennen, beispielsweise zu den Themen Sport, Körperbildveränderungen, Sexualität oder Umgang mit Nikotin und Alkohol. In den Abteilungen vor Ort ist zu berücksichtigen, dass die Rahmenbedingungen während des Krankenhausaufenthaltes entsprechend angepasst werden (Aufenthaltsraum für Jugendliche und junge Erwachsene, Raumgestaltung und Raumausstattung, Regelungen zu den Begleitpersonen etc.) und Themen wie Freizeitgestaltung, Berufswahl oder Familiengründung in den Vordergrund rücken. Alle diese Themen haben einen hohen Stellenwert und können, wenn die jungen Menschen sich nicht wahrgenommen fühlen, zu einer mangelnden Adhärenz führen. Über die Auseinandersetzung mit den Themen, ist die GPONG mit der Gruppe der Long Term Survivors bzw. Junge-Leute-Seminar zusammengekommen und es ist eine anregende Vernetzung entstanden. Fazit kräfte ist notwendig, um den fachlichen Austausch zu fördern und zu optimieren sowie den Patient(inn)en und deren Angehörigen durch abgestimmte Empfehlungen und Informationsmaterialien Sicherheit zu vermitteln. Im Rahmen der Qualitätssicherung ist es erforderlich, die pflegerische Betreuung der Patient(inn)en regelmäßig zu reflektieren, zu optimieren und soweit wie möglich zu standardisieren. Die Zusammenarbeit mit anderen Berufs- und Arbeitsgruppen oder Berufsverbänden des Gesundheitswesens sowie mit Patienteninitiativen hat sich als äußerst effektiv und bereichernd erwiesen und fördert das interprofessionelle Verständnis. Politische Diskussionen über die Finanzierung von Behandlung und Pflege im Zusammenhang mit der Zunahme chronischer Krankheitsverläufe, wie der Krebserkrankung, sowie die Bedeutung von Qualitätsmanagement und Pflegekonzepten im Stationsalltag erfordern die Umsetzung einer systematischen und methodisch durchdachten Begleitung und Unterstützung der Patienten und ihrer Angehörigen. Damit die Empfehlungen der GPONG dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit genügen können, brauchen die GPONG-Mitglieder zeitliche Ressourcen und Unterstützung der Arbeitgeber. Autorinnen Carola Freidank (Leitungsteam GPONG) Katja Königstein-Lüdersdorff (Leitungsteam GPONG) [email protected] Mündliche Gruppen-Prüfung im Rahmen der PTA-Weiterqualifizierung: „PTA Onkologie (DGOP)“ Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden: am 11. November 2012 am 2. Dezember 2012 Baitz, Stefanie/Berlin Dick, Alexandra/Gelsenkirchen Driese, Nicole/Kassel Haberschuss, Sandra/Fürstenwalde Heinrichsrüscher, Jana-Marie/Delbrück Kemmerling, Kathrin/Mönchengladbach Rieks, Christina/München Ringk, Daniela/Fürstenwalde Aouamer, Julia/Braunschweig Feldmann, Carmen/Höxter Gessinger, Janine/Koblenz Haarlammert, Inge/Georgsmarienhütte Hülsmann, Tanja/Ibbenbüren Konya, Sandra/Georgsmarienhütte Lahrmann, Andrea/Ibbenbüren Mo, Suzanna/Ibbenbüren Der Aufbau und die Erweiterung des Netzwerkes pädiatrisch onkologischer Pflege- Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 53 Pressemitteilungen PRESSEMITTEILUNGEN DER DEUTSCHEN KREBSHILFE Aufbau der klinischen Krebsregister – Finanzierung geregelt D er Entwurf des Krebsfrüherkennungsund registergesetzes (KFRG) sieht vor, dass die Länder flächendeckende klinische Krebsregister einrichten sollen. Klinische Krebsregister sind fachlich unabhängige Einrichtungen, die alle wichtigen Daten, die im Verlaufe einer Krebserkrankung und ihrer Behandlung anfallen, erfassen. Sie dienen der Qualitätssicherung in der Versorgung krebskranker Menschen. Der Investitionsbedarf für den Aufbau der klinischen Krebsregister wird von den Ländern auf bundesweit ca. 8 Mio. Euro geschätzt. Die Gespräche zwischen Bund, Ländern und Deutscher Krebshilfe waren erfolgreich: Die Deutsche Krebshilfe e.V. (DKH) hat ihre Bereitschaft erklärt, 90 Prozent dieser Kosten – also 7,2 Mio. Euro – zu übernehmen. Die Länder tragen die verbleibenden 10 Prozent. Ausgangspunkt für den Gesetzentwurf ist der Nationale Krebsplan, den das Bundesministerium für Gesundheit im Juni 2008 gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzen- tren initiiert hat. Ziel ist ein effektives, aufeinander abgestimmtes und zielorientiertes Handeln bei der Bekämpfung von Krebs. Der Entwurf des Krebsfrüherkennungs- und Registergesetzes befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung. Es ist geplant, dass das Gesetz in der ersten Jahreshälfte 2013 in Kraft tritt. Weitere Informationen finden Sie unter: www.bundesgesundheitsministerium.de Neuer Präventionsratgeber: Krebsrisikofaktor Solarium Deutsche Krebshilfe informiert über Hautkrebsgefahr durch UV-Strahlen D ie UV-Strahlung in Solarien ist laut Weltgesundheitsorganisation potentiell ebenso krebserregend wie Asbest. Das Risiko, am besonders aggressiven „schwarzen“ Hautkrebs zu erkranken, verdoppelt sich, wenn Solarien bis zu einem Alter von 35 Jahren regelmäßig genutzt werden. „Die Deutsche Krebshilfe rät daher grundsätzlich davon ab, Solarien zu nutzen“, erklärt Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Menschen, die dennoch nicht auf künstliche Bräune verzichten wollen, bietet der neue Ratgeber eine Checkliste der gesetzlichen Mindestanforderungen, die in Solarien erfüllt sein müssen.“ krebs: UV-Strahlen, insbesondere künstliche aus Solarien“, betont Professor Dr. Eckhard Breitbart, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) und Mitglied im Fachausschuss 'KrebsFrüherkennung' der Deutschen Krebshilfe. Etwa 224.000 Menschen erkranken bundesweit jährlich neu an einem Tumor der Haut, 26.000 davon am besonders gefährlichen malignen Melanom, dem sogenannten „schwarzen“ Hautkrebs. Zunehmend wird dieser auch bei jungen Erwachsenen, insbesondere bei Frauen, diagnostiziert. Experten machen häufige Solarienbesuche für diesen Trend verantwortlich. „Bei kaum einer anderen Krebsart ist ein einzelner Risikofaktor so eindeutig für die Krebsentstehung verantwortlich und gleichzeitig so leicht vermeidbar wie beim Haut- Der Präventionsratgeber informiert ausführlich über die Vor- und Nachteile natürlicher und künstlicher UV-Strahlen, er gibt Tipps, den eigenen Hauttyp zu bestimmen und bie- 54 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 tet denjenigen, die nicht auf künstliche Bräune verzichten wollen, einen Solariencheck an. Dieser listet Mindestanforderungen an das Sonnenstudio, das Personal und das Bräunungsgerät auf, die unbedingt erfüllt sein sollten. Die Checkliste basiert auf der seit Anfang 2012 geltenden Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen künstlicher ultravioletter Strahlung (UVSV). Den Präventionsratgeber „Ins rechte Licht gerückt. Krebsrisikofaktor Solarium“ gibt es kostenfrei bei: Deutsche Krebshilfe, Postfach 1467, 53004 Bonn, Telefonnummer 02 28/ 7 29 90-0. Außerdem kann die Broschüre im Internet unter www.krebshilfe.de bestellt bzw. heruntergeladen werden unter http:// www.krebshilfe.de/praeventionsratgeber. Umsetzung der Neutropenieprophylaxe im Alltag Umsetzung der Neutropenie­ prophylaxe im Alltag – ein Projekt der ASORS D ie Arbeitsgemeinschaft „Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin” der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) hat unter der wissenschaftlichen Leitung von Professor Dr. med. Hartmut Link, Kaiserslautern, eine Patientendokumentation durchgeführt, die erfasst, wie die Neutropenieprophylaxe im „therapeutischen Alltag“ durchgeführt wird und inwieweit die Leitlinien in der Praxis befolgt werden. Alle internationalen Leitlinien empfehlen die prophylaktische Gabe eines Granulozyten-stimulierenden Wachstumsfaktors (G-CSF) bei Patienten, die eine Chemotherapie mit einem Risiko von mehr als 20% für das Eintreten einer febrilen Neutropenie (FN) bekommen. Zudem wird die Prophylaxe auch bei Patienten empfohlen, die eine Chemotherapie mit FN- Risiko von 10-20% erhalten, wenn zusätzliche Risikofaktoren wie fortgeschrittene Erkrankung, höheres Alter oder eingeschränkter Allgemeinzustand vorliegen. In einer epidemiologischen Erhebung bei den Indikationen Mammakarzinom, Bronchialkarzinom und maligne Lymphome wurden die Daten von knapp 2000 Patienten aus Kliniken und Praxen erfasst. „Es zeigte sich, dass viele Patienten, die laut Leitlinien unbedingt eine Primärprophylaxe mit G-CSF zur Vermeidung einer febrilen Neutro­ penie erhalten sollten, diese im Alltag nicht bekommen“, kommentierte Link die ersten ausgewerteten Ergebnisse auf einem Fachpresseworkshop. gehalten werden. Detaillierte Ergebnisse und Analysen dieser interessanten Untersuchung werden beim ASORS-Jahreskongress am 12./13.04.2013 in Berlin vorgestellt werden. Informationen zum Kongress finden Sie unter www.kongresseonline.de/asors_2013. Autorin: Dieser Effekt war besonders ausgeprägt bei Patienten mit einem Bronchialkarzinom (s. Tab. unten). Am besten wurden die Leitlinien bei Patienten mit Lymphomen befolgt. Im weiteren Verlauf der Auswertung sollen nun Faktoren evaluiert werden, die dazu führen, dass die Leitlinien nicht ein- Dr. Petra Ortner, für die ASORS Quelle: Fachpresseworkshop Supportivtherapie am 8. November 2012 in München. Tab.: Chemotherapie des Lungenkarzinoms: Erfolgte G-CSF-Prophylaxe bei einem Risiko der febrilen Neutropenie > 20% Anzahl der befragten Patienten Prozent der befragten Patienten G-CSF-Präparat (ja/nein) ja 23 11,1% nein 185 88,9% gesamt 208 100,0% Zertifizierte Hautkrebszentren Zu den durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Organkrebszentren zählen neben Brustkrebs-, Darmkrebs- oder Pros­tatakrebs-Zentren auch Hautkrebszentren. Auf nachfolgender Homepage sind bereits bundesweit 36 DKG-zertifizierte Hautkrebszentren (sortiert nach Postleitzahlen) gelistet: http://www.krebsgesellschaft.de/wub_zertifizierung_ krebszentren_hauttumorzentren__liste,122247.html Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 55 Pressemitteilung PRESSE M I T T E I LU N G Checkliste für Solariennutzer H amburg/Bonn – Ab dem 1. August 2012 dürfen Solariengeräte eine maximale Bestrahlungsstärke von 0,3 Watt pro Quadratmeter Haut nicht mehr überschreiten. Die Geräte müssen entsprechend gekennzeichnet sein. „Die neue Bestrahlungsstärke entspricht allerdings immer noch der höchsten UV-Dosis, die auf der Erde gemessen werden kann: mittags bei wolkenlosem Himmel am Äquator“, erklärt Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Bisher wurde diese Bestrahlungsstärke von alten Geräten zum Teil um das Dreifache überschritten.“ Die neue Vorschrift basiert auf der UV-Schutzverordnung (UVSV) für Solarien, die seit dem 1. Januar 2012 rechtskräftig ist. Der Grund für die Einführung der UVSV sind die Gesundheitsgefahren, die von künstlichen UV-Strahlen ausgehen. Sie gelten neben den natürlichen Strahlen der Sonne als Hauptrisikofaktor für das Entstehen von Hautkrebs: „Wer vor dem 35. Lebensjahr regelmäßig Solarien nutzt, verdoppelt sein Risiko, am gefährlichsten Hautkrebs, dem malignen Melanom, zu erkranken“, betont Professor Dr. Eckhard Breitbart, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP). Rund 224.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich neu an Hautkrebs, 26.000 davon am malignen Melanom. Zunehmend sind auch jüngere Menschen davon betroffen, insbesondere dann, wenn sie sich jahrelang regelmäßig künstlich gebräunt haben. Etwa 3,5 Millionen der unter 36-Jährigen nutzen derzeit Solarien. Besonders gefährdet sind Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren denn, sie gehen etwa doppelt so häufig auf die Sonnenbank wie Männer. Erschreckend: Rund 167.000 der derzeitigen Solariennutzer sind minderjährig. Jugendlichen ist der Zugang zu Solarien gesetzlich untersagt. Seit März 2010 sind die Betreiber verpflichtet, ihnen den Zugang zu Solariengeräten zu verbieten. Die technische Umrüstung auf 0,3 W/m2 entspricht der europäischen Norm und ist ein weiterer wichtiger Teil der UV-Schutzverordnung, um das Hautkrebsrisiko in Solarien zu reduzieren. Seit Januar 2012 müssen Solariennutzer deutlich sichtbar vor akuten Schäden durch UV-Strahlen an Haut und Augen gewarnt werden. Darüber hinaus werden die Kunden im Solarium zu ihrem Hauttyp abgestimmt beraten und erhalten Schutzbrillen. Die neuen Geräte müssen zudem einen Mindestabstand der Hautflächen zu den Röhren einhalten, sich in Notsituationen abschalten lassen sowie sich selbst abschalten, wenn die zulässige Strahlendosis überschritten wird. Bei Verstoß gegen diese gesetzlichen Vorgaben drohen Bußgeldstrafen. Die Deutsche Krebshilfe und die ADP begrüßen die gesetzliche Regulierung durch die UVSV. Doch: „Wir empfehlen Solarien erst gar nicht zu nutzen, denn Tipps wie man ein Solarium ohne mögliche spätere Schäden nutzen kann, gibt es nicht“, erklärt Breitbart. In jedem Fall sollte vorher ein Solarien-Check durchgeführt werden. Trifft auch nur ein Punkt der Checkliste nicht zu, sollte das Solarium nicht genutzt werden! Der Solarien-Check Das Sonnenstudio ist ein beaufsichtigstes Studio (kein Münzautomat), weist im Eingangsbereich auf das Verbot händigt weitere Informationen zur Nutzung aus. Das Bräunungsgerät lässt Minderjährige nicht zu, hat den Warnhinweis: UV-Strahlung kann akute Schäden an Haut und Augen verursachen, führt zu vorzeitiger Hautalterung und erhöht das Rsiko an Hautkrebs zu erkranken, händigt (ungefragt!) eine Schutzbrille aus, weist darauf hin: Hauttyp I und II sind für Minderjährige hin. Das Personal schließt Personen mit Hauttyp I und II aus, weist auf (mögliche) Nebenwirkungen der UV-Strahlung hin, bestimmt den Hauttyp, fragt nach dem Zeitabstand zum letzten Solariumbesuch, erkundigt sich nach eventuellen Sonnenbränden und Hautkrankheiten, erkundigt sich nach Medikamenteneinnahme, weist darauf hin, dass ein Solarium nur ungeschminkt und ohne die Verwendung von Sonnencreme benutzt werden darf, berechnet die individuelle Anfangs-Bestrahlungszeit, erstellt einen persönlichen Dosierungsplan, 56 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 ein Ausschlusskriterium für die Nutzung, Medikamente und Kosmetika erhöhen die Hautempfindlichkeit, ist nach EU-Regelung gekennzeichnet: „Bestrahlungswert von maximal 0,3 Watt/m2 wird nicht überschritten“, gibt die maximale Bestrahlungsdauer bei Erstbestrahlung ungebräunter Haut für Hauttyp I bis VI an, schaltet bei Überschreiten der maximalen Bestrahlungsdauer automatisch ab, hat einen Notabschaltknopf. ACHTUNG: Das Zertifikat „Geprüftes Sonnenstudio, zertifiziert nach den Kriterien des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS)“ ist nicht mehr gültig! Who is who Who is who Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin Heute: Prof. Dr. Eckhard Wilhelm Breitbart, Buxtehude Professor Breitbart, Jahrgang 1947, interessierte sich von Anfang an für die Dermatologie. Dabei ging er ganz gradlinig seinen Weg. Nach der Approbation folgte seine wissenschaftliche Assistentenzeit an der Universitäts-Hautklinik Hamburg Eppendorf. In dieser Zeit promovierte er und erhielt die Anerkennung zum Facharzt für Dermatologie und Venerologie. 1984 folgte die Habilitation und der Erhalt der Venia legendi. Mit seiner Ernennung zum leitenden Oberarzt der Universitäts-Hautklinik Hamburg Eppendorf erhielt er eine C3 Professur. 1986 arbeitete er zu Forschungszwecken drei Monate im Department of Dermatology an der Mayo Klinik in Minnesota, USA. 1987 folgte die Zusatzbezeichnung für Allergologie. 1994 etablierte er in Buxtehude das Dermatologische Zentrum Buxtehude (DZB) als integratives Versorgungszentrum. Hier betreibt ein wissenschaftliches Expertenteam Grundlagenforschung zur Entstehung von Hautkrebs. Dabei wird im Bereich der Stammzellen genauso geforscht wie in den Bereichen Epigenetik und molekulare Diagnostik. Das DZB ist zertifiziertes Hautkrebszentrum und Studienzentrum für innovative onkologische Therapien. In der Zeit von 2003 bis 2011 leitete Prof. Breitbart als ärztlicher Direktor das Elbeklinikum Buxtehude (akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Hannover und der Universität Hamburg/UKE). Professor Breitbart ist in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien und zahlreichen Fachausschüssen tätig. So arbeitet er verantwortlich beim Nationalen Krebsplan mit, gehört dem Fachausschuss „Krebs-Früherkennung“ der Deutschen Krebshilfe an, ist in der Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) tätig, um nur einige beispielhaft zu nennen. Darüber hinaus hat er zahlreiche wissenschaftliche Artikel publiziert. Um die Bevölkerung zur Hautkrebsprävention zu motivieren, gründete er 1989 die „Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e.V.“ und übernahm deren Vorsitz. Gemeinsam mit der deutschen Krebshilfe führt er Programme und Kampagnen durch, um die Bevölkerung für die Themen Sonnenschutz und Hautkrebsprävention zu sensibilisieren. Zitat Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Seinem hartnäckigen Engagement ist es wesent- „Am 7. März 2012 wurde Professor Eckhard W. Breitbart in Berlin das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Überreicht wurde die Ehrung durch Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit. Der Dermatologe, ärztlicher Leiter des Dermatologischen Zentrums am Elbklinikum Buxtehude, erhält die Auszeichnung für seinen hohen persönlichen Einsatz für die Prävention, insbesondere die Hautkrebsprävention. Seit mehr als 25 Jahren lich zu verdanken, dass Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle bei der gesetzlichen Früherkennung von Hautkrebs einnimmt und Minderjährige hierzulande vor krebserregenden UV-Strahlen aus Solarien geschützt werden.“ Prof. Breitbart hat zusammen mit seinen Experten dafür gesorgt, dass die Prävention des Hautkrebses in Wissenschaft und Forschung immer im Gespräch blieb. Letztlich ist daraus eine gesetzliche Gesundheitsleistung entstanden. Das 2008 in Deutschland eingeführte Hautkrebs-Screening ist das größte qualitätsgesicherte Hautkrebs-Screening weltweit. Es gibt Hinweise, dass durch dieses Screening mehr Tumore entdeckt werden und durch die Früherkennung und rechtzeitige Behandlung die Mortalitätsrate sinkt. Wenn Hautkrebs rechtzeitig erkannt wird, ist er heilbar. Da die Zahl der an Hautkrebs Erkrankten steigt, wird sich Prof. Breitbart auch in Zukunft für die Prävention und Früherkennung stark machen. Für seine Leistungen wurde Professor Breitbart 2012 von der Bundesregierung mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. engagiert sich Breitbart fachlich und ehrenamtlich für die primäre und sekundäre Prävention von Hautkrebs. Er entwickelte das Konzept für die Hautkrebsfrüherkennung, ist maßgeblich an der Einführung des bundesweiten gesetzlichen Früherkennungsprogramms „Hautkrebs-Screening“ und an der Durchsetzung des Gesetzes zum Schutz von Jugendlichen in Solarien beteiligt.“ (Zitat aus: Presseinformation der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention, Hamburg 8.3.12) Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 57 Buchbesprechung Buchbesprechung Rezension von Sigrid Rosen-Marks, Hamburg Das Schicksal ist ein mieser Verräter Von John Green Übersetzt aus dem Englischen von Sophie Zeitz Hanser Verlag 2012 Fester Einband, 288 Seiten, empfohlen ab 13 Jahren Preis: 16,90 € (D) / 23,90 sFR (CH) / 17,40 € (A) ISBN 978-3-446-24009-4 Dieses Jugendbuch ist bemerkenswert! Es liegt zur Zeit in allen gängigen Buchläden und verkauft sich sehr gut. Kein Wunder! Wer wie ich nach 4 Tagen das Buch ausgelesen hat, der ist um viele Wahrheiten reicher. Der ist beschenkt worden und vor allem berührt. Still konnte ich das Buch nicht lesen. Von mir waren viel Lachen, manchmal Weinen oder auch nur ein zustimmendes Brummen zu hören. Die beiden jugendlichen, an Krebs erkrankten Hauptfiguren des Buches, Hazel und Augustus, nehmen ganz und gar Platz im Herzen des Lesers. Betören mit Sprüchen, die so wunderbar bissig, entlarvend, hintergründig, liebevoll, lesenswert und voller Intensität sind, dass ein Zettel zum Lesen unbedingt dazugehört. Schließlich will man seine Lieblingszitate wieder finden. Zum Inhalt sei hier nur gesagt, dass es sich um eine Liebesgeschichte handelt. Klingt banal und ist es überhaupt nicht. Denn durch den Kontakt zu einem niederländischen Philosophen haben die Jugendlichen ein Forum, in dem sie ihre wunderbare ureigene Intelligenz und Lebensklugheit ausleben können. Und so ganz nebenbei entwickeln sich die beiden Protagonisten zu Ratgebern UNSERER eigenen Lebensgeschichte. Dieses Buch gehört zu der Kategorie von Büchern, die Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen anspricht. Und es hat das Potential, ein Bestseller zu werden. Richtig, da bleibt die Frage nach der Krebserkrankung, die auf fast jeder Seite erwähnt wird. Sie ist nicht die Hauptfigur oder eben doch, denn die Hauptfiguren sind daran erkrankt. Die Erkrankung bleibt aber nur der inhaltliche und sprachliche Transportschlitten für das Agieren der Hauptdarsteller, denn hier geht es in ersten Linie um Liebe und nicht um Krebs. Aber es werden alle Facetten dieses Leidens schonungslos gezeigt. Und trotzdem ist es kein Krebsbuch, denn Krebsbücher sind laut Hazel doof. Aber Krebskranke und Krankenhauserfahrene kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten: ... „Eigenschaften einer guten Krankenschwester...trifft die Vene beim ersten Versuch... . Ich meine, ist das mein Arm oder eine Dartscheibe?“ (S. 73 o.). Im Themenbereich der Erkrankung liegt auch der diskussionsbedürftige Teil dieses Buches: Es gibt in Sachen Krebserkrankung nämlich kein Happy-End – wohl aber im emotionalen Bereich. Daher ist verantwortungsvoll zu überlegen, wem man dieses Buch in die Hände gibt! Nicht jeder erkrankte Jugendliche oder Freund eines erkrankten Jugendlichen ist hierfür emotional gerüstet. Wenn diese Bedenken jedoch geklärt sind, dann hat man eine Buch-Perle gefunden. Wie nimmt man das Schicksal an? Oder besser noch: Welche Weisheit gibt uns das Leben? Welches Wissen wird uns tragen; uns den Sinn des Seins erklären? Dann kommen Antworten über Antworten. Eine schöner als die andere. Und dann entsteht die Sehnsucht, diese beiden jungen Menschen einmal gesprochen oder kennengelernt zu haben. Die wissen beispielsweise, dass wir im Leben alles tun, damit das Universum uns bemerkt, wohl wissend, dass das Universum sich eine Bohne darum schert, wie es uns ergeht! Wie bei allen guten Büchern, fiel ich nach dem Ende des Lesens in ein kleines Loch. Ich werde mein Leben jetzt ohne diese wunderbaren jungen Menschen leben müssen. Aber ihre Weisheiten werden mich dabei begleiten.