Notizen

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Kapitel 18
Spezielle Relativitätstheorie
Wir werden im Kap. 19 die Lorentz-Invarianz der Maxwell-Gleichungen nachweisen. Historisch ist dieses vor der Entwicklung der relativistischen Mechanik geschehen. Diese
ist jedoch anschaulicher und wir werden daher zunächst eine Einführung in die spezielle
Relativitätstheorie geben.
Die Newton’schen Bewegungsgleichungen sind invariant unter Galilei-Transformationen,
nicht jedoch unter Lorentz-Transformationen. Das Relativitätsprinzip verlangt daher eine
Modifikation der Newton’schen Gleichungen, und zwar derart, daß bei Geschwindigkeiten
v ≪ c die Newton’schen Gleichungen gültig bleiben.
18.1
Einleitung
Einige experimentelle Tatsachen zeigen, dass die Galileiinvariante Mechanik nur begrenzte
Gültigkeit haben kann.
Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
Die beobachtete Invarianz der Lichtgeschwindigkeit,
c = 2, 99992458 × 105 km/s
steht in Widerspruch zum Additionstheorem
~v ′ = ~v1 + ~v2
für Geschwindigkeiten. Die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit folgt, wie besprochen, auch
direkt aus den Maxwellgleichungen.
Radioakiver Zerfall bewegter Teilchen
Das Myon, eine Art schweres Elektron“mit Masse mµ ≃ 207 me , zerfällt spontan in ein
”
Elektron und zwei Neutrinos,
µ → e + ν1 + ν2 ,
mit einer Zerfallszeit (im Labor)
τ (0) (µ) = (2.19703 ± 0.00004) × 10−6 s .
156
Misst man nun die Zerfallszeit von bewegten Myonen (an einem Strahl), so findet man
eine Zerfallszeit, welche via
1
,
γ=q
1 − v 2 /c2
τ (v) (µ) = γ τ (0) (µ),
(18.1)
von der Geschwindigkeit v der Myonen abhängt. Nun ist aber der Zerfallsvorgang eines
Elementarteilchens ein intrinsischer Vorgang, der also ohne äußeren Einfluss nur nach
der inneren Uhr des Elementarteilchens abläuft. Gleichung (18.1) bedeutet nun, dass die
innere Uhr bei erhöhten Geschwindigkeiten um den Faktor γ langsamer läuft.
18.2
Wellengleichung
~ B,
~
Die Ausbreitung des Lichts, d.h. der 6 Komponenten des elektromagnetischen Feldes E,
wird durch die Wellengleichung
!
1 ∂2
−∆
c2 ∂t2
u(~x, t) =
"
∂2
∂2
1 ∂2
∂2
−
+
+
c2 ∂t2
∂x2 ∂y 2 ∂z 2
#!
u(~x, t) = 0
beschrieben. Wir betrachten erst einmal eine Raumdimension, d.h.
1 ∂2
∂2
−
c2 ∂t2 ∂x2
!
u(x, t) = 0 ,
(18.2)
mit der allgemeinen Lösung
u(x, t) = u1 (x + ct) + u2 (x − ct),
(18.3)
wobei die u1 () und u2 () beliebige Funktionen sind, die sich aus den Anfangsbedingungen
bestimmen lassen.
Lichtkegel
Nach (18.3) ist somit c die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts. Insbesondere breitet
sich das Licht von einem Ereignis zur Zeit t0 und Ort xo auf dem Lichtkegel“
”
u(x, t) = δ(x − x0 + c(t − t0 )) + δ(x − x0 − c(t − t0 ))
aus. Wegen der (experimentell festgestellten) Konstanz der Lichtgeschwindigkeit muss
daher die Kugelwellenfront
c2 (t − t0 )2 − (~x − ~x0 )2 = 0
(18.4)
invariant unter einer noch zu findenden Klasse von Transformationen sein. Diese Klasse
von Transformationen soll dann nicht nur für die Wellengleichung, d.h. für die Elektrodynamik, sondern auch für die Mechanik gelten; man nennt sie Lorentztransformationen“.
”
157
t
Lichtkegel
x
Postulate der speziellen Relativitätstheorie
Die Gesetze der Mechanik müssen demnach gegenüber der Newton’schen Mechanik modifiziert werden, da diese unter der Gruppe der Galileitransformationen invariant sind
und eine Galileitransformation mit ~v 6= 0 (18.4) nicht invariant lässt. Bei der Bestimmung der neuen Gesetze der Mechanik lässt Einstein sich vom Trägheitsprinzip“leiten,
¨ = ”0 invariant sein soll. Die
welches besagt, dass für freie Teilchen das Trägheitsgesetz ~x
Relativitätstheorie beruht also auf drei Postulaten:
• Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
• Relativitätsprinzip
Alle Gesetze der Mechanik (und der Elektrodynamik) müssen invariant unter der
Gruppe der Lorentztransformationen sein.
• Trägheitsprinzip
¨ soll für freie Teilchen (Lorentz-)invariant sein.
Die Gleichung ~x
18.3
Lorentztransformationen
In der speziellen, wie auch in der allgemeinen Relativitätstheorie, gibt es eine strenge
Vorschrift wie Koordinaten zu schreiben sind. Hoch- oder tiefgestellte Indizes haben verschiedene Bedeutungen, welche wir später genauer definieren werden, und dürfen nicht
verwechselt werden.
• Vierer-Vektoren
Wir beschreiben die Raum-Zeit durch den R4 mittels des Vierer-Vektors
x = (x0 , x1 , x2 , x3 );
x0 = ct;
~x = (x1 , x2 , x3 ) .
Wir nennen x0 = ct die Zeitkoordinate und (x1 , x2 , x3 ) = ~x die kartesische Raumkoordinate.
• Weltlinie
Die Bewegung eines Teilchens ist eine Kurve im R4 , welche jede Ebene x0 = konst.
nur einmal schneidet ( Weltlinie“).
”
158
ct
ct
x
x(t)
Metrischer Tensor
Für freie Teilchen sind die Weltlinien Geraden. Die gesuchten Transformationen A müssen
also geradentreu sein und sogar affin, wenn kein Ereignis ins Unendliche abgebildet werden
soll,
(detA 6= 0; a ∈ R4 ) .
x′ = Ax + a;
(18.5)
Koordinatendifferenzen ξ = x − x0 transformieren sich homogen,
ξ ′ = Aξ
und die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit verlangt nach (18.4) die Invarianz von
0 = c2 (t − t0 )2 − (~x − ~x0 )2 = (ξ 0 )2 −
3
X
(ξ i)2 = ξ T g ξ ,
(18.6)
i=1
wobei ξ T der transponierte 4-er Vektor ist und wir mit




g = 
1 0
0
0
0 −1 0
0
0 0 −1 0
0 0
0 −1





(18.7)
den metrischen Tensor“im R4 definiert haben. Der metrische Tensor führt via
”
(ξ1 , ξ2 ) ≡ ξ1T g ξ2
(18.8)
zu einem Skalarprodukt (ξ1 , ξ2 ), welches allerdings nicht positiv definit ist. Den R4 mit
dem Skalarprodukt (18.8) bezeichnet man als den Minkowski-Raum.
Invarianz der Lichtgeschwindigkeit
Die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit ist mit der Invarianz von (18.6) unter einer LorentzTransformation ξ → ξ ′ = Aξ äquivalent,
0 = (ξ ′)T g ξ ′ = ξ T AT g A ξ ,
| {z }
h
159
dass heißt der Tensor h muss proportional zu g sein, also
h = AT g A = µ2 g ,
(18.9)
wobei die Proportionalitätskonstante i.Allg. positiv ist (betrachte z.B. ξ ′ = µξ).
Feste Maßstäbe
Reine Dilatationen ξ ′ = µξ (µ > 0) beschreiben simultane Maßstabsänderungen für Länge
und Zeit; sie sind mit allen Postulaten verträglich. Im Allgemeinen wollen wir jedoch die
physikalischen Gesetze unter der Annahme formulieren, dass wir in jedem Bezugssytem
mit den gleichen (festen) Maßstäben messen. Dann sind Dilatationen nicht zugelassen und
µ2 ≡ 1.
Damit definieren wir die Gruppe der Lorentztransformationen Λ durch
x′ = Λx + a;
a ∈ R4 .
ΛT gΛ = g
(18.10)
Lorentz-Transformationen lassen per Definition den metrischen Tensor invariant.
18.4
Darstellung der Lorentztransformationen
Die allgemeine Lorentztransformation ist durch 6 Parameter bestimmt.
• Rotationen
Drei Parameter ϕ
~ = |~
ϕ| ϕ̂ beschreiben Rotationen um eine Achse ϕ̂ um den Winkel
ϕ = |~
ϕ|.
• Eigentliche Lorentz-Transformationen
~ = |φ|
~ φ̂ beschreiben die Transformation auf ein bewegtes BezugsDrei Parameter φ
~
system mit der Geschwindigkeit ~v = −cφ̂ tanhφ, mit φ = |φ|.
Die allgemeine, homogene Lorentztransformation ist durch
~ ϕ
~·K
~ +ϕ
Λ(φ,
~ ) = exp φ
~ · J~
(18.11)
~ = (Kx , Ky , Kz ) und J~ = (Jx , Jy , Jz ) in
gegeben, wobei die infinitesimalen Erzeugenden K
Komponenten durch




Kx = 
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0



,





Jx = 
160
0
0
0
0
0 0
0 0
0 0
0 −1
0
0
1
0



,

(18.12)

0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0


0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0




Ky = 



Kz = 

0
0
0
0

0 0 0
0 0 1
0 −1 0
0 0 0


,

Jy = 





,

Jz = 



0
0
0
1

(18.13)

(18.14)
0 0
0 −1 

,
0 0 
0 0
0
0
0
0


,

~ schreiben
gegeben sind. Den Nachweis, dass sich räumliche Rotationsmatrizen als exp(~
ϕ·J)
lassen, können wir an dieser Stelle nicht geben. Für Rotationen um die z-Achse läßt sich
dieses schnell nachrechnen.
Gruppeneigenschaft
Die homogenen Lorentztransformationen bilden eine Gruppe, es gilt also stets
~ ϕ
~ ′, ϕ
~ ′′ , ϕ
Λ(φ,
~ ) · Λ(φ
~ ′ ) = Λ(φ
~ ′′ ),
~ ϕ
~ ′, ϕ
~ ′′ , ϕ
wobei allerdings der Zusammenhang zwischen (φ,
~, φ
~ ′ ) und (φ
~ ′′ ) i.Allg. kompli~ ~0) bezeichnet man
ziert ist. Lorentztransformationen ohne einen Rotationsanteil, also Λ(φ,
als spezielle“oder “eigentliche” Lorentztransformationen.
”
Kommutatoren
Der Kommutator zweier Operatoren (Matrizen) A und B ist als [A, B] := AB − BA
definiert. Der Kommutator zweier Erzeugenden ist wieder eine Erzeugende, somit bilden
die Erzeugenden eine sog. Lie-Algebra“.
”
Die Kommutatorrelationen der Erzeugenden lassen sich als (Übung)
[Ki , Kj ] =
ǫijk Jk
[Ji , Kj ] = −ǫijk Kk
[Ji , Jj ] = −ǫijk Jk
schreiben, wobei i, j, k über x, y, z laufen. Insbesondere sieht man aus [Ki , Kj ] = ǫijk Jk ,
dass die speziellen Lorentztransformationen keine Gruppe bilden: Zwei spezielle Lorentztransformationen in verschiedenen Richtungen hintereinander beinhalten auch eine Rotation.
18.5
Spezielle Lorentztransformationen
Drehungen sind auch Lorentztransformationen, doch sie bringen keine neue Physik mit
sich. Wir betrachten daher im Folgenden nur die speziellen Lorentztransformationen und
können uns hier, o.B.d.A. auf einen Boost“entlang der x-Koordinaten beschränken, d.h.
”
Λ = exp[φKx ].
161
Boosts
Wir wollen nun die explizite Form von (18.11) für einen Boost berechnen. Wir bemerken
zunächst, dass




Kx2 = 
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0









·
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0









= 
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0





≡ 1′
und somit Kx2m = 1′ und Kx2m−1 = Kx (m ≥ 1). Wir berechnen nun explizit die Exponentialreihe für einen Boost in x-Richtung,
φKx
e
In Komponenten finden wir also
|
∞
X



Λ(φ) = eφKx = 
ct′
x′
y′
z′
{z
cosh φ−1

oder, mit x′ = Λ(φ)x,
!
φ2m
1′ +
m=1 (2m)!
φn n
Kx = 1 +
=
n=0 n!
∞
X
}
|
!
φ2m−1
Kx .
m=1 (2m − 1)!
∞
X
{z
sinh φ
cosh φ sinh φ 0 0
sinh φ cosh φ 0 0
0
0
1 0
0
0
0 1
}



,

= cosh(φ) ct + sinh(φ) x
= sinh(φ) ct + cosh(φ) x
=
y
=
z
(18.15)
Geschwindigkeit
Bisher ist der Parameter φ in der Lorentz-Transformation ein formeller Parameter ohne
physikalische Bedeutung. Um diese zu finden betrachten wir einen Punkt, welcher im
bewegten Koordinatensystem ruht. Für diesen ist x′ = const., seine Bewegung wird im
Laborsystem durch
sinh(φ) ct + cosh(φ) x = 0 ,
beschrieben. Seine Geschwindigkeit ist also
v =
sinh φ
x
= −c
= −c tanh φ .
t
cosh φ
(18.16)
Damit haben wir den Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit v des bewegten Systems und dem Parameter φ der Lorentztransformation gefunden. Aus
cosh2 φ − sinh2 φ = 1;
cosh2 φ =
1
;
1 − tanh2 φ
finden wir mit β ≡ v/c
162
sinh2 φ =
tanh2 φ
1 − tanh2 φ
cosh φ = √
und somit wird (18.15) zu
1
≡ γ,
1 − β2
sinh φ = −βγ,
ct′ =
cγ t − βγ x
′
x = −vγ t + γ x
(18.17)
(18.18)
Wir können nun nachweisen, dass (18.18) tatsächlich eine Lorentztransformation ist, das
heißt, dass der Lichtkegel (18.4) invariant ist,
c2 (t′ )2 − (x′ )2 = γ 2 (ct − vx)2 − γ 2 (−vt + x)2
= γ 2 (1 − β 2 ) c2 t2 − x2
.
Die Wellengleichung ist im bewegten Bezugssystem genau dann erfüllt wenn sie auch im
Laborsystem gilt.
Kausalität
Wir bemerken noch, dass der Lichtkegel (18.4) die Kausalität“ erfüllt.
”
• zeitartige Ereignisse
Man bezeichnet zwei Ereignisse (ct1 , ~x1 ) und (ct2 , ~x2 ) als zeitartig, wenn
c2 (t2 − t1 )2 > (x2 − x1 )2
erfüllt ist.
• raumartige Ereignisse
Man bezeichnet zwei Ereignisse (ct1 , ~x1 ) und (ct2 , ~x2 ) als raumartig, wenn
c2 (t2 − t1 )2 < (x1 − x1 )2
gilt.
Für t1 < t2 kommt bei zwei zeitartigen Ereignissen ein Lichtsignal vom ersten Ereignis vor
dem zweiten Ereignis an, bei zwei raumartigen Ereignissen erst danach. Bei zeitartigen
Ereignissen kann das erste also das zweite Ereignis auslösen, bei raumartigen Ereignissen
ist dies nicht möglich. Nach (18.4) erfüllen Lorentztransformationen also die Kausalität.
18.6
Addition von relativistischen Geschwindigkeiten
Wir betrachten zwei Boosts hintereinander in x-Richtung, den ersten mit Geschwindigkeit
v1 , den zweiten mit Geschwindigkeit v2 . Die Endgeschwindigkeit sei v3 und tanh φi =
−βi , (i = 1, 2, 3). Man findet aus der Exponentialdarstellung
163
eφ3 Kx = eφ2 Kx · eφ1 Kx = e(φ2 +φ1 )Kx ,
die Beziehung1
φ3 = φ2 + φ1 ;
vi
tanh φi = − ;
c
i = 1, 2, 3 ,
oder
tanh−1 β3 = tanh−1 β2 + tanh−1 β1 .
(18.19)
Aus dieser Gleichung lässt sich die Endgeschwindigkeit v3 als Funktion der beiden einzelnen Geschwindigkeiten v1 und v2 berechnen. Wir formen um:
h
β3 = tanh tanh−1 β2 + tanh−1 β1
i
=
sinh tanh−1 β2 + tanh−1 β1
cosh tanh−1 β2 + tanh−1 β1
sinh(tanh−1 β2 ) cosh(tanh−1 β1 ) + cosh(tanh−1 β2 ) sinh(tanh−1 β1 )
.
=
cosh(tanh−1 β2 ) cosh(tanh−1 β1 ) + sinh(tanh−1 β2 ) sinh(tanh−1 β1 )
√
√
Jetzt verwenden wir sinh = tanh / 1 − tanh und cosh = 1/ 1 − tanh. Damit wird
sinh tanh−1 β = √
und wir erhalten mit
β3 =
β
,
1 − β2
cosh tanh−1 β = √
β2 + β1
,
1 + β2 β1
v3 =
1
1 − β2
v2 + v1
1 + v2 v1 /c2
(18.20)
die gewünschte Additionsformel für relativistische Geschwindigkeiten.
• Für v1 /c ≪ 1 und v2 /c ≪ 1 wird (18.20) zu v3 = v1 + v2 + O(v1 v2 /c2 ). Im nichtrelativistischen Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten erhalten wir also die übliche
Formel der Galilei’schen Mechanik.
• Man kann leicht zeigen (Übung), dass v3 nach (18.20) nie größer als die Lichtgeschwindigkeit sein kann.
18.7
Vektorkalkül
In der relativistischen Mechanik spielt der Begriff eines 4-er Vektors“eine zentrale Rolle.
”
Kontravariante Vektoren
Man nennt (ξ 0 , ξ 1 , ξ 2, ξ 3 ) einen kontravarianten“ 4-er Vektor, falls sich die Komponenten
”
unter Lorentztransformationen wie Koordinatendifferenzen verhalten, d.h. wenn
1
Beachte: für [A, B] 6= 0 ist exp(A) exp(B) 6= exp(A + B).
164
ξ ′µ = Λµν ξ ν
(18.21)
gilt. Nicht alle Quardrupel von Zahlen sind 4-er Vektoren; ganz entscheidend sind ihre
Transformationseigenschaften. Z.B. ist (xµ ) = (ct, x, y, z) ein 4-er Vektor, aber (ct, x, y, z 3 )
ist kein 4-er Vektor.
Kovariante Vektoren
Lorentztransformationen sind so definiert, dass der metrische Tensor g invariant bleibt.
Somit ist das Skalarprodukt (18.8)
(ξ, η) = ξ µ gµν η ν ≡ ξ µ ην = ξ 0 η0 − ξ~ · ~η
auch Lorentz-invariant, falls ξ und η 4-er Vektoren sind, sich also wie (18.21) transformieren. Hierbei haben wir mit
(xµ ) = (ct, −x, −y, −z)
ηµ ≡ gµν η ν
die kovarianten Komponenten von η definiert. Mit g µν = gµν kann man das Skalarprodukt auch als
(ξ, η) = g µν ξµ ην
schreiben.
Kovariante Ableitungen
Die Differenzierung nach der Raum-Zeit, x = (ct, x, y, z), ist kovariant,
∂µ ≡
∂
∂xµ
(18.22)
und das Skalarprodukt
ξµ
∂
= ξ µ ∂µ
∂xµ
ein invarianter Differentialoperator.
Die Kovarianz von ∂µ lässt sich folgendermaßen zeigen: Für eine skalare Funktion f (x)
(skalare Funktionen sind Lorentz-invariant) ist die Differenzierung entlang ξ,
∂f
d
= ξ µ µ = (ξ µ ∂µ ) f (x)
f (x + λξ)
dλ
∂x
λ=0
Lorentz-invariant, und somit auch ξ µ ∂µ . Damit muss also ∂µ kovariant sein.
Wellenoperator
Natürlich ist der Wellenoperator
g µν ∂µ ∂ν =
1 ∂2
−∆
c2 ∂t2
165
invariant; dies war ja unser Ausgangspunkt. Ferner ist für jedes Vektorfeld A(x) die Divergenz
∂µ Aµ =
∂Aµ
∂xµ
eine Invariante (Skalarfeld).
18.8
Relativistische Mechanik
Wir suchen eine Lorentz-invariante Bewegungsgleichung für ein geladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld, welche für kleine Geschwindigkeiten den bekannten nichtrelativistischen Grenzfall haben soll. Wir fangen mit einem freien Teilchen an.
Differentielle Bogenlänge
Die differentielle Bogenlänge ds auf einer Weltlinie x(t) ist ein Skalar,
2
µ
ν
ds = gµν dx dx
= c2 dt2 − dx2 + dy 2 + dz 2
,
(18.23)
oder, mit der 3-er Geschwindigkeit“~v = d~x/dt,
”
ds2 = c2 − vx2 + vy2 + vz2 dt2
und somit Lorentz-invariant.
Eigenzeit
Die Eigenzeit“τ ist via c dτ = ds definiert, also
”
dτ =
q
1
ds = 1 − ~v 2 /c2 dt
c
.
(18.24)
Da τ Lorentz-invariant ist und im Limes kleiner Geschwindigkeiten mit der Laborzeit t
übereinstimmt, ist τ die Eigenzeit, also die Uhr“in dem bewegten Bezugssystem.
”
Zeitdilatation
Der in der Einleitung diskutierte radioaktive Zerfall ist als physikalischer Prozess Lorentz
invariant und läuft daher nach (18.24) n der Laborzeit dt gemäß
dt = γ dτ
q
um den Faktor γ = 1/ 1 − v 2 /c2 langsamer ab (Zeitdilation), in Einklang mit dem
Experiment, siehe (18.1).
4-er Geschwindigkeit
Als 4-er Geschwindigkeit“bezeichnet man
”
u =
dx
;
dτ


~v
c

(uµ ) =  q
,q
1 − v 2 /c2
1 − v 2 /c2
166
mit (u, u) = c2 . Anlog ist der 4-er Impuls“via
”

m~v
mc


(pµ ) =  q
,q
2
2
2
2
1 − v /c
1 − v /c
p = mu;
(18.25)
definiert, wobei m die Ruhemasse ist. Er erfüllt stets
(p, p) = m2 c2 .
(18.26)
Lagrangefunktion
Um die Lagrangefunktion für ein freies Teilchen herzuleiten gehen wir vom Prinzip von
Euler-Maupertuis (siehe Mechanik) aus, welches besagt, dass für ein freies Teilchen die
Variation der Lorentz-invarianten Wirkung
Z
(2)
(1)
ds
für feste Endpunkte (1) und (2) verschwindet (Die Endzeiten sind jedoch variabel). Wir
postulieren also, dass das Prinzip von Euler-Maupertuis auch relativistisch gilt, wenn man
wie mit s einen Lorentz-invarianten Kurvenparameter wählt.
Wir multiplizieren mit (−mc) und erhalten
Z
(−mc) ds =
Z
(−mc2 ) dτ =
Das Variationsprinzip
δ
Z
(2)
(1)
Z
q
(−mc2 ) 1 − v 2 /c2 dt.
|
{z
}
≡L
L dt = 0,
führt zur Definition der Lagrangefunktion
q
L = (−mc2 ) 1 − v 2 /c2 ≈ −mc2 +
Die Lagrange-Gleichungen,
d ∂L
∂L
−
= 0,
i
dt ∂ ẋ
∂xi
m 2
v + O(v 2 /c2 ) .
2
(i = 1, 2, 3)
werden somit zu
d
m~v
q
= 0
dt 1 − ~v 2 /c2
welches den relativistischen 3-er Impuls
m~v
~p = q
1 − ~v 2 /c2
167
,
(18.27)
definiert, in Einklang mit (18.25). Die Lösung von (18.27) ist natürlich ~v = konst..
Relativistische Energie
Aus der Mechanik wissen wir, dass für zeitunabhängige Lagrangefunktionen die verallgeP
meinerte Energie α pα q̇α − L erhalten ist. In unserem Fall ist die Energie E
E =
3
X
q
m~v 2
pi ẋi − L = q
− (−mc2 ) 1 − v 2 /c2
1 − ~v 2 /c2
i=1
m~v 2 + (mc2 )(1 − v 2 /c2 )
=
q
1 − ~v 2 /c2
,
also
E =
mc2
E(~v = 0) = mc2 ,
q
1 − ~v 2 /c2
mit der Ruheenergie“ E(~v = 0) = mc2 . Ein Vergleich mit (18.25) zeigt, dass der 4-er
”
Impuls also die Form
E
p =
, ~p
c
hat und die Relation (p, p) = E 2 /c2 − p~ 2 = m2 c2 somit zu
µ
E =
q
~p 2 c2 + (mc2 )2
(18.28)
(18.29)
wird. Gl. (18.29) ist die berühmte Energie-Impuls-Beziehung der speziellen Relativitätstheorie.
Masselose Teilchen
Aus (18.29) folgt, dass auch Teilchen ohne Masse, wie z.B. Photonen, einen Impuls
p = E/c
haben.
Teilchen im elektromagnetischen Feld
Für ein Teilchen in einem elektromagnetischen Feld verallgemeinert sich die relativistische
Bewegungsgleichung (18.27) zu
d
m~v
~ + e ~v × B
~ ,
q
= eE
dt 1 − v 2 /c2
c
(18.30)
der nicht-relativistische Grenzfall v/c ≪ 1 wird korrekt wiedergegeben.
Teilchen im konstanten elektrischen Feld
~ = E0 x̂. Mit ~v = vx̂ wird
Als Beispiel betrachten wir ein konstantes elektrisches Feld E
dann die Bewegungsgleichung (18.30) zu
168
mv
q
1 − v 2 /c2
oder
0 = m2 v 2 − (eE0 t)2
v2
1− 2
c
!
= eE0 t ,
= v2
(eE0 t)2
m2 +
c2
!
− (eE0 t)2 .
Für die Geschwindigkeit v = v(t) erhalten wir
eE0 t
v = v(t) = q
.
m2 + (eE0 t)2 /c2
Für kleine Zeiten ist v ≃ eE0 t/m, für große Zeiten ist limt→∞ v = c, die Lichtgeschwindigkeit c hat also die Bedeutung einer asymptotischen Grenzgeschwindigkeit.
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