ED IT OR IA L - Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie

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Inhalt/Editorial
Inhalt
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen
für den häufigsten malignen Hauttumor
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen
Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke
des Klinikums Bogenhausen
4
12
Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die
Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken
18
Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung
der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik
für die Therapie
26
Risiken in der Software­entwicklung von Zytostatikaund Warenwirtschaftssystemen 30
Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten
Melanoms
32
Jahrestagung der DGHO 2012 in Stuttgart
36
Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion –
Chirurgische Aspekte
40
X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen
von/für smKls
46
Vorstellung der German Pediatric Oncology
Nurses Group (GPONG)
52
Ständige Rubriken
Testiertes interaktives Selbststudium
10
Kommentar des Herausgebers
24
Impressum
25
Buchbesprechungen (Seiten 35, 58)
35
Who is who 57
Die besten Websites
59
EDITORIAL
15. Jahrgang · Nr. 1/2013
Eine systematische HautkrebsFrüherkennung ermöglicht es,
Hauttumore früh zu erkennen und
damit in höherer Anzahl als gut zu
behandelnde Tumorstadien zu entdecken. Aus der vorliegenden Datenauswertung des Pilotprojektes SCREEN 1 in SchleswigHolstein aus den Jahren 2003 bis 2004 geht hervor, dass
unter Screening-Bedingungen deutlich weniger Menschen
an einem malignen Melanom versterben. Bundesweit wurde das gesetzliche Hautkrebs-Screening 2008 eingeführt.
Die klinischen Krebsregister sind auf den Weg gebracht
und werden dazu beitragen, dass sich die Qualität der individuellen Krebstherapie und der Krebsbehandlung in einer
Region mit Hilfe der erhobenen Daten verbessern wird.
Andererseits gilt als schön, wer braun ist. Bei Reisen in
sonnige Länder setzt man sich heute viel intensiver als
noch vor wenigen Jahrzehnten der Sonne aus. Der Besuch
von Solarien wird nicht als vermeidbares Risiko erkannt,
obwohl sich das Melanom-Erkrankungsrisiko bei regelmäßiger Solarien-Nutzung bis zu einem Alter von 35 Jahren
verdoppelt. Aber besonders diese Patientengruppe – jung,
sportlich und auch dynamisch – hat damit ein erhöhtes
Risiko an Hautkrebs zu erkranken!
Zwischenzeitlich ist die Front der Aufklärung zu den Ursachen von Hautkrebs breit aufgestellt. Führend dabei die
Deutsche Krebshilfe, die Arbeitsgemeinschaft für dermatologische Onkologie und die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention. Professor Eckhard W. Breitbart wurde
in diesem Zusammenhang im Frühjahr das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland
für sein kontinuierliches fachliches und ehrenamtliches
Engagement verliehen.
Auch Apotheker können und müssen hier einen aktiven
Beitrag leisten. Deshalb hat die Redaktion der „Onkologischen Pharmazie“ für Sie, liebe Leser, aktuelle Beiträge im
vorliegenden Heft zur Thematik „Hautkrebs“ zusammengestellt: Neue Therapieoptionen beim Basalzellkarzinom,
neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms,
chirurgische Aspekte von Hauttumoren der Gesichts- und
Halsregion u.a.
Und sicher werden Sie für Ihre Arbeit vor Ort die Beiträge zur
Reinraum-Qualifizierung und zu den dynamischen Störfaktoren beim Betrieb von Sicherheitswerkbänken nutzen können.
Bei der Lektüre des ersten Heftes des 15. Jahrgangs wünsche ich Ihnen viel Freude.
Ihre Karla Domagk
SCREEN: Skin Cancer Research to provide Evidence for Effectiveness
of Screening in Northern Germany
1
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 3
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen
für den häufigsten malignen Hauttumor
Von Wiebke Suttorp1, Elisabeth Livingstone1, Andrea Hübner2, Lisa Zimmer1, Uwe Hillen1, Dirk Schadendorf1
Zusammenfassung
Das Basalzellkarzinom (auch Basaliom genannt) ist der am häufigsten beim Menschen
auftretende Tumor. Es wird als semimaligne bezeichnet, da es lokal-destruierend wächst,
allerdings nur sehr selten metastasiert. Ätiopathogentisch spielen unter anderem die
kumulative UV-Belastung der Haut, ein heller Hauttyp sowie verschiedene genetische
Ursachen eine Rolle. Die Hauptprädilektionsstelle ist das Gesicht. Klinisch wird das
Basalzellkarzinom in verschiedene Subtypen unterteilt, von denen das noduläre Basalzellkarzinom der häufigste ist. Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt, zur
Diagnosesicherung ist jedoch die histologische Untersuchung notwendig.
Therapeutisch stellt die operative Entfernung mit histologischer Schnittrandkontrolle
den Goldstandard dar. Zur Behandlung insbesondere von dünnen Basalzellkarzinomen
können alternativ topische Externa wie Aldara®, Efudix®, sowie die Kryotherapie, Laser,
andere chirurgische Verfahren und die photodynamsiche Therapie eingesetzt werden.
Mit den oralen Inhibitoren des sogenannten Sonic-Hedgehog-Signaltransduktionswegs
stehen nun auch erstmalig Therapieoptionen zur Behandlung von lokal-fortgeschrittenen
oder metastasierten Basalzellkarzinomen zur Verfügung.
beträgt in Deutschland ca. 100/100.000 Einwohner/Jahr und ist seit mehreren Jahrzehnten steigend mit einer durchschnittlichen
Zunahme von 3-8% pro Jahr [27]. Somit
werden durch das Basalzellkarzinom zunehmend gesundheitsökonomische Kosten
verursacht.
Die Inzidenz steigt zudem mit dem Lebensalter, wobei das Durchschnittsalter bei 60
Jahren liegt [10]. Treten Basalzellkarzinome
bereits in der 2.-3. Lebensdekade auf, kann
dies ein Hinweis für das Vorliegen einer erblichen Erkrankung wie dem Gorlin-GoltzSyndrom sein [27]. Aber auch bei Patienten,
die regelmäßig und schon frühzeitig ins So-
Definition
Das Basalzellkarzinom (BCC), erstmals beschrieben von Krompecher 1900 [14], ist ein
semimaligner Hauttumor, der ausgehend
von den im Wulst des Haarfollikels gelegenen epidermalen Stammzellen beziehungsweise undifferenzierten Zellen der äußeren
Haarwurzelscheide wächst und somit bis
auf seltene Ausnahmen nur in Haarfollikel-tragenden Körperregionen auftritt [23].
Der Tumor weist eine ausgeprägte Fähigkeit
zur lokalen Invasion und Destruktion auf,
wächst jedoch eher langsam und setzt nur
selten Metastasen (0,003-0,1%) [6, 35].
Epidemiologie
Basalzellkarzinome sind die häufigsten Tumoren des Menschen und kommen weltweit vor [15]. Personen mit hellem Hauttyp
(Hauttyp I oder II) sind bevorzugt betroffen,
Männer erkranken etwas häufiger als Frauen [16]. Prädilektionsstellen sind chronisch
lichtexponierte Areale wie die Gesichtshaut,
Kopf, Hals und das Dekolleté. Die Inzidenz
1 Hauttumorzentrum, Klinik für Dermatologie,
Universitätsklinik Duisburg-Essen, Essen
Hedgehog‐Aktivierung
primäres Zilium
Hh
Endosom
Vismodegib
PTCH 1
smoothend
Gli
Nucleus
PTCH, Gli1, Gli2
Abb. 1:
In Abwesenheit des Hedgehog-Moleküls wird das Smoothend-Protein durch PTCH1
inhibiert.
Kommt es zur Bindung des Hedgehog-Moleküls an den PTCH1-Rezeptor wird die
Inhibition von Smoothend aufgehoben, sodass es durch die Aktivierung einer Kaskade,
die die Gli-Transkriptionsfaktoren beinhaltet, zu einer vermehrten Expression von Genen
kommt, die Zellwachstum und Proliferation fördern.
Inaktivierende Mutationen des PTCH1-Gens führen zu einer unkontrollierten Aktivität
von Smoothend und somit zu einer permanenten Hochregulation des HedgehogSignalwegs. Inhibitoren des Smoothend-Proteins, wie z.B. Vismodegib, stellen eine
neue therapeutische Alternative dar [modifiziert nach Caro I, Low JA. Clin Cancer Res.
2010 Jul 1;16(13):3335-9].
2 sk-Apotheken, Duckwitzstr. 55, 28199 Bremen
4 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor
larium gehen oder immunsupprimiert sind,
kommen Basalzellkarzinome in früheren
Lebensdekaden vor.
Ätiologie/Genetik
Für die Entstehung von Basalzellkarzinomen sind verschiedene Ursachen von Bedeutung. Die wichtigsten Faktoren sind
eine genetische Disposition mit einer geringen Pigmentierung der Haut sowie die
kumulative UV-Belastung. Eine systemische
Immunsuppression, Exposition mit ionisierenden Strahlen, Kontakt zu Arsen, aber
auch eine chronische Hautschädigung zum
Beispiel im Rahmen von Wundheilungsstörungen stellen weitere Risikofaktoren
für die Entstehung von Basalzellkarzinomen dar [10]. In selteneren Fällen können
Basalzellkarzinome auch im Rahmen von
genetisch bedingten Syndromen wie dem
Gorlin-Goltz-Syndrom (nävoides Basalzellkarzinom-Syndrom), bei Xeroderma pigmentosum („Mondscheinkrankheit“) oder
Albinismus entstehen [36].
Das Gorlin-Goltz-Syndrom ist ein seltenes,
autosomal-dominant erbliches Syndrom bei
dem eine Keimbahnmutation im PTCH1Tumorsuppressorgen vorliegt [8]. PTCH1
kodiert für ein zellmembranständiges Rezeptorprotein, das normalerweise hemmend
auf den sogenannten Hedgehog-Signalweg
wirkt. Der Hedgehog-Signalweg ist unter
anderem wichtig für die korrekte Entwicklung des Zentralnervensystems, des Skeletts und der Haut und spielt nicht nur beim
Gorlin-Goltz-Syndrom, sondern auch bei
sporadisch auftretenden Basalzellkarzinomen eine wichtige Rolle.
Die Aktivierung des Signalweges erfolgt
normalerweise über die Bindung des Sonic
Hedgehog-Moleküls, welches die inhibierende Wirkung von PTCH1 auf das aktivierende Smoothend-Protein aufhebt. Insgesamt kommt es durch die Aktivierung der
Kaskade zu einer vermehrten Expression von
Genen, die Zellwachstum und Proliferation
fördern (Abb. 1) [18].
Inaktivierende Mutationen des PTCH1Gens, wie sie beim Gorlin-Goltz-Syndrom
vorkommen, führen zu einer unkontrollierten Aktivität von Smoothend, wodurch es
zu einer permanenten Hochregulation des
Hedgehog-Signalwegs kommt.
Auch bei ca. 30% bis 75% der sporadisch auftretenden Basalzellkarzinome liegen somatische Mutation des PTCH1-Gens vor [5].
Seltener findet man aktivierende Mutationen
im Smoothend-Gen (10%) [37].
Klinik
Basalzellkarzinome entstehen in der Regel
auf klinisch unauffälliger Haut ohne Vorstufen. Bei etwa 80% der Patienten bilden
sie sich im Gesicht, die Nase ist mit 30%
am häufigsten betroffen. Der Rumpf, das
untere Gesichtsdrittel und die Kopfhaut folgen in absteigender Häufigkeit. Im Gegensatz zu Plattenepithelkarzinomen besteht
für Basalzellkarzinome eine weniger stark
ausgeprägte Korrelation zwischen der kumulativen UV-Exposition und der Frequenz
des Auftretens, sodass Basalzellkarzinome
häufiger als Plattenepithelkarzinome auch
an kaum UV-belasteten Körperstellen vorkommen [28].
Basalzellkarzinome zeichnen sich durch
eine große klinische Variationsbreite aus.
Der häufigste Subtyp, das noduläre (Syn.:
solide) Basalzellkarzinom zeigt sich meist
als gelblich-rötliche Papel von perlmuttartigem Glanz mit einem perlschnurartigen
Randsaum und typischen, vom Rand ins
Tumorzentrum ziehenden, erweiterten Blutgefäßen (Abb.2).
Daneben existieren andere Varianten wie
das Rumpfhautbasalzellkarzinom (Syn.: superfizielles Basalzellkarzinom, oberflächlich-multizentrisches Basalzellkarzinom),
das sich in Form einer rötlichen Plaque
manifestiert (Abb. 3) und somit leicht mit
chronisch-entzündlichen Dermatosen verwechselt werden kann. Sklerodermiforme
Basalzellkarzinome erinnern häufig an eine
Narbe.
Auch pigmentierte Basalzellkarzinome
kommen vor (Abb. 4) – hier ist die differentialdiagnostische Abgrenzung unter anderem zu einem malignen Melanom wichtig.
Bei einem Fortschreiten des Tumorwachstums treten häufig Blutungen mit Krustenbildung auf. Basalzellkarzinome entwickeln
sich über Monate bis Jahre, bei langen Ver-
läufen entstehen großflächige offene Tumore (Ulcus rodens), auch ein Einwachsen in
darunter liegende Strukturen wie Knorpel,
Muskel und Knochen ist möglich (Ulcus
terebrans). Wenn durch das invasiv-destruierende Wachstum zum Beispiel das Gehirn
oder große Blutgefäße erreicht werden, kann
das Basalzellkarzinom einen letalen Verlauf
nehmen [27, 10]. Trotz exzessiver lokaler Tumorinvasion kommt es nur selten zu einer
Metastasierung (< 1:1000) [29]. Die Metastasierung erfolgt in ca. der Hälfte der Fälle
über den Lymphweg und zur anderen Hälfte
über den Blutweg mit bevorzugter Absiedelung in Lunge und Skelett [27].
Diagnostik
Die Diagnose eines Basalzellkarzinoms ist
in der Regel eine Blickdiagnose [6, 33]. Zur
Diagnosesicherung ist jedoch die feingewebliche Untersuchung notwendig.
Abb. 2: knotiges Basalzellkarzinom
Abb. 3:
Rumpfhaut­
basalzellkarzinom
Abb. 4: pigmentiertes Basalzellkarzinom
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 5
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor
Die Stadieneinteilung erfolgt nach der
UICC-Klassifikation, hat jedoch im klinischen Alltag eher wenig Bedeutung, da
die T-Klassifikation (Ausdehnung des Primärtumors) zu grob ist und die Kategorien
N (Lymphknotenbefall) und M (Fernmetastasen) nur äußerst selten vorkommen.
Wichtiger sind die Angaben zur klinischen
Tumorgröße, Lokalisation, dem histologischen Typ, dem maximalen vertikaler Tumordurchmesser und die Aussage, ob der
Tumor im Gesunden entfernt wurde [10].
rokoagulation des Wundgrundes), ShaveExzision (horizontale Abtragung mit einem
Skalpell oder einer Ringkürette), Kryotherapie (Vereisung mit Flüssigstickstoff), Lasertherapie (CO2-Laserablation, gepulster
Farbstofflaser), photodynamische Therapie
(Bestrahlung des vorher mit einem Photosensibilisator behandelten Gewebes mit
Licht geeigneter Wellenlänge) bis zu topischen Therapieverfahren mit Imiquimod 5%
(Abb. 5) oder 5-Fluoruracil.
Therapie
Eine Vielzahl von Behandlungsmethoden
steht zur Therapie des Basalzellkarzinoms
zur Verfügung. Die operative Therapie mit
histologischer Untersuchung stellt das Standardverfahren in der Behandlung des Basalzellkarzinoms dar.
Die mikrografisch kontrollierte Chirurgie,
bei der eine sparsame Operation des Tumors
(Sicherheitsabstand ca. 2-4mm) mit Markierung des Präparates zur genauen histopathologischen Beurteilung von für das Auge
nicht sichtbaren Ausläufern vorgenommen
wird, macht eine lückenlose Beurteilung
aller Schnittränder möglich. Somit kann,
wenn nötig, ein gezieltes Nachschneiden
erfolgen. Ein Nachschneiden mit dem Ziel
einer kompletten Entfernung des Tumors
sollte immer angestrebt werden, sofern es
der Allgemeinzustand des Patienten und die
Tumorausdehnung erlauben [10]. Durch die
mikrografisch kontrollierte Chirurgie kann
eine hohe diagnostische Sicherheit erzielt
und gesunde Haut geschont werden. Insbesondere im Gesichtsbereich und an anderen
problematischen Lokalisationen ist diese
Maßnahme indiziert.
Die einfache Exzision mit stichprobenartiger
histologischer Kontrolle ist der mikrografisch kontrollierten Chirurgie unterlegen,
da auch bei kleinen Tumoren zu Lasten des
Patienten größere Sicherheitsabstände von
3-15mm eingehalten werden müssen, da
sonst mit einem höheren Anteil an Tumorresten gerechnet werden muss.
Die Anzahl der weiteren Therapiemodalitäten ist groß und reicht von Strahlentherapie
über Kürettage („Auskratzen“ des Basalzellkarzinoms mit anschließender Elekt-
Abb. 5: Strukturformel von Imiquimod
[http://upload.wikimedia.org/
wikipedia/commons/4/4a/Imiquimod_
Formula_V.1.svg]
Der Nachteil dieser Methoden besteht in
der fehlenden histologischen Kontrolle des
Behandlungsergebnisses (keine Sicherheit
durch eine Kontrolle des Gewebes, dass der
Tumor komplett entfernt wurde) und der
damit einhergehenden erhöhten Rezidivrate. Bei primär nicht operablen oder lokal
nicht vollständig resezierbaren Tumoren ist
derzeitig noch die Strahlentherapie Therapie
der ersten Wahl. Bei Patienten mit GorlinGoltz-Syndrom ist die Strahlentherapie
hingegen kontraindiziert, da dies die Entstehung von weiteren Basalzellkarzinomen
im Bestrahlungsfeld triggert.
Die lokal-destruierenden Verfahren wie
Kryotherapie, Kürettage, Shave-Exzision
und Laser eignen sich vor allem für kleine, oberflächliche Basalzellkarzinome [10].
Der Wirkungsmechanismus von Imiquimod
beruht auf der Aktivierung des Immunsystems der Haut. Durch eine Bindung an den
TLR 7 (toll-like receptor) kommt es zu einer vermehrten Synthese der proinflammatorischen Zytokine IFN-a, TNF-a und
IL-6, was über die Entstehung einer Entzündungsreaktion zu einer effektiven Bekämpfung der Tumorzellen führt [1].
6 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Entsprechend der Zulassungsstudien wird
eine Behandlung von oberflächlichen Basalzellkarzinomen mit Imiquimod einmal
täglich an 5 Tagen/Woche (z.B. MontagFreitag), vorzugsweise abends für 6 Wochen
empfohlen [7]. Die histologisch kontrollierte Rückbildungsrate liegt bei superfiziellen
Basalzellkarzinomen bei ca. 80% [3, 22].
Nebenwirkungen von Imiquimod ergeben
sich über die gewünschte Entstehung einer
lokalen Entzündungsreaktion. Es kommt
vor allem zu lokalen Hautreizungen, jedoch
sind auch systemische Nebenwirkungen wie
ein grippeartiges Gefühl unter Umständen
einhergehend mit Fieber möglich [9]. Patienten müssen vor Anwendung von Imiquimod über die mögliche starke Hautreaktion
aufgeklärt werden, damit die Therapie von
ihnen erfolgreich durchgeführt wird. Trotz
der starken Lokalreaktion heilt das behandelte Areal in der Regel ohne Narben oder
Pigmentverschiebungen ab. Insbesondere
bei Patienten unter Antikoagulation (Gebrauch von Warfarinen, ASS etc.) kann es
zu Blutungen kommen, die meist aber nur
sehr gering sind und keiner Behandlung bedürfen. Bei sehr starken Lokalreaktionen
kann die Frequenz der Anwendungen ggf.
reduziert werden. Eine topische Immuntherapie mit Imiquimod 5% Creme wurde auch
bei Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom
erfolgreich angewendet [11, 32].
Eine weitere, aufgrund relativ hoher Rezidivraten weniger bedeutende Alternative
zur topischen Behandlung von superfiziellen
Basalzellkarzinomen stellt das Zytostatikum
5-Fluoruracil (5% in Creme) dar [2]. Ähnlich
wie bei Imiquimod können Entzündungsreaktionen der Haut auftreten. Es ist zu beachten, dass auch die gleichzeitige Anwendung
von 5-Fluoruracil auf der Haut zusammen
mit Brivudin kontraindiziert ist.
Das Hauptproblem der Behandlung mit den
beschriebenen Externa besteht in der Compliance der Patienten. Für einen Therapieerfolg ist eine konsequente Anwendung der
Therapie über den empfohlenen Zeitraum
auch bei Auftreten von Lokalreaktionen
notwendig.
Die photodynamische Therapie (PDT) stellt
eine weitere relativ einfach durchführbare Behandlungsoption für oberflächliche
Basalzellkarzinome dar. Bei der PDT wird
auf das Zielgewebe ein Photosensibilisator
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor
Unerwünschtes
Ereignis
Auftreten [%]
im Rahmen der
Phase II-Studie
mit GDC-0049*
Muskelkrämpfe
68
Haarausfall
63
Geschmacksstörung
51
Gewichtsverlust
46
Abgeschlagenheit
36
Tabelle 1: Nebenwirkungen von GDC-0049
(Vismodegib) in prozentualer Häufigkeit
* modifiziert nach Sekulic A, Migden MR, Oro AE,
Dirix L, Lewis KD, Hainsworth JD, et al. Efficacy and
safety of vismodegib in advanced basal-cell
carcinoma. The New England journal of medicine.
2012 Jun 7;366(23):2171-9.
(delta-Aminolävulinsäure und seine Ester) in
Form einer Creme, z.B. Metvix© oder neuerdings auch in Form eines Pflasters (Alacare®) aufgebracht, der zunächst für ca. vier
Stunden einwirken muss. Im Tumorgewebe
kommt es zur Bildung von Protoporphyrin IX. Anschließend erfolgt eine intensive
Lichtbestrahlung, deren Wellenlänge im
Absorptionsspektrum des Photosensibiliators liegt. Hierdurch entstehen reaktive Sauerstoffspezies, die weitgehend selektiv die
malignen Zellen zerstören. Die Behandlung
muss insgesamt zweimal pro Behandlungszyklus durchgeführt werden. Die komplette
Rückbildungsrate liegt bei ca. 87% [19].
Für metastasierte Basalzellkarzinome sind
bisher insbesondere Cisplatin-haltige Chemotherapien auch in Kombination mit
5-Fluoruracil eingesetzt worden. Probleme
bei der Anwendung dieser Polychemotherapie sind insbesondere die von Cisplatin
ausgehende Toxizität und die nur kurz andauernden Remissionen [21, 12, 26].
Neue Therapieoptionen – Sonic
Hedgehog-Inhibitoren
Eine neue Möglichkeit zur Behandlung
lokal-fortgeschrittener oder metastasierter
Basalzellkarzinomen beziehungsweise von
Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom stellt
die Therapie mit Inhibitoren der HedgehogSignalkaskade dar (Abb. 1). Momentan stehen
die Substanzen in Deutschland nur im Rahmen von klinischen Studien zur Verfügung.
Abb. 6:
Strukturformel von GDC-0049
(Vismodegib)
[http://upload.wikimedia.org/
wikipedia/commons/7/7d/
Vismodegib.svg]
Zur Entdeckung eines natürlichen Inhibitors
der Hedgehog-Signalkaskade kam es bereits
Anfang der 1960er Jahre in den USA. Binns
und Mitarbeitern war aufgefallen, dass Schafe
im Westen der USA nach Verzehr der Lilienpflanze Veratrum californicum missgebildete
Nachkommen zur Welt brachten. Insbesondere kam es zur Entstehung einer Cyclopie
(Entwicklung nur eines Auges in der Mitte
der Stirn), weshalb man der Substanz den
Namen Cyclopamin gab [4].
Ausgehend von Cyclopamin wurde von der
Firma Genentech der oral einzunehmende
Smoothend-Inhibitor GDC-0049 (Abb. 6)
entwickelt, zu dem im Jahre 2009 eine erste
klinische Phase-I-Dosiseskalationsstudie an
33 Patienten durchgeführt wurde. 18 der 33
Patienten zeigten eine partielle oder komplette Abheilung ihres bereits vorbestrahlten
nicht-resektablen oder zum Teil metastasierten Basalzellkarzinoms. Bei weiteren 11
Patienten schritt die Erkrankung zumindest
nicht weiter fort [34].
Abb. 7:
Basalzellkarzinom am Capillitium
eines Gorlin-Goltz-SyndromPatienten
a) vor Einleitung einer Therapie mit
einem Hedgehog-Inhibitor
Aufgrund dieses ersten vielversprechenden
Ergebnisses wurde eine weltweite PhaseII-Studie angeschlossen, die 2010 beendet
werden konnte. Hier zeigte sich bei einmal
täglicher Einnahme von 150mg GDC-0049
für Patienten mit einem metastasierten Basalzellkarzinom eine Ansprechrate von 30%.
Für Patienten mit einem lokal-fortgeschrittenen Basalzellkarzinom konnte eine Ansprechrate von 43% nachgewiesen werden,
wovon 21% sogar komplette Remissionen
waren [30] (Abb. 7a-8b).
Am 30.01.2012 wurde GDC-0449 in den
USA in Form von „Vismodegib“ (Erivedge®,
Roche) von der FDA zugelassen. Eine Zulassung in Deutschland wird für das zweite
Quartal 2013 erwartet.
Vismodegib wird generell gut vertragen, allerdings treten bei über 30% der Patienten klas-
b) nach 8 Monaten unter Therapie
mit einem Hedgehog-Inhibitor
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 7
Das Basalzellkarzinom
sen-abhängige Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe, Veränderung des Geschmacks,
Gewichtsverlust, Haarausfall und Abgeschlagenheit auf (Tab. 1, modifiziert nach [30]). Da
das Medikament teratogene Eigenschaften
hat, müssen gebährfähige Patientinnen vor
Beginn einer Behandlung mit Vismodegib
ausführlich über eine notwendige sichere
Verhütung aufgeklärt werden. Vor und unter der Therapie müssen regelmäßig Schwangerschaftstests erfolgen. Auch Männer, die
einen Hedgehog-Inhibitor erhalten, müssen
darüber aufgeklärt werden, dass sie unter der
Therapie keine Kinder zeugen dürfen.
Die mediane Ansprechdauer beträgt ca. 7,6
Monate, dann kommt es oftmals zum Auftreten von Resistenzen, was ein relevantes
klinisches Problem darstellt. Einige Resistenzmechanismen konnten bereits identifiziert werden [25]. An der weiteren Erforschung wird aktuell gearbeitet [20].
Weitere Smoothend-Inhibitoren, wie
LDE225 (Novartis), IPI-926 (Infinity Pharmaceuticals) oder BMS-833923 (XL139)
(Bristol-Myers Squibb) werden momentan
in klinischen Studien getestet [20].
Eine weitere Substanz mit Smoothend-hemmenden Eigenschaften, die aktuell im Rahmen von klinischen Studien zum Einsatz
kommt, ist Itraconazol, das normalerweise
zur systemischen Behandlung von Mykosen eingesetzt wird [13]. Vielversprechende
Ergebnisse zeigte auch eine klinische Studie, bei der LDE225 in einer topischen Formulierung bei Patienten mit Gorlin-GoltzSyndrom verwendet wurde [31].
Abb. 8: Lebermetastasen eines Basalzellkarzinoms
a) vor Einleitung einer Therapie mit
einem Hedgehog-Inhibitor
werden, da in diesem Zeitraum sowohl das
Rezidivrisiko als auch das Auftreten weiterer Basalzellkarzinome am höchsten ist [10].
Patienten mit lokal rezidivierenden oder
nicht komplett exzidierten Tumoren oder
solche mit einem erhöhten Risiko für weitere
neue Tumoren (Immunsuppression, genetische Disposition, multiple Basalzellkarzinome in der Vorgeschichte) sollten individuell engmaschiger und längerfristiger,
ggf. lebenslang einer Nachsorge zugeführt
werden [17, 24].
Wichtig ist darüber hinaus, Patienten über
die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes
vor UV-Licht aufzuklären (u.a. physikalischer Lichtschutz, Meidung der Mittagssonne, keine Solariumbesuche, möglichst
Verwendung von Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50+) und zur regelmäßigen
Selbstinspektion anzuleiten [10].
Nachsorgeempfehlungen
Beurteilung
Die Heilungsraten nach Therapie primärer
Basalzellkarzinome liegen bei ca. 95-99%,
für Rezidivtumoren bei ca. 90% [27].
Aufgrund des deutlich erhöhten Risikos des
Auftretens von weiteren Hauttumoren sollten Patienten mit Basalzellkarzinomen der
Haut regelmäßig nachgesorgt werden.
Patienten mit isolierten Basalzellkarzinomen
sollten für mindestens 3 Jahre mindestens
einmal jährlich mittels Ganzkörperinspektion durch den Hautfacharzt nachkontrolliert
Früh erkannt und behandelt hat das Basalzellkarzinom eine exzellente Prognose mit
Heilungsraten von fast 100%. Die Operation
ist nach wie vor der Goldstandard, es stehen jedoch weitere Therapieoptionen insbesondere für die dünnen Basalzellkarzinome
zur Verfügung. Die Entwicklung der SonicHedgehog-Inhibitoren ist ein weiteres Beispiel für den zielgerichtenten (targeted) Einsatz der neuen Onkologika, die endlich eine
Behandlungsoption für lokal fortgeschrittene und metastasierte Basalzellkarzinome
8 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
b) nach 8 Wochen Therapie mit einem
Hedgehog-Inhibitor
sowie Patienten mit Gorlin-Goltz-Syndrom
bieten. Ähnlich wie bei vielen anderen zielgerichteten Onkologika stellt die Resistenzentwicklung ein großes Problem dar.
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Smoothened mutations in sporadic basal-cell
carcinoma. Nature. 1998 Jan 1;391(6662):90-2.
PubMed PMID: 9422511.
Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. med. Dirk Schadendorf
Klinik für Dermatologie, Venerologie und
Allergologie
Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55
45122 Essen
+49-201-723 2571 (Tel)
+49-201-723 5405 (Fax)
Email: [email protected]
29. Scanlon EF, Volkmer DD, Oviedo MA, et al. Metastatic basal cell carcinoma. Journal of surgical oncology. 1980;15(2):171-80. PubMed PMID:
7421276.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 9
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den häufigsten malignen Hauttumor
Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP I/2013
1. Das Basalzellkarzinom (BCC)
4. Zu den Therapiemöglichkeiten des BCC zählen u.a.
a) setzt nur selten Metastasen (0,003-0,1%).
a) operative Therapie mit histologischer Untersuchung.
b) tritt nie in Haarfollikel-tragenden Körperregionen auf.
b) Brachytherapie
c) ist ein schnell wachsender Hauttumor.
d) weist eine ausgeprägte Fähigkeit zur lokalen Invasion und
Destruktion auf.
c) Shave-Exzision für kleinere, oberflächlichere Basalzellkarzinome, nicht geeignet für z.B. sklerodermiforme Basalzellkarzinome.
2. Der häufigste Subtyp, das noduläre Basalzellkarzinom,
d) photodynamische Therapie für kleinere, oberflächliche Basalzellkarzinomen.
a) zeigt sich meist als gelblich-rötliche Papel von perlmuttartigem Glanz mit einem perlschnurartigen Randsaum und
typischen, vom Rand ins Tumorzentrum ziehenden, erweiterten Blutgefäßen.
b) typische Differentialdiagnosen sind chronisch-entzündliche Dermatosen.
5. Vismodegib
a) ist seit Herbst 2011 in Deutschland zugelassen.
b) wird generell gut vertragen, allerdings treten Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe, Geschmacksveränderung,
Gewichtsverlust, Haarausfall und Abgeschlagenheit auf.
c) hat keine teratogenen Eigenschaften, weshalb gebährfähige Patientinnen vor Beginn einer Behandlung nicht über
eine notwendige sichere Verhütung aufgeklärt werden
müssen.
c) ist immer von Beginn an intensiv pigmentiert.
d) erinnert charakteristischerweise an eine Narbe.
3. Die Inzidenz des Basalzellkarzinoms
a) beträgt in Deutschland ca. 250/100.000 Einwohner/Jahr.
b) steigt mit dem Lebensalter, wobei das Durchschnittsalter
bei 60 Jahren liegt.
c) ist seit mehreren Jahrzehnten steigend mit einer durchschnittlichen Zunahme von 3-8% pro Jahr.
d) beträgt in Deutschland ca. 100/100.000 Einwohner/Jahr.
d) entwickelt oftmals klinisch relevante Resistenzen.
Richtige Antworten zum Beitrag: „Schutzkleidung und
Verhalten im Reinraum“ in Heft 3/2012
Frage 1: c
Frage 2: d
Frage 3: a, c, d
Frage 4: b, c, d
Frage 5: a, b, c
Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2013
Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem
Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung
der erforder­lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten
Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an
nachfolgende Fax-Nummer der DGOP faxen. Auch mehrere
Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen
wir viel Erfolg!
Per Fax: +49-40-79 14 03 02
Name:
Vorname:
Einrichtung:
Straße:
PLZ/Ort:
Das Basalzellkarzinom: neue Therapieoptionen für den
häufigsten malignen Hauttumor
(Onkologische Pharmazie Nr. 1/2013)
Meine Antwort (X) lautet bei:
Frage 1:
a
b
c
d
Frage 2:
a
b
c
d
Frage 3:
a
b
c
d
Frage 4:
a
b
c
d
Frage 5:
a
b
c
d
10 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die
Fragen persönlich beantwortet habe.
Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes
interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung
meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der
erreichten Punktzahl.
Datum:
Unterschrift:
5. NZW-Dresden
Auch Sie sollten dabei sein: mit Sicherheit!
Der NZW-Dresden hat sich in kurzer Zeit zum
größten nationalen Arbeitssicherheits-Treffen
onkologisch tätiger Apotheker, der Fachleute
für betriebliche Sicherheit sowie des Arbeitsschutzes und der pharmazeutischen Überwachung im Bereich der aseptischen Herstellung
von CMR-Arzneimitteln entwickelt.
Auch der 5. Pharmazeutisch-onkologische
Fachkongress NZW-Dresden vom 14.-15.Juni
2013 wird den Teilnehmern das notwendige
Wissen in bewährter Weise praxisnah liefern, um mit den Entwicklungen in diesem
Arbeitsbereich jederzeit Schritt zu halten.
Erfahrungsaustausch und Anregungen für
die tägliche Arbeit sind durch Symposien,
Vorträge, DGOP-Zertifikatskurse, zahlreiche
Workshops und die interaktive Industrieausstellung mit Live-Präsentationen garantiert.
Die sächsische Landeshauptstadt mit ihrem weltbekannten Ensemble aus Zwinger,
Semperoper, Residenzschloss, Brühlscher
Terrasse und Frauenkirche wird uns erneut
das passende Ambiente für dieses innovative Kongress-Format bieten.
Symposien auf dem 5. NZW-Dresden
Ein Jahr neue ApBetrO: QMS und aseptische Herstellung in der Apotheke
Umgebungsbelastungen in Apotheken
und ambulanten onkologischen Einrichtungen
Workshops auf dem 5. NZW-Dresden u.a.
Schutzkleidung und Verhalten im Reinraum
Effektive Reinigung belasteter Oberflächen und Materialien
Mikrobiologische Validierung
Erstellen einer Unterweisung zum Spill-
Vorträge auf dem 5. NZW-Dresden u.a.
management
„Isolator- Update 2013“ – Zum Stand
Sicherheitsdatenblatt & Betriebsanwei-
der Entwicklung von Prüfkriterien für
den Isolator in der Zytostatika-Herstellung
sung in der pharmazeutischen Praxis
Kriterien für die Auswahl von Mehrfachkleidung in der Zytostatika-Herstellung
Permeation von Zytostatika durch
Schutz­handschuhe
Umsetzung der ApBetrO am Beispiel
einer öffentlichen Apotheke
Pumpen und andere Hilfsmittel zur Entnahme/Herstellung von Zytostatika
Erfahrungsworkshop für QM-Beauftragte
Qualitätskriterien für die Bewertung der
Stabilität und Verweildauer von Infusionssystemen
Gefahrstoffrecht-Update 2013
Das Programm, weitere Informationen und
Anmeldeformulare stehen Ihnen wie gewohnt unter www.nzw.de zur Verfügung.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 11
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke des Klinikums Bogenhausen
Von Jürgen Frenger, München und Birgit Althof, Stuttgart
N
icht nur bei der Herstellung von Zytostatika selbst, sondern auch bei der Überwachung der Herstellbedingungen, dem Monitoring, wird seitens der Aufsichtsbehörden zunehmend strenger auf die Einhaltung der GMP-Standards geachtet. Davon
betroffen ist nicht nur die Herstellung in Betrieben mit Herstellungserlaubnis nach
§13 AMG, sondern auch in Apotheken im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs.
Zusätzlich verschärft wird die Situation durch die neue Apothekenbetriebsordnung.
Ein ganz wesentlicher Bestandteil bei der Einrichtung eines Monitorings und die Voraussetzung für eine erfolgreiche Abnahme durch die Aufsichtsbehörde ist der Qualifizierungsprozess. Die Qualifizierung ist der dokumentierte Nachweis, dass ein Raum,
eine Anlage oder ein Gerät für den vorgesehenen Zweck geeignet ist. Im Folgenden
sollen die Grundzüge des Qualifizierungsprozesses erläutert und an einem konkreten
Praxisbeispiel dargestellt werden.
Eine sichere und konstante Gewährleistung
der Schutzziele in den Laborbereichen erfordert ein durchgängiges Konzept und die
Gewissheit, dass die installierten Systeme
Weiterhin relevant sind Annex 1 und Annex
11 des GMP-Leitfadens sowie die Normen
DIN EN ISO 14644 und VDI 2083.
Eine vollständige Qualifizierung setzt sich aus mehreren einzelnen
Qualifizierungsschritten zusammen:
DQ– Designqualifizierung (design qualification)
IQ – Installationsqualifizierung (installation qualification)
OQ– Funktionsqualifizierung (operational qualification)
PQ – Leistungsqualifizierung (performance qualification)
und Einrichtungen ihre Aufgaben wie vorgesehen erfüllen. Im pharmazeutischen Umfeld ist die Qualifizierung von Anlagen und
Räumen daher Pflicht. Sie ist ein essentieller
Bestandteil der Good Manufacturing Practice (GMP). Die hierfür benötigten Richtlinien finden sich im EU-GMP-Leitfaden
(Annex 15- Qualification and Validation).
Die gesetzliche Umsetzung dieses Teils
des GMP-Leitfadens ist in der AMWHV
(Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) festgehalten. Sie besagt unter
anderem, dass Anlagen, die zur Herstellung
von Arzneimitteln verwendet werden und
für die Arzneimittelqualität von entscheidender Bedeutung sind, auf ihre Eignung
überprüft werden müssen (Qualifizierung).
Auch die neue Apothekenbetriebsordnung
schreibt für die patientenindividuelle parenterale Herstellung die Qualifizierung im
Rahmen der Implementierung eines geeigneten Qualitätsmanagementsystems vor.
Der Qualifizierungsprozess ist überaus komplex und streckenweise rein technisch. Dies
gilt insbesondere für die Schritte IQ und
OQ , die durch den Hersteller des Monitoringsystems durchgeführt werden. Dennoch
lohnt es sich auch für den Apothekenbetreiber, den Prozess von Beginn an zu begleiten, da er sich ja anschließend im täglichen
Arbeitsalltag mit dem System auseinandersetzen muss.
12 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Vor dem eigentlichen Qualifizierungsprozess steht die GMP-Risikoanalyse. Sie wird
bei der Diskussion der Entwurfsplanung vor
dem Abschluss der Design-Qualification
(DQ ) durchgeführt.
Die GMP-Risikoanalyse ist gemäß Annex
15 zum EG - GMP- Leitfaden „Ergänzende
Leitlinien für die Qualifizierung und Validierung“ vorgeschrieben. Sie soll alle kritischen Parameter, die für das Funktionieren
der Ausrüstung und des Herstellungsprozesses bedeutsam sind, definieren und bewerten und muss mögliche Fehlerursachen
und Fehlerfolgen aufzeigen. Ihr Hauptziel
ist, Risiken, die sich durch Änderungen des
Anlagendesigns minimieren oder ausschließen lassen, aufzunehmen und in Designänderungen münden zu lassen.
Risiken, die nicht durch Systemoptimierungen am Anlagendesign minimiert werden können, sind durch Qualifizierungen als
Factory Acceptance Tests (FAT) und, wenn
nötig, durch wiederkehrende Prüfungen auf
ein akzeptables Maß zu reduzieren.
I. Ausgangslage, Ein- und Umbau
der Reinräume und des MonitoringSystems
In der Krankenhausapotheke des Klinikums
München-Bogenhausen werden seit 1999
Zytostatika hergestellt. Bis 2008 wurden
ca. 60 Zubereitungen täglich in einer Zytostatika-Werkbank in Reinraumumgebung
D produziert. Im Zuge der Zusammenführung zweier Krankenhausapotheken sollte
die Zahl der Zubereitungen auf täglich etwa
130-140 verdoppelt werden. Dies war mit der
bisherigen Ausstattung nicht zu bewältigen.
Deshalb fiel 2008 die Entscheidung, das Labor mit drei Isolatoren in Reinraumklasse D auszustatten. Zum Einschleusen und
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke
Weg von der Planung bis hin zur betriebsfertigen Anlage Risikoanalyse
PQ
URS/
Lastenheft
Leistungs‐
verzeichnis
Pflichtenheft
Funktionelle Anforderungen überprüfen Technische Anforderungen überprüfen
OQ
IQ
Nutzer/Planer
Fertigung
Fa. Briem
Heute produziert die Apotheke etwa 35.000
Zubereitungen jährlich: durchschnittlich
140 pro Tag mit Spitzen von bis zu 250 Zubereitungen, davon 7 bis 8 Prozent monoklonale Antikörper. Die Kapazitätsgrenze der
Anlage ist damit jedoch noch nicht erreicht.
Ohne Schichtbetrieb wäre bei maximaler
Ausschöpfung der möglichen Arbeitszeit
auch eine Herstellungsmenge von bis zu
300 Zubereitungen pro Tag möglich.
Abb. 2: Einer der Isolatoren mit
vorgeschalteter Werkbank im neuen
Herstellungsbereich
Desinfizieren der Materialien wurde je eine
vorgeschaltete mikrobiologische Werkbank
vorgesehen (Abb. 2).
Die Anforderung, eine selbständige Einheit
von 120m 2 in den bestehenden Baukörper
bei laufendem Betrieb einzupassen, stellte
eine zusätzliche Herausforderung dar. Nach
ca. 18-monatiger Planungs- und Bauphase
konnte die Anlage im Oktober 2009 in Betrieb genommen werden. Sukzessive wurden
alle onkologischen Stationen in die Versorgung einbezogen, bis die Umstellung Anfang 2010 endgültig abgeschlossen war.
Parallel zum Umbau der Apothekenräumlichkeiten wurde ein computergestütztes
Monitoring-System zur kontinuierlichen
Messung der Umgebungsparameter Raumdifferenzdruck, Feuchte und Temperatur im
Reinraum der Klasse D installiert.
Die zuständige Aufsichtsbehörde erteilte die
Auflage, dass in den Reinräumen der Klasse
A zusätzlich eine kontinuierliche Partikelüberwachung eingerichtet werden müsse.
Diese Umrüstung erfolgte 2011. In die Erweiterung des Monitoring-Systems um die
Partikelüberwachung wurde gleichzeitig die
Überwachung der Kühlschranktemperatur
integriert. Dies war ohne Probleme möglich, da das bereits installierte MonitoringSystem modular aufgebaut ist und somit
jederzeit den wachsenden Anforderungen
angepasst werden kann.
Diese Erweiterung des Monitorings brachte
weitere Vorteile mit sich: Zusätzliche Si-
Abb. 1:
Zyklus einer Qualifizierung
cherheit durch Aufschaltung der Kühlschranktemperaturen auf die Gebäudeleittechnik und möglicher Verzicht auf
bisheriges händisches Auslesen der Kühlschranktemperaturen; auch sind seitdem die
Verhältnisse in den Reinräumen wie auch
in den Kühlschränken jederzeit auf dem
Bildschirm dargestellt. Somit sind alle zu
überwachenden Parameter nachvollziehbar
dokumentiert, sicher und valide in einem
Monitoringsystem hinterlegt und dauerhaft
verfügbar.
II. Qualifizierung des MonitoringSystems
Risikoanalyse
Die der eigentlichen Qualifizierung vorausgehende Risikoanalyse wurde nach der
FMEA (Failure Mode and Effect Analysis)Methode durchgeführt. Diese hat den Vorteil, dass sie schon vor dem Auftreten eines
Fehlers angewandt werden kann. Die Analyse identifizierte vor Ort zwölf Risikofaktoren, darunter:
a.) Einen möglichen Blackout des Monitoringservers, bedingt durch einen Stromausfall oder unkontrolliertes Abschalten
der Versorgungsspannung.
b.) Einen möglichen Ausfall der Datenaufzeichnung der Sensoren durch Ausfall
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 13
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke
Nr.
VorgangsmTask Name
1
Dauer
Ausführungsplanung
Anfang
Ende
Vorgänger
26 Tage?
Mon 02.02.09
Mon 09.03.09
2
Technische Klärung
5 Tage?
Mon 02.02.09
Fre 06.02.09
3
Konstruktion Feldgeräte
14 Tage
Mit 18.02.09
Mon 09.03.09
7
4
Konstruktion Schaltschrank
14 Tage
Mit 18.02.09
Mon 09.03.09
7
40 Tage?
Mon 09.02.09
Fre 03.04.09
5
Qualifizierung
6
Erstellen DQ‐Unterlagen
3 Tage
Mon 09.02.09
Mit 11.02.09
2
7
Prüfung / Freigabe DQ‐Unterlagen
4 Tage?
Don 12.02.09
Die 17.02.09
6
8
Durchführung FAT
2 Tage
Die 10.03.09
Mit 11.03.09
4;3
9
Erstellung IQ‐Unterlagen
2 Tage
Mit 18.02.09
Don 19.02.09
7
10
Prüfung / Freigabe IQ‐Unterlagen
3 Tage?
Fre 20.02.09
Die 24.02.09
9
11
Erstellung OQ‐Unterlagen
2 Tage
Mit 25.02.09
Don 26.02.09
10
12
Prüfung / Freigabe OQ‐Unterlagen
3 Tage?
Fre 27.02.09
Die 03.03.09
11
13
Durchführung IQ
2 Tage
Fre 20.03.09
Mon 23.03.09
22;10
14
Prüfung / Freigabe IQ‐Durchführung
3 Tage?
Die 24.03.09
Don 26.03.09
13
15
Durchführung OQ
2 Tage
Fre 27.03.09
Mon 30.03.09
14;12
16
Prüfung / Freigabe OQ‐Durchführung
3 Tage?
Die 31.03.09
Don 02.04.09
15
17
Qualifzierungsabschlussbericht
1 Tag
Fre 03.04.09
Fre 03.04.09
16
18
Unterstützung bei PQ
0 Tage?
Fre 03.04.09
Fre 03.04.09
17
Montage / Inbetriebnahme
18 Tage?
Don 12.03.09
Mon 06.04.09
19
08 Feb '09
D
20
Montage Feldgeräte
4 Tage
Don 12.03.09
Die 17.03.09
8
21
Montage Schaltschrank
4 Tage
Don 12.03.09
Die 17.03.09
8
22
Inbetriebnahme
2 Tage
Mit 18.03.09
Don 19.03.09
20;21
23
Personalschulung
1 Tag?
Fre 20.03.09
Fre 20.03.09
22
24
Abnahme
1 Tag?
Mon 06.04.09
Mon 06.04.09
17
M
F
Abb. 3: Zeitlicher Ablaufplan für die Qualifizierung eines Monitoringsystems
der Buskommunikation GRM-Monitoring 1
c.) Falsche Messwerte durch falsch gewählte
Messbereiche oder fehlerhafte Kalibrierung der Sensoren
Basierend auf dieser Risikoanalyse wurden
mögliche Vorbeugungsmaßnahmen in den
Bereichen Design und Qualifizierung erarbeitet, um die Risiken zu minimieren und
die Fehlerquellen auszuschalten.
Im Bereich Design ergaben sich daraus beispielsweise folgende Lösungsvorschläge:
a.) Anschluss des Servers an eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV).
GRM: Ganzheitliches Reinraum-Monitoring, das im Vorfeld auf intensiver Analyse und Beratung aufbaut
und bereits bei der Planung künftige Anforderungen mit einbezieht – zum Beispiel durch eine Konstruktion, die eine unkomplizierte Wartung und Kalibrierung ermöglicht.
1
c.) Erstellen eines Messstellenverzeichnisses
mit Messbereich und Kalibrierzertifikaten.
Als Maßnahmen im Bereich Qualifizierung/Requalifizierung wurden 11 der insgesamt 12 Risikofaktoren für die folgenden
Qualifizierungsschritte IQ/OQ vorgemerkt.
Task
Summary
Inactive Milestone
Duration-only
Split
Project Summary
Inactive Summary
Manual Summary Rollup
Milestone
Inactive Task
Manual Task
Manual Summary
14Project:
| Onkologische
Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Monitoring Apotheke
Date: Mon 10.12.12
b.) Kontinuierliche Überwachung der Kommunikation und automatische Alarmierung über PC bei Kommunikationsstörung.
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke
D
S
M
22 Feb '09
S
08 Mrz '09
D
M
F
D
S
M
22 Mrz '09
S
05 Apr '09
D
M
F
D
03.04
03.04
06.04
Darüber hinaus wurden die Requalifizierung beziehungsweise regelmäßige Kontrolle, etwa im Zusammenhang mit der
jährlichen Wartung, empfohlen. Die Wartung wird seit 2010 jährlich durch den Lieferanten nach einem festen Wartungsplan
durchgeführt.
Die durch die Risikoanalyse identifizierten
Aufgaben flossen in das „Lastenheft“ mit
ein, das die Anforderungen des Betreibers
(Apotheke) an den Hersteller des Monitoringsystems (Fa. Briem) beschreibt.
Start-only
External Milestone
Finish-only
Deadline
External Tasks
Progress
Designqualifizierung (DQ )
In der DQ wird dieses Lastenheft den
Leistungen des Lieferanten (Pf lichtenheft) gegenübergestellt, das am Ende alle
Hauptfunktionen erfasst, die das Monitoringsystem befähigen, GMP- kritische und
relevante Daten sicher aufzuzeichnen und
zu speichern.
Die Anforderungen im Lastenheft werden
dabei in „Kann“- oder „Muss“- bzw. „GxP“Kategorien 2 eingestuft. Die „Muss“-Kategorien sind bereits regulatorisch durch die
Manual Progress
eingangs genannten Annexe im GMP-Leitfaden vorgegeben.
Das Lastenheft der Krankenhausapotheke des Klinikums München-Bogenhausen
umfasste einen 27 Seiten füllenden Anforderungskatalog. Zu den Hauptanforderungen zählen:
GXP: Zusammenfassung aller Richtlinien für gute
Arbeitspraxis (u.a. in der Pharmazie)
2
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 15
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke
Erfassung, Speicherung und Archivierung
von Prozessdaten und Batchreporten
Darstellung der Messdaten in Diagrammbildern
Passwortgeschützte Zugriffsrechte-Struktur
Nicht editierbare Rohdaten
Audit-Trail Funktion (Überwachung der
Benutzeraktivität)
Elektronische Unterschrift
Profilumschaltung (Umschaltung der
Klimabedingungen in einzelnen Räumen)
Messwertaufzeichnung und Alarmierung
standardmäßig
Funktionsqualifizierung (OQ )
Bei der OQ wird die Funktionsfähigkeit
des Gesamtsystems in Form verschiedener
OQ-Tests überprüft. Dabei wird die Datenübergabe von den Messgeräten über den
Schaltschrank an den Server und an das Visualisierungstool (Devicemanager) überprüft. Des Weiteren wird getestet, ob die
Alarmierung an den definierten Stellen optisch und akustisch erfolgt. Die Benutzerverwaltung, die Funktion der USV sowie
das kontrollierte Verhalten des Systems bei
Stromausfall oder sonstigen Störungen werden kontrolliert.
Die Umsetzung aller Anforderungen der
„Muss“- und „GxP“-Kategorie muss im
Pf lichtenheft beschrieben werden. Die
Punkte der „Kann“ -Kategorie können,
müssen jedoch nicht erfüllt werden. Der
Abgleich zwischen Lasten- und Pflichtenheft erfolgt in Form einer Verfolgbarkeitsmatrix (Traceability-Matrix). Die DQ legt
somit fest, was die Anlage/das Gerät können
muss, wie es auszusehen hat und in welcher
Form (Qualifizierung/Kalibrierprotokoll)
dies nachgewiesen und geprüft werden muss.
Leistungsqualifizierung (PQ ) und Qualifikationsdokumentation
Bei der PQ wird die Leistung des Systems
über einen definierten Zeitraum getestet.
Dieser Test obliegt dem Betreiber der Anlage und kann auch als sogenannter Langzeittest betrachtet werden.
Installationsqualifizierung (IQ )
Bei der IQ wird vor der Auslieferung des
Systems/der Anlage ein sogenannter FAT
(factory acceptance test) durchgeführt. Dabei wird das System im Betrieb des Lieferanten aufgebaut und auf Korrektheit der
Komponenten, der Verkabelung und der
Funktion überprüft. Das System wird erst
nach erfolgreich abgeschlossenen FAT ausgeliefert.
Nach der Installation des Systems beim
Kunden werden verschiedene IQ-Tests
durchgeführt, bei denen die korrekte Installation überprüft wird. Dabei wird unter
anderem kontrolliert und dokumentiert, ob
alle in der DQ spezifizierten Geräte vorhanden und an der definierten Stelle installiert
sind, ob alle Geräte ein gültiges Werks- und
Vor-Ort-Kalibrierprotokoll besitzen, ob die
Elektroinstallation korrekt vorgenommen
wurde und ob die notwendigen Soft- und
Hardwarekomponenten (Server/Client PC)
vorhanden sind.
Die Qualifizierung kann erst abgeschlossen
werden, nachdem alle im Laufe des Prozesses entdeckten kritischen Mängel beseitigt
wurden. Nach Abschluss der Phasen wird
ein Qualifizierungsabschlussbericht erstellt,
wonach das System in Betrieb genommen
werden kann.
Generell darf die nächste Phase der Qualifizierung erst durchgeführt werden, wenn
die vorherige abgeschlossen, d.h. genehmigt
und somit freigegeben ist.
Alle Schritte und Prüfungen sind parallel
zur durchführenden Tätigkeit GMP-gerecht zu dokumentieren. Eine vollständig
und korrekt durchgeführte und dokumentierte Qualifizierung aller qualitätsrelevanten Einrichtungen/Geräte und Bauteile ist
Grundvoraussetzung für das Erlangen der
Herstellerlaubnis.
Change Control/Qualifizierung der
Monitoring-Erweiterung (Partikel- und
Kühlschrank-Monitoring)
Nach der Auflage der Aufsichtsbehörde, in
der Krankenhausapotheke München-Bogenhausen neben dem allgemeinen Monitoring
zusätzlich ein kontinuierliches Partikelmo-
16 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
nitoring in den Reinräumen A einzurichten,
wurde jeder Isolator mit einem Kombinationsgerät zur Partikelmessung ausgestattet. Diese Geräte bestehen aus einer Sonde innerhalb des Isolators und einem daran
angeschlossenen, außerhalb positionierten
Partikelzähler. Sowohl das neue Partikelmonitoring wie auch die Kühlschränke des
Labors wurden an das bestehende Monitoring-System angeschlossen.
Diese Erweiterungen mussten selbstverständlich auch dem Qualifizierungsprozess unterzogen werden. Hierfür wird das
Change-Control-Verfahren angewandt:
die neu hinzukommenden Geräte sowie
die bereits vorhandenen Komponenten des
Systems, die von der Erweiterung berührt
werden, mussten neu qualifiziert werden.
In einer Risikoanalyse wurden zunächst die
betroffenen Bereiche verifiziert. Lediglich
diese wurden anschließend neu qualifiziert.
Somit war nach der Systemerweiterung nur
ein Bruchteil des Aufwands der Gesamtqualifizierung erforderlich.
Fazit:
1.) Bei der Einrichtung des Reinraummonitorings empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit von Auftraggeber, Fachplaner,
Anbieter und zuständiger Aufsichtsbehörde – bereits von der Planung an.
2.)Der Risikoanalyse und der darauffolgenden DQ kommt eine Schlüsselposition
bei der Planung des Gesamtsystems zu.
Beide sollten vorausschauend, mit äußerster Sorgfalt und in enger Abstimmung
aller Beteiligten durchgeführt werden.
3.) Auch für Apothekenbetreiber lohnt es
sich, den Qualifizierungsprozess von Beginn an zu begleiten, da sie sich später
im täglichen Betrieb mit dem System
auseinander setzen müssen. Das Monitoringsystem ist ein Qualitätssicherungsinstrument, das nur optimalen Nutzen
bringt, wenn es richtig und umfassend
angewandt wird.
Einrichtung und Qualifizierung eines kontinuierlichen Reinraum-Monitorings in der Krankenhausapotheke
INTERVIEW
Interview mit Jürgen Frenger,
Leiter der Krankenhausapotheke im Klinikum Bogenhausen
Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen
mit dem Reinraum-Monitoring?
Seit den drei Jahren, in denen wir das Gesamtmonitoring im Einsatz haben, hatten wir mit dem System noch nie Probleme. Dasselbe gilt für das vor einem Jahr
installierte Partikel- und KühlschrankMonitoring. Die Software ist intuitiv
bedienbar und sehr übersichtlich. Alle
Berechtigungskonzepte sind gemäß den
behördlichen Anforderungen eingerichtet. Nicht nur die aktuellen Zustände in
den Reinräumen, auch die Kühlschranktemperaturen sind immer übersichtlich
auf dem Bildschirm. Das erspart uns nicht
nur das händische Auslesen, sondern gibt
uns auch mehr Sicherheit.
Welche Erfahrungen und Tipps würden
Sie ApothekerInnen mit auf den Weg
geben, die die Einrichtung eines Monitoring-Systems planen?
Ich würde jedem empfehlen, sich gut zu
überlegen, was eventuell auch in Zukunft
benötigt werden könnte. Das MonitoringSystem der Firma Briem hat zwar den
großen Vorteil, dass es mühelos erweiterbar ist. Dennoch kommt es natürlich immer teurer, wenn man nachrüsten muss.
Partikelmessgeräte können auch ohne
Aufschaltung auf die Überwachungssoftware betrieben werden, was deutlich
günstiger, aber auch weniger komfortabel
und sicher ist.
Und was bedeutet das alles für die Qualifizierung?
Eine gute und vorausschauende Planung – beginnend mit der DQ – erspart
Nachbesserungen und damit Zeit und
Geld. Sie sollte in enger Abstimmung
von Bau- und Fachabteilung, Fachplaner und Aufsichtsbehörde durchgeführt
werden. Diese Zusammenarbeit sollte auch den gesamten Bauprozess begleiten, damit es auch hierbei nicht zu
Fehlern kommt, die später kaum oder
nicht mehr behoben werden können.
Auch unser pharmazeutischer Sachverstand ist kontinuierlich gefordert, insbesondere hinsichtlich der Prozessorientierung. Ein Fachplaner in der Bauaufsicht
kann das eigene Nach- und Mitdenken nicht ersetzen. Am Ende muss die
Fachabteilung/Apotheke mit den erarbeiteten Lösungen leben.
Darüber hinaus sollte Zeit und Kosten
nach der Bauphase nicht außer Acht gelassen werden. Alle Geräte und Einrichtungen müssen regelmäßig gewartet bzw.
rekalibriert werden. Dies ist am besten
durch Wartungsverträge abgebildet. Am
Beispiel der Monitoringanlage bedeutet
dies also eine jährliche Überprüfung der
Messsysteme in Abstimmung mit einem
kompetenten Partner.
Wie erlebten Sie den Qualifizierungsprozess?
Mit der Firma Briem hatten wir einen
Partner, für den das Thema Qualifizierung eine Selbstverständlichkeit ist. Die
Firma übernahm die Qualifizierung und
stellte uns außerdem sämtliche Dokumente in der geforderten Qualität komplett und unverzüglich zur Verfügung.
Ermüdende Diskussionen zur Klärung
der GMP-Anforderungen konnten wir
uns damit sparen.
Noch ein kleiner Praxistipp für unsere Leser?
Bei der Planung sollte man einen starken
Fokus auf die internen Prozesse legen.
Beispielsweise sollte der Überwachungsmonitor schnell zugänglich für Entscheidungsträger sein oder die Partikelmesssonden so montiert sein, dass einerseits
der Herstellungsprozess nicht behindert
wird, andererseits aber die Messwerte aussagekräftig bleiben.
Herzlichen Dank für das Interview!
Das Interview führte unsere Chefredakteurin Dr. Karla Domagk
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 17
Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken
Dynamische Störungen und deren Einfluss auf
die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken
Von Gragert, S.; Harder, M.; Hinrichs, T.; Kamdem Medom, B.; Elmshorn
S
icherheitswerkbänke (SWB) sind in vielen biotechnologischen und pharmazeutischen Laboratorien eine wichtige Schutzeinrichtung für den sicheren Umgang mit
Gefahrstoffen resp. gefährlichen biologischen Arbeitsstoffen [1-3]. Die Schutzfunktionen in Form des Personen-, Produkt- und Verschleppungsschutzes sind die elementaren Eigenschaften einer jeden Sicherheitswerkbank. Diese werden durch veränderte
Luftströmungsverhältnisse ebenso beeinflusst, wie durch dynamische Störfaktoren in
Form eines sich bewegenden Menschen. In einem zweijährigen Forschungsprojekt zusammen mit dem Institut für Energie- und Umwelttechnik e.V. (IUTA) konnte aufgezeigt werden, dass der sich bewegende Mensch vor einer Sicherheitswerkbank und zu
schnelle Armbewegungen in der Arbeitsöffnung die größten Störungen verursachen.
1 Einleitung
Bei der Handhabung von biologischen Arbeitsstoffen und Gefahrstoffen werden in
pharmazeutischen und biotechnologischen
Laboratorien sowie in medizinischen Einrichtungen Sicherheitswerkbänke (SWB)
nach DIN EN 12469 [4] und nach DIN
12980 [5] für den Personen-, Produkt- und
Verschleppungsschutz eingesetzt. Für den
Personenschutz ist das Rückhaltevermögen
an der Arbeitsöffnung der SWB von besonderer Bedeutung. Das Rückhaltevermögen
beschreibt die Eigenschaft einer SWB, den
Austritt von gefährlichen Partikeln durch
die Arbeitsöffnung zu verhindern.
Die Definition der jeweiligen Schutzfunktion basiert auf einer bestandenen mikrobiologischen Prüfung gem. Stand der Technik
(Abb. 1) bei spezifischen Luftströmungsverhältnissen einer SWB.
Bei dieser Prüfung werden die Luftströmungen mit Bioaerosolen beaufschlagt. Ein Vernebler dispergiert die Bioaerosole aus einer
apathogenen Sporensuspension von Bacillus
subtilis. In verschiedenen Probenahmeverfahren werden aus- und übertretende luftgetragene Sporen gesammelt, inkubiert und
ausgewertet. Diese mikrobiologische Prüfung ist das normative Verfahren in Europa,
den USA und Asien zur Bestimmung der
Schutzfunktionen von SWB [6-7].
Partikel überwinden die Luftbarriere in der
Arbeitsöffnung einer SWB umso leichter:
a) je schneller und ungünstiger die Bewegungsmuster des an der SWB arbeiten-
Abb. 1:
Prüfstand der
mikrobiologischen
Prüfung des Personen­
schutzes gem. DIN EN
12469.
18 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
den Personals und ggf. des an der SWB
vorbeigehenden Personals sind,
b) je kleiner die Geschwindigkeiten der
Lufteintrittsströmung in der Arbeitsöffnung (Inflow) und die der turbulenzarmen Verdrängungsströmung im Arbeitsraum (Downflow) der SWB sind,
c) je kleiner die Geschwindigkeit der Lufteintrittsströmung im Verhältnis zur Verdrängungsströmung ist.
Zu a):
In entsprechenden Merkblättern und Regelwerken werden aus diesem Grund vom
Personal bestimmte Verhaltensregeln gefordert. Hierzu zählen z. B. langsame Armbewegungen innerhalb des Arbeitsraumes einer
SWB sowie den Personenverkehr während
der Tätigkeit an Sicherheitswerkbänken einzuschränken oder gar vollständig zu vermeiden [8, 9].
Im Merkblatt M620 der BGW [10] werden
in Bezug auf die Mindestanforderungen der
Betriebsanweisung für SWB u. a. folgende
Verhaltensregeln aufgestellt:
Störungen des laminaren Luftstroms vermeiden.
Arbeiten nur mit Frontscheibe in Arbeitsposition durchführen.
Ansaugöffnungen im Arbeitsraum der
SWB und Abluftöffnungen nicht blockieren.
Keine schnellen und heftigen Bewegungen.
Zugluft verhindern (unter anderem Fenster, Türen geschlossen halten).
Auch im Merkblatt B011 der BGRCI [11]
ist in den Verhaltensregeln u. a. der Passus
„Starker Personenverkehr in der direkten
Umgebung einer SWB ist zu vermeiden“
zu finden.
Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken
Zu b):
Die absoluten Werte von Inflow und Downflow werden aktuell von immer mehr Herstellern von SWB verringert. Gründe dafür
sind z. B.
Reduzierung des Schalldruckpegels
Reduzierung von Vibrationen
Verlängerung der Standzeit von Filtern
und hiermit Reduzierung der Wartungskosten
Verwendung von kleineren und i. d. R.
günstigeren Ventilatoren
Luftströmungen dürfen nicht zugunsten eines niedrigen Schallpegels, eines geringeren
Energieverbrauchs oder aber Verlängerung
von Filterstandzeiten beliebig reduziert werden, da dies mit einer Minimierung resp.
Versagen der Schutzfunktionen einhergehen
kann [12, 13].
Zu c):
Jede SWB hat bauartspezifisch einen optimalen Betriebspunkt hinsichtlich der
Strömungsgeschwindigkeiten an der Arbeitsöffnung (Inflow) und im Arbeitsraum
(Downflow). Diese strömungsmechanische
„Inflow-Downflow“ Wechselbeziehung (Abb.
2) ist in den USA eine bekannte Tatsache
[14]. Nach der amerikanischen Norm NSF 49
für mikrobiologische Sicherheitswerkbänke
sind zusätzliche Prüfungen hinsichtlich der
Schutzfunktionen durchzuführen.
Die unter Punkt a) beschriebene Problematik
wird noch verstärkt, wenn wie unter Punkt
b) beschrieben, die Strömungsgeschwindig-
Abb. 2: Wechselbeziehung der
Lufteintritts- vs. Verdrängungsströmung
bei Sicherheitswerkbänken in der
Seitenansicht.
Abb. 3: Ergebnisse der mikrobiologischen Prüfung des Personen- und Produktschutzes
in Abhängigkeit der Lufteintritts- und Verdrängungsströmung
keiten von Inflow und Downflow reduziert
werden. Durch die reduzierten Strömungsgeschwindigkeiten reagieren die Sicherheitswerkbänke empfindlicher auf Störströmungen, z. B. aufgrund ungünstiger Bewegungen
des Personals. Formal bestehen auch diese
SWB die für die Zulassung vorgeschriebene Prüfung bzgl. der Schutzfunktion an der
Arbeitsöffnung. In der Praxis, wenn im Vergleich zu den Prüfbedingungen weniger ideale Umgebungs- und Betriebsbedingungen
vorherrschen, arbeiten die Sicherheitswerkbänke möglicherweise aber bereits im kritischen Grenzbereich. Schon bei geringeren
Störungen der Luftströmung im Nahbereich
der Arbeitsöffnung kann dann die Schutzfunktion der SWB reduziert und der Austritt
von gefährlichen Partikeln aus dem Inneren
der SWB in das Labor begünstigt werden.
Die empfohlenen Verhaltensregeln ans Personal während des Arbeitens an der SWB
erlangen in diesen Fällen eine noch größere Bedeutung. Insbesondere detaillierte und nachvollziehbare Beschreibungen,
wie „langsame Bewegungen“ in der Praxis
durchzuführen sind, existieren nicht. In der
täglichen Arbeitsroutine ist das Personal
somit auf das eigene „Gefühl“ angewiesen.
In der Realität erfolgt die Prüfung des Personenschutzes an der Arbeitsöffnung einer SWB gem. DIN EN 12469 resp. DIN
12980, ohne dass der Mensch während der
Prüfung anwesend ist (Abb. 1).
2 Material und Prüfmethoden
2.1 Ohne Störung
Die Strömungsgeschwindigkeiten der
BERNER FlowSafe® SWB wurden zunächst entsprechend den Herstellerangaben auf den spezifischen Betriebspunkt mit:
0,35 m/s Verdrängungsströmungsgeschwindigkeit und
0,44 m/s Lufteintrittsströmungsgeschwindigkeit
eingemessen.
Um das angestrebte Ziel, den Verlust der
Schutzfunktionen, zu erreichen wurde dann
die Lufteintritts- und Verdrängungsströmungsgeschwindigkeit der SWB solange
stufenweise gem. NSF 49 reduziert bis die
Schutzfunktionen nach Norm nicht mehr
vorhanden waren (Abb. 3). Die Schutzfunktion der SWB bei reduzierten Strömungs-
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 19
Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken
verhältnissen außerhalb des Betriebspunktes der SWB wurde bei allen Einstellungen
mittels der mikrobiologischen Prüfung gem.
DIN EN 12469 ermittelt.
Um den Einfluss von externen Faktoren auf
die Leistung bzw. Schutzfunktion der SWB
zu prüfen, wurden während der Prüfung des
Personenschutzes definierte Störobjekte vor
und in der SWB platziert.
Als Störobjekte dienten in diesem Forschungsprojekt:
Eine Dummy-Puppe, zur Ermittlung des
Einflusses der arbeitenden Person,
ein Roboterarm, für Bewegungen in der
Arbeitsöffnung und innerhalb der SWB
und
eine bewegte Platte, zur Simulation von
Bewegungen außerhalb der SWB.
2.2 Störung „Person vor der SWB“
Als Störfaktor wurde eine Dummy-Puppe
(Abb. 4) eingesetzt, die eine vor der SWB
sitzenden bzw. arbeitenden Person simuliert.
Diese wurde in der Mitte der SWB so positioniert, dass sie keinen Einfluss auf die aufgestellten Luftkeimsammler hat. Der Abstand
von Kopf und Brust zur Frontscheibe wurde
gemessen und der Sitzposition einer arbeitenden Person angepasst. Die Eindringtiefe
der Arme der Dummy-Puppe in die SWB
betrug 25 cm.
2.3 Störung „Bewegter Arm“
Um den Einfluss von Störströmungen innerhalb der Arbeitsöffnung und des Arbeitsraumes der SWB zu untersuchen, wurde ein
Roboterarm als externer Störfaktor (Abb. 5)
eingesetzt. Dieser war so konzipiert, dass er
wie der Arm einer arbeitenden Person in einer Ebene bewegt werden konnte. Außerdem
konnten reproduzierbare Bewegungsmuster
realisiert werden. Der Roboterarm wurde mittig vor der SWB platziert und ragte 55 cm in
den Arbeitsraum der SWB hin. Während der
Prüfsequenz schwenkte er von der Mittenposition um ± 55° nach links bzw. nach rechts.
Dabei bewegte sich der Arm zusätzlich um
11 cm aus der SWB heraus. Diese Bewegung
ist der Schulterbewegung einer an der SWB
arbeitenden Person nachempfunden.
2.4 Störung „Bewegter Mensch“
Eine sich bewegende Person wurde durch
eine Platte simuliert, welche parallel zur
Abb. 4: Störung „Person vor der SWB“
während der Prüfung des
Personenschutzes.
Abb. 5: Störung „Bewegter Arm in der
Arbeitsöffnung und im Arbeitsraum“
während der Prüfung des Personenschutzes
SWB vorbeilief und potentiellen Einfluss
auf die Schutzfunktion der SWB nehmen
konnte. Die Abmaße und Randbedingungen
der bewegten Platte wurden der DIN EN
14175-3 „Robustheit der Rückhaltevermögens von Laborabzügen“ entnommen [14].
In Abbildung 6 ist der Versuchsaufbau zur
Prüfung des Personenschutzes mittels mikrobiologischer Prüfung dargestellt.
Die Startposition ist die Mitte der Lineareinheit auf der die 400mm breite und
1900mm hohe Platte montiert war. Diese
war 40 cm von der Arbeitsöffnung der SWB
entfernt. Von dieser Position fuhr sie ca. 80
cm über die Außenkanten der SWB hinaus.
An der Endposition angekommen, fuhr die
Platte nach einer Verweilzeit von 30 Sekunden wieder zur anderen Seite zurück. Während der gesamten Prüfung bewegte sich die
Platte mit einer Geschwindigkeit von 1,0 ±
0,1 m/s parallel zur Vorderseite der SWB.
2.5 Theoretische Betrachtung mittels
numerischer Simulation
Parallel zur Prüfung des Personenschutzes
wurde am IUTA die Strömungssituation
als instationärer Vorgang mittels der numerischen Simulationssoftware FLUENT
berechnet. Da sich durch die bewegte Platte
das Rechengitter zeitlich veränderte, wurde zur Berechnung das sogenannte MDM
(Moving Deforming Mesh) – Verfahren
eingesetzt. Um die Arbeitsbedingungen
möglichst realistisch nachzubilden, wurde
20 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Abb. 6: Störung „Bewegter Mensch vor
der SWB“ während der Prüfung des
Personenschutzes.
zusätzlich zur bewegten Platte eine vor der
SWB sitzende Person in das numerische
Modell integriert. Abb. 7 zeigt in der Vektordarstellung die unterschiedlichen Beträge der Strömungsgeschwindigkeiten durch
unterschiedliche Farben (blau: kleine Geschwindigkeit, grün: größere Geschwindigkeit).
3 Ergebnisse
Detaillierte Ergebnisse sind Tabelle 1 und
den Abbildungen 8 und 9 zu entnehmen.
3.1 Ohne Störung
Die Leistungsgrenze der untersuchten SWB
bzgl. des Personenschutzes liegt bei 0,19 m/s
Lufteintrittsströmung und 0,09 m/s Verdrängungsströmung. Bezogen auf den Be-
Dynamische Störungen
Abb. 7:
Bewegte Platte
(„Vorübergehende
Person“) und sitzende
Person vor der SWB im
Simulationsraum (links)
und zugehörige
Geschwindigkeitsvektoren
4 s nach dem Start der
bewegten Platte (rechts).
triebspunkt (0,44m/s / 0,35m/s) ist somit
eine theoretische Strömungsreduzierung um
bis zu 57% bzw. 74% möglich.
3.2 Störung „Person vor der SWB“
Die Leistungsgrenze bzgl. des Personenschutzes mit einer starren Person als Stör-
faktor vor der SWB liegt bei 0,19 m/s
Lufteintrittsströmung und 0,13 m/s Verdrängungsströmung. Bezogen auf den
Betriebspunkt ist eine theoretische Strömungsreduzierung um bis zu 57% bzw. 63%
möglich.
3.3 Störung „Bewegter Arm“
Die Leistungsgrenze bzgl. des Personenschutzes mit dem bewegten Arm als Störfaktor liegt bei 0,24 m/s Lufteintrittsströmung und 0,15 m/s Verdrängungsströmung
für die Bewegung nach rechts resp. 0,28 m/s
Lufteintrittsströmung und 0,19 m/s Verdrängungsströmung für die Bewegung nach
links.
Bezogen auf den Betriebspunkt ist eine
theoretische Strömungsreduzierung nur
noch bis zu 45% und 57% resp. 36% und
46% möglich. Dies lässt den Schluss zu,
dass die Armbewegungen ein Störpotential aufweisen.
3.4 Störung „Bewegter Mensch“
Die Leistungsgrenze bzgl. des Personenschutzes mit einer bewegten Person vor
der SWB als Störfaktor liegt bei 0,38 m/s
Lufteintrittsströmung und 0,25 m/s Verdrängungsströmung. Bezogen auf den Betriebspunkt ist eine theoretische Strömungsreduzierung um lediglich bis zu 14% und
29% möglich. Dies lässt den Schluss zu, dass
Tab. 1: Leistungsgrenzen für den Personenschutz einer BFS® SWB und mögliches Strömungsreduzierungspotential mit
und ohne Störung.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 21
Dynamische Störungen
Abb. 8: Reduzierungspotential der Verdrängungsströmung bzgl. des Betriebspunktes,
so dass die Schutzfunktion des Personenschutzes gerade noch vorhanden ist.
Abb. 10: Auf der Rückseite der sich
bewegenden Platte („Vorübergehende
Person“) entsteht partiell ein Unterdruck
mit einer lokalen mittleren Strömungs­
geschwindigkeit von 1-1,8 m/s (grüngelb-orange). Simulation unter
www.berner-international.de/Forschung.
Verlust der Schutzfunktionen einhergeht
(Abb. 8, 9). Wenn der spezifische Betriebspunkt sehr nah an den Leistungsgrenzen
lokalisiert ist, kann jede noch so kleine Veränderung in der Umgebung (z. B. Personenverkehr, Öffnen einer Tür) oder in der
Arbeitsöffnung (z. B. Armbewegungen) zu
einer Störung bis zum Verlust der Schutzfunktionen von SWB führen.
Abb. 9: Reduzierungspotential der Lufteintrittsströmung bzgl. des Betriebspunktes,
so dass die Schutzfunktion des Personenschutzes gerade noch vorhanden ist.
die bewegte Person das größte Störpotential aufweist.
3.5 Strömungssimulation Störung
„Bewegter Mensch“
Diese gemessenen Ergebnisse decken sich
mit den Resultaten der numerischen Berechnung des Partikeltransportes vom
IUTA. Im Bereich zwischen Arbeitsöffnung und Person wurden kleine, gegen Null
strebende Geschwindigkeiten berechnet.
Die Vergrößerung dieses Bereiches und die
zusätzliche Darstellung der Geschwindigkeitsvektoren zeigen, dass die normalerweise in die SWB gerichtete Strömung
sich umkehrte und aus der SWB heraus
gezogen wird. Es besteht die Gefahr, dass
freigesetzte Partikel in diesem Fall aus der
SWB heraus in die Umgebung transportiert werden. Tabelle 1 zeigt die ermittelten
Strömungsverhältnisse bei denen der Personenschutz der SWB noch gewährleistet ist.
4 Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Leistungsgrenzen einer SWB für den Personenschutz deutlich unterscheiden (Tab. 1).
So können die Luftströmungen ohne Störung bis zu 74% resp. 57% bezogen auf den
Betriebspunkt der hier untersuchten SWB
reduziert werden, ohne dass dies mit dem
22 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Es wird dringend davon abgeraten, Luftströmungen pauschal zu reduzieren, um Schallpegel, Energieverbrauch, Vibrationen etc. zu
verringern, ohne die spezifischen Leistungsgrenzen einer SWB zu kennen. Das Leistungsvermögen bzgl. der Schutzfunktionen
bei SWB ist, je nach Konstruktion und Modell, völlig unterschiedlich. Dies belegen die
Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Leistungsgrenzen von Sicherheitswerkbänken“
hinreichend. Dies ist vor dem Hintergrund
der realen durch den Menschen verursachten
Störungen umso bedeutsamer [16].
Eine vor der SWB sitzende und sich nicht
bewegende Person stellt im Grunde keine
Störung hinsichtlich des Personenschutzes
dar. Die Leistungsgrenze und das hiermit
einhergehende Reduzierungspotential der
Luftströmungen ist nahezu identisch mit der
Konstellation „ohne Störung“. Der Grund
liegt darin, dass die Luft in der Arbeitsöffnung und im Arbeitsraum nahezu ohne
Störeinfluss strömen kann und die „Dummy-Puppe“ sich nicht bewegt.
In der Realität führt der Mensch Bewegungen vor und in der SWB durch. Es war
Dynamische Störungen und deren Einfluss auf die Schutzfunktion von Sicherheitswerkbänken
festzustellen, dass die dynamischen Störfaktoren in Form von „Bewegter Arm in der
Arbeitsöffnung“ und „Bewegter Mensch vor
der SWB“ die Schutzfunktion des Personenschutzes relevant beeinflussen.
geht (Abb. 3). Diese Voraussetzung gilt jedoch nur für den Fall, dass keine Person vor
der SWB sitzt und arbeitet, sowie keine Person sich unmittelbar vor der Arbeitsöffnung
der SWB bewegt.
Als größtes Störpotential konnte der „Bewegte Mensch“ vor der SWB identifiziert werden.
Hierbei konnte die Lufteintrittsströmung
maximal um 14% und die Verdrängungsströmung bis zu 29% reduziert werden, ohne die
Schutzfunktion zu verlieren. Wurde die SWB
bzgl. der Luftströmungen relativ nahe resp.
am Betriebspunkt betrieben, konnte allerdings die signifikante Störung in Form des
„bewegten Menschen“ vor der SWB kompensiert werden.
Die Realität zeigt jedoch, dass eine SWB
in der Regel nie ohne äußere Störungen betrieben werden kann. Als das größte Störpotential konnte der „Bewegter Mensch“
vor der SWB identifiziert werden. Hierbei
können die Luftströmungen nur noch bis zu
29% reduziert werden, bevor die Personenschutzfunktion außer Kraft gesetzt wird.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der
Hersteller den Betriebspunkt einer SWB so
wählt, dass auftretende externe Störeinflüsse problemlos kompensiert werden können.
Nur so können die Schutzfunktionen der
SWB zu jeder Zeit aufrechterhalten werden.
Die Strömungssimulation „Bewegter
Mensch“ zeigte eine gute Korrelation mit
den Ergebnissen aus der Personenschutzprüfung. Eine Störströmung ausgelöst durch
einen partiellen Unterdruck direkt hinter der
Platte kann Geschwindigkeiten bis zu 2 m/s
(Abb. 10) erreichen. Die ohne Störung in die
SWB hinein gerichtete Lufteintrittsströmung wird regelrecht aus der Arbeitsöffnung
herausgezogen. Im Arbeitsraum freigesetzte
Partikel werden in diesem Fall aus der SWB
heraus und in die Umgebung transportiert.
Dies zeigen die Ergebnisse der Personenschutzprüfungen und der Visualisierungsversuche (Video „Bewegter Mensch“).
Zukünftig müssen die Anforderungen
gem. DIN EN 12469 und DIN 12980 für
die Prüfung der Schutzfunktionen von Sicherheitswerkbänken geändert werden. Für
Hersteller von SWB gilt es, die spezifischen
Leistungsgrenzen bzgl. des Personen- und
Produktschutzes seiner SWB zu ermitteln.
Der Betriebspunkt für die Lufteintritts- und
Verdrängungsströmung ist so zu wählen, dass
selbst signifikante Störungen, durch sich bewegende Menschen vor der Arbeitsöffnung
kompensiert werden können.
5 Zusammenfassung
Es konnte gezeigt werden, dass diverse externe Störfaktoren die Leistungsgrenzen und
somit die Schutzfunktionen einer SWB beeinflussen. Der optimale Betriebspunkt der
untersuchten SWB ist so gewählt, dass die
Luftströmung ohne Störungen bis zu 74 %
reduziert werden könnte, ohne dass dies mit
dem Verlust der Schutzfunktionen einher-
Liegt der Betriebspunkt aufgrund der Reduzierung der Luftströmungen jedoch zu nahe
an den Leistungsgrenzen, besteht die Gefahr, dass die Schutzfunktionen einer SWB
im alltäglichen Betrieb nicht mehr gewährleistet werden können. Zusammenfassend
ist festzustellen, dass ein Herabsenken der
Luftströmungen in Verbindung mit der Bewegung des Menschen zu deutlich verringerten Schutz des Personals führen kann.
Videos mikrobiologische Prüfung, bewegter Arm und
bewegter Mensch können unter www.youtube.de
Stichwort „Berner International“ betrachtet werden.
Danksagung
Wir danken dem IUTA e. V.
und seinen Mitarbeitern für
die hervorragende Zusammenarbeit in Rahmen dieses
Forschungsprojektes und dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie für die
finanzielle Unterstützung.
Autoren
Dipl.-Ing. Sven Gragert
Dipl.-Ing. Marcus Harder
Dipl.-Ing. Thomas Hinrichs
Dipl.-Ing. Berthe Kamdem Medom
Berner International GmbH
Mühlenkamp 6
25337 Elmshorn
T 04121/4356-55
[email protected]
www.berner-international.de
Literatur
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& more; Succidia AG; 54-55; Darmstadt; 01.2009
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[3] Hinrichs, T.: Sicherheitswerkbänke: Schutz vor
biologischen Arbeitsstoffen und Gefahrstoffen;
Reinraum Technik; GIT Verlag; 25-27; Darmstadt;
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Beuth Verlag GmbH; Berlin; 09.2000
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[9] Predel, B. et al.: Zytostatika - Pharmazeutische
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[10] Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst
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[11] Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (BG Chemie); B 011 bzw. BGI 863: Merkblatt „Sicheres Arbeiten an mikrobiologischen
Sicherheitswerkbänken“; Jedermann Verlag;
Heidelberg; 09.2004
[12] Christiansen, S., Gragert, S., Hinrichs, T., Karpinska, R.: Leistungsgrenzen von Sicherheitswerkbänken; Onkologische Pharmazie, onkopress;
Oldenburg; 12. Jahrgang; 01.2010
[13] Hinrichs, T.; Christiansen, S.; Karpinska, R.; Gragert, S.: Microbiological safety cabinets – Protective functions and their limits; Abstract for
poster presentation; 15th EBSA Conference;
Manchester, UK; 06.2012
[14] Jones, R., Stuart, D., et al.: The effects of changing intake and supply air flow on biological
safety cabinet performance; Appl. Occup. Environ. Hyg. 5(6); 06.1990
[15] DIN EN 14175-3; Abzüge – Teil 3: Baumusterprüfverfahren; Beuth Verlag GmbH; Berlin; 03.2004
[16] Hinrichs, T.; Gragert, S.; Kamdem Medom, B.:
Safety Cabinets: The influence of dynamic interference factors on the safety function; Abstract
for Poster Presentation; 55th Annual Biological
Safety Conference; Orlando, FL, USA; 10.2012
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 23
Kommentar des Herausgebers
Kommentar des Herausgebers
„Wer Stille strebt auf graden Wegen,
dem kommt zuletzt das Ziel entgegen.“
Otto von Leixner
Klaus Meier
Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren
Fluten des Meeres, die breit dahinfließenden Ströme, die Weite des Ozeans und die
Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst.
(Confessiones, Augustinus)
D
ie Sicht der Dinge ist für den Ablauf des
Lebens entscheidend.
Ein weiteres Jahr ist um und ein neues hat
begonnen. Der Lauf der Dinge scheint sich
nicht zu ändern und dennoch gibt es Menschen, die sich der ständigen Vereinnahmung durch die alltägliche Selbstberuhigungsmanie widersetzen.
2012 wurde die Apothekenbetriebsordnung
nicht nur in marginalen Punkten verändert,
sondern wegen der propagierten Gefahren,
die den Patienten durch vermeintlich unprofessionelle Arbeitsweisen seitens der
Apotheken drohen könnten, die industrielle
Arbeitsweise als Lösung auch für Apotheken
angeordnet. Dass dieses Damoklesschwert
nicht vollends herab fiel, war dem Einsatz
vieler engagierter Menschen zu verdanken.
Dennoch sind weitere Anstrengungen notwendig, um der nun folgenden praktischen
Umsetzung unnötige Schärfen zu nehmen.
Denn die auseinander driftenden Sichtweisen der Aufsichtsorgane scheinen eine industrielle Herstellungssicherheit aber weniger die pharmazeutische Versorgungssicherheit im Auge zu haben. Ein Meilenstein
kann hierbei der pharmazeutisch-onkologische Fachkongress NZW-Dresden 2013 sein.
Unter der Überschrift Arbeitssicherheit und
pharmazeutische Herstellung unter Apotheken-Bedingungen für patientenindividuelle
Parenteralia bietet die DGOP seit 5 Jahren
ein Forum zur Findung nicht nur gemeinsamer Sprachlichkeiten.
tung sondern ein Arzneimittelmanagement
betreiben sollen. Die hierzu erforderliche
Kompetenz von Apothekern und Apothekerinnen zeigt sich darin, auch unter sich
verändernden Rahmenbedingungen an der
Seite der Patienten zu bleiben, damit die
richtige Medikation und das notwendige
Wissen dazu ihre Patienten erreicht.
Vor 3 Jahren haben wir aufgrund unserer
Patientenumfrage erkannt, dass die Patienten, sobald sie orale Zytostatika einnehmen, sich mehrheitlich in ihrer Stammapotheke gut aufgehoben fühlen und nicht
in spezialisierte Apotheken wechseln. Wir
haben daraufhin alle Beteiligten angesprochen, unseren Vorschlag zur Adherenceunterstützung unterbreitet und bundesweit,
insbesondere die Mitglieder der DGOP, zur
Teilnahme an unserer Initiative „Orale Zytostatikatherapie – sicher und effektiv durch
gemeinsame Beratung“ aufgerufen. Den 250
Informationsveranstaltungen werden sich
zusätzliche Fortbildungen zur Verbesserung
der Patientenberatung zu oralen Zytostatika
anschließen.
Die Kompetenz wird jedoch nicht durch Rabatte definiert, wie im „Kompass Gesundheitspolitik” als Lösung propagiert. „Heute
fokussieren sich Patienten bei der Auswahl
des Leistungserbringers auf die Qualität,
weshalb zwischen den Leistungserbringern
ausschließlich ein Kosten treibender Qualitätswettbewerb stattfindet”, monieren die
Forscher. Sie fordern einen generellen PreisLeistungs-Wettbewerb im Gesundheitswesen - und zwar nicht nur bei Krankenkassen
konstatiert Herr van Heuvel in einem doccheck-Kommentar Anfang Januar auf Basis
einer Veröffentlichung der Vereinigung der
bayerischen Wirtschaft (vbw) über Ergebnisse einer neuen Studie des Instituts für
Gesundheitsökonomik (IfG).
Die neue Apothekenbetriebsordnung sieht
auch vor, dass Apotheken nicht nur Bera-
Da man ja bekanntlich den Dieb zuerst im
Nachbarhaus sucht, kann es nicht überra-
24 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Impressum
Herausgeber:
Klaus Meier, Soltau
Verlag:
onkopress,
Theo-Mülders-Straße 92,
47918 Tönisvorst,
www.onkopress.de
ISSN-Nr.: 1437-8825
Chefredakteurin:
Dr. Karla Domagk, Cottbus
Fotos:
Seite 57 oben: www.istockphoto.com/Knape,
Seiten 35, 58 oben: www.istockphoto.com/Sasa
schen, dass in einer Zeit, in der die Presse
voll ist mit Berichten über Versorgungsengpässe, die unter anderem auch der Preispolitik im Gesundheitswesen geschuldet sind,
von diesem Thema durch Benennung anderer Erlösfelder abgelenkt werden soll. Die
von vielen Verbänden gemeldeten Versorgungsmängel bei Arzneimitteln und nicht
zuletzt auch die von der DGOP angestoßene
Informationspolitik hinsichtlich der onkologischen Präparate gegenüber Ministerium
und Abgeordneten haben eine patientenbezogene Orientierung erreicht, die das Interesse der Patienten an stabilen wohnortnahen Versorgungsstrukturen zur Kenntnis
nimmt.
sequenzen und Vorschläge zum Handeln
ist unsere Sache nicht.
Diskussionen um erweiterten Mehrbesitz
von Apotheken oder die Ausweitung des Anreizes bei Großpackungen tragen nicht zur
Verbesserung der Patientenversorgung bei.
Und es sieht manchmal so aus, als sei das
Gesundheitswesen frei von Interessenvertretern für Patientenrechte. Auch Kenntnisse
über Einschränkungen im Alter in Wahrnehmung und Gedächtnis scheinen nicht parat,
wenn über mangelnde Einnahmegewährleistung berichtet wird. Ein Bericht ohne Kon-
Wir haben die Kompetenz und den Willen.
Wir haben beschlossen, uns mitverantwortlich zu fühlen und mehr zu tun.
Deshalb arbeiten wir gemeinsam, veranstalten seit 20 Jahren pharmazeutischonkologische Fachkongresse ( NZW) und
sind gewillt, uns als Patientenanwälte
noch stärker einzubringen. Denn die bereits realisierten Qualifizierungsmaßnahmen, an denen allein mit der DGOP mehr
als 400 Apothekerinnen und Apotheker
und 900 PTA teilgenommen haben, sprechen eine klare Sprache.
Redaktion:
Priv. Doz. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen;
Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja
Holsing, Köln; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg;
Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur;
Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar;
Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem Potenberg,
Berlin; Dr. Susanne Rau, Hannover; Thomas
Schubert, Mönchen­gladbach; Wioletta Sekular,
Tönisvorst; Dr. Gisela Sproßmann-Günther, Berlin;
Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine ThorWiedemann, Ravensburg.
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt.
Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr.
Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin,
Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie,
Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI
Dr. Robert Mader, Universitäts­klinik für Innere
Medizin I, Medizinische Universität Wien;
Sigrid Rosen-Marks, Hamburg; Carola Freidank,
Hannover.
Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks,
der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungs­
anlagen sind vorbehalten und bedürfen der
schriftlichen Genehmigung. Für unverlangt
eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf
vertrauen, dass Autoren und Redak­t ion größte
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unbedingt die Meinung der Redaktion dar.
Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie
Proteintherapeutika in der Onkologie –
Bedeutung der Pharmakokinetik und der
Pharmakodynamik für die Therapie
Von Susanne Rau, Hannover
U
nter diese Überschrift hatte Prof. Dr. Bernd Meibohm, University of Tennessee Health Science Center, seinen Vortrag auf dem 20. NZW im Januar 2012 in
Hamburg-Harburg gestellt.
Vergleicht man allein die Molekülgröße eines herkömmlichen chemischen Wirkstoffs,
z.B. Acetylsalicylsäure, mit einem kleinen
Biological, z.B. hGH (humanes Wachstumshormon) und einem großen Antikörper, so stellen sich die Größenverhältnisse im Vergleich wie ein Fahrrad zu einem
Kleinwagen und einem Verkehrsflugzeug dar
(Abb. 1). Dies hat natürlich Auswirkungen
auf die Pharmakokinetik und -dynamik.
tion, Distribution, Metabolisierung und
Elimination von Wirkstoffen.
Allerdings verläuft die Elimination eines
Biologicals nicht nur auf dem gradlinigen
Weg über die Niere und die Leber. Die Bindung an spezifische Antikörper hat erheblichen Einfluss, und auch die Bindung an
die Rezeptoren und Zielstrukturen spielen
bei der Pharmakokinetik von Proteinen im
Die Pharmakokinetik beschreibt alle Vorgänge, die nach Applikation einer Arzneistoffdosis dessen Konzentration in verschiedenen Körperflüssigkeiten beeinflussen.
Welche Effekte die Arzneistoffkonzentration auf die Wirkung und die Toxizität haben, wird durch die Pharmakodynamik als
zweitem zentralen Paradigma der Klinischen
Pharmakologie beschrieben. Die Pharmakokinetik umfasst die Vorgänge der Absorp-
Permeabilität der Magen-Darm-Mukosa für
solche großen Moleküle.
Bei der extravaskulären parenteralen Gabe
(i.m., s.c.) können präsystemisch im Gewebe
schon Moleküle abgebaut werden. Die großen
Proteinmoleküle werden entweder über die
Blutkapillaren oder die Lymphbahnen aufgenommen, dies ist linear abhängig von ihrem
Molekulargewicht. Trägt man die Substanzen entsprechend ihrem Molekulargewicht
auf einer x-Achse und der Aufnahmequote
in die Lymphe auf der y-Achse auf, so liegen
z.B. Inulin, Cytochrome C und IFN alpha2a auf einer ansteigenden Gerade (Abb. 2).
Abb. 1: Größenverhältnis
zwischen herkömmlichem
chemischen Wirkstoff,
Biological und Antikörper.
Nonlineare Pharmakokinetik von
Biologicals
Abb. 2: Absorption von Proteinen in
Abhängigkeit vom Molekulargewicht
Vergleich zu kleinen Molekülen eine größere
Rolle und führen insgesamt zu einer häufig
nonlinearen Kinetik dieser Moleküle.
Absorption von Proteinen
Die orale Gabe von Proteinen ist wegen ihrer
geringen Bioverfügbarkeit kein geeigneter
Weg, um Proteine in den Körper gelangen
zu lassen. Dafür gibt es zwei Gründe: zum
einen die hohe Proteaseaktivität im MagenDarm-Trakt und zum anderen die geringe
26 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Distribution in gesundes Gewebe
und in Tumorgewebe
Mit der Aufnahme ins Blut werden die Proteine im ganzen Körper verteilt. Ihr Austritt
in die Gewebe erfolgt entweder parazellulär
durch Poren zwischen den Endothelzellen
oder durch die Endothelzellen hindurch
(Transzytose). Triebkraft für den Übertritt
ins Gewebe ist vor allem die Konvektion
entlang eines Strömungsgradienten, weniger ihre Diffusion. Die Strömung entsteht
durch den Abtransport der extrazellulären
Gewebeflüssigkeit durch Lymphgefäße. Da
Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie
die Transferclearance vom Gewebe in die
Lymphgefäße für Proteine sehr viel größer
ist als die Transferclearance vom vaskulären zum Extrazellularraum, wird eine starke Sogwirkung auf die Proteinmoleküle im
Extrazellularraum ausgeübt und ihre Konzentration dort bleibt niedrig.
Der Übertritt von Proteinen aus dem Blut in
gesundes Gewebe erfolgt durch Konvektion,
Transzytose und Diffusion. Die Penetration
in Tumorgewebe ist jedoch beeinträchtigt, da
sich Tumorgewebe durch eine nicht so gut organisierte, undichte Blutbahnstruktur mit einer instabilen Durchblutung auszeichnet. Der
Konzentrationsgradient zwischen Blutgefäß,
Extravasalraum und Lymphe kann sich nicht
so gut ausbilden. Dadurch kommt es zu einer
erheblichen Behinderung des Austritts insbesondere der großen Proteinmakromoleküle
aus den Blutgefäßen in das Tumorgewebe.
Für kleinere Moleküle spielt dies keine Rolle.
Unter dem Elektronenmikroskop lässt sich
nach Anfärbung erkennen, dass die Verteilung des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab im Tumorgewebe nicht gleich ist.
Die Antikörperkonzentrationen sind direkt
an den Kapillaren angrenzend am höchsten,
in anderen Gewebegebieten ist überhaupt
kein Antikörper nachzuweisen.
Auch die Tumorgröße spielt dabei eine Rolle. In großen soliden Tumoren mangelt es
an funktionierenden Lymphbahnen, so dass
die Interstitiumsflüssigkeit nicht ausreichend
schnell abgeführt wird und sich der Druck in
diesem Kompartment erhöht. Dieses wiederum führt zu einer effektiven Behinderung
des Proteinaustritts aus dem Blutgefäß in das
Interstitium. Bei kleineren Tumoren oder
bei Mikrometastasen tritt dieses Phänomen
noch nicht auf, so dass der Druck im Interstitium nicht so groß ist und die Makromoleküle daher vermehrt über die Konvektion
ins Gewebe übertreten können.
Elimination – Bedeutung von
Endothelzellen, RES, Leber und Niere
Applizierte Proteintherapeutika unterliegen
im Körper denselben Abbaumechanismen
wie körpereigene oder mit der Ernährung
aufgenommene Proteine. Ihre Aminosäuren gelangen in den körpereigenen Pool und
werden daraus zum Wiederaufbau von Proteinen verwendet. Zwischen der intakten
Proteinstruktur und den Aminosäuren liegen aber Myriaden unterschiedlicher Metaboliten.
Die nicht-metabolische Ausscheidung, z.B.
biliär, ist dabei vernachlässigbar. Was biliär
in den Magen-Darm-Trakt ausgeschieden
wird, unterliegt dort der Proteolyse. Generell ist die Proteolyse entweder unspezifisch
oder auf besondere Organe oder Gewebe
beschränkt: besonders sind die Endothelzellen der Blutgefäße sowie phagozytische
Zellen wie Makrophagen als Teil des RES
(Retikuloendotheliales System) mit mehr als
1000 m 2 beim Erwachsenen an der Endozytose und dem anschließenden Abbau der
Proteinmoleküle beteiligt.
Proteine werden gewöhnlich nicht unverändert mit dem Urin ausgeschieden. Die Niere
ist der Metabolisierungsort für kleine Proteine. Dies geschieht, indem sie glomerulär
filtriert werden. Die Filtrationsrate ist für sie
der die Ausscheidung bestimmende Schritt.
Ob ein Protein glomerulär filtriert wird,
hängt neben seinem Molekulargewicht auch
von seiner effektiven Molekülgröße ab und
wird ebenfalls von seiner Ladung beeinflusst.
In der Rangfolge werden anionische Proteine in geringerem Maße als neutrale und
diese schlechter als kationische Proteine glomerulär filtriert. Bei einem Molekulargewicht <5 kDa entspricht die Filtrationsrate
annähernd der GFR, bei >30 kDa fällt die
Filtrationsrate steil ab und bei einem Molekulargewicht >60 kDa werden die Proteinmoleküle gar nicht mehr glomerulär filtriert.
Einfluss einer
Nierenfunktionseinschränkung
Auf der Basis von Theorie und klinischen
Beobachtungen sind die Nieren wirklich nur
für den Metabolismus kleiner Proteine mit
<60 kDa von Einfluss. Es wurde auch tatsächlich kein pharmakokinetischer Effekt
auf große Antikörper wie Bevacizumab oder
Cetuximab (150 kDa) bei einer Nierenfunktionseinschränkung festgestellt. Andererseits
lässt sich ein mit dem Grad der Funktionseinschränkung korrelierender Rückgang in
der Clearance und ein Anstieg in der systemischen Verfügbarkeit von Proteinen mit
einem MG unterhalb des Cut-offs von 60
kDa feststellen (Bsp.: IL-10 mit 18 kDa,
Wachstumshormon mit 22 kDa, Anakinra
mit 17,3 kDa). Bei Pegfilgrastim mit 39 kDa
stellt man jedoch keine Veränderung fest, da
es aufgrund seines durch eine Hydrathülle
vergrößerten Molekülumfangs nicht glomerulär filtriert wird.
Leber
Neben den Endothelzellen und dem RES
ist die Leber das Organ, das am Abbau größerer Proteine hauptsächlich beteiligt ist.
Der Abbau beginnt im Normalfall durch
Endopeptidasen, anschließend übernehmen
Exopeptidasen den weiteren Abbau.
All dies findet innerhalb der Leberzelle
statt. Die Aufnahme des Proteinmoleküls
in die Leberzelle ist also die Voraussetzung.
Hierfür hat man in der Praxis drei Wege
festgestellt:
a) durch Pinocytose (Flüssigphasen-Endozytose),
b) durch eine Rezeptor-vermittelte Endozytose durch relativ unspezifische, membranständige Leberzellrezeptoren (z.B.
LDLR, LRP oder zucker-erkennende
Rezeptoren, z.B. Mannose/Fucose-bindende C-Typ-Lektinrezeptoren;
oder c) über die Target Rezeptor-gesteuerte Endozytose.
Die Rezeptor-vermittelte Endozytose ist
ein Eliminationsweg mit hoher Affinität
für das entsprechende Protein. Die Zahl
der Rezeptoren ist jedoch häufig begrenzt.
Dadurch ist dieser Prozess schnell sättigbar
und führt dann, abhängig von der Dosis, zu
einer nonlinearen Pharmakokinetik (Bsp.:
M-CSF).
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 27
Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie
Arzneimittelwechselwirkungen mit
Proteinen durch Beeinflussung von
Rezeptordichte/-aktivitäten
Tabelle: Proteintherapeutika in der Onkologie
Handelsname
Wirkstoff
Indikation
Zulassung
Proleukin S
Aldesleukin
met. Nierenzell-Ca
Dezember 89
Avastin
Bevacizumab
Mamma-Ca, Kolon-Ca
Januar 05
Removab
Catumaxomab
maligne Ascites bei EpCAMpositiven Karzinomen
September 11
Erbitux
Cetuximab
Kolon-Ca
Juni 04
Zevalin
Ibritumomabtiuxetan
follikuläres Lymphom
Januar 04
Yervoy
Ipilimumab
fortgeschrittenes Melanom
Juli 11
Arzerra
Ofatumumab
CLL
April 10
Vectibix
Panitumumab
Kolon-Ca
Dezember 07
MabThera
Rituximab
Non-Hodgkin-Lymphom
Juni 98
Beromun
Tasonermin
Weichteilsarkom
April 99
Herceptin
Trastuzumab
Mamma-Ca, met. Magen-Ca
August 00
Die meisten pharmakokinetischen Wechselwirkungen werden durch entzündliche
oder andere das Immunsystem betreffende
Prozesse ausgelöst: Die meisten berichteten
Interaktionen betreffen den Entzündungsstatus des Körpers (durch den pharmakodynamischen Effekt des Arzneimittels auf
das Immunsystem). Man weiß heute, dass
CYP-Enzyme als Akutphasenproteine bei
akuten Entzündungen im Körper nicht so
stark exprimiert und in ihrer Aktivität herunterreguliert werden.
Aranesp
Darbepoetin-alpha
Blutarmut
Juni 01
Prolia
Denosumab
Knochenschwund bei
Prostata-Ca
Mai 10
XGEVA
Denosumab
Komplikationsprophylaxe
bei Knochenmetastasen
Juli 11
Erypo
Epoietin alpha
Blutarmut
November 88
Neupogen
Filgrastim
Neutropenieprophylaxe
und -therapie
Juli 91
Granocyte
Lenograstim
Neutropenieprophylaxe
und -therapie
Oktober 93
INF, IL-6 und TNF-α inhibieren die hepatischen CYP-Enzyme und verursachen
damit Arzneimittel-Zytokin-Wechselwirkungen. Beispielsweise hat hochdosiertes
INFα2b einen substantiellen Effekt auf
CYP1A2 (-60% Aktivität), auf andere CYPEnzyme jedoch nur einen geringeren oder
gar keinen Effekt.
Neulasta
Pegfilgrastim
Neutropenieprophylaxe
und -therapie
August 02
Fasturtec
Rasburicase
krebstherapiebedingter
Harnsäureüberschuß
Februar 01
Eine Beeinflussung der Dichte oder Aktivität von Rezeptoren, die in Eliminationsvorgängen von Proteinarzneimitteln eine Rolle
spielen, wirkt sich potentiell auf die Clearance des Proteinarzneimittels aus.
Methotrexat ist ein Beispiel für ein Molekül,
das den FcgRI-Rezeptor herunterreguliert,
was wahrscheinlich zu einer Verringerung
der Clearance von Antikörper-basierten
Arzneimitteln führt. Potentiell kann dieser Mechanismus für die reduzierte Ausscheidung (um 29-44%) von Adalimumab
(Humira®) unter Methotrexat-Therapie verantwortlich sein.
Zielzellen-vermittelte ArzneistoffVerfügbarkeit (target-mediated
drug disposition)
Bei der Betrachtung der Verstoffwechslung
von Proteintherapeutika fällt besonders
auf, dass die Wechselwirkung zwischen
dem Proteintherapeutikum und der pharmakodynamischen Zielstruktur wesentlichen Einfluss auf die Verfügbarkeit des
Arzneistoffs hat, sei es durch die Rezeptorvermittelte Verteilung oder die Rezeptorvermittelte Elimination. Beides führt zu
Quelle: http://www.vfa-bio.de/vb-de/aktuelle-themen/arzneimittel-datenbanken-vb/amzulassungen-gentec.html
einer nonlinearen Pharmakokinetik dieser
Arzneimittel.
Deutlich wird diese Nichtlinearität bei einem
Vergleich der Abbauraten von Trastuzumab
nach einer Gabe von Dosen über 1, 2, 3 und
4 mg/kg Körpergewicht (Tokumda et al.).
Bitte in einen Kasten
„Bei der Verstoffwechselung von
Proteinen unterscheidet der Körper
nicht zwischen Proteintherapeutika
und diätetischen oder endogenen
Proteinen.“
Prof. B. Meibohm (20.NZW)
28 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Einfluss des Krankheitsstatus auf
Proteinarzneimittel mit Zielzellenvermittelter Arzneistoffverfügbarkeit
Der Krankheitsstatus kann einen Einfluss
auf die Anzahl verfügbarer Rezeptoren haben (über deren Dichte bzw. die Anzahl Zellen, die Rezeptoren exprimieren) und bestimmt somit die Clearance für mindestens
einen von mehreren Eliminationswegen.
Häufig identifizierte Kovariablen, die einen
Teil der interindividuellen Variabilität in der
Clearance von Proteintherapeutika bestimmen, sind z.B. Zellzählungen, Rezeptordichte, Zeitpunkt und Dauer einer Therapie.
Proteintherapeutika in der Onkologie – Bedeutung der Pharmakokinetik und der Pharmakodynamik für die Therapie
Beispielhaft hierfür seien Omalizumab
(Xolair®), Alemtuzumab (MabCampath®),
Bevacizumab (Avastin®) und Trastuzumab
(Herceptin®) als Proteintherapeutika genannt.
Beispielsweise ist beim Alemtuzumab,
das in der Therapie der B-CLL eingesetzt
wird, die Zahl der Leukozyten ein starker
Prognosewert für die maximale Eliminationsrate Vmax, denn der Zielrezeptor der
Alemtuzumab-Therapie ist CD52, der auf
Lymphozyten und Monozyten exprimiert
wird, wie Mould et al. nachweisen konnten.
Immunogenität
Die Gabe eines Fremdproteins kann im
Körper eine Immunantwort auslösen, indem Antikörper gegen das Fremdprotein
gebildet wird (ADA = anti-drug-antibody).
Beim Effekt b, der Erhöhung der Clearance
durch die Bildung eines Immunkomplexes
aus Antikörper und Proteintherapeutikum,
triggert die Immunkomplexbildung das RES
und führt zu einem verstärkten Abbau durch
den neuen, zusätzlichen Abbauweg RES
und zu einer Verkürzung der Eliminations-
Mögliche Szenarien bei Gabe eines
Fremdproteins:
a) Durch die Immunantwort können
neutralisierende Antikörper gebildet
werden, die das Proteintherapeutikum abfangen und seine Aktivität
komplett aufheben.
b) Oder es bilden sich Protein-Antikörper-Komplexe, die die Clearance
erhöhen und somit die Aktivität ebenfalls reduzieren.
gerten systemischen Verfügbarkeit führt und
eine längere Verfügbarkeit am Zielgewebe
ermöglicht. Die Halbwertszeit des Protein­
therapeutikums erreicht dabei oft die des
IgG. Dieses Phänomen wird häufig bei kleinen Proteintherapeutika angetroffen (z.B.
bei Zytokinen und Hormonen). Bei ihnen
wirkt die Bildung der Immunkomplexe stabilisierend, die Eliminationshalbwertszeit
wird vergrößert durch die Verhinderung der
glomerulären Filtration und des nachfolgenden tubulären Metabolismus.
c) Oder es bilden sich Protein-Antikörper-Komplexe, die die Clearance verringern und somit sogar die Aktivität
erhöhen können!
„Die Vorhersagbarkeit des Ausmaßes
und der klinischen Konsequenzen
der Bildung von Protein-AntikörperKomplexen ist noch immer begrenzt,
und die Bestimmung ihrer Auswirkung
auf die Arzneimittelsicherheit bleibt
auch weiterhin häufig Verlaufsstudien
nach Markteinführung vorbehalten.“
halbwertszeit. Durch die Bildung der Immunkomplexe kann auch die Aufnahme ins
Zielgewebe verhindert werden.
Beim Effekt c, der Verminderung der
Clearance durch die Bildung eines Immunkomplexes aus Antikörper und Proteintherapeutikum, wird kein Abbau des
Immunkomplexes ausgelöst, sondern der
Immunkomplex dient als Speicher für das
Proteintherapeutikum. Dadurch wird seine
Elimination verringert, was zu einer verlän-
Prof. B. Meibohm (20. NZW)
Literatur bei der Autorin.
Autorin:
Susanne Rau,
Bischofsholer Damm 34, Hannover
HINTERGRUND-INFORMATION
Forderungen zum Gesundheitsschutz in Solarien
Am 23. April 2012 fand in Berlin der internationale Workshop der European Society of
Skin Cancer Prevention, EUROSKIN, 'Health
Risks of Sunbed Use – Needs, Regulations
and Perspectives' statt. Die Experten erarbeiteten folgenden Forderungskatalog:
Abschaffung unbeaufsichtigter „Münzsolarien“.
Durchführung von UV-Therapien nur in medizinischen Einrichtungen.
Erstellung der Ausbildungsrichtlinien für
Solarien sollen grundsätzlich nicht zur
Solarienfachpersonal durch unabhängige
Experten.
Deckung des Vitamin-D-Bedarfs genutzt
werden.
Regelmäßige Kontrollen der Betreiber von
Keine Ausbildung des Solarienfachperso-
Solarien hinsichtlich der Einhaltung der
UV-Schutz-Verordnung durch die zuständigen Behörden der Bundesländer.
nals durch industrieabhängige oder -nahe
Institute.
Weitere Informationen erhalten Interessierte
unter www.euroskin.eu
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 29
Risiken in der Software­entwicklung von Zytostatika- und Warenwirtschaftssystemen
Risiken in der Software­
entwicklung von Zytostatikaund Warenwirtschaftssystemen
Über die Überschätzung der Produktionsfähigkeit von
Informatikern und die Unterschätzung der Risiken dabei
produzierter Fehler.
Von Henrik Justus und Frank Bartel, Uslar
D
ie gesetzlichen Anforderungen an die Softwareentwicklung im Bereich der Zytostatika-Herstellungs- und Abrechnungsprogramme haben in der Bundesrepublik
Deutschland seit 2009 im Rahmen der Einführung der Arzneimittel-Rabattverträge mit
9,8 Millionen Vertragsdaten, der Einführung der standardisierten Datenschnittstelle
FIVE-RX zum Transport des elektronischen Rezeptes zwischen Apothekenverwaltungssystemen und Apothekenrechenzentren und der 15. AMG-Novelle zu erheblichen
Problemen bei den Softwareherstellern und -anwendern geführt.
Zur Erinnerung: 2010 sollten den Krankenkassen mittels Hash-Code und FIVE-RXDatenschnittstelle die Herstellungsdaten
übermittelt werden. Start: 01.Januar 2010.
Das Problem: Die Warenwirtschaftssysteme konnten keine Software präsentieren,
da zur Umsetzung nicht nur die FIVE-RXSchnittstelle sondern auch wichtige Daten
fehlten, an die man nicht gedacht hatte (z.B.
zweitgünstigster Einkaufspreis).
genügend umsetzen. Es fehlte auch die
„handwerkliche Qualität“. Beim Taxieren
von Zytostatika-Lösungen konnten Fehler
bei der Einpflege von Umrechnungsfaktoren
zu Abrechnungsfehlern zu Ungunsten des
Arzneimittelherstellers in bis zu 5stelliger
Höhe führen. Diesen finanziellen Schaden
mussten die Softwarehersteller ausgleichen,
da eine erneute korrekte Abrechnung tatsächlich erbrachter Leistungen mit den Kostenträgern nicht möglich war.
Die dann ausgelieferte Software wurde unter
enormen Zeitdruck entwickelt und konnte die vertraglichen Anforderungen nicht
Fehlte damals schon die Abstimmung aller
Beteiligten in einem praxisnahen Zeitraum,
so blieb diese Entwicklung erhalten:
30 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Die Übermittlung der Verwürfe und Herstellungszeiten über die Rechenzentren
sollten am 01. August 2012 umgesetzt sein.
Aber auch hier: die Vorgaben der Rechenzentren dauerten länger als geplant, die Auslieferung der Warenwirtschaftssysteme und
unseres Zytostatikaprogramms Cypro erfolgte erst in letzter Sekunde.
Damit es zu keinen „Interpretations-Spielräumen“ der Teilnehmer (Rechenzentren,
Software-Häuser, Apotheken) kommt, bedarf es im Vorfeld zeitaufwendiger Recherchen und Gespräche zwischen diesen.
Arbeiten unter hohem Termindruck werfen
natürlich auch immer die Frage auf, ob alle
Anforderungen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit richtig verstanden
und dem entsprechend umgesetzt worden
sind, wobei man dann leicht auch wieder
bei dem oben erwähnten „InterpretationsSpielräumen“ landen kann.
Wir machen uns deshalb ernsthafte Sorgen
wegen der durch derartigen Termindruck
entstehenden Risiken. Wenn Programmierer
dazu genötigt werden, nicht getestete Programme frei zu geben, wie können wir dann
sicher gehen, dass die Patientenparameter
und Berechnungsparameter unter allen erdenklichen Bedingungen noch stimmen?
Zurück zum Anfang:
Offenbar ist es bisher nicht gelungen, sich mit
den am Verhandlungstisch sitzenden Verbänden und Entscheidungsträgern über die
Risiken dieser komplexen Änderungen bei
der Softwareentwicklung und die notwendige
Zeit zu verständigen, die die Softwareentwicklung braucht, um keine Bananensoftware
zu entwickeln, die beim Kunden reift.
Die Folge dieser Miss- oder Nichtverständnisse war, dass erneut nicht genug Zeit für
eine Softwareentwicklung „lege artis“ blieb
und unrealistische Termine gesetzlich festgelegt wurden. Dies geschah auf Kosten der
Sicherheit der Patienten, der Zytostatika
herstellenden Apotheken sowie der Softwarehersteller und ihrer Mitarbeiter, welche erhebliche Überstunden leisten mussten.
Die hohe Anzahl von Updates bei Softwareherstellern im Rahmen der 16. AMGNovelle, die Probleme bei der Installation
und die zahlreichen Fehler zeigen eines
deutlich: Softwareentwickler können nicht
zaubern, sind Menschen, die Fehler machen.
Unnötiger Zeitdruck mindert die Qualität
der Software und steigert die Risiken für
alle Beteiligten.
Das größte Risiko aber trägt der Patient!
Wenn eine Software zur Unterstützung
der Herstellung von Zytostatika umfangreich geändert wird, können Fehler in der
Anwendung für den Patienten tödliche
Folgen haben: So kann es zu Überdosierungen kommen, welche unter Umständen
bei den verschiedenen Validierungsprozessen während des Herstellungsprozesses
nicht auffallen!
Der Softwarehersteller muss sorgfältig
und qualitätsgesichert arbeiten, weil er für
Schäden haftbar gemacht werden kann.
Kommt es hier nachweislich aufgrund
fehlerhaft programmierter Software zu
Personenschäden, stellen die Haftungsfrage und der Umfang der Haftung des
Softwareherstellers und des ZytostatikaHerstellers eine überaus komplexe juristische Herausforderung dar.
Zytostatikalabore
und Blisterräume
reinraumsysteme
Von der Planung bis
zur Qualifizierung
Zusammenfassung:
Die Umsetzung der komplexen gesetzlichen
Anforderungen an die Softwareentwicklung
von Zytostatika-Herstellungs-, -Warenwirtschafts- und -Abrechnungsprogrammen in
der Bundesrepublik Deutschland machen
seit 2009 ein Risikomanagement aller Beteiligten, wie es in GMP geführten Betrieben
Alltag ist, zwingend erforderlich.
•innovativ
•modular
•wirtschaftlich
Ein rücksichtsloses Durchsetzen von
Zeitplänen durch fachfremde Entscheider wirkt sich massiv auf die Qualität aus.
Daher: Wollen wir sparen oder Qualität?
Wir bedanken uns hiermit sowohl bei Herrn
Betram von ASYS sowie bei Herrn Knecht von
Cypro, die an diesem Artikel mitgewirkt haben.
Schilling engineering
Industriestraße 26
D-79793 Wutöschingen
+ 49 (0)7746 / 92789-0
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Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms
Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten
Melanoms
Von Petra Jungmayr, Esslingen
S
eit drei Jahrzehnten kommt erstmals Bewegung in die Therapie des metastasierten
malignen Melanoms. Standen bis vor kurzem nur einige wenige, kaum wirksame
Zytostatika zur Verfügung, so erweitern heute neue zielgerichtete Wirkstoffe und immunologisch wirksame Substanzen die therapeutischen Möglichkeiten. Einige dieser
neuen Wirkstoffe sind bereits zugelassen, weitere befinden sich in klinischen Prüfungen.
In Deutschland sterben jährlich etwa 1365
Männer und 1135 Frauen an einem fortgeschrittenen, metastasierten Melanom. Im
Vergleich zu frühen Krankheitsstadien, die
mit einer guten Prognose einhergehen, ist
das metastasierte Melanom eine äußerst aggressive Erkrankung mit mittleren Überlebenszeiten nach Diagnosestellung zwischen
acht und achtzehn Monaten. Bis vor kurzem
herrschte ein therapeutischer Nihilismus, da
die bis dato bekannten Wirkstoffe nur marginale Effekte aufwiesen. In randomisierten
Studien wurden Dacarbazin, Temozolomid,
Carboplatin, Cisplatin, Paclitaxel, Vindesin
und Fotemustin eingesetzt. Für keine dieser
Substanzen konnte eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit gezeigt werden.
Am häufigsten wurde das Alkylanz Dacarbazin verwendet, das als Standardtherapeutikum zur Behandlung des metastasierten
Melanoms gilt. Die objektiven Ansprechraten liegen zwischen 5-12%, wobei nur einzelne Patienten dauerhaft ansprechen.
Mit wachsenden Kenntnissen über die komplexe und unterschiedliche Tumorbiologie
des Melanoms findet eine gezielte Entwicklung neuer Wirkstoffe statt. Bereits auf dem
Markt sind der BRAF-Inhibitor Vemurafenib (Zelboraf®) und das Immuntherapeutikum Ipilimumab (Yervoy®). Weitere
Wirkstoffe sind in der Erprobung oder stehen kurz vor der Zulassung.
Hemmung der gestörten
Signalkaskade
In den vergangenen Jahren konnten verschiedene Melanom-Untergruppen charakterisiert werden. Bei 40 bis 60% aller
malignen Melanome ist eine aktivierende
Mutation in der Gencodierenden SerinThreonin-Protein-Kinase B-RAF (BRAF)
nachweisbar, weitere Mutationen betreffen NRAS und cKit, die seltener auftreten.
Die BRAF-Mutation beruht in den meisten
Fällen auf dem Austausch der Aminosäure
Valin durch die Aminosäure Glutamin an
Position 600 (V600E). Das mutierte BRAFProtein hat eine erhöhte Kinase-Aktivität
und führt zu einer vermehrten Aktivierung
mehrerer Signaltransduktionswege, was ein
unkontrolliertes Zellwachstum zur Folge
hat. Dieser Signalweg kann mit BRAFInhibitoren unterbunden werden (Abb. 1).
RAS = Rat Sarcoma; ERK = Extracellular-signalregulated Kinase; MAPK = Mitogen-activated
Protein Kinase; MEK = MAP- oder ERK-Kinase
(MAP-Kinase-Kinase); BRAF = Serin-ThreoninProtein-Kinase
Abb. 1: Hemmung der Signaltrans­
duktions­wege beim Melanom
[Quelle: Tumorzentrum Heilbronn-Franken]
32 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Beim malignen Melanom ist besonders häufig der MAPK-Signalweg betroffen, der über
die nacheinander geschalteten Proteinkinasen RAS, BRAF, MEK und ERK das
Zellwachstum reguliert.
Vemurafenib
Vemurafenib ist ein potenter, oral einzunehmender Inhibitor der mutierten BRAF,
der im Februar 2012 europaweit für die Monotherapie zur Behandlung erwachsener
Patienten mit einem nicht resezierbaren
oder metastasierten Melanom und einer
BRAF-V600-Mutation zugelassen wurde
(Entwicklung Roche/Plexxikon). Voraussetzung für den Einsatz von Vemurafenib
ist ein positiver BRAF-V600-Mutationsnachweis im Tumor, der in zertifizierten Testzentren bestimmt werden sollte.
In Deutschland gibt es derzeit etwa zehn
zertifizierte und validierte Testzentren, in
denen die BRAF-Mutationsanalyse erfolgen kann.
In der Zulassungsstudie (BRIM-3-Studie) wurde Vemurafenib mit Dacarbazin
verglichen. Die ermittelten Daten waren
im Vergleich zur Standardtherapie überraschend. So wurden unter anderem das
progressionsfreie Überleben (5,2 Monate
vs. 1,6 Monate) deutlich verlängert und die
Ansprechrate erhöht (48,4% vs. 5,5%). Ferner wurde in einem Update eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (13,6 Monate
vs. 9,7 Monate) gezeigt. Nebenwirkungen
sind unter anderem Hautausschläge, Juckreiz, eine erhöhte Photosensitivität, Fatigue
und Gelenkschmerzen. Ferner wurde das
Auftreten niedrig-gradiger Hauttumore
wie kutane Plattenepithelkarzinome oder
Keratoakanthome beobachtet. Probleme bereitet die Resistenzentwicklung, so dass es
derzeit keine Langzeitüberlebenden unter
einer Vemurafenib-Therapie gibt.
Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms
Dabrafenib, ein neuer BRAFInhibitor
Mit Dabrafenib (GlaxoSmithKline) befindet sich derzeit ein weiterer oral verfügbarer
BRAF-Inhibitor in der klinischen Prüfung,
der selektiv die Aktivität der BRAF-V600Kinase hemmt. Auch für die Behandlung
mit Dabrafenib ist der Nachweis einer
BRAF-V600E-Mutation mithilfe einer validierten Testmethode erforderlich.
In der BREAK-3-Studie wurde Dabrafenib
gegen Dacarbazin getestet. Die Therapie mit
Dabrafenib führt zu höheren Remissionsraten und einem längeren progressionsfreien Überleben (5,1 Monate vs. 2,7 Monate)
als die Chemotherapie mit Dacarbazin. In
der BREAK-MB-Studie konnte die Wirksamkeit von Dabrafenib bei Hirnmetastasen
gezeigt werden, die in Folge eines metastasierten Melanoms entstanden waren. Wahrscheinlich treten unter Dabrafenib weniger
Nebenwirkungen auf als unter Vemurafenib,
dies gilt vor allem für die Lichtempfindlichkeit und für die Entwicklung gutartiger
Hauttumore.
MEK-Inhibitor Trametinib
BRAF-Inhibitoren hemmen den mutierten
BRAF-Weg. Bei einem anderen, möglicherweise auch ergänzenden Ansatz wird die
Hemmung des nachgeschalteten Proteins
MEK verfolgt, die auch dann noch wirksam sein könnte, wenn eine Resistenz gegen
BRAF-Inhibitoren vorliegt.
So führte in der Phase-III-Studie METRIC der selektive MEK-Inhibitor Trametinib (GlaxoSmithKline) bei Patienten mit
malignem Melanom und BRAF-Mutation
zu einem signifikant längeren progressionsfreien und Gesamtüberleben als eine Chemotherapie mit Dacarbazin oder Paclitaxel.
Kombination aus BRAF- und MEKInhibition
Melanompatienten mit einer BRAF-V600Mutation sprechen zwar schnell auf eine
Therapie mit BRAF-Inhibitoren an, allerdings kommt es bei der Mehrzahl der Patienten nach einigen Monaten zur Resistenzentwicklung gegen die BRAF-Hemmung
Malignes Melanom (Quelle:
Dr. Christian Öhlschlegel,
St.Gallen).
Neue S3-Leitlinie zum Melanom kurz vor der Fertigstellung
Ende 2012 soll die neue S3-Leitlinie
zum Melanom fertig gestellt sein. Sie
trägt den Titel „Diagnostik, Therapie
und Nachsorge des Melanoms“ und ist
im AWMF-Register (AWMF = Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen
Medizinischen Fachgesellschaften)
unter der Nummer 032-024OL gelistet.
Sie ersetzt die bisherige S2-Leitlinie von
2007. Derzeit ist die Konsultationsfassung vom 29.06.2012 einsehbar. Als Herausgeber wird das Leitlinienprogramm
Onkologie der AWMW, der Deutschen
Krebsgesellschaft e.V. und der Deutschen Krebshilfe e.V. genannt; federführende Fachgesellschaften sind die
Deutsche Dermatologische Gesellschaft
(DDG) sowie die Arbeitsgemeinschaft
Dermatologische Onkologie (ADO). Die
Leitlinie umfasst in der Konsultationsfassung 276 Seiten. Geplant sind eine
Langversion, eine Kurzversion sowie
eine Patientenleitlinie. Die Gültigkeit der
Leitlinie wird auf drei Jahre geschätzt.
Am Zustandekommen der Konsultationsfassung waren 64 Autoren sowie 32
Fachgesellschaften und Organisationen
beteiligt.
und somit zu einem Wirkverlust. Die gleichzeitige Blockade der kompensatorischen
Mechanismen mit MEK-Inhibitoren, die
in derselben Signalkaskade, aber an einer
unterschiedlichen Stelle angreifen, kann
der Resistenzentwicklung entgegenwirken
und die Sensitivität gegenüber BRAF-Inhibitoren über längere Zeit erhalten. Dieses
Konzept wurde bereits in einigen Studien
Die Leitlinie wurde nach dem aktuellen
Stand der wissenschaftlichen Literatur
und Ergebnissen internationaler Studien erarbeitet. Insgesamt werden 723
Literaturstellen aufgeführt. Die Leitlinie
enthält rund 130 Empfehlungen oder
Statements, bei denen jeweils der Level
of Evidenz und/oder der Empfehlungsgrad sowie das Abstimmungsergebnis im
Plenum (Angabe der Konsensstärke in
Prozent) angegeben sind. Die Evidenzgraduierung entspricht dem Oxford-Schema
(Level 1a bis 5). Die Empfehlungen
reichen von A (starke Empfehlung mit der
Formulierung „soll“) über B (Empfehlung
mit der Formulierung „sollte“) bis O (Empfehlung offen; Formulierung „kann“).
Die Leitlinie ist in vier große Blöcke
gegliedert:
Informationen zu der Leitlinie (u.a.
Herausgeber, Kontakte, Autoren)
Einführung (u.a. Geltungsbereich,
Zielsetzung und Fragestellung, methodische Fragen)
Konsentierte und abgestimmte Empfehlungen (der fachliche Teil der Leitlinie)
Literatur
mit Erfolg umgesetzt. So verlängerte die
kombinierte Therapie mit Dabrafenib und
Trametinib das progressionsfreie Überleben signifikant gegenüber einer Dabrafenib-Monotherapie. Auch die Kombination
von Vemurafenib und dem MEK-Inhibitor
GDC-0973 zeigte in einer ersten Analyse
eine Tumorreduktion.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 33
Neue Wirkstoffe zur Therapie des metastasierten Melanoms
Immuntherapie mit Ipilimumab
Ipilimumab (Bristol-Myers Squibb, Zulassung 2011) ist ein rekombinanter, vollständig
humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Antigen (CTLA-4) auf der
T-Zelle blockiert. Durch die Blockade von
In einer anderen Phase-III-Studie wurden
Ipilimumab plus Dacarbazin mit einer Dacarbazin-Monotherape verglichen. Auch
hier führte Ipilimumab plus Dacarbazin zu
einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens im Vergleich zur Monochemotherapie mit Dacarbazin (11,2 Monate vs.
9,1 Monate). Ipilimumab kann schwere im-
Neue Therapien beim nicht BRAF-mutierten Melanom
Beim diesjährigen ASCO wurden einige
potentielle Behandlungsoptionen vorgestellt, die für Patienten mit BRAF-Wildtyp möglicherweise in Frage kommen.
Diskutiert wurden
die duale MET/Angiogenese-Hemmung bei NRAS-Mutation (Kombination des Tyrosinkinase-Inhibitors
Sorafenib mit dem c-MET-Inhibitor
Tivantinib oder ARQ 197).
Pazopanib plus Paclitaxel in der Erstlinie beim fortgeschrittenen Melanom
(Kombination von metronomisch ver-
CTLA-4 werden Aktivierung und Proliferation von T-Zellen, Autoimmunität und
die Antitumor-Immunität erhöht.
Aus der Zulassungsstudie MDXO10-20 (mit
den Armen Ipilimumab, einer Vakzine, Ipilimumab plus Vakzine) geht hervor, dass Ipilimumab im Vergleich zur Vakzinierung das
Gesamtüberleben signifikant verlängerte
(im Median von 6,4 auf 10,1 Monate) und
das Ein- und Zwei-Jahres-Überleben nahezu verdoppelte (von 25% auf 46% bzw.
von 14% auf 24%). Die meisten Patienten,
die zwei Jahre nach Behandlung mit Ipilimumab noch lebten, profitierten auch weiter
von der Therapie.
abreichtem Paclitaxel mit Pazopanib.
Pazopanib richtet sich als Multityrosinkinasehemmer gegen mehrere
Rezeptoren (VEGF-R 1-3, PDGR-B und
c-KIT), deren Expression und Aktivierung mit Metastasierung und Angiogenese assoziiert sind).
Sequenztherapie mit Axitinib beim
BRAF-Wildtyp (sequentielle Therapie mit
Axitinib und Carboplatin/Paclitaxel).
[Quelle: www.deutschekrebsgesellschaft.de]
munvermittelte Nebenwirkungen hervorrufen (u.a. neurologische, kutane, gastrointestinale Nebenwirkungen, Hepatotoxizitäten
und Endokrinopathien). Für das Nebenwirkungsmanagement wurden dezidierte Leitlinien ausgearbeitet. Da das Ansprechen auf
Ipilimumab verzögert bis zu 12 Wochen und
sogar Monate nach Therapiebeginn eintreten kann, wird die Beurteilung des Tumoransprechens auf Ipilimumab erst nach Abschluss der vier Applikationen empfohlen.
• Robert C, et al. Ipilimumab plus dacarbazine for
previously untreated metastatic melanoma. N
Engl J Med 2011; 364: 2517-226.
• Hauschild A, et al. Phase III, randomized, openlabel, multicenter trial (BREAK-3) comparing the
BRAF kinase inhibitor dabrafenib (GSK2118436)
with dacarbazine (DTIC) in patients with BRAFV600E-mutated melanoma. J Clin Oncol 2012; 30
(suppl): abstract LBA8500.
• Robert C, et al. METRIC Phase 3 Study: Efficacy of
trametinib, a potent and selective MEK inhibitor,
in progression-free survival and overall survival,
compared with chemotherapy in patients with
BRAFV600E/K mutant advanced or metastatic
melanoma. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl): abstract
LBA8509.
• Long G et al. Dabrafenib in patients with Val600Glu or Val600Lys BRAF-mutant melanoma metastatic to the brain (BREAK-MB): a multicentre,
open-label, phase 2 trial. The Lancet Oncology
2012; 13: 1087-95.
• Flaherty TK, et al. Improved survival with MEK
inhibition in BRAF-mutated melanoma. N Engl J
Med 2012; 367:107-14.
• Long G, et al. Phase II three-arm randomised study
of the BRAF inhibitor (BRAFi) dabrafenib alone vs
combination with MEK1/2 inhibitor (MEKi) trametinib in pts with BRAF V600 mutation-positive
metastatic melanoma (MM). ESMO 2012, Abstr.
LBA27_PR.
• Gonzales R, et al. Phase IB Study of Vemurafenib
in Combination with the MEK inhibitor, GDC-0973,
in Patients (pts) with Unresectable or Metastatic
BRAFV600 Mutated Melanoma (BRIM7). ESMO
2012, Abstr. LBA28_PR.
• Fachinformation Zelboraf® (Februar 2012)
• Fachinformation Yervoy® (Juni 2012)
• www.b-raf.de/testverfahren/testzentren.html
• www.awmf-online.org
• www.leitlinienprogramm-onkologie.de
• http://hautkrebs.wordpress.com
Literatur:
• www.rki.de
• Chapman PB, et al. Improved survival with vemurafenib in melanoma with BRAF V600E mutation.
N Engl J Med 2011; 364: 2507-16.
• www.deutschekrebsgesellschaft.de
• Chapman PB, et al. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl):
Abstract 8502.
34 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
• www.slk-kliniken.de
Buchbesprechung
Buchbesprechung
Rezension von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten
Komplementäre Onkologie:
Supportive Maßnahmen und evidenzbasierte Empfehlungen
Von Jutta Hübner
Schattauer Verlag 2012
461 Seiten
ISBN: 978-3-7945-2853-0
€ 69,- (Deutschland), € 71,- (Österreich)
Schon in der Überschrift taucht auf, was
in der komplementären Krebstherapie das
Hauptproblem ist: die Evidenz der empfohlenen Maßnahmen. Apotheker und Ärzte
tun sich oft schwer, gegenüber Patienten,
die komplementäre Methoden in Betracht
ziehen, glaubwürdig zu argumentieren und
so fundiert zu- oder abzuraten. Hier bietet
dieses Standardwerk, das jetzt in der 2. Auflage erschienen ist, die notwendige Unterstützung. Die Autorin, Dr. Jutta Hübner, bürgt
als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft
„Prävention und Integrative Onkologie“ der
Deutschen Krebsgesellschaft, für die nötige
Sorgfalt bei der Bewertung der Methoden.
Obwohl das Werk mit 461 Seiten umfangreich ist, erlaubt das Inhaltsverzeichnis
dank seines pragmatischen Aufbaus rasche
Orientierung. An allgemeine Ernährungsempfehlungen für Tumorpatienten schließt
sich ein Kapitel über Phytotherapeutika gegen Tumor- und Therapiefolgen an. Es orientiert sich an Symptomen, beispielsweise
Appetitlosigkeit, Durchfall oder Klimakterische Beschwerden. Hier gibt es Verweise zu pflanzlichen und anderen „alterna-
tiven“ Mitteln, die im Folgekapitel „Komplementäre Wirksubstanzen“ ausführlich
in alphabetischer Reihenfolge von Aloe bis
Zitrusflavonoide bewertet werden. Die systematische Darstellung umfasst postulierte
Wirkungen, in vitro- und tierexperimentelle Daten sowie klinische Studien. Hier wird
immer wieder deutlich, dass für zahlreiche
Substanzen keine zuverlässigen Studien am
Menschen existieren. Jeweils ein eigener
Absatz behandelt Wechsel- und Nebenwirkungen sowie Kontraindikationen. An die
zusammenfassende Bewertung jeder Substanz schließt sich jeweils ein Verzeichnis
der wissenschaftlichen Literatur an.
Im Kapitel „Komplexe komplementäre Verfahren“ werden Methoden wie Akupunktur, Homöopathie oder Yoga nur kurz gestreift – hier könnte man sich eine etwas
umfassendere Darstellung vorstellen. Ganz
am Schluss widmet sich die Autorin den
„Schmuddelkindern“ der alternativen Szene
mit umstrittenen Verfahren wie Cellsymbiosistherapie, Energiemedizin oder „Germanischer Neuer Medizin“. Wieso Massagen in
dieser Kategorie auftauchen, ist nicht ohne
weiteres nachvollziehbar.
Das vom Verlag als „neu in der 2. Auflage“
angekündigte Kapitel zu komplementärer
Medizin in der Palliativbegleitung fällt mit
lediglich drei Seiten leider recht kursorisch
und allgemein aus und wird der zunehmenden Bedeutung der Palliativmedizin nicht
gerecht.
Fazit: Ein wissenschaftlich fundiertes Werk
zu Nutzen und Risiken komplementärer Substanzen und Verfahren, das bei aktuell auftauchenden Patientenfragen rasche Klärung
ermöglicht und als Nachschlagewerk in jeder Apotheke liegen sollte.
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 35
KONGRESSBERICHT
Jahrestagung der DGHO 2012
in Stuttgart
Von Brigitte Hübner, Quedlinburg
U
nter dem Motto „Hoffnung aus der Grundlagenforschung“ fand die jährliche
Tagung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaften für
Hämatologie und Onkologie vom 19.-23. Oktober 2012 in Stuttgart statt. Die fast 5.000
Teilnehmer tauschten bei sonnigem Herbstwetter unter der Leitung von Kongresspräsidentin Frau Professor Else Heidemann aktuelle Erkenntnisse und Fortschritte in der
Behandlung von Tumorerkrankungen aus. Zudem feierte die Gesellschaft in einem
Medizin-historischen Symposium das Jubiläum „75 Jahre DGHO“.
Themenschwerpunkte
der DGHO-Tagung
Evidenz und Ethik in der
Hämatologie
Grundlagen der Immunantwort
Biologie des triplenegativen
Mammakarzinoms
Bedeutung alternder Stammzellen
Neue Medikamente in der Pipeline
Klärung molekularer Ursachen
Molekular-stratifizierte Therapie
beim NSCLC
Einen Schwerpunkt der Tagung stellte der
Paradigmenwechsel von der zellulären zu
molekular-pathologischen Testung bei Tumorerkrankungen dar. So sollte mittlerweile eine EGFR (epidermal growth factor
receptor)-Testung beim Bronchialkarzinom (NSCLC) Routine sein, wobei noch
kein Biopsie-Goldstandard existiert. Eine
EGFR-Mutation weist auf längeres Überleben und gutes Ansprechen auf eine Therapie
mit Tyrosinkinase-Inhibitoren hin.
Afatinib vs. Cisplatin/Pemetrexed in
der First Line
in einer Dosierung 40mg/d oder eine Cis­
platin-Pemetrexed-Chemotherapie (75mg/m2
plus 500mg/m2). Die Patientencharakteristika waren weitgehend ausgeglichen. Primärer
Studienendpunkt war das progressionsfreie
Überleben (PFS), ermittelt durch ein zentrales, unabhängiges Review. Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 11,1 versus 6,9
Monate (p=0,004). Bei 308 Patienten mit den
häufigsten EGFR-Mutationen (del19/L858)
betrug das mediane Überleben sogar 13,6 Monate (p<0,0001). Die objektiven Ansprechraten unterschieden sich ebenfalls erheblich und
lagen bei 56 bzw. 23% (p<0,0001).
Als häufigste Nebenwirkungen traten Hautausschlag, Juckreiz, Durchfall und Akne auf.
Es bleibt anzumerken, dass die Behandlung
mit Afatinib zu einem besseren allgemeinen
Gesundheitszustand im Vergleich zur Chemotherapie führt und hinsichtlich Lebensqualität deutliche Vorteile aufweist.
Der Tyrosinkinase-Inhibitor verlängert somit
als first-line Therapie bei fortgeschrittenem
Bronchialkarzinom mit EGFR-Mutation
das progressionsfreie Überleben im Vergleich
zur Chemotherapie signifikant bei gleichzeitig deutlich verbesserter Lebensqualität (1).
© Stuttgart Marketing GmbH
VOD-Prophylaxe mit Defibrotide
Afatinib ist ein oral verfügbarer, irreversibler
Tyrosinkinase-Inhibitor der erbB-1,-2 und
-4 Familie, der in der LUX-Lung-3-Studie
an 345 Patienten (2:1 Randomisierung) mit
fortgeschrittenen NSCLC und nachgewiesener EGFR-Mutation untersucht wurde.
Die Patienten erhielten entweder Afatinib
36 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Unter VOD (veno-occlusive disease) versteht
man eine Lebervenenverschluss-Erkrankung,
die auf einem sinusoidalen Endothelzellschaden, assoziiert mit Fibrinanlagerung beruht.
Diese kann nach autologer oder allogener
Stammzelltransplantation (HSCT), insbe-
Jahrestagung der DGHO 2012
© DGHO
Kongresspräsidentin Else Heidemann
und wirkt dabei entzündungshemmend, antithrombotisch und antiischämisch (2).
Met-Inhibition als neues Target in
der Onkologie
Die C-MET Rezeptor-Tyrosinkinase (mesenchymal-epithelial transition factor) und ihr
Ein neuer selektiver c-MET-Hemmstoff,
der sich gegenwärtig in der klinischen Entwicklung befindet ist Tivantinib (ARQ-197).
Tivantinib besitzt potente Antitumor-Aktivität. Dies konnte an der Hemmung der
Zellproliferation zahlreicher Zelllinien gezeigt werden (IC50=0,1µM).
te in der Erlotinib/Tivantinib-Gruppe und
2,3 Monate in der Erlotinib/Placebo-Gruppe
(p=0,24). Das mediane Überleben (14-Monate-Follow-up) lag bei 8,5 bzw. 6,9 Monaten
(p=0,47). Die Kombination schien besonders
effektiv bei Patienten mit Kras-Mutation, da
die 15 behandelten Patienten ein PFS-Hazard-
© DGHO
In einer randomisierten, kontrollierten PhaseIII-Studie an pädiatrischen Patienten nach
Stammzelltransplantation wurde die Wirkung einer VOD-Prophylaxe mit Defibrotide (25mg/kg/d, aufgeteilt auf 4 Infusionen à
6,25mg/kg über 2 hr) untersucht. In die Studie wurden 356 jugendliche Erwachsene (<18
Jahre) nach myeloablativer Konditionierung
vor einer allogenen oder autologenen HSCT
eingeschlossen. Primärer Studienendpunkt war
das Auftreten einer VOD innerhalb von 30
Tagen nach Stammzelltransplantation. Dabei
entwickelten 180 Patienten des DefibrotideArmes (12%) eine VOD, verglichen mit 176
Patienten des Kontroll-Armes (20%). Somit
konnte gezeigt werden, dass durch eine Prophylaxe mit Defibrotide bei Hochrisikopatienten das Auftreten einer VOD signifikant
(p=0,0488) gesenkt oder deren Verlauf deutlich
gemildert werden kann. Das Auftreten von
Nebenwirkungen war in beiden Studienarmen
ähnlich, insgesamt wurde die Therapie gut vertragen. Defibrotide entfaltet schützende und
stabilisierende Effekte auf das Gefäßendothel
Ligand Hepatozytenwachstumsfaktor (HGF)
spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation und Kontrolle der Gewebehomöostase.
Der HGF/c-MET-Pfad ist ebenso an der
Regulation von Zellwachstum, Angiogenese,
Invasion und Metastasierung der Tumorzellen beteiligt Nach Ligandbindung dimerisiert
c-MET und wird autophosphoryliert. Dies
führt zur Aktivierung der Signaltransduktion
mit MAPK, PI3K-Akt vsrc, SRC und STATProteinen. Die Hemmung des c-MET-Pfades ermöglicht somit eine neue Strategie in
der Behandlung invasiver Tumore mit hohem
metastatischem Potential.
Blick auf die Posterwände
Ratio von 0,18 (p=0,006) erzielten. Die Kombination Erlotinib plus Tivantinib ist in der
Behandlung von NSCLC sicher, da Nebenwirkungen und Toxizitäten in beiden Gruppen
ähnlich waren. Die Wirksamkeit der Therapie muss jedoch weiter untersucht werden (3).
Best abstracts
© DGHO
sondere einer Hochdosistherapie mit Busulfan
oder Cyclophosphamid, auftreten und ist aufgrund des Multiorganversagens meist mit einer
sehr hohen Mortalität von ca. 90% verbunden.
Die VOD ist gekennzeichnet durch Hyperbilirubinämie, Lebervergrößerung, Aszites (Flüssigkeitseinlagerung) und schnelle Gewichtszunahme (>5%). Eine Therapieoption besteht in
der intravenösen Gabe von Defibrotide, welches ein aus Schweinedarmmukosa isoliertes
Oligonucleotidgemisch darstellt.
Blick in den großen Vortragssaal
Tivantinib hemmt die c-MET über einen
nicht-ATP-abhängigen Mechanismus, der
das hohe Ausmaß an Kinase-Selektivität
unterstreicht. Der Tyrosinkinase-Hemmer
blockiert die Ligand-vermittelte c-METPhosphorylierung und somit die nachfolgende Signaltransduktionskaskade. Beim NSCLC ist eine c-MET-Rezeptor-Aktivierung
mit schlechter Prognose und Resistenz gegenüber Tyrosinkinase-Inhibitoren assoziiert.
In der randomisierten doppeltblinden MARQUEE-Studie wurde Tivantinib plus Erlotinib versus Erlotinib plus Placebo an 167 Patienten mit EGFR-naivem NSCLC geprüft.
Die Patienten erhielten entweder orales Erlotinib (150mg täglich) plus orales Tivantinib
(360mg zweimal täglich) oder Erlotinib plus
Placebo. Die Behandlung wurde kontinuierlich
über 28 Tage fortgesetzt. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben
(PFS). Das mediane PFS betrug 3,8 Mona-
Die von Gutachtern der DGHO prämierten
„best abtracts“ beschäftigen sich mit individuellen Therapiekonzepten, Psychoonkologie
und Stammzelltherapien, wobei wissenschaftliche Aktualität, Methodenqualität und klinische Bedeutung ausschlaggebend waren.
Pschoonkologie: verbesserte
Versorgung von Patienten mit
kolorektalem Karzinom (V561)
Die psychoonkologische Betreuung stellt ein
wichtiges Element in der umfassenden Versorgung von Tumorpatienten dar. Da derzeit
jedoch wenig Daten zu Bedarf, Akzeptanz
und Organisation dieser Versorgung existieren, wurde diesen Fragen in einer Studie
an 534 Patienten mit kolorektalem Karzinom nachgegangen. 26% der Patienten gaben
dabei eine psychische Belastung, 14,8% eine
Depression an. Insgesamt 52% der Patienten besaßen keine Kenntnisse zu pschoonkologischer Betreuung, wobei Patienten im
ländlichen Raum besser informiert waren als
Patienten aus der Stadt. Die beunruhigen-
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 37
Jahrestagung der DGHO 2012
© iStockphoto/Rolphus
CLC) im Stadium III das progressionsfreie
Überleben verbessern kann (GILT-Studie).
den Daten dieser Patientenbefragung weisen auf ein großes Defizit in der Information
psychisch belasteter Tumorpatienten über
Möglichkeiten der gezielten Betreuung hin.
NSCLC: keine konsolidierende
Chemotherapie nach
Radiochemotherapie (V562)
In der Studie wurde geklärt, inwieweit eine
konsolidierende Chemotherapie mit Cisplatin/Vinorelbin nach Strahlenchemotherapie
bei Patienten mit Bronchialkarzinom (NS-
Dabei erhielten 201 Patienten im Anschluss
an die Radiochemotherapie entweder best
supportive care oder eine Cisplatin-Vinorelbin-Chemotherapie. Die disease control rate
(DCR), also Remission oder stabile Erkrankung, betrug für beide Arme 78,5%. Daraus
lässt sich ableiten, dass die Radiochemotherapie eine hohe Kontrollrate ermöglicht, jedoch
führt eine weitere anschließende Chemotherapie nicht zu einem verbesserten Ergebnis.
Daher kann eine konsolidierende Chemotherapie nach Strahlenchemotherapie im Stadium III nicht empfohlen werden.
GRID-Studie: Regorafenib nach
Versagen von Imatinib und Sunitinib
bei GIST-Tumor (V563)
Viele Patienten mit GIST-Tumor sind auch
nach medikamentöser Erst- und Zweitlinientherapie in gutem Allgemeinzustand, so dass
sich die Frage nach einer weiteren Behand-
lungsoption auftut. In der folgenden Phase
III-Studie (GRID) wurde die Wirkung des
oralen Tyrosinkinase-Inhibitors Regorafenib
bei Patienten mit metasiertem bzw. nicht resektablem GIST-Tumor nach Progression unter Imatinib- und Sunitinib-Therapie untersucht. Das progressionsfreie Überleben betrug
im Regorafenib-Arm 4,8 Monate gegenüber
0,9 Monate im Placebo-Arm (p<0,0001). Insgesamt führt Regorafenib bei intensiv vorbehandelten Patienten zu einer signifikanten
Verbesserung der Krankheitskontrolle und des
progressionsfreien Überlebens. Regorafenib
erweitert somit die Therapieoptionen, wobei
aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen
die optimale Dosis noch zu ermitteln ist.
Verbesserte Krankheitskontrolle
durch allogene Stammzelltrans­
plan­tation bei NPM-1 positiven
AML-Patienten mit intermediärem
Risiko (V564)
In der SAL-AML-Studie 2003 war die allogene Stammzelltransplantation von ei-
Jahrestagung der DGHO 2012
nem verwandten Spender die empfohlene
Therapieoption bei Patienten zwischen 18
und 60 Jahren, wenn ein geeigneter Spender zur Verfügung stand. In einem DonorNoDonor-Vergleich wurde der Einfluss der
allogenen Stammzelltransplantation auf die
Prognose der Patienten untersucht. Die rezidivfreie Überlebensrate betrug dabei 47%
versus 72% (p=0,002). Zusammenfassend
führt somit die allogene Stammzelltransplantation von einem Familienspender bei
NPM1+-Patienten zu einer signifikanten
Verbesserung des rezidivfreien Überlebens.
Non-Hodgkin-Lymphom:
verbesserte Krankheitskontrolle
durch Hoch­dosis­therapie und
autologe Stammzelltransplantation
bei Patienten mit T-NHL (V565)
Die meisten Patienten mit Non-HodgkinLymphom (T-NHL) werden mit CHOP
oder CHOP-ähnlichen Therapieschemata
behandelt. In dieser retrospektiven Studie
an 113 Patientendaten wurde die Frage untersucht, inwieweit eine frühe Therapieintensivierung mit autologer Stammzelltransplantation (ASZT) die Prognose dieser Patienten
verbessern kann.
Bei Patienten mit peripherem T-Zell-Lymphom betrug die Rezidivrate nach kompletter Remission 15,1% für Patienten mit ASZT
und war damit signifikant niedriger als für
Patienten ohne ASZT (68,0%; p=0,0046).
Die Überlebensrate war nicht signifikant unterschiedlich. Eine ähnliche Tendenz ergab
sich für Patienten mit Angioimmunoblastischem T-Zell-Lymphom. Beim ALK-negativen anaplastischen großzelligem Lymphom
(ALCL) war die 5-Jahres-Überlebensrate bei
Patienten mit ASZT signifikant besser (87,5
vs 21,8%,p=0,01). Insgesamt konnte in der
Studie gezeigt werden, dass eine frühe Therapieintensivierung mit autologer Stammzelltransplantation eine Therapieoption für
diverse Patientensubgruppen mit T-NHL
sein kann.
basan weiß,
wo es lang geht.
Literatur:
(1) Yang et al. LUX-LUNG-3: A randomized open-label
phase III study of afatinib versus pemetrexed and
cisplatin as first-line treatment for patients with
advanced adenocarcinoma of lung harboring
EGFR-activating mutations. J Clin Oncol 2012;
30 (Suppl.): Abstr. LBA 7500
(2) Corbacioglu et al.: Defibrotide for prophylaxis
of hepatic-venocclusive disease in paediatric
haemopoetic stem-cell transplantation. Lancet
2012; 379: 1301-09.
(3) Markman et al.: A phase 3 randomized placebocontrolled study of ARQ-197 plus erlotinib versus
placebo plus erlotinib in NSCLC with wild type
epidermal growth factor receptor: mixed results.
J Clin Oncol 2011; 29: 3307-3315.
Autorin:
Dr. Brigitte Hübner
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Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 39
Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte
Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion –
Chirurgische Aspekte
Von Asadulla Garayev und Jens Büntzel, Nordhausen
B
ösartige Veränderungen der Haut im Gesichtsbereich treten im Vergleich zu anderen Tumoren der Region relativ häufig auf, so dass sie Gegenstand verschiedener Fachgebiete sind. Allen gemeinsam ist das Grundverständnis, dass ausschließlich
durch eine chirurgische Resektion des Ausgangstumors mit einem entsprechenden Sicherheitsabstand die Grundlage einer erfolgreichen Behandlung gelegt werden kann.
Mit Blick auf die aktuellen Leitlinien der
Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
fällt auf, dass es lediglich zur mikrografischen Chirurgie eine gegenwärtig gültige
Fassung der S1-Leitlinie gibt, die Leitlinie
zum malignen Melanom seit 2010 in Überarbeitung zu sein scheint.
Die folgenden Ausführungen fußen deshalb neben diesen beiden Dokumenten auf
einem Blick in die aktuelle internationale
Literatur zu thematischen „Guidelines“, wie
z.B. der britischen Fassung für das Basaliom, die allerdings auch schon aus dem Jahr
2008 stammt.
Das chirurgische Selbstverständnis fußt
hierbei auf solchen Ergebnissen wie dem
der viel zitierten Studie von Avril et al. aus
dem Jahre 1997. Hierbei wurde eine Strahlentherapie gegen die onkologischen und
kosmetischen Ergebnisse der chirurgischen
Versorgung verglichen und das Outcome
jener chirurgisch behandelten Patienten
wurde als deutlich günstiger beschrieben.
Insgesamt schlossen die Autoren damals,
dass man bis zu einer Größe von 4 cm im
Gesichtsbereich immer eine chirurgische
Resektion anstreben sollte.
Basalzellkarzinome
Das Basalzellkarzinom gilt als das häufigste
der bösartigen Hauttumoren bei Menschen
weißer Farbe. Es tritt besonders im lichtexponierten Kopf-Hals-Bereich auf. Mehrere
Untersuchungen haben eine international
steigende Inzidenz gezeigt. Als therapeutische Optionen kommen neben der chirurgischen Resektion die Bestrahlung von außen
sowie Formen einer Kontaktbestrahlung in
Frage. In der Regel sind sie auf besondere
Lokalisationen wie das Augenlid oder den
medialen Augenwinkel beschränkt, da hier
Tab. 1: Indikationen zur mikrografischen
Chirurgie
Tumorlokalisation im zentralen
Gesicht, d.h. Nase, Auge, Ohr und
Lippen
Tumorgröße, insbesondere bei
Durchmesser > 2 cm
Histologische Eigenschaften wie
infiltratives Wachstum
Unklare klinische Tumorränder
Rezidivläsionen
Perineurales oder perivaskuläres
Wachstum
störende kosmetische Veränderungen nach
Chirurgie zu erwarten wären.
Grundlage der chirurgischen Behandlung
ist die mikroskopische Kontrolle des Resektionsrandes, der mit ausreichendem Sicherheitsabstand tumorfrei zu sein hat. Erstbeschreiber eines systematischen Vorgehens
war 1941 der Amerikaner Mohs. Bis heute
gilt sein Vorgehen als Standard in einzelnen
Ländern und international wird die MohsChirurgie noch immer als Referenzmethode
hinsichtlich der Ergebnisse in Tumor- und
Rezidivfreiheit angesehen.
Tabelle 1 fasst die Indikationen zur mikrografischen Chirurgie entsprechend der
britischen Leitlinie für die Behandlung des
Basalzellkarzinoms zusammen. In Tabelle
2 sind die moderneren Verfahren der mikrografischen Chirurgie abgeleitet aus der aktuellen deutschen Richtlinie zusammengefasst.
Im Falle einer Rezidivsituation sollte grundsätzlich auf die genannten Verfahren der
mikrografisch kontrollierten Chirurgie
zurückgegriffen werden. Nach bestätigter in-sano-Resektion ist die erfolgreiche
Tab. 2: Verfahren der mikrografischen Chirurgie
Verfahren
Vorteile
Nachteile
Mohs-Chirurgie:
Schüsselförmige Exzision,
Kryostatschnitte
Vollständige Kontrolle
Zeitnaher
Wundverschluss
Nicht reproduzierbar
Fehleranfällig
Münchner Methode:
Horizontale Stufenschnitte,
zylinderförmige Exzision,
Kryostatschnitte
Beurteilung des
Gesamttumors
Reproduzierbarkeit
Aufwand
Hohe Erfahrung des
Beurteilers
Weitere Methoden der Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie
Tübinger Torte und Muffintechnik
La Galette
Square Procedere
Quadrantentechnik
Wallgrabentechnik
Vertikale Stufenschnitte, ggf. mit Randbiopsien
40 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Abb. 3:
Hauttumoren der
Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte
Epithese zur Defektdeckung nach Exenteratio orbitae
k nach Joseph
Plattenepithelkarzinom der Haut
Abb. 1: Z-Plastik nach Joseph
Für diese Patienten gelten ähnliche Grundsätze wie in der Behandlung des Basalioms.
Auch hier ist die Resektion des Tumors
in sano mit mikroskopisch kontrollierten
Randschnitten die Methode der Wahl. Es
wird eine schnelle Defektdeckung angestrebt. Im Gegensatz zu den Basaliomen
muss mit einer lymphogenen Ausbreitung
in die regionalen Halsgebiete gerechnet werAbb. 3: Epithese zur Defektdeckung nach
den, so dass sich die Durchführung einerAbb. 4: Exenteratio orbitae
Hautnekrose nach Neck Dissection bei Tumorinfiltration des kutanen Gewebes
Neck Dissection anbietet. Im Falle einer
erfolgreichen R0-Resektion besteht keine
Indikation zu einer adjuvanten Bestrahlung.
Malignes Melanom
h Tagliacozzi
Die Resektion des Primärtumors richtet sich
beim malignen Melanom in der Regel nach
der Dicke des Tumors. Die Leitlinie schlägt
bei in-situ-Tumoren einen tumorfreien Bezirk
Abb. 4: Hautnekrose nach Neck
von 0,5 cm vor, bei einer Dicke von 1 mm ist
Dissection bei Tumorinfiltration des
dieser Abstand bereits 1 cm und alle anderen
Abb. 5
kutanen Gewebes
Melanome sollen mit 2 cm SicherheitssaumExzision der Hautnekrose am Hals und Präparation des gestielten Lappens mit Haut aus dem Thorax
exzidiert werden. Gerade in Regionen des
Kopf-Hals-Bereiches ist man hiermit nicht
selten überfordert, zumal es bisher keine suffizienten Daten gibt, die einen Einfluss der
Breite des Sicherheitsabstandes auf die Rate
der Fernmetastasierung gezeigt haben.
Abb. 2: Wanderlappen nach Tagliacozzi
plastische Deckung des entstandenen Defektes, einschließlich des Wiederauf baus
zerstörter knorpliger Strukturen sinnvoll.
Dies geschieht nach den Grundprinzipien
der rekonstruktiven Chirurgie.
Auf eine Chirurgie der Halsweichteilstrukturen kann beim Basalzellkarzinom
der Haut verzichtet werden, außer es liegen
sonografisch vergrößerte Lymphknoten in
dieser Region vor. Auf eine adjuvante Bestrahlung kann verzichtet werden.
Ein wesentlicher Unterschied im therapeutischen Vorgehen beim Melanom liegt in
der konsequenten Beurteilung und Therapie
der regionären Lymphknoten. HauptmeAbb. 5: Exzision der Hautnekrose am
thode ist dabei die sentinel node Technik,
Hals und Präparation des gestielten
d.h. es wird der Ausgangstumor mit einem
Lappens mit Haut aus dem Thorax
Abb. 6
radioaktiven Tracer umspritzt und anschlie-Defektdeckung nach Abschluss der Operation
ßend im Falle einer Metastasierung dieser
Tracer im Wächterlymphknoten (sentinel
node) aufgespürt.
Fällt der Nachweis des Sentinelknotens positiv aus, so sollte sich aus chirurgischer Sicht
eine Lymphknotenausräumung anschließen.
Allerdings muss auch hier festgehalten werden, dass suffiziente Daten dieser Maßnahme
auf das Outcome der Patienten bisher kaum
vorliegen. So sollte bei Durchführung der
Lymph­knotenchirurgie besonderer Wert auf
den Erhalt der Funktionalität gelegt werden.
Im Halsbereich bedeutet dies die Durchführung einer modifiziert-radikalen Neck Dissection oder einer elektiven Neck Dissection,
Abb. 6: Defektdeckung nach Abschluss
der Operation
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 41
Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte
so dass Strukturen wie der Nervus accessorius,
die Arteria carotis externa oder der Musculus sternocleidomastoideus erhalten bleiben
können.
An eine Grenze gerät jede chirurgische
Maßnahme bei multiplem Auftreten von
Tumoren bzw. Satellitentumoren. Letztlich dürfte jedoch gerade in dieser Situation
die subtile Exzision die einzige Chance des
Patienten auf Genesung sein, da sowohl die
Bestrahlung als auch systemische Therapien
in ihrer Erfolgsrate der exakten Chirurgie
bis heute unterlegen sind.
Eine adjuvante Strahlentherapie ist aus unserer Sicht immer dann individuell zu diskutieren, wenn die chirurgischen Maßnahmen
entweder nicht in vollem Umfang zumut-
rzinom exulzerierend wachsend
Abb. 7: Ohrmuschelkarzinom
exulzerierend wachsend
Z-förmige Schnittführung wurde durch Joseph inauguriert und ist heute noch Grundwerkzeug eines jeden Gesichtschirurgen
(Abb. 1). Auch ein Umklappen des Lappens
– Jospeh nennt es einen Frontwechsel des
Lappens – sehen wir heute als Grundrepertoire an, insbesondere wenn wir im Bereich
der Innenseite des Nasenflügels eine Rekonstruktion nach Tumorabtragung durchzuführen haben. Namen großer Chirurgen wie
Dieffenbach (Lappenplastik), Reverdin und
Thiersch (Hauttransplantation) oder Kirchner (Temporalislappen) weiß die moderne
plastische Chirurgie als Vorväter noch heute
zu würdigen.
Allerdings sind auch Entwicklungen verlassen worden. So war bei der WanderlappenMethode ein Gewebeanteil von einer Ext-
Abb. 8
Resektionsgebiet und entwickelter Lappen zur Defektdeckung
Tradition plastischer
Gesichtschirurgie
Vor wenigen Jahren ist eine Faksimile-Auflage von Jopseh’s Nasenplastik und sonstige
Gesichtsplastik erschienen, die sehr schön
auf die lange Tradition der plastischen Gesichtschirurgen in Deutschland hinweist.
Bereits 1856 hat Burow mit der „Methode
der beiden Dreiecke“ eine erste Lappenplastik zur Defektdeckung beschrieben. Auch
der Austausch gestielter Lappen über eine
remität in das Gesicht verpflanzt worden.
Nachdem die Ernährung des Transplantates
nicht mehr durch die Extremität erfolgte,
sondern das umgebende Gewebe, konnte
die Extremität vom Gesicht getrennt werden
und die eigentliche Defektdeckung erfolgte
in der kommenden Sitzung. Moderne Gefäßanastomosen oder gefäßgestielte Lappen
ersparen uns und unseren Patienten heute
derartige heroische Eingriffe. Abbildung 2
zeigt als Beispiel den Tagliacozzi-Lappen
in seiner Erstbeschreibung aus dem Jahre
1597 [http://books.google.it/books?id=5qg
1lwTm79cC&printsec=titlepage&source=
gbs_summary_r&cad=0].
42 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Nach ausgedehnten Resektionen kann eine
Situation entstanden sein, in der eine zufriedenstellende Rekonstruktion des Gesichtes
nicht mehr durch den plastischen Chirurgen
gelingt. Epithesen sind dabei bereits seit dem
16. Jahrhundert bekannt. Die Entwicklung
der Epithetik hat nach dem ersten Weltkrieg
einen deutlichen Schub bekommen. Heute
wird im anglo-amerikanischen Sprachraum
nicht mehr von der Epithese, sondern der
„facial prosthesis“ gesprochen, was die Bedeutung dieses Hilfsmittels für den Patient und seine Funktionalität unterstreicht.
Abbildung 3 zeigt eine Orbitaepithese, die
nach Entfernung des Auges eingesetzt wird
[© Klaus D. Peter, Gummersbach].
Abb. 9
Zustand nach Resektion und Defektdeckung
Abb. 8: Resektionsgebiet und entwickelter Lappen
zur Defektdeckung
bar oder nur begrenzt erfolgreich waren (R1
bzw. Rx-Situation).
Epithetische Versorgung
Abb. 9: Zustand nach Resektion und
Defektdeckung
Während jüngere und bewegliche Patienten
oftmals auf die implantatfixierten Epithesen angewiesen sind, kommt es bei älteren
Patienten auf eine einfache Handhabbarkeit an. Diese kann mit einer selbstklebenden Epithese gegeben sein oder mittels der
Befestigung des Hilfsmittels an der Brille.
Wichtig ist in der Anpassungsphase immer
eine klare Vorstellung von der gewünschten
Gesichtskontur, eine ordentliche Kommunikation der Resektionsgrenzen sowie die enge
Zusammenarbeit zwischen Epithetiker und
onkologisch verantwortlichem Arzt.
Eindeutiger Vorteil einer Epithese ist die
gute Beurteilbarkeit der Tumorsituation in
Hauttumoren der Gesichts- und Halsregion – Chirurgische Aspekte
der Nachsorge, so dass wir uns gelegentlich
zu einer vorübergehenden Nutzung der Epithese und einem Verschluss eines Defektes
im späteren Verlauf entscheiden.
Patientenbeispiele
An Hand von drei Patienten möchten wir
die chirurgischen Möglichkeiten der Resektion und Defektdeckung im Bereich des Gesichtes und sichtbaren Halses verdeutlichen.
Patient 1 hatte nach einer ausgedehnten
Neck Dissection bei einer Lymphknotenmetastase mit Einbruch in die Haut ausgeprägte Wundheilungsstörungen nach
dem Ersteingriff. Abbildung 4 zeigt eine
Haut- und Muskelnekrose bei erheblicher
utende Metastase eines Nierenzellkarzinoms am Nasenflügel
Abb. 10: Leicht blutende Metastase
eines Nierenzellkarzinoms am
Nasenflügel
Hautlappens nachvollziehbar. Abbildung 9
verdeutlicht das onkologisch und kosmetisch zufriedenstellende Ergebnis für unseren Patienten.
Patient 3 litt an einer Hautmetastase eines
malignen Hypernephroms, die ständig zu
Blutungen aus dem Bereich des rechten Nasenflügels führte. Palliatives Ziel unseres
chirurgischen Vorgehens war ein Stoppen
der Blutung, um den Patienten die letzte Lebenszeit unabhängig von ständiger HNOärztlicher Versorgung zu ermöglichen. Abbildung 10 zeigt den relativ unscheinbaren
Ausgangsbefund. In der Abbildung 11 wird
ein regionaler Lappen (bilobed-flap) aus dem
Nasolabialbereich in das Gebiet der Resektion am Nasenflügel geschwenkt. Zehn Tage
nach der Operation ist ein funktionell und
Abb. 11
bilobed flap zur Defektdeckung aus dem Nasolabialbereich
Patient 2 litt an einem ausgedehnten Karzinom der Ohrmuschel. Abbildung 7 zeigt
einen Tumorbefall auf der Rückseite des Ohres und die geplante plastische Deckung des
zu erwartenden Defektes. In Abbildung 8
werden die intraoperative Situation mit Resektion und die Ausbildung des dreiteiligen
Literatur
Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG): AWMF-Leitlinienregister 013/064:
Mikroskopisch kontrollierte Chirurgie (MKC). Letzte
Überarbeitung 03/2009
Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG): AWMF-Leitlinienregister 032/024:
Malignes Melanom der Haut. In Überarbeitung
Telfer NR, GB Colfer, CA Morton: Guidelines for the
management of basal cell carcinoma. Br J Dermatol2008; 59: 35-48
Abb.
Postoperatives Ergebnis nach zehn Tagen
Abb. 11: bilobed flap zur Defektdeckung aus dem
Nasolabialbereich
Vernarbung der umgebenen Haut als Folge der Bestrahlung der Region. Über einen
Lappen aus dem Gebiet des Musculus pectoralis major gelang es, sowohl eine muskuläre Abdeckung der großen Halsgefäße zu
schaffen, als auch eine ausreichende Versorgung des großen Hautdefektes vorzunehmen
(Abb. 5, 6)
und rekonstruktiven Chirurgie gibt es einige
Eckpfeiler zu beachten, die für eine optimale
Versorgung des Patienten notwendig sind.
Die Chirurgie in der Hand des erfahrenen
Operateurs ist eine wertvolle Grundlage der
Tumorbehandlung im vorgestellten Gebiet.
ästhetisch ansprechendes Ergebnis in der
Abbildung 12 dokumentiert.
Zusammenfassung
Dem erfahrenen Gesichtschirurgen stehen
in der Behandlung maligner Veränderungen des Bereiches zwischen Gesicht, Ohr
und äußerem Hals zahlreiche Möglichkeiten der Resektion und Defektdeckung
zur Verfügung.
Sowohl in der Indikation (Basaliome, Melanome, Plattenepithelkarzinome, Metastasen) als auch im Bereich der onkologischen
Abb. 12: Postoperatives Ergebnis
nach zehn Tagen
Avril MF, A Auperin, A Margulis et al.: Basal cell carcinoma of the face: surgery or radiotherapy? Results
of a randomized study. Br J Cancer 1997; 76: 100-106
Jospeh J : Nasenplastik und sonstige Gesichtsplastik
nebst einem Anhang über Mammaplastik und einige
weitere Operationen aus dem Gebiete der äusseren
Köperplastik. Leipzig Curt Kabitzsch 1931
Autor:
Oberarzt Dr. A. Garayev,
Klinik für HNO-Erkrankungen, Kopf-Hals-Chirurgie,
Südharz Klinikum Nordhausen gGmbH,
Dr.-Robert-Koch-Straße 39,
99734 Nordhausen
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 43
Pressemitteilung
PRESSE M I T T E I LU N G
Moderne Chemotherapien beim mCRPC erfordern
mehr Aufmerksamkeit für die Neutropenie
B
eim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) sind
dank neuer Therapiestrategien wie der sequenziellen Chemotherapie mit Docetaxel
und Cabazitaxel heute lange Überlebenszeiten möglich. Allerdings sind diese Behandlungen mit Nebenwirkungen behaftet.
Besondere Aufmerksamkeit muss der Vermeidung einer febrilen Neutropenie (FN)
gelten. Diese kann im praktischen Alltag
durch den prophylaktischen Einsatz von
Granulozyten-koloniestimulierenden Faktoren (G-CSF) verhindert werden. Anlässlich eines Symposiums in Leipzig beim
diesjährigen Urologenkongress betonte
Dr. Joachim Kleeberg, Stuttgart, dass diese Nebenwirkung niedergelassenen Urologen häufig noch nicht so geläufig ist und in
Anbetracht der zunehmenden Anwendung
der Chemotherapeutika mehr Beachtung
erfahren sollte. Besonders bewährt zur
Primärprophylaxe hat sich seiner Meinung
nach der nur einmal pro Zyklus zu verabreichende pegylierte Granulozyten-koloniestimulierende Wachstumsfaktor (G-CSF)
Pegfilgrastim (Neulasta®). Die Einmalgabe
pro Chemotherapiezyklus bietet besonders
den ambulant behandelten Prostatakarzinompatienten deutliche Vorteile.
Den Patienten so lang wie möglich
in der Therapie halten
Für Patienten mit mCRPC, bei denen die Erkrankung trotz Docetaxel-Behandlung fortschritt, gab es bis vor kurzem keine weitere
Therapieoption mit Überlebensvorteil. Dies
hat sich seit der Verfügbarkeit von Cabazitaxel geändert. Nun ergibt sich jedoch die
Frage, wie die neuen Optionen zu nutzen
sind, damit der Patient so gut und so lang
wie möglich in der Behandlung gehalten werden kann. „Docetaxel ist Standard für die
Erstlinientherapie. Wir sollten uns den Patienten genau anschauen, um das weitere
Vorgehen anzupassen“, erläuterte Dr. Stefan
Machtens, Bergisch Gladbach. Speziell bei
aggressiver Tumorbiologie und schlechtem
Ansprechen auf die vorangegangene Hormontherapie wird vorzugsweise die chemotherapeutische Weiterbehandlung mit Cabazitaxel empfohlen. Die Substanz bezeichnete
der Urologe als Mittel der ersten Wahl, wenn
ein hoher Gleason Score (Gleason 8-10) sowie ein schlechtes PSA-Ansprechen auf die
primäre Androgenblockade vorliegt, der Progress nach Docetaxel sehr schnell verläuft
oder der Patient Docetaxel refraktär ist.
Febrile Neutropenie – eine potentiell
lebensbedrohliche Komplikation
In der Zulassungsstudie TROPIC reduzierte
Cabazitaxel das relative Sterberisiko der Patienten um 30% gegenüber der Behandlung
mit Mitoxantron (HR 0,70; p<0,0001) (1). Ein
medianes Überleben von 30 Monaten durch
die Sequenz Docetaxel-Cabazitaxel eröffnet
neue Aussichten für die CRPC-Patienten, so
Machtens weiter (2). Allerdings entwickelten fast 8% der Patienten unter Cabazitaxel in der TROPIC-Studie eine febrile Neutropenie (FN) dritten oder vierten Grades.
Dabei handelt es sich um eine ernsthafte
Komplikation, die unbedingt berücksichtigt werden sollte, forderte Kleeberg. Wie
gefährlich die FN sein kann, belegt eine Studie: Demnach stirbt einer von zehn wegen
44 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
einer FN ins Krankenhaus aufgenommenen
Patienten - trotz entsprechender stationärer Therapie. Komorbiditäten steigern die
Mortalitätsrate deutlich, so dass bei einer
zusätzlichen Komorbidität eine Mortalität
von 20% auftritt (3). Reduktionen der geplanten Dosis und/oder Verschiebungen des
darauf folgenden Chemotherapiezyklus mit
Verminderung der Dosisintensität sind keine
Lösung. Im Gegenteil, so Kleeberg weiter,
Dosiskompromisse gefährden erwiesenermaßen das Therapieziel.
Proaktives Neutropenie-Management
mit G-CSF-Einsatz
von Anfang an
„Im Compassionate Use Programm (CUP)
wurde von Anfang an ein proaktives Nebenwirkungsmanagement mit entsprechendem
G-CSF-Support gefahren, so dass die Rate
an Nebenwirkungen wesentlich reduziert
werden konnte“, erläuterte der Stuttgarter
Urologe (4). Die Sorge, dass Patienten die
Behandlung mit Cabazitaxel nicht ausreichend gut vertragen, sei bei entsprechender
Aufklärung und regelmäßigem Monitoring
unbegründet, schildert er seine eigenen
umfangreichen Erfahrungen. Dazu gehöre
aber auch zwingend der präventive G-CSFEinsatz bei gefährdeten Patienten. Bei einer
Chemotherapie mit einem moderaten Risiko von 10 bis 20% empfehlen die Leitlinien
der EORTC, patientenbezogene Faktoren wie
das Lebensalter mit zu berücksichtigen, um
das individuelle Gesamtrisiko beurteilen
zu können (6). So ist bei über 65-jährigen
Patienten, aber auch bei fortgeschrittener
Erkrankung und/oder vorliegenden Komor-
Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft Dermatologische
Onkologie (ADO) in der Deutschen
Krebsgesellschaft (DKG)
Mit 505 Mitgliedern ist die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO)
heute die drittstärkste Arbeitsgemeinschaft
in der DKG und kann bereits auf eine 40jährige Geschichte zurückblicken.
biditäten die Gefahr größer, dass sie
im Verlauf der Behandlung eine febrile
Neutropenie entwickeln. Unter den verschiedenen Wachstumsfaktoren hob
der Urologe Pegfilgrastim hervor: „Dieses bietet einen besseren Schutz und
eventuell auch eine bessere Wirkung als
Filgrastim. Dazu kommt noch der Vorteil, dass die Dosierungsschemata und
Therapie-Tage nicht variieren“, erklärte
Kleeberg. Um den Einsatz von Pegfilgrastim richtig zu gestalten, müsse nur
einmal pro Zyklus und zwar 24 Stunden
nach der letzten Chemotherapie-Dosis
6 mg subkutan verabreicht werden. Dabei ist es Kleebergs Auffassung nach
wichtig, den Wachstumsfaktor bei entsprechendem individuellem Risiko ab
dem 1. Zyklus der Chemotherapie an
zu geben, da die größte Gefahr, eine
febrile Neutropenie zu erleiden, während des ersten Therapiezyklus besteht (nach einer Pressemitteillung der
Amgen GmbH).
Quellen
Bereits seit den 1970er Jahren bildete die
dermatologische Onkologie einen eigenständigen Schwerpunkt der dermatologischen Tätigkeit mit wachsender Bedeutung,
denn Hautkrebs und insbesondere das maligne Melanom nahmen stetig zu. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
berief deshalb zu Beginn der 1980er Jahre
die Kommission Malignes Melanom. 1983
wurde das Zentralregister Malignes Melanom der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft gegründet. Eine Ausweitung der
Aktivitäten erfolgte 1990 mit Gründung der
Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie innerhalb der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).
In der DKG ist die ADO für die Erarbeitung
der S2-Leitlinien Basalzell-, Plattenepithel-,
Merkelzell-Karzinom, Dermatofibrosarcoma
protuberans, kutane Lymphome und KaposiSarkom verantwortlich. Unter Federführung
bzw. Beteiligung der ADO stehen kurz vor
Verabschiedung die S3-Leitlinien „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“
und „Prävention und Früherkennung des
Hautkrebses“.
Die ADO arbeitet beim DGUV-Forschungsbegleitkreistreffen FB 170 - „Durch UV-Strahlung induzierte bösartige Hauttumore – Erarbeitung und Evaluation von versicherungsrechtlich relevanten Abgrenzungskriterien
beruflicher gegenüber nicht beruflicher Verursachung“ aktiv mit.
Vom 26.09. - 28.09.2013 findet bereits der
23. Deutsche Hautkrebskongress und zugleich Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie in Essen unter der Leitung von Professor Dr. Dirk
Schadendorf statt.
Auf der Homepage der ADO (http://adohomepage.de) ist ein Studien-Navigator zu
finden. Nach Eingabe der Diagnose kann
man anhand des Kurztitels den genauen Titel der Studie, die Stadien, die Therapiekategorie erfahren und interaktiv die Adressen
der beteiligten Studienzentren herausfiltern.
Ebenfalls an dieser Stelle ist der Download
möglich für die von der ADO erstellte erste
deutschsprachige App zur Berechnung des
Tumorstadiums nach den aktuellen AJCC
2009 Kriterien beim Malignen Melanom.
Nach Eingabe der Daten wie z.B. Tumordicke, Ulzeration, Mitosen, Lymphknotenstatus, Vorhandensein von Fernmetastasen in
die App werden die TNM-Klassifikation, das
klinische Stadium und die 5-Jahres-Überlebensrate errechnet.
1 de Bono et al., Lancet 2010, 376: 1147-54
2 Sartor et al., Proc ASCO 2011, #4525
Ziele und Arbeitsschwerpunkte der ADO:
3 Kuderer NM, et al. Cancer. 2006;106: 22582266
1.Förderung der dermatologischen Onkologie, Verbesserung und Kontrolle der Qualität
dermato-onkologischer Patientenversorgung, Koordinierung wissenschaftlicher und
klinischer Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz
4 Heidenreich A et al.,/Eur Urol 2012; 11 (Suppl):
e128
5 Aapro MS, et al. 2010 update of EORTC guidelines for the use of granulocyte-colony
stimulating factor to reduce the incidence
of chemotherapy-induced febrile neutropenia in adult patients with lymphoproliferative disorders and solid tumours. Eur J
Cancer.2011; 47(1): 8–32.
2.Organisation von Fortbildungsmaßnahmen (u.a. Durchführung jährlicher Tagungen,
wie der Deutsche Hautkrebskongress)
3.Förderung der Zusammenarbeit und des Austausches von Informationen mit
benachbarten Disziplinen und Fachgebieten
4.Initiierung und Durchführung qualitativ hochwertiger Studien zur operativem,
adjuvanten und palliativen Therapie von Hautkrebs.
5.Erstellung dermato-onkologischer Leitlinien
6.Förderung und Etablierung von Hauttumorzentren
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 45
X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls
X-otische Nebenwirkungen und
Supportivmaßnahmen von/für smKls
Von Jürgen Barth, Gießen
D
ie Tumortherapie des 21. Jahrhunderts beinhaltet niedermolekulare Kinase­
inhibitoren (smKI = small molecular Kinase Inhibitors). Da sie idealerweise den
oder die molekularen Treiber einer Tumorerkrankung treffen sollen, gelten sie als hoch
spezifisch und zielgerichtet. Man musste jedoch bald lernen, dass es zu den mutierten,
tumorfördernden Treibern auch Normalvarianten gibt. Wegen der nur relativen Spezifität der smKI werden auch diese getroffen, was dann für Toxizitäten sorgt, die zunächst nicht erwartet wurden und die bei neuen Stoffen auch nicht absehbar sind. Mit
der Dauer des Einsatzes und dem Aufkommen neuer Substanzen, treten immer mehr
und mit dem erstmaligen Vorkommen auch „exotisch“ erscheinende Nebenwirkungen
auf. Dieser Beitrag1 beschäftigt sich mit derartigen, derzeit noch nicht allgemein bekannten Toxizitäten und einigen Supportivmaßnahmen.
Toxizitäten der smKI
Sämtliche Organe können von smKI toxisch
geschädigt werden. So wirken die BCR/AblInhibitoren Dasatinib, Imatinib und Nilotinib auf die Normalvariante Abl in kontraktilen Myozyten, was für die beobachtbare
Herzinsuffizienz verantwortlich ist. Lapatinib blockiert den physiologisch kardioprotektiven HER2/neu-Rezeptor, Sorafenib
die RAF-Kinase und damit indirekt die für
das zelluläre Überleben wichtige ER-Kinase (extracellular signal regulated kinase),
Sunitinib hemmt die ribosomale S 6 Kinase
(RSK6), wodurch in jedem der aufgezählten Fälle Kardiotoxizität die Resultante ist
(Übersicht in 1).
Toxizitäten anti-angiogen wirkender
Substanzen
Blutdruckerhöhung ist ein Klasseneffekt
aller anti-angiogenen Wirkstoffe und wird
teilweise als Biomarker für eine beginnende pharmakodynamische Wirkung diskutiert. Weitere potenzielle Nebenwirkungen
sind venöse Thrombosen, Lungen­embolien,
Wundheilungsstörungen und Schwindel.
Recht neu gesellen sich Rhinitis und Epistaxis dazu. Diese entstehen durch eine veränderte Differenzierung des nasalen Epithels
(2). Als Symptome zeigen sich eine nasale
1
Obstruktion, Rhinorrhö, Gesichtsschmerzen
(im Nasenbereich), Geruchsverlust, Krustenbildung und purulente Sekretionen (2).
Pathologisch (via Nasenendoskopie) zeigen
sich ischämische Areale mit blass-blauer oder
blass-weißer Mukosa auf der Septen- und der
Nasenmuscheloberfläche sowie kleine Krusten. Des Weiteren findet man eine abnormale
Nasenzytologie mit zahlreichen zilienreichen
Zellen, viele Basal- und Schleimzellen, die
allesamt blutkontaminiert sind, und es gibt
inflammatorische Reaktionen mit Einwanderung polymorphonukleärer Neutrophile. Diese Veränderungen treten auch bei „indirekter“
anti-angiogener Therapie mit mTOR-Inhibitoren wie Everolimus auf. Prulière-Escabasse
et al. berichten im konkreten Fall über den
erwähnten Symptomkomplex im Rahmen
einer Kombinationsstudie von Everolimus +
Erlotinib/Gefitinib bei NSCLC (3). Abhilfen
sind derzeit nicht bekannt. Ebenso unklar ist,
ob eine prophylaktische Nasenpflege, bspw.
mit Dexpanthenol-Nasensalbe, die pathologischen Veränderungen und daraus resultierenden Symptome abmildert oder verhindert.
Schwankende Hämoglobinspiegel
und Erythrozytose unter Sunitinib
und Sorafenib
Eine klinische Beobachtung sind steigende
Hämoglobinspiegel und Erythrozytenzahlen
Nach dem gleichnamigen Vortrag auf dem 11. NZW-Süd in Ravensburg
46 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
unter der Therapie mit Sunitinib und Sorafenib. Insbesondere bei Sunitinib sieht man
ondulierende Werte in Abhängigkeit vom
Dosierungsschema 4 + 2, was eine 4 wöchige Einnahme, gefolgt von einer 2 wöchigen
Pause bedeutet (4 Wochen on – 2 Wochen
off). Erklärt wird das von van der Veldt et
al. mit der anti-angiogenen- und damit auch
anti-VEGF-Teilwirkung jeder der Substanzen. Der Blutdruck steigt (s. o.), Hämatokrit und Plasmavolumen sinken. Letzteres
geschieht durch einen „Albuminescape“ in
Lunge, Herz, Leber, Niere und GI-Trakt,
der im Median mit einer Größenordnung
von 3 g/L angegeben wird. Summeneffekt
dieses Phänomens: Hämoglobin, Hämatokrit und Erythrozytenzahlen steigen während der 4-on-Wochen und normalisieren
sich während der 2 off-Wochen durch die
Albuminrückverteilung. Diese Erklärung
greift allerdings nicht für das per continuitatem einzunehmende Sorafenib. Unter diesem Medikament beginnt die Erythrozytose
- wenn sie entsteht - nach 1 -2 Therapiewochen, mit einem Peak in Woche 4 bis 9.
Van der Veldt et al. (4) deuten das als smKIEffekt und nicht als paraneoplastisches Syndrom. Obwohl bei den betroffenen Patienten
das Serum-Erythropoetin (EPO) nicht erhöht war, wird über eine erhöhte Empfindlichkeit auf EPO-Effekte durch eine Kinasehemmung spekuliert. Möglicherweise
entsteht durch die VEGF-Blockade eine
„Rebound-Erythrozytose“ durch Stimulation der Hypoxie induzierbaren Faktoren
(HIF) (4, 5).
Radiation Recall Pneumonitis (RRP)
durch Erlotinib
Eine RRP zeigt sich als eine frühe inflammatorische Reaktion in der Lunge nach Bestrahlung (RTX) von Lunge, Brust und/
oder Ösophagus. Die Latenzzeiten können
1 - 6 Monate, in Einzelfällen auch 14 Monate nach RTX betragen. Onal et al. (6) be-
X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls
richten über einen weiteren Fall von RRP
durch Erlotinib 4 Monate nach einer hypofraktionierten RTX mit 30 Gy. Die Autoren
weisen darauf hin, dass die Beweislage bisher sehr begrenzt ist (3 Fälle), sind aber der
Ansicht, dass nach RTX vom Grundsatz her
mit einer RRP unter einer Erlotinibtherapie gerechnet werden muss. Eine Radiation
Recall Dermatitis scheint ebenfalls durch
Erlotinib möglich (7).
Medikamentös (mTOR-Inhibitoren)
bedingte Pneumonitis als Biomarker
für Stable Disease?
Dabydeen et al. (8) diskutieren ob eine
mTOR-Therapie assoziierte Pneumonitis
- also medikamenteninduziert - eine Art
Biomarker für eine positive klinische Korrelation bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC) sein könnte. Sie
analysierten retrospektiv 46 Patienten mit
mRCC: 21 waren mit Temsirolimus, 25 mit
Everolimus behandelt, die Patienten wurden
radiologisch und nach klinischen Symptomen ausgewertet. Von den 46 eingeschlossenen Patienten konnten nur 24 ausgewertet
werden, weil von den anderen 22 entweder
keine Bildgebung oder kein follow-up zu
ermitteln war. 14 Patienten entwickelten
pulmonale Abnormitäten, die mit arzneimittelinduzierten Pneumonitiden vergleichbar sind. Ohne statistische Signifikanz, war
die Pneumonitisrate in der Everolimusgruppe höher als in der Temsirolimusgruppe. 7
der 14 Patienten blieben klinisch asymptomatisch, deren Befunde waren also nur radiologisch positiv. Eine stabile Erkrankung
(stable disease) nach RECIST-Kriterien,
zeigte sich bei 12 von 14 Patienten, die eine
radiographische Pneumonitis entwickelten,
verglichen mit 14 von 32 ohne Pneumonitis.
Ein Progress zeigte sich bei 2 von 14 Patienten mit radiographischer Pneumonitis, im
Vergleich zu 18 von 32 Patienten ohne Pneumonitis. Partielle oder komplette Remissionen wurden in diesem Patientenkollektiv
gar nicht erreicht. Die Gesamtinzidenz der
Pneumonitiden liegt in der Größenordnung
anderer, größerer Phase III Studien. Die
Autoren weisen darauf hin, dass die radiologisch detektierbaren Pneumonitiden früh
auftreten – im Median 56 Tage nach Therapiebeginn. Sie unterscheiden sich von interstitiellen oder kryptogenen organisierten
Pneumonien.
Mechanistisch ist die Pathologie unklar. Es
wird über direkte, toxische Arzneimitteleffekte, in der Folge mit autoimmuninduzierter lymphozytischer Alveolitis spekuliert. Tumorkontrolle und stable disease nach
RECIST waren in der Patientengruppe mit
Pneumonitis mit statistischer Signifikanz
deutlich erhöht. Ob diese Phänomen als ein
früher Biomarker zu werten ist, können nur
prospektive Studien klären. Die Autoren
sind sich der Präliminarität ihrer Beobachtungen und Schlussfolgerungen bewusst,
warnen aber vor einem zu frühzeitigen Absetzen der mTOR-Inhibitoren (8).
Thyreotoxizität
Die Unterdrückung der Schilddrüsenfunktion ist eine relativ neuartige Toxizität von
smKI. Lange Zeit galt sie als auf Sunitinib
beschränkt. So wurden in den Zulassungsstudien von Sunitinib bei vier bis sieben
Prozent der Patienten klinische oder biochemische Hinweise auf eine Hypothyreose gefunden (TSH-Erhöhungen). Bei einer
Tagesdosis von 50 mg trat bei 36 % der Patienten nach durchschnittlich 50 Wochen
eine persistierende, primäre Hypothyreose
auf. Die Therapiedauer ließ das Risiko einer abnormen Schilddrüsenfunktion ansteigen. Bei zwei Patienten war szintigrafisch
kein Schilddrüsengewebe mehr darstellbar
(9). Der Grund dafür war auch bald detektiert: die Hemmwirkung von Sunitinib auf
Appetitlosigkeit – was jedoch nicht als Altersdemenz fehlinterpretiert werden darf.
Derzeit sind 11 smKIs bekannt, die negativen Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion
haben können. Hierbei muss aber folgende
Fallunterscheidung gemacht werden:
1. Präexistierender
Hypothyreodismus
Besteht vor dem Therapiebeginn mit Imatinib, Sorafenib oder Motesanib eine Schilddrüsenunterfunktion, so können die genannten Wirkstoffe eine Aktivitätserhöhung des
T3 und T4 metabolisierenden Enzyms Typ 3
Deiodinase induzieren (11-15). Diese werden
schneller abgebaut, so dass bei bereits substitutionspflichtigen Patienten die übliche
Dosis nicht mehr ausreicht.
2. Normale Schilddrüsenfunktion
vor Therapiebeginn mit einem smKI
Bei Studien mit Sunitinib traten Schilddrüsenunterfunktionen mit einer Häufigkeit
zwischen 32 bis 85% (9, 16-21), mit variablem Beginn 4 bis 94 Wochen nach Therapiestart auf (9, 20). Je nach Studie liegt die
Inzidenz für Schilddrüsenunterfunktionen
unter Sorafenib zwischen 18 und 67% (22,
23). Aber auch weitere smKI verursachen
diese Nebenwirkung. So entwickelten in ei-
Die dem Tumorabgeschlagenheitssyndrom (Fatigue) ähnelnde Symptomatik der
Hypothyreose darf nicht mit dem tumoralen oder Chemotherapie induzierten
Fatigue verwechselt werden!
die (off-target) Kinase RET (rearranged in
transfection) (10). Erscheinungsbilder einer
Hypothyreose können sein:
Leistungsminderung
Schwäche
Antriebslosigkeit
Müdigkeit und leichtes Frieren
Diese dem Tumorabgeschlagenheitssyndrom (Fatigue) ähnelnde Symptomatik darf
nicht mit dem tumoralen oder Chemotherapie induzierten Fatigue verwechselt werden! Ältere Patienten klagen über depressive
Stimmungen, Gedächtnisminderung und
ner prospektiven Studie mit 64 Patienten mit
einer CML 13% unter Imatinib, 50% unter
Dasatinib und zu 22% unter Nilotinib einen
Hypothyreodismus (24). Hierbei war die
Inzidenz einer vorausgehenden, transienten
Thyreotoxikose hoch (24). Ein TSH-Anstieg
als früher Marker einer Schilddrüsenunterfunktion wurde auch unter Axitinib festgestellt (25). Der reine VEGF-Rezeptorenblocker Cediranib verursachte im Rahmen
einer Studie in 45% der Patienten ebenfalls
einen Hypothyreodismus (26).
Von den RET-Kinase-aktiven smKIs abgesehen (Sunitinib, Vandetanib), bleibt der
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 47
X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls
Wirkungsmechanismus der Schilddrüsentoxizität eher spekulativ. Neben einer vorausgehenden Thyreotoxikose geht man von
direkt toxischen Effekten auf Thyrozyten
und verminderter Aktivität der Thyroidoxidase (TPO) aus (21). Mechanistisch kommen folgende Gründe in Frage:
jedem 3. Zyklus (45). Hamnvik empfiehlt etwas pragmatischer- eine prätherapeutische
TSH Bestimmung und danach alle 4 Wochen
für 4 Monate, danach alle 2-3 Monate (30).
Eine medikamentös beeinträchtigte Iodidaufnahme (27) oder
Crizotinib ist ein gegen das onkogene Fusionsprotein EML4-ALK (Echinoderm microtubule associated protein like 4 - anaplastic lymphoma kinase ) gerichteter smKI,
der beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom mit einer Mutation dieser Rezeptortyrosinkinase Anwendung findet. Diese
sog. ALK+NSCLCs machen 2 – 7% aller
NSCLCs aus.
Stimulation einer Hashimoto Thyreoditis
(28), was aber sehr unwahrscheinlich ist,
da die Prävalenz von anti-TPO-Antikörpern sehr gering ist (18, 27).
Die i. weitesten Sinne antivaskulär/antiangiogen wirkenden Substanzen (Axitinib, Pazopanib, Sunitinib, Sorafenib,
Vandetanib) verursachen eine Minderdurchblutung der Schilddrüse und dadurch eine rasche, pharmakodynamische
Ischämie, die eine transiente Periode einer
Thyreotoxikose nach sich zieht.
Dem letzten Punkt widerspricht die klinische Beobachtung, dass eine Therapie mit
dem anti-angiogenen, monoklonalen Antikörper Bevacizumab kaum mit Schilddrüsenunterfunktionen einhergeht. Im Rahmen
einer pädiatrischen Studie mit Bevacizumab
gegen primäre ZNS-Tumore entwickelten
zwar 7 von 30 Kindern (immerhin 23,3%)
einen Hypothyreodismus, allerdings waren
diese Kinder hirnbestrahlt was auch diese
Symptomatik auslösen kann (29). Die Konsequenz aus diesen Daten ist, dass Patienten
unter anti-angiogener Medikation bezüglich
der Schilddrüse proaktiv gemonitort werden
müssen. Die Fachinformation von Pazopanib
beispielsweise, empfiehlt eine prätherapeutische Bestimmung der Schilddrüsenwerte
sowie eine engmaschige Überwachung auf
Anzeichen und Symptome einer Schilddrüsenfehlfunktion während der Behandlung.
Laboruntersuchungen der Schilddrüsenfunktion sollten regelmäßig durchgeführt
und entsprechend der gängigen klinischen
Praxis gehandhabt werden. Nach Wolter
und Hamnvik soll zum einen THS als früher Marker einer Schilddrüsenunterfunktion
und nicht T3/T4 bestimmt werden, weil der
TSH-Spiegel bereits dann in die Höhe geht,
wenn T3/T4 noch in der Norm sind. Wolter
empfiehlt im Fall einer Therapie mit Sunitinib TSH-Bestimmungen an Tag 1+28 in den
ersten 4 Zyklen, dann nur an Tag 28 nach
Testosteon-Abfall durch Crizotinib
Ein junger Mann (35 J) mit einem
ALK+NSCLC fällt durch ungewöhnliches
Fatigue, sexuelles Desinteresse und andere
Symptome auf und wird eingehend untersucht. Das Resultat ist ein eklatanter Testosteronmangel. Es ist bekannt, dass 30%
aller Männer unter anderen Krebstherapien
erniedrigte Testosteronspiegel haben/entwickeln. Weickhardt und Mitarbeiter (31) untersuchten retrospektiv die Daten aller verfügbaren Crizotinib-Patienten. Die Analyse
dieser Crizotinib-Population ergab: 100%,
also alle Männer entwickelten diesen Hormonmangel. Mögliche Folgen sind:
Verminderte Knochendichte
Verminderte Muskelkraft
Fatigue
Depression
Über welchen Mechanismus dieser Testosteronmangel induziert wird, ist derzeit unbekannt (31). Die Patienten sollten jedoch
daraufhin gemonitort werden.
Erhöhte Infektionsraten bei CML
Patienten durch Dasatinib
Dasatinib ist ein hochpotentes ATP-Mimetikum und Hemmstoff diverser Kinasen
(u. a. Src/Abl) und damit ein effektives Therapeutikum bei Imatinib resistenter CML.
Wie häufig, werden auch hiervon Off-Target Kinasen von ATP-Mimetika getroffen.
Neutrophile gehören zum angeborenen Immunsystem und werden in Inflammationsgebiete oder in Bereiche verletzten Gewebes gelenkt/gelockt. Während reduzierte
Neutrophilenaktivierung zu verminderter
Immunabwehr führt, ist die Folge einer
„Überrekrutierung“ ein chronisches Entzündungsgeschehen. Der erste Kontakt von
Neutrophilen mit Endothelialzellen wird
über Selektine vermittelt. Der nächste
Schritt ist die Aktivierung durch G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) mittels
Signaltransduktion. Der nächste Schritt ist,
über eine intrazelluläre Signaltransduktion,
eine Integrinaktivierung für das sog. Insideout-signaling. Durch die Einbeziehung der
Integrine ist eine bidirektionale Kommu-
Was resultiert aus einer Hemmung durch Dasatinib?
Dasatinib verursacht:
eine Blockade des „adhesionmediated respiratory burst“ und
verhindert damit die Freisetzung von
reaktiven Sauerstoffspezies.
Inhibition anderer adhäsionsmediierter Funktionen.
Dasatinib verursacht nicht:
die TNF Signaltransduktion
TNF induzierte Exozytose
Heraufregulation von CD 11b
eine Einschränkung im bakteriellen Killing
eine verminderte Phagozytose
Exozytose sekundärer Granula.
Blockade der Aktivierung von
Syk (Spleen tyrosine kinase) im
Downstream unter Src
Blockade einer Immunkomplexinduzierten Neutrophilenaktivierung
48 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Summeneffekt
Dasatinib bewirkt:
Eine Inhibition von Integrin- und
Fc-Rezeptor abhängiger Neutrophilen­
aktivierung bei niedrigen
Konzentrationen (9-50 nM)
Syk-abhängige Zellfunktionen
Reduktion von Chemotaxis und Adhäsion
X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls
nikation im Sinne eines Outside-in-signaling (der Integrine) die Folgereaktion. Über
weitere intrazelluläre Signalwege erfolgen
nun Migration, Phagozytose und der sog.
„Respiratory Burst“ –also Immunzellen bedingter, oxidativer Stress mit reaktiven Sauerstoffradikalen. An diesen Prozessen sind
auch Kinasen der Src-Familie und die Btk
(Bruton`s Kinase) beteiligt. Diese werden
vom Hemmspektrum des Dasatinib erfasst.
Dasatinib hemmt: Abl, BCR-Abl, die SrcFamilien-Kinasen (SFK) Lyn, Fyn, Lck,
Hck, Fgr, Blk, Yrk, c-Yes, wie erwähnt Btk,
C-Kit, PDGFR, Eph-Rezeptoren.
Die SFK Lyn, Fyn, Lck, Hck, Fgr, Blk, Yrk
und c-Yes spielen bei der Neutrophilenaktivierung eine Rolle. Summarisch gesehen
hat Dasatinib eine Hemmwirkung auf die
Integrin- und Fc-Rezeptor-abhängige Neutrophilenaktivierung, bereits bei niedrigen
Konzentrationen (IC50 = 9 – 50 nM) (32).
Imatinib und NSAR:
Es zeigte sich eine behinderte Aufnahme von Imatinib in CML-Zellen durch Ibuprofen
und eine verbesserte Aufnahme von Imatinib in CML-Zellen durch Diclofenac.
nac, jeweils einhergehend mit verminderter
(Ibuprofen) und erhöhter (Diclophenac) Zytotoxizität in-vitro (34). Basierend auf diesen
Daten wäre bei einer Imatinib-bedingten
Schmerzintervention Diclophenac zu bevorzugen, da sich daraus auch eine erhöhte
Anti-Tumoraktivität ableiten lässt.
mTOR Inhibitoren –
Mukositisähnliche
Mundschleimhautdefekte
Ein Klasseneffekt der mTOR Inhibitoren
scheint die Induktion mukositisähnlicher
Die Folge ist eine erhöhte Infektionsrate
durch reduzierte Neutrophilenrekrutierung
im entzündeten Gewebe. Phagozytose oder
die Abtötung von Bakterien sind nicht negativ beeinflusst. Futosi et al. (33) diskutieren,
ob dieses Phänomen bei Neutrophilen mediierten, inflammatorischen Erkrankungen
genutzt werden kann. Periphere Mausneutrophile konnten mit Dosen von 5 mg/kg
Maus an proinflammatorischen Reaktionen
gehindert werden.
Erhöhte
Infektionsraten
Kardiotoxizität
Blutdruckerhöhung
Thyreotoxizität
Juckreiz
Schwankende
Hämoglobinspiegel
Imatinib und NSAR
Gemäß der Fachinformation von Imatinib
kann eine Therapie recht häufig mit Muskelkrämpfen, Muskel- und Skelettschmerzen einschließlich Myalgien, Arthralgien,
Knochenschmerzen, also Schmerzen i. w.
S. einhergehen. Diesen kann eine Gabe
von Schmerzmitteln (NSAR) notwendig
machen. Stellt sich also die Frage, ob jedes
NSAR gleich gut geeignet ist. Dieser Frage
gingen Wang et al. nach. Imatinib wird aktiv
in CML Zellen transportiert. Dies geschieht
über den organischen Kationentransporter-1 (OCT-1, Organic Cation Transporter-1). Von 12 untersuchten NSAR waren
10 ohne Einfluss auf die OCT-1 Aktivität.
Allerdings zeigte sich eine behinderte Aufnahme von Imatinib in CML-Zellen durch
Ibuprofen und eine verbesserte Aufnahme
von Imatinib in CML-Zellen durch Diclofe-
davon entwickelten sich 11% bis zum Grad
3–4. OU anderer Ursache verlängerten sich
unter der Everolimustherapie 30%. Bei 25%
der Patienten wurde ein Widerauftreten von
OU (= RCOU = recurrent and chronic oral
ulcer) verzeichnet. Ein Risikofaktor für
OU und RCOU war eine Vorbehandlung
mit Zytostatika. Eine irgendwie geartete
Chemotherapie in der Anamnese ließ die
OU-Rate auf 80% steigen, verglichen mit
40% bei chemotherapeutisch unbehandelten
Patienten. Gleiches gilt für Grad 3-4 OU.
Diese lag bei vorbehandelten Patienten bei
15% im Vergleich zu 0% bei unvorbehandelten Patienten. Auch kombinatorische Effekte
smKI
Erythrozytose
Mukositisähnliche
Mundschleimhautdefekte
Testosteon-Abfall
Radiation Recall
Pneumonitis
Beispiele für Organtoxizitäten, die durch smKl verursacht werden können
Beispiele für Organtoxizitäten, die durch smKI verursacht werden können
Mundschleimhautdefekte zu sein. Sie werden als orale Ulzerationen (OU) bezeichnet,
treten überwiegend an der non-malpighschen 2 Mukosa der Mundschleimhaut auf
und sind sehr schmerzhaft. Vielfach sind
Mundstellen betroffen, wo die Schleimhaut am Kiefer anliegt (z. B. Innenseite der
Lippen). Ferté und Mitarbeiter monitorten prospektiv Patienten, die einer Everolimustherapie (mit Dosiseskalation) zugeführt
wurden (35). Die Rate an OU betrug 72%,
2
Tiefste Schicht der Epidermis
wirken sich negativ auf die OU-Rate aus.
Patienten die eine Kombination mit Everolimus bekamen, hatten ein höheres OURisiko als monotherapeutisch behandelte
Patienten (78% vs. 57%).
Ein weiterer Risikofaktor ist der Performance
Status (PS). Patienten mit PS1 hatten eine
OU-Rate von 73%, verglichen mit 65 % bei
Patienten mit PS0. Grad 3-4 Toxizitäten waren 19 % bei PS1 vs. 8% bei PS0. Auch war
die OU-Dauer bei PS1 Patienten deutlich
länger als bei PS0 Patienten. Mit steigen-
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 49
X-otische Nebenwirkungen und Supportivmaßnahmen von/für smKls
der Everolimus-Tagesdosis (auch kumulativ)
verkürzte sich die Zeit bis zum Auftreten
von OU. Präventive Mundspülungen hatten
faktisch keinen positiven Effekt auf das Auftreten und den Verlauf von OU/RCOU (35).
Allerdings muss man darauf hinweisen, dass
die verwendeten Spülungen ausschließlich
entweder NaHCO3 oder Fluconazol oral waren. Die hohe OU-Rate von 72 % deckt sich
in der Größenordnung mit anderen beobachteten OU aus Phase I Studien und deuten
auf einen Klasseneffekt hin. So verursachten
die mTOR-Inhibitoren Ever,- Temsi-, Defound Ridaforolimus in 54%, 89%, 45–78% und
79% OU aller Grade (35).
Juckreiz
Juckreiz, insbesondere medikamentös induzierter Juckreiz ist nicht selbstlimitierend, für
den Betroffenen sehr quälend und löst eine
Abwehrreaktion aus (Kratzen), die so schlecht
beherrschbar sein kann, dass die physiologische
Schutzbarriere durch dieses Kratzen zerstört
wird. Von der belastenden Unbehaglichkeit
abgesehen, bieten Kratzstriemen oder blutende
Wunden eine Eintrittspforte für Keime. Die
Folge sind Infektionen, ohne dass der Juckreiz
dadurch abnimmt. Etwas Abhilfe bieten Antihistaminika (häufig zu schwach) und/oder
topische oder systemische Kortikoide. Kortikoide werden wegen ihrer Nebenwirkungen
auf Haut und System aber auch ungern verabreicht. Eine „Neuentdeckung“ ist die juckreizstillende Wirkung des NK1-Antagonisten
Aprepitant. Zwar befinden wir uns damit weit
im off-label Bereich, allerdings gibt es Situationen, in denen man für medikamentös bedingten Pruritus eine echte „Notbremse“ braucht
(z. B. wenn man eine orale Dauertherapie nicht
ab- oder umsetzen kann).
Wie geht das? – Pathophysiologie
Medikamentös bedingt, wird aus Keratinozyten der Stammzellfaktors (SZF) freigesetzt. Dadurch kommt es zu einer Mastzell­
akkumulation in der Haut. Die Mastzellen
werden über ihren NK1-Rezeptor aktiviert,
degranulieren und setzen damit Histamin frei.
Dieser Schritt unterbleibt durch den NK1-Rezeptorantagonismus von Aprepitant (36-40).
Aprepitant gegen Pruritus – Wie zu dosieren?
Nach Santini, Rom wird Aprepitant zu
125 mg an Tag 1, gefolgt von 80 mg an den
Tagen 3 und 5 gegeben (39). Ein deutsches
Dosierungsschema sieht eine Gabe von 80
mg über eine Woche vor (41). Abschließend
sei noch angemerkt, dass auch 5-HT 3 Antagonisten eine juckreizstillende Wirkung
unterschiedlicher Genese haben, wie phänomenologisch bei chronischen Lebererkrankungen entdeckt wurde; (Übersicht in 42).
Wie eingangs erwähnt, lernen wir fast monatlich neue Nebenwirkungen der smKI
kennen. Gegen einige in diesem Beitrag
noch exotisch erscheinende, unerwünschte
Wirkungen gibt es – zumindest derzeit –
keine befriedigenden Supportivtherapeutika.
Sämtliche Organe
können von smKI toxisch geschädigt
werden!
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Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 51
Vorstellung der German Pediatric Oncology Nurses Group (GPONG)
Vorstellung der German Pediatric Oncology
Nurses Group (GPONG)
Von Carola Freidank und Katja Königstein-Lüdersdorff, Hannover
D
ie German Pediatric Oncology Nurses Group – GPONG – ist eine Arbeitsgruppe
von Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pflegern, die in deutschen Gesundheitssektoren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen mit onkologischer Erkrankung versorgen. Die GPONG wurde 1995 gegründet und ist seit 1997
eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft der Konferenz onkologischer Kranken- und
Kinderkrankenpflege (KOK), die wiederum eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen
Krebsgesellschaft e.V. Sektion B ist. Derzeit sind 45 Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger aus 21 pädiatrisch onkologischen Abteilungen ordentliche
Mitglieder der GPONG.
Die Mitglieder bringen unterschiedliche
Kompetenzen ein, verfügen zum Teil über
eine onkologische Fachweiterbildung, eine
Fortbildung zur Praxisanleitung oder Palliative Care und übernehmen beratende oder/
und leitende Aufgaben sowie Funktionen
in ihrem Tätigkeitsfeld. So ist ein bundesweites Netzwerk entstanden, dessen Mitglieder mittlerweile den virtuellen Raum
einer Lernplattform zum kontinuierlichen
gemeinsamen Austausch nutzen, weiterhin
finden halbjährig Treffen in einem der beteiligten Zentren statt. Die inhaltliche Arbeit
bewältigen die Mitglieder überwiegend außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit.
Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die professionelle Pflege in der pädiatrischen Onkologie
zu fördern und bundesweit konzeptionell
abzustimmen. Zur professionellen Pflege
zählen unter anderem die pflegerischen Interventionen zur Prophylaxe und Therapie
der Nebenwirkungen aufgrund der Tumor­
therapien sowie die Begleitung, Beratung
und Schulung von Betroffenen und ihren
Familien, die palliative Pflege sowie Brückenpflege. Daraus leiten sich zahlreiche
Aktivitäten der Mitglieder der GPONG
ab. Eine Auswahl der Aktivitäten/Projekte:
Entwicklung, Einsatz und Weiterentwicklung des „Wegbegleiter für Kinder
und Ihre Eltern“, eine Loseblattsammlung
ausgesuchter auf bereiteter Themen, die
während aller Phasen der Behandlung für
die Familien eine hohe Relevanz haben.
Ausarbeitung des Ordners „Palliative
Care, Hilfestellung zur Betreuung von
Patienten und ihren Angehörigen“ für
das pädiatrisch onkologische Behandlungsteam. Die Themen, die sich auf die
letzte Lebensphase beziehen, sollen die
Mitglieder des Versorgungsteams darin
unterstützen, Menschen in dieser schwierigen Situation Halt, Sicherheit, Geborgenheit und Verbundenheit zu geben.
Entwicklung von Empfehlungen zu pflegerischen Aspekten, wie die Mund- und
Hautpflege oder komplementäre Maßnahmen in der Pflege. Spezifische Inhalte werden mit Experten, z. B. aus Pflegewissenschaft, Pharmazie und Medizin
besprochen und vor der Einführung in
den Zentren mit der Fachgesellschaft für
Pädiatrische Onkologie und Hämatologie
(GPOH) abgestimmt.
Vision der GPONG
Eine bundesweit abgestimmte und nachvollziehbare pflegerische Betreuung und
Versorgung der pädiatrisch-onkologischen Patient(inn)en und deren Angehörigen
unter Einbeziehung aktueller, pflegewissenschaftlicher Studien.
52 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
Organisation innerbetrieblicher Fortbildungen in den eigenen Abteilungen/
Zentren.
Organisation oder Mitgestaltung von Pflegeveranstaltungen und Fachkongressen.
Multiprofessionelle Vernetzungen und
Zusammenarbeit (KOK; GPOH; Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in der
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie
und Hämatologie - PSAPOH; International Society of Pediatric Oncology – SIOP,
Deutsche Gesellschaft für Onkologische
Pharmazie – DGOP).
Vorstellung der German Pediatric Oncology Nurses Group (GPONG)
Aktuell arbeitet die GPONG an einem
„Wegbegleiter für Jugendliche und junge
Erwachsene“, um den speziellen Anforderungen und Bedürfnisse der Menschen im
Alter von 15 bis 25 Jahren gerecht zu werden.
Die Bedürfnisse dieser Patientengruppe unterscheiden sich von denen der Kinder und
älteren Erwachsenen. Die jungen Menschen
sind auf dem Weg zum Erwachsensein oder
gerade dort angekommen. Auf diesem Weg
probieren sie Unterschiedliches aus und bedienen sich eigener sprachlicher Muster oder
Merkmale. Die Erkrankung bringt wieder
Unsicherheit in den sich gerade erkämpften
Alltag. Hier können Pflegende Tipps und
Ansprechpersonen benennen, beispielsweise
zu den Themen Sport, Körperbildveränderungen, Sexualität oder Umgang mit Nikotin und Alkohol.
In den Abteilungen vor Ort ist zu berücksichtigen, dass die Rahmenbedingungen während
des Krankenhausaufenthaltes entsprechend
angepasst werden (Aufenthaltsraum für Jugendliche und junge Erwachsene, Raumgestaltung und Raumausstattung, Regelungen
zu den Begleitpersonen etc.) und Themen wie
Freizeitgestaltung, Berufswahl oder Familiengründung in den Vordergrund rücken. Alle
diese Themen haben einen hohen Stellenwert
und können, wenn die jungen Menschen sich
nicht wahrgenommen fühlen, zu einer mangelnden Adhärenz führen.
Über die Auseinandersetzung mit den Themen, ist die GPONG mit der Gruppe der
Long Term Survivors bzw. Junge-Leute-Seminar zusammengekommen und es ist eine
anregende Vernetzung entstanden.
Fazit
kräfte ist notwendig, um den fachlichen
Austausch zu fördern und zu optimieren
sowie den Patient(inn)en und deren Angehörigen durch abgestimmte Empfehlungen
und Informationsmaterialien Sicherheit zu
vermitteln.
Im Rahmen der Qualitätssicherung ist es
erforderlich, die pflegerische Betreuung der
Patient(inn)en regelmäßig zu reflektieren,
zu optimieren und soweit wie möglich zu
standardisieren. Die Zusammenarbeit mit
anderen Berufs- und Arbeitsgruppen oder
Berufsverbänden des Gesundheitswesens sowie mit Patienteninitiativen hat sich als äußerst effektiv und bereichernd erwiesen und
fördert das interprofessionelle Verständnis.
Politische Diskussionen über die Finanzierung von Behandlung und Pflege im Zusammenhang mit der Zunahme chronischer
Krankheitsverläufe, wie der Krebserkrankung, sowie die Bedeutung von Qualitätsmanagement und Pflegekonzepten im Stationsalltag erfordern die Umsetzung einer
systematischen und methodisch durchdachten Begleitung und Unterstützung der Patienten und ihrer Angehörigen. Damit die
Empfehlungen der GPONG dem Anspruch
der Wissenschaftlichkeit genügen können,
brauchen die GPONG-Mitglieder zeitliche
Ressourcen und Unterstützung der Arbeitgeber.
Autorinnen
Carola Freidank (Leitungsteam GPONG)
Katja Königstein-Lüdersdorff (Leitungsteam
GPONG)
[email protected]
Mündliche Gruppen-Prüfung im
Rahmen der PTA-Weiterqualifizierung:
„PTA Onkologie (DGOP)“
Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden:
am 11. November 2012
am 2. Dezember 2012
Baitz, Stefanie/Berlin
Dick, Alexandra/Gelsenkirchen
Driese, Nicole/Kassel
Haberschuss, Sandra/Fürstenwalde
Heinrichsrüscher, Jana-Marie/Delbrück
Kemmerling, Kathrin/Mönchengladbach
Rieks, Christina/München
Ringk, Daniela/Fürstenwalde
Aouamer, Julia/Braunschweig
Feldmann, Carmen/Höxter
Gessinger, Janine/Koblenz
Haarlammert, Inge/Georgsmarienhütte
Hülsmann, Tanja/Ibbenbüren
Konya, Sandra/Georgsmarienhütte
Lahrmann, Andrea/Ibbenbüren
Mo, Suzanna/Ibbenbüren
Der Aufbau und die Erweiterung des Netzwerkes pädiatrisch onkologischer Pflege-
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 53
Pressemitteilungen
PRESSEMITTEILUNGEN DER DEUTSCHEN KREBSHILFE
Aufbau der klinischen Krebsregister –
Finanzierung geregelt
D
er Entwurf des Krebsfrüherkennungsund registergesetzes (KFRG) sieht vor,
dass die Länder flächendeckende klinische
Krebsregister einrichten sollen. Klinische
Krebsregister sind fachlich unabhängige
Einrichtungen, die alle wichtigen Daten, die
im Verlaufe einer Krebserkrankung und ihrer
Behandlung anfallen, erfassen. Sie dienen
der Qualitätssicherung in der Versorgung
krebskranker Menschen. Der Investitionsbedarf für den Aufbau der klinischen Krebsregister wird von den Ländern auf bundesweit
ca. 8 Mio. Euro geschätzt.
Die Gespräche zwischen Bund, Ländern und
Deutscher Krebshilfe waren erfolgreich: Die
Deutsche Krebshilfe e.V. (DKH) hat ihre Bereitschaft erklärt, 90 Prozent dieser Kosten
– also 7,2 Mio. Euro – zu übernehmen. Die
Länder tragen die verbleibenden 10 Prozent.
Ausgangspunkt für den Gesetzentwurf ist
der Nationale Krebsplan, den das Bundesministerium für Gesundheit im Juni 2008 gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzen-
tren initiiert hat. Ziel ist ein effektives, aufeinander abgestimmtes und zielorientiertes
Handeln bei der Bekämpfung von Krebs.
Der Entwurf des Krebsfrüherkennungs- und
Registergesetzes befindet sich derzeit in der
parlamentarischen Beratung. Es ist geplant,
dass das Gesetz in der ersten Jahreshälfte
2013 in Kraft tritt.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.bundesgesundheitsministerium.de
Neuer Präventionsratgeber: Krebsrisikofaktor Solarium
Deutsche Krebshilfe informiert über Hautkrebsgefahr durch UV-Strahlen
D
ie UV-Strahlung in Solarien ist laut
Weltgesundheitsorganisation potentiell ebenso krebserregend wie Asbest. Das
Risiko, am besonders aggressiven „schwarzen“ Hautkrebs zu erkranken, verdoppelt
sich, wenn Solarien bis zu einem Alter von
35 Jahren regelmäßig genutzt werden. „Die
Deutsche Krebshilfe rät daher grundsätzlich
davon ab, Solarien zu nutzen“, erklärt Gerd
Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Menschen, die dennoch
nicht auf künstliche Bräune verzichten wollen, bietet der neue Ratgeber eine Checkliste der gesetzlichen Mindestanforderungen,
die in Solarien erfüllt sein müssen.“
krebs: UV-Strahlen, insbesondere künstliche
aus Solarien“, betont Professor Dr. Eckhard
Breitbart, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP)
und Mitglied im Fachausschuss 'KrebsFrüherkennung' der Deutschen Krebshilfe.
Etwa 224.000 Menschen erkranken bundesweit jährlich neu an einem Tumor der
Haut, 26.000 davon am besonders gefährlichen malignen Melanom, dem sogenannten
„schwarzen“ Hautkrebs. Zunehmend wird
dieser auch bei jungen Erwachsenen, insbesondere bei Frauen, diagnostiziert. Experten
machen häufige Solarienbesuche für diesen
Trend verantwortlich.
„Bei kaum einer anderen Krebsart ist ein
einzelner Risikofaktor so eindeutig für die
Krebsentstehung verantwortlich und gleichzeitig so leicht vermeidbar wie beim Haut-
Der Präventionsratgeber informiert ausführlich über die Vor- und Nachteile natürlicher
und künstlicher UV-Strahlen, er gibt Tipps,
den eigenen Hauttyp zu bestimmen und bie-
54 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
tet denjenigen, die nicht auf künstliche Bräune verzichten wollen, einen Solariencheck
an. Dieser listet Mindestanforderungen an
das Sonnenstudio, das Personal und das
Bräunungsgerät auf, die unbedingt erfüllt
sein sollten. Die Checkliste basiert auf der
seit Anfang 2012 geltenden Verordnung zum
Schutz vor schädlichen Wirkungen künstlicher ultravioletter Strahlung (UVSV).
Den Präventionsratgeber „Ins rechte Licht
gerückt. Krebsrisikofaktor Solarium“ gibt
es kostenfrei bei: Deutsche Krebshilfe, Postfach 1467, 53004 Bonn, Telefonnummer 02
28/ 7 29 90-0. Außerdem kann die Broschüre
im Internet unter www.krebshilfe.de bestellt
bzw. heruntergeladen werden unter http://
www.krebshilfe.de/praeventionsratgeber.
Umsetzung der Neutropenieprophylaxe im Alltag
Umsetzung der Neutropenie­
prophylaxe im Alltag –
ein Projekt der ASORS
D
ie Arbeitsgemeinschaft „Supportive
Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin” der Deutschen
Krebsgesellschaft (ASORS) hat unter der
wissenschaftlichen Leitung von Professor
Dr. med. Hartmut Link, Kaiserslautern, eine
Patientendokumentation durchgeführt, die
erfasst, wie die Neutropenieprophylaxe im
„therapeutischen Alltag“ durchgeführt wird
und inwieweit die Leitlinien in der Praxis
befolgt werden. Alle internationalen Leitlinien empfehlen die prophylaktische Gabe
eines Granulozyten-stimulierenden Wachstumsfaktors (G-CSF) bei Patienten, die eine
Chemotherapie mit einem Risiko von mehr
als 20% für das Eintreten einer febrilen Neutropenie (FN) bekommen. Zudem wird die
Prophylaxe auch bei Patienten empfohlen,
die eine Chemotherapie mit FN- Risiko von
10-20% erhalten, wenn zusätzliche Risikofaktoren wie fortgeschrittene Erkrankung,
höheres Alter oder eingeschränkter Allgemeinzustand vorliegen.
In einer epidemiologischen Erhebung bei
den Indikationen Mammakarzinom, Bronchialkarzinom und maligne Lymphome wurden die Daten von knapp 2000 Patienten
aus Kliniken und Praxen erfasst. „Es zeigte
sich, dass viele Patienten, die laut Leitlinien unbedingt eine Primärprophylaxe mit
G-CSF zur Vermeidung einer febrilen Neutro­
penie erhalten sollten, diese im Alltag nicht
bekommen“, kommentierte Link die ersten
ausgewerteten Ergebnisse auf einem Fachpresseworkshop.
gehalten werden. Detaillierte Ergebnisse
und Analysen dieser interessanten Untersuchung werden beim ASORS-Jahreskongress
am 12./13.04.2013 in Berlin vorgestellt werden. Informationen zum Kongress finden Sie
unter www.kongresseonline.de/asors_2013.
Autorin:
Dieser Effekt war besonders ausgeprägt
bei Patienten mit einem Bronchialkarzinom
(s. Tab. unten). Am besten wurden die Leitlinien bei Patienten mit Lymphomen befolgt. Im weiteren Verlauf der Auswertung
sollen nun Faktoren evaluiert werden, die
dazu führen, dass die Leitlinien nicht ein-
Dr. Petra Ortner, für die ASORS
Quelle:
Fachpresseworkshop Supportivtherapie am
8. November 2012 in München.
Tab.: Chemotherapie des Lungenkarzinoms: Erfolgte G-CSF-Prophylaxe bei einem Risiko
der febrilen Neutropenie > 20%
Anzahl der
befragten Patienten
Prozent der
befragten Patienten
G-CSF-Präparat (ja/nein)
ja
23
11,1%
nein
185
88,9%
gesamt
208
100,0%
Zertifizierte Hautkrebszentren
Zu den durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG)
zertifizierten Organkrebszentren zählen neben Brustkrebs-, Darmkrebs- oder Pros­tatakrebs-Zentren auch
Hautkrebszentren.
Auf nachfolgender Homepage sind bereits bundesweit
36 DKG-zertifizierte Hautkrebszentren (sortiert nach
Postleitzahlen) gelistet:
http://www.krebsgesellschaft.de/wub_zertifizierung_
krebszentren_hauttumorzentren__liste,122247.html
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 55
Pressemitteilung
PRESSE M I T T E I LU N G
Checkliste für Solariennutzer
H
amburg/Bonn – Ab dem 1. August
2012 dürfen Solariengeräte eine maximale Bestrahlungsstärke von 0,3 Watt pro
Quadratmeter Haut nicht mehr überschreiten.
Die Geräte müssen entsprechend gekennzeichnet sein. „Die neue Bestrahlungsstärke
entspricht allerdings immer noch der höchsten UV-Dosis, die auf der Erde gemessen werden kann: mittags bei wolkenlosem Himmel
am Äquator“, erklärt Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe.
„Bisher wurde diese Bestrahlungsstärke von
alten Geräten zum Teil um das Dreifache überschritten.“ Die neue Vorschrift basiert auf der
UV-Schutzverordnung (UVSV) für Solarien,
die seit dem 1. Januar 2012 rechtskräftig ist.
Der Grund für die Einführung der UVSV sind
die Gesundheitsgefahren, die von künstlichen UV-Strahlen ausgehen. Sie gelten neben den natürlichen Strahlen der Sonne als
Hauptrisikofaktor für das Entstehen von Hautkrebs: „Wer vor dem 35. Lebensjahr regelmäßig Solarien nutzt, verdoppelt sein Risiko,
am gefährlichsten Hautkrebs, dem malignen
Melanom, zu erkranken“, betont Professor Dr.
Eckhard Breitbart, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention
(ADP). Rund 224.000 Menschen erkranken
in Deutschland jährlich neu an Hautkrebs,
26.000 davon am malignen Melanom. Zunehmend sind auch jüngere Menschen davon
betroffen, insbesondere dann, wenn sie sich
jahrelang regelmäßig künstlich gebräunt haben. Etwa 3,5 Millionen der unter 36-Jährigen
nutzen derzeit Solarien. Besonders gefährdet
sind Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren
denn, sie gehen etwa doppelt so häufig auf
die Sonnenbank wie Männer.
Erschreckend: Rund 167.000 der derzeitigen
Solariennutzer sind minderjährig. Jugendlichen ist der Zugang zu Solarien gesetzlich
untersagt. Seit März 2010 sind die Betreiber
verpflichtet, ihnen den Zugang zu Solariengeräten zu verbieten.
Die technische Umrüstung auf 0,3 W/m2 entspricht der europäischen Norm und ist ein
weiterer wichtiger Teil der UV-Schutzverordnung, um das Hautkrebsrisiko in Solarien zu
reduzieren. Seit Januar 2012 müssen Solariennutzer deutlich sichtbar vor akuten Schäden durch UV-Strahlen an Haut und Augen
gewarnt werden. Darüber hinaus werden die
Kunden im Solarium zu ihrem Hauttyp abgestimmt beraten und erhalten Schutzbrillen.
Die neuen Geräte müssen zudem einen Mindestabstand der Hautflächen zu den Röhren
einhalten, sich in Notsituationen abschalten
lassen sowie sich selbst abschalten, wenn
die zulässige Strahlendosis überschritten
wird. Bei Verstoß gegen diese gesetzlichen
Vorgaben drohen Bußgeldstrafen.
Die Deutsche Krebshilfe und die ADP begrüßen die gesetzliche Regulierung durch die
UVSV. Doch: „Wir empfehlen Solarien erst
gar nicht zu nutzen, denn Tipps wie man ein
Solarium ohne mögliche spätere Schäden
nutzen kann, gibt es nicht“, erklärt Breitbart.
In jedem Fall sollte vorher ein Solarien-Check
durchgeführt werden. Trifft auch nur ein Punkt
der Checkliste nicht zu, sollte das Solarium
nicht genutzt werden!
Der Solarien-Check
Das Sonnenstudio
ist ein beaufsichtigstes Studio (kein
Münzautomat),
weist im Eingangsbereich auf das Verbot
händigt weitere Informationen zur Nutzung aus.
Das Bräunungsgerät
lässt Minderjährige nicht zu,
hat den Warnhinweis: UV-Strahlung
kann akute Schäden an Haut und Augen verursachen, führt zu vorzeitiger
Hautalterung und erhöht das Rsiko an
Hautkrebs zu erkranken,
händigt (ungefragt!) eine Schutzbrille aus,
weist darauf hin: Hauttyp I und II sind
für Minderjährige hin.
Das Personal
schließt Personen mit Hauttyp I und II aus,
weist auf (mögliche) Nebenwirkungen
der UV-Strahlung hin,
bestimmt den Hauttyp,
fragt nach dem Zeitabstand zum letzten
Solariumbesuch,
erkundigt sich nach eventuellen Sonnenbränden und Hautkrankheiten,
erkundigt sich nach Medikamenteneinnahme,
weist darauf hin, dass ein Solarium nur
ungeschminkt und ohne die Verwendung
von Sonnencreme benutzt werden darf,
berechnet die individuelle Anfangs-Bestrahlungszeit,
erstellt einen persönlichen Dosierungsplan,
56 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013
ein Ausschlusskriterium für die Nutzung,
Medikamente und Kosmetika erhöhen
die Hautempfindlichkeit,
ist nach EU-Regelung gekennzeichnet:
„Bestrahlungswert von maximal 0,3
Watt/m2 wird nicht überschritten“,
gibt die maximale Bestrahlungsdauer
bei Erstbestrahlung ungebräunter Haut
für Hauttyp I bis VI an,
schaltet bei Überschreiten der maximalen Bestrahlungsdauer automatisch ab,
hat einen Notabschaltknopf.
ACHTUNG:
Das Zertifikat „Geprüftes Sonnenstudio,
zertifiziert nach den Kriterien des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS)“ ist nicht
mehr gültig!
Who is who
Who is who
Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin
Heute: Prof. Dr. Eckhard Wilhelm Breitbart, Buxtehude
Professor Breitbart, Jahrgang 1947, interessierte sich von Anfang an für die Dermatologie. Dabei ging er ganz gradlinig
seinen Weg. Nach der Approbation folgte
seine wissenschaftliche Assistentenzeit an
der Universitäts-Hautklinik Hamburg Eppendorf. In dieser Zeit promovierte er und
erhielt die Anerkennung zum Facharzt für
Dermatologie und Venerologie. 1984 folgte
die Habilitation und der Erhalt der Venia legendi. Mit seiner Ernennung zum leitenden
Oberarzt der Universitäts-Hautklinik Hamburg Eppendorf erhielt er eine C3 Professur.
1986 arbeitete er zu Forschungszwecken
drei Monate im Department of Dermatology an der Mayo Klinik in Minnesota, USA.
1987 folgte die Zusatzbezeichnung für Allergologie. 1994 etablierte er in Buxtehude
das Dermatologische Zentrum Buxtehude
(DZB) als integratives Versorgungszentrum.
Hier betreibt ein wissenschaftliches Expertenteam Grundlagenforschung zur Entstehung von Hautkrebs. Dabei wird im Bereich
der Stammzellen genauso geforscht wie in
den Bereichen Epigenetik und molekulare
Diagnostik. Das DZB ist zertifiziertes Hautkrebszentrum und Studienzentrum für innovative onkologische Therapien. In der Zeit
von 2003 bis 2011 leitete Prof. Breitbart als
ärztlicher Direktor das Elbeklinikum Buxtehude (akademisches Lehrkrankenhaus der
Universität Hannover und der Universität
Hamburg/UKE).
Professor Breitbart ist in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien und
zahlreichen Fachausschüssen tätig. So arbeitet er verantwortlich beim Nationalen
Krebsplan mit, gehört dem Fachausschuss
„Krebs-Früherkennung“ der Deutschen
Krebshilfe an, ist in der Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU) tätig, um nur einige beispielhaft zu
nennen. Darüber hinaus hat er zahlreiche
wissenschaftliche Artikel publiziert.
Um die Bevölkerung zur Hautkrebsprävention zu motivieren, gründete er 1989 die „Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e.V.“ und übernahm deren Vorsitz. Gemeinsam mit der deutschen Krebshilfe führt
er Programme und Kampagnen durch, um die
Bevölkerung für die Themen Sonnenschutz
und Hautkrebsprävention zu sensibilisieren.
Zitat Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Seinem
hartnäckigen Engagement ist es wesent-
„Am 7. März 2012 wurde Professor Eckhard W. Breitbart in Berlin das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
verliehen. Überreicht wurde die Ehrung
durch Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit.
Der Dermatologe, ärztlicher Leiter des
Dermatologischen Zentrums am Elbklinikum Buxtehude, erhält die Auszeichnung
für seinen hohen persönlichen Einsatz für
die Prävention, insbesondere die Hautkrebsprävention. Seit mehr als 25 Jahren
lich zu verdanken, dass Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle bei der gesetzlichen Früherkennung von Hautkrebs einnimmt und Minderjährige hierzulande vor
krebserregenden UV-Strahlen aus Solarien geschützt werden.“ Prof. Breitbart hat
zusammen mit seinen Experten dafür gesorgt, dass die Prävention des Hautkrebses in Wissenschaft und Forschung immer
im Gespräch blieb. Letztlich ist daraus eine
gesetzliche Gesundheitsleistung entstanden. Das 2008 in Deutschland eingeführte
Hautkrebs-Screening ist das größte qualitätsgesicherte Hautkrebs-Screening weltweit. Es gibt Hinweise, dass durch dieses
Screening mehr Tumore entdeckt werden
und durch die Früherkennung und rechtzeitige Behandlung die Mortalitätsrate sinkt.
Wenn Hautkrebs rechtzeitig erkannt wird,
ist er heilbar. Da die Zahl der an Hautkrebs
Erkrankten steigt, wird sich Prof. Breitbart
auch in Zukunft für die Prävention und Früherkennung stark machen.
Für seine Leistungen wurde Professor Breitbart 2012 von der Bundesregierung mit dem
Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
engagiert sich Breitbart fachlich und ehrenamtlich für die primäre und sekundäre
Prävention von Hautkrebs. Er entwickelte
das Konzept für die Hautkrebsfrüherkennung, ist maßgeblich an der Einführung
des bundesweiten gesetzlichen Früherkennungsprogramms „Hautkrebs-Screening“
und an der Durchsetzung des Gesetzes
zum Schutz von Jugendlichen in Solarien
beteiligt.“
(Zitat aus: Presseinformation der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention, Hamburg 8.3.12)
Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 1/2013 | 57
Buchbesprechung
Buchbesprechung
Rezension von Sigrid Rosen-Marks, Hamburg
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Von John Green
Übersetzt aus dem Englischen
von Sophie Zeitz
Hanser Verlag 2012
Fester Einband, 288 Seiten,
empfohlen ab 13 Jahren
Preis: 16,90 € (D) / 23,90 sFR (CH) /
17,40 € (A)
ISBN 978-3-446-24009-4
Dieses Jugendbuch ist bemerkenswert! Es
liegt zur Zeit in allen gängigen Buchläden
und verkauft sich sehr gut. Kein Wunder!
Wer wie ich nach 4 Tagen das Buch ausgelesen hat, der ist um viele Wahrheiten reicher.
Der ist beschenkt worden und vor allem berührt. Still konnte ich das Buch nicht lesen.
Von mir waren viel Lachen, manchmal Weinen oder auch nur ein zustimmendes Brummen zu hören. Die beiden jugendlichen, an
Krebs erkrankten Hauptfiguren des Buches,
Hazel und Augustus, nehmen ganz und gar
Platz im Herzen des Lesers.
Betören mit Sprüchen, die so wunderbar
bissig, entlarvend, hintergründig, liebevoll,
lesenswert und voller Intensität sind, dass
ein Zettel zum Lesen unbedingt dazugehört.
Schließlich will man seine Lieblingszitate
wieder finden.
Zum Inhalt sei hier nur gesagt, dass es sich
um eine Liebesgeschichte handelt. Klingt
banal und ist es überhaupt nicht. Denn
durch den Kontakt zu einem niederländischen Philosophen haben die Jugendlichen ein Forum, in dem sie ihre wunderbare ureigene Intelligenz und Lebensklugheit
ausleben können. Und so ganz nebenbei
entwickeln sich die beiden Protagonisten
zu Ratgebern UNSERER eigenen Lebensgeschichte.
Dieses Buch gehört zu der Kategorie von
Büchern, die Jugendliche und Erwachsene
gleichermaßen anspricht. Und es hat das
Potential, ein Bestseller zu werden.
Richtig, da bleibt die Frage nach der Krebserkrankung, die auf fast jeder Seite erwähnt
wird. Sie ist nicht die Hauptfigur oder eben
doch, denn die Hauptfiguren sind daran
erkrankt. Die Erkrankung bleibt aber nur
der inhaltliche und sprachliche Transportschlitten für das Agieren der Hauptdarsteller, denn hier geht es in ersten Linie um Liebe und nicht um Krebs. Aber es werden alle
Facetten dieses Leidens schonungslos gezeigt. Und trotzdem ist es kein Krebsbuch,
denn Krebsbücher sind laut Hazel doof. Aber
Krebskranke und Krankenhauserfahrene
kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten: ...
„Eigenschaften einer guten Krankenschwester...trifft die Vene beim ersten Versuch... .
Ich meine, ist das mein Arm oder eine Dartscheibe?“ (S. 73 o.).
Im Themenbereich der Erkrankung liegt auch
der diskussionsbedürftige Teil dieses Buches: Es gibt in Sachen Krebserkrankung
nämlich kein Happy-End – wohl aber im
emotionalen Bereich. Daher ist verantwortungsvoll zu überlegen, wem man dieses
Buch in die Hände gibt! Nicht jeder erkrankte
Jugendliche oder Freund eines erkrankten
Jugendlichen ist hierfür emotional gerüstet.
Wenn diese Bedenken jedoch geklärt sind,
dann hat man eine Buch-Perle gefunden.
Wie nimmt man das Schicksal an? Oder besser noch: Welche Weisheit gibt uns das Leben? Welches Wissen wird uns tragen; uns
den Sinn des Seins erklären? Dann kommen
Antworten über Antworten. Eine schöner als
die andere. Und dann entsteht die Sehnsucht, diese beiden jungen Menschen einmal gesprochen oder kennengelernt zu haben. Die wissen beispielsweise, dass wir
im Leben alles tun, damit das Universum
uns bemerkt, wohl wissend, dass das Universum sich eine Bohne darum schert, wie
es uns ergeht!
Wie bei allen guten Büchern, fiel ich nach
dem Ende des Lesens in ein kleines Loch.
Ich werde mein Leben jetzt ohne diese wunderbaren jungen Menschen leben müssen.
Aber ihre Weisheiten werden mich dabei
begleiten.
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