Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2002 ISBN 92-894-3283-7 Kat. Nr. KS-PB-02-002-DE-N AUSGABE 2002 COPYRIGHT © Europäische Gemeinschaften, 2002 14. CEIES-Seminar Messung des lebenslangen Lernens Parma, Italien, 25. und 26. Juni 2001 EUROPÄISCHE KOMMISSION 1 THEMENKREIS 1 Allgemeine Statistik Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet, Server Europa (http://europa.eu.int). Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2002 ISBN 92-894-3283-7 © Europäische Gemeinschaften, 2002 INHALT eurostat Erster Tag 25 Juni 2001 9:00 EINSCHREIBUNG 9:30 ERÖFFNUNGSSITZUNG Begrüßung der Teilnehmer: Herr J. Lamel, Stellvertretender Vorsitzender des CEIES Eröffnungsansprache Herr G. Ferretti, Rector der Universität Parma Frau Egidi, Istat, Italien Grundsatzreferat: Herr L. Jensen, Europäische Kommission, Eurostat 10:00 Erster Tag 25 Juni 2001 DIE SICHT DER PRODUZENTEN: Herr W. Hörner, Statistisches Bundesamt, Deutschland Herr P. Zamora, Insee, Frankreich Herr S. Leman, Department for Education and Employment, Vereinigtes Königreich Frau A. Delhaxhe, Eurydice 09:00 10:00-10:30 KAFFEE-/TEEPAUSE 15:30 Die Sicht der Nutzer: Herr N. Longworth, European Learning Cities Network (ELCN) Frau M. Ni Cheallaigh, Cedefop Herr D. Paparella, CESOS, Italien 10:30 16:30 DISKUSSION 17:00 ENDE DES ERSTEN TAGES Die Sicht der Nutzer: Frau A. Vegliante, Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung und soziale Angelegenheiten Frau S. Waddington, National Institute of Adult and Continuing Education, Vereinigtes Königreich 11:45 DISKUSSION INFORMATIONEN, DEFINITIONEN UND KLASSIFIKATIONEN ************ 12:30-14:00 Mittagspause 14:00 12:00 Die Sicht der Nutzer: Herr B. Pückler, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Deutschland Frau M.-H. André, European Trade Union Confederation Herr J. Turunen, Präsident, The European Association for the Education of Adults DISKUSSION 12:30-14:00 Mittagspause 14:00 THEMA 2: FRAGEN UND EMPFEHLUNGEN 14:15 Rundtischgespräch Vorsitz: Herr D. Lenarduzzi, Honorary Director General, GD EAC Herr I. Drymoussis, Europäische Kommission Frau F. Ludovisi, Confindustria, Italien 15:30-16:00 Kaffee- / Teepause 16:00 Zusammenfassung durch den Vorsitzenden des Unterausschusses Herr L. Frey, Italien 16:15 Schlusswort des Vorsitzenden Herr J. Lamel,Stellvertretender Vorsitzender des CEIES PROBLEME Vorsitz: Frau A. Verli, Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung und soziale Angelegenheiten THEMA 4: SCHLUSSFOLGERUNGEN UND Vorsitz: Herr J. Lamel, Stellvertretender Vorsitzender des CEIES Antwort von Eurostat Herr L. Jensen, Europäische Kommission, Eurostat 10:45-11:15 KAFFEE-/TEEPAUSE 11:15 THEMA 3: KÜNFTIGER BEDARF VORSITZ : HERR L. JENSEN, EUROPÄISCHE KOMMISSION, EUROSTAT Die Sicht der Produzenten: Frau I. Blomquist, Statistics Finland Herr S. Murray, Statistics Canada Frau A. Micali, Istat, Italien 15:00-15:30 KAFFEE-/TEEPAUSE THEMA 1: Vorsitz: Herr G. Ferretti, Rector der Universität Parma Die Sicht der Produzenten: Herr E. Marchetti, Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung und soziale Angelegenheiten Herr S. Pilos, Europäische Kommission, Eurostat Herr J.L. Heller, OECD Herr S. Chu, UNESCO Zweiter Tag 26 Juni 2001 16:30 ENDE DES SEMINARS ********** 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 5 eurostat INHALT Dokumente, die während des Seminars Messung des lebenslangen Lernens 1. Tag : THEMA 1: INFORMATIONEN, DEFINITIONEN UND KLASSIFIKATIONEN Die Sicht der Produzenten: Herr E. Marchetti, Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung und soziale Angelegenheiten .... 9 Herr S. Pilos, EuropäischeKommission, Eurostatt ............................................................................. 15 Herr J.L. Heller, OECD .............................................................................................................. 41 Herr S. Chu, UNESCO ............................................................................................................... 55 Die Sicht der Nutzer: Herr B. Pückler, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Deutschland.............................. 61 Frau M.-H. André, European Trade Union Confederation .................................................................... 65 THEMA 2: FRAGEN UND PROBLEME Die Sicht der Produzenten: Herr W. Hörner, Statistisches Bundesamt, Deutschland ...................................................................... Herr P. Zamora, Insee, Frankreich ................................................................................................. Herr S. Leman, Department for Education and Employment, Vereinigtes Königreich.................................. Frau A. Delhaxhe, Eurydice ........................................................................................................ 71 89 101 107 Die Sicht der Nutzer: Herr N. Longworth, European Learning Cities Network (ELCN)........................................................... 115 Frau M. Ni Cheallaigh, Cedefop ................................................................................................... 137 Herr D. Paparella, CESOS, Italien ................................................................................................ 143 2. Tag : THEMA 3: KÜNFTIGER BEDARF Die Sicht der Produzenten: Frau I. Blomqvist, Statistics Finland .............................................................................................. 153 Herr S. Murray, Statistics Canada ................................................................................................ 167 Frau A. Micali, Istat, Italien ......................................................................................................... 193 Die Sicht der Nutzer: Frau S. Waddington, National Institute of Adult and Continuing Education, Vereinigtes Königreich................ 201 THEMA 4: SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN Antwort von Eurostat Herr L. Jensen, Europäische Kommission, Eurostat ........................................................................... 209 Zusammenfassung durch den Vorsitzenden des Unterausschusses Herr L. Frey, Italien................................................................................................................... 213 Teilnehmerliste........................................................................................................................ 219 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 7 INHALT eurostat LEBENSLANGES LERNEN MESSEN MARCHETTI Ettore1 European Commission DG EAC B-7 05/30 BRUXELLES [email protected] Einleitung Politische Initiativen, die auf “ offenen Koordinierungsmethoden “ beruhen und in den Schlussfolgerungen von Lissabon (März 2000) aufgezeigt wurden, eignen sich ganz besonders im Bereich der Bildungs- und Ausbildungssysteme2. Sie zielen auf die Beobachtung und Förderung der Mitgliedstaaten in ihrer Suche nach gemeinsamen Zielen ab, wobei jeweils (potenziell) unterschiedliche Ansätze gewählt werden. In diesem Rahmen erscheinen Statistiken und Indikatoren von wesentlicher Bedeutung, um • einen breiten Vergleich und ein Verständnis der verschiedenen nationalen und lokalen Systeme zu ermöglichen • über eine Methode zur Überwachung der Fortschritte auf dem Weg zu den festgelegten Zielen zu verfügen • Gute Praktiken und besonders wirksame politische Initiativen definieren zu können. In der Folge werden Statistiken und Indikatoren zu einem wesentlichen Bestandteil jeder Initiative zur Förderung und Verbesserung allgemeiner politischer Konzepte, und dies insbesondere auf dem Gebiet des lebenslangen Lernens. Außerdem dienen Indikatoren durch die Formalisierung konsequenter Definitionen und Klassifikationen der allgemeinen Debatte, weil sie jene Konzepte bieten, für die es im jeweiligen nationalen Kontext einen anerkannten und konkreten Bezug gibt – häufig unter Einschluss verlässlicher und vergleichbarer Messdaten. Kurz gesagt stellen Indikatoren einen essenziellen, vielleicht überhaupt den wichtigsten Bestandteil der gemeinsamen Sprache dar. Denken Sie beispielsweise an das Konzept der Lehrlingsausbildung, das auf verschiedene Weise interpretiert werden könnte, und Sie werden je nach Interpretation in den Schul- und Berufsbildungssystemen der Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche Beispiele vorfinden. Die Arbeiten im Zusammenhang mit der Datensammlung zur Berufsbildung und -ausbildung (VET, Vocational Education and Training) haben uns eine konkrete Charakterisierung der “ Lehrlings-Ausbildungssysteme “ in Europa – und ebenso Daten über Programme und Teilnehmer- gebracht3. Angesichts der obigen Ausführungen überrascht es kaum, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit zunehmend auf Indikatoren und Statistiken richtet. Dieser Trend kann schon seit Beginn der neunziger Jahre beobachtet werden, als erstmals in Europa Bemühungen zur Erschließung spezieller statistischer Quellen zur Bil- 1 European Commission, DG Education and Culture. More details on the present note can be found at http://europa.eu.int/comm/education/leonardo/leonardoold/stat/trainingstatis/index.htm 2 Der Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaft (in seiner durch den Amsterdamer Vertrag ergänzten Form) schließt stärkere politische Initiativen auf EU-Ebene in den Bereichen Bildung und Ausbildung aus (siehe Art. 149 und 150). 3 Siehe Key Data on Vocational Training – Young people’s Training EU-2000, EU-2000. http://www.trainingvillage.gr/etv/publication/download/keydata/keydata2/keydata.asp 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 9 INHALT eurostat dung und Ausbildung unternommen wurden4. Die Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS, Continuing Vocational Training Survey) des Jahres 1993 auf EU-Ebene und die Internationale Erhebung über den (funktionalen) Alphabetisierungsgrad bei Erwachsenen (IALS; Adult Literacy Survey (IALS)5 der Jahre 1994/6/8 auf OECD-Ebene waren die ersten bedeutenden internationalen Aktionen mit dem Zweck, Lernindikatoren zu ermitteln. Wie wir noch sehen werden, hält die Zukunft trotz dieser ersten signifikanten – und späterer und ebenfalls bedeutender – Erfolge und trotz eines dringenden Bedarfs und der Unterstützung von politischer Seite noch einige Herausforderungen und Unwägbarkeiten für uns bereit. Ein kurzer historischer Abriss Vor 1995 Vor 1990 wurden Daten über Bildung und Ausbildung (die schließlich zur UOE-Datensammlung über den regulären Bildungsweg führten) von den Ministerien und von der Arbeitskräfteerhebung (LFS; Labour Force Survey), die Daten über Bildungserfolge und die Beteiligung der Bevölkerung an Bildungs- und Ausbildungsangeboten der jüngsten Zeit enthält, zur Verfügung gestellt. Es gab aber auch nationale Initiativen zur Datenerhebung über Schulungsaktivitäten der Unternehmen und zur Durchführung von Umfragen unter Schulabgängern. Die ersten europäischen Statistikprojekte zum Thema Bildung wurden 1991 mit der Entscheidung zum FORCE-Programm eingeleitet und mündeten in der ersten Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen, die im Zeitraum 1992-1993 vorbereitet und schließlich 1994 durchgeführt wurde; ebenfalls 1994 wurde im Rahmen des PETRA-Programms mit der Pilot-Datensammlung über die Berufsbildung und -ausbildung (VET) begonnen. 1995-1999 Die Entwicklung des statistischen Datenerfassungssystems über Bildung und Ausbildung erhielt durch den Beschluss des Rates vom 6. Dezember 1994, in der das Programm Leonardo da Vinci angenommen wurde, einen deutlichen Aufschwung. Es war damit nun für die Finanzierung von Projekten auf Basis eines Arbeitsprogramms gesorgt ( Zweig III.2.b “Austausch vergleichbarer Daten”). Obwohl sich Leonardo da Vinci im allgemeinen auf Fragen der Berufsbildung konzentrierte6, trug sein statistischer Zweig – aus pragmatischen Gründen – auch zur Entwicklung der Bildungsstatistik bei. Der Entwurf eines Arbeitsprogramms wurde erstellt und als Grundlage für den Großteil der Entwicklungsarbeit herangezogen. 4 Davor standen Daten aus dem administrativen Bereich (hauptsächlich zum Thema Schulbesuch) sowie einige sonstige Studien (zum Beispiel LFS/Arbeitskräfteerhebungen mit Schwerpunkt auf dem Thema Beschäftigung) zur Verfügung. 5 Die Internationale Erhebung über den (funktionalen) Alphabetisierungsgrad bei Erwachsenen hatte eine Vorgängerin im TIMSS, die jedoch ihrer Natur nach anders ausgerichtet war. Informationen über diese Studie sind bei der OECD oder bei Statistics Canada erhältlich. 6 Das entsprechende allgemeine Bildungsprogramm war Socrates, das über keinen gesonderten Statistikzweig verfügte. 10 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Leonardo da Vinci 1995-1999 – Statistikprogramm in 10 Bereichen 1. Entwicklung einer international vergleichbaren Klassifizierung, insbesondere im Hinblick auf das Niveau und die Fachgebiete von Bildung und Ausbildung – was zu einer Überarbeitung von ISCED und zur Verfassung eines Handbuchs über Bildung und Ausbildung führte. 2. Entwicklung eines kohärenten Berichtswesens über die ursprüngliche Berufsausbildung, das in die VET-Datensammlung mündete, die uns heute als jährlich publizierte Datenerhebung vorliegt. 3. Studie über die Verfügbarkeit von Daten über den Übergang von Schul- und Berufsausbildung Jugendlicher ins aktive Berufsleben, die schließlich zum LFS Ad-Hoc Modul 2000 führte. 4. Analyse der sozialen und wirtschaftlichen Situation von Studenten und Teilnehmern an beruflichen Schulungsund Ausbildungsprogrammen (wurde nicht durchgeführt) 5. Die Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS), die im Jahr 2000 zur zweiten CVTS führte, an der sich insgesamt 25 Länder beteiligten. 6. Analyse von Schulungsvorkehrungen, die zu einer Klassifizierung von Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen (CTP) führte. 7. Aufnahme eines international vergleichbaren Moduls über berufliche Weiterbildung in die bereits bestehenden, von Eurostat koordinierten Erhebungen. 8. Bildungs- und Ausbildungs-Aufzeichnungen, ein erster Schritt zur Harmonisierung der verschiedenen Quellen für Bildung und Ausbildung auf EU-Ebene. 9. Eine Prüfung der bei der Internationalen Erhebung über den (funktionalen ) Alphabetisierungsgrad bei Erwachsenen eingesetzten Methodik. 10. Eine Analyse der statistischen Anforderungen im Bereich des Erlernens von Fremdsprachen – und der entsprechenden Möglichkeiten. • Monitor the implementation of the work programme and related projects, including in general educationAußerdem wurde von Eurostat und der GD XXII gemeinsam eine spezielle Arbeitsgruppe “Bildungs- und Ausbildungsstatistik” ins Leben gerufen, an der alle Mitgliedstaaten (und assoziierten Staaten) teilnahmen, um • die Umsetzung des Arbeitsprogramms und verwandter Projekte einschließlich jener im allgemeinen Bildungsbereich zu beobachten, • weiteren Informationsbedarf zu besprechen, • die Veröffentlichung der Ergebnisse vorzubereiten. Die Arbeitsgruppe stellte sicher, dass eine Koordination zwischen den Initiativen auf EU-Ebene und den Ressourcen auf nationaler Ebene stattfand. Sie spielte eine bedeutende Rolle bei der Planung und Einführung der zweiten CVTS über das Lernen in Unternehmen und die Rolle der MOEL, der heutigen « Beitrittsländer ». In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre erstellten die Europäische Kommission, Eurydice und CEDEFOP die ersten « Schlüsseldaten », zwei getrennte Serien von Publikationen über Schul- bzw. Berufsausbildung. Diese sind deshalb besonders wichtig, weil • sie das Bewusstsein über die neuerdings verfügbaren Daten heben und • Indikatoren vorschlagen konnten Als diese Indikatoren in den politischen Prozess zurückflossen, schätzte man sie dort als wichtiges Werkzeug, und die Notwendigkeit zur Entwicklung gezielter Maßnahmen für relevante Gebiete trat noch deutlicher hervor. 2000 - 2006 Das neue Leonardo da Vinci Programm erlaubt keine direkte Lancierung von Projekten auf EU-Ebene. Wir sind hier auf die Initiative der Antragsteller angewiesen (die in einem weitgesteckten Rahmen die Finanzierung ihrer Projekte spontan beantragen können). Allerdings wurden auf EU-Ebene Prioritäten7 festgelegt und bekannt gemacht. 7 Weitere Informationen sind erhältlich unter http://europa.eu.int/comm/education/leonardo/leonardoold/stat/trainingstatis/secondphase/workprog.html 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 11 INHALT eurostat Leonardo da Vinci 2000-2006 – Statistische Prioritäten 1. Frühzeitige Abgänger aus Bildung und Ausbildung, um Informationen zur Vermeidung/Reduzierung eines vorzeitigen Austritts oder Early School Leave, ESL, übrigens ein explizites Ziel in der Abschlusserklärung von Lissabon, zu gewinnen und im hier Rahmen des Lebenslangen Lernens Abhilfe zu schaffen 2. Analyse des Ad-hoc-Moduls für Übergangsphasen (vorbereitet im Zeitraum 1995-1999, durchgeführt 2000, siehe oben), auch im Hinblick auf Vorschläge zu weiteren Datensammlungen zum Thema 3. Ausweitung der VET auf die Beitrittsländer 4. Erweiterung der Definitionen und Klassifizierungen über vorhandene Fähigkeiten und die Dynamik nicht formaler Lernprozesse, des weniger bekannten Bildungsweges 5. Analyse der Ergebnisse der zweiten CVTS (Lernen in Unternehmen) und Vorschlag künftiger CVTS oder alternativer Datensammlungen zum Thema. Ein Projekt wurde 2000 in Angriff genommen. 6. Studium der Frage der Ausbildungsfinanzierung. Welche Quellen könnten erschlossen werden, um Daten über die Ausgaben der Staaten und Einzelpersonen für das Lebenslange Lernen zu gewinnen? Welche harmonisierten Definitionen lassen sich anwenden? 7. Verwendung der Strukturellen Unternehmensstatistik für die Zwecke des Lebenslangen Lernens. 8. Wie lassen sich Lerndaten nach Fachgebieten sammeln? 9. Analyse fehlender Qualifikationen Diese neun Gebiete sollen jeweils Ende 2002 und 2004 überarbeitet werden (das Programm läuft bis 2006). Bei der Überarbeitung von Gebieten mit statistischer Priorität im Rahmen von Leonardo da Vinci sollen unter anderem die Ergebnisse der Arbeit der “ Arbeitsgruppe zur Messung des Lebenslangen Lernens “, der “ Sachverständigengruppe für Indikatoren im Zusammenhang mit der Qualität des Lebenslangen Lernens “, des “ Aktionsplans Lebenslanges Lernen “, des “ Forums für die Qualität der Berufsbildung “, des “ Berichts über die konkreten Ziele der Bildungs- und Ausbildungssysteme “ und natürlich der bis dahin begonnenen Projekte berücksichtigt werden. Neue Herausforderungen Die schnelle Entwicklung in den neunziger Jahren wird in diesem Jahrzehnt nur schwer aufrecht zu erhalten sein. Während (1.) die verstärkte Nachfrage und Unterstützung von politischer Seite wahrscheinlich zu vermehrten Bemühungen führen wird, könnten doch mehrere Faktoren den Prozess behindern. Sie werden uns in folgender Form begegnen: 2. in der Form von Wissenslücken in schwierig zu erhebenden Fragen (Finanzierung, direkte Bewertung der Fähigkeiten, Übergänge, Qualität und Effizienz), die es zu schließen gilt, 3. in der Form einer Neuausrichtung des allgemeinen Lernkonzepts, das sich heute rund um den Lernenden entwickelt, und 4. in Form einer neu entstehenden Politik und Praxis des Lernens, insbesondere des eLearning. 1. Verstärkte Nachfrage und Unterstützung In der Folge können all jene, die sich um die Entwicklung von Statistiken und Indikatoren zum Thema Lebenslanges Lernen bemühen, auf zunehmende Unterstützung von politischer Seite und auf eine direkte, signifikante Anwendung ihrer Ergebnisse zählen. Auf EU-Ebene wird vom Memorandum über Lebenslanges Lernen (und dem vorgesehenen Aktionsplan) und vom Bericht über die “ konkreten künftigen Ziele von Bildungs- und Ausbildungssystemen “ erwartet, dass sie den Bedarf für Statistiken und Indikatoren verstärken und neue Aktivitäten zu deren Entwicklung erfordern werden. Das Programm Leonardo da Vinci 2000-2006, das statistisch gesehen bisher relativ schwach verlaufen ist (2000 nur ein einziges Projekt begonnen) könnte angesichts eines allgemein empfundenen politischen 12 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Bedarfs (und ein neuer Entwurf mit Vorschlägen für neue Prioritäten kommt 2002) neuen Schwung in die Sache bringen. Außerdem stellt die verstärkte Zusammenarbeit zwischen der EU-Kommission, den nationalen Statistikämtern (einschließlich jener der Beitrittswerber), dem CEDEFOP und der OECD ein großes Potenzial dar, das nun auch die Inangriffnahme von Projekten, die bisher als zu anspruchsvoll galten (etwa eine Studie über Erwachsenenbildung in Europa oder eine Studie über Schulabgänger), ermöglichen könnte. 2. Wissenslücken auf schwierigen Gebieten In den neunziger Jahren konzentrierte sich die Entwicklung auf wichtige Informationsbedürfnisse in Fragen, zu denen Datensammlungen einfach und problemlos durchgeführt werden konnten, sozusagen auf « ebenem, fruchtbarem Gelände ». In der Folge blieben bestimmte wichtige Gebiete, die eine « statistische Herausforderung » darstellen, praktisch ausgeklammert. Diese Gebiete betreffen hauptsächlich die Finanzierung der Bildung und Ausbildung sowie die « Übergangsphasen » (von Jugendlichen ins Berufsleben, von Frauen zurück auf den Arbeitsmarkt, von Immigranten). Qualität und Effektivität von Bildung und Ausbildung sind ebenfalls sehr wichtige Themen. Eine umfassende Sicht aller Aspekte des Lernens ist erforderlich, um die « Lücken » zu schließen, aber auch um eine möglichst umfassende Dienstleistung anbieten zu können. Erst durch die Sammlung von Informationen über alle Aspekte der Bildung und Ausbildung erhalten wir ein kohärentes Verständnis ihrer Funktionsweise. So werden wir beispielsweise niemals in der Lage sein, den ständig wachsenden Bildungsmarkt zu verstehen, solange wir über keine verlässlichen Informationen über die öffentliche, private und individuelle Finanzierung an der Hand haben. Ebenso wird es schwierig sein, die Effektivität von Lehrsystemen zu vergleichen, solange keine vergleichenden Studien über Schulabgänger und Übergangsphasen vorliegen. Kurz gesagt, es ist nötig, « die klaffenden Lücken zu schließen » um Informationen, die wir bereits haben, aber noch nicht umfassend verstehen, richtig verstehen zu können. Daher die Notwendigkeit zur Bearbeitung auch des « gebirgigen, steinigen Geländes ». 3. Schwerpunktsetzung auf den Lernenden Zugleich macht das Konzept des Lernens selbst einen tiefgreifenden Wandel durch. In seiner gegenwärtigen Definition hängt das Lebenslange Lernen8 mit einem breit angelegten Lernkonzept zusammen, das nach ganz neuen Definitionen und Klassifizierungen verlangt. Diese bedürfen ihrerseits tiefgreifender Veränderungen unserer Methoden der Datenerhebung. Die Arbeitsgruppe zur Messung Lebenslangen Lernens (TFMLLL), die im März 2001 ihre erste Arbeitsphase abschließen konnte9, hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich dem Thema Lernen aus der Sicht des Lernenden zu nähern. Das bedeutet einen Kurswechsel gegenüber einem Datenerfassungssystem, dessen wichtigste Quellen die Anbieter (vor allem die Schulen) und die Organisatoren (Staaten, Unternehmen) von Bildung und Ausbildung waren. Das nicht formale Lernen spielt eine wichtige und wahrscheinlich zunehmend wichtigere Rolle, und seine Entwicklung muss genau beobachtet werden. Hier ist eine Interaktion mit formellen Lernprozessen ebenso zu erkennen wie die Infragestellung des traditionelleren systemischen Ansatzes, basierend auf Einschreibung, Aufnahmebedingungen, Dauer und Diplom. Neue Konzepte und Definitionen sind erforderlich, um den Lernprozess des einzelnen zu illustrieren, wobei all das oben Ausgeführte vielleicht anders anzuwenden ist als beim traditionellen Lernen. So müssen die Aufnahmebedingungen beispielsweise vielleicht anhand erworbenen Wissens, und nicht mehr anhand zuvor besuchter Kurse definiert werden. Das Konzept der Dauer muss auch das Konzept der Intensität und der Ergebnisse im Rahmen eines eigenständig geplanten Ausbildungsablaufs beinhalten. Insgesamt wird eine Überarbeitung der grundlegenden Konzepte und Definitionen nötig, weil wir vor der Herausforderung stehen, alle Arten des Lernens zu berücksichtigen. 8 9 Lebenslanges Lernen oder LLL wird als Begleitfunktion aller zweckgerichteten Lernaktivitäten betrachtet, ob diese formeller oder informeller Art sind, wenn sie kontinuierlich mit dem Zweck einer Verbesserung von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenz betrieben werden http://forum.europa.eu.int/Public/irc/dsis/ceies/library?l=/seminars/measuring_lifelong&vm=detailed&sb=Title 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 13 INHALT eurostat Dazu kommt, dass das nicht formale Lernen gerade in zwei der für Europa essenziellen Grundfertigkeiten – Fremdsprachen und Kommunikationstechnologien (ICT) - von besonderer Bedeutung ist, wobei diese Fertigkeiten komplexer sind als andere und laufend an Bedeutung gewinnen. 4. Entwicklung von Lernpraxis und eLearning Die Welt des Lernens verändert sich und, ähnlich wie in anderen Sektoren, ist eines seiner besonders dynamischen Elemente die Informations- und Kommunikationstechnologie. Vor allem auf Grund der hier herrschenden Dynamik stellt der Bildungssektor die Statistiker vor große Herausforderungen. Erstens macht die Geschwindigkeit, in der sich die Welt des eLearning verändert, es schwierig, • ein passendes Studiendesign zu finden – möglicherweise ist die Methodik bereits veraltet, wenn sie eingesetzt wird, und dies kann schon nach einigen wenigen Runden der Datenerhebung der Fall sein, und • Studien so zu organisieren, dass die Datenausgabe schnell genug erfolgt. Die Tatsache, dass UOE-Daten nur mit einer Zeitverzögerung von 2-3 Jahren verfügbar sind, ist nicht entscheidend, weil die meisten Aspekte der schulischen Ausbildung sich ohnehin nicht so rasch entwickeln. Andererseits würde eine Verzögerung von 2-3 Jahren bei der Verfügbarkeit von Daten über eLearning die erhobenen Informationen praktisch nutzlos machen. Zweitens entwickelt sich eLearning aus ganz verschiedenen Initiativen auf allen möglichen Ebenen. Schulen suchen die Anbindung ans Internet, und einige von ihnen bieten Online-Unterstützung etwa in Form von Verzeichnissen, Kontaktpunkten, Lernmaterial an; viele Produkte werden mit Online-Anweisungen oder ausführlichen Schulungskursen angeboten; Einzelpersonen (nicht unbedingt Lehrer und Ausbilder) stellen OnlineLernressourcen zur Verfügung; Unternehmen bedienen sich für ihre internen Schulungszwecke gern und ausführlich der Unterstützung aus dem Netz. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Web ein rapides Wachstum in Zahl und Art der Anbieter von Bildung und Ausbildung sowie auch der Formen ihrer Vermittlung bewirkt hat. In der Folge erweist sich sogar die grundlegende Aufgabe einer Definition der Referenzpopulation für eine statistische Studie als schwierig; dazu kommt, dass Definitionen und Klassifizierungen, sobald sie einmal gefunden sind, möglicherweise angesichts der veränderlichen Bedeutung verschiedener Aspekte häufig geändert werden müssen. Die beiden oben skizzierten Schwierigkeiten sind konkrete Merkmale des ICT-Lernens, betreffen jedoch auch alle anderen Arten des Lernens. Sie stellen eine Herausforderung für die traditionelle Arbeitsweise in Statistikbehörden dar und machen es schon bisher erforderlich, bei « e -» Indikatoren alternative Datenquellen zu erschließen10, die häufig nicht so verlässlich oder vergleichbar sind wie offizielle Statistiken. Die Statistikbehörden müssen daher ihre Methoden und Verfahren anpassen, um die erforderlichen Daten über rasch veränderliche Themen zeitgerecht und relevant liefern zu können. Schlussfolgerungen Nach einem Jahrzehn relativ rascher Fortschritte in Richtung eines kohärenten und umfassenden statistischen Berichtssystems über Bildungs- und Ausbildungsfragen stehen wir nun vor bedeutenden Herausforderungen. Diese ergeben sich aus unbewältigten Schwierigkeiten und der in Fluss befindlichen Natur des Lernens, und es wird notwendig sein, die Grundkonzepte, Definitionen und Klassifizierungen neu zu überdenken. Die Arbeitsgruppe zur Messung Lebenslangen Lernens hat bereits erste Schritte in diese Richtung unternommen, aber es bleibt uns trotzdem noch viel zu tun. Politische Initiativen im Zusammenhang mit Lebenslangem Lernen werden dafür sorgen, dass der Schwung in die richtige Richtung mit der erforderlichen Motivation anhält. Da die skizzierten Herausforderungen die Art und Weise, wie Studien begonnen und durchgeführt werden, tiefgreifend beeinflussen, sind alle Statistikbehörden mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihre Vorgehensweise zu überprüfen und ihre Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen, zugleich aber auch ihre hohen Qualitätsstandards aufrecht zu erhalten. Eine solche Überarbeitung könnte erleichtert werden, würde man auf internationaler Ebene nach besten Praktiken suchen und sich gegenseitig bei der Einführung der erforderlichen Veränderungen unterstützen. 10 Siehe beispielsweise den ESDIS-Bericht über « Beschäftigung in der Informationsgesellschaft » unter http://europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/info_soc/esdis/documents.htm 14 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat BERICHT DER EUROSTAT-TASKFORCE ZUR MESSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS PILOS Spyridon European Commission DG ESTAT Directorate E, Unit E3 BECH D2/722 L-2920 LUXEMBOURG [email protected] Zusammenfassung Der Auftrag Laut ihrem Gründungsauftrag sollte die Taskforce zur Messung des Lebenslangen Lernens (TFMLLL) Vorschläge erarbeiten, wie das lebenslange Lernen gemessen werden kann, um den politischen Anforderungen an die Europäische Kommission Rechnung zu tragen. Es sollten dabei die vorhandenen Informationsquellen berücksichtigt werden, um Doppelarbeit auf europäischer und internationaler Ebene zu vermeiden. In Anbetracht der Tatsache, dass die politische Entscheidungsfindung auf dem Gebiet des lebenslangen Lernens in Europa mit den neuen Beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2001 und dem Memorandum über lebenslanges Lernen neue Impulse erhalten hat, wurde es darüber hinaus als notwendig erachtet, diese Prozesse durch den erforderlichen Informationshintergrund zu unterstützen. Lebenslanges Lernen (LLL) Gemäß der Definition der Europäischen Union umfasst das lebenslange Lernen jede zielgerichtete Lerntätigkeit, sowohl formeller als auch informeller Art, die einer kontinuierlichen Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen dient. Die TFMLLL kam überein, dass sich zielgerichtete Lernprozesse in drei Kategorien unterteilen lassen: formelle Bildung, nicht-formelle Bildung und informelles Lernen. Grenzen und Kriterien für die Abgrenzung dieser drei Lerntypen werden in Abschnitt 2 vorgeschlagen. Vorhandene Quellen für LLL-Statistiken Vorhandene europäische Statistikquellen für den Bereich des Lernens sind in Abschnitt 3 aufgeführt. Diese Erhebungen konzentrieren sich auf Teilnahme und Bildungsniveau innerhalb des formellen Bildungssystems sowie auf die am Arbeitsmarkt sichtbaren Ergebnisse dieser Bildung. Die TFMLLL empfiehlt, diese Erhebungen zu modifizieren, um der Bedeutung von Lernprozessen außerhalb des formellen Bildungssystems Rechnung zu tragen (siehe Abschnitt 5.2). Der vorliegende Bericht untersucht weder Fragen, die die direkte Bewertung von Fähigkeiten betreffen, noch spezifisch ausgerichtete Erhebungen, z. B. Erhebungen über Jugendliche, über Schulabbrecher usw., da es im Rahmen des Europäischen Statistischen Systems (ESS) zurzeit keine solchen Aktivitäten gibt. Ein neuer Ansatz LLL ist ein großer, komplexer Bereich, so dass sich Messungen auf eindeutig abgegrenzte Gebiete von politischem Interesse konzentrieren sollten. Die beste Informationsquelle zum lebenslangen Lernen scheint das In14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 15 INHALT eurostat dividuum zu sein (eher als die Träger von Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen), und die Ideallösung wäre eine spezielle, harmonisierte, haushaltsbasierte Erhebung zum lebenslangen Lernen. Der nächste Schritt zu dieser umfassenderen Erhebung sollte eine Europäische Erhebung zur Erwachsenenbildung sein. Die Datenvoraussetzungen für eine solche Erhebung sind in Abschnitt 4 aufgeführt. Nächste Schritte. Die TFMLLL empfiehlt folgende Maßnahmen (siehe Abschnitt 5.2): 1) Modifizierung vorhandener europäischer Erhebungen, damit Fragen berücksichtigt werden können, die sich sowohl auf die formellen als auch auf die informellen Aspekte des lebenslangen Lernen erstrecken. Die für spezifische Erhebungen erforderlichen Maßnahmen sehen wie folgt aus: — Erste Priorität hat die Entwicklung des Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen für die Arbeitskräfteerhebung 2003 (Labour Force Survey - LFS). Dies wäre eine Gelegenheit, die zentralen LFS-Fragen zum Thema allgemeine und berufliche Bildung zu verbessern und das Standardmodul zu entwickeln, das für die Verwendung in verschiedenen ESS-Erhebungen vorgeschlagen wurde. — Es sind Fragen zum Thema Bildung und Lernen in die EU-Statistiken über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions - EU-SILC) aufzunehmen, die im Jahr 2003 das Europäische Haushaltspanel (European Community Household Panel - ECHP) ersetzen werden. — Es muss das Coverage der UOE-Datensammlung und deren Kapazität, Informationen über flexible Bildungsformen (z. B. modulare Programme, offener und Fernunterricht usw.) zu erheben, geklärt werden. — Es muss die Positionierung von Berufsbildungsinformationen innerhalb des Rahmens des lebenslangen Lernens untersucht werden, was einen Abgleich der Ergebnisse mit UOE, LFS und CVTS einschließt. — Es sind die Ergebnisse der 2. Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (Continuing Vocational Training Survey - CVTS) zu prüfen, um die Erfassung des lebenslangen Lernens in Folgeerhebungen zu verbessern. — Es ist die Möglichkeit zu untersuchen, explizitere Fragen/Punkte zum Thema allgemeine und berufliche Bildung in andere Eurostat-Erhebungen aufzunehmen, wie beispielsweise in die Zeitbudgetstatistik (Time Use Survey) und die strukturelle Unternehmenserhebung (Structural Business Survey). 2) Es muss eine Klassifikation der Lernaktivitäten entwickelt werden, die alle Formen der formellen und nicht-formellen Bildung sowie des informellen Lernens abdeckt. 3) Mittel- bis langfristig ist eine neue europäische Erhebung zur Erwachsenenbildung zu entwerfen, damit eine umfassende europäische Erhebung zum lebenslangen Lernen entwickelt werden kann. Das letztendliche Ziel besteht für Eurostat darin, ein integriertes Europäisches Statistisches Informationssystem (ESIS) für den Bereich Bildung und Lernen aufzubauen. Dadurch sollte es möglich werden, Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu kombinieren, um verschiedene Aspekte des lebenslangen Lernens zu beleuchten. Diese statistischen Informationen sollten auch durch kontextbezogene Informationen ergänzt werden. 1. Einführung 1.1 Hintergrund 1. Das lebenslange Lernen ist bereits seit etlichen Jahren Gegenstand der politischen Diskussion. Es hat sich zunehmend zu einem vorrangigen Bereich der politischen Entscheidungsfindung entwickelt, und seine Bedeutung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung sowie für den sozialen Zusammenhalt und eine aktive Staatsbürgerschaft werden weithin anerkannt. Die allgemeine und berufliche Bildung ist ein wichtiges Element der Europäischen Beschäftigungsstrategie, auf die sich mehrere Beschäftigungspolitische Leitlinien stützen. Dieser neuere Schwerpunkt hat zusammen mit der Einbeziehung von allgemeiner und beruflicher Bildung in die Zuständigkeiten der Gemeinschaft, erstmals im Vertrag von Maastricht und dann im Vertrag von Amsterdam1, zu einer steigenden Nachfrage nach Statistiken im Bereich des lebenslangen Lernens geführt. 2. Die Entwicklung zu gesamteuropäischen Bildungs- und Berufsbildungsindikatoren hat bereits vor vielen Jahren eingesetzt, jedoch in den 90er Jahren an Schwung gewonnen. Der Beitrag der verstärkten interna16 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat tionalen Zusammenarbeit war für diesen Prozess von entscheidender Bedeutung. Im Februar 2000 hat die Europäische Kommission die Taskforce zur Messung des Lebenslangen Lernens (TFMLLL) eingerichtet. Vertreter verschiedener Generaldirektionen (Bildung und Kultur, Beschäftigung und Soziales, Forschung, Eurostat), aus 5 Mitgliedstaaten (Deutschland, Niederlande, Portugal, Finnland, UK), vom European Centre for the Development of Vocational Training (CEDEFOP), vom Europa-Referat des Eurydice-Netzes der Bildungsministerien, vom Advisory Committee on Statistics in the Economic and Social Spheres (CEIES), von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und vom UNESCO Institute for Statistics (UIS), vom Internationalen Arbeitsamt (IAA) sowie zwei Sachverständige aus Dänemark und der Schweiz (siehe Liste am Schluss des Dokuments) haben an der Arbeit der Taskforce teilgenommen. 3. Gemäß ihrem Auftrag bestand das Ziel der TFMLLL darin, „Vorschläge zu erarbeiten, wie das lebenslange Lernen mit seinen vielfältigen Aspekten einschließlich seiner für den Arbeitsmarkt relevanten Ergebnisse gemessen werden könnte“. Dies sollte auf eine Weise erfolgen, dass „den politischen Anforderungen an die Europäische Kommission im internationalen Kontext Rechnung getragen werden kann“ (z. B. hinsichtlich eines Beitrags zum Memorandum über lebenslanges Lernen und zur Umsetzung der Europäischen Beschäftigungsstrategie) und „ein Überblick über die aktuelle Lage auf europäischer, internationaler und nationaler Ebene geboten wird. Eines der Hauptanliegen in diesem Zusammenhang ist die Vermeidung von Doppelarbeit bei der Entwicklung von Möglichkeiten zum Messen des lebenslangen Lernens auf internationaler und europäischer Ebene.“ Die Taskforce will Empfehlungen zu Ansätzen aussprechen, die innerhalb des Europäischen Statistischen Systems (ESS2) zu verwenden sind, wobei den statistischen Auswirkungen des deutlichen Bedarfs an Indikatoren Rechnung getragen werden soll, der in offiziellen Grundsatzpapieren der EU zum Ausdruck gebracht wurde, wie in den Aktionsprogrammen auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (Sokrates 2 und Leonardo da Vinci 2), den Beschäftigungspolitischen Leitlinien und dem Gemeinsamen Bericht zur Beschäftigung3. Außerdem hat das Memorandum über lebenslanges Lernen4 der Überprüfung vorhandener Konzepte zum lebenslangen Lernen neue Impulse verliehen, einschließlich der Entwicklung des statistischen Informationssystems. Im Laufe der Arbeit der Taskforce mussten zusätzliche politische Initiativen berücksichtigt werden: die Schlussfolgerungen von Lissabon5, die Mitteilung „Strategien für Beschäftigung in der Informationsgesellschaft”6, die Initiative zum eLearning7, der Bericht über die Qualität der schulischen Bildung8 sowie der zusammenfassende Bericht, der dem Europäischen Rat im März 2001 in Stockholm vorgelegt worden war, sowie die damit verbundenen Strukturindikatoren. Die aktive Teilnahme von UNESCO und OECD an der Arbeit der TFMLLL sicherte eine größtmögliche Einbeziehung internationaler Organisationen, die auf dem Gebiet der Bildungsstatistik tätig sind. 4. Der Abschlussbericht der Taskforce enthält eine methodologische Diskussion zum Thema lebenslanges Lernen, die fast alle auf internationaler Ebene verfügbaren Informationen berücksichtigt. Es sind auch auf nationaler Ebene gesammelte Erfahrungen eingeflossen, dadurch dass nationale Sachverständige in der Taskforce mitgearbeitet haben. Es wurden unterschiedliche Vorschläge zur Verbesserung der vorhandenen ESS-Quellen und zur Erschließung neuer Quellen unterbreitet. Die TFMLLL hat einen Beitrag zum Memorandum über lebenslanges Lernen geleistet, denn der Anhang zu jenem Dokument basiert auf ihrer Arbeit. Ein MLLL-Folgeseminar wird gemeinsam von der GD Bildung und Kultur, von CEIES und Eurostat über das Messen des lebenslangen Lernens am 25.-26. Juni 2001 in Parma, Italien, veranstaltet; es ist Teil der strukturierten Debatte über das Memorandum und setzt die Arbeit der Taskforce fort, obwohl es nicht darauf beschränkt sein wird. Die Arbeit der Taskforce wird auch für die Entwicklung des Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen für die Arbeitskräfteerhebung 2003 sowie für die Entwicklung eines Moduls zur beruflichen Weiterbildung durch das Netzwerk B des OECD-Projekts „Indikatoren für Bildungssysteme“ (INES) herangezogen. 5. Die Taskforce hat hinsichtlich des von der interinstitutionellen Gruppe der Europäischen Kommission im Februar 2000 vereinbarten Auftrags eine sehr erfolgreiche Rolle gespielt. Um die Leistungsfähigkeit der Taskforce zu gewährleisten, wurde beschlossen, folgende Bereiche nicht zu untersuchen: • Informations- und Kommunikationstechnologien in der Bildung: Um Arbeitsüberschneidungen mit parallel laufenden Aktivitäten im Rahmen der Initiative zum eLearning zu vermeiden und die Entwicklung eines kohärenten Ansatzes für Statistiken im Bereich Informationsgesellschaft im Europäischen Statistischen System sicherzustellen, wurde es als besser erachtet, die Ergebnisse dieser Aktivitäten abzuwarten. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 17 INHALT eurostat • Direkte Bewertung von Fähigkeiten: Da Eurostat an solchen Untersuchungen nicht beteiligt ist, wurden sie in den endgültigen Auftrag der TFMLLL auch nicht einbezogen. Was Grundfertigkeiten anbelangt (sowie „neue“ Grundfertigkeiten, einschließlich Fremdsprachen und Kenntnis digitaler Systeme) sind nur Proxy-Indikatoren und selbst eingeschätzte Fertigkeiten erfasst. Die Notwendigkeit, solche Projekte im Rahmen des ESS ins Leben zu rufen, sollte vom Ausschuss für das Statistische Programm evaluiert werden. • An Schulen durchgeführte Erhebungen: Auch an solchen Untersuchungen ist Eurostat nicht beteiligt (Schulerhebungen, Erhebungen über Schulabbrecher, Erhebungen über Jugendkohorten usw.). Aus diesem Grund sind diese auch nicht von der TFMLLL untersucht worden. Auf der Grundlage der im Abschlussbericht vorgestellten Analyse und der politischen Erfordernisse, hinsichtlich derer Lücken festgestellt wurden, kann der Ausschuss für das Statistische Programm entscheiden, ob das ESS hinzugezogen werden sollte. 6. Obwohl sich die Arbeit der Taskforce nicht auf die Entwicklung neuer Indikatoren konzentrierte, hat sie Möglichkeiten für deren Entwicklung vorgeschlagen, und es liegt nun an den Mitgliedern des Europäischen Statistischen Systems, über die Umsetzung des vorgeschlagenen Ansatzes zu entscheiden. Eurostat wird weiterhin eng mit der GD Beschäftigung im Rahmen der Indikatorengruppe des Beschäftigungsausschusses sowie mit relevanten Gruppen der GD Bildung und Kultur zusammenarbeiten, um einen EU-weiten Satz von Indikatoren zum lebenslangen Lernen zu entwickeln, die dann in den Überwachungsprozess im Zusammenhang mit der Europäischen Beschäftigungsstrategie, in den zusammenfassenden Bericht und andere Benchmarking-Aktivitäten auf EU-Ebene einfließen werden. 7. Seit die TFMLLL ihre Arbeit aufgenommen hat, haben im Europäischen Statistischen System selbst mehrere Entwicklungen stattgefunden, nämlich: • Es wurde beschlossen, dass es sich bei den EU-Statistiken über Einkommen und Lebensbedingungen (EUSILC) um eine bereichsübergreifende Erhebung handeln soll, die im Jahr 2003 das Europäische Haushaltspanel (ECHP) ersetzen wird. • Die Entscheidung, ein Ad-hoc-Modul zum lebenslangen Lernen in die Arbeitskräfteerhebung (LFS) 2003 aufzunehmen, wurde bestätigt. • Es wurde ein Fragebogen über Statistiken zur Informationsgesellschaft entwickelt, der Fragen zur Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie im Bildungsbereich enthält. • Die 2. Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (CVTS II) wurde im Jahr 2000 durchgeführt, und die Ergebnisse werden Eurostat voraussichtlich im Frühjahr 2001 vorliegen. 8. Die TFMLLL hat sich bemüht, diese Veränderungen nicht aus den Augen zu verlieren und soweit wie möglich auf sie zu reagieren. Nichtsdestotrotz wurde mehrfach die Notwendigkeit betont, das gesamte Arsenal der im ESS verfügbaren Werkzeuge zu benutzen, um die vielfältigen Facetten des lebenslangen Lernens zu erfassen. 1.2 Rahmen für die Entwicklung von Indikatoren 9. Die vorhandenen Statistiken über die allgemeine und berufliche Bildung konzentrieren sich auf die formellen Bildungs- und Berufsbildungssysteme (UOE9- und VET10-Datensammlungen), auf das innerhalb dieser Systeme erreichte Bildungsniveau sowie auf die am Arbeitsmarkt erkennbaren Ergebnisse einer solchen Bildung (LFS11, ECHP12 usw.). Dieser Systemansatz wird durch zusätzliche Daten über Einzelpersonen und Unternehmen ergänzt. Beispielsweise werden auch Daten über die Teilnahme von Erwachsenen an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen gesammelt (LFS), selbst wenn der Schwerpunkt eindeutig auf der formellen Bildung und der arbeitsplatzbezogenen Ausbildung liegt. Ferner sind Informationen über die von Unternehmen angebotene arbeitsbezogene Ausbildung (CVTS13) sowie über die Bildungsaufwendungen der privaten Haushalte (HBS14) verfügbar, jedoch gestatten die für Bildungsleistungen oder -produkte verwendeten Typologien keine sinnvolle Auswertung dieser Informationen. Darüber hinaus wurde versucht, eine direkte Bewertung von Fähigkeiten mit Hilfe verschiedener internationaler Erhebungen durchzuführen, wie IALS15 über Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen im Rahmen der Erwachsenenbildung, TIMSS16, einer auf Lehrplänen und Schulen basierenden Erhebung, und unlängst PISA17, einer Erhebung, die sich zwar auf Schulen, jedoch nicht auf Lehrpläne stützt. Die IEA18-Studie über die politische Bildung19 könnte im Kontext des lebenslangen Lernens ebenfalls berücksichtigt werden, da es sich hierbei um einen Versuch handelt, „staatsbürgerliches Denken und Handeln zu messen“. 18 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat 10. Der gegenwärtige Perspektivenwandel, wo dem lebenslangen Lernen nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch in Zusammenhängen wie Beschäftigung, Wirtschaftswachstum, soziale Ausgrenzung usw. mehr Gewicht beigemessen wird, wird voraussichtlich auch den Analyseblickwinkel verändern, was die meisten der oben genannten Quellen anbelangt. Es werden so verborgene Informationen zu Tage gefördert werden, die in der Vergangenheit nicht genutzt wurden, da es keinen klar zum Ausdruck gebrachten politischen Bedarf gab. Des Weiteren können diese Quellen unter diesem neuen Blickwinkel modifiziert werden, um eine bessere Erfassung der verschiedenen Aspekte des lebenslangen Lernens zu ermöglichen. 11. Das lebenslange Lernen ist jedoch nicht einfach nur eine Zusammenfassung traditioneller Bildungsprogramme und moderner Lernangebote. Es gibt auch grundlegende Unterschiede hinsichtlich der Bildungsinhalte und -perspektive: Während traditionelle Bildungseinrichtungen vorwiegend damit befasst waren (und noch sind), Wissen zu vermitteln, liegt der Akzent bei modernen Lernangeboten und beim Konzept des lebenslangen Lernens auf der Entwicklung individueller Fähigkeiten und der Fähigkeit des Einzelnen zu lernen. Im Mittelpunkt des LLL-Konzepts steht der Gedanke, Menschen dazu zu befähigen und zu ermutigen, „zu lernen, wie man lernt“. 12. In diesem Kontext impliziert das lebenslange Lernen einen Paradigmenwechsel, d. h. weg von der Dominanz traditioneller Bildungseinrichtungen zu einem vielfältigen Gebiet traditioneller und moderner Lernangebote, die mehr prozess- und ergebnisorientiert sind und eine modulare Struktur aufweisen. Gleichzeitig wird die Verantwortung für Bildung und Lernen von öffentlichen (staatlichen) Einrichtungen auf Nichtregierungsorganisationen sowie auf das Individuum selbst verlagert. Um die Umsetzung einer umfassenden LLL-Strategie zu überwachen und zu bewerten (z. B. durch Schaffung des angemessenen institutionellen, finanziellen und rechtlichen Rahmens), müssen die aktuellen Bildungs- und Lernstrukturen analysiert werden, und zwar auf der Grundlage zuverlässiger und länderübergreifend vergleichbarer Daten. 13. Dem lebenslangen Lernen wird derzeit nicht nur im bildungspolitischen Bereich, sondern auch in Zusammenhängen wie Beschäftigung, Wirtschaftswachstum, soziale Ausgrenzung usw. mehr Gewicht beigemessen. Um die Veränderungen zentraler Lernprozesse zu bewerten und Fortschritte im Hinblick auf die Umsetzung der Bildungs-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik in Bezug auf das lebenslange Lernen zu bewerten, ist es notwendig, angemessene Indikatoren zu ermitteln und vergleichbare statistische Maße zu erzeugen. Ganz speziell im Bereich der Beschäftigungspolitik wurde die Bedeutung der allgemeinen und beruflichen Bildung in den letzten Jahren weithin anerkannt. Die Bildungspolitik stellt ein entscheidendes Element der Europäischen Beschäftigungsstrategie dar, die mehreren Leitlinien zugrunde liegt, welche durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen. LLL ist ein Schlüsselfaktor, will man die Herausforderung der lebenslangen Beschäftigungsfähigkeit wirksam bewältigen, sich des zunehmenden Qualifikationsdefizits annehmen und die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer verbessern. Mehrere Leitlinien und alle nationalen Aktionspläne der Mitgliedstaaten, die diese Leitlinien umsetzen, befassen sich mit der allgemeinen und beruflichen Bildung und decken ein breites Spektrum an beschäftigungsrelevanten Bildungsbereichen ab. 14. Der Gipfel von Lissabon formulierte eine langfristige Agenda für die Europäische Union zu einer Reihe von zentralen Beschäftigungsfragen und sandte ein sehr starkes politisches Signal aus für die Stärkung der Beschäftigung, der Wirtschaftsreform und des sozialen Zusammenhalts vor dem Hintergrund einer wissensbasierten Wirtschaft. In Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen des Lissabonner Gipfels wurde die Bildungsdimension des Prozesses von Luxemburg gestärkt, um die allgemeine und berufliche Bildung (das lebenslange Lernen) zur treibenden Kraft der Entwicklung einer aktiveren Beschäftigungspolitik zu machen. Das lebenslange Lernen ist durch die Beschäftigungspolitischen Leitlinien 2001 zu einem horizontalen Ziel der Beschäftigungsstrategie geworden. Die spezifischen Leitlinien sind zielgerichteter, und es wurden spezifischere Verpflichtungen eingegangen, was die Entwicklung umfassender Strategien in einem integrierten konzeptionellen Rahmen anbelangt. 15. Die Entwicklung allgemein vereinbarter Indikatoren und Benchmarks im Beschäftigungsbereich war noch nicht sehr weit fortgeschritten, als der Luxemburger Prozess im Jahr 1997 begonnen wurde. In den politischen Debatten und Dokumenten, die in Absatz 1.1 genannt sind, wurde ausdrücklich auf die Notwendigkeit von Indikatoren hingewiesen. In der Praxis jedoch lässt sich dieses Konzept nur schwer in Form eines 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 19 INHALT eurostat einzigen Indikators erfassen, da es eine Vielzahl an Bildungs- und Ausbildungsaktivitäten in den unterschiedlichen Lernphasen im Laufe eines Menschenlebens beinhaltet. Um die Umsetzung dieser Leitlinien zu überwachen, wurde von der Indikatorengruppe des Beschäftigungsausschusses eine Reihe empirischer Indikatoren zum lebenslangen Lernen entwickelt. Konzeptionell basieren diese Indikatoren auf der breit gefassten Definition, die in vorliegendem Bericht behandelt wird (Absatz 2.1). 1.3 Neu entstehende statistische Erfordernisse 16. Eine statistische Überwachung des lebenslangen Lernens erfordert auch eine Berücksichtigung der relevanten Lernprozesse außerhalb des formellen Bildungssystems, wie selbstgesteuertes Lernen, Lernen am Arbeitsplatz usw. Im Rahmen des lebenslangen Lernens könnten formale Hindernisse in Bezug auf den Zugang zur Bildung in Zukunft weniger wichtig sein. Allerdings könnte der zeitliche und finanzielle Aufwand, den der Einzelne in sein eigenes Lernen zu investieren bereit ist, eine zentrale Frage darstellen. Daher nimmt die Situation des Individuums innerhalb des allgemeineren sozialen und wirtschaftlichen Kontextes sowohl unter politischen als auch unter statistischen Gesichtspunkten an Bedeutung zu. 17. Es werden heutzutage mehr Informationen über die Art und Weise benötigt, in der Menschen aller Altersgruppen in formellen und nicht-formellen Umgebungen, aber auch im Rahmen informeller Aktivitäten, wie z. B. Selbststudium, lernen. Kenntnisse und Fertigkeiten können auf unterschiedlichste Weise erworben werden, und es ist entscheidend, diesen Erwerb, die Verbesserung und die Aktualisierung - ebenso wie den Verfall - von Fähigkeiten zu überwachen. Wir müssen in der Lage sein, die gesellschaftlichen Ergebnisse des Lernens (z. B. Ergebnisse in Verbindung mit Staatsbürgerschaft, Umwelt, Verbraucherschutz) sowie beschäftigungsrelevante und persönliche Ergebnisse im weiteren Sinne (z. B. Grundfertigkeiten, Beschäftigungsfähigkeit, Lebensqualität, wirtschaftliches Wohlergehen, körperliche und geistig-seelische Gesundheit, Zufriedenheit) zu bewerten. Begriffe wie Motivation, Erwartungen und Zufriedenheit sind für das lebenslange Lernen von zentraler Bedeutung, während auch persönliche Investitionen in zeitlicher und finanzieller Hinsicht ein wichtiges Diskussionsthema darstellen. Die Rolle und das Engagement der verschiedenen Akteure des Bildungsbereichs (Bildungseinrichtungen, Unternehmen, NRO, Berufsverbände, regionale und lokale Behörden, der Staat und natürlich der Einzelne selbst) müssen geklärt werden. 18. Der Bereich Bildungs- und Lernstatistiken scheint sich, was seine nicht-formellen und informellen Teile anbelangt, mit der Zeitbudgetstatistik, der Kulturstatistik (GD EAC und Eurostat haben in Zusammenarbeit mit der UNESCO und der UN-Wirtschaftskommission für Europa unlängst Fortschritte im Bereich der Kulturstatistiken erzielt; Eurostat hat einen Bericht über Kulturstatistiken in der EU20 vorgelegt) sowie der Statistik über audiovisuelle Dienste, die Informationsgesellschaft und immaterielle Anlagegüter in der strukturellen Unternehmensstatistik zu überschneiden. In dem Maße wie der Markt für Bildung und Berufsbildung allmählich Gestalt annimmt, müssen Informationen über die Anbieter und die wirtschaftliche Komponente von Lehren und Ausbildung, über die Kosten und die Verfügbarkeit des Angebots gesammelt werden. Die Lernsysteme haben sich jahrzehntelang kaum verändert, erleben aber seit kurzem einen radikalen Wandel. Eine wirksame politische Entscheidungsfindung verlangt eine Überwachung und sogar Vorausplanung dieser Veränderungen. Es sind dies Alternativen, die die direkten Quellen zum lebenslangen Lernen ergänzen würden und die harmonisierte Ad-hoc-Ansätze erfordern, damit der größtmögliche Nutzen aus ihnen gezogen werden kann. 19. All diese Bemühungen sollten in einen Satz Indikatoren gipfeln, der ein Verständnis dahingehend ermöglichen sollte, wie das lebenslange Lernen gemessen werden kann. Damit ein solcher Indikatorensatz aber auch den erwünschten Nutzen erbringt, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: • Unterschiedliche Niveaus und verschiedene Rahmenbedingungen („formelle und nicht-formelle“ Bildung sowie „informelles Lernen“) • Mehrere Datenquellen, um die Informationen zu liefern, die für Messungen benötigt werden • Einigung auf internationaler Ebene über Methoden, Definitionen und Klassifikationen für die Indikatoren zum Messen von Bildung und Lernen. 20 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat 2. Definitionen und Klassifikationen 2.1 Definition des lebenslangen Lernens 20. Die von der Europäischen Union verwendete Definition des lebenslangen Lernens ist von der Kommission 21 und den Mitgliedstaaten verabschiedet worden . Demzufolge umfasst das lebenslange Lernen jede zielgerichtete Lerntätigkeit, sowohl formeller als auch informeller Art, die einer kontinuier22 lichen Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen dient . 21. Das Konzept des lebenslangen Lernens in der hier verwendeten Definition umfasst sämtliche Lerntätigkeiten: • die zielgerichtet sind, also den Zweck haben „Verbesserungen im Hinblick auf Verhalten, Informationen, Wissen, Verstehen, Einstellungen, Werte oder Fertigkeiten“23 zu bewirken; • die kontinuierlich stattfinden, also nicht beiläufig oder zufällig sind, sondern sich durch „Dauer und Kontinuität“24 auszeichnen, im Prinzip ohne zeitliche Untergrenze; • unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten einen formellen Charakter haben oder nicht, alle unterschiedlichen Lerntypen, wie Lehre, Schulen der zweiten Chance, inner- oder außerbetriebliche Aus- und Weiterbildung, Selbststudium usw.; • unabhängig von der Finanzierungsquelle, d. h. ob mit Geldern des öffentlichen oder privatwirtschaftlichen Sektors oder mit Eigenmitteln finanziert; • unabhängig von der Art der Durchführung (Verwendung traditioneller oder moderner Mittel, wie beispielsweise IKT). 22. Dieser Lernbegriff bezieht sich auf die gesamte Bevölkerung, unabhängig vom Alter und von der Beschäftigungssituation. Er schließt im Grunde alle Tätigkeiten von der frühkindlichen Erziehung bis zu Freizeitbildungsangeboten für Senioren ein. 23. Der Begriff „Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen“ ist nicht auf arbeitsbezogene Ergebnisse der Bildung und des Lernens begrenzt, sondern umfasst auch gesellschaftliche und persönliche Ergebnisse. 2.2 Der „Ansatz lebenslang-lebensumspannend“ 24. Oft beherrscht die zeitliche Dimension, die im Gesamtkonzept bereits betont wird, die Diskussion über das lebenslange Lernen. Sie unterstreicht die wichtige Tatsache, dass Lernprozesse zu unterschiedlichen Zeiten des Lebens vonstatten gehen. Es muss jedoch auch eine lebensumspannende Dimension anerkannt werden, die berücksichtigt, dass das Lernen im wirklichen Leben in unterschiedlichsten Umgebungen und Situationen stattfindet: Abbildung 3.1 : Der „Ansatz lebenslang-lebensumspannend“ Quelle: In bearbeiteter Form übernommen von der Nationalen Bildungsagentur, Schweden: Lebenslanges Lernen - ein Indikatorenrahmen25. Ältere Menschen 1 2 Weniger formalisierte Umgebungen formalisiertere 4 3 settings Jüngere Menschen 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 21 INHALT eurostat 25. Was die zeitliche Dimension des lebenslangen Lernens (senkrechte Achse) anbelangt, ist die Abfolge verschiedener Lernprozesse innerhalb des Lebenszyklus von vorrangiger Bedeutung. Die lebensumspannende Dimension (waagerechte Achse) bezieht sich auf die unterschiedlichen institutionellen und sozialen Gegebenheiten, unter denen das Lernen stattfindet (lebensumspannendes Lernen). 26. Heutzutage gewinnt in der Diskussion des lebenslangen Lernens das „Konzept lebenslang-lebensumspannend“ an Boden. Wenn wir dieses Konzept verwenden, können wir beispielsweise feststellen, dass die so genannte reguläre oder schulische Bildung im 3. Quadranten angesiedelt ist, da sie in einem formalen Umfeld stattfindet und junge Menschen im Mittelpunkt stehen. Während jedoch das Interesse von Politik und Gesellschaft in Bezug auf den 3., aber auch den 2. Quadranten (der Angebote betrifft, die in einigen Ländern allgemeine und berufliche Weiterbildung genannt werden) bereits ausreichend vorhanden ist, beginnen die Prozesse im Rahmen der Quadranten 1 und 4 gerade erst, Gegenstand der politischen Diskussion zu werden. Dies ist nicht unerheblich, da der Hauptschwerpunkt der Bildungspolitik im Wandel begriffen ist und sich beispielsweise von der formellen öffentlichen Bildung, die hochgradig reguliert und weitgehend Pflicht ist, zu den anderen Quadranten verlagert, die flexiblere Lernaktivitäten repräsentieren. 2.3 Formelle/nicht-formelle Bildung und informelles Lernen 27. In der Bildungsdebatte kommen unterschiedliche Begriffe zur Anwendung: reguläre Bildung, formelle Bildung, nicht-formelle Bildung, nicht-formelles Lernen, informelles Lernen usw. 28. Per Konvention werden wir das Thema lebenslanges Lernen so diskutieren, wie es weiter oben definiert wurde, und dabei folgende Begriffe verwenden: • formelle Bildung, • nicht-formelle Bildung und • informelles Lernen 29. In der folgenden Analyse dieses Berichts bezieht sich der Begriff Bildung auf das formell und nicht-formell organisierte Lernen, während das Begriffspaar Bildung und Lernen das formelle, nicht-formelle und informelle Lernen umfasst. 30. Gemäß dem Glossar der Internationalen Standardklassifikation für das Bildungswesen (ISCED97) bezieht sich formelle Bildung auf „...Bildung innerhalb des Systems von Schule, College, Hochschule und anderen Einrichtungen der formalen Bildung, das in der Regel eine zusammenhängende „Leiter“ von Vollzeitbildung für Kinder und Jugendliche bildet; sie beginnt im allgemeinen im Alter von 5 bis 7 Jahren und endet im Alter von 20 oder 25 Jahren.” In einigen Ländern müssen diese Altersgrenzen jedoch heraufgesetzt werden. Nicht-formelle Bildung, umfasst andererseits „alle organisierten und nachhaltigen Bildungsaktivitäten, die der obigen Definition von formaler Bildung nicht genau entsprechen. Nicht-formale Bildung kann daher sowohl innerhalb als auch außerhalb von Bildungseinrichtungen stattfinden und Personen aller Altersgruppen ansprechen.“ Ausgehend von diesen Definitionen verwenden Hörner/Ruß den Begriff informelles Lernen, der als solcher nie in der ISCED97 verwendet wurde, um sehr unterschiedliche Lerntätigkeiten oder -situationen zu beschreiben, die weder als formell noch als nicht-formell klassifiziert werden können. Informelle Lernaktivitäten sind durch einen relativ niedrigen Organisationsgrad gekennzeichnet und können auf individueller Ebene (z. B. selbstgesteuertes Lernen) sowie in Gruppen (z. B. am Arbeitsplatz oder in der Familie) stattfinden. Einige dieser Aktivitäten können sich auf Methoden stützen (beispielsweise computergestützte Lernmodule oder andere strukturierte Lernmaterialien), die den Anschein erwecken, als seien diese Aktivitäten nicht-formellen Programmen sehr ähnlich, während andere, wie das Lernen innerhalb der Familie oder das Lernen durch die Teilnahme an kulturellen Ereignissen, statistisch sehr viel schwerer zu erfassen sind. 31. Die drei verschiedenen Typen von Bildung und Lernen können dann unter Verwendung von Kriterien unterschieden werden, die zu diesem Zweck 1996 im „Manual on Non Formal Education“ der UNESCO vorgeschlagen wurden, siehe nachstehende Tabelle26: 22 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Tabelle 3.1. Kriterien für die Unterscheidung der unterschiedlichen Bildungs-/Lerntypen Kriterium (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) (h) Formell Nicht-formell Informell x x x x x x x x x x x x Zweckbestimmtheit Organisation Institutioneller Rahmen und Ort Hierarchische Stufen-Klassen-Struktur Zulassungsvoraussetzungen Anmeldung Lehr-/Lernmethoden (vorbestimmt/nicht flexibel) Dauer (reguläres Schuljahr) und Zeitplanung 32. Verwendet man die vorstehenden Kriterien, können die drei Bildungs- und Lerntypen wie folgt definiert werden: — Formelle Bildung kann als bewusst organisierte Lernereignisse mit regulärer festgelegter Dauer und Stundenplan charakterisiert werden, die hierarchisch mit einer chronologischen Abfolge von Stufen und Klassen strukturiert sind, Zulassungsvoraussetzungen haben und eine formale Eintragung verlangen und die innerhalb etablierter Bildungseinrichtungen unter Verwendung vorbestimmter pädagogischer Organisationsformen, Inhalte, Methoden sowie Lehr- und Lernmaterialien stattfinden. — Nicht-formelle Bildung bezieht sich ebenfalls auf bewusst organisierte Lernereignisse, die in einem institutionellen Rahmen stattfinden, aber weder eine noch mehrere der Bedingungen (d) bis (h) weiter oben erfüllen. Das Vorhandensein eines institutionellen Umfelds unter Einbeziehung eines Lehrers und eines Lernenden (unabhängig von den Mitteln und der räumlichen oder zeitlichen Nähe der beteiligten Personen) sowie die Möglichkeit, den Begriff Bildungsprogramm anzuwenden, was eine Vorausplanung der Aktivität impliziert, sind die allgemeinen Kennzeichen dessen, was in diesem Bericht (formelle oder nicht-formelle) „Bildung“ genannt wird. — Informelles Lernen ist andererseits allgemein zwar ein bewusster Prozess, doch ist dies ein weniger organisiertes und strukturiertes Lernen, das beispielsweise Lernereignisse (Aktivitäten) einschließen kann, die in der Familie, am Arbeitsplatz oder im täglichen Leben eines jeden selbstgesteuert oder auf von der Familie oder dem sozialen Umfeld vorgegebener Basis stattfinden. 33. Abbildung 2.2 stellt das gesamte Bildungs- und Lernspektrum dar. Dazu gehört auch „zufälliges“ Lernen, manchmal auch beiläufiges Lernen genannt, da es nicht das Element bewussten Handelns beinhaltet. Dieser Lerntyp liegt außerhalb des Rahmens dieses Berichts, aufgrund der unter 2.1 genannten Definition des lebenslangen Lernens. Abbildung 2.2 : Das Bildungs- und Lernspektrum Quelle: UNESCO (1996): Manual for Statistics on Non-Formal Education, Paris 1996. Zufälliges Lernen Informelles Lernen Formelle Bildung Nicht-formelle Bildung Von der Familie oder dem sozialen Umfeld vorgegeben, selbst-gesteuert Medien und Kommunikation 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 23 INHALT eurostat 34. Auf der Grundlage der vorstehenden Definitionen lassen sich gewisse Ähnlichkeiten der statistischen Hilfsmittel feststellen, die für die Erfassung der formellen und nicht-formellen Bildung verwendet werden: • ISCED97, eine auf Bildungsgängen basierende Klassifikation, kann sowohl für die Klassifikation der formellen als auch der nicht-formellen Bildungsaktivitäten verwendet werden, sofern es sich um Bereiche und Fächergruppen der allgemeinen und beruflichen Bildung handelt. Die ISCED muss dennoch weiterentwickelt werden, wenn sie für die nicht-formelle Bildung benutzt werden soll. Die von Brandsma/Kornelius im Rahmen eines Leonardo-Projekts27 entwickelte Klassifizierung der Träger der beruflichen Bildung in Europa kann herangezogen werden, um auch andere Aspekte der formellen und nicht-formellen Bildung und Berufsbildung zu berücksichtigen (Träger, finanzielle Regelungen, Formen der Durchführung). • Aufgrund der Tatsache, dass es für gewöhnlich einen institutionellen Rahmen gibt, ist es im Grunde möglich Verwaltungsquellen für die Beschaffung von Bildungsinformationen zu nutzen. Da diese Bereiche jedoch unter politischen Gesichtspunkten behandelt werden müssen (weil sie unterschiedliche Arten von Akteuren einbeziehen und verschiedene Ziele verfolgen), müssen sie eindeutig abgegrenzt werden, wenn Daten aus einer einzigen Quelle verwendet werden, z. B. aus der UOE-Datensammlung28. 35. Die Situation hinsichtlich der informellen Lernaktivitäten ist sogar noch unklarer. Auf diesem Gebiet gibt es praktisch keine Informationen auf internationaler Ebene, und nur einige Länder haben sich in der Vergangenheit darum bemüht, diesen Bereich zu erfassen. Es herrscht mit Sicherheit Bedarf an spezifischen Klassifikationen der nicht-formellen und informellen Lernaktivitäten. Damit ließe sich das gesamte Spektrum der Lernprozesse erfassen, indem man die ESS-Quellen dafür nutzt. Bei der Entwicklung solcher Klassifikationen sollte Folgendes berücksichtigt werden: — die ISCED97-Klassifikation der Bildungs- und Ausbildungsfächergruppen — die Überarbeitung der NACE/CPA29-Klassifikationen — die Entwicklung eines Bildungsabschnitts der Klassifikation für Zeitbudgetstatistiken 36. Idealerweise sollte diese Entwicklungstätigkeit Verbesserungen bei der Erfassung der Lernaktivitäten zur Folge haben (insbesondere der nicht-formellen Bildung und des informellen Lernens), und zwar in all den vorgenannten Klassifikationen (insbesondere ISCED). Dies würde das Potenzial der statistischen Quellen erhöhen, die diese Klassifikationen verwenden, so dass mehr Aspekte des lebenslangen Lernens berükksichtigt werden können. 37. Diese Klassifikation der Lernaktivitäten ist das Werkzeug, um den zeitlichen und finanziellen Aufwand zu messen, der in das Lernen investiert wird, zwei Fragen, die im Rahmen des lebenslangen Lernens von zentralem politischen Interesse sind. Sowohl Hörner/Ruß30 als auch Borkowsky31 haben vorgeschlagen, die Zeit als vereinheitlichende Dimension zu benutzen, die es uns erlauben würde, Informationen aus unterschiedlichen Quellen, aber auch Informationen über alle drei Lerntypen zu kombinieren. So sollte die zeitliche Dimension auch in die Studie über die formelle Bildung aufgenommen werden, indem man z. B. Informationen über die in der formellen Bildung durchschnittlich für das Lernen aufgewandte Zeit sammelt. Die Entscheidung, Klassifikationen der Lernaktivitäten zu entwickeln, hätte bedeutende Auswirkungen auf unterschiedliche Arbeitsbereiche des ESS. 38. Zeitbudgetstatistiken/Time Use Surveys (TUS) könnten dafür verwendet werden, den in das Lernen investierten persönlichen Zeitaufwand zu messen, wie dies auch von Hörner/Ruß vorgeschlagen wurde. Es ist nicht möglich, diese Idee in der derzeitigen Phase auf dem Weg zu einer harmonisierten europäischen Zeitbudgetstatistik umzusetzen, da dieser Prozess erst im Frühjahr 2000 eingeleitet wurde; man kann die Lernaktivitäten nicht anhand der Klassifikation der Aktivitäten unterscheiden, die für die aktuelle EU-TUS verwendet wird (siehe Anhang). Dennoch sollte die Möglichkeit, die TUS zu einem späteren Zeitpunkt zu benutzen, bei der Entwicklung einer Klassifikation der Lernaktivitäten berücksichtigt werden. 39. Die persönlichen finanziellen Investitionen in das Lernen (Kosten) könnten (wahrscheinlich langfristig) mit Hilfe der Erhebungen über Wirtschaftsrechnungen der privaten Haushalte /Household Budget Surveys (HBS) erfasst werden. Auch in diesem Fall könnte eine Klassifikation der Lernaktivitäten den Ausgangspunkt für die Beschaffung der erforderlichen Informationen bilden, obwohl viel vom Aggregationsgrad der Erhebungen abhängt. 24 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat 40. Die Einbeziehung bestimmter kultureller Aktivitäten ist ein zusätzliches Element. Eurostat ist zurzeit dabei, in Zusammenarbeit mit der UNESCO und den Mitgliedstaaten den Bereich Kulturstatistiken zu entwickeln, und die auf diesem Gebiet geleistete Arbeit sollte bei der Diskussion über eine Klassifikation der Lernaktivitäten berücksichtigt werden. 41. Immaterielle Investitionen in Unternehmen (wozu Kenntnisse/Lernen gehören sollten) und die künftige Entwicklung dieses Bereichs struktureller Unternehmensstatistiken/Structural Business Statistics innerhalb des ESS sind andere wichtige Argumente für die Entwicklung einer Klassifikation der Lernaktivitäten. Diese Aktivitäten können das Bindeglied darstellen, um die Rentabilität der Unternehmensinvestitionen in das Lernen zu messen, und zwar sowohl für den Einzelnen als auch durch ihn für das Unternehmen; es würde so ein Beitrag zur Diskussion über die allgemeine Rentabilität von Bildung und Lernen geleistet werden können. 42. Diese Klassifikation sollte auch bei der Entwicklung späterer Erhebungen über die berufliche Weiterbildung/Continuing Vocational Training Surveys (CVTS) berücksichtigt werden. Die Definition von Ausbildungsaktivitäten ist in CVTS2 (2000) bereits recht weit gefasst, wo auch weniger strukturierte Formen wie Konferenzen, Arbeitsplatzrotation, berufsbegleitende Weiterbildung und Selbststudium einbezogen sind. Eine zusätzliche Verbesserung wäre jedoch die Aufnahme wertvoller Informationen über das Alter der Teilnehmer in einer späteren CVTS. 43. Eine Gelegenheit, eine erste harmonisierte Liste von Lernaktivitäten, die längerfristig zu einer Klassifikation der Lernaktivitäten führen könnte, zu testen, ist das Ad-hoc-Modul zum lebenslangen Lernen für die EU-Arbeitskräfteerhebung 2003. Die Entwicklung dieses Moduls, das voraussichtlich vorwiegend beschäftigungsbezogene Aspekte des lebenslangen Lernens erfassen wird, könnte als erster Schritt zum Messen des lebenslangen Lernens betrachtet werden. 44. Auch wenn die Notwendigkeit, immer eindeutig zwischen den drei Lerntypen (formelle Bildung, nichtformelle Bildung und informelles Lernen) zu unterscheiden, nicht von allen und nicht in allen Zusammenhängen anerkannt wird, bieten die vorgeschlagenen Konventionen/Typologien eine Auswahl der für jede Situation am besten geeigneten Ansätze, ohne dass darunter - soweit möglich - die Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Quellen leidet. 3. Quellen 3.1 Arten statistischer Quellen 45. Die erste Spalte der folgenden Tabelle enthält die wichtigsten Datenkanäle für die Beschaffung von Informationen über Bildung und Lernen. In der zweiten Spalte sind die vorhandenen ESS-Quellen angegeben, die den einzelnen Datenkanälen entsprechen; mehr Informationen über diese ESS-Quellen finden Sie in Absatz 3.232. Geschichtete Stichprobenerhebungen können durchgeführt werden, um die Gesamtbevölkerung oder Untergruppen mit spezifischem sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Hintergrund zu erfassen. Es ist Tabelle 3.2: Datenkanäle In überarbeiteter Form dem UNESCO Manual on NFE Statistics entnommen Datenbeschaffung/Art der Erhebung ESS-Erhebung Vollerhebung der formellen/nicht-formellen Agenturen, Einrichtungen und Programme UOE, VET Stichprobenerhebung der allgemeinen Bevölkerung und/oder der erwerbstätigen Bevölkerung unter Verwendung von Haushaltserhebungen und Arbeitskräfteerhebungen LFS, ECHP Stichprobenerhebung derzeitiger und ehemaliger Lernender - Stichprobenerhebung der Lehrer formeller/nicht-formeller Programme - Stichprobenerhebung der Organisatoren/Mitarbeiter formeller/nicht-formeller Programme - Stichprobenerhebung der Arbeitgeber CVTS Stichprobenerhebung kommunaler Führer - Register - 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 25 INHALT eurostat besonders wichtig, vorhandene nationale Haushaltserhebungen, Arbeitskräfteerhebungen und andere regelmäßige Datensammlungsmechanismen zu nutzen, indem man zusätzliche Fragen hinsichtlich der früheren, gegenwärtigen und geplanten Teilnahme der Bevölkerung an Lernaktivitäten einführt. 46. Borkowsky unterscheidet drei Arten von Quellen: (a) Individuen, (b) Anbieter von Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen („Einrichtungen“) und (c) Unternehmen. Die Unternehmen spielen eine Doppelrolle, da sie sowohl als Anbieter als auch als Käufer von Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen auftreten können. Die nachstehende synoptische Tabelle, die in demselben Dokument vorgeschlagen wird, gibt einen Überblick über die Datenquellen und die Arten der von jeder Quelle zu beschaffenden Informationen. Die Zahl XXs zeigt den Grad der Eignung einer jeden Quelle an. Tabelle 3.3: Überblick über die Datenquellen und die Arten der von jeder Quelle zu beschaffenden Informationen Information Merkmale der Teilnehmer/Eintragungen Grundlegende sozio-demografische Daten (Geschlecht, Alter) Beschäftigungssituation Komplexe sozio-demografische Daten Subjektive Daten Zahl der Veranstaltungen Merkmale jeder Aktivität Inhalt Platz im nationalen Bildungssystem Umfang Motivation Merkmale der Durchführung Art des Anbieters Mitarbeiter Aufwendungen Opportunitätskosten Merkmale des Arbeitsplatzes der Teilnehmer oder eingetragenen Personen Unternehmen (Größe, Branche) Fähigkeitsanforderungen Weiterbildungspolitik Datenquelle und angegebene statistische Einheit Individuum: Teilnehmer und Eintragungen Anbieter: Eintragungen Unternehmen = Anbieter: Eintragungen von Beschäftigten Unternehmen = Käufer: Eintragungen von Beschäftigten XXXX XXXX XXXX XXXX XXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XX X XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXX XXXX X XXXX XXXX XXX XXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXX X XXXX XXXX XX 47. Arbeitgeber können einzigartige Informationen über Ausbildungsinvestitionen und deren empfundene Wirksamkeit liefern. Ein CEDEFOP-Projekt über die Wirksamkeit von Ausbildungsindikatoren hat einige Fragen formuliert, um die Wahrnehmungen der Arbeitgeber zu bewerten. Solche Indikatoren können als Teil von Unternehmenserhebungen, wie CVTS, erzeugt werden, indem man spezifische „Module“ verwendet; die Fragen könnten sich auf die Wahrnehmungen der Arbeitgeber konzentrieren sowie darauf, inwieweit die folgenden Ergebnisse der Ausbildung zugeschrieben werden können oder mit ihr im Zusammenhang stehen: • Mitarbeitertreue, • verbesserte Produktivität, • höhere Gewinne, • verbesserte Managementfähigkeiten, 26 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat • • • • • • geringere Fehlzeiten der Mitarbeiter, verbesserte Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter, bessere berufsbezogene Kenntnisse, verbesserte Problemlösungsfähigkeiten der Beschäftigten, erleichterte Innovation, verbesserte persönliche/soziale Fähigkeiten der Mitarbeiter [nur dort, wo dies ein Ziel war] [z. B. Teamarbeit – später noch zu erweitern]. 48. Wenden wir uns noch einmal der herkömmlichen Unterscheidung zwischen formeller Bildung, nicht-formeller Bildung und informellem Lernen zu. Tabelle 3.4 stellt schematisch die Quellen (Individuum vs. Einrichtung/Anbieter) und die Klassifikationen (auf der Grundlage der einschlägigen Diskussion in Abschnitt 2 über „Definitionen und Klassifikationen“) dar, die für die Beschaffung von Informationen über die allgemeine und berufliche Bildung herangezogen werden können. Tabelle 3.4: Quellen und Klassifikationen Quellen Klassifikationen formelle/nicht-formelle Bildung Informelles Lernen ✓ ✓ ✓ - ✓ - ✓ ✓ ✓ - (✓) ✓ Individuum Einrichtung ISCED97 Bildungsbereiche ISCED97 Bildungs- u. Ausbildungsfächergruppen Klassifizierung der Träger der beruflichen Bildung in Europa Informelle Lernaktivitäten ✓: zu verwenden, (✓) kann möglicherweise verwendet werden, - kann in der gegenwärtigen Form nicht verwendet werden 49. Die Schlussfolgerung aus den Tabellen 3.3 und 3.4 lautet eindeutig, dass die beste Informationsquelle für das lebenslange Lernen das Individuum ist. Auf europäischer Ebene und innerhalb des ESS würde eine solche Erhebung die Form einer harmonisierten Haushaltserhebung zum Thema Lernen haben. Diese Idee wird im nächsten Abschnitt eingehender behandelt. Eine ergänzende Informationsquelle könnte auch eine Erhebung über Personen in Einrichtungen sein (an Schulen durchgeführte Erhebungen, Erhebung der Beschäftigten, Erhebung der Lehrer usw.), doch wurde dies innerhalb des ESS bisher noch nicht versucht. Dennoch sollte man eine solche Möglichkeit nicht ausschließen. 3.2 Vorhandene ESS-Quellen und Verbesserungsmöglichkeiten 50. Obwohl das lebenslange Lernen nunmehr seit fast dreißig Jahren Gegenstand der politischen Diskussion ist, richtete sich das Hauptaugenmerk der politischen Entscheidungsfindung und folglich der zu deren Unterstützung erzeugten Statistiken und Indikatoren auf die Logistik der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie auf die erwerbstätige Bevölkerung. Es folgen ein kurzer Überblick über den Bestand, den es an ausreichend vergleichbaren Statistiken und Indikatoren aus ESS-Quellen gibt, und Vorschläge für mehrere diesbezügliche Verbesserungen. a) Bildung (gemeinsamer UOE- (UNESCO-OECD-Eurostat) Fragebogen) Art: administrative Datensammlung (jährlich) Statistiken gesammelt/gemeldet: • Zahl der Teilnehmer (Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit) nach Bildungsstufe und -feld, beruflicher oder allgemeiner Orientierung, Region • Zahl der Zugänge 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 27 INHALT eurostat • Zahl der Teilnehmer, die in der Schule in Fremdsprachen unterrichtet werden • Zahl der Lehrer (Alter, Geschlecht) nach Bildungsstufe • Bildungsaufwendungen Verbesserungsmöglichkeiten: 51. Die derzeit verfügbaren statistischen Daten (und deren Analyse) basieren auf folgendem traditionellen Modell, das Ausdruck dessen ist, was unter dem Begriff „reguläre Bildung“ verstanden wird: Lehrkräfte, die in Lehranstalten, arbeiten und Schüler/Studenten unterrichten, die sich an diesen Einrichtungen für einen bestimmten Zeitraum für spezifische zu Qualifikationen/Diplomen führende Bildungsgänge eingetragen haben, die sie dann als Graduierte abschließen werden. Dieses sequentielle Leiternmodell muss abgewandelt werden, um Entwicklungen, wie Unterbrechungen, modulare Programme und offener Unterricht/Fernunterricht, berükksichtigen zu können. Letzteres ist ein interessantes Beispiel. Offener und Fernunterricht gehören zu den moderneren pädagogischen Mitteln auf diesem Gebiet. Es werden Möglichkeiten geboten, die weder geografisch noch zeitlich eingeschränkt sind. Dasselbe gilt hinsichtlich des größten Teils dessen, was informelles Lernen genannt wird. Insbesondere digitale Netzwerke erlauben einen höheren Grad der zeitlichen und räumlichen Unabhängigkeit (z. B. Computer Based Training – CBT, Internet Based Training - IBT, Tele Learning). Die zunehmende Flexibilität des Fernunterrichts, die aufgrund der Fortschritte der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien möglich geworden ist, führt zur Integration von nicht-formellem und informellem Lernen auf diesem Gebiet. Daher könnte in einigen Fällen eine strenge Unterscheidung zwischen den beiden Lerntypen schwierig sein. Auf jeden Fall müssen Indikatoren, die es ermöglichen, den Einfluss der IKT auf die Bildung zu messen, noch entwickelt werden, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. 52. Außerdem sollte der Weg, wie die Vorstellungen von formeller und nicht-formeller Bildung umgesetzt werden, eindeutig definiert und ermittelt werden (dies ist eine Frage des Coverage der UOE-Datensammlung). Daten über die formelle Bildung einerseits und über die nicht-formelle Bildung (die in diesem Fall meistens dem entspricht, was oft Erwachsenenbildung genannt wird) andererseits sollten getrennt gemeldet und präsentiert werden. Dies kann bedeuten, dass die Art und Weise, wie der UOE-Fragebogen und die UOE-Datensammlung organisiert sind, geändert werden muss, nachdem ganz klar das Coverage der separaten Teile definiert wurde. 53. Der operative Nutzen der Definitionen für Kleinkinder-Programme sollte verbessert werden. UOE scheint kurz- bis mittelfristig die einzige verfügbare Quelle für diese Informationen zu sein. 54. Die Vergleichbarkeit der Daten über Aufwendungen für die Bildung sollte verbessert werden, was das allgemeine Coverage und die gemeldeten Elemente anbelangt. Die Systeme der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und die verwendeten Klassifikationen sollten dem Bedarf an genaueren, vergleichbaren und zuverlässigen Informationen über Bildungsaufwendungen angepasst werden. Diese Informationen sollten mit Informationen aus anderen Quellen (z. B. Erhebungen über Wirtschaftsrechnungen der privaten Haushalte) kombiniert werden. Die Frage der Definition des Coverage/Umfangs der UOE-Datensammlung wirkt sich auch auf den Finanzteil aus. 55. Die UOE-Datensammlung umfasst zusätzlich zu dem gemeinsamen Fragebogen mehrere für die EU-Mitgliedstaaten spezifische Tabellen, die verwendet werden können, um die Informationen zu spezifischen Themen zu ergänzen. Zurzeit werden diese Tabellen benutzt, um regionale Informationen und Informationen über das Erlernen von Fremdsprachen zu sammeln. Einschränkung: 56. Es ist nicht möglich, unter Verwendung administrativer/institutioneller Quellen die gesamte nicht-formelle Bildung zu erfassen. Diese Quellen sollten als Ergänzung der von Individuen stammenden Informationen betrachtet werden. b) Berufliche Erstausbildung (Eurostat VET-Datensammlung) Art: administrative Datensammlung (jährlich) Statistiken und Indikatoren • Zahl der Teilnehmer (Alter, Geschlecht) nach Bildungsstufe und -feld • Zugangsvoraussetzungen 28 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat • Weiterbildungsmöglichkeiten • Kontakt zum Arbeitsplatz während der Ausbildung • Prozentsatz der Auszubildenden 33 • Zahl der Lehrer Verbesserungsmöglichkeiten: 57. Die wichtigste Herausforderung besteht darin, die VET-Daten mit den UOE-Daten zu kombinieren, um sich noch stärker auf die für die berufliche Erstausbildung spezifischen Fragen konzentrieren zu können. Die Möglichkeiten, die VET-Daten in Kombination mit LFS-Daten oder mit Daten aus der Datensammlung zur Arbeitsmarktpolitik (Labour Market Policies database) zu verwenden, sollten weiter untersucht werden. Einschränkung: 58. Bisher war es nicht möglich, die Beschäftigungsmöglichkeiten zu bewerten, die Berufsbildungsteilnehmern offen stehen, oder in welchem Umfang Berufsbildungsteilnehmer die Weiterbildungsmöglichkeiten nutzen, die im Rahmen der Ausbildungsgänge angeboten werden, an denen sie teilnehmen. c) Berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS) Art: Stichprobenerhebung in Unternehmen (Ad hoc - zuletzt: 2000) Gemeldete Variablen: Unternehmen • Unternehmen und Auszubildende nach angebotenem Ausbildungstyp • Unternehmen mit/ohne Ausbildungsplan, die (keine) berufliche(n) Weiterbildungsmaßnahmen anbieten Beschäftigte/Teilnehmer • Beschäftigte nach Geschlecht, die für Ausbilder/Nicht-Ausbilder arbeiten • Beschäftigte und Zugangsquote betreffend Weiterbildungskurse nach Geschlecht • Gesamtteilnehmerzahl Stunden • Zahl der insgesamt gearbeiteten Stunden und Stunden pro Beschäftigten nach Geschlecht • Gearbeitete Stunden und Ausbildungsstunden in Weiterbildungskursen nach Geschlecht - Ausbildungsstunden pro 1000 Arbeitsstunden • An Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommene Stunden und Teilnehmer nach Geschlecht - Ausbildungsstunden pro Teilnehmer Kosten 34 • Direkte und indirekte Arbeitskosten der Ausbilder und Nicht-Ausbilder, Ausbildungskosten der Ausbilder. • Arbeitskosten der Ausbilder und Nicht-Ausbilder - Arbeitskosten pro Beschäftigten Vorgeschlagene Verbesserung: 59. Es werden mehr Informationen über die Meinung der Arbeitgeber hinsichtlich der Effizienz der Ausbildung sowie über die Art und Weise, wie die Ausbildung organisiert/geplant ist, benötigt. Eine Klassifikation der Ausbildungs-/Lernaktivitäten ist erforderlich, um genauere Informationen über Ausbildungstypen zu bekommen. Mit späteren CVTS sollten auch Informationen über die Altersstruktur der Teilnehmer gesammelt werden. Einschränkungen: 60. CVTS ist eine relativ umfangreiche und teure Erhebung, und jede zusätzliche Frage erhöht die Belastung für die Unternehmen und die Länder. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 29 INHALT eurostat d) EU-Arbeitskräfteerhebung/EU Labour Force Survey (LFS) Art: Stichprobenerhebung der Haushalte (vierteljährlich seit 1999) Teilnahme an der allgemeinen und beruflichen Bildung nach Stufe und Typ Bildungsniveau der Bevölkerung Alle Informationen können nach Alter, Geschlecht, Beschäftigungssituation, Beruf, Region, Bildungsniveau der Eltern aufgeschlüsselt werden Vorgeschlagene Verbesserungen: 61. LFS ist eine seit langem eingeführte Erhebung und die Hauptreferenzquelle für beschäftigungsbezogene Fragen. Eine wesentliche Verbesserung wäre die Aufnahme von Informationen über das Bildungs- und Ausbildungsfeld sowie über den sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Eltern. Die Möglichkeit, Ad-hoc-Module hinzuzufügen, sollte möglichst oft genutzt werden. Ein Modul zum Übergang von der Schule ins Erwerbsleben wurde im Jahr 2000 aufgenommen (was 2004 wiederholt werden kann), während ein Modul zum lebenslangen Lernen 2001 entwickelt und in LFS 2003 eingefügt werden soll. Die mit dem LFS-Ad-hoc-Modul und ähnlichen Aktivitäten, wie dem Weiterbildungsmodul, das gegenwärtig im Netzwerk B der OECD entwickelt wird, gesammelten Erfahrungen, sollten in die Überprüfung der LFS-Kernfragen über die allgemeine und berufliche Bildung sowie des vorhandenen „Eurostat-Standardmoduls zu Bildung und Berufsbildung, das für harmonisierte europäische Erhebungen zu verwenden ist“ (Eurostat standard module on education and training for use in European Harmonised Surveys)3 5 unter dem Blickwinkel des lebenslangen Lernens einfließen. Einschränkungen: 62. Der Schwerpunkt liegt auf dem Themenkomplex Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, so dass die Fragen zur allgemeinen und beruflichen Bildung eher ergänzenden Charakter haben. 63. Die Fragen können nicht sehr detailliert sein, da der Befragte auch über andere Haushaltsmitglieder berichtet (Proxy-Befragung) e) Haushaltspanel der Europäischen Gemeinschaften/European Communities Household Panel (ECHP) Art: Panelerhebung (jährlich) 64. Das ECHP wurde bislang relativ wenig genutzt. Die in der gegenwärtigen Form gesammelten Daten können dafür verwendet werden, um die gesellschaftlichen und persönlichen Bildungs- und Lernergebnisse zu messen, obwohl die Möglichkeit, eine vergleichende Klassifizierung von Variablen vorzunehmen, aufgrund der begrenzten Stichprobengröße eingeschränkt ist. Vorgeschlagene Verbesserung: 65. Das ECHP wird gegenwärtig überarbeitet. Das neue ECHP wird höchstwahrscheinlich 2003 beginnen und ist relativ offen für neue Fragen; es besteht die Absicht, einige Fragen über die Bildung und eine kleine Anzahl von Fragen über die Ausbildung aufzunehmen und detaillierte Informationen über die allgemeine und berufliche Bildung in einem spezifischen Ad-hoc-Modul zu erfragen, das für den Zeitraum eines Jahres eingefügt werden soll. Der allgemeine Hauptschwerpunkt des künftigen ECHP sind Lebensbedingungen und soziale Ausgrenzung. Da eines der zentralen Themen der Diskussion über das lebenslange Lernen dessen Beitrag zu aktiver Staatsbürgerschaft und sozialer Einbeziehung ist, kann das neue ECHP für Fragen herangezogen werden, die einen Zusammenhang zwischen Bildung und Lernen einerseits und Problemen der sozialen Ausgrenzung andererseits herstellen. Einschränkungen: 66. Zurzeit ist nicht geplant, das geografische Coverage des ECHP auf die beitrittswilligen Länder auszuweiten. 67. Das ECHP ist eine relativ neue Erhebung, und der Umfang der Datenanalyse, insbesondere im Bereich allgemeine und berufliche Bildung, ist recht begrenzt. 68. Die Stichprobengröße des ECHP ist klein, verglichen mit LFS. Es sollte nur dann als Quelle herangezogen werden, wenn keine Informationen aus anderen Quellen (insbesondere LFS) vorliegen. 30 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat EU-SILC: Der Nachfolger des Haushaltspanels (2003): 69. Das neue Europäische Haushaltspanel mit dem Namen EU-SILC (EU Statistics on income and living conditions - EU-Statistiken über Einkommen und Lebensbedingungen) soll nach dem Jahr 2002 implementiert werden. Es soll auf folgender Grundlage entwickelt werden: (a) Bedürfnisse der künftigen Benutzer, (b) bisherige Erfahrungen mit dem Europäischen Haushaltspanel, (c) Harmonisierung von Konzepten und Variablen. Dieses Instrument: • wird qualitativ hochwertigen Querschnittsdaten Priorität einräumen, • wird eine begrenzte Längsschnittdimension aufweisen, wobei der Schwerpunkt auf Einkommensindikatoren und einigen Indikatoren zur sozialen Ausgrenzung liegt, während • Zeitnähe eine Priorität darstellen wird. 70. Die EU-SILC sollten die EU-Referenzquelle für Einkommen und soziale Ausgrenzung werden. Es ist eine Verordnung betreffend EU-SILC geplant, doch sollte sie flexibel bleiben, um so viele vorhandene Erhebungen/Register nutzen zu können, wie möglich. Bildung und Grundausbildung, Informationen über das lebenslange Lernen, Sprachkenntnisse, Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie selbst eingeschätzte Fähigkeiten sollen in den Kernteil der Erhebung aufgenommen werden. Ein Adhoc-Modul mit detaillierten Informationen zu Ausbildungsfragen könnte der Erhebung in regelmäßigen Abständen (beispielsweise alle drei Jahre) hinzugefügt werden. 4. Ein neues Konzept 4.1 Der Lernende im Mittelpunkt 71. Wie oben bereits erwähnt, liegt der Schwerpunkt des lebenslangen Lernens auf dem Individuum, d. h. dem Lernenden selbst. Es sollte jedoch auf das Risiko hingewiesen werden, das mit einer Verlagerung von dem alten Diskurs über die Bildung auf den neuen Diskurs über das Lernen verbunden ist. Aus genau diesem Grund sollten sowohl die formelle und nicht-formelle Bildung (beabsichtigt und organisiert) als auch das beabsichtigte informelle Lernen36 Berücksichtigung finden, und die bisher gesammelten Informationen in Bezug auf das Bildungssystem, möglicherweise bei gewissen Verbesserungen, um der Notwendigkeit einer Perspektive des lebenslangen Lernens Rechnung zu tragen, sollten nicht unterbewertet werden. 72. Welche Fragen sind unter diesem Gesichtspunkt für lebenslange Bildung und lebenslanges Lernen relevant? Folgende Liste enthält einige: • • • • Welche Art Bildungsgänge oder Lernaktivitäten sind vorhanden? Wo? Wann? Für wen? Wer sind die Organisatoren/Anbieter/Verkäufer/Käufer von Bildungsgängen und Lernaktivitäten? Wer sind die Lernenden? (Geschlecht, Altersgruppe, sozioökonomisches Profil, Präferenzen) Auf welche Weise nehmen sie an Bildungsmaßnahmen und Lernaktivitäten teil? (Zugang, Abschluss, Lernen) • Was sind die Auswirkungen (Ergebnisse) der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen und Lernaktivitäten in Bezug auf Beschäftigungssituation, Status, Karriere sowie politisches Denken und Handeln des Individuums? • Warum nehmen potenzielle Lernende nicht an Bildung und Lernen teil? 73. Darüber hinaus besteht Bedarf an Informationen über die Angemessenheit der in Bildung und Lernen investierten Humanressourcen, die finanziellen und materiellen Ressourcen sowie über deren Nutzung für die Erreichung der Lernziele, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Systembasierte Daten sollten ergänzt/bereichert werden durch auf den Lernenden ausgerichtete Daten, die auch den Bedürfnissen in puncto formelles, nicht-formelles und informelles Lernen Rechnung tragen. Um die meisten der in den vorangegangenen Absätzen angesprochenen Punkte zu erfassen, bei denen Lücken vorhanden sind, scheint eine gezielte Erhebung zum lebenslangen Lernen ein idealer Ansatz zu sein. Mehrere alternative Quellen könnten außerdem herangezogen werden, um alle Dimensionen des lebenslangen Lernens zu berücksichtigen. 4.2 Entwicklung einer europäischen Erhebung zur Erwachsenenbildung 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 31 INHALT eurostat 74. Ausgehend von den Erfahrungen, die bei der Entwicklung des Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen für LFS 2003 sowie bei ähnlichen und parallelen Arbeiten auf internationaler Ebene37 gesammelt wurden, ist der nächste Schritt zu einer Erhebung zum lebenslangen Lernen eine harmonisierte Erhebung zur Erwachsenenbildung/Adult Education Survey (AES). Die Zielgruppe einer solchen Erhebung wären Personen im Alter 16 Jahre und darüber, und der Referenzzeitraum sollte ein Jahr sein. Fragen über die Lernaktivitäten auch jüngerer Menschen (bis ins Kleinkindalter) könnten zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt werden, um eine vollständige Erhebung zum lebenslangen Lernen zu erhalten, die das Lernen während des gesamten Lebens eines Individuums erfasst. Die vorgeschlagene EU-AES würde auch Informationen über folgende Aspekte enthalten (transversale Aspekte der formellen und nicht-formellen Bildung und des informellen Lernens): ÜBER DAS INDIVIDUUM Demografische Daten Alter, Geschlecht, Nationalität/Staatsangehörigkeit/ethnische Zugehörigkeit/Hauptwohnsitz, Bildungs- und Sozialprofil familiäre Situation (Arbeit, Kinder, Betreuung) Bildungsniveau (Bildungs- und Ausbildungsstufe und -feld), Bildungshintergrund der Eltern Behinderung (körperlich, geistig-seelisch) Arbeitsmarktinformationen Beschäftigungssituation (angestellt, arbeitslos, nicht erwerbstätig, selbständig, freiwillige/ehrenamtliche Tätigkeit) derzeitige/letzte Arbeitsstelle (einschließlich Beschäftigungskategorie) Arbeitgeber/Unternehmen (NACE-Sektor, Größe) Einkommen Andere persönliche Informationen Selbst eingeschätzte Fähigkeiten (Kenntnis digitaler Systeme und Vertrautheit mit IKT, Fremdsprachenkenntnisse) Soziales/staatsbürgerlichesngagement TEILNAHME/ZUGANG Häufigkeit Teilnahme (Zahl der Ereignisse) Umfang Zeit, die für Bildung und Lernen aufgebracht wird (Umfang) während/außerhalb der Arbeitszeit Unbefriedigte Bedürfnisse Bewusste persönliche Bedürfnisse (Notwendigkeiten und Interessen) Zugang/Hindernisse/Chancengleichheit Bewusste Hindernisse für eine Teilnahme Transparenz der Lernangebote (Informationen und Beratung/Orientierung) 32 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat MERKMALE DER JEWEILIGEN AKTIVITÄT Inhalt Art der Lernaktivität, Fachbereich, Zweck/Zielsetzung Stellung im nationalen Bildungssystem (für die formelle/nicht-formelle Bildung) Anerkennung der Lernergebnisse Umfang Dauer Merkmale des Angebots Art des Anbieters Subjektive Beurteilung der Aktivität Bewusste Motive (berufsbezogen, gesellschaftlich, persönlich) Bewusste Vorteile (berufsbezogen, gesellschaftlich, persönlich) Finanzierung Quelle der finanziellen Unterstützung (öffentlich, Arbeitgeber, Einzelperson, der Lernende) 75. Um dieses Konzept umzusetzen, müssen entsprechende methodologische Werkzeuge entwickelt werden: eine spezifische Klassifikation der Lernaktivitäten (die u. a. die vorhandenen Klassifikationen im Bereich allgemeine und berufliche Bildung38, die überarbeiteten, auf Bildungsleistungen und -produkte ausgeweiteten Klassifikationen der Wirtschaftssektoren39, die für Zeitbudgetstatistiken zu verwendenden Bildungsklassifikationen sowie die im Rahmen des Leonardo-I-Projekts entwickelte Klassifizierung der Träger der beruflichen Bildung in Europa 40 berücksichtigen sollte); eine Typologie der Lernhindernisse und eine Typologie der erwarteten Ergebnisse (berufsbezogen, gesellschaftlich und persönlich). 76. Die europäische Erhebung zum lebenslangen Lernen sollte so gestaltet sein, dass eine Studie über die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen (bildungspolitisch und sozial benachteiligte Personen, Jugendliche usw.) durchgeführt werden kann. Es sollte ferner möglich sein, hinsichtlich des sozioökonomischen Hintergrunds verschiedene Typen zu unterscheiden und dabei die Arbeiten im Zusammenhang mit der europäischen sozioökonomischen Klassifikation zu berücksichtigen. 77. Eine ideale Konzeption für eine solche Erhebung wäre eine Kette von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Modulen, die allmählich als Ad-hoc- oder Standardmodule entwickelt und in vorhandene Erhebungen einbezogen werden können. Obwohl ein solcher Ansatz vernünftig klingt, ist seine praktische Umsetzung eine sehr komplexe Angelegenheit, und die Realisierbarkeit einer solchen Lösung sollte erwiesen sein, bevor das ESS in einem solchen Szenario tätig wird. Bereits das Ad-hoc-Modul zum lebenslangen Lernen für LFS 2003, mögliches erstes Glied einer solchen Kette, wird Gelegenheit bieten, die erforderlichen Methoden zu entwickeln und einige der Begriffe und Definitionen zu testen. 78. Die Zeit kann als eine vereinheitlichende Dimension verwendet werden, auch in der Erhebung zur Erwachsenenbildung, um festzustellen, welche Bedeutung die Menschen dem Lernen in ihrem Leben beimessen. Jedoch liefert uns die in eine Lernaktivität investierte Zeit keinerlei Informationen über die Qualität oder Ergebnisse dieser Aktivität, ein Aspekt, der nicht übersehen werden sollte41. 4.3. Informationen über Investitionen in die Humanressourcen 79. Um mehr Informationen über die - in Form von Zeit und Geld getätigten - Investitionen in die Entwikklung der Humanressourcen zu erhalten, wäre Folgendes zu tun: • Harmonisierte Informationen über die von Einzelnen in das Lernen investierte Zeit (beispielsweise mit Hilfe einer Zeitbudgetstatistik); diese Informationen müssen mit kontextbezogenen Informationen über Arbeitszeitgestaltung, Kinderbetreuungsmöglichkeiten usw. kombiniert werden, um die Lernhindernisse in Bezug auf die verfügbare Zeit zu bewerten; • Harmonisierte Informationen über Aufwendungen der privaten Haushalte für Bildungsleistungen und produkte mit Hilfe von Erhebungen über Wirtschaftsrechnungen der privaten Haushalte; 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 33 INHALT eurostat • Eine veränderte Erfassung der öffentlichen Bildungsausgaben in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, und zwar als Investitionsausgaben, statt als laufende Aufwendungen; Entwicklung von Satellitenkonten für Bildung, die mehr als nur die Ausgaben für die formelle Bildung erfassen; Aufnahme von Aufwendungen für eine Infrastruktur des lebenslangen Lernens (z. B. Kommunikationsnetze und Lernzentren) in die Analyse; • Investitionen in die Entwicklung der Humanressourcen (strukturelle Unternehmenserhebung, Erhebung zu den Arbeitskosten); Investitionen der Unternehmen in die Ausbildung sollten als immaterielle Investitionen betrachtet und auch in den Statistiken genauso behandelt werden wie Investitionsausgaben; • Verbesserte Erfassung der Bildung als Wirtschaftstätigkeit in der Unternehmensstatistik und in der Statistik zur Informationsgesellschaft, um so das Angebot an Bildungsleistungen und -produkten sowie ihren Marktwert zu evaluieren (Entwicklung von Inhalten, Orientierungsdienste, Produktion von Lehrund Lernmaterial). 4.4. Alternative Quellen 80. Zusätzliche alternative Quellen könnten außerdem hinzugezogen werden. Es sollte eine Einbeziehung von Kulturstatistik-Modulen in Erwägung gezogen werden (werden zurzeit von Eurostat in Zusammenarbeit mit der GD Bildung und Kultur, der UNESCO und den Mitgliedstaaten entwickelt), die unterschiedliche Aktivitätenarten abdecken, wie pädagogische audiovisuelle Medien, Bildungsreisen, kulturelle Erlebnisse usw. 81. Außerdem könnten die Verwaltungsstrukturen genutzt werden, die für die Umsetzung der Strategie der Europäischen Union zum lebenslangen Lernen geschaffen wurden. Solche Strukturen sollten bereits von ihrer Konzeption her eine Komponente für die statistische Analyse einschließen, die für die Überwachung und Evaluierung der in Bezug auf die vorbestimmten Ziele erreichten Fortschritte verwendet werden würde und die die Beschaffung von Informationen und statistischen Daten an der Quelle ermöglichen würde. Das Eurobarometer könnte eine weitere nützliche Quelle darstellen, insbesondere für alle subjektiven Daten in den Fällen, in denen keine anderen statistischen Quellen verfügbar sind. Dieses Werkzeug könnte wahrscheinlich, obwohl es sich dabei um eine Meinungsumfrage und nicht um eine statistische Erhebung handelt, benutzt werden, um die Formulierung oder Reihenfolge ziemlich subjektiver Fragen zu testen (beispielsweise über unbefriedigte Lernbedürfnisse, wo die Quelle das Individuum ist), bevor eine Piloterhebung oder die eigentliche Erhebung durchgeführt wird. 82. Einige dieser Entwicklungen sind eindeutig langfristige Zielsetzungen. Auf der Grundlage der Erfordernisse der politischen Entscheidungsfindung müssen die notwendigen Entwicklungen nach Prioritäten geordnet werden, wobei mit jenen zu beginnen ist, die zu einer Verbesserung der vorhandenen Werkzeuge führen können. 5. Schlussfolgerungen und Empfehlungen 83. Auch wenn einige statistische Informationen über das lebenslange Lernen bereits vorliegen, gibt es dennoch erhebliche Lücken, die bei jedem Schritt hin zu einer konkreten Politik deutlich werden. Der Begriff des lebenslangen Lernens ist enorm umfassend und lässt sich nur eingehender untersuchen, wenn die vorrangig zu erfassenden Themen genau festgelegt sind. Wir sollten aber auch begreifen, dass sich bestimmte Aspekte einfach nicht messen lassen. Statistische Informationen müssen durch kontextbezogene Informationen ergänzt werden, um unser Verständnis und unsere Kenntnis des Lernprozesses zu vertiefen und die entsprechenden Ergebnisse zu den bestmöglichen Strategien in Beziehung zu setzen. Es ist wichtig, eine Übereinkunft über die Prioritäten für das lebenslange Lernen zu erzielen und ihre Operationalisierung, was die statistischen Erfordernisse anbelangt, zu diskutieren. Sobald dieser Prozess einmal eingeleitet ist, können Benchmarks festgesetzt werden, die eine Evaluierung der Fortschritte hin zu genau festgelegten Ziele ermöglichen.xix 5.1 Schlussfolgerungen Die TFMLLL ist zu folgenden Schlussfolgerungen gekommen: 1) Lebenslanges Lernen ist ein sehr umfassender Begriff, also sollten nur klar abgegrenzte Gebiete von politischem Interesse gemessen werden, beispielsweise Erwachsenenbildung, Schulen der zweiten Chance, formelle Bildung und lebenslanges Lernen, Weiterbildung für benachteiligte Gruppen, Erziehung im Kleinkindalter usw. 34 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat 2) Das gesamte Potenzial der vorhandenen ESS-Quellen muss untersucht werden; sie müssen überprüft und erforderlichenfalls unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernen überarbeitet werden. 3) Es sollten die Investitionen in das Lernen, sowohl zeitlicher als auch finanzieller Art, gemessen werden. Jedoch werden zusätzliche Informationen benötigt, um die Qualität des lebenslangen Lernens zu bewerten. 4) Neue Klassifikationen/Typologien sind nötig, um die neu entstehenden Bedürfnisse zu befriedigen. Zum Beispiel scheint eine Klassifikation der Lernaktivitäten, die das informelle Lernen berücksichtigt, erforderlich zu sein. 5) Die beste Informationsquelle im Bereich des lebenslangen Lernens ist anscheinend das Individuum, und die beste Lösung, den größten Teil des Informationsbedarfs abzudecken, scheint eine gezielte harmonisierte Haushaltserhebung zum lebenslangen Lernen. Der nächste Schritt in Richtung auf eine solche Erhebung wäre eine europäische Erhebung zur Erwachsenenbildung. Die Kostenwirksamkeit dieser Lösung sollte sorgfältig bewertet werden. 6) Der vorliegende Bericht befasst sich nicht mit Fragen wie der direkten Bewertung von Fähigkeiten oder spezifischen Arten von Erhebungen (z. B. Erhebungen über Jugendliche, Erhebungen über Schulabbrecher, an Schulen durchgeführte Erhebungen usw.), da Eurostat an derartigen Aktivitäten auf internationaler Ebene zurzeit nicht beteiligt ist. Dennoch können diese Aktivitäten längerfristig möglicherweise für das Europäische Statistische System untersucht werden. 5.2 Empfehlungen – nächste Schritte Folgender Aktionsplan wird für das ESS vorgeschlagen. A: LFS 1: Entwicklung des Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen (2001) für LFS 2003 Erste Priorität für das Jahr 2001 hat die Entwicklung des Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen für LFS 2003. Im Rahmen der Erarbeitung dieses Moduls sollten harmonisierte Listen der Lernaktivitäten und der Hindernisse, die den Zugang zu Möglichkeiten des lebenslangen Lernens erschweren, erstellt werden. 2: Überprüfung der LFS-Kernfragen zur allgemeinen und beruflichen Bildung (2002) Die aus der Entwicklung dieses Moduls gezogenen Lehren sollten für eine Neubewertung und Verbesserung der LFS-Standardfragen über die allgemeine und berufliche Bildung genutzt werden. Hinweis: Ein wichtiger Akteur bei der Umsetzung oben beschriebener Aktionen ist die Untergruppe der Arbeitsgruppe Statistiken über die allgemeine und berufliche Bildung, die sich auf den Bereich „Bildung in der Arbeitskräfteerhebung“ (LFS-E) konzentriert. Der Indikatorenbedarf muss in Absprache mit auf Indikatoren spezialisierten Expertengruppen festgelegt werden, wie der Indikatorengruppe des Beschäftigungsausschusses (GD Beschäftigung). B: Das Europäische Haushaltspanel (ECHP) und sein Nachfolger (2000-2001) 1. ECHP 1993-2002) Die Berechnung von Indikatoren und die Evaluierung der Fragen zur allgemeinen und beruflichen Bildung die im derzeitigen ECHP bereits enthalten sind; Analyse, Fehler und Lektionen für künftige Erhebungen 2. EU-Statistiken über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) Mit der Einbeziehung von Fragen zum Thema Bildung und Lernen in das neue Europäische Haushaltspanel sollte es möglich sein, die persönlichen und gesellschaftlichen Ergebnisse des Lernens zu bewerten. Das neue Panel sollte 2003 in Angriff genommen werden. C: Überprüfung vorhandener Verwaltungsquellen unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens (2001) 1: UOE Die Hauptaufgabe in diesem Zusammenhang ist in Bezug auf UOE die Klärung des Coverage und der Kapazität dieser Datensammlung, Informationen über flexible Formen der Bildung (modulare Programme, offener und Fernunterricht usw.) zu erheben. Hinweis: Diesbezügliche Beschlüsse sollten von allen drei Organisationen und ihren Mitgliedstaaten übernommen werden. Ein wichtiger Akteur in dieser Diskussion ist für das ESS die UOE-Untergruppe der Arbeitsgruppe Statistiken über die allgemeine und berufliche Bildung. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 35 INHALT eurostat 2: Datensammlung zur beruflichen Bildung (VET) Für VET sollte die Positionierung von Berufsbildungsinformationen innerhalb des Rahmens des lebenslangen Lernens untersucht werden (einschließlich eines Abgleichs der Ergebnisse mit den Ergebnissen von UOE, LFS, CVTS). Hinweis: Ein Vorschlag über die künftige Nutzung von VET wird bis Ende 2000 vorliegen. Er wird dann mit den Mitgliedern der VET-Untergruppe und mit CEDEFOP diskutiert, und der Datensammlung wird ein neuer Platz innerhalb des LLL-Rahmens zugewiesen. D. Klassifikation der Lernaktivitäten (2001-2002) Es sollte eine Klassifikation der Lernaktivitäten, die das informelle Lernen berücksichtigt, entwickelt werden. Ein solcher Beschluss sollte vom Ausschuss für das Statistische Programm gefasst werden. Die Möglichkeit, kulturelle Aktivitäten mit in diese Klassifikation einzubeziehen, sollte untersucht werden. In der Zwischenzeit sollte eine harmonisierte Liste der Aktivitäten entwickelt werden, die bei unterschiedlichen ESS-Erhebungen zu verwenden ist. E. Erhebung zur beruflichen Weiterbildung - CVTS (2001-2002) Evaluierung und Analyse der CVTS2-Daten, um den Inhalt späterer Erhebungen über die berufliche Weiterbildung zu verbessern, indem die derzeitigen Erfordernisse im Bereich der betrieblichen Weiterbildung berücksichtigt werden. F. Europäische Erhebung zur Erwachsenenbildung - AES (2002) Die Gestaltung eines europäischen Fragebogens zur Erwachsenenbildung, der für eine europäische Erhebung zu verwenden ist, sollte als mittel- bis langfristige Aufgabe betrachtet werden. Die Notwendigkeit und die Realisierbarkeit einer solchen Erhebung sollten vom Ausschuss für das Statistische Programm evaluiert werden. 2002 soll ein Vorschlag erarbeitet werden, der die Entwicklung eines Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen für LFS, das vom OECD INES Netzwerk B in Zusammenarbeit mit Eurostat entwickelte Weiterbildungsmodul und die Entwicklung des Bildungsteils von EU-SILC berücksichtigt. G. Untersuchung anderer ESS-Quellen (2001- ) Es sollte die Möglichkeit untersucht werden, die allgemeine und berufliche Bildung expliziter in andere Eurostat-Bereiche, beispielsweise in die Zeitbudgetstatistik oder die strukturelle Unternehmenserhebung, aufzunehmen. Es lassen sich keine genauen Zeitpläne nennen, da die Zeitplanung von den Eurostat-Arbeitsprogrammen in anderen Bereichen und von der Priorität abhängt, die der allgemeinen und beruflichen Bildung in diesen Zusammenhängen beigemessen wird. Die oben genannten Aktionen werden hier für die nächsten beiden Jahre (2001-2002) nach Prioritäten aufgeführt: Februar 2001-Juni 2001 A1: Entwicklung des Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen (2001) für LFS 2003 C2: VET - Überprüfung G. Untersuchung anderer ESS-Quellen.(2001- ) Juli 2001-Dezember 2001 A1: Entwicklung des Ad-hoc-Moduls zum lebenslangen Lernen (2001) für LFS 2003 B2. EU-Statistiken über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) C1: UOE - Überprüfung C2: VET - Überprüfung B1.ECHP (1993-2002) G. Untersuchung anderer ESS-Quellen (2001- ) Januar 2002 - Dezember 2002 A2: Überarbeitung der LFS-Kernfragen über die Bildung (2002) C1: UOE - Überprüfung E. Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (2001-2002): Empfehlungen für die Zukunft F. Europäische Erhebung zur Erwachsenenbildung.(2002) G. Untersuchung anderer ESS-Quellen (2001- ) 36 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat 5.3 Das letztendliche Ziel: Aufbau eines integrierten statistischen Informationssystems 84. Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass ein integriertes Überwachungssystem erforderlich ist. Ein solches System war das Ziel eines Projekts für Systeme zur Erfassung von Bildungs- und Ausbildungskonten im Rahmen des Programms Leonardo da Vinci I (System of Education and Training Accounts – SETA); die Schlussfolgerungen des SETA-Projekts sind über das Internet zugänglich43. Das Projekt untersuchte die Möglichkeit, Informationen über Teilnahmequoten aus unterschiedlichen Quellen zu kombinieren. Der Abschlussbericht schlägt Wege vor, Daten für jedes Land zusammenzustellen, und gibt einige methodologische Hinweise, auch wenn er keine allgemein gültige Lösung anbieten kann. Die Ergebnisse dieses Projekts müssen auf der Grundlage der ISCED97-Implementierung sowohl in den institutionellen Datensammlungen als auch in den Haushaltserhebungen sowie auf der Grundlage des neuen LFS-Fragebogens und der CVTS2-Methoden neu bewertet werden. 85. Borkowsky schlägt ferner ein „integriertes System der Statistiken über die allgemeine und berufliche Weiterbildung“44 oder ein „Weiterbildungskonto“ vor. In diesem System „wäre die Grundeinheit die Teilnahmestunde und die Hauptquelle das Individuum“. Diese Begriffe beziehen sich auf Haushaltserhebungen und Panelerhebungen. Ein Problem kann in diesem Fall das mangelnde Coverage darstellen, da jüngere und ältere Menschen, die in Einrichtungen leben, normalerweise nicht erfasst werden, obwohl die eigentlich erfasste Bevölkerung für gewöhnlich zwischen 16 und 64 Jahre alt ist. Als Lösung wird vorgeschlagen, ein Standard-Weiterbildungsmodul in Vehikelerhebungen aufzunehmen, die dafür gedacht wären, international vergleichbare Daten für Schlüsselindikatoren zur Weiterbildung zu erhalten, einschließlich Daten über den Grad der Teilnahme an der Weiterbildung, die Intensität (Dauer) der Teilnahme, die Träger von Weiterbildungsmaßnahmen, Anreize und Hindernisse für eine Teilnahme sowie wichtige Formen der Teilnahme (wie formell versus informell, obligatorisch versus freiwillig). 86. Für Eurostat besteht das letztendliche Ziel des Versuchs, das lebenslange Lernen zu messen, darin, ein integriertes europäisches statistisches Informationssystem/European Statistical Information System (ESIS) zum Thema Bildung und Lernen aufzubauen. Damit sollte es möglich werden, Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu kombinieren, um verschiedene Aspekte des lebenslangen Lernens zu beleuchten. Statistische Informationen müssen immer durch kontextbezogene Informationen ergänzt werden, um unser Verständnis und unsere Kenntnis des Lernprozesses zu vertiefen und die entsprechenden Ergebnisse zu den bestmöglichen Strategien in Beziehung zu setzen. 8.7. Einige dieser Entwicklungen sind eindeutig langfristige Zielsetzungen. Auf der Grundlage der Erfordernisse der politischen Entscheidungsfindung müssen die notwendigen Entwicklungen nach Prioritäten geordnet werden, wobei mit jenen zu beginnen ist, die zu einer Verbesserung der vorhandenen Werkzeuge führen können. Das Ziel sollte darin bestehen, die Interessen und Bedürfnisse der unterschiedlichen an der Umsetzung des lebenslangen Lernens beteiligten Akteure so zu kombinieren, dass diese unbestreitbar komplexe Realität angemessenen dargestellt und überwacht werden kann. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 37 INHALT eurostat Liste der Mitglieder der Taskforce zur Messung des Lebenslangen Lernens Sachverständige aus den Mitgliedstaaten Deutschland Herr Walter Hörner (Statistisches Bundesamt) Herr Rainer Wilhelm (Statistisches Bundesamt) Niederlande Herr Dick Takkenberg (Centraal Bureau voor de Statistiek) Herr Max van Herpen (Centraal Bureau voor de Statistiek) Portugal Herr Vitor Cabeço (Ministério da Educação – DAPP) Finnland Frau Irja Blomqvist (Statistik Finnland) Herr Hannu Virtanen (Statistik Finnland) Vereinigtes Herr Peter Vallely (Department for Education and Employment) Königreich Herr Tim Thair (Department for Education and Employment) Eingeladene Sachverständige Frau Anna Borkowsky Statistisches Bundesamt - Schweiz Herr Karsten Kuehl Statistik Dänemark Herr Eivind Hoffmann Internationales Arbeitsamt CEDEFOP Frau Pascaline Descy Eurydice Europa-Referat Frau Patricia Wastiau-Schlüter CEIES Frau Ineke Stoop UNESCO Institute for Statistics (UIS) Herr S.K.Chu OECD Herr Jean-Luc Heller Europäische Kommission GD Bildung und Kultur Frau Lynne Chisholm Herr Ettore Marchetti GD Beschäftigung Herr Yannis Drymoussis GD Forschung Frau Godelieve Van den Brande Eurostat Herr Michail Skaliotis Herr Spyridon Pilos Herr Joaquim Silva Pereira Herr Alois Van Bastelaer Frau Anne-France Mossoux 38 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Endnoten 1 Artikel 149 und 150 des Amsterdamer Vertrags 2 Das ESS ist ein Netz sämtlicher staatlicher Stellen, die auf den verschiedenen Ebenen - auf regionaler, nationaler und Gemeinschaftsebene - für die Erstellung, Verarbeitung und Verbreitung der statistischen Informationen verantwortlich sind, die für das wirtschaftliche und soziale Leben der Gemeinschaft benötigt werden. Der Abschnitt „Bildung“ des ESS umfasst nicht nur die fünfzehn EU-Mitgliedstaaten, sondern auch die verbleibenden EFTA-Länder, die Beitrittsländer Mittel- und Osteuropas wie auch die südosteuropäischen Länder. Den Mittelpunkt des europäischen statistischen Systems der Gemeinschaft bildet Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften. 3 Jedes Jahr erstellt die Kommission auf der Grundlage der entsprechenden nationalen Berichte einen Bericht über die Fortschritte, die in Bezug auf die beschäftigungspolitischen Leitlinien erzielt wurden. Der gemeinsame Bericht 2000 und die Leitlinien für 2001 verweisen ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer Entwicklung von Indikatoren, insbesondere im Bereich des lebenslangen Lernens. 4 http://europa.eu.int/comm/education/lifeindex.html 5 Die Schlussfolgerungen der Sondersitzung des Europäischen Rats vom 23. und 24. März 2000 in Lissabon enthalten (Absatz 36) die Forderung, dass in den jährlichen zusammenfassenden Berichten Strukturindikatoren genannt werden. 6 KOM (2000) 48 http://europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/info_soc/news/en.pdf 7 KOM (2000) 318 endg. « eLearning - Gedanken zur Bildung von morgen » 8 Der neue europäische Bericht über Qualitätsindikatoren in der Bildung, um den die Minister von 26 europäischen Ländern 1998 in Prag gebeten haben, enthält 16 Indikatoren zur Qualität der Bildungssysteme aus 26 europäischen Ländern. Der Bericht soll als Ausgangspunkt für Diskussionen dienen, die bei der nationalen Evaluierung von Schulstandards in ganz Europa behilflich sein sollen. Sie finden ihn unter: http://europa.eu.int/comm/education/indic/rapinen.pdf 9 Jährliche gemeinsame Datenerhebung von UNESCO, OECD und Eurostat für Statistiken über Studierende, Lehrkräfte, Graduierte, Bildungsausgaben; Hauptschwerpunkt: reguläres Bildungssystem. 10 Jährliche Eurostat-Erhebung von statistischen und kontextbezogenen Informationen zur beruflichen Erstausbildung; umfasst Daten über Lehrlingsausbildung, finanzielle Aspekte und arbeitsbasierte Programme. 11 Die Arbeitskräfteerhebung der Gemeinschaft ist eine vierteljährlich durchgeführte harmonisierte StichprobenErhebung zur Situation der Arbeitskräfte in Europa; sie ist eines der wichtigsten Instrumente zur Messung der Beteiligung an Bildung und Berufsbildung sowie des Bildungsniveaus der Erwachsenenpopulation (15 Jahre und darüber). Die Fragen zur Bildungsbeteiligung wurden kürzlich aktualisiert. 12 Das Haushaltspanel der Europäischen Gemeinschaft ist eine jährlich durchgeführte Erhebung, die jeweils Daten über dieselbe Gruppe von Menschen (d. h. über das Panel) zusammenstellt, was eine Längsschnittanalyse ihrer Merkmale ermöglicht; das größte Problem dabei ist, dass der Stichprobenumfang sehr gering ist, so dass viele der Informationen über Bildung, Einstellungen und soziale Lage nicht mit sehr hohem Detaillierungsgrad kombiniert werden können. 13 Die Erhebung zur berufliche Weiterbildung (CVTS) ist eine Ad-hoc-Erhebung von Eurostat, die bisher zweimal (1994 und 2000) durchgeführt wurde; sie stellt Angaben von Unternehmen über die Ausbildung, die sie ihren Beschäftigten anbieten, zusammen. 14 Die Erhebung über Wirtschaftsrechnungen der privaten Haushalte ist eine jährlich durchgeführte Eurostat-Erhebung; die Gliederungstiefe der Bildungsausgaben gestattet keine eingehende Analyse der Ergebnisse. 15 Der International Adult Literacy Survey wurde zwischen 1994 und 1998 mindestens einmal in einer Reihe von Ländern durchgeführt. Die Daten wurden von Statistics Canada und der OECD veröffentlicht. 16 Der Third International Mathematics and Science Survey war eine an Schulen durchgeführte Erhebung der International Association for Educational Assessment (IEA- ...) in (...). Eine neue TIMSS-Erhebung ist in Vorbereitung. 17 Das Programme for International Student Assessment wird im Jahr 2000 erstmals durchgeführt; es ist eine an Schulen durchgeführte OECD-Erhebung, die 2003 und 2006 wiederholt werden soll; an der ersten PISA-Erhebung nehmen alle EU-Mitgliedstaaten teil. 18 International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA: http://www.iea.nl/) 19 http://www2.hu-berlin.de/empir_bf/iea_e.html 20 Abschlussbericht der Leadership Group (LEG) über Kulturstatistiken http://forum.europa.eu.int/Public/irc/dsis/cvts/library?l=/cultural_statistics/final_report/final_report&vm=detailed&sb=Title 21 Siehe Beschäftigungspolitische Leitlinien 2001 und Bericht an den Rat von Köln „Common indicators for monitoring Guidelines“, Dok. des Rates 8745/1/99 rev1, 31. Mai 1999 sowie das „Memorandum über lebenslanges Lernen“. 22 Die Begriffe „informelle“ und „formelle“ Lerntätigkeiten, die in dieser politischen Definition verwendet werden, sind nicht mit den üblicherweise für die Verwendung in LLL-Statistiken definierten Begriffen weiter hinten in diesem Abschnitt identisch. Der politische Begriff „informelle Lerntätigkeiten“ umfasst sowohl die „nicht-formelle Bildung“ als auch das „informelle Lernen“. 23 ISCED 97, Abs. 9 - Definition der Bildung 24 ISCED 97, Abs. 11 - Definition der Bildung 25 Bericht der Ad-hoc-Gruppe des Netzwerks B, die zum Thema lebenslanges Lernen arbeitet und Vorschläge für die Entwicklung von Indikatoren formuliert, Juli 1999. 26 Diese Tabelle ist eine bearbeitete Fassung der im „Manual on NFE“ vorgeschlagenen Kriterien. Die zusätzlichen Kriterien für die formelle Bildung in Bezug auf Vollzeit-Anwesenheit und Alterszielgruppe (6-25) wurden fallen gelassen, da sie als der heutigen Situation nicht angemessen betrachtet wurden. Es muss darauf hingewiesen werden, dass sogar diese bearbeitete Kriterienliste nicht alle konzeptionellen oder operativen Zweideutigkeiten und Vielschichtigkeiten beseitigt, doch bildet sie einen systematischen Ausgangspunkt zur Unterscheidung verschiedener Lern- und Lehrbereiche. 27 http://www.europa.eu.int/comm/education/leonardo/leonardoold/stat/trainingstatis/areas/area6.html 28 Das ist die Frage, die der Diskussion über das Coverage der UOE-Datensammlung zugrunde liegt. 29 NACE= Klassifikation der Wirtschaftszweige/CPA= Güterklassifikation im Zusammenhang mit den Wirtschaftszweigen 30 Hörner Walter – Ruß Ingo, Monitoring lifelong learning - towards the construction of indicators (Mai 2000) 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 39 INHALT eurostat 31 Borkowsky Anna, Indicators on Continuing Education and Training. (September 2000) 32 Vorhandene Quellen, die im Rahmen des neuen in Abschnitt 4 genannten Ansatzes verwendet werden könnten (TUS, HBS, SBS etc.), sind in dieser Tabelle nicht enthalten. 33 VET-Definition 34 CVTS2-Definition 35 http://europa.eu.int/comm/education/leonardo/leonardoold/stat/trainingstatis/areas/area7.html 36 TFMLLL-Definition 37 Das Netzwerk B der OECD mit dem Schwerpunkt auf arbeitsmarktrelevanten Ergebnissen der Bildung wird parallel zu und in enger Zusammenarbeit mit Eurostat ein breiter angelegtes Modul zur beruflichen Weiterbildung Erwachsener entwickeln, das in „Träger“- Erhebungen aufgenommen werden soll. 38 Klassifikation auf der Grundlage der ISCED97, gemeinsam entwickelt von Eurostat, OECD und UNESCO. 39 NACE/CPA 40 Die Klassifizierung der Träger der beruflichen Bildung in Europa wurde 1999 im Rahmen des Programms Leonardo da Vinci fertiggestellt. Sie finden sie unter: http://europa.eu.int/comm/education/leonardo/leonardoold/stat/trainingstatis/areas/area6.html. 41 Siehe zum Beispiel den europäischen Bericht über die Qualität der Schulbildung http://europa.eu.int/comm/education/indic/backen.html 42 Ein Beispiel für einen solchen Ansatz ist die im Zusammenhang mit der Europäischen Beschäftigungsstrategie geleistete Arbeit. Eine vom Beschäftigungsausschuss eingerichtete Expertengruppe hat eine Reihe von Indikatoren definiert, die für die Überwachung der Fortschritte und die Bewertung der Umsetzung der Beschäftigungspolitischen Leitlinien in Bezug auf das lebenslange Lernen (allgemeine und berufliche Bildung) verwendet werden. 43 http://www.europa.eu.int/comm/education/leonardo/leonardoold/stat/trainingstatis/areas/area8.html 44 Zur Keimzelle dieser Ideen siehe auch Borkowsky, Anna (1997). „Switzerland: Growing Demand, Fragmented Responses.“ In: Belanger, Paul & Sofia Valdivielso (Hrsg.) The Emergence of Learning Societies: Who participates in Adult Learning? Pergamon. 40 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat MEASURING LIFELONG LEARNING WIE LÄSST SICH LEBENSLANGES LERNEN MESSEN? Information, Definitionen und Klassifikationen Zum Standpunkt der Produzenten: Beitrag der OECD HELLER Jean-Luc OECD 2 rue André Pascal F- 75775 Paris Cedex 16 FRANCE [email protected] Einleitung Was die statistischen Daten und die Definition der Messinstrumente angeht, tritt die OECD sowohl als Benutzer als auch als Produzent auf. Ein großer Teil der Arbeit des OECD-Sekretariats gilt der Analyse der Situation und der in den Mitgliedstaaten angewandten Politiken und der Publikation der besten Vorgehensweisen und Empfehlungen. Zur Begründung dieser Analysen und der Urteile müssen jedoch zunächst Statistiken und Indikatoren erzeugt werden. Diese Produktion findet innerhalb des Organisationssekretariats statt, wird dann aber auch verbreitet und Außenstehenden zugänglich gemacht. In diesem Sinn ist die Rolle eines Produzenten von statistischen Werten und von Indikatoren zu verstehen. Da es sich um eine zwischenstaatliche Organisation handelt, der heute dreißig Länder in Form einer Vereinigung angehören (darin unterscheidet sich die OECD von anderen internationalen Organisationen bzw. solchen, die in stärkerem Maße in ein gemeinsames Reglement eingebunden sind) nimmt diese Produzentenrolle sehr unterschiedliche Formen an. Sie reicht von der Mitwirkung bei Normen und Klassifikationen, die auf internationaler Ebene zugelassen sind, über die Erfassung und Auswertung vorhandener Daten bis zur direkten oder auch partnerschaftlichen Durchführung internationaler Erhebungen. Dies impliziert ein hohes Maß an vorbereitender konzeptioneller Arbeit sowie nachträglicher Harmonisierung der Ergebnisse. Das Thema „Lebenslanges Lernen“ nahm in allen von der OECD in letzter Zeit durchgeführten Zusammenkünften einen sehr großen Raum ein. Zwischen der Tagung der Erziehungsminister im Jahr 1996 und der jüngsten Tagung im April 2001 wurde vieles klarer, und zugleich traten auch die vielfältigen Dimensionen und Implikationen dieser Orientierung deutlicher zu Tage. Zum einen wurde die politische Bedeutung dieses Themas bestätigt, ja verstärkt und erweitert, und zum anderen traten die Informationsbedürfnisse und -defizite deutlicher hervor. Es besteht eine große Diskrepanz zwischen den Anforderungen bezüglich der Überwachung und Evaluierung der Politiken und der Beschaffung schlüssiger, zuverlässiger und vergleichbarer Indikatoren. Diese Diskrepanz ist umso größer geworden, als die letzten Diskussionen den Begriff noch erweitert haben. Der Wunsch, das lebenslange Lernen in seinen unterschiedlichen Dimensionen zu erfassen, verschärft die ohnehin schon bestehenden Schwierigkeiten bei der Erzeugung schlüssiger Indikatoren. So nehmen die Grauzonen und die Grenzkonflikte zu, während für die Erzeugung qualitativ hochwertiger Indikatoren Investitionen notwendig sind, die erst mittelfristig Früchte tragen werden. Um dem Bedarf an Indikatoren, die eine komparative Darstellung der Situation in den Ländern und die Verfolgung der Fortschritte im Sinne der erklärten Ziele ermöglichen, zu genügen, muss die OECD als Produzent statistischer Daten eine mehrgleisige Strategie verfolgen. Der Vielfalt der Fragen und Bereiche kann nur mit einer entsprechenden Vielfalt der Methoden und Instrumente begegnet werden. Zunächst geht es also um die Annahme gemeinsamer Definitionen und Klassifikationen. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 41 INHALT eurostat Ein weitgehend anerkanntes Diagramm zur Darstellung der zu erfassenden Bereiche und der Informationslücken Das berühmte Zwei-Achsen-Diagramm, das sich inzwischen weitgehend durchgesetzt hat, zeigt am besten, welche Bereiche erfasst werden müssen. Es geht darum, die im gesamten Lebensablauf stattfindenden Lerntätigkeiten zu erkennen: Dies wird auf die erste Achse dargestellt, die von den ersten Lebensjahren bis in das höchste Lebensalter führt. Wie mit Hilfe der zweiten Achse dargestellt, geht es auch um die Erfassung der ganzen Bandbreite der Lerntätigkeiten und ihrer unterschiedlichen Formalisierung, von den strukturiertesten zu den weniger strukturierten. Die Folgen dieses extensiven Verständnisses des lebenslangen Lernens werden im folgenden Diagramm gut dargestellt. Schaubild 1: Lebenslanges Lernen – was man davon weiß O ld p e o p le 2 3 No n -fo r m a l e d u c a t io n N o n -fo r m a l s e t t in g s Fo rm a l s e t t in g 4 Fo rm a l e d u c a t io n 1 Yo u n g p e o p le Die verschiedenen Viertelkreise teilen Bereiche ab, die in sehr unterschiedlichem Maße von Indikatoren und Analysen erfasst sind. Der Viertelkreis der formalisierten Lerntätigkeiten der Jüngsten entspricht mehr oder weniger dem traditionellen System der Grundbildung. Im Falle der Älteren verweisen die formalen Lerntätigkeiten auf das Konzept der (beruflichen oder nicht-beruflichen) Programme der Erwachsenenbildung. Dagegen sind die am wenigsten strukturierten Lerntätigkeiten, gleich ob sie während der Kleinkinderzeit oder später, parallel zur Schulbzw. Hochschulbildung oder im weiteren Lebensverlauf stattfinden, weniger gut bekannt. Der erste Viertelkreis, die am besten strukturierte Bildung der Jüngsten, d. h. der Bereich der Grundbildung in den Institutionen des Bildungssystems, ist bereits weitgehend beschrieben worden. Gestützt auf international feststehende Nomenklaturen und Instrumente zur Datenerhebung sowie zur internationalen Evaluierung, die ebenfalls stabilisiert sind, erlangen die Indikatoren und Studien auf diesem Gebiet inzwischen eine gesicherte Legitimität und eine gute Qualität. Selbstverständlich bleibt selbst hier noch viel zu tun, sowohl was die Erfassung der verschiedenen Aspekte der Grundbildung als auch die Entwicklung strenger Vergleichbarkeitskriterien betrifft. Im zweiten Viertelkreis sind einige Merkmale der Erwachsenenbildung im Kontext der beruflichen Arbeit ungefähr definiert und bekannt. Es ist mehr oder weniger allgemein etabliert, dass die berufliche Erwachsenenbildung die folgenden allgemeinen Züge aufweist: — Sie nimmt infolge der zunehmenden Komplexität und ständigen Erneuerung der Technik sowie generell der wachsenden Mobilität der Arbeitsplätze konstant zu. — Sie findet häufiger in den großen gesellschaftlichen Sektoren statt wie dem öffentlichen Sektor, dem Dienstleistungssektor, dem Bank - oder dem Finanzsektor. — Sie wird in größerem Maße von Arbeitnehmern wahrgenommen, die als Vollzeitkräfte oder in festen Anstellungsverhältnissen im Unternehmen arbeiten. 42 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat — Sie erfasst einen größeren Anteil an Führungskräften, höheren Positionen im Verhältnis zu den ausführenden oder weniger qualifizierten Arbeitsplätzen. — Jüngere Arbeitnehmer nutzen im Allgemeinen die Weiterbildung in stärkerem Maße als ältere Arbeitnehmer. — Alles andere ist mehr oder weniger gleich, es gibt kaum Unterschiede im Zugang von Männern und Frauen zur Weiterbildung. — Der verblüffendste und dabei durchgängigste Zug ist, dass Weiterbildung umso mehr in Anspruch genommen wird, je höher das Niveau der beruflichen Erstausbildung war. Ausbildung führt zu Ausbildung. Man sieht, dass bestimmte Merkmale unmittelbar arbeitsplatzbezogen sind, während andere spezifisch personenbezogen sind. Sicher steht beides in Beziehung zueinander: Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Qualität des Arbeitsplatzes und dem Niveau des Berufsabschlusses der Beschäftigten. Jedoch müssen die beiden Ansätze miteinander verbunden werden und einander ergänzen. Rührt die Tatsache, dass die Weiterbildung der höheren Angestellten verhältnismäßig einen höheren Anteil ausmacht, daher, dass der Erhalt komplexerer Arbeitsplätze höhere Aufwendungen erfordert oder dass diejenigen, die bereits die meisten Erfahrungen im Bildungssystem gemacht haben und die sowohl Geschmack an der Weiterbildung gefunden als auch die entsprechende Befähigung erworben haben, hierfür besonders geeignet sind? Wir wissen allerdings nur wenig über die globale Beteiligung der Erwachsenen selbst an den strukturiertesten Formen von Ausbildung im Rahmen der beruflichen Arbeit. Nach den Quellen bestehen erhebliche Abweichungen zwischen Ergebnissen, die sich auf ein und dasselbe Land beziehen. Dies wird anhand des nachstehenden Schaubildes illustriert. Es soll die Beteiligung an Bildungsmaßnahmen nach verschiedenen Quellen (Unternehmenserhebung - CVTS, Arbeitskräfteerhebungen - LFS, Internationale Untersuchungen - IALS1, spezifische nationale Untersuchungen) darstellen2 und lässt eine optimistische und eine pessimistische Lesart zu. Tabelle 1: Abweichungen bei der Schätzung der Beteiligung an Weiterbildungsmaßnahmen Abweichungen bai der Schätzung der Betelligung an Ausbildungen Länder mit mehr als einer Quelle (IALS, CVTS, LFS, NS). 70,0 60,0 50,0 40,0 Durchschnitt Minimum Maximum 30,0 20,0 10,0 Irl an d K an ad a N ie de V er rla ei nd ni s gt eS ta at en Fr an kr ei ch Sc hw ei z Ö ste rre G ic ro h ßb rit an ni en N or w eg en D än em ar k Sc hw ed en Fi nn la nd Sp an ie n Lu xe m bu rg U ng ar n Be lg D ie eu n tsc hl an d Ita lie n G rie ch en la nd Po rtu ga l 0,0 Quellen: IALS, CVTS, LFS, nationale Untersuchungen; Anpassungen: Berechnungen des Sekretariats. 1 2 International Adult Literacy Survey - Internationale Untersuchung der Lese- und Schreibfähigkeit von Erwachsenen, OECD und Statistics Canada. Um den offensichtlichen Unterschieden zwischen den Untersuchungsfeldern, den Definitionen und Aufzeichnungen in den verschiedenen Quellen wenigstens teilweise gerecht zu werden, wurden diese einander „angeglichen“. Dabei wurde von der Hypothese ausgegangen, dass für eine identische Gruppe von Ländern, die sowohl in einer Quelle als auch in einer weiteren Quelle behandelt wird, die Beteiligung im Durchschnitt aller Länder gleich ist. Die Unterschiede, die ein bestimmtes Landes betreffen, spiegeln also abweichende Ergebnisse wieder, die sich aus dem Umgang mit dem statistischen Instrument im nationalen Kontext ergeben. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 43 INHALT eurostat Bezüglich der Beteiligung von Erwachsenen an der beruflichen Bildung, einem Indikator, der verhältnismäßig einfach und eindeutig definiert zu sein scheint, sind die Abweichungen extrem groß. Die Ergebnisse der am weitesten auseinander liegenden Quellen unterscheiden sich für die Hälfte der 20 untersuchten Länder um mehr als 10 Prozentpunkte. Besonders groß sind die Abweichungen in Ländern wie Dänemark, den Niederlanden, Deutschland, Irland, wo sie bis zu 100 % betragen können. Wären derartige Abweichungen bei Zahlen über die Inflation oder die Arbeitslosigkeit vorstellbar? Abgesehen von den Fällen, in denen die Quellen konvergieren, was die Ergebnisse tendenziell bestätigt, resultiert die optimistische Sichtweise aus der Tatsache, dass die Abstufungen zwischen den Ländern verhältnismäßig konstant zu sein scheinen. Zwei klar voneinander verschiedene Situationen zeichnen sich ab: ein „Norden“ – bestehend aus den skandinavischen Ländern - der ausgiebig Gebrauch von der Weiterbildung macht und ein mediterraner „Süden“, wo sie weit weniger verbreitet ist. Setzen wir unsere Betrachtung der Viertelkreise fort, so stellen wir fest, dass der dritte Quadrant, die Erwachsenenbildung in ihren am wenigsten strukturierten Formen, noch weniger bekannt ist. Besteht zwischen den am meisten und den am wenigsten strukturierten Weiterbildungsformen eine Beziehung der Substitution oder Komplementarität? Muss man beispielsweise aus dem Gesagten schlussfolgern, dass in bestimmten Ländern die verschiedenen Formen des Lernens, der Vermittlung und der Pflege von Wissen und Qualifikationen sehr wohl vorhanden sind, jedoch in weniger strukturierter und daher nicht messbarer Form. Dies entspricht in etwa der verbreiteten Vorstellung von einem verborgenen Schatz, der sich den veralteten Nomenklaturen und unzureichenden Statistiken entzieht? Es gibt hingegen eher Hinweise darauf, dass die am wenigsten strukturierten Lerntätigkeiten in einem mehr oder weniger proportionalen Verhältnis zu den strukturierten stehen und außerdem relativ wenig Nachwirkungen haben. Im Grunde besteht aber, von einigen punktuellen und widersprüchlichen Beispielen abgesehen, ein geradezu dramatischer Mangel an schlüssigen Daten, die erforderlich wären, um zu wirklichen Aussagen in diesem Punkt und den sich abzeichnenden Entwicklungen zu kommen. Schließlich sind außerhalb der strukturierten Bildung die Daten über die Allerjüngsten, den vierten Viertelkreis, spärlich. In vergleichenden Studien über die Erziehung und Betreuung von Kleinkindern wird die außerordentliche Bedeutung betont, die dieser hinsichtlich des Erwerbs von Kompetenzen und Lernfähigkeit im Vergleich zu allem, was danach geschieht, zukommt, und zugleich der eklatante Mangel an vergleichbaren Daten auf diesem Gebiet beklagt. Die Quote der Kinderbetreuung in Vorschuleinrichtungen vor Beginn der Schulpflicht ist sehr ungleichmäßig bekannt und erfasst. Vor allem aber ermöglicht sie lediglich eine sehr eingeschränkte Sicht auf die Situation, weil gerade die Erziehung und Betreuung der kleineren Kinder in vielen Ländern von anderen Strukturen übernommen werden, insbesondere von den Familienstrukturen oder irgendwelchen Mischformen. Daher lässt eine hohe Quote vorschulischer Betreuung für sich genommen noch keine positiven Schlüsse zu. Eine niedrige Quote könnte dagegen auf eine andere, überlegte Politik zurückzuführen sein, die nicht notwendigerweise negativ bewertet werden muss. Auch bei den Älteren sind die nicht strukturierten Ergänzungen zur Bildung im Schul- und Hochschulsystem nur unzureichend bekannt. Welchen Umfang haben sie? Haben sie einen Einfluss auf die Leistungsunterschiede der Lernenden innerhalb der Bildungssysteme? Es besteht also großer Informationsbedarf hinsichtlich der Evaluierung der Bildungspolitik. Abgesehen von den elementarsten Daten zur Wirkung der Bildungstätigkeiten würde das, was wir nicht wissen oder nicht wirklich wissen, weil wir uns nur auf ein Minimum an hinreichend gesicherten Erkenntnissen beziehen können, eine lange Liste füllen. Betrachtet man das Feld des lebenslangen Lernens insgesamt, so zeigt sich, dass dort die Mechanismen und Wirkungen besonders wenig bekannt sind. Das überrascht keineswegs, denn dies würde eine Basis an genauen Kenntnissen über die Lerntätigkeiten und ihren Umfang erfordern, die, wie wir gesehen haben, noch bei weitem nicht gegeben ist. Man weiß auch wenig über den Ertrag der Ausbildung, d. h. wie viel die Investition in die Ausbildung nach dem Abschluss der Grundbildung wieder einbringt. Die Ergebnisse über die individuelle Wirkung von Ausbildungen, die an der Höhe des Gehalts ablesbar sein könnte, sind widersprüchlich. Sofern sie überhaupt wahrnehmbar sind, ist nicht gesichert, dass das höhere Gehalt oder die beschleunigte Karriere derjenigen, die an einer Weiterbildung teilgenommen haben, damit in einem kausalen Zusammenhang zu sehen sind. Es kann sich auch um die Wirkung anderer persönlicher Eigenschaften handeln, die im Rahmen der theoretischen Modelle nicht beobachtet wurden und sowohl zu besseren Einkommensbedingungen als auch zu einem besseren Zugang zur beruflichen Bildung führen. 44 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Welche Strategie ist für die Beschaffung der notwendigen Informationen geeignet? Um diese umfangreichen Lücken zu schließen, muss der Produzent statistischer Informationen eine Strategie definieren. Die Diagnose ist verhältnismäßig einfach. Der Bedarf an Indikatoren bezieht sich auf ein sehr ausgedehntes Gebiet, das heute alle Formen des Lernens im gesamten Lebensverlauf einschließt. Angesichts dieses Bedarfs sind die Ergebnisse, falls überhaupt vorhanden, partiell und unzuverlässig. Es ist leichter, die Ursachen für die Abweichungen in den Ergebnissen und die Nichtvergleichbarkeit zu nennen, als sie zu beheben. Zunächst einmal liegen sie in den Konzepten und Definitionen. Welche Tätigkeiten will man erfassen? Wie definieren sie sich, wie sind sie einzugrenzen? Das ist nicht nur eine konzeptuelle Frage. Anhand einiger Beispiele illustriert das nachstehende Schaubild die deutlichen Unterschiede in Quellen ein und desselben Landes bezüglich der durchschnittlichen Ausbildungsdauer pro Teilnehmer. Im Allgemeinen verwenden die hier benutzten einzelstaatlichen Erhebungen eine engere Definition als die IALS-Studie. Sie sind auf Kurse oder Programme beschränkt, während die IALS-Studie in einer weiter gefassten Definition auch einen Teil des weniger strukturierten Lernens erfasst. Tabelle 2: Abhängigkeit der Ergebnisse von der Definition von Ausbildung, Berechnungen des Sekretariats Durchschnittliche Anzahl von Ausbildungsstunden pro Teilnehmer 0 50 100 150 200 Australien Kanada Nationale Untersuchungen IALS Finnland Schweiz Andere Ursachen, die eher mechanischer Art sind und mit der Bevölkerung und dem Bezugszeitraum zusammenhängen, müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Welcher Personenkreis ist betroffen? Bezieht man die Personen, die gerade die Grundbildung durchlaufen, in die Messungen ein, wird das Ergebnis höher ausfallen. Wenn man hingegen die Beteiligung auf eine Population bezieht, welche die Segmente der höchsten Altersgruppen einschließt, senkt sich die Quote. Wie lange werden die Lerntätigkeiten beobachtet? An einem bestimmten Stichtag, während der vorhergegangenen vier Wochen, der vergangenen sechs Monate, des ganzen Jahres oder noch mehr? Was und wie? Für wen? Wann? Das sind die wesentlichen Fragen. Sie lassen sich zwei verschiedenen Ebenen zuordnen: der konzeptionelle und der technischen. Bei dieser Strategie der Erzeugung von Indikatoren muss man sich vor allem darüber im Klaren sein, dass man infolge des großen Umfangs des Forschungsfeldes nicht erwarten kann, es mittels einer einzigen Methode oder eines einzigen Instruments abzudecken. Wir verfügen noch bei weitem nicht über ein einheitliches System physischer und finanzieller Gesamtrechnungen für Lerntätigkeiten in allen ihren Formen und im gesamten Lebensablauf, die nach zwischen den Ländern vergleichbaren Methoden erstellt wurden. Wir können uns nur dafür entscheiden, eine Vielfalt von Ansätzen und Instrumenten zu entwickeln, um die Fragen in ihrer Verschiedenartigkeit zu umreißen. Dies ist einerseits eine pragmatische Entscheidung, da es nicht möglich ist, auf einen Schlag ein vollständiges System zu erstellen; es ist aber auch eine Entscheidung eher grundsätzlicher Art, die darin besteht, aus der Vielfalt der statistischen Instrumente dasjenige herauszufinden, das dem Teilbereich, den man erfassen will, am gemäßesten ist. Man wird die Betreuung der Kleinkinder innerhalb der Familie nicht mit denselben Methoden erfassen wie die Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen im Unternehmen. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 45 INHALT eurostat Harmonisierung der Konzepte Es ist davon auszugehen, dass die Konzepte auf dem Gebiet der Sozialstatistik im internationalen Maßstab weniger harmonisiert sind als die Wirtschafts- und Währungsstatistik oder die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Dies liegt zum einen am unterschiedlichen Grad der Internationalisierung auf diesen Gebieten und an den bei der Schaffung der statistischen Instrumente gesetzten Prioritäten. Ein weiterer, tiefergehender Grund liegt darin, dass die soziale Realität per definitionem in Gesellschaften verwurzelt ist, die weitgehend auf nationaler Grundlage strukturiert sind, d.h. sehr unterschiedliche institutionelle Rahmenbedingungen aufweisen. Dies gilt besonders auf dem Gebiet der Ausbildung, das sehr unterschiedlich organisiert sein kann, selbst in Ländern, die ansonsten vergleichbar sind, und manchmal auch innerhalb eines Landes. Daher galten die ersten Anstrengungen der internationalen Organisationen, insbesondere der OECD in Zusammenarbeit mit anderen, den Konzepten und Definitionen. Die ISCED (International Standard Classification of Education) als Bezugssystem für die Definition der Ausbildung Die Definitionen und das Glossar der ISCED bieten ein unumgängliches Bezugssystem für die Eingrenzung der Lerntätigkeiten. Die Eingrenzung ist ganz besonders notwendig, wenn man sich mit den am wenigsten strukturierten Formen des Lernens beschäftigt. Man hat sich auf folgende Definition von Ausbildung verständigt: systematische Lerntätigkeiten, deren vorrangiges, beabsichtigtes und gewolltes Ziel der Erwerb oder die Vermehrung von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen ist.. Damit werden Aktivitäten wie Kommunikation oder auch eine Ausbildung, die zufällig oder als Nebenprodukt einer anderen Tätigkeit des aktiven Lebens erworben wird, aus der Reihe der auf diese Weise definierten Lerntätigkeiten ausgeschlossen. Man will das gesamte Spektrum der Ausbildung abdecken, aber auch nichts anderes. Zugleich mit der Übernahme dieser Definition, die wesentlich ist, um die (zu diesem Zweck organisierte) Ausbildung von anderen Tätigkeiten, die auch Bildungseffekte zeitigen können, abzugrenzen, einigt man sich auf eine gewisse Erweiterung des von der ISCED vorgegebenen Rahmens. Obwohl sie keine Mindestdauer definiert, bezieht sich die ISCED auf organisierte und andauernde Lerntätigkeiten, deren typische Form ein durch eine Methode, einen organisierten und im Voraus festgelegten Ablauf und einen Erbringer von Unterrichtsleistungen (möglicherweise in Form von Fernunterricht oder indirekten Leistungen) definiertes Programm ist. Da die ISCED ein auf Programme zugeschnittenes Klassifikationssystem ist, können Lerntätigkeiten, die nicht in Form gewöhnlicher Unterrichtsprogramme organisiert sind, nur schwer erfasst werden. Vorausgesetzt, dass es sich wirklich um Ausbildung, also um erzieherische Tätigkeiten (im Sinne der ISCED) handelt, ist man übereingekommen, im Rahmen des lebenslangen Lernens auch Aktivitäten zu berücksichtigen, die nicht in Form von Programmen im Sinn der ISCED organisiert sind. Dies ist normalerweise der Fall bei den am wenigsten strukturierten Lerntätigkeiten. Abschließend lässt sich sagen, dass man die ISCED-Definition der Ausbildung als Grundlage übernimmt, aber auch Aktivitäten aufnimmt, die über die von der ISCED entwickelte Definition der Programme hinausgehen. Wenngleich die ISCED-Einteilung nach Programmen und nach Niveau für die Erfordernisse des lebenslangen Lernens in seinen vielfältigen und wenig strukturierten Formen schlecht geeignet ist, kann eine andere Dimension beibehalten werden: die der Ausbildungsgänge. Der Gebrauch der Terminologie der ISCED und der UNESCO Schließlich ist man der Einfachheit halber übereingekommen, die in der ISCED angewandte Terminologie (unter dem Vorbehalt der Übersetzungsmöglichkeiten) zu übernehmen. Der Ausdruck formal in „formaler Unterricht“ bezieht sich auf das System der Grundbildung, der Schul- und Hochschulbildung, die die Jugendlichen in Vollzeit nach einem in Stufen organisierten System absolvieren. Der „nicht-formale Unterricht“ bezeichnet organisierte und dauerhafte Lerntätigkeiten und Programme, die nicht zum formalen System gehören. Dies können Aktivitäten sein, die außerhalb der Einrichtungen des Bildungssystems angeboten werden oder Erwachsene betreffen. Das „informelle Lernen“ umfasst stets Lerntätigkeiten (willentlich, bewusst und auf dieses vorrangige Ziel hin organisiert), die aber nicht dem Begriff des Programms zuzuordnen sind. Fragen, die noch zu klären und zu diskutieren sind Drei Fragen sind noch genauer zu bestimmen und müssen auch zum Gegenstand praktischer Arbeit werden: Die Grenzen der Bildung im oben genannten Sinn, besonders gegenüber kulturellen Tätigkeiten; die Grenze 46 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat zwischen dem informell und nicht-formal und die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Programm“, „Kurs“ und anderen Formen selbstbestimmten Lernens; schließlich die Eingrenzung von Ausbildungsmaßnahmen im Kontext der beruflichen Arbeit über die Teilnahme an Kursen hinaus in ihren verschiedenen Formen (Tutorien, Learning by doing). Schaubild 2: Die notwendigen Eingrenzungen Co m m u n ic a tio n In fo rm a tio n J o b -re la te d No n -fo rm a l e d u c a tio n In fo rm a l le a rn in g Ra n d o m , in c id e n ta l le a rn in g Fo rm a l e d u c a tio n Cu ltu re In den Diskussionen kamen wegen der allzu großen Weitläufigkeit des Begriffs der Ausbildung viele Fragen auf. Dabei vermischten sich praktische Erwägungen hinsichtlich der Möglichkeit der Datenerfassung mit eher konzeptuellen Diskussionen. Vielfach wurde auf die Schwierigkeit verwiesen, eine Abgrenzung zu kulturellen Aktivitäten oder ganz einfach zu menschlichen Tätigkeiten, die im normalen Lebensverlauf Erfahrungen und Kenntnisse vermehren, vorzunehmen. (Nimmt man die Redensart „Zum Lernen ist man nie zu alt“ wörtlich, kommt man zum interessanten Ergebnis einer Teilnehmerquote von 100%!) So wurde vorgeschlagen, eine operative Grenze zu ziehen. Im weiteren Verlauf müssen dann zusätzliche Kriterien (Kosten, Zertifizierung) einbezogen werden, die in den Erhebungen verwendet werden können und auf deren Grundlage sich eine allgemeine anerkannte Nomenklatur der Lerntätigkeiten erstellen lässt. Ist die innerhalb dieser Eingrenzung vorgenommene Bereichseinteilung unter dem Gesichtspunkt der verschiedenen Politiken oder Zielgruppen sachgerecht? Der Bereich des formalen Unterrichts bezeichnet, obgleich er von der ISCED mit Hilfe mehrerer grundsätzlich verschiedener Kriterien definiert ist, eine ziemlich klare und eindeutige Realität: die des Systems der Grundbildung in seiner allgemein geläufigen Form. Der „Rest“, der die nicht-formalen oder informellen Lerntätigkeiten bezeichnet, bedarf noch einer näheren Betrachtung. Bestimmte Merkmale sind der formalen und nicht-formalen Bildung gemeinsam: die Organisation in Form von Programmen mit einem institutionellen, identifizierbaren und befragbaren Erbringer von Unterrichtsleistungen. Andererseits besteht ein Kontinuum zwischen der nicht-formalen Bildung und dem informellen Lernen. Selbst wenn es als informell bezeichnet wird, ist das Lernen eine spezifische, identifizierbare Tätigkeit, die auf indirekte Unterrichtsleistungen zurückgreifen kann: schriftliche oder audiovisuelle Medien. Der Unterschied besteht lediglich im Grad der Selbstständigkeit des Lernenden bei der Organisation des Lernens, vorausgesetzt, dass man innerhalb der Ausbildungssphäre bleibt. Verläuft bei der Ausbildung, die nicht zum formalen Bildungssystem gehört, die Trennlinie zwischen den Aktivitäten, in denen die Lehrperson direkt in Erscheinung tritt und die dem Begriff des Programms entsprechen, und den anderen Aktivitäten, in denen die Autonomie des Lernenden größer ist und die nicht dem Begriff des Programms entsprechen? Man könnte auch andere Begriffe einführen, um die Unterscheidung zwischen dem Unterricht (durch eine Lehrperson) und dem vom Lernenden initiierten und unter seiner Kontrolle durchgeführten Lernen zu etablieren. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 47 INHALT eurostat Beim derzeitigen Stand der Diskussion scheint die Ausbildung mit beruflicher Zielsetzung (im Gegensatz zu der Ausbildung, die persönlichen, häuslichen oder sozialen Zwecken dient) nur als Untergruppe der nicht-formalen Bildung bestimmt zu sein. In diese Kategorie fallen die Programme der beruflichen Bildung. Hier liegt das Gewicht seit einiger Zeit zunehmend auf allen Formen, die weniger strukturiert sind als die klassischen Kurse und Programme und dem Einzelnen mehr Autonomie gewähren wie Seminare, Job-Rotation, Tutorien, Übungen und Lernen am Arbeitsplatz sowie Fallstudien. Man ist bemüht, diese Formen der Ausbildung mit beruflicher Zielsetzung gleichwertig neben den klassischen, stärker strukturierten Formen der beruflichen Bildung anzuwenden. Dafür müssen sie im Sinne der Kategorie des informellen Lernens identifiziert und aus dieser möglicherweise zu weit gefassten Kategorie herausgelöst werden. Vielleicht wäre es sinnvoll, die Ausbildung mit beruflicher Zielsetzung bzw. die Weiterbildung im Kontext der beruflichen Arbeit unabhängig vom Grad ihrer Strukturiertheit oder Organisiertheit in einer einzigen Gruppe zusammenzufassen. Die Produktion von Daten und Indikatoren Nachdem die konzeptionellen Fragen der Klassifikation geklärt sind, ist für die Produktion der notwendigen Daten und Indikatoren (nach festzulegenden Prioritäten) ein Organisationsschema und die Wahl geeigneter Methoden und Instrumente erforderlich. Die Anforderungen an die Daten und Indikatoren lassen sich mit Hilfe des „3-Säulen“-Diagramms beschreiben, das im INES3-Programm der OECD allgemein verwendet wird: — Aktivitäten - Beteiligung, — Ressourcen - Finanzierungen, — Abschlüsse - Ergebnisse. Dieses Schema wird selbstverständlich auf die Gesamtheit der Lerntätigkeiten angewandt, die im allgemeinen Modell des lebenslangen Lebens beschrieben sind. Deshalb sind, da es sich an Personen jeden Alters richtet und nach Umfang und Struktur sehr unterschiedliche Aktivitäten umfasst, Anpassungen vorzunehmen. Beteiligung, Umfang Im Bereich der formalen Bildung erfolgt die Beteiligung des Einzelnen meistens (nahezu per definitionem) in Vollzeit. Die Quote des Schulbesuchs ist leicht aus der Zahl der Teilnehmer im Verhältnis zur entsprechenden Altersgruppe innerhalb der Bevölkerung abzuleiten. Auf dem Gebiet der lebensbegleitenden Lerntätigkeiten gilt dies hingegen nicht. Diese sind von sehr unterschiedlicher Dauer: Sie reichen von wenigen Stunden über ein Praktikum von mehreren hundert Stunden bis zu einer Rückkehr in eine Ausbildungssituation in Form eines Vollzeitstudiengangs oder einer mehrjährigen Bildungsmaßnahme. Um den Begriff der Beteiligung eines einzelnen Teilnehmers zu vervollständigen, ist es daher unerlässlich, die vorgesehene und tatsächlich durchgeführte Dauer, mit anderen Worten den Umfang der Lerntätigkeit im Lauf einer gegebenen Zeit zu messen. Im gleichen Sinne ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligung im Lauf eines gegebenen Zeitraums, vor allem, wenn es sich um einen längeren Zeitraum handelt, mehrere Bildungsmaßnahmen umfassen kann. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Tendenz zur Kumulierung von Ausbildungsmaßnahmen bei denselben Personen besteht. Demnach hätten einige Zugang zu mehreren Lehrgängen oder zu mehreren Arten von Bildungsmaßnahmen, während andere davon ausgeschlossen blieben. Umso wichtiger ist es, Daten sowohl über die Beteiligung (Zahl der Personen, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums an mindestens einer Bildungsmaßnahme teilgenommen haben) als auch über den Umfang (Gesamtzahl der Ausbildungsstunden aller Teilnehmer) zu erheben. Das für die formale Bildung verwendete programmbezogene ISCED-Klassifikationssystem ermöglicht eine verhältnismäßig genaue Bestimmung der Art und des Niveaus (also des Ausbildungsganges) von Lerntätigkeiten. Jedoch sind die mit dem lebenslangen Lernen zusammenhängenden Aktivitäten auch in dieser Hinsicht meist variabel: Sie reichen von der Teilnahme an einem traditionellen Kurs bis zum selbstständigen, vollkommen selbstbestimmten Lernen. Die Begriffe „Niveau, Qualität, Intensität“ und sogar „Gegenstand“ der Aus- 3 INdicators of Education Systems 48 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat bildung sollten im Interesse eines richtigen Verständnisses und des Vergleichs zwischen vergleichbaren Aktivitäten gesondert erfasst werden. Im formalen Unterricht sind Alter und Bildungsniveau der Teilnehmer praktisch über die Teilnahme an einem gegebenen Programm definiert, da sie Zugangsvoraussetzungen sind. In den anderen Bereichen ist es umgekehrt. Die Kenndaten des Einzelnen sind nicht nur Kontextvariable der zu messenden Phänomene, sondern zugleich Proxidaten. Alter und Bildungsniveau des Teilnehmers lassen zum Teil auf die wahrgenommenen Bildungsaktivitäten schließen. Zu den Gebieten, über die Daten wünschenswert wären, gehören die Ungleichheiten und Zugangsschwierigkeiten zu Ausbildungsmaßnahmen. Welche Hinderungsgründe werden von den betroffenen Personen angeführt? Sind es die Stundenpläne, der Rhythmus, der Ort, die Kosten, Typ oder Form der Bildungsmaßnahmen oder Bedenken, dass sie sich nicht unmittelbar auszahlen? Diese Angaben gehören zu den benötigten Daten. Zu beobachten sind auch Unterschiede hinsichtlich der Intensität der Beteiligung an Ausbildungen nach Personengruppen. Hierbei geht es darum, Merkmale der Personengruppen zu beschreiben, die wenig oder gar nicht in den Genuss von Bildungsmaßnahmen kommen oder nicht in dem von ihnen gewünschten Maß. Die wahrgenommenen Hinderungsgründe lassen sich durch Direktbefragungen erfassen. Eine Vielzahl von Kontextvariablen ermöglicht die differenzierte Beschreibung von Populationen oder Bevölkerungsgruppen nach ihrer differenzierten Beteiligung. Wünschenswert sind auch Daten über den Zweck der Ausbildung, das angesteuerte Lernziel. Dies ist ein Kriterium der Unterscheidung zwischen Ausbildungsmaßnahmen mit beruflicher Zielsetzung und solchen, die eher persönlichen oder spielerischen Bedürfnissen dienen. Auf diese Weise lassen sich Ausbildungsmaßnahmen ermitteln, die auf bestimmte Zielgruppen oder Ausbildungsziele ausgerichtet sind, beispielsweise Einbeziehung bestimmter Zielgruppen, besondere Bedürfnisse. Befragungen von Einzelpersonen sind eine besonders wichtige Quelle für alle diese Bereiche Zu diesem Zweck hat eines der Netzwerke im Rahmen des OECD-Programms über Unterrichtsindikatoren („Netzwerk B“) Möglichkeiten entwickelt, Befragungen von Einzelpersonen, so insbesondere die Arbeitskräfteerhebung, zu nutzen, um die Bedingungen des Übergangs von der Schule zum Erwerbsleben sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung zu untersuchen. Hinsichtlich des lebenslangen Lernens müssen diese Erhebungen durch spezifische Module oder speziell auf dieses Thema zugeschnittene Erhebungen ergänzt werden. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse und Instrumente war Gegenstand mehrerer Abhandlungen. Auf der Grundlage der wesentlichen nationalen Quellen über die Erwachsenenbildung wurden experimentelle Datensammlungen erstellt und Indikatoren veröffentlicht (siehe „Bildung auf einen Blick“). Die am Netzwerk beteiligten Staaten haben die Erstellung eines auf die Erwachsenenbildung ausgerichteten Standardmoduls beschlossen. Es soll ein Konvolut aus Definitionen, Leitlinien und Spezifikationen für Fragen sowie Kategorien von Antworten werden, das auch konzeptuelle und methodologische Überlegungen einschließt. Den Fragen soll eine illustrierende Funktion zukommen. Das Modul wird den OECD-Ländern als mögliche Ergänzung zu den bestehenden nationalen Haushaltserhebungen, vor allem über die Erwerbsbevölkerung oder die Arbeitskräfte, angeboten. Obwohl die operative Definition selbst Teil der Studie ist, versteht sich von selbst, dass man sich darin für die berufliche Bildung innerhalb des Unternehmens im Anschluss an die kontinuierlich durchgeführte Grundbildung in den Einrichtungen des Bildungssystems interessiert. Das Modul ist auf die Beschaffung international vergleichbarer Daten zu den Schlüsselindikatoren der Weiterbildung ausgerichtet. Dazu gehören die Höhe der Beteiligung, die Intensität (Dauer) der Aktivitäten, die Leistungserbringer, die Anreize und die Hindernisse, die einer Beteiligung entgegenstehen, sowie die Haupttypen der Ausbildung (strukturiert, weniger strukturiert, obligatorisch, freiwillig). Hauptziel ist die organisierte Ausbildung, die verhältnismäßig einfach zu messen und leichter durch staatliche Politiken zu steuern ist. Jedoch besteht auch ein Interesse daran, weniger strukturierte Formen zu erfassen. Diese sollen ebenfalls in das Modul einbezogen werden. Die Arbeiten an diesem Projekt laufen derzeit. Sie sollen zu Beginn des Jahres 2002 abgeschlossen sein. Es besteht selbstverständlich ein enger Zusammenhang zu den Arbeiten von Eurostat zur Entwicklung eines Ad-hocModuls als Ergänzung zur Arbeitskräfteerhebung 2003. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 49 INHALT eurostat Kosten und Ressourcen Die von der Ausbildung verursachten Kosten für die Wirtschaftsbeteiligten, Einzelpersonen, Haushalte, Unternehmen, Verwaltungen und öffentliche Körperschaften auf verschiedenen Ebenen sind wenig bekannt und schlecht differenziert. Neben den (öffentlichen und privaten) Ausgaben für die allgemeine Bildung werden die Ausgaben für die berufliche Bildung erfasst, wenn sie auf Maßnahmen der Beschäftigungspolitik zurückgehen. In einem anderen Zusammenhang bemüht man sich ebenfalls, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu erfassen. Dagegen gibt es bezüglich des lebenslangen Lernens kein einheitliches und festes Verfahren, das Auskunft darüber geben würde, wie viel Geld die Länder dafür aufwenden. Wer finanziert die Ausbildung und welche? Wem kommen diese Finanzierungen zugute? Welche finanziellen und technologischen Ressourcen werden für das lebenslange Lernen eingesetzt? Wie ist ihre Wirkung auf die Nutznießer? Wie hoch sind die inneren (oder nationalen) Ausgaben für Bildung insgesamt (lebensbegleitend und in allen ihren Formen)? Welchem Prozentsatz des Bruttoinlandprodukts entsprechen die Bildungsausgaben. Welche Beteiligten tragen (als Endfinanzierer) dazu bei: Haushalte, Unternehmen, öffentliche Verwaltungen, zentrale oder örtliche Körperschaften? Wie setzen sich die Ausgaben zusammen: Investitionen, Infrastruktur, direkte und indirekte Ausbildungskosten, Entlohnung der Teilnehmer? Für wen und für welches Ziel sind sie bestimmt? Für welche Zielgruppen? Arbeitsuchende, Jugendliche, Arbeitnehmer, andere? Mit welchen Ausbildungen, auf welchem Niveau, mit welcher Spezialisierung? Wie lässt sich das Bildungsangebot der Leistungserbringer genauer beschreiben? Welchen Umsatz macht die Branche, der Sektor? Wer sind die Ausbildungsträger: öffentliche, private, kommerzielle, nicht-kommerzielle, Einzelpersonen? Welche Wirtschaftseinheiten hängen primär oder sekundär von diesen Tätigkeiten ab? Wie sind sie innerhalb der Klassifikation der Aktivitäten einzuordnen? Unterricht, Beratung, Dienstleistung für Einzelpersonen, für Unternehmen? Muss man andere Tätigkeiten wie die Publikation von Lehrbüchern oder Lernsoftware aufnehmen? Auf diese Fülle von Fragen gibt es zur Zeit nur spärliche, verstreute und unvollständige Antworten, die jedenfalls länderübergreifend kaum miteinander vergleichbar sind. In der thematischen Studie der OECD, die in einer ersten Phase 11 Länder betreffen soll, fehlen Angaben über die Kosten und die Finanzierung, obwohl den Ländern individuelle Fragenkataloge zugingen und diese detaillierte Berichte ablieferten. Auf diesem Gebiet ist eine Erhebung bei den Ausbildungsträgern die wichtigste Quelle. Sie erbringt Daten über das Lehrpersonal und die Lernenden. Sie muss für die Ausbildungstätigkeiten, die nicht im Frontalunterricht stattfinden, durch weitere Quellen wie beispielsweise Angaben zum Umsatz im Bereich Lernsoftware ergänzt werden. Diese Daten können im Rahmen des öffentlichen Rechnungswesens gesammelt, harmonisiert und zusammengestellt werden. Es geht nicht darum, eine internationale Erhebung durchzuführen, sondern die bereits auf nationaler Ebene ausgewerteten und konsolidierten Daten in einem harmonisierten Rahmen zusammenzustellen. Als Produzent statistischer Werte muss die OECD Arbeiten, die auf der nationalen Ebene durchgeführt werden, in ihre Strategie einbeziehen, um daraus eine Gesamtrechnung über die allgemeine und berufliche Bildung im weiteren Sinne herauszuarbeiten. Die methodologischen Arbeiten der OECD über die allgemeine Bildung und ihre Finanzierung sind insofern ein brauchbares Referenzsystem, als sie die öffentlichen, privaten sowie die öffentlich subventionierten privaten Beiträge identifizieren und dabei nach der Art der Ausgaben unterscheiden (in oder außerhalb schulischer Einrichtungen, Hilfsdienste). Dieser Ansatz muss für das gesamte Gebiet der Ausbildung jenseits der Grundbildung erweitert und reproduziert werden. Bestimmte Elemente sind in den meisten der beteiligten Länder schon verhältnismäßig gut identifiziert und im internationalen Maßstab zusammengestellt worden, so die öffentlichen Ausgaben, die im Rahmen der Berufsbildungs- bzw. Beschäftigungspolitik entstehen. Dies ist eine mögliche Ausgangsbasis. Ein vorgesehener erster Schritt wird die auf vergleichbaren Daten beruhende Zusammenstellung der öffentlichen Ausgaben für die Erwachsenenbildung sein. Die Ergebnisse: Zertifizierung und Kompetenzen Die Ergebnisse der allgemeinen und beruflichen Bildung werden nach zwei Hauptaspekten beurteilt. Ein kurzfristiges Ergebnis könnte in der Zahl der Ausbildungsmaßnahmen bestehen, die validiert und zertifiziert wur4 http://nces.ed.gov/surveys/all/ 5 http://www.pisa.oecd.org 50 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat den, mit Erfolg abgeschlossen wurden, mit einem Label für den Erwerb einer bestimmten Fähigkeit oder Qualifikation versehen wurden: nach der Zahl der ausgestellten Zeugnisse, Abschlüsse, Bescheinigungen. Bei diesem Indikator liegt die Schwierigkeit in den großen Unterschieden in der Art, der Qualität, dem Niveau und schließlich dem Wert der erzielten Ergebnisse. Die durch diese Abschlüsse bescheinigten Studiengänge sind nicht so exakt definiert wie die im Rahmen der ISCED-Programme. Trotzdem ist dieser Weg nicht ganz umsonst. Denn mit zunehmender Mobilität und Öffnung wächst das Bedürfnis nach Übertragbarkeit, Anerkennung und Validierung der Kompetenzen, die nach der Grundbildung oder in einem anderen Rahmen erworben wurden. Aber auch hier machen die Abschlüsse nur dann Sinn, wenn sie von Angaben über das Niveau und die Spezialisierung begleitet werden und die Qualität der erlangten Zertifizierung gekennzeichnet ist. Innerhalb welcher Sphäre kann sie Gleichwertigkeit beanspruchen? Was ist sie wert? Welcher Personenkreis erzielt solche Ergebnisse? Welche Merkmale weist dieser Personenkreis auf? Die Vergabe von Abschlüssen muss ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Die Sichtbarkeit und Anerkennung der während des lebenslangen Lernens erworbenen Qualifikationen hat eine große Bedeutung für die Motivation der Einzelnen und die zu erwartende Validierung dieser Ausbildung. Das Erziehungswesen spielt auf diesem Gebiet eine besondere Rolle. Wird ein Teil der Abschlüsse, die von den akademischen Behörden auf verschiedenen Ebenen ausgestellt werden, an Erwachsene vergeben? Eine weitere Frage ist, ob im institutionellen Rahmen der Schulen und Hochschulen eine Zertifizierung, eine Anerkennung von Qualifikationen vorgenommen wird, die außerhalb dieser Einrichtungen oder nach Abschluss des Erststudienganges, beispielsweise im Berufsleben, erworben werden? Wie groß ist der Umfang dieser Zertifizierung? Welches Profil haben die Personen, denen sie zugute kommt? Um welche Ausbildungen (Fachrichtung, Niveau) handelt es sich? Die koordinierte Datenerhebung seitens der internationalen Organisationen UNESCO, OECD und EUROSTAT, die sogenannten „UOE-Befragungen“, ermöglicht die Erfassung derartiger Informationen. Die Reichweite dieser Erhebungen und die Einteilung in Kategorien sind in Hinblick auf dieses Ziel nochmals zu überprüfen. Der anderer Weg ist die direkte Evaluierung der Ergebnisse des lebenslangen Lernens. Die erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten lassen sich nicht nur über den Erhalt von Abschlüssen im Rahmen des allgemeinen Bildungssystems und des Niveaus, dem sie entsprechen, messen. Die direkte Messung dieser Kompetenzen und Fähigkeiten ist notwendig. Sie ist Gegenstand einer Evaluierung mit Hilfe besonderer wissenschaftlicher Protokolle, die in internationalen Untersuchungen über die Untersuchung der Lese- und Schreibfähigkeit hinaus zentral diskutiert werden. Dies impliziert grundlegende Untersuchungen über die Kompetenzen selbst und die Entwicklung von Instrumenten zu ihrer Bewertung. In einem weiteren Sinn fließen die Untersuchungen zur begrifflichen Erfassung der Schlüsselkompetenzen und der verschiedenen Kompetenzbereiche direkt in die Evaluierung der Kompetenzen der erwachsenen Bevölkerung ein. Diese ist nicht mehr auf Schulangelegenheiten beschränkt, sondern erstreckt sich auf andere Bereiche, die mit dem beruflichen oder dem gesellschaftlichen Leben zusammenhängen. Zugleich misst man viel mehr als nur die Ergebnisse der formalen und weniger formalen Ausbildung. Hier handelt es sich um den gesamten Lernprozess einschließlich seiner inzidenten und aleatorischen Formen oder seines Auftretens als Nebenprodukt anderer Tätigkeiten, der sich in den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten kristallisiert, die eine Einzelperson oder eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu einem gegebenen Zeitpunkt vorzuweisen hat. Die erste und zweite Welle der internationalen Erhebung über die Lese- und Schreibfähigkeit (International Adult Literacy Survey, IALS) hat vergleichbare Evaluierungsdaten für 20 Länder ergeben. Der Vergleich der Ergebnisse bezüglich der Lese- und Schreibfähigkeit im Allgemeinen mit anderen im Rahmen der Erhebung verfügbaren Informationen ist äußerst lehrreich. Trotz der konzeptuellen Schwierigkeiten bei der Übertragung der Items auf unterschiedliche soziokulturelle Kontexte wurde der hier beschrittene Weg einer internationalen Untersuchung, die unter denselben Bedingungen in verschiedenen Ländern durchgeführt wird, bestätigt. Deswegen zielt die nächste Erhebung, die zunächst die Bezeichnung ILSS (International Life Skill Survey) trug, darauf ab, die Bereiche der internationalen Evaluierung zu erneuern und zu erweitern, indem die Evaluierung der Fähigkeiten, zusammenhängenden Texten (Prosa) zu folgen und schematisch dargestellte Texte (Urkunden) zu verstehen, der Rechenfähigkeit (Numeracy) und der Fähigkeit, Probleme zu lösen (Problem solving) einbezogen wird. Zu den Fähigkeiten, die mit Hilfe verschiedener Techniken evaluiert werden, müssen auch das ana14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 51 INHALT eurostat lytische Denkvermögen, die Teamarbeit, die Fähigkeit zur Beherrschung der Informations- und Kommunikationstechnologie gehören. Unter der aktuellen Bezeichnung ALL4 (Adult Literacy and Lifeskills) läuft derzeit eine Piloterhebung, die im vierten Quartal 2002 in eine Erhebung vor Ort münden soll. In Europa nehmen Norwegen, die Schweiz und die Niederlande sowie Italien, Belgien und Luxemburg an der Piloterhebung teil. Etwa zehn Länder, die meisten von ihnen Nicht-Mitglieder der OECD, könnten ebenso wie die Vereinigten Staaten und Kanada an der Erhebung teilnehmen. Eine Voraussetzung ist die Definition der Schlüsselkompetenzen in der Gesellschaft von heute. Diese beschränken sich nicht mehr auf Grundkompetenzen und technische Kompetenzen, die sich im übrigen in einem Erneuerungsprozess befinden, sondern müssen auch andere Kompetenzen einschließen, die beispielsweise mit sozialer Kompetenz, dem „Savoir faire“, der Selbstständigkeit oder der Fähigkeit in Teams oder in Netzwerken zu arbeiten, zusammenhängen. Vom Schweizerischen Bundesamt für Statistik wird in Zusammenarbeit mit der OECD ein internationales Forschungsprojekt DeSeCo (DÉfinition et SÉlection des CompétEnces/Defining and Selecting Competencies) durchgeführt. Ein erstes Seminar fand 1999 statt. Das nächste Seminar, das für Februar 2002 vorgesehen ist, soll Bilanz über die Beiträge aller Forschungsdisziplinen, die zur Definition dieser Kompetenzen herangezogen wurden, ziehen. Diese Erkenntnisse sollen dann in die Arbeit an künftigen Erhebungen reinvestiert werden. Es ist einfacher, ein Messinstrument zu schaffen, wenn das, was gemessen werden soll, zuvor genau definiert wurde. Die große Bedeutung, die den erworbenen Potenzialen, der Fähigkeit, das Lernen zu lernen, beigemessen wird, ist das Bindeglied zwischen der Evaluierung der Kompetenzen, die während oder am Ende der Grundbildung erworben werden, und den Voraussetzungen für die Beteiligung am lebenslangen Lernen. So kann auf die Evaluierung der Fertigkeiten und Potenziale bei Schulabschluss eine Longitudinalstudie folgen, bei der beobachtet wird, ob bestimmte Determinanten oder eine Prädisposition für das lebenslange Lernen erkennbar sind. Das PISA-Projekt (Programme for International Student Assessment) stellt ein entscheidendes Instrument im Rahmen dieser Forschung dar. Die derzeit im Aufbau befindliche Longitudinalstudie (PISA-L), die ungefähr zehn Jahre lang Schülerkohorten beobachten wird, deren Kompetenzen, Vorlieben, Fertigkeiten und Umgebung ein erstes Mal im Alter von 15 Jahren analysiert werden sollen, ist eine vielversprechende Quelle.5 Den Bildungseinrichtungen kommt in dem Prozess, der das Erlernen des Lernens ermöglicht, eine besondere Verantwortung zu. Die Wiederaufnahme des Lernens in einem späteren Lebensabschnitt wird zum Teil durch frühere Erfahrungen konditioniert. Wird diese Dimension an den Schulen und in den Unterrichtsmethoden berücksichtigt? Ein anderer Aspekt ist die Komplementarität zwischen den Bildungseinrichtungen und den Formen des informellen Lernens, die außerhalb des formalen Bildungssystems stattfinden. Wie werden sie miteinander kombiniert? Gibt es gemischte Instrumente? Erstrecken sie sich auf bestimmte Bereiche oder bestimmte Kategorien von Schülern oder Studenten? Statistische Erhebungen in den Bildungseinrichtungen, über deren internationale Koordinierung derzeit ebenfalls diskutiert wird, sind der Rahmen für die Beschaffung solcher Informationen. Fazit Angesichts der Fülle und der Schwierigkeit der hier gestellten Fragen bleibt keine andere Wahl, als sich auf mehrere Methoden und Aktivitäten zu stützen. Dazu gehören die Schaffung von Nomenklaturen und Rahmenkonzepten, die Ausarbeitung von Leitmodulen für Haushaltserhebungen, die Zusammenstellung von Daten aus Verwaltungsquellen, internationale Erhebungen bei Erwachsenen, Schülern, Bildungseinrichtungen, die Auswertung von Daten des nationalen Rechnungswesens - je nach Bereich müssen andere Mittel eingesetzt werden. Dabei ist die Zusammenarbeit der internationalen Organisationen unentbehrlich. Oft beschworen, ist sie in vielen der oben genannten Projekte eine greifbare und höchst effiziente Wirklichkeit geworden. Es muss dennoch betont werden, dass den nationalen Organen große Anstrengungen bei der Beschaffung von Basisinformationen und der 4 http://nces.ed.gov/surveys/all/ 5 http://www.pisa.oecd.org 52 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Harmonisierung der Ergebnisse abverlangt werden. Die Qualität der international vergleichbaren Daten hängt weitgehend davon ab, welche Anstrengungen und finanziellen Mittel sie für dieses Ziel aufbringen können. Referenzen OECD http://www.oecd.org/els/education/ OECD (1986), L’enseignement au féminin. Étude internationale sur la façon dont filles et garçons sont élevés et instruits/Girls and Women in Education: A cross-national study of sex inequalities in upbringing and in schools and colleges, Paris. OECD (1994), L’étude de l’OCDE sur l’emploi. 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U.S. DEPARTMENT OF EDUCATION ET OECD (1999), How Adults Learn, Protokoll einer Konferenz, die vom 6.-8. April 1998 im Georgetown University Conference Center, Washington, D.C. stattfand OECD (1999b), Perspectives de l’emploi/Employment Outlook (Beschäftigungsausblick), Paris. OECD (2000a), Regards sur l’éducation/ Education at a Glance: OECD indicators (Bildung auf einen Blick: OECD-Indikatoren), CERI, Paris. OECD (2000b), De la formation initiale à la vie active. Faciliter les transitions/From Initial Education to Working Life: Making Transitions Work, CERI, Paris. OECD (2000c), Société du savoir et gestion des connaissances/Knowledge Management in the Learning Society, CERI, Paris. OECD (2000d), Perspectives de l’emploi/Employment Outlook (Beschäftigungsausblick), Paris. OECD (2000e), Comment financer l’apprentissage à vie?/Where are the resources for lifelong learning? CERI, Paris. OECD und STATISTICS CANADA (2000), La littératie à l’ère de l’information. Rapport final de l’enquête internationale sur la littératie des adultes/Literacy in the Information Age: Final report of the International Adult Literacy Survey (Abschlussbericht zu der Internationalen Untersuchung der Lese- und Schreibfähigkeit von Erwachsenen), Paris. OECD (2001a), Analyse des politiques d’éducation, Education Policy Analysis CERI, Paris. OECD (2001b), Regards sur l’éducation/Education at a Glance: OECD indicators (Bildung auf einen Blick: OECD-Indikatoren), CERI, Paris. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 53 INHALT eurostat MESSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS: EINIGE PRAKTISCHE FRAGEN CHU Shiu-Kee UNESCO Institute for Statistics Place de Fontenoy 75007 Paris FRANCE [email protected] Die Entwicklung von Methoden zur Messung des lebenslangen Lernens ist eine wichtige und zukunftweisende Initiative, die uns auf dem Weg zur lernenden Gesellschaft ein großes Stück voranbringen wird. Ausgehend von den Arbeiten und Erkenntnissen der Taskforce zur Messung des lebenslangen Lernens (TFMLLL)1 soll dieser Beitrag zum Nachdenken über verschiedene praktische Fragen anregen, die bei der Planung und Umsetzung der Sammlung von Daten über das lebenslange Lernen auftreten werden. I. Definition und Spektrum des lebenslangen Lernens (LLL) Die Taskforce zur Messung des lebenslangen Lernens stützt sich bei ihrer Tätigkeit auf die von der Europäischen Union verwendete Definition des lebenslangen Lernens. Danach umfasst es „jede zielgerichtete Lerntätigkeit, sowohl formeller als auch informeller Art, die einer kontinuierlichen Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen dient“. Es kommt auf die richtige Auslegung des in dieser Definition verwendeten Begriffes „kontinuierlich“ an, da dies praktische Auswirkungen haben wird, wenn einst die tatsächliche Messung des lebenslangen Lernens bei der europäischen Arbeitskräfteerhebung und anderen Erhebungen erfolgt. Insbesondere geht es um die Frage, welche Formen des Lernens einbezogen bzw. ausgeklammert werden sollten. Wenn kontinuierlich so ausgelegt wird, dass sich das Lernen durch „Dauer und Kontinuität“ auszeichnen sollte, dies jedoch im Prinzip „ohne zeitliche Untergrenze“, ist dies in gewisser Weise widersprüchlich und macht weitere Erläuterungen erforderlich. Was das Spektrum des lebenslangen Lernens anbetrifft, so kam die TFMLLL überein, dass sich zielgerichtetes Lernen im Prinzip in die drei Kategorien formelle Bildung, nicht-formelle Bildung und informelles Lernen (darunter von der Familie und vom sozialen Umfeld vorgegebenes sowie selbstgesteuertes Lernen) untergliedern lässt und dies die zu messenden Schwerpunktkategorien sind. Zu bedenken ist ferner, dass das lebenslange Lernen konzeptionell und empirisch gesehen im Grunde auch das zufällige Lernen einschließt, welches jederzeit und an jedem beliebigen Ort stattfinden kann – bei einem Gespräch, beim Durchblättern einer Zeitung, beim Fernsehen, bei der Mitverfolgung eines Geschehnisses oder bei einer Reise. Da es sich hierbei nicht unbedingt um zielgerichtetes oder organisiertes Lernen handelt und da die Aufwertung von Kenntnissen und Fähigkeiten bei dieser Art des Lernens sowohl spontan als auch nachträglich – d. h. nach geistiger Verarbeitung – erfolgen kann, ist die Messung des zufälligen Lernens mitunter sehr problematisch. Dennoch sollte dieser wichtiger Lernbereich bei den künftigen Arbeiten zur Messung des lebenslangen Lernens stets im Blick behalten werden. Darüber hinaus sind umfangreiche konzeptionelle und methodische Vorarbeiten erforderlich, um bei der eigentlichen Messung eine optimale Erfassung des lebenslangen Lernens nach derzeitiger Definition zu ermöglichen. Während Spektrum, Definitionen und Klassifikationen der formellen Bildung in der ISCED (Internationale Standardklassifikation des Bildungswesens)2 mehr oder weniger klar dargelegt sind, müssen die Definitionen und Klassifikationen der „Bildungsformen“, „Arten von Bildungsvermittlung“ und „Bildungsanbieter“ weiter präzisiert werden, damit eine konzeptionell korrekte und vergleichbare Grundlage für die Messung des lebenslangen Lernens gegeben ist, bei der auch die nicht-formelle Bildung und das informelle Lernen – vielleicht sogar das zufällige Lernen – Berücksichtigung finden. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 55 INHALT eurostat Das bildungs- und Lernspektrum Zufälliges Lernen Informelles Lernen Formelle Nicht-formelle Bildung Bildung (von Familie und sozialem Umfeld vorgegeben sowie selbstgesteuert) (Medien und Kommunikation) In Anbetracht dieser Verschachtelungen und der Schwierigkeiten bei der Messung sämtlicher Formen des Lernens bzw. der Bildung organisierte die UNESCO im Jahre 1990 zwei Expertentreffen und erarbeitete ein Handbuch zur Statistik der nicht-formellen Bildung3, um die statistische Messung des nicht-formellen Lernens voranzubringen. Es wurden eine Reihe vorläufiger Kriterien für die Beschreibung und Unterscheidung von formeller und nicht-formeller Bildung aufgestellt. Der TFMLLL gelangte zu der Erkenntnis, dass bei einem Ansatz, der das Lernen als lebensumspannendes Kontinuum versteht, Kriterien wie Alter, institutioneller Rahmen, Anbieter und Modus der Bildungsvermittlung, Zulassungsvoraussetzungen, Registrierung sowie die Unterscheidung nach Voll- oder Teilzeitlernen für die Messung des lebenslangen Lernens von untergeordneter Bedeutung sind. Als Schlüsselkriterien für die Unterscheidung von formellem und nicht-formellem Lernen sollten vielmehr die Lernziele und -inhalte sowie die Methoden und Organisationsformen gelten, darunter insbesondere die Stufen-Klassen-Struktur, das reguläre Schuljahr und die Mindestdauer, obwohl auch diese Grenzen mittlerweile fließender werden. Zu beachten ist, dass sich die drei Kategorien formelles, nicht-formelles und informelles Lernen in der Praxis von Lernen und Bildung oftmals überschneiden und viele Grenzfälle existieren, die von Land zu Land sowie von Ort zu Ort unterschiedlich ausfallen. In einigen Ländern beispielsweise, in denen aufgrund mangelnder staatlicher Kapazitäten nicht alle Kinder im schulfähigen Alter eine Grundschule besuchen können, entwickelten NRO, Kommunen und private Einrichtungen von sich aus alternative Grundschulprogramme für Kinder und Jugendliche (die entweder noch nie eine Schule besucht oder den Schulbesuch abgebrochen haben). Dabei sind Klassenstufen und Lehrpläne nicht unbedingt mit denen der Regelgrundschulen identisch. Derartige Programme werden oftmals nicht als reguläre und formelle Bildung angesehen, obwohl ein erfolgreicher Abschluss in manchen Fällen mit dem entsprechenden Abschluss einer Regelgrundschule gleichgestellt werden kann. In einigen Ländern bemühen sich die zentralen staatlichen Stellen um eine „Formalisierung“ dieser Bildungsgänge, indem sie ihnen pädagogische und materielle Unterstützung sowie offizielle Anerkennung zuteil werden lassen, während die kommunalen Behörden zum Teil eine „Entformalisierung“ an den Regelgrundschulen anstreben, um durch eine Flexibilisierung von Inhalten, Methoden und Formen der Durchführung auf die unterschiedlichen Lernbedürfnisse und Lernsituationen eingehen zu können. Darüber hinaus gibt es natürlich zahlreiche zielgerichtete und organisierte nicht-formelle Aktivitäten im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung, die von Betrieben, Gemeindezentren, Berufsverbänden und anderen nichtpädagogischen Einrichtungen durchgeführt werden und eindeutig nicht die Merkmale formeller Bildung aufweisen. Diese müssen unbedingt in die Messung des lebenslangen Lernens einbezogen werden, soweit eine präzise und aussagefähige Messung möglich ist. Außerdem sind die Grenzen zwischen informellem Lernen, formeller Bildung und nicht-formeller Bildung durchlässig. Beim informellen Lernen macht die Einbeziehung von familiär bzw. sozial vorgegebenem sowie selbstgesteuertem Lernen deutlich, dass es sich um eine zielgerichtete Tätigkeit handelt und dass der Lernvor56 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat gang in gewissen Maße organisiert wird, sei es durch den Lernenden selbst, durch die Eltern oder andere Familienmitglieder, die Kommune oder eine gesellschaftliche Organisation. Wenn beispielsweise jemand einen Fernkurs an einer offenen Universität absolviert, können diesbezügliche Daten sowohl vom Betreffenden selbst wie auch von der Universität eingeholt werden. Wenn aber ein Vater mit seinem Kind abends Mathematik übt oder ein Jugendlicher am Wohnort an Jugendstunden teilnimmt, gibt es wohl keine einfache und verlässliche Methode zur systematischen Erfassung. Hinzu kommt, dass für die Zwecke der Messung (siehe auch die nachfolgenden Abschnitte „Schwerpunkte des Informationsbedarfs“ sowie „Datenquellen und -kanäle“) ganz genau zwischen dem Standpunkt des Lernenden und dem Standpunkt des Bildungsanbieters unterschieden werden muss. Dies gilt vor allem für die weniger organisierten bzw. institutionalisierten Lernaktivitäten. Wie die obigen Ausführungen zeigen, verbinden sich mit der Messung des lebenslangen Lernens zahlreiche konzeptionelle, methodische und praktische Fragen, die bei der Ausarbeitung und Durchführung des eigentlichen Messvorgangs zu berücksichtigen sind. Ein denkbarer Ansatz besteht darin, eine pragmatische Bestandsaufnahme und Analyse vorhandener Konzepte, Praktiken und Anliegen durchzuführen und deren Besonderheiten und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Auf diese Weise entsteht ein wachsender Fundus an universell anwendbaren Kriterien, Normen und Messmethoden. Wichtig ist, dass diese Entwicklungen mit weiteren Bemühungen um die Revision der ISCED im Hinblick auf Bildungsarten, Bildungsträger und Formen der Durchführung einhergehen. II. Schwerpunkte des Informationsbedarfs Vor Beginn der Messung des lebenslangen Lernens muss der politische Informationsbedarf konkret erfasst werden. Wie die UNESCO in verschiedenen Strategiedokumenten4,5 erklärte, erfordert ein sich am Lernenden orientierender Ansatz die besonders gründliche Ermittlung des Bedarfs verschiedener Bevölkerungsgruppen in verschiedenen geographischen Gebieten an unterschiedlichen Arten von Lernmöglichkeiten sowie des Umfangs der bisherigen Bedarfsdeckung. Durch eine differenziertere Messung der Lernmotivation der Bürger, des Grades der Information über vorhandene Lernmöglichkeiten und deren Qualität und Zugänglichkeit sowie des früheren und gegenwärtigen Niveaus von Zugang und Teilnahme am lebenslangen Lernen lassen sich wertvolle Erkenntnisse über das Verhältnis von Angebot und Nachfrage gewinnen. Besonders interessant und wichtig ist bei der Messung des lebenslangen Lernens die Einholung von Informationen zur Effizienz, Wirksamkeit und Qualität des Lernprozesses aus der Sicht des Lernenden wie auch des Bildungsanbieters. Gemessen werden können Aspekte wie der Grad der Übereinstimmung zwischen den Lernzielen des Lernenden und der Programmgestaltung; die Bedarfsgerechtheit und Qualität der Lerninhalte, -materialien und –methoden, die Effektivität der Bildungsvermittlung und der Lernmethoden sowie das Tempo und Ausmaß des Erwerbs von Kenntnissen und Fähigkeiten bei den Lernenden. LLL-Messung: Schwerpunkte Lernmöglichkeiten (Bedarfsgerechtheit; Ressourcen; Qualität, Zugänglichkeit) Lernbedarf und Motivation Zugang und Teilnahme Lernprozess Lernergebnisse 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 57 INHALT eurostat Strategische Informationen werden außerdem zu einem dritten wichtigen Bereich benötigt, nämlich zu den Ergebnissen und Auswirkungen des lebenslangen Lernens sowohl im engeren Sinne, d.h. im Hinblick auf die persönliche Entwicklung und das Wohlergehen des Lernenden, als auch generell im Hinblick auf die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung von Gesellschaft und Staat. Was den Lernenden anbelangt, so zählen dazu die Erfassung von Daten über seine Leistung bei der Lernaktivität und über die Erreichung/Nichterreichung der Lernziele sowie die regelmäßige Weiterverfolgung von Veränderungen in Bezug auf Wissensstand und Kompetenzen, Beruf, ausgeübte Tätigkeit und Einkommenssituation, Nutzung weiterer Lernmöglichkeiten, kulturelle und Freizeitaktivitäten sowie andere ausschlaggebende Aspekte der Lebensqualität. Derartige Informationen über persönliche Lernergebnisse helfen einerseits den Bildungsträgern, besser auf Lernbedürfnisse und Lernerwartungen einzugehen, und ebnen andererseits den Weg für anforderungsgerechtere Strategien im Bereich des lebenslangen Lernens, bei denen die Förderung der individuellen Entwikklung mit der Entwicklung der Kommunen, der Gesellschaft und des ganzen Landes Hand in Hand geht. Sobald die Begriff „formell“, „nicht-formell“ und „informell“ im Zusammenhang mit Bildung bzw. Lernen klarer definiert sind, wird ein strategischer Schwerpunkt darin bestehen, die Anteile, die Beiträge und die Komplementarität dieser Lernkanäle im Hinblick auf Kapazität, Qualität, Lernbeteiligung und Lernergebnisse so weit wie möglich zu bestimmen, damit künftig eine größere Ausgewogenheit und Wirksamkeit der Strategien und Maßnahmen im Bereich des lebenslangen Lernens erreicht wird. Ehe die Messung des lebenslangen Lernens in die Phase der Planung und Durchführung eintritt, muss daher festgelegt werden, welche der Informationen zu diesen und weiteren Aspekten Schwerpunktcharakter tragen. Erst dann kann die Suche nach geeigneten Datenquellen und -kanälen sowie nach praktikablen und schlüssigen Methoden der Datensammlung, -analyse und –interpretation beginnen. III. Datenquellen und -kanäle Lebenslanges Lernen ist eine alle Lebensbereiche durchdringende, breit gefasste Tätigkeit. Es geht in unterschiedlicher Form vonstatten, richtet sich nach dem differenzierten Lernbedarf von Personen, die sich im Hinblick auf Alter und Geschlecht, auf die Zugehörigkeit zu ethnischen, sprachlichen und religiösen Gruppen sowie auf Bildungsstand, Beruf, Einkommenssituation und soziale Lage voneinander unterscheiden, und findet ständig und allerorten statt. Es liegt daher auf der Hand, dass bei der Beobachtung und Messung dieser Tätigkeit eine Vielzahl von Datenquellen und –kanälen zum Einsatz kommen muss. Die möglichen Datenquellen für die Messung des lebenslangen Lernens lassen sich im Allgemeinen zwei Kategorien zuordnen: (a) Einzelpersonen (Lernende und Nichtlernende) und (b) Anbieter von Möglichkeiten des lebenslangen Lernens (Schulen, Universitäten, Unternehmen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Berufsverbände, Kommunen, NRO, private Träger usw.). Jede dieser beiden Datenquellen ist besonders für bestimmte Kanäle und Formen der Datensammlung geeignet und trägt auf spezifische Weise zur Deckung des Informationsbedarfs der Politik bei. LLL-Messung: Datenquellen und-Kanäle Einzelpersonen (Lernende/Nichtlernende; Beschäftigte/Arbeitslose) Anbieter (Bildungseinrichtungen; kommunale Zentren; Unternehmen; gemeinnützig; Organisationen; private kommerzielle Einrichtungen; Ausbilder/Lehrer usew. 58 Haushaltserhebung Arbeitskräfteerhebung Erhebungen in: Unternehmen Industrie Landwirtschaft Bildungswesen sowie administrative Berichterstattung 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Die Erfassung von Einzelpersonen beispielsweise erfolgt oftmals im Zuge von Volkszählungen und demographischen Erhebungen, darunter Haushalts- und Arbeitskräfteerhebungen. Zur Erfassung von Anbietern im Bereich des lebenslangen Lernens eignen sich verschiedene sektorspezifische Erhebungen im Bildungswesen, im Unternehmensbereich, in Industrie und Landwirtschaft sowie andere soziale Erhebungen, bei denen Daten von Einrichtungen und Agenturen zusammengetragen werden, die als Bildungsträger bekannt sind. Zu den oben genannten Schwerpunktbereichen des strategischen Informationsbedarfs ist zu sagen, dass sich Daten über Bedarf, Zugang, Teilnahme, Lernprozess und Lernergebnisse am effektivsten durch Erhebungen unter Individuen erfassen lassen. Dabei können auch zusätzliche Fragen zu den Gründen für die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme sowie zur Beurteilung der Bedarfsgerechtheit und Qualität der Lernaktivitäten durch den Lernenden gestellt werden. Längsschnittstudien zur nachgehenden Begleitung ehemaliger Lernender empfehlen sich besonders für die Einschätzung der Auswirkungen von Maßnahmen im Bereich des lebenslangen Lernens. Ein gravierender Nachteil dieses Datenkanals besteht darin, dass er keine umfassenden Informationen über das Angebot an Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen liefern kann und dass Qualität und Bedarfsgerechtheit nur anhand persönlicher Berichte, Erinnerungen und Eindrücke erfasst werden können. Die Erhebungen zu den Anbietern im Bereich des lebenslangen Lernens, die eine Ergänzung zu den genannten Erhebungen über Einzelpersonen darstellen, dienen vor allem der Bewertung des Versorgungsgrades, des Zugangs und der Teilnahme sowie der Ermittlung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage. Sie geben Hinweise auf Versorgungslücken und -engpässe bzw. auf ein mögliches Überangebot, so dass mittels geeigneter Steuerungsmechanismen eine Umlenkung von Lernressourcen aus überversorgten in unterversorgte Bereiche erfolgen kann. Sie ermöglichen nicht nur den Aufbau umfassender Datenbanken mit Informationen zu Anbietern und zu Ausbildern/Pädagogen/Betreuern zwecks Erleichterung des Zugangs und der Teilnahme, sondern auch die Erfassung detaillierterer Angaben über die Qualität der bereitgestellten personellen und materiellen Ressourcen im Bereich des lebenslangen Lernens sowie über die Wirksamkeit des Lernprozesses und die Lernergebnisse, gemessen an der Zahl der Lernenden, die die jeweilige Maßnahme erfolgreich abgeschlossen haben. Hieran zeigt sich, dass beide Datenquellen und -kanäle genutzt werden müssen, um ein ausgewogeneres, umfassenderes und aussagekräftigeres Bild von den Geschehnissen im Bereich des lebenslangen Lernens zu vermitteln, das wiederum die Grundlage für eine tragfähige Politik und Entscheidungsfindung bildet. Ferner sei daran erinnert, dass die Datensammlung bei beiden Kanälen mit praktischen Problemen verbunden sein kann. Ein Problem sind beispielsweise die Kriterien und Normen, anhand derer bestimmt werden soll, ob eine bestimmten Lernaktivität als Bestandteil des lebenslangen Lernens einzustufen und somit bei den Erhebungen zu berücksichtigen ist. Formen nicht-Formeller Bildung • Alphabetisierung für Erwachsene • Grundbildung für Nichtschulbesucher • Funktionelle Alphabetisierung und Vermittlung sozialer Kompetenzen • Beratung für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung • Ausbildung für Produktion und Dienstleistungsgewere • Nicht-formelle tertiäre Bildung • Vermittlung sprachlicher und kommunikativer Fähigkeiten • Religionsunterricht • Bildung für Kultur und Freizeitgestaltung Beispielsweise werden Bildungsgänge, die in akademische Jahre und Semester unterteilt sind, bei der Messung des lebenslangen Lernens ohne Frage erfasst. Sollte aber auch ein halbtägiges themenspezifisches Seminar als Maßnahme lebenslangen Lernens in die Erhebung einbezogen werden? Und wie verhält es sich mit einem Museumsbesuch? Wie ist das Anschauen einer Fernsehdokumentation über Pinguine in der Antarktis zu werten? Festzustellen ist, dass es angefangen von der formellen und nicht-formellen Bildung über das informelle Lernen bis hin zum zufälligen Lernen eine breite Palette von Aktivitäten gibt und dass ganz konkrete praxisorien14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 59 INHALT eurostat tierte Kriterien und Normen benötigt werden, um korrekt zu bestimmen, ob eine bestimmte Maßnahme bei der Messung des lebenslangen Lernens berücksichtigt oder ausgeklammert werden sollte. Könnte eine festgelegte Mindestdauer ein solches Kriterium sein? Oder sollten wir die Messung auf organisierte Lernprogramme nach der ISCED-Definition beschränken, womit alle sporadischen und kurzfristigen Lernaktivitäten ausgeschlossen wären? Die UNESCO spricht sich bei ihren Bemühungen um die Entwicklung der Beobachtung der nicht-formellen Bildung2 dafür aus, dass jedes Land einen pragmatischen Ansatz verfolgt und schrittweise eine Datenbank nicht-formeller Bildungseinrichtungen und Bildungsgänge aufbaut, wobei zunächst die vorhandenen Arten nicht-formeller Bildung erfasst werden, zu denen Informationen verfügbar sind, und dann eine allmähliche Ausweitung auf andere Arten und Unterarten erfolgt, um eine Standardtypologie der nicht-formellen Bildung zu entwickeln. Dieser Ansatz empfiehlt sich für mehrere der an der Messung des lebenslangen Lernens interessierten Länder, da er einen Austausch mit UNESCO und Eurostat über Erfahrungen, Probleme, Fragen und Lösungen gestattet. Abschließend ist zu sagen, dass die UNESCO die Bemühungen von Eurostat zur Weiterentwicklung der Messung des lebenslangen Lernens unterstützt und in die empfohlenen Aktionen zur Entwicklung einer Klassifikation von Lernaktivitäten sowie zur Konzipierung einer neuen Erhebung über Erwachsenenbildung in Europa eingebunden werden möchte, da diese in engem Zusammenhang mit dem eigenen Programm der UNESCO zur Umsetzung des Delors-Berichts über Bildung im 21. Jahrhundert4, dem Aktionsrahmen von Dakar „Bildung für alle“ 5 und dem Mandat des UNESCO Institute for Statistics zur Verbesserung der politischen Relevanz und Qualität der Bildungsstatistik steht. Literaturhinweise 1. Eurostat: Bericht der Eurostat-Taskforce zur Messung des lebenslangen Lernens. Luxemburg, Februar 2001. 2. UNESCO: ISCED 1997 - International Standard Classification of Education. Paris, November 1997. 3. UNESCO: Manual for Statistics on Non-formal Education. Paris, 1996. st 4. UNESCO: Learning - The Treasure Within (Delors Report on Education in the 21 Century). Paris, 1996. 5. World Education Forum: Education for All – The Dakar Framework for Action. UNESCO, Paris, 2000. 60 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat MESSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS GRAF PÜCKLER Botho Bundesvereinigung der Dt Arbeitgeberverbände Breite Strasse 29 10178 Berlin [email protected] 1. Die Industrienationen dieser Welt befinden sich gegenwärtig in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Dieser Strukturwandel ist gekennzeichnet durch das Vordringen wissensbasierter Arbeits- und Produktionsformen, intelligenter Produkte und den mit ihnen häufig untrennbar verbundenen Dienstleistungen. Das „Wissen“ wird heute als Produktionsfaktor eingesetzt und steht gleichberechtigt neben den traditionellen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital. Der Besitz von Wissen entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur einzelner Unternehmen, sondern der Nationen untereinander. Insbesondere für jene Nationen, die über keine eigenen natürlichen Rohstoffe verfügen, ist die Qualität der „Human-Ressource“ das entscheidende Kapital. Investitionen in das Humankapital sind somit für das Wachstum der Volkswirtschaften und für den Wohlstand ihrer Bürger von entscheidender Bedeutung. Sie spielen im globalen Wettbewerb eine entscheidende Rolle. 2. Die Wissensgesellschaft bietet also große Chancen, aber – und das sollte man nicht übersehen – auch Gefahren. Sie kann die Gesellschaft spalten, in diejenigen, die über das Wissen verfügen und diejenigen, die den Anschluss aufgrund der ständig steigenden Anforderungen an das Qualifikationsniveau verloren haben. Wer heute schon diesbezüglich benachteiligt ist, droht zu den Verlierern der Wissensgesellschaft zu werden. Daher müssen schon aus sozialpolitischen Aspekten die Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungssysteme die Voraussetzungen schaffen, damit diese Gefahren minimiert werden. 3. Hierzu bedarf es geeigneter Indikatoren, um heraus zu finden, in welche Richtung der Bedarf an Qualifikationen sich im Zeitablauf entwickeln wird. Dies ist notwendig, um mit geeigneten Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten denjenigen eine Chance zu geben, die außerhalb des Arbeitsmarktes stehen. Aber auch diejenigen, die zwar noch einen Arbeitsplatz haben, diesen aber als gefährdet betrachten, müssen die Chance bekommen, sich weiterqualifizieren zu können, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten oder um sich um einen neuen erfolgreich bewerben zu können. 4. Aktuelle Angaben über das Bildungssystem liegen im allgemeinen auf nationaler Ebene in umfänglicher Form vor. So gibt es beispielsweise in Deutschland keine Probleme, aus der Bildungsstatistik detaillierte Informationen über die Höhe der Ausgaben des Staates für die Bildung, d.h. für die Wissensvermittlung zu entnehmen – z. B. im Jahr 1996 rd. 168 Mrd. DM bzw. rd. 86 Mrd. Euro. Das waren etwa 9 Prozent der Ausgaben der öffentlichen Haushalte. Auch die Anzahl der Schüler, der Auszubildenden, der Studierenden sowie die Zugänge und Abgänge sind tief strukturiert erfasst und ausgewiesen. Wir kennen auch die Anzahl der abgelegten Universitätsprüfungen sowie die durchschnittliche Gesamtnote. Natürlich wissen wir auch wie viele Schüler bzw. Studenten vorzeitig das Handtuch geworfen und den Schulbesuch bzw Studium abgebrochen haben. Generelle Angaben und Informationen über den Bildungsstand der Bevölkerung basieren für Deutschland vor allem auf den Ergebnissen des Mikrozensus. Daneben gibt es umfassende statistische Informationen vom Bundesinstitut für Berufsbildung, dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und anderer staatlicher, halbstaatlicher bzw. privater Institutionen. Auf Basis dieser Veröffentlichungen kann ein ziemlich genaues und umfassendes Abbild des aktuellen Bildungsniveaus der Bevölkerung und seiner Struktur, der Ausbildungsdauer in den einzelnen Bildungsgängen usw. gezeichnet werden. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 61 INHALT eurostat 5. Auch auf internationaler Ebene liegen gute Informationen über die Anzahl der Schüler, der Studierenden etc. vor. Aber: es handelt sich auch bei diesen Informationen überwiegend um statistische Angaben, die jene Personen betreffen, die sich im Bildungssystem befinden. Also: Zahl der Schüler, der Studierenden usw. nach Geschlecht, Alter und Herkunft in den einzelnen Stufen des Bildungssystems. 6. Problematisch wird es jedoch, wenn man nach vergleichbaren Angaben über das „Wissen“ selbst, dessen Inhalt und Struktur sucht. Über dieses Gut sind keine statistischen Angaben zu finden, weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene. Und das aus einsichtigen Gründen. Denn die Definition des Produktionsfaktors “Wissen“ dürfte wohl einige Kopfzerbrechen verursachen. Trotzdem sollte man versuchen hier geeignete Indikatoren zu entwickeln, die uns über das Gut „Wissen“ und seine Struktur Auskunft geben. 7. Der Vorteil solcher statistischer Kennziffern ist, dass auf diese Weise mögliche Defizite sichtbar werden. Internationale Vergleiche könnten positive wie negative Entwicklungen im Bildungssektor frühzeitiger aufscheinen lassen. Gelingt es dem nationalen Bildungssystem nicht, junge Menschen mit dem notwendigen Wissen, das dem aktuellen internationalen Stand entspricht, auszustatten, mindern sich ihre Marktzutrittschancen erheblich. Die Unternehmen sind aus Gründen der Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gezwungen, die klügsten Köpfe - und wenn es sein muss auch aus dem Ausland - anzuwerben. Eines ist klar: Der Wettbewerb um die Ressource „Wissen“ ist in vollem Gange. Erst kürzlich stand beispielsweise in einer deutschen Wirtschaftszeitung: „Um Wohlstand und Wirtschaftswachstum zu sichern, jagen Staaten einander die klügsten Köpfe ab“. 8. Je weiter wir uns von dem formalen Bildungssektor entfernen und uns dem informellen Bildungsbereich nähern, werden die Informationen auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene immer dürftiger. Für die Bereiche des nicht-formalen und insbesondere des informellen Bildungssektors liegen nur unzureichende oder überhaupt keine statistischen Informationen vor. Hier besteht großer Informationsbedarf, zumal es sich um den Bereich handelt, in dem das lebenslange Lernen sich schwerpunktmäßig abspielt. Da ich hier die Nutzerseite der Wirtschaft zu vertreten habe, möchte ich mich in meinen weiteren Ausführungen auf den Bereich des lebenslangen Lernens beschränken, der im Zusammenhang mit der Arbeitswelt steht, d. h. mit der betrieblichen / beruflichen Weiterbildung. 9. Die schnell fortschreitende Wissensmehrung, der Wandel in den Arbeitsformen und in den Arbeitsorganisationen, die Einführung kürzerer, dafür aber flexiblerer Arbeitszeiten erfordern heute von jedem Einzelnen ein ständiges Mehr an Kompetenz und ein Mehr an individuellem, selbstverantwortlichen Handeln. Kompetenzgrad und der Grad der Selbstverantwortlichkeit sind untrennbar verbunden mit dem erreichten Bildungs- bzw. Ausbildungs-/Qualifikationsniveau. Immer mehr Menschen bleiben immer länger im Bildungssystem, um die erforderlichen Bildungsabschlüsse mit bestmöglichen Beurteilungen zu erhalten, um so ihre Chancen für den Einstieg in das Berufsleben zu optimieren. Allerdings reicht der einmal erreichte Bildungsgrad nicht aus, um sich auf Dauer und ein Leben lang auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich etablieren zu können. Denn im Zuge des rasanten Fortschrittes in Wissenschaft und Technik ist die Halbwertzeit des Wissens immer kürzer geworden. Neues Wissen ersetzt in immer kürzeren Abständen altes Wissen. Von dieser Entwicklung sind nahezu alle naturwissenschaftlichen und technischen Wissensbereiche betroffen. So war der rasante Fortschritt in der Computertechnologie und dessen Auswirkungen in der Wissenschaft, in der Produktion, bis hin in den privaten Bereich des täglichen Lebens in diesem Umfang und in dem Tempo seiner Abfolge vor 10-15 Jahren noch unvorstellbar. Vor einer ähnlich rasanten Entwicklung stehen wir heute im Bereich der Biotechnologie im allgemeinen und der Genforschung im besonderen. Dies bedeutet, dass heute ein einmal erworbenes Wissensniveau nicht mehr ausreicht, um im beruflichen Leben Karriere zu machen. Vielmehr muss das erworbene Wissen ständig erweitert werden, sei es durch Teilnahme an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen oder durch eigeninitiierte Fortbildung. 10. Die Unternehmensleitungen wissen, dass die Wettbewerbsposition ihres Unternehmens vor allem der Qualifikation ihrer Mitarbeiter zu verdanken ist. Qualifizierung ist damit gleichbedeutend mit unternehmerischer Zukunftsvorsorge. Qualitätssicherung und technische Optimierung setzen voraus, dass die Mitarbeiter in der Fertigung wissen, wie sich die Einzelteile ihres Produktes zu einem ganzen zusammensetzen und wo die potentiellen Fehlerquellen liegen. Entscheidende Produktverbesserungen basieren häufig genug auf den Vorschlägen qualifizierter Mitarbeiter im Fertigungsbereich. Aber nicht nur die Produkte werden ständig verbessert, sondern auch die Produktionsverfahren. Hier gilt ähnliches. Es ist gerade die qualifizierten Mitarbeiter, die ihr „know how“ aus eigenem Antrieb heraus auf dem neuesten Stand der Technik halten, und es sind gerade diese Mitarbeiter, durch deren Verbesserungsvorschläge Fertigungs62 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat prozesse optimiert werden. Sie tragen dazu bei, Kosten zu vermeiden und die Wettbewerbskraft ihres Unternehmens zu stärken. Ein hohes Qualifikationsniveau ergibt sich jedoch nicht von alleine. Die Unternehmensleitungen bieten daher ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der betrieblichen Weiterbildung an, damit diese die für die Qualitätssicherung notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten aufrecht erhalten können bzw. die für die Herstellung der neuen Produkte erforderliche Qualifikation neu erwerben können. Die betriebliche Weiterbildung vollzieht sich in den Unternehmen auf vielfältige Weise. Dabei können folgende Grundformen unterschieden werden. • Lernen in der Arbeitssituation • Selbstgesteuertes lernen mit Medien • Interne und externe Lehrveranstaltungen • Informationsveranstaltungen • Umschulungsmaßnahmen 11. Im Vordergrund der betrieblichen Weiterbildung steht das Lernen in der Arbeitssitua.tion, das selbstgesteuerte Lernen und die Teilnahme von Fach- und Führungskräften an Informationsveranstaltungen. Die meisten dieser Weiterbildungsseminare werden von den Unternehmen selbst im Rahmen von zielgerichteten Schulungen, Kursen, Seminaren etc. durchgeführt. Die Teilnahme an solchen Weiterbildungsmaßnahmen ist zum Teil obligatorisch, zum Teil wird sie aber auch den Mitarbeitern auf freiwilliger Basis angeboten. 12. Welche statistischen Informationen sind in diesem Bereich aus Sicht der Wirtschaft relevant? • Art und Anzahl der betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen • Weiterbildungsformen, Dauer, Lage und Inhalt der Weiterbildungsmaßnahme • das mit der Weiterbildungsmaßnahme verfolgte Ziel • die Höhe der Ausgaben für Weiterbildungsmaßnahmen insgesamt • Anzahl der Teilnehmer, bzw. Teilnahmefälle, nach Alter und Geschlecht, Betriebszugehörigkeit und Stellung im Unternehmen • Wo finden die Weiterbildungsmaßnahmen statt? Extern oder intern? Abgeleitete Kennziffern • Höhe der Ausgaben je Teilnehmer/stunde bzw. je Beschäftigten/stunde • Anteil der Aufwendungen für Weiterbildungsmaßnahmen an dem gesamten Personalaufwand 13. Hierzu bedarf es nicht notwendigerweise neuer amtlicher Statistiken. Dies ist meiner Meinung nach hauptsächlich das Feld der wissenschaftlichen Forschungsinstitute, die solche Untersuchungen im Rahmen von Stichprobenerhebungen auf freiwilliger Basis durchführen können. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln führt beispielsweise regelmäßig solche Erhebungen durch und kommt dabei zu interessanten Ergebnissen. 14. Der rasante technologische Fortschritt, der sich für die Beschäftigten in den Unternehmen in immer neuen Fertigungsverfahren oder neuen Dienstleistungen zeigt, erfordert aber auch von den Mitarbeitern selbst die Bereitschaft, ihre Beschäftigungsfähigkeit durch ständiges Lernen zu erhöhen, zumindest aber zu erhalten. Ohne diese Bereitschaft der Arbeitnehmer, ihre eigene Beschäftigungsfähigkeit ständig verbessern zu wollen, muss jedes Weiterbildungsangebot seitens der Unternehmen bzw. des Staates oder anderer Einrichtungen ins Leere laufen und wirkungslos verpuffen. Wir alle kennen das englische Wort: employability for employment. Dies gilt nicht nur für diejenigen, die zu Beginn ihres Berufslebens in die Arbeitswelt eintreten wollen oder diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und nunmehr versuchen, durch Teilnahme an Umschulungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen versuchen. Dies gilt gleichermaßen auch für die Arbeitsplatzbesitzer. Denn auch sie müssen sich heute im klaren sein, dass sie sich permanent auf neue Arbeitsverhältnisse und neue Arbeitsinhalte einstellen müssen. Natürlich ist die einmal erworbene Fachkompetenz nach wie vor die Grundvoraussetzung für den Erhalt eines qualifizierten Arbeitsplatzes. Allein diese reicht aber künftig immer weniger aus. Wir müssen uns darauf einstellen, dass im Zuge der kurzen Halbwertzeit des Wissens das lebenslange Lernen immer be14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 63 INHALT eurostat deutsamer wird und auch einen immer größeren Anteil am individuellen Zeitbudget – d. h. nicht nur Weiterbildung während der Arbeitszeit, sondern in der arbeitsfreien Zeit - einnehmen wird. Angaben hierüber finden wir gegenwärtig nicht oder doch nur unzureichend in der amtlichen Statistik. Wenig oder gar nichts wissen wir auch über die finanziellen Mittel – in absoluten Angaben oder als Anteil ihres verfügbaren Einkommens -, die diejenige, die an Bildungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, bereit sind aufzuwenden. Dies gilt sowohl für die Höhe als auch für die Struktur der individuellen Weiterbildungsausgaben. Und schließlich wissen wir nichts darüber, ob diese Anstrengungen erfolgreich im Sinne eines Abschlusses waren und ob sie konkret die berufliche Situation des Einzelnen positiv beeinflusst haben. Es wäre daher wünschenswert dezidiertere Angaben über den Inhalt der angebotenen und der nachgefragten Weiterbildungsmaßnahmen und deren Erfolg (Effizienz) zu erhalten. 64 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat MESSUNG LEBENSLANGEN LERNENS ANDRE Maria-Helena Confederal Secretary ETUC Bd. Du Roi Albert II, 5 BRUSSELS [email protected] LEBENSLANGES LERNEN FÜR ALLE: EINE HERAUSFORDERUNG FÜR EUROPA Europa steht vor einer Reihe von Herausforderungen: Globalisierung, Entwicklung neuer Technologien – vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Dazu gehört auch die demografische Entwicklung mit ihren direkten und tief greifenden Auswirkungen auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze und auf die Organisation von Arbeit, Dienstleistung und Produktion. Innovationsförderung, Stärkung des sozialen und territorialen Zusammenhalts, Zugang zu Wissen und Information für alle sowie die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit zur Erreichung der Vollbeschäftigung zählen zu den Maßnahmen, mit denen diesen Herausforderungen erfolgreich begegnet werden kann. Niemand darf hier ausgeklammert werden, und jeder Einzelne ist aufgerufen, seinen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Europäischen Rats von Lissabon zu leisten. Der EGB unterstützt die strategischen Zielsetzungen des Europäischen Gipfels zur Förderung von Beschäftigung, wirtschaftlichen Reformen und sozialem Zusammenhalt als Komponenten der wissensbasierten Gesellschaft. Für besonders notwendig erachten wir ein integriertes Paket von makroökonomischen Maßnahmen, um erneut Vollbeschäftigung zu erreichen, mehr und bessere Arbeitsplätze in Europa zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Die Schaffung einer Lerngesellschaft zieht die Forderung nach neuen Chancen für alle nach sich und darf nicht zur Entstehung neuer Gruppen von sozial Ausgegrenzten führen. Es müssen differenzierte und geeignete Antworten auf die Anforderungen der verschiedenen Zielgruppen gegeben werden, nicht nur zum richtigen Zeitpunkt, sondern auch zu verschiedenen Zeitpunkten im Leben des Einzelnen. Es muss sichergestellt werden, dass der Einzelne Wissen, Berufsqualifikationen und Fachkenntnisse – also das Instrumentarium – erwerben kann, mit dem er auf den raschen Wandel in Gesellschaft und Arbeitsmarkt reagieren kann. Wissen muss als Wert anerkannt werden, der zusammen mit den Zugangsbedingungen zu diesem Wissen gefördert werden muss. Der Zugang zu lebenslangem Lernen, der sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene als von der Allgemeinheit garantiertes Recht des Individuums anerkannt werden muss, trägt zur persönlichen Weiterentwicklun und Selbstverwirklichung bei, zur Chancengleichheit, zum Entstehen aktiven Bürgertums, zu verstärktem sozialen Zusammenhalt und zur Einbindung in eine Gesellschaft, die zunehmend multikulturell wird. Durch das ständige Auffrischen von Kenntnissen und Fertigkeiten, sowie eine verbesserte Zusammenführung von Angebot und Nachfrage nach bestimmten Qualifikationen, wird auch die wirtschaftliche Entwicklung gefördert. Nicht zuletzt wird so der Fortbestand des europäischen Sozialmodells gewährleistet. Aus all diesen Gründen akzeptiert der EGB nicht die häufig rein beschäftigungsbezogene Betrachtung der Rolle des lebenslangen Lernens. Wir müssen bestrebt sein, eine neue Kultur des lebenslangen Lernens zu schaffen. Dazu sind neue innovative und integrierte Ansätze sowie ein entsprechender Policy Mix erforderlich. Dies ist kein leichter Weg, der nicht von heute auf morgen zu bewältigen ist. Lebenslanges Lernen, seine strategische Bedeutung und die Notwendigkeit der praktischen Umsetzung zum Wohle aller, auf allen Ebenen, ist zwar in aller Munde, tatsächlich sieht es jedoch so aus, als ob nicht genug in dieser Richtung getan wird. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 65 INHALT eurostat Es müssen neue Vorstellungen, neue Rechte und Pflichten angestrebt werden, wenn lebenslanges Lernen Realität und Bestandteil der europäischen Kultur werden soll. Nur so wird ein Beitrag zu mehr Produktivität, Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit, zur Vollbeschäftigung und Höherqualifizierung, zur Arbeitsplatzqualität und Beschäftigungsfähigkeit, zur gerechteren Einkommensverteilung und besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie zum aktiven Bürgertum geleistet werden können. Nach Auffassung des EGB führt dieser neue Ansatz nicht nur zu weitreichenden Veränderungen im allgemeinen und beruflichen Bildungswesen (das zur Erreichung der hohen Qualitätsziele der Wirtschaft reformiert und modernisiert werden muss), sondern zieht auch höhere Investitionen, verstärkte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren sowie neue Formen der betrieblichen Leitung, Information, Beratung und Partizipation nach sich. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist vielschichtig und setzt zunächst allgemeine Übereinstimmung darüber voraus, dass lebenslanges Lernen ein permanenter und fortlaufender Prozess ist, der als zeit- und ressourcenabhängig verstanden werden muss. Wir benötigen dazu eine neue Vision des Faktors Zeit, die letztlich darin besteht, dass zwischen Freizeit, Arbeitszeit und Zeit für Bildung ein besserer Ausgleich gefunden wird; diese Vision wird mehr beinhalten als bloße Erhöhung oder Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit; innovative Formen des Bildungsaufwands und neue Verwendungsmöglichkeiten für vorhandene Mittel werden gefunden und Lehrpläne neu geschrieben werden müssen; lebenslanges Lernen wird von hoher Qualität sein müssen und alle Phasen der allgemeinen und beruflichen Bildung umfassen (vorschulische Erziehung, Primar- und Sekundarschule, Hochschul- und Erwachsenenbildung); das Verhältnis zwischen formellem, nicht-formellem und informellem Lernen wird zu hinterfragen sein, während gleichzeitig die Notwendigkeit ständiger Fortbildung für alle anerkannt werden muss – ungeachtet des Alters, der individuellen Bedürfnisse und des Zeitpunkts und Orts des Erwerbs von Fachkenntnissen, die zunehmend differenzierter werden. Stimmen wir bis hierher überein, müssen wir auch erkennen, dass lebenslanges Lernen in enger Verbindung mit höherer persönlicher Motivation und sowohl quantitativ als auch qualitativ höherem Einsatz steht. Wir wissen, dass der Zugang zu lebenslangem Lernen auf betrieblicher Ebene auf bereits relativ hoch qualifizierte Mitarbeiter beschränkt ist und älteren Arbeitnehmern, jenen in atypischen Arbeitsverhältnissen (vorwiegend Frauen), Saisonarbeitskräften, ethnischen Minderheiten, Menschen mit Behinderungen oder gering Qualifizierten verschlossen bleibt. Der Zugang zu lebenslangem Lernen ist eng mit der Motivation des Einzelnen verknüpft: berufliches Fortkommen, neue Berufsqualifikationen oder Fachkenntnisse, Gehaltsverbesserungen, geografische oder berufliche Mobilität, verbesserte Beschäftigungsfähigkeit, die Bewertung früherer Lernerfahrungen (Erfolge oder Misserfolge) oder einfach Selbstverwirklichung. Auch Arbeitgeber müssen motiviert werden und lebenslanges Lernen als Investition mit strategischem Potenzial zu begreifen, das Unternehmensleistung und Arbeitsbeziehungen verbessern kann. Gewerkschaftsorganisationen müssen wesentlich dazu beitragen, den Arbeitnehmern die Vorteile des lebenslangen Lernens nahe zu bringen. Durch Aushandeln von Kollektivverträgen oder Bereitstellung von Bildungsprogrammen auf allen Ebenen müssen Gewerkschaftsorganisationen dazu beitragen, das Bewusstsein von Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern für die Herausforderungen der wissensbasierten Gesellschaft zu schärfen. DIE ROLLE VON STATISTIKEN, INDIKATOREN UND ZIELVORGABEN Ein neuer Ansatz ist notwendig, damit auch quantitative und qualitative Aspekte berücksichtigt werden. Die bloße Erhebung von Wirtschaftsdaten muss um eine Dimension erweitert werden, um den Auswirkungen lebenslangen Lernens auf den Einzelnen und auf dessen Fähigkeit, sich an eine sozial, kulturell und technologisch schnelllebige Gesellschaft anzupassen, Rechnung zu tragen. Die Umsetzung der Strategie von Lissabon ist in Zusammenhang mit verbesserten Statistiken und Indikatoren sowie einer gemeinsamen Strategie zur Messung lebenslangen Lernens zu sehen. Selbstverständlich gibt es nach wie Mängel im Bereich der Statistik – vor allem bei der Datenerhebung auf nationaler Ebene, der Aktualisierung und der Vergleichbarkeit europäischer und internationaler Ergebnisse. Auf der Grundlage vorhandener Statistiken und Forschungsergebnisse könnte vermutlich mehr getan werden. Aus der Sicht der Gewerkschaft sollten etwa folgende Themen näher untersucht werden: 66 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Mehr öffentliche Investitionen für die Entwicklung der Humanressourcen und verstärkte Messung nichtformellen Lernens Heute herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass die von staatlicher Seite und von den Unternehmen getätigten Investitionen in lebenslanges Lernen bei weitem nicht ausreichen, sowohl was die eher „traditionellen Sektoren“ als auch die IKT (Forschung und Entwicklung, Software, Telekommunikation usw.) betrifft. Der Anteil des Bildungsaufwands am Nationaleinkommen (BIP) ist ein wesentlicher Indikator für den Stellenwert von Bildung in den Mitgliedstaaten. Bildungsausgaben stellen eine wichtige Investition in Humanressourcen dar. Im EU-Schnitt werden von der öffentlichen Hand 5 % des BIP für Bildung ausgegeben. Das bedeutet, dass die öffentlichen Bildungsaufwendungen nach wie vor bei weitem nicht die erforderliche Höhe erreichen, vor allem nicht im Hinblick auf die beim Europäischen Gipfel von Lissabon eingegangenen Verpflichtungen. Die Mitgliedstaaten haben keine konkreten Ziele im Sinne einer signifikanten jährlichen Erhöhung des für die Entwicklung der Humanressourcen zu investierenden BIP-Anteils gesetzt. Auch hier sind wesentliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten ersichtlich (von 3,5 % in Griechenland bis über 8 % in Dänemark 1998, bei einem EU-Durchschnitt von etwa 5,5 %). Während der Anteil in einigen Ländern angehoben werden konnte, sanken die Ausgaben in mindestens sechs Mitgliedstaaten um bis zu 1 % des BIP. Natürlich sind die Staatsausgaben nicht der einzige maßgebende Indikator, auch straffe Organisation und Verwaltung kann entscheidend zur Bildungsqualität beitragen. Die öffentlichen Ausgaben sind jedoch relevant für den Bau und die Instandhaltung von Schulgebäuden und für die Fähigkeit, auf steigende Bildungsanforderungen und die Einführung neuer IKT an den Schulen zu reagieren. Die angemessene Ausstattung mit öffentlichen Mitteln ist eine Grundvoraussetzung für die Modernisierung und den Ausbau des Schul- und Ausbildungswesens. Der EGB vertritt die Ansicht, dass der Vorschlag des Rats von Lissabon, wesentlich mehr in Humankapital zu investieren, nicht genügt. Die Kommission drückt in einer Mitteilung an den Europäischen Rat von Stockhol („Das ganze Potenzial der Union ausschöpfen“) die mangelnden Fortschritte bei der Umsetzung des lebenslangen Lernens im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie aus, vor allem was die nationalen Zielsetzungen betrifft. Mit anderen Worten, die Zielvorgabe bei der Erhöhung der Bildungsausgaben sollte bei 7 % des BIP liegen. Wichtig wären mehr aktuelle und vergleichbare Daten über Fragen wie z. B. Infrastrukturausgaben (auch für die soziale Infrastruktur und den Zugang zu den IKT) sowie die Definition der auf europäischer Ebene benötigten Indikatoren zur Messung von qualitativen Ergebnissen bei Bildungs- und Qualifizierungssystemen. Die Daten, auf die hier Bezug genommen wird, betreffen nur die formelle Bildung. Neben der nach wie vor wesentlichen Finanzierungsverantwortung der öffentlichen Hand entstehen derzeit zwei weitere Investitionsmuster: die Verwendung kollektiver Mittel aus Zweier- oder Dreierabkommen und die Nutzung des individuellen „Lernkontos“. Der EGB erachtet die Umsetzung eines Ansatzes für notwendig, bei dem die Verantwortung für die Finanzierung lebenslangen Lernens geteilt wird, das Individuum also einen Teil der Verantwortung trägt – insbesondere was Motivation und Lernfähigkeit betrifft. Es ist jedoch nicht akzeptabel, dass der Einzelne die Hauptverantwortung für die Mittelaufbringung tragen sollte. Daher zählen die individuellen „Lernkonten“ zu den Möglichkeiten der Ausbildungsmöglichkeiten und dienen vor allem dazu, frei gewählte Lernprogramme selbst zu finanzieren. Interessant wären konkretere Daten über die tatsächliche Nutzung dieser „individuellen Lernkonten“ und die dabei erzielten Ergebnisse. Der nicht-formellen Bildung kommt – vor allem wenn sie im Arbeitsumfeld, aber auch in anderen Bereichen erworben wurde – zunehmend eine ähnliche Bedeutung wie der formellen zu. Das nicht-formelle Lernen, insbesondere am Arbeitsplatz, ist ebenso zu messen. Es erlangt insofern besondere Bedeutung als dadurch die Übertragbarkeit von Qualifikationen zur Erlangung geografischer oder beruflicher Mobilität gewährleistet wird und dies auch zur Motivation und Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen beiträgt. Es zählt zu den Aufgaben der Sozialpartner, für die Anerkennung der nicht formell erworbenen Fertigkeiten und Qualifikationen, sowie für die „Anerkennung erworbener Kenntnisse“ (am Arbeitsplatz oder in anderem Kontext) an der dafür geeignetsten Stelle Sorge zu tragen. Sie müssen in der Lage sein, zur Definition, Akkre14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 67 INHALT eurostat ditierung und Anerkennung dieser Befähigungen durch die zuständigen Bildungseinrichtungen sowie zu deren Einbeziehung in nationale Bildungssysteme beizutragen. Mehr, den Erwartungen entsprechendes Engagement für lebenslanges Lernen Laut Angaben von Eurostat (1999) nehmen lediglich 6 % der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahmen in Anspruch. Der Anteil der Arbeitnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen ist daher stark zu forcieren. Wie bereits erwähnt, sind das Recht auf Lebenslanges Lernen, entsprechende Bildungsangebote, sowie solide finanzielle Mittel zu gewährleisten. Qualifikationen im Bereich IKT sind zwar von zentraler Bedeutung, Lebenslanges Lernen sollte sich jedoch nicht auf diese allein beschränken, sondern breit gefächert sein und Fremdsprachen, soziale Fähigkeiten und soziale Kompetenz mit einschließen. Reine Fachkenntnisse reichen nicht mehr aus! Es besteht ein Bedarf an Daten über den Zugang zu lebenslangem Lernen am Arbeitsplatz, über Fremdsprachenkompetenz, das eLearning-Angebot, die verschiedenen Arten erworbener Kenntnisse und ihre Anerkennung sowie über den Qualifikationsbedarf in den verschiedenen Wirtschaftszweigen. Die von Eurostat durchgeführten Arbeiten zur Definition quantitativer und qualitativer Indikatoren sind hier besonders hervorzuheben. Weniger Schulabbrecher Im EU-Schnitt haben 22 % der jungen Menschen zwischen 18 und 24 keinerlei über die Unterstufe hinausgehende allgemeiner oder berufliche Bildung; dieser Durchschnittswert verstellt allerdings den Blick auf die beträchtlichen Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Ländern (laut EU-Arbeitskräfteerhebung liegt dieser Prozentsatz zwischen 8 % in Finnland und 41 % in Portugal). Der EGB unterstützt das in Lissabon vereinbarte Ziel, die Zahl niedrig qualifizierter junger Menschen zu halbieren bzw. die in den beschäftigungspolitischen Leitlinien formulierte Absicht, die Zahl der Schulabbrecher signifikant zu reduzieren. Doch die Ziele der EU sollten höher gesteckt sein: der Anteil junger Menschen ohne ein Mindestmaß an allgemeinen oder beruflichen Bildungsqualifikationen sollte auf unter 8 % gedrückt werden, selbst wenn diese Zielsetzung manchen Mitgliedstaaten beträchtliche Anstrengungen abverlangt. Eine verstärkte Nutzung des Europäischen Sozialfonds könnte hier sicher Abhilfe schaffen. Zweifelsohne sind auch mehr Daten über diese Problematik erforderlich. Ebenso werden Kennziffern über die Schreib- und Lesefertigkeiten benötigt, mehr qualitative Indikatoren über die Arbeitsplätze, die jungen Menschen offen stehen, über die Sicherheit und Stabilität dieser Arbeitsplätze sowie über die Art der Arbeitsverträge und das Lohn- und Gehaltsniveau. Mehr betriebliche Anstrengungen Lebenslanges Lernen hat viele Facetten. Arbeitgeber tragen jedoch eine spezielle Verantwortung, ihren Mitarbeitern Maßnahmen lebenslangen Lernens anzubieten. Ein Blick auf die Eurostat-Erhebung über berufliche Weiterbildung (CVTS) für das Jahr 1993 zeigt, dass weniger als 60 % der Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitern irgendeine Form der Weiterbildung angeboten haben. Bei Firmen mit bis zu 49 Mitarbeitern betrug dieser Anteil sogar nur 50 %. Dagegen stellen nahezu alle großen Unternehmen Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung. Mitarbeiter kleiner Firmen sind also gegenüber Arbeitnehmern in großen Betrieben hinsichtlich der Möglichkeiten lebenslangen Lernens und der Entwicklung ihrer Fähigkeiten benachteiligt. Was die Teilnahme an Bildungsangeboten betrifft, bestehen beträchtliche Unterschiede je nach Qualifikationsniveau. Für Frauen stellt sich die Situation als besonders schwierig dar. Höher qualifizierte Angestellte nehmen relativ häufig Weiterbildungsangebote in Anspruch, während die Beteiligung ungelernter und angelernter Arbeiter besonders gering ist. 68 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Für ein effektives Benchmarking sind aussagekräftige und aktuelle Daten erforderlich. In einer Zeit raschen technischen Wandels sind Maßnahmen zum lebenslangen Lernen kein reiner Kostenfaktor, sondern eine unumgängliche langfristige Investition zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Die Unternehmer sollten daher Investitionen in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter als Verpflichtung verstehen, wie im Bericht der hochrangigen Gruppe für die Arbeitsbeziehungen und die Bewältigung des Wandels betont wurde. Der EGB vertritt die Ansicht, dass Fragen der Arbeitszeit und Arbeitsorganisation in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung sind. Lernen und Ausbildung erfordern Zeit, sowohl Freizeit als auch Arbeitszeit. Politisches Engagement für lebenslanges Lernen und Arbeitszeitpolitik sind daher nicht von einander zu trennen. Die Sozialpartner müssen ein neues Gleichgewicht zwischen Arbeitszeit und Zeit für Fort- und Weiterbildung aushandeln. Die Daten im Zusammenhang mit diesen Fragen sind äußerst wichtig: die von Arbeitnehmern für Fort- und Weiterbildung aufgewendete Stundenzahl, der Zusammenhang zwischen herabgesetzter Arbeitszeit und Zeit für Weiterbildung, die durch Bildungsmaßnahmen erzielte höhere geografische oder berufliche Mobilität sowie deren Auswirkungen auf Löhne und Gehälter zählen zu den Punkten, die wir behandelt wissen möchten. Moderne Formen der Arbeitsorganisation begünstigen das Lernen am Arbeitsplatz. Die Ermittlung des innerbetrieblichen Ausbildungs- und Qualifizierungsbedarfs, sowie die Information der Arbeitnehmer, die Konsultation und aktive Partizipation der Belegschaft und ihrer Vertreter stellt ein entscheidendes Element moderner Personalentwicklungsstrategie dar, die zur Förderung eines hohen betrieblichen Qualifikationsniveaus, zu gesteigerter Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit, sowie zur Herausbildung neuer „Lernorganisationen“ beiträgt. Diese Ergebnisse müssen zu erhöhter Mitarbeitermotivation, zu qualifizierteren und sichereren Arbeitsplätzen sowie zu einer Neudefinition von Entlohnungssystemen führen. Daten über die Zahl der Betriebe, die Hochleistungsarbeitssysteme verwenden, sind in diesem Zusammenhang besonders relevant. Digitale Kompetenz Aktive Teilnahme an der Wissensgesellschaft setzt umfassende IKT-Kenntnisse voraus. Die in den beschäftigungspolitischen Leitlinien 2001 skizzierte Forderung, bis zum Ende des Jahres 2001 alle Schulen mit einem Internetzugang auszustatten, ist ein erster Schritt in diese Richtung. Die Tendenz ist dabei steigend, in manchen Mitgliedstaaten wurde die 90 %-Marke bereits überschritten. Jüngste Forschungsdaten der Europäischen Kommission scheinen jedoch kein zunehmendes Bewusstsein der Unternehmen, was die Vorteile digitaler Kompetenz betrifft, zu bestätigen. Laut diesen Daten benutzen 45 % der Arbeiter und 73,5 % der Angestellten bei ihrer regulären Arbeit einen Computer; doch lediglich 22 % haben IKT-Training erhalten, und nur 16,7 % absolvierten ein vom Unternehmen bezahltes Schulungsprogramm. Dies beweist, dass Ausbildung selbst finanziert wird, ohne Unterstützung der öffentlichen Hand oder der Arbeitgeber. Sollten letztere diese Politik beibehalten, wird es ungemein schwer werden, wie vom EGB gewünscht, in die auf verschiedenen Ebenen geführten Kollektivvertragsverhandlungen die Verwirklichung jener Bedingungen einzubeziehen, die es jedem Arbeitnehmer ermöglichen, sich bis zum Jahr 2003 eine der Informationsgesellschaft gemäße Bildung anzueignen, so wie dies in den beschäftigungspolitischen Leitlinien empfohlen wird. Die Verbreitung von IKT vollzieht sich rasch, und in Zukunft müssen Weiterbildungsmöglichkeiten allen Arbeitnehmern offen stehen. Im Bereich der IKT besteht ein besonderer Bedarf an lebenslangem Lernen. Den Sozialpartnern kommt beim Ausgleich der bestehenden Qualifikationsdefizite eine besondere Verantwortung zu. Es sind jedoch in erster Linie die privaten Arbeitgeber, die sich dieser Verantwortung zu stellen haben. Ziel muss es sein, pro Jahr 20 % aller Arbeitnehmer eine geeignete Weiterbildungsmaßnahme anzubieten, so dass über einen Zeitraum von fünf Jahren alle davon profitieren. Die öffentliche Verwaltung erweist sich mit einem hohen Ausbildungsniveau ihrer Mitarbeiter als vorbildlich. In den zentralen Verwaltungsstellen Belgiens, Dänemarks und Spaniens haben 80 % aller Bediensteten eine Ausbildung im Bereich IKT erhalten, in Österreich liegt die Ziffer bei 90 %, und in den Niederlanden und Schweden sogar bei 100 %. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 69 INHALT eurostat Innovation bei Lehr- und Schulungsmethoden – die Rolle der Lehrenden Unter modernem Lehr- und Lernmaterial, das auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten ist, sind Lehrmittel mit Inhalten zu verstehen, die den Anforderungen und der Lerngeschwindigkeit der verschiedenen Zielgruppen gerecht werden. Die neuen Methoden dienen der Motivation, der Entwicklung kritischen Denkens, sowie dem Engagement und der aktiven bzw. interaktiven Teilnahme nicht nur von Lernenden, sondern auch von Lehrenden. Der EGB weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von verfügbaren Daten über den Zugang von Lehrern und Ausbildern zu digitaler Kompetenz hin; wichtig wäre es auch, zu erfahren, welche Maßnahmen ergriffen werden, um das vom Europäischen Rat von Lissabon gesetzte Ziel (digitale Kompetenz für Lehrer und Ausbilder bis zum Jahre 2001) zu erreichen. Ebenso erforderlich sind zusätzliche Daten über den Lehrer- und Ausbildermangel, von dem zahlreiche europäische Länder zunehmend betroffen sind. 70 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat ZUR STATISTISCHEN ERFASSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS AUS DER PERSPEKTIVE DER STATISTIKPRODUZENTEN HÖRNER Walter Regierungsdirektor Statistisches Bundesamt Gustav-Stresemann-Ring 11 65189 Wiesbaden GERMANY [email protected] Einführung (1) In der bildungspolitischen Diskussion auf nationaler und internationaler Ebene wird seit einiger Zeit intensiv die Idee des “Lebenslangen Lernens” (LLL) thematisiert. Dennoch besteht der Eindruck, dass bisher kein allgemeiner Konsens darüber erreicht wurde, was mit Lebenslangem Lernen genau gemeint ist und wie dieses Thema statistisch so operationalisiert werden kann, dass sachgerechte quantitative Analysen z. B. für Zwecke der Politikberatung möglich werden. (2) Wie also kann und sollte die Vorstellung vom Lebenslangen Lernen konkretisiert werden, damit die politischen Entscheidungsträger, aber auch die Wirtschaft, andere soziale Gruppen und die Lernenden selbst sich einen quantitativen Eindruck vom status quo und von Fortschritten beim Lebenslangen Lernen verschaffen können? (3) Dieser Beitrag beleuchtet dazu einige Fragen aus der Perspektive des Statistikproduzenten. Vom Statistiker wird erwartet, dass er ein abstraktes Konzept des Lebenslangen Lernens durch geeignete Merkmale und Indikatoren so in Zahlen abbildet, dass dem Politiker, Wissenschaftler usw. die gewünschten Informationen zur Verfügung gestellt werden können. Dies soll zudem möglichst rasch vonstatten gehen, damit Entwicklungen im Zeitablauf schon bald erkennbar werden. Und natürlich sollten die Ergebnisse auch zwischen wichtigen Staaten soweit harmonisiert sein, dass internationale Vergleiche möglich sind. Wie man sich der Erfüllung dieses weitgefassten Zielkatalogs sukzessive nähern kann, ist Gegenstand der nachfolgenden Überlegungen. Lebenslanges Lernen - ein komplexes, mehrdimensionales Thema (4) Ausgangspunkt jeder statistischen Abbildung ist der Informationsbedarf. Dieser ist in der Regel vorgegeben oder aus einem allgemeinen Konzept abzuleiten, das die politischen (oder analytischen usw.) Ziele, Planungen, Maßnahmen usw. beinhaltet. (5) Den folgenden Überlegungen liegt ein Konzept des Lebenslangen Lernens zugrunde, das in letzter Zeit breite Akzeptanz gefunden hat. Zusammenfassend lässt es sich wie folgt skizzieren: • Lernen ist als ein permanenter Prozess zu verstehen, der den gesamten Lebenszyklus von frühester Kindheit bis ins hohe Alter umfasst (“von der Wiege bis zur Bahre”). • Angesichts seiner Vielfältigkeit und Komplexität ist Lernen in einem weiten individuellen und gesellschaftlichen Sinne zu interpretieren und nicht auf die berufliche Karriere einzuengen. (6) Vor diesem Hintergrund ist Lernen nicht als zeitlich abgeschlossene Phase in Kindheit und Jugend anzusehen, die in erster Linie dazu bestimmt ist, sich eine bestimmte berufliche Qualifikation anzueignen, sondern 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 71 INHALT eurostat als kontinuierliche gesellschaftliche und individuelle Aufgabe, die sich auf alle Bereiche und Phasen des Lebens bezieht. (7) Die Idee des Lebenslangen Lernens erfordert damit eine neue und weiter gefasste Perspektive: Zum einen sind auch weniger formalisierte Bildungsmaßnahmen und Lernaktivitäten zu berücksichtigen. Zum anderen stehen nicht in erster Linie die unterschiedlichen Bildungsinstitutionen im Zentrum des Interesses, sondern das Individuum, das in einzelnen Lebensphasen Lernprozesse nacheinander oder gleichzeitig durchläuft bzw. verschiedene Lernangebote parallel nutzt. (8) Neben der zeitlichen Dimension des Lebenslangen Lernens (Lernaktivitäten finden in unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus statt) ist auch die institutionelle Dimension des Lebenslangen Lernens explizit zu berücksichtigen. Gerade sie ist heutzutage von zunehmender Bedeutung, weil sich Lernen immer mehr von seinem traditionellen Umfeld löst und in eine Vielzahl sehr unterschiedlicher gesellschaftlicher Bereiche verlagert. Betroffen davon sind auch die Inhalte der Lernprozesse, die eng mit den zugrunde liegenden und sich ändernden Zielsetzungen des Lernenden korrespondieren (berufliche, soziale, persönliche Ziele). veranschaulicht diese beiden Dimensionen des Lebenslangen Lernens. Abbildung 1: Der ‘Lebenslang-Lebensweit-Ansatz’ Institutionelles Lernumfeld Formell Formelle Bildung Junge Menschen Nicht - formelle Bildung Alte Menschen Alter der Lernenden Informelles Lernen Informell Anmerkung: Die Begriffe formelle Bildung, nicht-formelle Bildung und informelles Lernen werden weiter unten aufgegriffen. Eine Erläuterung findet sich in Anlage 1 (Anhang). (9) Insgesamt ist mit dem Ansatz des Lebenslangen Lernens ein Paradigmenwechsel weg von traditionellen, eher ergebnisorientierten Bildungsmaßnahmen und hin zu modernen, eher prozessorientierten und modular aufgebauten Lernangeboten verbunden. Dies geht damit einher, dass neben dem Staat das Individuum und nicht-staatliche Organisationen in weitaus stärkerem Maße als bisher Verantwortung für Bildung und Lernen übernehmen müssen. (10) Ergänzend zur Betrachtung der formellen Beteiligung und der Zugangsbeschränkungen zum traditionellen Bildungssystem tritt damit die Frage, wie und in welchem Umfang die Individuen bereit und in der Lage sind, sich zeitlich und finanziell für das eigene Lernen zu engagieren. Die Lebensumstände und die Motivation der Lernenden gewinnen deshalb im Kontext des Lebenslangen Lernens einen deutlich größeren Stellenwert. (11) Zusammenfassend und in weiter Abgrenzung kann Lebenslanges Lernen daher charakterisiert werden als die Gesamtheit von Lernprozessen, die Individuen im Laufe ihres Lebens durchlaufen und die dazu intendiert sind, sich Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen im persönlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich anzueignen oder zu erweitern.1 1 Diese Abgrenzung stimmt weitgehend mit der Definition überein, die z. B. von der Eurostat Task Force Measuring Lifelong Learning, vom Working Committee on Quality Indicators for Lifelong Learning und im Memorandum zum Lebenslangen Lernen verwendet wird (“...all purposeful learning activity, whether formal or informal, undertaken on an ongoing basis with the aim of improving knowledge, skills and competences”). 72 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Statistische Operationalisierung (12) Statistisches Messen heißt, numerische Informationen über reale Sachverhalte mittels anerkannter statistischer Methoden und Verfahren zu ermitteln. Dabei ergeben sich folgende grundsätzliche methodische Probleme bzw. Anforderungen: • Begriffsadäquation Reale Sachverhalte sowie deren fachwissenschaftliche, politische usw. Konzepte, die Grundlage der statistischen Erfassung sind, werden in der Regel nicht in Begriffen der Statistik und noch nicht unter Berücksichtigung ihrer statistischen Abbildungsmöglichkeiten formuliert. Das gilt auch für das hier zugrunde gelegt Konzept über das Lebenslange Lernen. Die allgemeinen Konzepte müssen daher zunächst in möglichst “adäquater” Weise in ein für die statistische Erfassung geeigneten Ansatz umgesetzt werden. Die dabei verwendeten statistischen Begriffe, Gliederungen, Klassifikationen usw. sind so zu wählen, dass sie den Untersuchungszielen des vorgegebenen allgemeinen Konzepts möglichst gut entsprechen. Hierbei besteht allerdings das grundsätzliche Problem, dass eine perfekte Übereinstimmung zwischen Begriffen der Wissenschaft oder Politik (den sog. idealtypischen Begriffen) und den entsprechenden operationalisierten statistischen Begriffen nie vollständig erreichbar ist. Die idealtypischen Begriffe enthalten, vor allem im Bereich der Sozialwissenschaften (wie hier im Fall des Lebenslangen Lernens), stets auch Wertungen und nicht quantifizierbare Bestandteile, die sich durch statistische Begriffe nicht abbilden lassen2. • Coverage-Problem Der Erhebungsbereich ist so abzugrenzen, dass die echten statistischen Einheiten (beim Lebenslangen Lernen neben den Institutionen und Lernorten, an denen Aktivitäten des Lebenslangen Lernens stattfinden, insbesondere die Individuen, die an solchen Aktivitäten teilnehmen bzw. nicht teilnehmen) vollständig erfasst und alle unechten Einheiten ausgeschlossen werden.3 Die statistischen Einheiten sind dabei so festzulegen, dass sie tatsächlich auch über die erfragten Angaben verfügen. • Programmadäquation Die für die statistische Erfassung des Lebenslangen Lernens relevanten Merkmale der statistischen Einheiten müssen möglichst vollständig, korrekt und aktuell bestimmt werden. Der statistische Produktionsprozess (also die Methoden und Verfahren zur statistischen Erhebung und Aufbereitung) ist zielkonform so zu wählen, dass die statistischen Merkmale möglichst sachgerecht und valide erfasst werden. Häufig wird dabei als Nebenbedingung gefordert, dass die angewandten statistischen Instrumente und die ermittelten Ergebnisse möglichst konsistent in das bestehende Statistiksystem integriert werden können. Dies kann zu suboptimalen Lösungen für einzelne Teilbereiche führen. Andererseits kann auf diese Weise durch Kombination von spezifischen Daten z.B. über das Lebenslange Lernen mit Daten, die für andere Zwecke erhoben werden (etwa über den sozioökonomischen Hintergrund der Individuen), das Informationspotential insgesamt gesteigert werden (Beispiel: Labour Force Survey). • Effizienzforderung Knappe personelle und sachliche Ressourcen machen es erforderlich, die verfügbaren Ressourcen effizient einzusetzen. In der Praxis wird diese Maxime häufig eingeengt auf die Einhaltung bestimmter Kostengrenzen o.ä. Dies kann dazu führen, dass im Hinblick auf das vorgegebene Untersuchungsziel nicht die (theoretisch) beste statistische Lösung realisiert werden kann. • Systemintegration Je nach den in einem Mitgliedstaat geltenden rechtlichen, institutionellen und organisatorischen Regelungen für die Statistik können sich besondere Rahmenbedingungen und ggf. auch Konflikte bei der Einordnung einer neuen Statistik in das bestehende System der Statistik ergeben. 2 Für die praktische Durchführung einer Statistik müssen in Abhängigkeit vom Erhebungsverfahren statistische Begriffe gefunden werden, die möglichst eindeutig und bei der statistischen Erhebung möglichst einfach anzuwenden sind. Bei Statistiken, die auf Verwaltungsdaten aufbauen (sog. Sekundärstatistiken) ist man in der Regel jedoch an die Abgrenzungen der Verwaltungssprache gebunden. Dies führt, neben dem genannten grundsätzlichen Adäquationsproblem, ebenfalls dazu, dass die statistischen Begriffe in der Regel inhaltsärmer als die zugrundeliegenden idealtypischen Begriffe sind. 3 Bei der statistischen Erfassung des Lebenslangen Lernens heißt das z. B., auch jene Lernprozesse mit einzubeziehen, die “freiwillig” sind und außerhalb der traditionellen Bildungseinrichtungen stattfinden. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 73 INHALT eurostat • Internationale Vergleichbarkeit Zusätzliche Probleme ergeben sich mit Blick auf die internationalen Anforderungen. Zum einen sind in der Regel die statistischen Begriffe und Statistiksysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich, insbesondere wenn die Statistiken für nationale Zwecke erhoben und daher vom Design auf die nationalen Bedürfnisse und Systeme zugeschnitten sind. Aber selbst bei internationalen Erhebungen, die ex ante harmonisiert sind und damit ein einheitliches Erhebungsdesign aufweisen, müssen kulturelle Einflüsse beim Auskunftsverhalten u.a.m. beachtet werden. Generell besteht ein mehr oder weniger großer Zielkonflikt zwischen einer angemessenen Darstellung der nationalen Verhältnisse einerseits und einer größtmöglichen internationalen Vergleichbarkeit andererseits. (13) Insgesamt ergibt sich aus alledem, dass ein reales Phänomen wie hier das Lebenslange Lernen und seine statistische Abbildung nie völlig übereinstimmen können. Die Konvergenz zwischen beiden hängt dabei nicht nur von der Intelligenz sowie fachlichen Kompetenz und Phantasie des Statistikers, sondern in starkem Maße auch von den Rahmenbedingungen seiner Arbeit ab. Grundsätzlich gilt daher, dass stets zwischen der Realität selbst und seiner statistischen Abbildung unterschieden werden muss. Konkrete Ansätze zur statistischen Erfassung des Lebenslangen Lernens Operationalisierung der statistischen Begriffe und Festlegung des Coverage (14) Aus dem vorstehend Gesagten folgt für die statistische Erfassung des Lebenslangen Lernens, dass außer den bisher erfassten traditionellen Bildungsmaßnahmen von Bildungsinstitutionen (formelle Bildung) auch bislang unberücksichtigt gebliebene Lernprozesse in Lernumgebungen außerhalb dieses Bildungssektors als relevante statistische Variablen anzuerkennen und in die statistische Erfassung zu integrieren sind. Dazu zählen z. B. Weiterbildungsmaßnahmen von Institutionen außerhalb des Bildungssektors wie Unternehmen, aber auch spezifische Weiterbildungsmaßnahmen des nicht-formellen Bildungsbereichs wie z. B. von Volkshochschulen usw. (nicht-formelle Bildung). Außerdem gehören dazu auch alle selbst- oder fremdgestaltete Lernaktivitäten von vergleichsweise geringem Organisationsgrad, die in unterschiedlichen Lernumgebungen außerhalb der genannten Institutionen und mit ganz verschiedenen Zielsetzungen durchgeführt werden wie z. B. Computer- oder mediengestütztes Lernen, Lernen im Freundeskreis usw. (informelles Lernen). zeigt den Zusammenhang im Überblick. Abbildung 2: Eine Klassifikation von Lernaktivitäten Lernen Zielgerichtetes Lernen Fremdorganisiertes Lernen Formelle Bildung Nicht-formelle Bildung Zufälliges Lernen Selbstorganisiertes Lernen Informelles Lernen (15) Nicht berücksichtigt werden sollten jedoch zufällige Lernprozesse. Auch wenn diese von großer empirischer Bedeutung sein mögen, so entziehen sie sich doch weitgehend einer operationalen Abgrenzung und damit einer statistischen Erfassung. Zu weiteren Einzelheiten hinsichtlich formeller und nicht-formeller Bildung sowie informellem Lernen siehe Anlage 1. (16) Leider bietet diese Klassifikation noch keine unmittelbaren Hinweise darauf, wie Daten zu den einzelnen Kategorien statistisch erfasst werden können. Auch die Internationale Klassifikation des Bildungswesens (ISCED) hilft hier nicht weiter. Sie verwendet als Klassifikationseinheit das Bildungsprogramm, das in vielen Mitgliedstaaten zugleich Erhebungseinheit ist. Dieser pragmatische Ansatz erlaubt zwar eine einheitliche statistische Erfassung und weitgehende internationale Vergleichbarkeit im Bereich der formellen Bildung. Allerdings ist es schwierig, auf dieser Grundlage auch den Bereich der nicht-formellen Bildung angemessen zu erfassen, wenngleich auch hier noch viele Informationen gewonnen werden können, die am Programm als statistischer Einheit ansetzen. In Bezug auf das informelle Lernen schließlich ist ein Festhalten am Bildungsprogramm als Klassifi74 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat kationseinheit nicht mehr möglich, weil informelles Lernen gerade jene Lernaktivitäten abdeckt, die außerhalb organisierter Programme stattfinden. Hier muss eine statistische Erfassung am Individuum ansetzen. (17) Ein Schritt zur weiteren Operationalisierung könnte darin bestehen, die genannten Kategorien nach eher pragmatischen Kriterien weiter zu unterteilen, z.B. in (a) Vorschulerziehung, (b) Bildungsprogramme im Rahmen der Schulpflicht, (c) Bildungsprogramme innerhalb des formellen Bildungssektors nach Beendigung der Schulpflicht, (d) berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung außerhalb des formellen Bildungssektors, (e) nichtformelle allgemeine Bildungsprogramme und (f) informelles Lernen (zu Einzelheiten dieser Kategorien siehe Anlage 2). Diese Einteilung unterscheidet sich von der ISCED-Klassifikation, deren wesentlicher Zweck weniger die statistische Erfassung, sondern die Zuordnung von Bildungsprogrammen nach Bildungsniveaus ist. Im Gegensatz dazu erscheint die hier vorgeschlagene Klassifikation besser geeignet zu sein, die beiden Dimensionen des Lebenslangen Lernens zu berücksichtigen. Operationalisierung des Informationsbedarfs – Statistische Indikatoren (18) Ergebnis der statistischen Produktion sind zunächst Grunddaten über Umfang und Struktur der erfassten statistischen Massen in den jeweiligen fachlichen Untergliederungen. Diese Zahlen liefern bereits wichtige Anhaltspunkte und Eckgrößen auch für die politische Diskussion oder die Evaluation entsprechender Maßnahmen. In der Regel reichen solche Zahlen aber nicht aus. In den letzten Jahren wurden daher auf nationaler und internationaler Ebene Systeme von Indikatoren4 entwickelt, die spezifische themenbezogene Aussagen und insbesondere entsprechende Vergleiche in sachlicher, zeitlicher oder regionaler bzw. internationaler Hinsicht ermöglichen. (19) Analog zur traditionellen Bildungsstatistik können die folgenden drei Indikatorenbereiche (jeweils in den entsprechenden fachlichen Untergliederungen) auch als Basis für die statistische Abbildung des Lebenslangen Lernens herangezogen werden:5 • Indikatoren zur Partizipation (Zugang und Teilnahme) an Lernaktivitäten. Sie liefern Informationen über die Anzahl der Teilnehmer und deren sozio-ökonomische Eigenschaften. • Indikatoren über Investitionen (Ausgaben und Finanzierung) in Lernen. Sie geben Auskunft über die monetären Aufwendungen oder Kosten der jeweiligen Bildungsmaßnahmen bzw. Lernaktivitäten sowie die zu ihrer Deckung herangezogenen öffentlichen und privaten Finanzierungsquellen. • Indikatoren zum Erfolg bzw. Ergebnis von Bildungs- und Lernanstrengungen. Sie messen den Output oder die erworbene Lernkompetenz, die mit dem zeitlichen und finanziellen Lerninput erzielt werden konnte. (20) Das Thema Lebenslanges Lernen hat in der letzten Zeit einen sehr hohen politischen Stellenwert in der bil6 dungspolitischen und auch beschäftigungspolitischen Diskussion erhalten, vor allem auf internationaler Ebene. Daher besteht ein großes Interesse seitens der Politik, kurzfristig über entsprechende Daten zu verfügen. Als Folge wurden in jüngster Zeit und vor allem auf internationaler Ebene eine Reihe von Initiativen und Arbeitsgruppen mit dem Ziel ins Leben gerufen, Vorschläge zur statistischen Erfassung des Lebenslangen Lernens oder zur Entwicklung von Indikatorensets bzw. Indikatorensystemen über das Lebenslange Lernen zu erarbeiten. (21) Gegenwärtig liegen Ergebnisse zu den vorgeschlagenen Indikatoren nur zum Teil vor, oder die verfügbaren Indikatoren berücksichtigen nur unvollständig den Aspekt des Lebenslangen Lernens. Die bisherigen Vorschläge zu Indikatoren über das Lebenslange Lernen müssen vor dem Hintergrund gesehen und beurteilt werden, dass ein hoher terminlicher- und politischer Druck besteht, für aktuelle politische Anliegen sowie unter Nutzung der derzeit vorhandenen Datenquellen kurzfristig Ergebnisse bereitzustellen. Ein ausgewogenes und erschöpfendes System von Indikatoren über das Lebenslange Lernen kann unter diesen Umständen kurz4 Statistische Indikatoren sind Kennzahlen, die spezifische Aussagen zu bestimmten (politischen, analytischen) Themen wie etwa dem Lebenslangen Lernen machen (z.B. Zahl oder Anteil der Personen, die in einem bestimmten Zeitraum Aktivitäten des Lebenslangen Lernens wahrgenommen haben oder Anteil der privaten Ausgaben für Aktivitäten des Lebenslangen Lernens an den gesamten Privaten Ausgaben/Öffentlichen Ausgaben bzw. Bildungsausgaben usw.). In diesem Sinne können Indikatoren sowohl Grunddaten über Umfang oder Struktur einer statistischen Masse als auch Beziehungszahlen zwischen verschiedenen statistischen Massen sein. Häufig wird daher der Begriff Indikatoren als Oberbegriff für alle in einem bestimmten Kontext als sachlich relevant erachteten Größen verwendet. 5 Mögliche Indikatoren und weitere Einzelheiten zu diesen Indikatorenbereichen finden sich in Anlage 3. 6 Siehe dazu z. B. die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels von Lissabon (23.-24. März 2000), die auszugsweise in Anlage 4 enthalten sind. Indikatorenvorschläge zu den EU-Beschäftigungsleitlinien finden sich in Anlage 5. Die Bedeutung des Lebenslangen Lernens wird auch in einem Kommuniqué betont, das die OECD-Bildungsminister auf ihrer Tagung vom 3.-4. April 2001 in Paris verabschiedet haben. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 75 INHALT eurostat fristig nicht erwartet werden. Die vorgeschlagenen Indikatoren konzentrieren sich daher vorwiegend auf den Bereich der formellen und nicht-formellen Bildung. Angaben und Indikatoren über das informelle Lernen fehlen noch weitgehend. Dennoch kann man sagen, dass die in der Diskussion oder Entwicklung befindlichen Indikatoren bereits eine anschauliche Vorstellung von dem spezifischen Verständnis vom Lebenslangen Lernen vermitteln (zu Einzelheiten siehe Anlagen 3 und 5). Aggregierte Indikatoren über das Lebenslange Lernen (22) Von Politik und Presse wird häufig der Wunsch geäußert, komplexe Themen wie das Lebenslange Lernen durch einige, wenige zusammenfassende Indikatoren zu charakterisieren. Angesichts der sehr unterschiedlichen Aktivitäten des Lebenslangen Lernens bestehen bei der Aggregation aus methodischer Sicht grundsätzliche und aus praktischer Sicht nur schwer lösbare Probleme. (23) Ein Ansatz zur “Lösung” dieses Aggregationsproblems ist der Rückgriff auf Daten mit einheitlicher Dimension. Hierfür kommen vor allem die für Lernaktivitäten verwendete Zeit oder die dafür investierten Finanzmittel in Betracht. Diese Daten haben – jeweils für sich – die gleiche Dimension und können daher zu umfassenden Globalgrößen aggregiert werden. Ein gutes Beispiel für solche zusammengefassten Strukturinformationen stellen sog. “national profiles”, hier z.B. über die Beteiligung der gesamten Bevölkerung am Lebenslangen Lernen dar (siehe ). Abbildung 3: Darstellung des Lernvolumens auf Basis von Zeitverwendungsdaten Alter Formelle Bildung Nicht-formelle Bildung Informelles Lernen Insgesamt 0 0 0 0 3-5 6-10 11-15 16-20 21-25 26-30 31-40 : Zeit 1 1 Z.B. Stunden pro Tag; hypothetische Daten (nur zur Illustration). (24) Obwohl es sich dabei um relativ grobe Informationen handelt, können sie doch sehr gut und anschaulich grundsätzliche strukturelle Unterschieden z. B. zwischen Staaten oder Entwicklungen im Zeitablauf vermitteln. Ob und inwieweit diese Zeitangaben monetär bewertet werden können und dann weitergehende Informationen liefern, wäre zu untersuchen. (25) Die Dimension Zeit als “gemeinsamem Nenner” ermöglicht nicht nur volumenmäßige Gegenüberstellungen der teilweise sehr unterschiedlichen Aktivitäten des Lebenslangen Lernens auf nationaler Ebene, sondern auch internationale Vergleiche. Zu prüfen wäre außerdem, wie Zeitverwendungsdaten mit den traditionellen bildungsstatistischen Daten so verknüpft werden können, dass weiterführende Informationen gewonnen werden. Allerdings erlauben Zeitverwendungsdaten nur Aussagen hinsichtlich des Volumens von Bildung und Lernen (ggf. in weiterer fachlicher Untergliederung), nicht jedoch hinsichtlich der Qualität des Lernens. Trotzdem sollten die methodischen Vorzüge dieses Ansatzes - gerade auch im internationalen Kontext - nicht unterschätzt werden. (26) Analog zur Darstellung von Zeitbudgetdaten sind Strukturübersichten monetärer Größen (Ausgaben für Bildung und Lernen) denkbar. Beide liefern damit sich ergänzende Informationen zum Thema Investition in Bildung. (27) Ein anderer Ansatz hinsichtlich aggregierter Indikatoren betrifft Überlegungen, aus mehreren Teil-Indikatoren zum Lebenslangen Lernen einen zusammengefassten synthetischen Indikator (sog. composite indicator) im Form eines Indexes zu entwickeln. In einen solchen Indikator können ganz unterschiedliche Aspekte zum Lebenslangen Lernen eingehen. Anhand einer Messzahl ermöglicht er dann zusammengefasste 76 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Vergleiche zwischen Staaten oder im Zeitablauf. Bei der Umsetzung dieses von der Zielsetzung her interessanten Ansatzes besteht vor allem das Problem, die für ein solches ‘ranking’ relevanten Indikatoren auszuwählen und das Gewicht festzulegen, mit dem diese in den Index eingehen. Strukturelle Indikatoren (28) Ergänzend zu den Bereichen Partizipation, Investitionen und Erfolg sind für die Politik Indikatoren von Interesse, die gezielt die Angebotsstrukturen im Bereich Bildung und Lernen sowie die in diesem Zusammenhang beobachtbaren Entwicklungsprozesse abbilden, z. B. Indikatoren über Art und Umfang der Lernangebote oder zur organisatorischen und inhaltlichen Abstimmung zwischen den verschiedenen Angeboten. Ansatzpunkte hierzu sind u. a. die spezifische Ausrichtung von Curricula auf das Lebenslange Lernen im Bereich der sogenannten ‘basic skills’, die Erhöhung der Flexibilität bei Bildungsverläufen durch die wechselseitige Anerkennung von Prüfungsleistungen oder die Schaffung von Institutionen, die individuelle Lernerfolge bzw. –kompetenzen dokumentieren und anerkennen, unabhängig davon, wie sie erworben wurden. Zu Einzelheiten siehe , in der die Indikatorenbereiche noch einmal im Überblick zusammengefasst sind. Abbildung 4: Erweiterung der Indikatorenbereiche Bereich Untergruppen Indikatoren Partizipation Teilnahme Volumen Personen nach Teilnahmestatus Zeitlicher Aufwand der Teilnehmer (pro Woche/Jahr) Investitionen Finanzielle Ressourcen Ausgaben für Personal- und Sachmittel (öff./priv.); insgesamt, pro Teilnehmer Beiträge von priv. Haushalten (z.B. Schul-/Studien-/ Kursgebühren, Ausgaben für Lernmaterialien); insgesamt, pro Teilnehmer Zeit Zeitlicher Aufwand der Anbieter (z.B. Unterrichtsstunden der Lehrer) Angebotsstrukturen und Entwicklungsprozesse Erfolg Institutionalisierte Prüfungen Leistungstests Selbsteinschätzung Art und Umfang der Angebote Adäquatheit der Angebote Personen mit einem bestimmten formellen Bildungsabschluss, Zertifikate Direkte Messung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen Direkte Befragung nach einer subjektiven Leistungseinschätzung Aufbau von dezentralen Lernzentren, Veranstaltungen, Unterrichtsstunden etc. Ausrichtung im Hinblick auf LLL (spezifische Ausrichtung von Curricula, z.B. Schwerpunktsetzung im Bereich basic skills) Flexibilität bei Bildungsverläufen (Abbau von Zugangshemmnissen; Flexibilität bei der Dokumentation und Anerkennung von Lernerfolgen) Kohärenz Inhaltliche Abstimmung der verschiedenen Angebote Wechselseitige der Angebote Anerkennung von Vorleistungen Qualitätsmanagement Institutionalisierte Erfolgskontrolle innerhalb des Systems Mechanismen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Strukturen (z.B. kontinuierliche Lehrerfortbildung - ‘training of the trainers’) (29) Wachsende Bedeutung erhält in diesem Kontext auch die Erfassung von institutionalisierten Erfolgskontrollen und in Verbindung damit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Angebotsstrukturen (Qualitätsmanagement) z. B. auf dem Gebiet der Fortbildung von Lehrkräften auf allen Ebenen der Bildung. Diese Fragen dürften jedoch vielfach nicht quantifizierbar und allenfalls durch qualitative Indikatoren zu erfassen sein. Komplementäre Datenquellen und Datenmanagement (30) Trotz der neuen und weiter gefassten Perspektive und des Paradigmenwechsels in Bezug auf Bildung und Lernen spielt beim Ansatz des Lebenslangen Lernens der formelle Bildungssektor weiterhin eine zentrale Rolle, da hier die wesentlichen Grundlagen auch für das Lebenslange Lernen gelegt werden. Insofern sind die bisherigen Bildungsstatistiken auch im Kontext des Lebenslangen Lernens weiterhin von grundsätzlicher Bedeutung. Zu prüfen wäre u.a., inwieweit in Zukunft die Erfassung der Vermittlung von z. B. Lernkompetenzen im Bereich der formellen Bildung, ergänzend zu formalen Bildungsabschlüssen, ein größeres Gewicht erhalten können. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 77 INHALT eurostat (31) Einen Eindruck von den derzeit verfügbaren nationalen bildungsstatistischen Quellen, die für internationale Arbeiten zur Verfügung stehen, vermitteln die gemeinsamen Lieferprogramme UOE von UNESCO, Eurostat und OECD. Sie berücksichtigen aber bisher noch nicht den Aspekt des Lebenslangen Lernens. Ein weitergehender aussagekräftiger Überblick über nationale Quellen zum Lebenslangen Lernen liegt gegenwärtig nicht vor, zumal die Auffassung über das Lebenslange Lernen national noch recht unterschiedlich ist und daher in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Lernaktivitäten zugeordnet wird. (32) Um internationalen Anforderungen und Vergleichen besser zu genügen, wurden in der Vergangenheit auf bildungsstatistischem Gebiet im wesentlichen zwei Wege beschritten: die Umrechnung von Ergebnissen, die für nationale Zwecke erhoben wurden, nach internationalen Regeln und Vorgaben (Ex-post-Harmonisierung) sowie die Entwicklung und Durchführung von ex ante harmonisierten Erhebungen (auf EU-Ebene im wesentlichen im Bereich der Haushaltsbefragungen und der betrieblichen Weiterbildung, bei der OECD insbesondere auf dem Gebiet der Leistungs- und Kompetenzmessung). Diese Erhebungen haben methodisch und inhaltlich das für internationale Fragestellungen verfügbare Datenangebot deutlich verbessert. Allerdings umfassen die internationalen Quellen häufig nur Daten für ausgewählte Länder. (33) Eine Übersicht zu den derzeit vorliegenden Datenquellen, die für internationale Vergleiche zum Lebenslangen Lernen herangezogen werden können, ist in Anlage 6 enthalten. Als weitere interessante Datenquellen, die möglicherweise in näherer Zukunft zur Darstellung des Lebenslangen Lernens herangezogen werden können, sind das Ad-hoc-Modul “Lebenslanges Lernen” zum European Labour Force Survey 2003, der von der Eurostat Task Force Measuring Lifelong Learning empfohlene European Adult Learning Survey (siehe hierzu Anlage 7) sowie der European Survey on Income and Living Conditions (SILC) zu nennen.7 Einige pragmatische Anmerkungen zur Entwicklung und Umsetzung eines statistischen Ansatzes über das Lebenslange Lernen (34) Es kann nicht verwundern, dass die Kommunikation bei einem so komplexen Thema wie dem Lebenslangen Lernen und der unterschiedlichen Interessenlage der an der Entwicklung eines Ansatzes zu seiner statistischen Erfassung Beteiligten nicht immer ganz einfach ist. Das gilt insbesondere zu Beginn der Arbeiten, solange noch unterschiedliche Auffassungen und Meinungen bestehen, was unter Lebenslangem Lernen zu verstehen ist. Hinzu kommt, dass Vertreter aus dem politischen Bereich aus verständlichen Gründen dazu neigen, ihre Anforderungen vor dem Hintergrund der jeweiligen aktuellen politischen Diskussion entweder umfassend oder ganz spezifisch zu formulieren. Statistiker tendieren andererseits dazu, die Realisierungschancen mit Blick auf ihre mehr oder weniger engen Rahmenbedingungen und begrenzten Ressourcen, zumindest kurzfristig, eher zurückhaltend zu beurteilen. Zudem gehen in den einzelnen Mitgliedstaaten die Auffassungen, was zur statistischen Erfassung des Lebenslangen Lernens nötig und möglich ist, am Anfang oft noch spürbar auseinander. Und das Problem wird nicht kleiner, wenn gleichzeitig verschiedene Gremien gleiche oder ähnliche Themen ohne hinreichende Abstimmung und Koordinierung bearbeiten. (35) Vor diesem Hintergrund erscheint es hilfreich, deutlich zwischen dem politisch oder analytisch Wünschbaren (also dem allgemeinen Konzept des Lebenslangen Lernens und dessen Entwicklung) einerseits sowie dem Versuch seiner statistischen Erfassung andererseits zu unterscheiden. Und auch bei der Entwicklung des statistischen Ansatzes sollte klar auseinander gehalten werden, was statistisch überhaupt realisierbar ist, was davon gewollt ist und weiter was kurz- oder nur mittel- bzw. langfristig umgesetzt werden kann. Die bisherige Erfahrung und Befassung mit dem Thema Lebenslanges Lernen hat gezeigt, dass ansonsten die Kommunikation zwischen, aber auch innerhalb der beteiligten Gruppen (Produzenten, Nutzer) leicht zu Missverständnissen und vermeidbaren Widerständen führt. Auf jeden Fall erscheint es vorteilhaft, die ganze Landkarte des Lebenslangen Lernens zu entwickeln (sowohl in Bezug auf das allgemeine politische Konzept als auch auf den statistischen Ansatz), um auf dieser Basis begründet einen Konsens herbeizuführen, was überhaupt statistisch erfasst werden sollte, mit welcher Priorität und in welcher zeitlichen Stufung. (36) Die Festlegung geeigneter statistischer Begriffe, Klassifikationen usw. ist nicht eigentliches Ziel sondern nur Hilfsmittel der Statistik. Dennoch ist ein zweckmäßiger sowie möglichst eindeutiger und breit akzeptierter Konsens über die verwendeten statistischen Kategorien eine notwendige (wenn auch keine hinreichen7 Der European Survey on Income and Living Conditions (SILC) ist die für die Zeit ab 2003 geplante Nachfolgeerhebung des European Household Panel (ECHP). 78 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat de) Bedingung für die Entwicklung eines so komplexen statistischen Teilsystems (Grunddaten, Indikatoren) wie im Fall des Lebenslangen Lernens. Das gilt gleichermaßen für den politisch-anlytischen wie den statistischen Bereich. (37) Die Frage, ob bei der Entwicklung eines statistischen Ansatzes zur Erfassung des Lebenslan-gen Lernens ein “bottom up”-Ansatz (also die schrittweise Ergänzung oder Weiterentwicklung beste-hender Statistiken) oder ein “top down”-Ansatz (die Entwicklung eines abgestimmten, ausgewogenen und umfassenden Ansatzes zur statistischen Erfassung des Lebenslangen Lernens mit nachgehender Etablierung der vorgeschlagenen Erhebungsinstrumente) gewählt werden sollte, stellt nur scheinbar eine echte Alternative dar. Unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen in ähnlichen Fällen, des vordringlichen politischen Informationsbedarfs und in Verbindung damit des hohen Zeitdrucks einerseits sowie der für die Statistik gegebenen Rahmenbedingungen (bestehende Statistiken bzw. Statistiksysteme in den Mitgliedstaaten, personelle, finanzielle und sachliche Ressourcen des statisti-schen Apparates, Zeitdauer für die Etablierung neuer Statistiken bzw. Statistiksysteme, rechtliche Regelungen usw.) andererseits muss zwangsläufig von den gegebenen Möglichkeiten der Mitglied-staaten bzw. der Datensituation bei den internationalen Organisationen ausgegangen werden. Diese können nur schrittweise angepasst und verbessert werden (( bottom up). Dennoch sollten die einzel-nen Arbeitsschritte in ein umfassendes, langfristiges und ausbaufähiges Konzept (( top down) einge-bettet werden, um eine sukzessive, dynamische Optimierung bei der statistischen Erfassung dieses wichtigen Themas zu ermöglichen. Mit anderen Worten: Ein zeitlich und sachlich gestuftes Vorgehen bei der statistischen Erfassung des Lebenslangen Lernens, bei dem der politisch vordringliche Daten-bedarf so gut und schnell wie möglich erfüllt, aber das umfassende, langfristige Ziel und dessen schrittweise Realisierung nicht aus den Augen verloren wird, dürfte am vorteilhaftesten sein. Zusammenfassung und Ausblick (38) Die Ausführungen verdeutlichen, dass es bereits eine ganze Reihe von Initiativen und Arbeiten zur statischen Erfassung des LLL sowie erste Ergebnisse gibt. Das gilt verstärkt für den europäischen und internationalen Bereich. Die Angaben beziehen sich unter Berücksichtigung der vorhandenen Statistiken und Daten vorwiegend auf den formellen und nicht-formellen Bildungsbereich und nur ausnahmsweise auf das informelle Lernen. Es ist zu erwarten, dass die kurzfristige Entwicklung sich zunächst auch weiterhin auf den formellen und nicht-formellen Bildungsbereich konzentrieren wird. Dennoch sollten möglichst bald auch einige Eckdaten über den Bereich des informellen Lernens erfasst und bereitgestellt werden. Ein vielversprechender Ansatz dafür ist die Ermittlung sog. ‘national profiles’ über die Bildungs- und Lernbeteiligung der gesamten Bevölkerung auf der Grundlage von Zeitverwendungsdaten. Sie vermitteln grundlegende und vergleichbare Strukturinformation über den gesamten Bereich des LLL sowohl für nationale als auch internationale Zwecke. Darauf könnten weitergehende Untersuchungen aufbauen. (39) Voraussetzung für eine umfassende, konsistente Erfassung des Lebenslangen Lernens ist die Entwikklung einer vollständigen und in sich abgestimmten Klassifikation aller für relevant erachteten Bildungsmaßnahmen und Lernaktivitäten für diesen Bereich. Sie steht noch aus und sollte umgehend in Angriff genommen werden. (40) Auch wenn aus guten Gründen bei der Entwicklung und Bereitstellung von Indikatoren über LLL nur von den bestehenden Statistiken und Daten ausgegangen werden kann, so sollte beim weiteren Ausbau das Ziel einer ausgewogenen statistischen Abbildung nicht aus den Augen verloren werden. Dies erfordert die Entwikklung eines umfassenden, langfristigen Modells der statistischen Erfassung des Lebenslangen Lernens, das Grundlage einer Art dynamischer Optimierung sowohl bei der Anpassung der Programminhalte als auch des statistischen Instrumentariums sein könnte. Insbesondere sind Überlegungen anzustellen, wie die statistische Erfassung des Individuums als wichtiger Akteur im Lebenslangen Lernen verbessert werden kann. (41) Monetäre Größen wie Ausgaben und Finanzmittel für Bildung und Lernen sowie entsprechende Daten über die Zeitverwendung lassen sich sinnvoll zu Angaben über Investitionen in Bildung und Lernen zusammenfassen. Bei den weiteren Arbeiten sollte dieser Aspekt stärker betont werden, um die damit verbundenen Erträge (‘return on investment’) für das Individuum und die Gesellschaft, aber auch z. B. im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Staates deutlicher ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Leistungen und Ausgaben für Bildung und Lernen sollten nicht mehr vorrangig als Konsum sondern verstärkt auch als wirtschaftliche Investition in die Zukunft gesehen werden. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 79 INHALT eurostat Literaturhinweise Boshier, R. (1998): Edgar Faure after 25 Years – down but not out, in: Holford, J./ Jarvis, P./ Griffin, C. (eds): International perspectives on lifelong learning, London 1998, 3-20. Candy, P. / Crebert, R. (1997): Australia’s progress towards lifelong learning, in: Comparative studies on lifelong learning policies, NIER and UIE, Tokyo 1997. European Commission (2000): A Memorandum on Lifelong Learning, SEC(2000)1832, Brussels 2000. European Commission (2001): Working paper on indicators to monitor implementation of guidelines on lifelong learning (IND/05/01/EN), Mimeo, Februar 2001. Eurostat (2001): Report of the Task Force Measuring Lifelong Learning (TF/MLLL), February 2001. Eurydice (2000): Lifelong learning – the contribution of education systems in the member countries of the European Union, Brussels 2000. Faure, E. et al. (1972): Learning to be, UNESCO, Paris 1972. Hörner, W. (2000): Towards a Statistical Framework for Monitoring Progress towards Lifelong Learning, in: OECD: The INES Compendium, prepared for the Fourth General Assembly of the OECD Education Indicators Programme, 11-13 September 2000 in Tokyo/Japan. Husén, T. (1974): The learning society, London 1974. OECD (1996): Lifelong learning for all, Paris 1996. 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CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Anlage 1: Charakterisierung der verschiedenen Lernaktivitäten Formelle Bildung Nicht-formelle Bildung Informelles Lernen Beschreibung Unterrichtsveranstaltungen oder Vorlesungen von offiziell anerkannten Bildungsinstitutionen, die Teil eines offiziellen, auf einander aufbauenden Bildungssystems sind und i.d.R. mit einer formellen Prüfung und Zertifizierung abgeschlossen werden (Zeugnis, Diplom etc.) Typische Altersgruppe: 5-25 Jahre Unterrichtsveranstaltungen oder Vorträge im Bereich der allgemeinen oder beruflichen Bildung außerhalb offiziell anerkannter Bildungsinstitutionen. Sie führen in der Regel nicht zum formellen Nachweis einer offiziell anerkannten Qualifikation. Alle verbleibenden mit der Zielsetzung des Lernens verbundenen Lernaktivitäten, die außerhalb von institutionalisierten Unterrichtsveranstaltungen stattfinden (z.B. am Arbeitsplatz, zu Hause, in anderen informellen Lernsituationen) Bezieht sich auf alle Altersgruppen (vom Bezieht sich auf alle Altersgruppen (vom Vorschul- bis zum Rentenalter). Vorschul- bis zum Rentenalter). Sub-Kategorien • Vorschulerziehung • Berufliche Aus-, Fort- und Weiterbil- • Selbstlernen, insbesondere mit Medien dung außerhalb des formellen Bildungs(z.B. Bücher, PC) • Bildungsprogramme im Rahmen der sektors Schulpflicht • Kollektives Lernen in informellen Grup• Bildungsprogramme innerhalb des for- • Nicht-formelle allgemeine Bildungspropen (Familie, Freunde, Kollegen etc.) mellen Bildungssektors nach Beendigramme (für alle Altersgruppen) gung der Schulpflicht Beispiele Reguläre Veranstaltungen in/an Sprachkurse, Computer-Kurse, Musikschule u.a. • Kindergärten / Vorschule Freiwillige Teilnahme von Schülern oder • Schule Studenten an Lernangeboten außerhalb des regulären Unterrichtsplans ihrer Schu• Fachhochschulen (u.ä.) le/Hochschule. • Universitäten Teilnahme von nicht ordentlich immatriunabhängig von der Trägerschaft (öffent- kulierten Studenten an formellen Veranstaltungen einer Hochschule (z.B. im Rahlich/privat). men eines Gasthörerstudiums). Unterrichtsveranstaltungen, die von Arbeitgebern für ihre Mitarbeiter oder von anderen Arbeitsmarktinstitutionen (Ministerien, Gewerkschaften, Verbände etc), den Kirchen, Volkshochschulen und privaten Instituten angeboten oder finanziert werden. Das Lesen von Fachbüchern und -zeitschriften Fernkurse mit nur gelegentlichen Präsenzveranstaltungen Computer-basierte Lernprogramme (CDROM, Internet) Bildungsprogramme im Rundfunk (TV/Radio) Unmittelbare Instruktionen durch Kollegen (z.B. am Arbeitsplatz) oder von Familienmitgliedern bzw. Freunden, Bekannten Anmerkungen Unterstützende Lernaktivitäten (z.B. Hausaufgaben, Vorbereitung für eine Prüfung, Nachbereitung einer Vorlesung sollten zum informellen Lernen gezählt werden (bzw. zur nicht-formellen Bildung, sofern in diesem Zusammenhang entsprechende Veranstaltungen besucht werden) Unterrichtsveranstaltungen an formellen Bildungsinstitutionen, die außerhalb des regulären Unterrichtsplans stattfinden, sind als ‘nicht-formelle Bildung’ zu klassifizieren und zwar auch dann, wenn ein inhaltlicher Bezug zur formellen Bildung besteht (keine institutionelle Zuordnung) Zufällige Lernprozesse, die als Nebeneffekt einer dominierenden Aktivität auftreten, entziehen sich einer statistischen Messung und müssen deshalb unberücksichtigt bleiben. Fernkurse mit regelmäßigen Präsenzveranstaltungen und dominierenden UnterAd-hoc-Veranstaltungen ohne angemesse- richtselementen sind im Einzelfall eher der ne Organisation, zeitliche Planung, päda- nicht-formellen Bildung zuzuordnen. gogische Konzeption und für eine begrenzte Zielgruppe sind eher dem informellen Lernen zuzuordnen. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 81 INHALT eurostat Anlage 2: Differenzierung von Lernbereichen Zur Operationalisierung der Bereiche formelle Bildung, nicht-formelle Bildung und informelles Lernen können folgende Lernbereiche in Betracht gezogen werden: (a) Vorschulerziehung (early childhood education): Hierzu zählen organisierte Bildungsangebote, die sich speziell an Kleinkinder vor Beginn der Schulpflicht richten (ISCED 0). Beispiel: Kindergarten, Vorschule, Musik- oder Fremdsprachenunterricht für 3-5-Jährige. (c) Bildungsprogramme im Rahmen der Schulpflicht (compulsory education): Hierzu zählen alle (regulären) Bildungsgänge an öffentlichen oder privaten Schulen für Kinder und Jugendliche, die einer (Voll- oder Teilzeit-) Schulpflicht unterliegen (insbesondere ISCED 1 und ISCED 2). (d) Bildungsprogramme innerhalb des formellen Bildungssektors nach Beendigung der Schulpflicht (post-compulsory education): Hierunter sind alle fakultativen Bildungsprogramme innerhalb des formellen Bildungssektors zu fassen, die der Schulpflicht zeitlich nachgelagert sind und inhaltlich auf den in dieser Phase erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten aufbauen (ISCED 3-6). Beispiele: Gymnasiale Oberstufe, Berufsschule, Universitätsstudium, Postgraduiertenstudium. (e) Berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung außerhalb des formellen Bildungssektors (continuing vocational education and training): Diese Kategorie erfaßt berufliche Bildungsprogramme außerhalb des formellen Bildungssektors, die jedoch in ähnlicher Weise organisiert und durchgeführt werden wie Bildungsprogramme innerhalb des formellen Bereichs. Sie setzt sich aus den Bereichen “Berufliche Erstausbildung und Fortbildung” sowie “Berufliche Weiterbildung” zusammen. Dabei ist es unerheblich, ob diese im Betrieb oder an einem anderen Ort (z.B. in einem Schulungszentrum) stattfinden bzw. vom Unternehmen selbst oder in der Regie eines Dritten (z.B. Verband, Gewerkschaft, Ministerium, privates Bildungsinstitut) durchgeführt werden. (f) Nicht-formelle allgemeine Bildungsprogramme (non-formal general education): Hierzu zählen alle organisierten Bildungsprogramme außerhalb des formellen Bildungssektors, die keinen (direkten) inhaltlichen Bezug zu einer beruflichen Tätigkeit haben (z.B. Volkshochschulkurse, Programme kirchlicher oder anderer Bildungsträger, Fernunterricht). Eingeschlossen sind neben dem Bereich der sogenannten Erwachsenenbildung auch allgemeine Bildungsveranstaltungen für Kinder und Jugendliche (z.B. Sprach-, Computer- oder Musikkurse), und zwar unabhängig davon, ob die Teilnehmer gleichzeitig als Schüler oder Studenten Veranstaltungen des formellen Bildungssystems besuchen. (g) Informelles Lernen (informal learning): Hierunter fallen alle sonstigen geplanten (intendierten) Lernaktivitäten, unabhängig vom Alter der Personen und vom gesellschaftlichen Kontext, in dem die entsprechende Aktivität stattfindet. Informelles Lernen kann gemeinschaftlich (kollektives informelles Lernen) oder in Form von Selbstlernen (individuelles informelles Lernen) stattfinden. Beispiele sind Lernprozesse innerhalb der Familie oder anderer informeller Gruppen sowie das sogenannte selbstgesteuerte Lernen (insbesondere unter Einsatz von Medien wie Büchern, Rundfunk oder Computern). Die Bereiche (a), (b) und (c) orientieren sich an einer chronologischen und inhaltlichen Abfolge der traditionellen (formellen) Bildungsstufen. Sie entsprechen weitgehend dem formellen Bildungsbereich. Die Bereiche (d) und (e) zählen zum nicht-formellen Bildungssektor. Neben dieser chronologisch und sektoral orientierten Strukturierung steht als “Querschnittskategorie” der Bereich des informellen Lernens (f). Hierzu zählen alle intendierten Lernprozesse außerhalb des formellen und des nicht-formellen Bildungssektors. 82 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Anlage 3: Indikatorenvorschläge zum Lebenslangen Lernen Partizipation Investitionen Erfolg (a) Vorschulerziehung (b) Bildungsprogramme im Rahmen der Schulpflicht (c) Bildungsprogramme innerhalb des formellen Bildungssektors nach Beendigung der Schulpflicht (d) Berufliche Aus-, Fort- und Weiterbil-dung außerhalb des formellen Bildungssektors (e) Nicht-formelle allgemeine Bildungsprogramme 1. Anzahl der Teilnehmer 3. Teilnahmequote je Altersjahrgang 4. Durchschnittlicher Zeitaufwand pro Tag/Woche/Jahr jeweils nach • Alter, • Geschlecht, • Nationalität, • Familieneinkommen, • anderen sozi-ökonomischen Eigenschaften • ... 1. Ausgaben der Anbieter für Personal- und Sachmittel (öff./priv.); insgesamt und pro Teilnehmer 2. Zeitlicher Aufwand seitens der Anbieter (z.B. Summe der Unterrichtsstunden von Lehrern/Dozenten). 3. Beiträge der Nutzer (z.B. Schulgeld, Kursgebühren etc. ) 4. Ausgaben der Nutzer für Lernmaterialien (Bücher, Fachzeitschriften, Lehrbriefe etc.) 5. Ausgaben der Nutzer für Hilfsmaterialien, z.B. Papier, Hefte, Stifte, Computer/-programme 6. Indirekte Ausgaben der Nutzer, z.B. Transportkosten, ... - nicht sinnvoll 1. Absolventen von institutionalisierten Bildungsprogrammen und Prüfungen (formale Abschlüsse, Zertifikate) 3. Anteil derer, die eine Bildungsstufe endgültig ohne Erfolg verlassen (drop-out rate, early school leavers, ...) 4. Direkte Befragung nach einer subjektiven Selbsteinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit 5. Direkte Messung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen (Leistungstests) (f) Informelles Lernen 1. Durchschnittlicher Zeitauf- 1. Ausgaben der Nutzer für 1. Direkte Befragung nach eiLernmaterialien (Bücher, ner subjektiven Selbsteinwand pro Tag/Woche/Jahr Fachzeitschriften, Lehrbrieschätzung der eigenen Leijeweils nach fe etc.) stungsfähigkeit • Alter, 2. Ausgaben der Nutzer für 2. Direkte Messung von • Geschlecht, Hilfsmaterialien, z.B. PaKenntnissen, Fähigkeiten • Nationalität, pier, Hefte, Stifte, Compuund Kompetenzen (Leiter/-programme stungstests) • Familieneinkommen, • anderen sozi-ökonomischen 3. Indirekte Ausgaben der Nutzer, z.B. TransportkoEigenschaften sten, ... • ... Proxy-Indikatoren zum informellen Lernen Die Lernaktivitäten im Bereich des informellen Lernens sind in der Regel kaum institutionalisiert und entziehen sich deshalb teilweise einer direkten statistischen Erfassung. Ersatzweise kann in solchen Fällen auf Proxy-Indikatoren zurück gegriffen werden, durch die zumindest eine mittelbare Darstellung informeller Lernaktivitäten erreicht werden kann. • Anteil der Haushalte mit Computer bzw. Internetzugang • Aggregierte Zahl der Nutzer von Bibliotheken / Anzahl der entliehenen Bücher (p.a.) • Aggregierte Zahl der Besucher von (z.B. wissenschaftlichen) Museen und anderen lernrelevanten kulturellen Ereignis- sen (p.a.) Anzahl der Teilnehmer an Bildungsreisen, z.B. Sprachreisen, (p.a.) Aggregiertes Angebot / erfasste Nutzung von Bildungsangeboten in TV und Radio (Anzahl der Stunden pro Monat/Jahr) Ausgaben von privaten Haushalten für Computerausstattung/-zubehör und Internetzugang/-nutzung (p.a.) Ausgaben von privaten Haushalten für Bücher/Fachbücher, Fachmagazine, Zeitungen/Zeitschriften etc. (p.a.) Um zu einer einheitlichen Abgrenzung der im Kontext des Lebenslangen Lernens zu berücksichtigenden Lernaktivitäten zu gelangen, erscheint es notwendig, eine umfassende Klassifikation von Lernaktivitäten auszuarbeiten, die auch den Bereich des informellen Lernens mit einschließt. • • • • 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 83 INHALT eurostat Anlage 4: Auszug aus den Schlussfolgerungen des Gipfels von Lissabon Bildung und Ausbildung für das Leben und Arbeiten in der Wissensgesellschaft Hauptkomponenten im Kontext von Bildung und Lernen: (a) Entwicklung lokaler Lernzentren, (c) Förderung neuer Grundfertigkeiten, insbesondere im Bereich der Informationstechnologien, und (d) größere Transparenz der Befähigungsnachweise. Ziele: 1. Die Humankapitalinvestitionen pro Kopf sollten von Jahr zu Jahr substantiell gesteigert werden. 2. Die Zahl der 18- bis 24jährigen, die lediglich über einen Abschluss der Sekundarstufe I verfügen und keine weiterführende Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, sollte bis 2010 halbiert werden. 3. Schulen und Ausbildungszentren, die alle Internetanschluss haben sollten, sollten zu lokalen Mehrzweck-Lernzentren weiterentwickelt werden, die allen offen stehen, wobei die Methoden einzusetzen sind, die sich am besten eignen, um ein möglichst breites Spektrum von Zielgruppen zu erreichen. Zwischen Schulen, Ausbildungszentren, Unternehmen und Forschungseinrichtungen sollten zum gegenseitigen Nutzen Lernpartnerschaften gegründet werden. 4. Durch einen europäischen Rahmen sollte festgelegt werden, welche neuen Grundfertigkeiten durch lebenslanges Lernen zu vermitteln sind: IT-Fertigkeiten, Fremdsprachen, technologische Kultur, Unternehmergeist und soziale Fähigkeiten. Es sollte ein europäisches Diplom für grundlegende IT-Fertigkeiten mit dezentralen Zertifizierungsverfahren eingeführt werden, um die Digitalkompetenz unionsweit zu fördern. 5. Bis Ende 2000 sollten die Mittel zur Förderung der Mobilität von Schülern und Studenten, Lehrern sowie Ausbildungs- und Forschungspersonal sowohl durch eine optimale Nutzung der bestehenden Gemeinschaftsprogramme (Sokrates, Leonardo, Jugend) – durch die Beseitigung von Hindernissen – als auch durch mehr Transparenz bei der Anerkennung von Abschlüssen sowie Studien– und Ausbildungszeiten bestimmt werden. Es sollten Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen für die Mobilität der Lehrer bis 2002 getroffen und attraktive Bedingungen für hochqualifizierte Lehrer geschaffen werden. 6. Es sollte ein gemeinsames europäisches Muster für Lebensläufe entwickelt werden, dessen Verwendung freiwillig wäre, um Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen und Arbeitgebern die Beurteilung der erworbenen Kenntnisse zu erleichtern und so die Mobilität zu fördern. Quelle: EUROPÄISCHER RAT (Lissabon), 23.-24. März 2000. 84 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Anlage 5: Indikatoren zu den Beschäftigungsleitlinien 2001 Indikator Definition Datenquelle LLL1 = Bildungsniveau (Educatio- Prozentualer Anteil der Bevölkerung, der mindenal attainment rate) der er- stens die Sekundarstufe II abgeschlossen hat, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Alter (25-34, 45wachsenen Bevölkerung 64 und 25-64 Jahre). Labour Force Survey (LFS) für den Zeitraum bis 2000, mit jährlicher Auswertung LLL1.1 = Grad der Lesefertigkeit Testergebnisse hinsichtlich der Lesefertigkeiten (Literalitätsgrad) der er- der erwachsenen Bevölkerung, aufgeschlüsselt nach Bildungsstufe, Textart (Prosa, Dokumente, wachsenen Bevölkerung Zahlenmaterial), Altersgruppe und Beschäftigungssituation. IALS, 1994-98, „Literacy in the Information Age“, OECD und Statistics Canada, 2000. Prozentualer Anteil der Bevölkerung in jeder Altersgruppe, der an allgemeinen und beruf-lichen Bildungs- und Weiterbildungsmaß-nahmen teilnimmt, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter (2534, 45-64 und 25-64 Jahre) und Beschäftigungssituation (beschäftigt, arbeitslos, nicht erwerbstätig). LFS für den Zeitraum bis 2000, mit jährlicher Auswertung LLL2.1 = Gesamtzahl der Ausbil- Mittlere Anzahl der Ausbildungsstunden je erdungsstunden / gesamte er- wachsenem Arbeitnehmer, aufgeschlüsselt nach Alter, Geschlecht und Beschäftigungssituation wachsene Bevölkerung LFS 1999/2000 und Employment Outlook, OECD 1999 LLL3 = Anteil der frühzeitigen Anteil der gesamten Bevölkerung im Alter von 18 bis 24 Jahren, der höchstens die Sekundarstufe I Schulabgänger (ISCED Stufe 2) abgeschlossen hat und an keinen weiterführenden allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen teilnimmt, nach Geschlechtern aufgeschlüsselt. Labour Force Survey (LFS) für den Zeitraum bis 2000, mit jährlicher Auswertung LLL4 = Anteil der Schüler mit Zu- Anzahl der Schüler je Computer, aufgeschlüsselt nach Bildungsstufe (primar, sekundar) gang zu Computern Bechmarking-Report im Anschluss an das SJIS, Papier der Kommissionsdienststellen, Febr. 2001 LLL5 = Grad des Internetzugangs Prozentualer Anteil der Schulen mit Internetzugang, aufgeschlüsselt nach Bildungsstufe (primar, der Schulen sekundar) Nationale Daten der BIldungsministerien, siehe auch LLL4 LLL6 = Prozentualer Anteil der Prozentualer Anteil der Lehrer, der die entspreLehrer, der über IS-Kennt- chend der Bildungsstufe benötigten Fähigkeiten im Bereich digitaler Systeme erworben hat nisse verfügt Nationale Daten, siehe auch LLL4 LLL7 = Prozentualer Anteil der Ar- Prozentualer Anteil der Erwerbsbevölkerung im beitnehmer, der bei der Ar- Alter von 15 Jahren und darüber (Beschäftigte und Arbeitslose), der zu Hause und/oder am Arbeitsbeit Computer einsetzt platz Computer für die Arbeit einsetzt. Eurobarometer-Umfrage zum Thema IKT und Beschäftigung, Stand Nov.2000 LLL7.1 = Anteil der Arbeitneh-mer, der im Rahmen einer Ausbildung be-rufsbezogene IKTFähigkeiten erworben hat Prozentualer Anteil der Arbeitnehmer im Alter von 15 Jahren oder darüber, der im Rahmen einer Ausbildung berufsbezogene IKT-Fähigkeiten erworben hat. Eurobarometer-Umfrage zum Thema IKT und Beschäftigung, Stand Nov.2000 LLL8 = Prozentualer Anteil der Arbeitnehmer, der an berufsbezogenen Ausbildungsmaßnahmen teilnimmt Prozentualer Anteil der Erwerbsbevölkerung (Beschäftigte und Arbeitslose), der an berufsbezogenen Ausbildungsmaßnahmen teilnimmt, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Altersgruppe und wirtschaftlicher Tätigkeit CVTS 1993 und 2001 LLL2 = Teilnahmerate an allgemeinen und beruflichen Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen Quelle: Arbeitspapier der Europäischen Kommission über Indikatoren für die Überwachung der Umsetzung der Leitlinien zum lebenslangen Lernen (Working paper on indicators to monitor implementation of guidelines on lifelong learning) (IND/05/01/EN), Februar 2001. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 85 INHALT eurostat Anlage 6: Internationale Datenquellen zum Lebenslangen Lernen im Überblick Quelle Untersuchte Einheiten Erfasste Länder Inhalte / Umfang Stärken und Schwächen (in Bezug auf die Beobachtung von LLL) UOE-Datenbank / INES-Projekt Untersuchte Einheiten: Programme, Haushalte, Einzelpersonen Erfasste Länder: OECD-Länder, sonstige Länder Teilnahme an Bildungsmaßnahmen auf nationaler Ebene (angemeldete Schüler, Neuzugänge, Wiederholer, Absolventen, Organisationen, Personal, Finanzen); demografiische, soziale und finanzielle Indikatoren Erfasst das gesamte formelle und einen Teil des nicht-formellen Bildungswesens International vergleichbare Informationen über Teilnahme, Abschlüsse, Ausgaben und Art der für die Bildung bereitgestellten Ressourcen; erfasst hauptsächlich die öffentlichen Anbieter; Ergebnisse werden in Bezug auf Absolventen ausgerückt; enthält Daten über das Alter der Teilnehmer. Nicht enthalten: Berufsausbildung am Arbeitsplatz European Labour Force Survey (LFS) Untersuchte Einheiten: Haushalte, Einzelpersonen Erfasste Länder: Mitgliedstaaten der EU Teilnahme an unterschiedlichen allgemeinen und beruflichen Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen; Bildungsniveau ist Ersatzgröße für Fähigkeiten; Verknüpfung mit Beschäftigungssituation und Hintergrundvariablen; Ad-hoc-Module zum Lebenslangen Lernen im Jahr 2003 Soll die gesamte Wohnbevölkerung erfassen Continuing Vocational Training Survey (CVTS I+II) Untersuchte Einheiten: Unternehmen Erfasste Länder: Mitgliedstaaten der EU Teilnahme an allgemeinen und beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen in Unternehmen; Kosten und Finanzierung der Maßnahmen; Art der Maßnahmen; interne Ausbildung im Vergleich zur externen; geschlechtsspezifische Fragen Erhebungen der Jahre 1994 und 2000. Selbstbestimmtes Lernen (am Arbeitsplatz) zum Teil erfasst; Zertifizierung Daten nur von Arbeitgebern erfragt; Ergebnisse werden in Bezug auf berufliche Fähigkeiten angegeben OECD Programme for International Student Assessment (PISA) Untersuchte Einheiten: Einzelpersonen (nur 15-Jährige) Erfasste Länder: Australien, Österreich, Belgien, Brasilien, Kanada, China, Tschechische Republik, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Island, Irland, Italien, Japan, Korea, Lettland, Luxemburg, Mexiko, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Polen, Portugal, Russische Föderation, Spanien, Schweden, Schweiz, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten Bewertung der Wirksamkeit von Bildungssystemen auf nationaler Ebene Bezieht sich auf Lesefertigkeiten; mathematische Fertigkeiten; wissenschaftliche Fertigkeiten Erste Bewertung im Jahr 2000; danach im Dreijahresrhythmus International vergleichbare Daten über die Lernergebnisse der Personen, die die Pflichtschule „abschließen“ Umfasst auch die Bewertung fachübergreifender Kompetenzen Begrenzte Altersgruppe (15-Jährige) International Adult Literacy Survey (IALS) Untersuchte Einheiten: Einzelpersonen (nur Erwachsene) Erfasste Länder: Australien, Belgien, Kanada, Chile, Tschechische Republik, Dänemark, Finnland, Deutschland, Ungarn, Irland, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Slowenien, Schweden, Schweiz (französisch-, deutsch- und italienischsprachige Landesteile), Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, Neuseeland Bewertung der Lesefertigkeiten und der mathematischen Fertigkeiten der erwachse-nen Bevölkerung (Fähigkeit, Prosatexte zu verstehen, Dokumente zu verstehen sowie Zahlen und Mengen zu verstehen) International vergleichbare Daten über die Lesefertigkeiten und die mathematischen Fertigkeiten Bezieht sich nur auf Erwachsene TIMSS-R (Third International Mathematics and Science Study - Repeat) 1999 Untersuchte Einheiten: Einzelpersonen Erfasste Länder: Australien, Iran, Neuseeland, Belgien (flämischsprachiger Landesteil), Israel, Philippinen, Bulgarien, Italien, Rumänien, Kanada, Japan, Russische Föderation, Chile, Jordanien, Singapur, Chinesisch-Taipeh, Republik Korea, Slowakische Republik, Zypern, Lettland, Slowenien, Tschechische Republik, Litauen, Südafrika, England, Republik Mazedonien, Thailand, Finnland, Malaysien, Tunesien, Hongkong, SAR, Moldau, Türkei, Ungarn, Marokko, USA, Indonesien, Niederlande Direkte Beurteilung der mathematischen und naturwissenschaftlichen Fertigkeiten Länderübergreifende Vergleiche und Vergleiche verschiedener Zeiträume (Daten von 1994/95 verglichen mit Daten von 1999) European Time Use Survey (TUS) Untersuchte Einheiten: Einzelpersonen, Haushalte Erfasste Länder: Erhebungen über Zeitnutzung gegenwärtig nur in den Mitgliedstaaten der EU. Wird eventuell auf weitere Länder ausgedehnt Zeit, die für unterschiedliche Aktivitäten aufgebracht wird, einschließlich Bildung und Lernen; sozioökonomische Merkmale der Teilnehmer (insbesondere die Altersstruktur) Erhebung läuft zurzeit Daten über die Teilnahme an Lernvorgän-gen (Zeitvolumen), die sich aktivitätsüber-greifend und länderübergreifend vergleichen lassen; keine Aggregationsprobleme. Keine Angaben über Finanzierung/Ausgaben und Leistung/Erfolge. Fragebogen lässt sich bei zukünftigen Erhebungen möglicherweise erweitern. International Adult Literacy and Life Skills Survey (ALL) Untersuchte Einheiten: Einzelpersonen (16-65-Jährige) Erfasste Länder: Teilnahme bestätigt: Kanada, USA, Bermuda, Schweiz, Norwegen, Niederlande, Belgien (flämischsprachiger Landesteil), Italien, China Möglicherweise: Bolivien, Kolumbien, Costa Rica, Uruguay, Argentinien, Österreich, Belgien (französischsprachiger Landesteil), Vereinigtes Königreich, Schweden, Irland, 6 Staaten in Afrika (mit finanzieller Unterstützung der Weltbank) Direkte Bewertung der im Alltag benötigten Fertigkeiten, wie z. B. die Fähigkeit, Prosatexte und Dokumente zu verstehen, Rechnen, analytisches Denken, Teamfähigkeit, IKT-Kenntnisse. Pilot-Tests werden 2001durchgeführt, Haupterhebung 2002. Geht weit über die normalen Lesefertigkeiten (Literalität) von Erwachsenen hinaus; es soll ein breites Spektrum der im Alltag benötigten Fertigkeiten erfasst werden. Bezieht sich nur auf Erwachsene European Survey on Income and Living Conditions (EUSILC) Untersuchte Einheiten: Haushalte, Einzelpersonen Erfasste Länder: Mitgliedstaaten der EU Querschnittserhebung, die dazu dienen soll, die persönlichen und gesellschaftlichen Ergebnisse des Lernens bewertbar zu machen. Soll 2003 beginnen. Verknüpft mit den Arbeits- und Lebensbedingungen; erfasst jedoch nur einen Teil der relevanten Lernaktivitäten 86 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Anlage 7: Empfehlungen der Eurostat Task Force Measuring Lifelong Learning Die Task Force Measuring Lifelong Learning (TF/MLLL) hat sich dafür ausgesprochen, auf europäi-scher Ebene eine harmonisierte Erhebung zum Lernverhalten von Erwachsenen durchzuführen. Der Fragenkatalog sollte sich dabei an den unten aufgeführten Aspekten orientieren, die gleichermaßen für die Bereiche formelle Bildung, nicht-formelle Bildung und informelles Lernen von Bedeutung sind. Erhebung zum Lernverhalten von Erwachsenen in der Europäschen Union „European Union Adult Learning Survey” Zielgruppe: 16-Jährige und Ältere Referenzzeitraum: ein Jahr Zu der betreffenden Person Demografische Daten • Alter, Geschlecht • Nationalität / Staatsangehörigkeit / ethnische Zugehörigkeit • Hauptwohnsitz Bildungs- und Sozialprofil • Familiäre Situation (Arbeit, Kinder, Pflege) • Bildungsniveau (Bildungsstufe sowie Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung) • Bildungshintergrund der Eltern • Behinderung (körperlich, geistig) Arbeitsmarktinformation • Beschäftigungssituation (beschäftigt, arbeitslos, nicht erwerbstätig, selbstständig, ehrenamtlich oder freiwillig tätig) • gegenwärtige/letzte Beschäftigung (einschl. Berufskategorie) • Arbeitgeber/Unternehmen (NACE-Sektor, Größe) • Einkommen Sonstige persönliche Angaben • selbstgemeldete Grundfertigkeiten (Kenntnisse digitaler Systeme und Vertrautheit mit IKT, Fremdsprachenkenntnisse) • soziales / staatsbürgerliches Engagement Teilnahme / Zugang Häufigkeit • Teilnahme (Anzahl der Ereignisse) Unbefriedigte Bedürfnisse • bewusste persönliche Bedürfnisse (Notwendigkeiten und Interessen) Mengen • Zeit, die für Bildung und Lernen aufgebracht wird (Umfang) während / außerhalb der Arbeitszeit Zugang/Hindernisse/Chancengleichheit • bewusste Hindernisse für eine Teilnahme Transparenz der Lernangebote (Informationen und Beratung/Orientierung) Merkmale der jeweiligen Aktivität Inhalt • Art der Lernaktivität, Fachbereich, Zweck/Zielsetzung • Stellung im nationalen Bildungssystem (für die formelle / nichtformelle Bildung) • Anerkennung der Lernergebnisse Umfang • Dauer 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens Merkmale des Angebots • Art des Anbieters Subjektive Beurteilung der Aktivität • Bewusste Motive und Vorteile (berufsbezogen, gesellschaftlich, persönlich) Finanzierung • Quelle der finanziellen Unterstützung (öffentlich, Arbeitgeber, Einzelperson, der Lernende) 87 INHALT eurostat WEITERBILDUNG: VERGLEICH ZWISCHEN VERSCHIEDENEN STATISTISCHEN QUELLEN IN FRANKREICH ZAMORA Philippe INSEE 18 Bd Adolphe Pinard Paris FRANCE [email protected] Zusammenfassung: Diese Mitteilung behandelt fünf verschiedene verfügbare Quellen zur Weiterbildung in Frankreich: drei Haushaltserhebungen und zwei Unternehmensquellen. Die gleichzeitige Verwendung dieser verschiedenen Quellen ermöglicht es, gewisse Unterschiede zwischen den Haushaltsquellen sowie zwischen den Haushalts- und den Unternehmensquellen festzustellen und die verschiedenen Formen der Befragung zu vergleichen. Unter den Schlussfolgerungen ist die Bedeutung der Länge des Bezugszeitraumes und des Zeitplans bei der Auswahl der beschriebenen Weiterbildungsform hervorzuheben. Ferner lässt sich der Grad des Vergessens von Bildungsinhalten innerhalb eines Jahres in einer Haushaltserhebung zu bestimmen. Dieses Vergessen ist bei kurzen Bildungsgängen gering und bei langen Bildungsgängen quasi gleich Null. Dies wirkt sich positiv auf die Qualität der Erhebungen aus, die mehrere Jahre der Karriere eines Einzelnen umfassen. Es bleibt dennoch eine Diskrepanz zwischen Haushaltsund Unternehmenserhebungen bezüglich des Zugangsgrades zu Bildungsmaßnahmen. Der wahrscheinlichste Faktor ist allgemeiner als der Aspekt des Erinnerns. Er hängt damit zusammen, dass sich die Befragten mit bestimmten kurzen Bildungsmaßnahmen nicht identifizieren: dieser Faktor tritt selbst dann auf, wenn man versucht, die Bildungstätigkeiten in einem kurzen und noch nicht weit zurückliegenden Zeitraum zu beschreiben. Einleitung a) Das System der Weiterbildung in Frankreich Die französische Regierung hat mit dem Gesetz vom 17. Juli 1971 beschlossen, die nachschulische Ausbildung zu fördern und sich dabei zum großen Teil auf die Unternehmen zu stützen. Dieses Gesetz sieht vor, dass jedes Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern1 jährlich einen bestimmten Prozentsatz seiner Lohnsumme für Bildungsmaßnahmen einsetzen muss, oder falls es dieses Ziel nicht erreicht, eine Abgabe in Höhe des Differenzbetrages bis zur vorgeschriebenen Höhe entrichtet. Hierbei handelt es sich um ein ziemlich neuartiges Anreizsystem, das in den anderen Industrieländern seinesgleichen sucht. Nach den Vorstellungen der Initiatoren (L. Tanguy, 2001) war dieses Gesetz darauf ausgerichtet, das Ziel des ständigen Erwerbs von Kompetenzen und Know-how zu fördern, dies aber gleichzeitig eng mit der Unternehmenstätigkeit zu verknüpfen. Es ging nicht darum, ein System zu errichten, das von oben verwaltet wird und losgelöst ist von dem Rahmen der privatwirtschaftlichen Entscheidungen über Investitionen in Humankapital: das Unternehmen ist in der Tat das bevorzugte Umfeld, in dem technologische Neuerungen beobachtet und entsprechende Anpassungen2 vorgenommen werden. Dieses System wird heute aus mehreren Gründen in Frage gestellt (Lichtenberger, Méhaut, 2001). 1 2 Seit XXXX müssen auch die kleinen Unternehmen eine Abgabe entrichten, die jedoch wesentlich geringer ist. Dieses System wird durch eine gewisse Anzahl von Maßnahmen ergänzt, wie z. B. den Bildungsurlaub, der es bestimmten Arbeitnehmern, die sich beruflich neu orientieren wollen, ermöglicht, sich für ein bis drei Jahre freistellen zu lassen, um eine Ausbildung aufzunehmen oder diese zu vervollständigen, wobei ihnen zugesichert wird, dass sie in ihrem Unternehmen wieder eine Beschäftigung auf gleichem oder höherem Niveau aufnehmen können. Bisher nehmen nur wenige Arbeitnehmer Bildungsurlaub in Anspruch (20 000 bis 40 000 jährlich). 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 89 INHALT eurostat — Der Bildungszugang ist je nach Größe des Unternehmens und Berufsgruppe sehr unterschiedlich. Seit Beginn der 90er Jahre lässt sich keine nennenswerte Entwicklung in dieser Hinsicht erkennen (Goux, Zamora, 2001). Für den Arbeitgeber ist es zweifellos weniger vorrangig, etwas für die Anpassung seiner Arbeiter oder Angestellten zu tun als für die seiner leitenden Angestellten. Da die Verpflichtung zur Weiterbildung sich auf alle Beschäftigten bezieht, schließen die derzeitigen Maßnahmen keinerlei Weiterbildungsgarantie für den Einzelnen ein. Ebenso stehen nicht alle Unternehmen den gleichen technologischen Entwicklungen gegenüber. Die Beschäftigten der traditionelleren Bereiche (oder der kleineren Unternehmen, die aufgrund ihrer geringen Mittel weniger innovativ sind) befinden sich demzufolge in einer weniger günstigen Lage. — Es wird zunehmend erkannt, dass eine Diskrepanz zwischen den vom Arbeitgeber verfolgten Zielen („Anpassung des Arbeitnehmers an die spezifischen technologischen Neuerungen im Unternehmen“) und den Wunschzielen des Arbeitnehmers („Erwerb oder Pflege allgemeinen Humankapitals“) besteht. Die vom Unternehmen angebotenen Bildungsmaßnahmen sind insgesamt sehr kurz (Veröffentlichung des CEREQ) und vermitteln ein vermutlich wenig validierbares und wenig übertragbares Wissen. — Der Arbeitgeber kann nur dann in die allgemeine Weiterbildung investieren (deren Rentabilität nur schwer einzuschätzen und langfristig anzusetzen ist), wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass dies seinem Unternehmen zugute kommt. Die Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen (deren Anteil - besonders unter jüngeren Arbeitnehmern - seit etwa 15 Jahren ständig zunimmt, sind aus diesem Grund zunehmend von dieser Art von Bildungsmaßnahmen ausgeschlossen, obwohl sie diese wahrscheinlich am meisten bräuchten. b) Messung der Weiterbildung Die Kritiken gegenüber dem derzeitigen französischen Weiterbildungssystem haben die Sozialpartner und die Regierung veranlasst, entsprechende Überlegungen anzustellen. Mit den geplanten Reformen soll versucht werden, der Forderung nach Zertifizierung der Ausbildung und Validierung der Erfahrungen Nachdruck zu verleihen und das individuelle Recht auf Zugang zur Weiterbildung zu garantieren. Dieser Ansatz der Überlegungen deckt sich mit dem der Europäischen Union, die sich bemüht, die Idee des „lebenslangen Lernens“ zu fördern und politische Instrumente zur Verwirklichung dieses Ziels zu entwickeln. In den nächsten Jahren, in denen sich ein grundlegender Wandel des Weiterbildungssystems vollziehen wird, muss sich der statistische Apparat vielleicht noch stärker als bisher darum bemühen, eine genaue Messung des Phänomens vorzunehmen und sich insbesondere die Qualität, die Stichhaltigkeit und die richtige Interpretation der produzierten Indikatoren zu gewährleisten. Dieses Ziel kann durch die Gegenüberstellung verschiedener Quellen zu ein und demselben Phänomen erreicht werden. Die reichen Erfahrungen, die die französische Statistik in Bezug auf die nachschulische Ausbildung seit Beginn der 90er Jahre gesammelt hat, ermöglichen es, mehr Klarheit über die Qualität der Messung dieses Phänomens zu gewinnen. I. Fünf verschiedene Quellen zur Weiterbildung Hier soll keine erschöpfende Übersicht über die Quellen gegeben werden, sie werden nur insofern angeführt, als sie in diesem Artikel Verwendung finden. Drei davon sind Haushaltserhebungen, die den Zugang zur Weiterbildung aus der Sicht des Arbeitnehmers untersuchen. Die vierte Quelle bildet die Auswertung der Verwaltungsformulare (Referenz 2483), die von den Unternehmen auszufüllen sind, um ihren Weiterbildungsaufwand zu dokumentieren. Die fünfte Quelle ergibt sich aus einer Europäischen Weiterbildungserhebung: CVTS-Erhebung. Haushaltserhebungen 1) Erhebung über die berufliche Aus- und Weiterbildung (FQP) (1993) (20 000 Befragte) 1993 befasst sich ein Modul der Erhebung über die berufliche Aus- und Weiterbildung mit der Weiterbildung. Überprüft wurden zwei Typen von Bildungsmaßnahmen: der erste betrifft Bildungsmaßnahmen, die (wenigstens zum Teil) vom Arbeitgeber organisiert oder finanziert werden, der zweite bezieht sich auf die so genannten nachschulischen Bildungsmaßnahmen in Form eines erneuten Schulbesuchs, von Fernlehrgängen oder Lehrgängen der beruflichen Erwachsenenbildung. 2) Permanente Erhebung über die Lebensbedingungen (PCV) (6 000 Befragte) Die permanente Erhebung über die Lebensbedingungen findet dreimal jährlich statt. Seit 1996 befasst sich jährlich ein Modul der Oktober-Erhebung mit der Weiterbildung und der Fragebogen fußt auf dem für die FQP-Erhebung. Hier werden nacheinander ebenfalls zwei Typen von Definitionen aufgegriffen: erstens Bildungsmaßnahmen, die (wenigstens zum Teil) vom Arbeitgeber organisiert oder finanziert werden, und zweitens 90 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Bildungsmaßnahmen, die nicht im Rahmen des Unternehmens stattfinden, aber einen beruflichen Hintergrund haben. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zur FQP-Erhebung, wo die nachschulischen Bildungsmaßnahmen alle Bildungsmaßnahmen umfassen (einschließlich derjenigen, die einem privaten Zweck dienen). 3) Erhebung über die Weiterbildung (2000) (22 000 Befragte) (FC2000) Diese Erhebung stellt eine Ergänzung zur Erhebung über Arbeitskräfte vom März 20003 dar (C. Fournier u.a., 2001). Bei dieser Erhebung, die durch das CEREQ (Studien- und Forschungszentrum für Qualifikationen) und das INSEE erarbeitet wurde, handelt es sich um die erste vollständige Erhebung über die Weiterbildung. Gegenüber den beiden vorangegangenen Erhebungen wurden die verschiedenen Bildungsmaßnahmen nicht a priori nach der Art ihrer Finanzierung unterteilt, sondern nach der Art und Weise, wie die Kenntnisse erworben wurden. Dabei werden berücksichtigt: — Lehrgänge, Vorträge und Vorlesungen, die in außerhalb des Arbeitsplatzes mit einem oder mehreren Teilnehmern stattfinden; — Weiterbildung am Arbeitsplatz: bei dieser Art von Bildungsmaßnahmen werden die Kenntnisse durch einen Tutor im Rahmen der gewohnten Arbeit in der Realität oder in simulierter Form vermittelt. Diese Art von Bildungsmaßnahmen muss in einem messbaren Zeitrahmen organisiert werden. Sie ist also vom Learning by doing oder von spontanen Schnuppermaßnahmen zu unterscheiden, die beispielsweise durchgeführt werden, um sich z.B. mit einer neuen Software vertraut zu machen, und die nicht Gegenstand der Erhebung sind; — selbstbestimmtes Lernen schließt Fernlehrgänge, Lernsoftware oder auch das Studium von technischen Lehrbüchern unter Anleitung ein und setzt ein beabsichtigtes Lernen voraus; — alternierende Bildungsgänge treffen auf einige Arbeitsverträge mit jüngeren Arbeitnehmern zu und werden staatlich subventioniert: Qualifizierungs-, Orientierungs- oder Ausbildungsverträge. Diese Verträge beinhalten Beschäftigungszeiten in einem Unternehmen sowie die Ausbildungszeiten, beispielsweise in Lehrlingsausbildungszentren, an Technischen Hochschulen oder in Berufsschulen. Auswertung der Formulare 24-83 Das CEREQ wertet diese Steuererklärungen aus. Sie werden ausschließlich von Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern ausgefüllt und erfassen die im Weiterbildungsplan enthaltenen Bildungsmaßnahmen, die genannten steuerlich abzugsfähigen Bildungsmaßnahmen (siehe Tabelle). Obwohl die Anzahl der Informationen begrenzt ist, bietet diese Quelle jedoch die Möglichkeit, die meisten relevanten Mengenindikatoren zu produzieren. So lassen sich Doppelzählungen korrigieren und die Zugangsquote zu Bildungsmaßnahmen berechnen, d. h. die Anzahl der Einzelpersonen, die an mindestens einer Bildungsmaßnahme während eines bestimmten Jahres teilgenommen haben. Diese Zugangsquoten können nach großen Berufskategorien, Geschlecht und Alter aufgeschlüsselt werden. Diese Quelle weist einige Unsicherheiten auf, die einen unterschiedlichen Stellenwert haben. Unter anderem ist es möglich, dass die Unternehmen, die die Quote für die Weiterbildungsausgaben überschreiten, nicht alle organisierten Bildungsmaßnahmen angeben. Dadurch wird die Zugangsquote gedrückt. Zugleich füllt eine nicht unerhebliche Zahl von steuerpflichtigen Unternehmen die Erklärung nicht aus. Möglicherweise bieten diese Unternehmen weniger Bildungsmaßnahmen an als diejenigen, die eine Erklärung ausgefüllt haben, bei ansonsten gleichen Bedingungen, wodurch dann die Zugangsquoten zu hoch angesetzt würden. Unternehmenserhebungen CVTS (Continuous Vocational Training Survey) (11 000 Unternehmen) Wir verwenden in diesem Artikel einige Ergebnisse der europäischen harmonisierten Erhebung CVTS über Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern vom März 1994. Diese Erhebung betraf Bildungsmaßnahmen im Kalenderjahr 1993. Die Palette der Maßnahmen ist ihrem Umfang und der Klassifikation nach mit der Erhebung über die Weiterbildung des Jahres 2000 vergleichbar: externe Lehrgänge, Konferenzen, Seminare, interne Lehrgänge, Bildung am Arbeitsplatz und selbstbestimmtes Lernen. 3 An die meisten Arbeitskräfteerhebungen schließt sich eine Zusatzerhebung über ein Arbeitsmarkt-Thema an. Bis 2002 findet die Arbeitskräfteerhebung jährlich im März statt. Jede Wohnung ist drei Jahre hintereinander Gegenstand einer Erhebung: die Wohnungsstichprobe wird alljährlich zu einem Drittel erneuert. Nur dieses Drittel ist Gegenstand der Zusatzerhebung. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 91 INHALT eurostat II. Eine spürbare Diskrepanz zwischen Unternehmensquellen und Haushaltserhebungen sowie zwischen den Haushaltsquellen selbst Tabelle 1 vergleicht die anhand der fünf Quellen ermittelten Zugangsquoten. Der gemeinsame Erhebungsumfang der Bildungsmaßnahmen, die als Vergleichsbasis dienen, erfasst die von den Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern im Sinne des Gesetzes von 1971 steuerlich abzugsfähigen Bildungsmaßnahmen, d.h. Maßnahmen, Gegenstand der Formulare 24-83 sein können. Bei der CVTS- und der Weiterbildungserhebung für 2000 finden folglich externe Lehrgänge, Konferenzen, Seminare und interne Lehrgänge Berücksichtigung. Tabelle 2 vergleicht die Haushaltsquellen und berücksichtigt alle von Arbeitgeber finanzierten Bildungsmaßnahmen. Tabelle 1: Jährliche Zugangsquote zur Weiterbildung4 Haushaltsquellen Unternehmensquellen Erhebung Weiterbildung Formulare 24-83 CVTS Bezugszeitraum März 1999-Februar 2000 Kalenderjahr 1997 Kalenderjahr 1992 Ingenieure und Führungskräfte 40,1 % 50,5 % 48,5 % Arbeiter und Angestellte 16,6 % Insgesamt 21,6 % 31,2 % 35,5 % 36,4 % Erhebungsumfang: Arbeitnehmer von Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern mit Ausnahme von öffentlichen Verwaltungen (Bereiche vergleichbarer Aktivitäten)5 Tabelle 2: Jährliche Zugangsquote zu den vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildungsmaßnahmen Haushaltsquellen FQP Erhebung Weiterbildung PCV Bezugszeitraum Januar 1992-April 1993 März 1999-Februar 2000 Oktober 1999-September 2000 Ingenieure und Führungskräfte 31,8 % 42,9 % 40,4 % Arbeiter und Angestellte14,2 % 19,4 % 22,4 % Insgesamt18,3 % 25,0 % 29,2 % Erhebungsumfang: alle Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erhebung Anhand dieser Tabellen lassen sich folgende Feststellungen treffen. 1) Es besteht keine Übereinstimmung zwischen allen Haushaltsquellen: Die FQP-Erhebung gibt bedeutend geringere Zugangsquoten als die PCV-Erhebung und die Weiterbildungs-Erhebung an. 2) Obwohl sie nicht aus dem gleichen Jahr stammen, stimmen die Zahlen der beiden Unternehmensquellen annähernd überein. 3) Die Zahlen aus den Haushaltserhebungen liegen um etwa 15 Punkte unter denen der Unternehmensquellen. Die Abweichungen zwischen den Unternehmensquellen und den Haushaltsquellen bestätigen sich für die beiden Gruppen von Angaben und haben etwa die gleiche Größenordnung. Im Folgenden werden wir nacheinander diese drei Punkte untersuchen und versuchen, die festgestellten Abweichungen zu erklären. 4 Die Zahlen, die sich auf mittlere Berufsgruppen beziehen, wurden hier nicht übernommen, da die Definitionen für diese Gruppe je nach Erhebung variieren. Die mittleren Berufsgruppen werden natürlich in der Gesamtzahl berücksichtigt. 5 Ich danke Marion Lambert vom CEREQ für ihre Hinweise bezüglich der Bereiche, die in die Erhebung über Bildung für das Jahr 2000 aufgenommen werden sollten. 92 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat III. Abweichungen zwischen den Haushaltsquellen Tabelle 2 lässt eine weitgehende Übereinstimmung der Zugangsquoten zwischen der PCV-Erhebung und der Weiterbildungs-Erhebung erkennen. Dagegen gelangt die FQP-Erhebung zu sehr abweichenden Ergebnissen (etwa um 6 bis 10 Punkte). a) Keine Anzeichen für bedeutende Veränderungen in der Weiterbildung seit Anfang der 90er Jahre Die erste Hypothese bezieht sich auf das Datum der Erhebung. Zwischen der FQP-Erhebung und den anderen betrachteten Erhebungen liegen 7 Jahre. Diese Abweichung kann folglich auf eine zunehmende Inanspruchnahme der Weiterbildung durch die Unternehmen zurückgeführt werden. Diese Hypothese verträgt sich jedoch schlecht mit den Ergebnissen der zeitlichen Auswertung der beiden anderen regelmäßig verfügbaren Quellen: die erste bezieht sich auf die seit 1993 ausgewerteten Formulare 24-83 und die zweite auf die seit 1996 ausgewerteten PCV-Erhebungen. Tabelle 3: Zugangsquote zu den „steuerlich abzugsfähigen Weiterbildungsmaßnahmen“ Zugangsquote zu Bildungsmaßnahmen 1993 1994 1995 1996 1997 33,2 % 33,6 % 34,1 % 35,0 % 35,5 % Quelle: Steuererklärungen Nr. 24-83 (Auswertung durch das CEREQ) Tabelle 4: Zugangsquote zu den vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildungsmaßnahmen6. 1996 Zeitraum des Beginns der Bildungsmaßnahmen 1997 1998 1999 2000 Oktober 1995- Oktober 1996- Oktober 1997- Oktober 1998- Oktober 1999September 1996 September 1997 September 1998 September 1999 September 2000 Ingenieure und Führungskräfte 41,4 % 39,2 % 44,1 % 36,0 % 40,4 % Arbeiter und Angestellte 23,2 % 21,4 % 20,3 % 19,2 % 22,4 % Insgesamt 30,2 % 28,7 % 27,9 % 26,1 % 29,2 % Quelle: PCV-Erhebungen 1996-2000 (INSEE) Die beiden vorangegangenen Reihen, die jährlich durch die gleichen Fragebögen und die gleichen Auswertungsverfahren erzielt werden, zeigen keine Entwicklung der Weiterbildung oder nur eine sehr geringfügige Entwicklung im Falle der Steuererklärungen 24-83. Es scheint demnach, dass die Zugangsquote durch die FQP-Erhebung viel zu niedrig bewertet wird, und dies um so mehr als sich die Zahlen in Tabelle auf einen Zeitraum von 1 Jahr und 4 Monaten beziehen, während die übrigen Quellen einen Zeitraum von 1 Jahr umfassen. Man sollte folglich die ersten Schlussfolgerungen zur Entwicklung der Weiterbildung im Unternehmen etwas abmildern: sie ist zweifellos nicht so ausgeprägt wie die ersten vergleichenden Auswertungen der Erhebungen FQP und FC2000 vermuten ließen. (Goux und Zamora 2001) b) Der Bezugszeitraum hat spürbare Auswirkungen auf die Auswahl der beschriebenen Bildung. Diese zu niedrige Bewertung lässt sich mit der Art und Weise erklären, wie die Fragen in jeder Erhebung formuliert sind. Es besteht de facto ein bedeutender Unterschied zwischen den drei Haushaltserhebungen: der Bezugszeitraum, auf den sich die beschriebenen Bildungsmaßnahmen beziehen. In der FQP-Erhebung entspricht der Bezugszeitraum dem Zeitraum, der zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Datum der Erhebung liegt. In der PCV-Erhebung entspricht er dem abgelaufenen Jahr. In der Erhebung über die Weiterbildung 2000 entspricht der Bezugszeitraum dem Zeitraum von März 1998 bis Februar 2000. In der PCV- und der FQP-Erhebung wird der Befragte anschließend aufgefordert, die letzte Bildungsmaßnahme anzugeben. In der Weiterbildungs-Erhebung 2000 verfügt man über mehr Zeit: auf Grund eines Zeitplans werden sämtliche im Bezugszeitraum absolvierten Bildungsmaßnahmen angegeben. 6 Es ist zu beachten, dass Tabelle 3 und Tabelle 4 nicht den gleichen Erhebungsumfang aufweisen. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 93 INHALT eurostat In der PCV- und der FQP-Erhebung wird vom Befragten nicht verlangt, alle absolvierten Bildungsmaßnahmen anzuführen: er wird gefragt, ob er mindestens eine Bildungsmaßnahme absolviert hat. Dann wird er aufgefordert, im Einzelnen auf die letzte Bildungsmaßnahme einzugehen. Diese Form der Befragung hat eine weitaus subjektivere Auswahl zur Folge als in der Weiterbildungserhebung 2000. Der Befragte, von dem keine erschöpfende Beschreibung verlangt wird, neigt zweifellos dazu, sich in erster Linie an die längste oder wichtigste Bildungsmaßnahme zu erinnern und diese mit der letzten zu verwechseln. Wenn dieser Mechanismus wirksam wird, lässt sich leicht erkennen, dass die jährliche Bewertung der Zugangsquote (die durch Berechnung des Prozentsatzes der Personen erzielt wurde, die angeben, dass ihre letzte Bildungsmaßnahme im abgelaufenen Jahr stattgefunden hat) um so niedriger ist, je länger der Bezugszeitraum ist. Tabelle 5: Dauer der Bildungsmaßnahmen FQP 1993 Weiterbildung 2000 unter 1 Woche 63,4 % 84,7 % zwischen 1 Woche und 1 Monat 24,7 % 11,5 % über 1 Monat 11,9 % 4,8 % 100 % 100 % Quelle: Insee-Cereq In vorstehender Tabelle 5 werden die in der FQP-Erhebung, in der PCV-Erhebung und in der WeiterbildungsErhebung 2000 angeführten Angaben zur Dauer der letzten Bildungsmaßnahme miteinander verglichen (in der Weiterbildungs-Erhebung finden sich Angaben zur Dauer nahezu aller von dem Befragten im abgelaufenen Jahr absolvierten Bildungsmaßnahmen). In der FQP-Erhebung lassen sich wesentlich höhere Angaben über die Dauer der Bildungsmaßnahmen feststellen als in den beiden anderen Erhebungen. Das hat nichts mit einer überdies festgestellten reellen Verkürzung der Dauer der steuerlich abzugsfähigen Bildungsmaßnahmen zu tun (Tabelle 6 und 7), sondern mit einem wesentlich geringeren Umfang. Die Befragten der FQP-Erhebung neigen demnach mehr dazu, längere Bildungsmaßnahmen auszuwählen, an die man sich unmittelbarer erinnern kann. Tabelle 6: Durchschnittliche Dauer (in Stunden) der steuerlich abzugsfähigen Bildungsmaßnahmen Durchschnittliche Dauer der Lehrgänge 1993 1994 1995 1996 1997 45 43 42 40 38 Quelle: Steuererklärungen Nr. 24-83 (Auswertung durch CEREQ) Tabelle 7: Dauer der vom Arbeitgeber finanzierten Bildungsmaßnahmen7 1996 1997 1998 1999 2000 unter 1 Woche 68,0 % 72,5 % 70,8 % 70,6 % 72,1 % zwischen 1 Woche und 1 Monat 11,8 % 9,1 % 11,5 % 11,3 % 10,2 % über 1 Monat 20,3 % 18,4 % 17,7 % 18,1 % 17,7 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % Quelle: PCV-Erhebungen 1996-2000 (INSEE) c) Die „Spezialisierung“ des Fragebogens zeigt keine auffallende Wirkung. Schließlich ist eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der PCV-Erhebung und der FC2000-Erhebung 8 festzustellen. Die Bezugszeiträume sind annähernd identisch . Dennoch ist es erstaunlich, dass die FC2000-Er7 Man will hier keinen Vergleich zwischen der FQP-Erhebung und der Weiterbildungs-Erhebung einerseits und der PCV-Erhebung andererseits anstellen. In dieser letzten Erhebung sind die näheren Angaben zur Dauer der Bildungsmaßnahmen, da diese nicht in Stundenäquivalenten angegeben ist, nicht ganz eindeutig: - unter 1 Woche, - eine Woche, - 2 bis 3 Wochen, - 1 bis 3 Monate (wo ist eine Bildungsmaßnahme mit einer Dauer von 1 Woche und 1 Tag oder 3 _ Wochen einzuordnen). 8 Dies lässt sich etwas mehr präzisieren. 94 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat hebung keine höhere Zugangsquote insofern angibt als diese Erhebung die Weiterbildung zum Gegenstand hat. Die Interviewer wurden speziell zu diesem Thema ausgebildet, und wenn der Befragte angibt, dass er nie an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen hat, so ist der Interviewer angewiesen, darauf hinzuwirken, dass das Gedächtnis des Betreffenden gegebenenfalls aktiviert wird. Wenn ein Befragter angibt, niemals an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen zu haben, befassen sich darüber hinaus einige spezielle Module mit dieser Frage: der Befragte hat also alle Zeit, um sich eventuell an eine Bildungsmaßnahme zu erinnern, und die Möglichkeit, die ursprünglichen Angaben zu revidieren. Trotzdem stimmen die Zugangsquoten annähernd mit denen einer Erhebung überein, die lediglich einige wenige Fragen zur Bildung im Fragebogen enthält und für die keine besondere Vorbereitung des Befragten erforderlich ist. IV. Erläuterungen zu den Unternehmensquellen Die Übereinstimmung zwischen den CVTS-Erhebungen und den Ergebnissen aus den Formularen 24-83 ist nicht verwunderlich, da ja die Antworten von den gleichen Akteuren stammen. Diese weitgehende Übereinstimmung macht auch deutlich, dass dieser Ansatz für den Bereich der steuerlich abzugsfähigen Bildungsmaßnahmen bei internen oder externen Schulungen recht gut geeignet ist. Der Sinn des in Tabelle 1 angestellten Vergleichs wird somit bestätigt. Es handelt sich dabei von vornherein um den gleichen Bereich, der mit der Erhebung zu den Bildungsmaßnahmen abgedeckt wurde, denn im Rahmen der FC2000-Erhebung wurden interne oder externe Schulungen, Vorträge usw. berücksichtigt. Die Unternehmen bzw. Haushalte jedoch nennen unterschiedliche – sogar stark divergierende Zahlen von Personen, die an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen haben. Im nächsten Abschnitt soll untersucht werden, wie sich dieser Unterschied erklären lässt. V. Unterschiede zwischen Haushalts- und Unternehmensquellen Unter den möglichen Ursachen für diesen Unterschied sollen zwei näher betrachtet werden: • der Faktor Identifizierung: Zunächst ist es möglich, dass der Bereich der Weiterbildungsmaßnahmen, der von den befragten Arbeitnehmern implizit zugrunde gelegt wird, nicht mit dem der Arbeitgeber übereinstimmt, wenn sie die Erklärung 24-83 ausfüllen oder im Rahmen der CVTS-Erhebung befragt werden, selbst wenn es sich in beiden Fällen um interne oder externe Lehrgänge handelt. In der Darstellung der abzugsfähigen Bildungsmaßnahmen im Rahmen der Weiterbildungserhebung ist ein sehr bezeichnendes Kriterium - das Lernziel - enthalten. Demnach sehen sich die Arbeitnehmer zweifellos veranlasst, bestimmte Bildungsmaßnahmen zu ignorieren, von denen sie der Ansicht sind, dass ihr Inhalt nur unter spezifischen Bedingungen im Unternehmen von Nutzen ist, was sie nicht als Lernen im eigentlichen Sinne des Wortes ansehen. Andererseits veranlasst möglicherweise der finanzielle Anreiz den Arbeitgeber, möglichst viele von ihm organisierte Bildungsmaßnahmen anzugeben. • der Faktor Gedächtnis: Der zweite, einfachere Grund betrifft eher die Mechanismen, die bei den Antworten im Rahmen einer Haushaltserhebung wirksam sind. Soll der Befragte darüber Auskunft geben, an welchen Bildungsmaßnahmen er im vergangenen Jahr teilgenommen hat, so ist es möglich, dass er sich nicht an alle erinnern kann. Die Dauer der Bildungsmaßnahme und der Umstand, wie lange sie bereits zurückliegt, ist in diesem Zusammenhang zweifellos ein entscheidendes Kriterium. Je länger eine Bildungsmaßnahme zurückliegt und je kürzer sie war, desto größer ist die Gefahr, dass sie vergessen wird. Aus nachstehender Tabelle 8 geht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit des Vergessens kurzer Bildungsmaßnahmen groß ist. Je weiter der Zeitpunkt der betreffenden Bildungsmaßnahmen zurückliegt, desto mehr Gewicht erlangen in der Erinnerung des Betreffenden die längeren Bildungsmaßnahmen. Tabelle 8: Letzte Bildungsmaßnahme zwischen März 1998 und Februar 1999 Letzte Bildungsmaßnahme zwischen März 1999 und Februar 2000 weniger als 2 volle Tage 32,9 % 43,6 % 2 Tage bis 1 volle Woche 31,8% 33,8 % 1 Woche bis 1 vollen Monat 16,1% 13,1 % Über 1 Monat 19,1% 9,5% 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 95 INHALT eurostat Die in dieser Übersicht enthaltenen Monatsangaben reichen allerdings nicht aus, um die Vergessensquoten zu ermitteln, denn dazu müssten die eventuell saisonbedingten Unterschiede im Anteil langer und kurzer Bildungsmaßnahmen vernachlässigt werden. Gründe, diese beiden Faktoren getrennt zu behandeln Diese beiden Faktoren sind im Hinblick auf die Erhebungsmethodik von unterschiedlicher Relevanz. Der Faktor der Identifizierung wirkt unabhängig von der Länge des Bezugszeitraums. Der zweite Faktor, der Erinnerungseffekt, wirkt um so stärker, je länger der Bezugszeitraum ist. Formalisierung der Rolle der beiden Faktoren Um den Einfluss dieser beiden Faktoren zu formalisieren, wird folgendes Modell erstellt: Modell: Bildungsmaßnahmen lassen sich in kurz- und langfristige Bildungsmaßnahmen einteilen, die mit den Buchstaben C und L bezeichnet werden sollen. Weiterhin werden folgende Bezeichnungen angesetzt: t bezeichnet den Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Bildungsmaßnahme und dem Zeitpunkt der Erhebung. Würde also t einen Monat betragen, so würde es lauten sCt : Anzahl der in der Haushaltserhebung dargestellten Kurzzeitmaßnahmen stL : Anzahl der in der Haushaltserhebung dargestellten Langzeitmaßnahmen ntC : tatsächliche Anzahl der Kurzzeitmaßnahmen (tatsächlich versteht sich im Sinne der „Darstellung des Arbeitgebers“) ntL : tatsächliche Anzahl der Langzeitmaßnahmen (tatsächlich versteht sich im Sinne der „Darstellung des Arbeitgebers“) — Der erste Faktor läuft darauf hinaus, dass bestimmten sehr kurzen Bildungsmaßnahmen das in der Haushaltserhebung vorgegebene Lernziel vom Arbeitnehmer nicht zuerkannt wird, wohingegen sie vom Arbeitgeber in der Unternehmenserhebung angegeben wurden. Gegeben sind also die Faktoren δ tC und δ tL , wobei gilt stC = δ tCntC und stL = δ tL ntL Hierbei geht es nicht um den Erinnerungseffekt. Bei diesem ersten Faktor wird also davon ausgegangen, dass δ tC und δ tL nicht von t abhängig sind. — Der zweite Faktor bezieht sich auf den Erinnerungseffekt. stC = ρ tCntC und stL = ρ tL ntL Dieses Mal hängen ρ t und ρ t von t ab. Hier handelt sich um kein Identifikationsproblem, man kann also für den der Erhebung vorausgehenden Monat annehmen, dass „die Erinnerung vollständig ist“. L C ρ 1L = 1 und ρ 1C = 1 — Die beiden Faktoren zusammengenommen ergeben bei vergleichbaren Arbeitnehmern den gleichen Grad der Erinnerung stC = δ C ρ tCntC und stL = δ L ρ tLntL mit ρ 1L = 1 und ρ 1C = 1 Hypothese 2: man geht davon aus, dass ρ tL und ρ tC in Abhängigkeit von t linear ansteigen. ρ ( t − 1) und ρ tC = 1 − C ( t − 1) . 12 12 Versuch einer Bewertung des Erinnerungseffektes (zweiter Faktor). ρ tL = 1 − ρL Im Weiteren sollen Bildungsmaßnahmen von weniger als 3 Tagen Dauer als Kurzzeitmaßnahmen gelten. 96 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat In diesem Teil sollen die Parameter ρ L und ρ C . bewertet werden. Dabei werden wir die im Rahmen der FC2000-Erhebung erfassten Jahresdaten verwenden. Bei dieser Erhebung wird jeder Befragte aufgefordert, möglichst alle Ausbildungszeiten im Zeitraum von März 1999 - Februar 2000 (Zeitraum I) und dann die früheste Bildungsmaßnahme innerhalb des Zeitraums März 1998 - Februar 1999 (Zeitraum II) zu beschreiben. Zu dem letztgenannten Zeitraum sind die Aussagen unvollständig, denn 20 % der Befragten nehmen im Laufe eines Jahres an zwei oder mehr Bildungsmaßnahmen teil. Aber auch wenn die über diesen Zeitraum gegebene Auskunft unvollständig ist, ermöglichen die Daten insgesamt die Ermittlung der gesuchten Werte. Das Anliegen besteht darin, die Struktur der Bildungsmaßnahmen, die für den Zeitraum II (der sich auf 2 Jahre bis zu 1 Jahr vor der Erhebung erstreckt) beschrieben worden sind, mit jener zu vergleichen, die für den Zeitraum I (der sich auf 1 Jahr und 1 Monat vor der Erhebung erstreckt) beschrieben wurde, und daraus die Vergessensquote abzuleiten. Die Beschreibung zwischen den beiden Zeiträumen unterscheidet sich allein aufgrund dieser Werte, wobei der Identifikationsfaktor beide Zeiträume gleichermaßen beeinflusst. Da die Angaben im Zeitraum 1 vollständig sind, lässt sich die Struktur der für diesen Zeitraum angegebenen Bildungsmaßnahmen errechnen. Der Vereinfachung halber soll davon ausgegangen werden, dass alle Befragten innerhalb eines Jahres maximal zwei Ausbildungszeiten absolvieren (was tatsächlich in 95 % der Fälle zutrifft). Es heißt also: π C - der Teil der Arbeitnehmer, die im Verlauf des vorangegangenen Jahres an einer Kurzzeitmaßnahme teilgenommen haben, π CC - der Anteil derjenigen, die an zwei Kurzzeitmaßnahmen teilgenommen haben, π CL - der Anteil derjenigen, die zuerst an einer Kurzzeitmaßnahme und danach an einer Langzeitmaßnahme teilgenommen haben, usw. Hypothese 3: Diese Struktur soll auch für den Zeitraum 2 gelten. Möglicherweise erscheint diese Hypothese ein wenig übertrieben, aber die alljährlich durchgeführten PCV-Erhebungen (siehe Tabelle 7) machen deutlich, dass die Anteile an Kurzzeit- und Langzeit-Bildungsmaßnahmen sowie die Zahl der teilnehmenden Personen im Vergleich zwischen den Jahren nicht wesentlich schwanken. Folglich genügt es, das Modell für die jeweilige Konstellation der Bildungsmaßnahmen „abzuspulen“, an denen eine Teilnahme erfolgte. Hier ein Beispiel: angenommen, ein Befragter hat im Verlauf des Zeitraums 2 zunächst an einer Kurzzeitmaßnahme und danach an einer Langzeitmaßnahme (CL) teilgenommen und wird befragt, welche Maßnahme zuerst stattgefunden hat. 1. Fall: er hat beide Maßnahmen vergessen und macht keine Angaben: Wahrscheinlichkeit = (1 − ρ C )(1 − ρ L ) ; 2. Fall: er hat die Kurzzeitmaßnahme, nicht aber die Langzeitmaßnahme vergessen und gibt letztere an: Wahrscheinlichkeit = ρ L (1 − ρ C ) ; 3. Fall: er hat die Langzeitmaßnahme, nicht aber die Kurzzeitmaßnahme vergessen und gibt letztere an: Wahrscheinlichkeit = ρ C (1 − ρ L ) ; 4. Fall: er hat keine der beiden Bildungsmaßnahmen vergessen und gibt die Langzeitmaßnahme an: Wahrscheinlichkeit = ρ L ρ C . Es sei darauf verwiesen, dass die Werte δ tC und δ tL in diese Überlegung nicht eingehen. Für beide Zeiträume berücksichtigen wir tatsächlich nur die Struktur der Bildungsmaßnahmen, die der Befragte angegeben hat. Folglich erklärt sich der Unterschied in den Aussagen zu den beiden Zeiträumen lediglich aus der jeweiligen Vergessensquote. In nachstehender Tabelle sind die verschiedenen Konfigurationsvarianten aufgeführt. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 97 INHALT eurostat Auskunft C Auskunft L Keine Auskunft LC ρ C (1 − ρ L ) ρ L ρ C + ρ L (1 − ρ C ) = ρ L (1 − ρ C )(1 − ρ L ) CL ρ C ρ L + ρ C (1 − ρ L ) = ρ C ρ L (1 − ρ C ) (1 − ρ C )(1 − ρ L ) CC ρ C (2 − ρ C ) 0 (1 − ρ C ) 2 LL 0 ρ L ( 2 − ρL ) (1 − ρ L ) 2 C ρC 0 1 − ρC L 0 ρL 1− ρ L Andererseits bezeichnet α L (beziehungsweise α C ) den Prozentsatz der Arbeitnehmer, die angaben, dass ihre am weitesten zurückliegende Bildungsmaßnahme in Zeitraum 2 eine Langzeitmaßnahme (bzw. Kurzzeitmaßnahme) war. Daraus ergeben sich also die beiden nachstehenden Gleichungen: π LC ρ C (1 − ρ L ) + π CL ρ C + π CC ρ C ( 2 − ρ C ) + π C ρ C = α C π CL ρ L (1 − ρ C ) + π LC ρ L + π LL ρ L (2 − ρ L ) + π L ρ L = α L (Gleichungen Zeitraum II) Ergebnis: Kurzzeitmaßnahmen werden geringfügig vergessen/Langzeitmaßnahmen werden korrekt wiedergegeben. In Tabelle 9 werden die für die Gesamtheit der Arbeitnehmer sowie für die beiden Teilgesamtheiten - einerseits Personen mit Abitur oder mit einem niedrigeren Abschluss und andererseits Personen mit Hochschulabschluss - errechneten Ergebnisse der Gleichungen für den Zeitraum II ausgewiesen. ρ C : Vergessensquote bei Kurzzeitmaßnahmen pro Jahr ρ L : Vergessensquote bei Langzeitmaßnahmen pro Jahr Gesamtheit 69,7% 108% Abitur und darunter 69,8% 110% Hochschulabschluss 70,1% 110% Diese Ergebnisse können nicht überraschen, denn die Vergessensquote bei Kurzzeitmaßnahmen beträgt von einem Jahr zum anderen rund 70 %, liegt also wesentlich niedriger als bei Langzeitmaßnahmen. Schon eher erstaunlich ist hingegen, dass die Vergessensquote bei Langzeitmaßnahmen über 100 % betragen soll. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass das gewählte Modell noch nicht ausgereift ist. Wie dem auch sei, es scheint also, dass 1 bis 2 Jahre zurückliegende Langzeit-Bildungsmaßnahmen nicht in Vergessenheit geraten. Schließlich ist die Vergessensquote unabhängig von dem ursprünglich vorhandenen Bildungsgrad identisch. Eine etwaige geringere Vertrautheit mit den jeweiligen Bildungsmaßnahmen bedeutet nicht, dass sie schneller vergessen werden. Hingegen ist es möglich, dass zwischen den beiden Kategorien des Bildungsabschlusses ein Unterschied im Hinblick auf den ersten Faktor, d.h. die Identifizierung mit den jeweiligen Bildungsmaßnahmen, festgestellt wird. Es sei angemerkt, dass Hypothese 2 bislang nicht angewendet wurde. Wert ρ lässt sich schwerer direkt ermitteln. Er könnte von dem Vergessenswert getrennt werden, wenn man den jeweiligen Anteil an Langzeit-/Kurzzeit-Bildungsmaßnahmen in Unternehmens- bzw. Haushaltserhebungen im Verlauf eines kurzen Zeitraums, der dem Zeitpunkt der Erhebung unmittelbar vorausgeht, vergleichen könnte – in diesem Falle ist das Vergessen nicht relevant. Allerdings enthalten weder die CVTS-Erhebung, noch die Formulare 24-83 eine derartige Auskunft. In ihrer derzeitigen Version wird von den Unternehmen lediglich verlangt, die Anzahl der für Weiterbildungsmaßnahmen verwendeten Stunden anzugeben, was bedeutet, dass sinnvolle Vergleiche mit Erhebungen aus Haushaltsquellen nicht möglich sind. 98 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Jedenfalls kann man sich, obwohl dies stark hypothetisch ist, zumindest einen annähernden Begriff machen, welche Bedeutung die Faktoren Identifizierung und Erinnerung bei dem zwischen den Unternehmens- und den Haushaltsquellen festgestellten Unterschied jeweils haben. Nehmen wir nun an, der Faktor Identifizierung ist nicht wirksam, das heißt ρ = 1 , und legen wir dann Hypothese 2 zugrunde, das heißt die Linearität der „Vergessensquote“. Dann ist man in der Lage, die Anzahl der Bildungsmaßnahmen auszurechnen, die von den Auskunftspersonen vergessen worden sind. C n= 12 ni i=1 1 − ( ρ C / 12)(i − 1) Aus der Berechnung ergibt sich, dass über einen Zeitraum von einem Jahr 300.000 bis 400.000 Bildungsmaßnahmen nicht mehr erinnert werden, was bei angenommenen günstigsten Voraussetzungen die 5 Prozentpunkte der Zugangsraten, d.h. kaum 1/3 des festgestellten Unterschiedes, erklären kann. Diese kurze Berechnung, die hier lediglich zur Illustration dient und stark hypothetisch ist, deutet wohl eher auf ein starkes Vorherrschen des Faktors Identifizierung hin. Eine spätere, differenziertere Nutzung der verschiedenen Quellen wird möglicherweise das vorliegende Ergebnis bestätigen, das momentan noch recht unsicher ist. VI. Schlussfolgerungen Ein Vergleich der verschiedenen, im Verlauf der vorliegenden Untersuchung vorgenommenen Erhebungen ermöglicht über das erforderliche Verständnis für die Unterschiede zwischen den verschiedenen Quellen zum Thema Weiterbildung hinaus, einige methodische Lehren zu formulieren, um für die 2003 vorgesehenen europäischen LFS-Erhebungen ein zusätzliches ad-hoc-Modul zu entwickeln. In dem hier gegebenen begrenzten Rahmen ist es unumgänglich, aus den bei der Erhebung untersuchten Bildungsmaßnahmen lediglich eine auszuwählen, die dann genauer beschrieben werden soll, während aber mehr als 20 % der Befragten im Lauf eines Jahres an mehr als 2 Bildungsmaßnahmen teilnehmen. Die Dauer des Bezugszeitraums scheint der wichtigste Aspekt zu sein, um die Auswahl der Bildungsmaßnahmen zu beeinflussen. Je länger dieser Bezugszeitraum ist, desto mehr konzentriert sich die Auswahl auf die längsten Bildungsmaßnahmen, die den stärksten Eindruck hinterlassen. Durch die Einführung eines Zeitplans in der Art des bei der Erhebung FC 2000 verwendeten ließe sich eine strengere Auswahl vornehmen. Die Tatsache hingegen, dass innerhalb einer Erhebung ein einzelnes Modul zugrunde gelegt wird, scheint nicht an sich schon dazu zu führen, dass die Anzahl der Bildungsmaßnahmen zu niedrig bewertet wird. Auch die verschiedenen Darstellungsformen (nach Finanzierung oder Form) scheinen nicht zu signifikant unterschiedlichen Ergebnissen zu führen. Die Vergessensquote bei Langzeitmaßnahmen (über drei Tage) kann wohl vernachlässigt werden, und die Vergessensquote bei Kurzzeitmaßnahmen ist innerhalb einer Jahresfrist recht gering. Dies ist ein eher ermutigendes Ergebnis. Will man nämlich die mittelfristige Auswirkung der Weiterbildung untersuchen, ist es erforderlich, die Bildungsmaßnahmen, an denen eine Person im Lauf ihrer beruflichen Entwicklung teilgenommen hat, über einen recht langen Zeitraum zu erfassen: 4 bis 5 Jahre scheinen hier das Minimum zu sein. Darüber hinaus ist bei Langzeitmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit am größten, dass sie sich auf die Produktivität einer Person auswirken. Somit kann man wohl bei ihnen mit einem recht angemessenen Grad des Erinnerns rechnen. Allerdings sind diese Ergebnisse noch recht unvollständig, denn man weiß überhaupt noch nicht, wie die Erinnerung funktioniert, so dass sich die Hypothese der Linearität über mehrere Jahre hinweg als zu weit gehend herausstellen kann. Folglich ist es derzeit verfrüht, die in zwei Jahren erzielten Ergebnisse, die bereits jetzt stark hypothetisch sind, auf vier bis fünf Jahre hochzurechnen. Ebenso verfügen wir über keine Ergebnisse zur Identifikationsrate - die von der Vergessensquote (siehe Definition) zu unterscheiden ist -, aber es ist wahrscheinlich, dass diese nur bei den Kurzzeitmaßnahmen relevant ist. Referenzen Y. Lichtenberger, P. Méhaut: « Les enjeux d’une refonte de la formation professionnelle continue : Bilan pour un futur » Februar 2001 E. Serfaty: « Les formations non déclarées : complément ou alternative aux formations déclarées ». FormationEmploi Nr. 34 April-Juni 1991. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 99 INHALT eurostat L. Tanguy: « Les promoteurs de la formation en entreprise (1945-1971) ». Travail et Emploi Nr. 86 April 2001. F. Aventur, M. Môbus, J. Pelé, C. Philippe, M. Dallaporta: « La formation professionnelle continue dans les entreprises fran,çaises en 1993. résultats d’une enquête européenne » Documents Cereq Nr. 133 Februar 1998. C. Fournier, S. Hanchane, M. Lambert, C. Perez, M. Théry, G. Thomas: « Un panorama de la formation continue en France »Bref Nr. 172 Februar 2001. CEREQ: « Exploitation des déclarations fiscales n°24-83 » disponibles sur le site http://www.cereq.fr/cereq/2483/2483.html D. Goux et Ph. Zamora: « La formation en entreprise continue de se développer » Insee Première Nr. 759 Februar 2001. Spyridon Pilos: “European Task force on measuring lifelong learning Report” Education and Training statistics. Eurostat Working papers. Population and social conditions 3/2001/E/n°4. 100 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat MESSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS LEMAN Steve Principal Research Office Dept. for Education and Employment Room N607 Moorfoot Sheffield S1 4 PQ UNITED KINGDOM [email protected] 1. Die beiden Grundpfeiler der britischen Strategie für das lebenslange Lernen heißen soziale Integration und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Bei Maßnahmen zur Förderung der Lernbeteiligung müssen zum einen die sozialen Merkmale des lernenden Individuums und die wirtschaftlichen oder sonstigen Gründe für seine Lernanstrengungen berücksichtigt werden, zum anderen aber auch die Natur des Lernens an sich. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst einige Hintergrundinformationen gegeben, gefolgt von einem Abschnitt zum Informationsbedarf. Schließlich werden auf der Grundlage einer Fallstudie des National Adult Learning Survey (Nationale Erhebung zur Erwachsenenbildung) einige der Fragen und Probleme behandelt, mit denen sich die Datenproduzenten konfrontiert sehen. Der Schwerpunkt liegt auf dem individuellen Lernbedarf. Hintergrund 2. Im ersten Bericht des Nationalen Beirats für Weiterbildung und lebenslanges Lernen (NAGCELL 1997) wurden eine Reihe von Veränderungen genannt, die eine Erweiterung des Systems des lebenslangen Lernens dringend erforderlich machen: • wirtschaftliche Globalisierung und Veränderung des Qualifikationsbedarfs der Unternehmen; • demographischer Wandel und veränderte Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung nach Alter und Geschlecht; • neue Arbeitsmodelle wie Teamarbeit und flachere Hierarchien; • Rückgang ungelernter Tätigkeiten; • gestiegener Bedarf an Kernkompetenzen auf allen Ebenen; • Notwendigkeit der Anerkennung kultureller Vielfalt und differenzierter Lernbedürfnisse; • Veränderungen in den herkömmlichen Beschäftigungsstrukturen, die in vielen Kommunen Strukturschwächen und einen Sanierungsbedarf hervorgerufen haben. 3. Abgesehen von dieser größtenteils auf Wirtschaft und Beschäftigung ausgerichteten Agenda verweist die Regierung (DfEE, The Learning Age, 1998) auch auf die Bedeutung des Lernens als eigenständiges Anliegen und als Instrument zur Förderung der sozialen Integration, des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens sowie der persönlichen und geistigen Entfaltung. Im Weißbuch Learning to Succeed (DfEE, 1999) wird dargelegt, welche Anstrengungen staatlicherseits zur Steigerung der Nachfrage und zugleich zur Verbesserung des Angebots an Lernmöglichkeiten unternommen werden, um jedem Bürger die Inanspruchnahme hochwertiger, bedarfsgerechter Lernangebote in einem für ihn geeigneten zeitlichen und örtlichen Rahmen zu ermöglichen. In Learning to Succeed hat sich die Regierung zur Erreichung eines Nationalen Lernziels verpflichtet, das darin besteht, den Anteil der Nichtlernenden bis 2002 um sieben Prozent zu senken. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 101 INHALT eurostat 4. Im Weißbuch wird angemerkt, dass viele Erwachsene Interesse am informellen, selbstbestimmten und flexiblen Lernen haben; und im ersten Bericht des NAGCELL heißt es, dass das eigene Zuhause, die Kommune und der Betrieb als Lernorte stärkere Beachtung verdienen. Wie die Regierung betont, kommt es nicht nur darauf an, Erwachsene beim Erwerb von Qualifikationen zu unterstützen. Ebenso wichtig ist es, sie erneut an das Lernen heranzuführen und den weniger Privilegierten dabei unter die Arme zu greifen. Eine derartige „Erstversorgung“ sollte nach Möglichkeit die Ausgangsbasis für weiteres Lernen bilden, das zum Erwerb von Qualifikationen bzw. Teilqualifikationen führt. Andererseits gibt es viele ältere Menschen und Ruheständler, die einfach um des Lernens willen lernen. Informationsbedarf 5. Die bisherigen Studien zur Beteiligung Erwachsener an Lernaktivitäten haben gezeigt, dass die weitaus höchste Lernbeteiligung jeweils bei den Personen zu verzeichnen ist, die schon zuvor Lernaktivitäten aufzuweisen hatten. Davon abgesehen wird die Lernbeteiligung größtenteils von folgenden Faktoren bestimmt: • Dauer des Schulbesuchs • Bildungsstand • Alter • derzeitige sozioökonomische Situation • kulturelle Faktoren – betriebliches, soziales und familiäres Umfeld • persönliche Einschätzung des Wertes von Bildung • Erkennen des persönlichen Bildungsbedarfs • Vertrautheit mit Bildungsmöglichkeiten und -prozessen • Grad an zeitlicher und persönlicher Unabhängigkeit • Umfang der vorhandenen Basiskompetenzen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen • Einschränkungen durch Geldmangel, fehlende Transportmöglichkeiten oder Notwendigkeit von Kinderbetreuung. 6. Daher benötigen wir Informationen zu diesen Variablen für die Gesamtbevölkerung, vor allem aber für spezifische Gruppen, damit bei der Gestaltung von Strategien und Programmen neben der Gesamtsteigerung der zahlenmäßigen Beteiligung auch die zunehmende Einbeziehung von Vertretern unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen angestrebt werden kann. Umfragen haben ergeben, dass Angehörige der folgenden Gruppen am seltensten lernen: — Personen ab 50 Jahre; — durch Haushalt und Familie beanspruchte Personen, Ruheständler und Personen, die aufgrund einer langwierigen Erkrankung arbeitsunfähig sind; — Personen, die mit 16 Jahren oder früher von der Schule abgegangen sind; — Jugendliche ohne Schulabschluss. 7. Es kommt jetzt vor allem darauf an, durch Wiederholungen der Nationalen Erhebung zur Erwachsenenbildung eine Zeitreihe aufzubauen. Anhand von Trendinformationen kann dann beurteilt werden, ob bei diesen Gruppen sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung eine stärkere Lernbeteiligung eingetreten ist. Die Informationen können genutzt werden, um — eine Vorstellung vom potenziellen Bedarf an Bildungsprogrammen zu erlangen, — Basis- und Fortschrittsindikatoren im Hinblick auf ein Beteiligungsziel festzulegen, — den Beitrag der Erwachsenenbildung zur sozialen Integration zu beurteilen. Einige Ergebnisse der ersten Nationalen Erhebung zur Erwachsenenbildung sind in Anhang A enthalten. 102 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Fragen und Probleme Punkt 1: Was bedeutet „Beteiligung“? 8. Bei der ersten Nationalen Erhebung zur Erwachsenenbildung wurde festgestellt, dass es äußerst schwierig ist, eine knappe und dennoch leicht verständliche Definition des Begriffes „Lernen“ aufzustellen. Daher wurde auf einen Komplex von Fragestellungen zurückgegriffen, die sich auf verschiedene Arten des Lernens beziehen. Der Befragte wird als „Lernender“ eingestuft, wenn er in den letzten drei Jahren an irgendeiner der folgenden Lernaktivitäten teilgenommen hat: Unterrichtetes Lernen: • Lehrgänge zum Erwerb einer Qualifikation; • Lehrgänge zur Förderung der Entwicklung beruflich verwertbarer Fähigkeiten; • Lehrgänge oder Unterricht zum Erwerb des Führerscheins, zum Erlernen eines Musikinstruments, in einem künstlerischen oder kunsthandwerklichen Bereich, in einer Sportart oder zum Erwerb irgendeiner praktischen Fähigkeit; • Abendschule; • selbsttätiges Lernen auf der Grundlage eines Komplexes von Materialien, die von einem Arbeitgeber, College, einer gewerblichen Einrichtung oder einem anderen Ausbildungsanbieter zur Verfügung gestellt wurden; • sonstige Unterrichtskurse, Anleitungen oder Unterrichtsstunden. Nicht unterrichtetes Lernen: • Lernen zum Erwerb einer Qualifikation ohne Lehrgangsbesuch; • beaufsichtigte Ausbildung während der Arbeit (d.h. Betreuung durch einen Leiter oder erfahrenen Kollegen, der im Zuge der Durchführung spezifischer Arbeitsaufgaben Unterstützung beim Lernen oder beim Erwerb von Fähigkeiten geleistet hat); • Lernen zum Zwecke der beruflichen Weiterbildung ohne Lehrgangsbesuch – z. B. durch Lesen von Fachliteratur, Handbüchern oder Zeitschriften oder durch Teilnahme an Seminaren; • gezielte Bemühungen um die Verbesserung der Kenntnisse in einem beliebigen Bereich oder eigenständiger Erwerb einer Fähigkeit ohne Lehrgangsbesuch. Diese Informationen ermöglichen uns die Angabe von Quoten für die Beteiligung am — Lernen insgesamt — unterrichteten Lernen — nicht unterrichteten Lernen. 9. Ein mögliches Problem bei Umfragen besteht darin, dass die Befragten mit einigen dieser Kategorien nichts anzufangen wissen. Verständnisschwierigkeiten gibt es vor allem im Hinblick auf die nicht unterrichteten, informellen und selbstbestimmten Lernaktivitäten. Deshalb ist eine gute Anleitung der Interviewer unerlässlich. 10. Es gibt keine abgestimmte internationale Definition der Erwachsenenbildung. Die International Adult Literacy Survey gestattete einen internationalen Vergleich, dessen Ergebnisse die OECD in Education at a Glance (Bildung auf einen Blick) vorgestellt hat. Allerdings wurde dabei nur das formelle, unterrichtete Lernen berücksichtigt und dem breiteren Konzept der „lernenden Gesellschaft“ keine Rechnung getragen. Die informelleren bzw. selbstbestimmten Lernaktivitäten werden in verschiedenen länderspezifischen Umfragen erfasst. Die OECD und Eurostat arbeiten derzeit an der Harmonisierung der Klassifikation des Lernens. Punkt 2: Bezugszeitraum 11. Bei einigen Erhebungen wird nach allen Lernaktivitäten gefragt, die nach dem Ende der Schulzeit erfolgten. Derartige Informationen sind nicht unbedingt zuverlässig, da Erinnerungslücken auftreten können. In Ermangelung eines perfekt geeigneten Bezugszeitraums wurde bei der Nationalen Erhebung zur Erwachsenenbildung ein Dreijahreszeitraum zugrunde gelegt. Auf diese Weise kann ein breites Spektrum an Lernmög14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 103 INHALT eurostat lichkeiten abgedeckt werden, ohne dass eine zu große Gedächtnisleistung vonnöten ist. Wird ein „Lerntagebuch” geführt, so können auch kürzere Zeiträume – beispielsweise zwölf Monate – verwendet werden. Ein einjähriger Bezugszeitraum hat den Vorteil, dass neue Maßnahmen rasch evaluiert werden können. 12. Die Dauer eines Lernvorgangs und die Zahl der Betreuungsstunden lassen sich nur beim unterrichteten Lernen erfassen – das nicht unterrichtete Lernen bleibt unberücksichtigt. 13. Verwaltungsdaten zu allgemeiner und beruflicher Bildung werden in der Regel in Form einer „Momentaufnahme“ erfasst, d. h. nur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Punkt 3: Lernzweck 14. Für die Zwecke der Nationalen Erhebung über Erwachsenenbildung wurde das Lernen ausgehend vom Hauptanliegen des Befragten in berufliches oder nichtberufliches Lernen unterteilt. Beispielsweise kann ein Sprachkurs für den „Hausgebrauch“ absolviert werden, aber auch im Zusammenhang mit der derzeitigen oder künftigen Erwerbstätigkeit. 15. Die Daten entsprechen nicht hundertprozentig den Anforderungen der Datennutzer, da keine Einigkeit über die Definition des Lernbegriffs besteht. Es gibt Interessengruppen, die vor allem den wirtschaftlichen Nutzen des Lernens im Auge haben und dafür plädieren, dass wir kürzere sowie nicht berufsrelevante Lernepisoden ausklammern. Dagegen vertritt die Mehrzahl der Nutzer einhellig die Meinung, dass die vorhandene Definition angemessen ist. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse sprechen dafür, dass nichtberufliches Lernen bzw. Lernen, das nicht zu einem Abschluss führt, übergreifende Nutzeffekte hat. Dazu zählen größere Eigenständigkeit, sozialer Zusammenhalt, Gesundheit und Wohlbefinden sowie ein Rückgang der Kriminalität. Nichtberufliches bzw. nicht zertifiziertes Lernen kann eine wirksame Form der „Erstversorgung“ sein und weiteres Lernen nach sich ziehen, das dann auch wirtschaftlich zu Buche schlägt. Punkt 4: Lokale und regionale Daten 16. Zur Planung allgemeiner und beruflicher Bildungsprogramme auf lokaler und regionaler Ebene benötigen wir Daten über die Lernbeteiligung auf diesen beiden Ebenen. Das Hauptproblem dabei sind die Kosten. Eine Erhebung zur Erwachsenenbildung auf diesen Ebenen müsste sehr breit angelegt sein und wäre daher finanziell extrem aufwendig. Wir fanden eine kostengünstige Lösung: In eine erweiterte Version der Arbeitskräfteerhebung werden Fragen zum Lernverhalten einbezogen, die sich eng an die Fragestellungen der Nationalen Erhebung zur Erwachsenenbildung anlehnen. Die Ergebnisse weisen zwar keine große Detailtiefe auf, doch lassen sich Grobaussagen zum unterrichteten, nicht unterrichteten und Gesamtlernen treffen. Punkt 5: Schwierigkeiten bei der Erfassung von Einzelpersonen in wechselnden Bildungseinrichtungen und im Zeitverlauf 17. Individuen lernen in verschiedenen Umgebungen. Im Allgemeinen besteht keine Möglichkeit, die verwaltungstechnischen Informationen zu diesen unterschiedlichen Lernepisoden miteinander zu verknüpfen. Daher können wir uns auch kein Bild von der kumulativen Wirkung verschiedener Programme bei einer bestimmten Person machen. In gewissem Maße helfen Umfragen weiter. Allerdings setzt sich die Nationale Erhebung zur Erwachsenenbildung vor allem aus verschiedenen Querschnittserhebungen zusammen. Die Idealvorstellung des Datenproduzenten sieht so aus, dass — durch einen einheitlichen Identifikationscode oder eine Kennnummer die Möglichkeit der Verknüpfung von Daten zu Einzelpersonen gegeben ist und — Instrumente für Längsschnitterhebungen zur Messung der langfristigen Ergebnisse der Lernbeteiligung zur Verfügung stehen. Bisher gab es nur eine Längsschnittstudie, bei der Übergänge zwischen verschiedenen Arten des Lernens erfasst wurden. Einige Ergebnisse werden in Anhang B vorgestellt. 104 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat ANHANG A: ERGEBNISSE DER NATIONALEN ERHEBUNG ZUR ERWACHSENENBILDUNG Lernaktivitäten nach Alter (beruflich/nichtberuflich) 90 80 70 60 berufliches Lernen in % nichtberufliches Lernen in % 50 40 30 20 10 0 16+ 20+ 30+ 40+ 50+ 60+ Lernbeteiligung nach Erwerbsstatus 90 80 70 60 50 Berufliches Lernen 40 nichtberufliches Lernen 30 20 10 0 Erw. arb.los Fam Rente Krank Lernbeteiligung nach Haushaltstyp 80 70 60 50 beruflich (%) nichtberuflich (%) 40 30 20 10 0 Allein Part. Kind-18 All.erz. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens ber. Eltern 105 INHALT eurostat ANHANG B: ERGEBNISSE DER ERHEBUNG PATHWAYS IN ADULT LEARNING Aktueller Lernstatus von Nichtlernenden bei NALS 97: unterrichtetes/nicht unterrichtetes Lernen Nichtlernende bei NALS 97 1997 1999 Noch kein Lernen 72% Nur nicht unterrichtetes lernen 10% Unterrichtetes Lernen 18% Basis: Alle Nichtlernenden bei NALS 97 Aktueller Lernstatus von nicht unterrichteten Lernenden bei NALS 97 nicht unterrichtete Lernende bei NALS 97 1997 1999 Nicht mehr gelernt 34% weiter nur nicht unterrichtetes Lernen 30% zum Teil 35% Basis: alle Befragten, die bei NALS 97 nur nicht unterrichtetes Lernen angaben 106 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat DIE PERSPEKTIVE DER DATENLIEFERANTEN, EURYDICE DELHAXHE Arlette EURYDICE Rue d’Arlon 15 B – 1050 BRUXELLES [email protected] Einleitung Vorab sollen zwei wichtige charakteristische Aspekte der Anliegen von Eurydice in Bezug auf das Seminarthema hervorgehoben werden: (1) „Messung“ und (2) „Lebenslanges Lernen“. Eurydice, das Informationsnetz zum Bildungswesen in Europa, erstellt Vergleichsanalysen zu vielfältigen Themen und untersucht zu diesem Zweck die Funktionsweise und den organisatorischen Aufbau der Bildungssysteme. In Bezug auf den Aspekt der Messung ist Eurydice also streng genommen nicht als Produzent statistischer Daten zu betrachten. Folgt man jedoch der Ansicht von Bottani und Tuijnman (1994, S. 49), dass ein Indikator „mehr als nur ein numerischer Ausdruck oder synthetischer statistischer Wert“ ist und Indikatoren sich dadurch auszeichnen, dass „sie die Betroffenen und andere interessierte Kreise mit zusammenfassenden Informationen über die Funktionsweise oder die Leistung eines Bildungssystems versorgen sollen“, so lässt sich die Meinung vertreten, dass Eurydice mit seinen Analysen zur Erarbeitung von Indikatoren über die Bildungssysteme und damit zur Messung des Bildungsbetriebs beiträgt. Darüber hinaus soll dargestellt werden, dass qualitative Indikatoren benötigt werden, um einzelne statistische Daten richtig interpretieren und in einem bestimmten Kontext als relevante Indikatoren verwenden zu können. Ein weiterer wichtiger Aspekt der gegenwärtigen Anliegen von Eurydice setzt seinem Beitrag zur Analyse des lebenslangen Lernens gewisse Grenzen, da nur die formellen Bildungssysteme und ihr Beitrag zum lebenslangen Lernen (LLL) Gegenstand seiner Untersuchungen sind. Unter Bezugnahme auf die betreffende Abbildung auf Seite 10 des Berichts der Eurostat-Taskforce (2001) bedeutet dies, dass sich die Arbeit von Eurydice vor allem auf die beiden Quadranten, die stärker formalisierten Einrichtungen zuzurechnen sind, und insbesondere auf Quadrant 3 (Zielgruppe jüngere Menschen) bezieht. Abbildung 3.1: Der „Lebenslang-Lebensweit-Ansatz“ Ältere Menschen 1 2 weniger formalisierte Einrichtungen stärker formalisierte Einrichtungen 4 3 Jüngere Menschen Quelle: Angelehnt an die Darstellung in „National Agency for Education Sweden: Lifelong learning – an indicator framework“ 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 107 INHALT eurostat Wie der Bericht der Eurostat-Taskforce (2001) ferner hervorhebt, setzt lebenslanges Lernen erhebliche Veränderungen in den Bildungsinhalten und der Zielsetzung der Schulsysteme voraus: Auf dieser Ebene müssen die Fertigkeiten entwickelt werden, die erforderlich sind, um das Lernen zu lernen. In dieser Hinsicht kommt den Schulen eine entscheidende Rolle zu. Es besteht also eindeutig Bedarf für eine Analyse der Bildungsstrukturen auf Grundlage „vergleichbarer“ Daten aus den einzelnen Ländern, um die praktische Umsetzung des lebenslangen Lernens zu steuern und zu überwachen. Hierzu kann Eurydice einen wichtigen Beitrag leisten. Die Erhebung über die nationalen Politiken für ein lebenslanges Lernen, die von Eurydice im März 2000 unter der portugiesischen Präsidentschaft erstellt und kürzlich aktualisiert wurde,1 lässt den Schluss zu, dass die Herangehensweise der einzelnen Länder an das lebenslange Lernen durch den spezifischen Charakter der nationalen Bildungssysteme bestimmt wird. Von ihm hängt in allen Ländern die Anpassung des jeweiligen Bildungssystems an die gegenwärtigen Anforderungen und Erwartungen ab. Das ist das gemeinsame Leitmotiv; die Unterschiede liegen in der Art und Weise, wie die Länder tätig werden, und in dem Tempo, mit dem sie ihre Maßnahmen umsetzen. DIE NOTWENDIGKEIT EINER BETRACHTUNG DER QUALITATIVEN DIMENSION STATISTISCHER DATEN Die Europäische Kommission hat von Anfang an, seitdem sie mit der regelmäßigen Veröffentlichung der Schlüsselzahlen zum Bildungswesen in Europa Indikatoren zu den Bildungssystemen liefert, Synergie und Zusammenarbeit von Eurydice und Eurostat gefördert. Durch die Verbindung von so genannten qualitativen und quantitativen Daten konnte hervorgehoben werden, in welchem Maße die Interpretation der verfügbaren statistischen Daten durch die Kenntnis der Funktionsweise und des organisatorischen Aufbaus der Bildungssysteme erhellt und ergänzt wird. Zur Veranschaulichung dieser Aussage sollen Daten über den Fremdsprachenunterricht, die Ausbildungsförderung für Studierende im Hochschulbereich und die Teilnahmequoten im Vorschulbereich als Beispiel dienen. Fremdsprachenunterricht als Vermittlung einer Grundfertigkeit für jedermann Grundfertigkeiten sind integraler Bestandteil der vorrangigen Zielsetzungen, die in der Folge des Berichts über die konkreten künftigen Ziele der Bildungssysteme ermittelt wurden. Sie sind in den Schlussfolgerungen des Gipfels von Lissabon definiert; Fremdsprachen gehören fraglos dazu. Zu den mit Lesen, Schreiben und Rechnen verbundenen Fertigkeiten liegen eine Fülle nützlicher Daten über den Schulerfolg aus PISA (OECD)- bzw. IEA-Untersuchungen vor. Zu den Fremdsprachen ist dagegen noch weitere Arbeit zu leisten, um verlässliche und leicht vergleichbare Daten über die Fertigkeiten, die junge Menschen bis zum Ende der Schulpflicht erwerben, zur Verfügung stellen zu können. Die vorliegenden Statistiken (Eurostat, UOE) liefern Daten darüber, wie viele Schüler bestimmte Fremdsprachen in den verschiedenen Bildungsstufen erlernen. Um diese Daten richtig interpretieren zu können, müssen sie im Zusammenhang mit dem Angebot an Fremdsprachenunterricht in den betreffenden Ländern betrachtet werden. So ist z. B. in einigen Ländern der hohe Anteil junger Menschen, die Englisch lernen, darauf zurückzuführen, dass Englisch als erste Fremdsprache Pflichtfach ist. Dank der nun verfügbaren qualitativen Daten ist es ferner möglich, den Erfolg der Politik auf dem Gebiet des Fremdsprachenunterrichts zu messen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie über den Fremdsprachenunterricht an Schulen2 stellt einen diachronischen Vergleich des Anfangsalters für das Erlernen von Fremdsprachen für die Jahre 1974, 1984 and 1998 an. Diesem Vergleich ist ein sehr positiver Trend zu entnehmen: Das Alter, in dem Kinder Sprachen als Pflichtfach erlernen, nimmt stetig ab und die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind wesentlich weniger ausgeprägt als noch vor 20 Jahren. Auch die Betrachtung der Empfehlungen, die in der Entschließung des Rates vom März 19953 enthalten sind, und ihr Vergleich mit der gegenwärtigen Situation in Europa liefern einen Indikator für die Qualität des Bildungsangebots (Input oder Prozess). Auf diese Weise lässt sich ermitteln, ob und inwieweit die drei in der Entschließung genannten Kriterien (generelle Möglichkeit, während der Pflichtschulzeit zwei Fremdsprachen 1 Die Erhebung wurde in Zusammenarbeit mit CEDEFOP aktualisiert und wird in Kürze auf der Eurydice-Website zur Verfügung stehen: www.eurydice.org 2 Eurydice, Der Fremdsprachenunterricht an den Schulen in Europa, Brüssel, 2001 3 Entschließung des Rates vom 31. März 1995 betreffend die qualitative Verbesserung und Diversifizierung des Erwerbs von Fremdsprachenkenntnissen und des Fremdsprachenunterrichts in den Bildungssystemen der Europäischen Union (Amtsblatt C 207 vom 12. August 1995, S. 1-5) 108 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat mindestens zwei aufeinander folgende Jahre lang zu lernen) ihren Niederschlag im organisatorischen Aufbau der nationalen Bildungssysteme finden. Anwendung der drei Kriterien der Entschließung von 1995 auf das Fremdsprachenangebot im Rahmen der Vollzeitschulpflicht 1999/2000 Angebot von mindestens zwei Fremdsprachen für mindestens zwei aufeinander folgende Jahre wärend der Vollzeitschulpflicht Keine Kombination der drei Kriterien Quelle: Eurydice. 1999 wurden diese drei Kriterien von sieben EU-Ländern erfüllt. Regelmäßig aktualisiert werden diese Daten nützliche Indikatoren liefern, um die Fortschritte, die im Bereich des Fremdsprachenunterrichts in Bezug auf die Entschließung erzielt wurden, zu messen und die Umsetzung der vorrangigen Ziele in den Bildungssystemen im Hinblick auf das lebenslange Lernen zu überwachen. Ausbildungsförderung für Studierende Im Hinblick auf das lebenslange Lernen wurde wiederholt betont, dass es vorrangig darum geht, junge Menschen zu ermutigen, ihre Ausbildung über die Schulpflicht hinaus fortzusetzen. Finanzielle Investitionen der öffentlichen Hand sind ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Dabei trägt eine Analyse der verschiedenen Formen der Ausbildungsförderung für Studierende zum Verständnis der politischen Optionen und Entscheidungen bei und ermöglicht eine präzisere Interpretation der vorliegenden Finanzdaten. Eine von Eurydice 1999 durchgeführte Studie zu diesem Thema ergab, dass Management und finanzielle Leistungen seitens des Staates vor allem zwei Modellen folgen. Bei dem ersten Modell gelten die Studierenden als eigenständig und erhalten unmittelbar und unabhängig vom Einkommen ihrer Familien staatliche Unterstützung. Die Eltern erhalten in diesem Fall kein Kindergeld. Beim zweiten Modell bleiben die Eltern für ihre studierenden Kinder finanziell verantwortlich und erhalten finanzielle Unterstützung in Form von Steuererleichterungen. Der UOE-Fragebogen (der einheitliche Fragebogen von Unesco, OECD und Eurostat) geht davon aus, dass die Unterstützungsbeträge alle in den einzelnen Ländern verfügbaren Formen staatlicher Förderung einschließen. Je nach Definition beziehen sich die erfassten Daten also nicht nur auf Stipendien und den Studierenden unmittelbar gezahlte Geldleistungen, sondern auch auf Familienbeihilfen. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 109 INHALT eurostat Abbildung 12: Anteil der Ausbildungsförderung für Studierende im Hochschulbereich (ISCED 5, 6 und 7) am BIP 1995 1.0 % % 1.0 0.8 0.8 0.6 0.6 0.4 0.4 0.2 0.2 0.0 EU-15 0.18 B 0.20 DK 0.63 D 0.10 EL 0.01 E 0.60 F 0.10 IRL 0.29 I 0.05 L 0.11 NL 0.41 A 0.07 P FIN 0.04 0.41 S 0.59 UK 0.47 IS 0.28 LI 0.18 NO 0.73 0.0 Länder, die für Kinder über 18 Familienbeihilfen gewähren (hier im Allgemeinen nicht berücksichtigt) Länder, die über das Alter von 18 hinaus keine Unterstützung gewähren Quelle: Eurostat, UOE. Belgien: Stand 1994, einschließlich Kindergeld für studierende Kinder im Alter von 19 bis 25. Frankreich: Nicht berücksichtigt wurden das Wohngeld für Studierende und das (von den staatlichen Behörden ausgeglichene) Defizit der Sozialversicherung der Studierenden. Irland: 1995 wurden Eltern, die für ihre studierenden Kinder Unterhaltszahlungen leisteten, unter bestimmten Bedingungen noch Steuervergünstigungen gewährt. Diese Möglichkeit wurde ab 1996 abgeschafft. Die Beträge dieser direkten familienbezogenen Leistungen sind in den aufgeführten Daten nicht berücksichtigt. Darüber hinaus erhalten Eltern für ihre studierenden Kinder bis zum Alter von einschließlich 18 Jahren Kindergeld. Finnland: Die Studiendarlehen sind in den Angaben nicht mit berücksichtigt. Vereinigtes Königreich: Nach den Daten aus nationalen Quellen kann der von dem Vereinigten Königreich für diesen Indikator vorgelegte Wert in Höhe von 0,47 % aufgeschlüsselt werden in 0,28 % des BIP für Studienbeihilfen und 0,19 % des BIP für Studiengebühren. ERLÄUTERUNG Dieser Indikator wird folgendermaßen berechnet: Der Gesamtbetrag der Ausbildungsförderung für Studierende im Hochschulbereich wird durch das aktuelle BIP dividiert. Für die Definition des „europäischen Werts“ und des „europäischen Mittelwerts“ der betreffenden öffentlichen Mittel und der Ausbildungsförderung für Studierende siehe Definition der statistischen Werkzeuge zu Beginn des Bandes. Letztere Beträge sind jedoch schwer zu ermitteln (aufgrund getrennter Budgets und der komplexen Berechnungen des Anteils an den Ausgaben der privaten Haushalte, die der Unterstützung für Studierende im Hochschulbereich entsprechen). Daher schließen die angegebenen Beträge im Allgemeinen nur Stipendien und Darlehen für Studierende ein. In der oben erwähnten Studie unterscheidet die UOE-Abbildung zu den Beträgen zwischen Ländern, in denen Familien finanzielle Unterstützung erhalten, und allen übrigen Ländern. Damit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass bei ersteren Ländern die staatlichen Investitionen in die Hochschulbildung wahrscheinlich höher als angegeben sind. Durch Heranziehen vorhandener nationaler Daten ist eine präzisere Schätzung dieser Beträge möglich. In Deutschland, Frankreich und Portugal wurde jeweils eine umfangreiche nationale Studie durchgeführt, die sich vor allem mit dieser Ausgabenart befasste. Den Ergebnissen ist zu entnehmen, dass sich die staatlichen Investitionen bei Berücksichtigung dieser Elemente praktisch verdoppeln (auf 0,3-0,4 % des BIP), also etwa die gleiche Höhe erreichen wie in den Niederlanden und Finnland. Teilnahme von Kleinkindern an der Vorschulbildung Die Bedeutung der Vorschulbildung für die kindliche Entwicklung sowie die wichtige Rolle, die diese Bildungsstufe für das lebenslange Lernen spielt, werden mittlerweile weitgehend anerkannt. Dennoch ist ein angemessener Zugang zur Vorschulbildung in vielen Ländern immer noch ein heikles Thema. Dabei dienen die Teilnahmequoten der Drei- bzw. Vierjährigen als bevorzugter Indikator für die Messung des Zugangs. Diese Quoten werden auf Grundlage der UOE-Fragebögen berechnet, mit denen Daten zum Besuch formellerer schulähnlicher und sonstiger Einrichtungen erhoben werden können, die nicht den privaten Haushalten zuzurechnen sind und Personal mit anerkannten Qualifikationen beschäftigen. Es wurden Zeitreihen erstellt, um Entwicklungstendenzen beim Besuch von Einrichtungen dieser Art zu messen. Diese Erfassungsmethode liefert sehr positive Ergebnisse für Länder wie Frankreich, Belgien oder Italien, in denen vornehmlich und manchmal ausschließlich solche Einrichtungen angeboten werden. Diese Statistiken lassen sich jedoch mit Hilfe qualitativer Daten zu den verschiedenen Arten bestehender Einrichtungen modifizieren. Relativ niedrige Teilnahmequoten bedeuten nicht unbedingt, dass in den betreffenden Ländern keine alternativen Bildungsangebote existieren: In einigen dieser Länder besteht das Angebot vor allem aus Spiel110 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat gruppen oder Tagesstätten bzw. „Tagesmüttern“, so dass die Teilnahmequoten zu niedrig geschätzt sein dürften. Dies gilt vor allem für die nordischen Länder, insbesondere Finnland,4 in denen derartige Angebote wesentlich weiter verbreitet und die Teilnahmequoten daher relativ niedrig sind. Abbildung C1: Teilnahmequoten der 4-Jährigen an Vorschuleinrichtungen mit Bildungsfunktion, 1960-1997 1960 1970 1973 1975 1980 1990 % 100 90 1997 1996 FL BE NL UK (E) I 80 D DK 70 A S 60 EL P IRL 50 Anmerkungen NB: Die Angaben zu den EFTA/EWRStaaten und den Beitrittsstaaten für das Jahr 1997 werden im Anhang aufgeführt. Belgien: Der Verlauf der Teilnahmequoten in den Jahren vor 1980 wird als gestrichelte Linie dargestellt, da die für diesen Zeitraum verfügbaren Daten sich jeweils altersunspezifisch auf die Gesamtheit der Kinder beziehen, die eine Vorschuleinrichtung (école maternelle/kleuteronderwijs) besuchen. Griechenland: Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf 3_- bis 4_Jährige an öffentlichen Vorschulen. 40 FIN 30 Irland: Nur ein Teil der privaten Einrichtungen ist berücksichtigt. Luxemburg: Die Angaben werden als gestrichelte Linie dargestellt, da die Werte sich auf die Teilnahmequoten der Kinder im Alter von 4 und 5 Jahren beziehen. 20 10 0 1960 1970 1973 1975 1980 Quellen: Eurostat, UOE und Bevölkerungsstatistik 1990 1997 1996 Vereinigtes Königreich (E): Die Angaben werden als gestrichelte Linie dargestellt, da sie sich auf den Besuch der folgenden Einrichtungen beziehen: nursery schools bzw. nursery und infant classes an Primarschulen, special schools und independent schools. Erläuterung Als Vorschuleinrichtungen mit Bildungsfunktion gelten Einrichtungen, in denen Kinder außerhalb des privaten Rahmens betreut werden. Dabei kann es sich um schulische und nicht-schulische Einrichtungen handeln, wobei letztere in der Regel nicht in die Zuständigkeit des Bildungsministeriums fallen, sondern anderen Behörden oder Ministerien unterstehen. All diese Einrichtungen sind verpflichtet, Fachkräfte mit pädagogischen Qualifikationen zu beschäftigen. Nicht berücksichtigt sind hier daher Tagesstätten oder Spielgruppen, in denen von den Beschäftigten der Nachweis formaler pädagogischer Qualifikationen nicht unbedingt verlangt wird. Darüber hinaus müssen in einigen Ländern Tagesstätten bzw. „Tagesmütter“ unter der Aufsicht qualifizierten Personals stehen, das dieselben Qualifikationen aufweisen muss wie Mitarbeiter in formelleren Einrichtungen. Diese Einrichtungen erfüllen also voll und ganz die Qualifikationskriterien der UOE-Definition. Das gilt insbesondere für Schweden und Norwegen und in den meisten Fällen auch für Finnland. Es müssen Datenerfassungsmechanismen entwickelt werden, um Daten zum Besuch weniger formeller Einrichtungen zu erhalten, die jedoch dieselben „Qualitätskriterien“ erfüllen (zumindest in Bezug auf die Ausbildung des Personals) wie die Institutionen, zu denen gegenwärtig Daten vorliegen. Noch wichtiger ist vielleicht, dass die Qualität der Vorschulbildung nicht nur anhand der Teilnahmequoten gemessen wird. Aus diesem Grund enthalten die gemeinsam mit Eurostat erstellten Schlüsselzahlen auch „qualitative“ Indikatoren zur Anzahl Kinder pro Erwachsener in einer Gruppe oder Klasse und zu den vorhandenen Arten von Einrichtungen und Personalausbildung usw. Daten dieser Art sind umso notwendiger, wenn die Analyse der Politik im Bereich Vorschulbildung sich mit Fragen wie der Verbesserung des Angebots und der Qualität der Einrichtungen befasst. In Bezug auf das lebenslange Lernen soll die Vorschulbildung zwei Zielen dienen: der Entwicklung von Selbständigkeit und Kreativität. Dabei wird üblicherweise zwischen Vorschuleinrichtungen und den übrigen Bildungseinrichtungen unterschieden. Während erstere eher dem Wunsch entsprechen, die Kinder auf das schulische Lernen vorzubereiten, zeichnen sich letztere durch eine stärkere Betonung von Kreativität und Spiel aus. 4 Der Studie über Vorschulbildung Quality of life of four year old children in the world zufolge, die unter der Schirmherrschaft der IEA durchgeführt wurde, besuchen 30 % der Vierjährigen in Finnland weniger formelle Bildungseinrichtungen. Dieser Prozentsatz bleibt in internationalen Statistiken unberücksichtigt. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 111 INHALT eurostat Die Analyse amtlicher Empfehlungen und Lehrpläne ist ein Mittel zum besseren Verständnis der politischen Aussagen zu dieser Bildungsstufe. K C) (S K U U S P FI N L N L A I H L F IR LT E EE LV D EL CZ DK BG B fr B de B nl (E /W ,N I) Abbildung C13: Allgemeine und spezifische Zielsetzungen in den amtlichen Richtlinien für Vorschuleinrichtungen mit Bildungsfunktion 1997/98 Allgemeine Zielsetzungen Soziale und emotionale Entwicklung Gewöhnung an das Schulleben Körperliche Entwicklung Entwicklung der geistigen Fähigkeiten Entwicklung der Kreativität Bezug zur Umwelt CY SI SK PL RO U O N LI IS Definition von Kompetenzen Allgemeine Zielsetzungen Soziale und emotionale Entwicklung Gewöhnung an das Schulleben Körperliche Entwicklung Entwicklung der geistigen Fähigkeiten Entwicklung der Kreativität Bezug zur Umwelt Definition von Kompetenzen Schulen Nicht-schulische Einrichtungen mit Bildungsfunktion Quellee: Eurydice. Anmerkungen Dänemark: Die allgemeinen Zielsetzungen für Aldersintegrerede Institutioner und Børnehaver sind in dem Gesetz zu den Sozialdiensten festgelegt. Die Zielsetzungen für die Børnehaveklasse legt das Gesetz zur Folkeskole fest. Deutschland: Die Zielsetzungen werden durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz und gesetzliche Regelungen der einzelnen Länder festgelegt. Vereinigtes Königreich: Berücksichtigt sind hier folgende nicht-schulische Einrichtungen mit Bildungsfunktion: day nurseries, nursery centres, pre-school groups, playgroups, die im Rahmen der Förderung der Vorschulbildung staatliche Zuschüsse erhalten. Vereinigtes Königreich (E/W, NI): Empfehlungen zur Gewöhnung an das schulische Leben werden implizit in den Richtlinien zur persönlichen und sozialen Entwicklung gegeben. Dort, wo die Zielsetzungen Gegenstand spezifischer Empfehlungen sind und in vorrangige Anliegen unterteilt werden, sind kaum Unterschiede zwischen den Ländern und zwischen „schulischen“ und „nicht-schulischen“ Einrichtungen festzustellen, und auf die in der Abbildung aufgeführten sechs Zielsetzungen wird in fast allen Fällen Bezug genommen. Nur in den Richtlinien „schulischer“ Einrichtungen in Luxemburg, Portugal und im Vereinigten Königreich wird die Gewöhnung an das Schulleben nicht als anzustrebendes spezifisches Ziel genannt. Schließlich ist auch der kostenlose Zugang zu Vorschuleinrichtungen ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung der Frage, ob das vorhandene Bildungsangebot angemessen und bedarfsgerecht ist. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Kinder aus ärmeren Familien von Vorschuleinrichtungen ausgeschlossen sind, wenn ihre Eltern dafür bezahlen müssen, es sei denn, es werden Maßnahmen ergriffen, um die Gebühren ganz oder teilweise zu erlassen. GRENZEN DES BEITRAGS AMTLICHER ERHEBUNGEN ZUM VERSTÄNDNIS DER FUNKTIONSWEISE DER BILDUNGSSYSTEME Aufgrund der Dezentralisierung und der wachsenden Autonomie, die den Schulen nicht nur im Ressourcenmanagement, sondern auch in Bezug auf Lehrplan, Anzahl der Unterrichtsstunden und Bildungsangebot eingeräumt wird, wird es immer schwieriger für die öffentlichen Behörden auf oberster oder zentraler Ebene, verlässliche und repräsentative Daten für den gesamten, ihnen unterstellten Bereich zu liefern. Anmerkungen wie 112 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat „schulabhängig“ oder „unterliegt örtlicher Zuständigkeit“ werden immer häufiger. Sie sind zwar ein nützlicher Hinweis auf den Grad der Dezentralisierung eines Bildungssystems, sagen jedoch im Grunde nicht viel mehr aus als „keine Daten vorhanden“. Ein typisches Beispiel ist die Berechnung der Anzahl der Unterrichtsstunden pro Jahr. In den meisten Ländern lässt sich mittels einer geeigneten Berechnungsmethode 5 die Mindestanzahl Stunden ermitteln, an denen Schüler eines bestimmten Alters im Laufe eines Schuljahrs teilnehmen müssen. Seit 1995 ist diese Berechnung jedoch z. B. in Schweden nicht mehr möglich, da die Gemeinden freie Hand haben, wie sie die 6665 Unterrichtsstunden, die für die Pflichtschulzeit vorgeschrieben sind, über die neun Jahre verteilen. Die Verwendung „flexibler Stundenpläne“ hat in vielen Ländern in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Die Daten zur Lehrererstausbildung unterliegen derselben Einschränkung. Es ist relativ einfach, bei der Betrachtung der Fertigkeiten, die von Lehrkräften erwartet werden, die Dauer und das Niveau der Lehrererstausbildung, die Arten der angebotenen Ausbildung (z. B. Ausbildung zum Fachlehrer, zum für mehrere Fächer spezialisierten oder zum nicht-spezialisierten Lehrer für die einzelnen Bildungsstufen) oder das Vorhandensein einer Pflichtausbildung in Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zu vergleichen. Darüber hinaus genießen die Bildungseinrichtungen in vielen Ländern jedoch einen Grad an Eigenständigkeit, der es unmöglich macht, z. B. den Anteil der IKT-Ausbildung an der Gesamtausbildung oder den Inhalt der den angehenden Lehrkräften vermittelten Fertigkeiten zu messen. Anteil der IKT-Ausbildung an der Lehrererstausbildung für Sekundarstufe I, 2000/2001 Berechnung des Anteils nicht möglich: Ausbildungseinrichtungen können frei über den Umfang der IKT-Ausbildung entscheiden Berechnung des Anteils nicht möglich: IKT-Kenntnisse werden im Rahmen anderer Fächer vermittelt Berechnung des Anteils möglich Keine Daten verfügbar LI CY MT Quelle: Eurydice. Daher sind in zunehmendem Maße Erhebungen auf lokaler Ebene erforderlich, selbst wenn sich die Datensammlung strikt auf Verwaltungsdaten beschränkt. Tatsächlich führt die IEA schon seit langem im Rahmen ihrer Output-Studien derartige Erhebungen durch. Auch die OECD hat im Rahmen von INES und PISA ähnliche Erhebungen entwickelt. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Arbeiten zu begrüßen, die gegenwärtig 5 Dazu wird die durchschnittliche tägliche Unterrichtsdauer mit der Anzahl Unterrichtstage pro Jahr multipliziert. Die durchschnittliche tägliche Unterrichtsdauer wird ihrerseits anhand der Anzahl Unterrichtsstunden pro Woche, der Dauer jeder einzelnen Unterrichtsstunde und der Anzahl Unterrichtstage pro Woche ermittelt. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 113 INHALT eurostat von Unesco, OECD und IEA durchgeführt werden, um ein Instrument für die Abgleichung der Fragen in den Erhebungen für die verschiedenen Studien zu entwickeln. Ferner ist die Eurobarometer-Erhebung der Europäischen Kommission zu Stellenwert und Einsatz der IKT in Schulen, die kürzlich im Rahmen der eLearning-Initiative unter Lehrkräften durchgeführt wurde, zu erwähnen. Diese „Blitzumfrage“ unter repräsentativen Schulstichproben enthält nicht nur statistische Daten zur Zahl der Computer pro Schule, sondern auch „qualitative“ Daten zu ihrem tatsächlichen Einsatz (Herangehensweise und Nutzungshäufigkeit), zur Einstellung der Lehrkräfte zu diesen Fragen und ihrer Ausbildung auf diesem Gebiet. STRENGE UND GENAUIGKEIT DER BEGRIFFSBESTIMMUNGEN Qualitative Analysen müssen eine ebenso methodische Strenge walten lassen wie statistische Analysen, wenn sie verlässlich und für Vergleiche nützlich sein sollen. Dies ist besonders wichtig, um zu vermeiden, dass aufgrund der steigenden Nachfrage nach qualitativen Daten dem Austausch „bewährter Verfahren“ und nationaler Beschreibungen oder „nationaler Profile“, die methodisch oder verfahrensmäßig nicht reglementiert sind, zu viel Bedeutung eingeräumt wird. Es ist dringend geboten, präzise Kriterien aufzustellen und eine klare Definition dessen zu entwickeln, was ein „bewährtes Verfahren“ darstellt. Darüber hinaus sollte auf eine Berücksichtigung des jeweiligen Kontexts geachtet werden, um verlässliche Vergleiche zu ermöglichen. Solche Analysen sind erforderlich, um die positiven Auswirkungen und/oder die Effektivität der betreffenden Verfahren sowie ihre Grenzen korrekt interpretieren zu können. Denn jedes einzelne Element ist Teil eines Systems und interagiert unabhängig mit den anderen Elementen des Systems. Die Messung des lebenslangen Lernens ist keine Ausnahme von dieser Grundregel, die uns von all denjenigen eingeprägt wurde, die entschlossen sind, sicherzustellen, dass Bildungsvergleiche eine streng wissenschaftliche Disziplin darstellen. Literaturhinweise Bottani & Tuijnman, A.C. (1994) The design of Indicator systems. In Tuijnman, A.C. & Postlethewaite, T.N (Eds). Monitoring the standards of education : papers in honor of John P. Keeves. Oxford : Pergamon. European Commission, Eurydice, Eurostat, Key Data on Education in Europe 99/2000, EUR-OP, Luxembourg European Commission, Eurydice, Key Topics in Education, Volume 1: Financial Support for Students in Higher Education in Europe, Luxembourg, EUR-OP, 1999 Eurydice, Foreign Language Teaching in Schools in Europe, Brussels, 2001 114 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat IN, KOMPETENZ FÜR DIE ZUKUNFT EUROPAS BILDUNG, WIRTSCHAFT, INDUSTRIE, KULTUR, GESELLSCHAFT, POLITIK LONGWORTH Norman Advisory Professor For Lifelong Learning European Learning Cities Network/Napier University C/o Mas Oliver Sauveur 66500 EUS France [email protected] Eine Kurzanleitung für Vielbeschäftigte „EUROPAS STÄRKE UND DER SCHLÜSSEL ZUR STEIGERUNG SEINER WETTBEWERBSFÄHIGKEIT LIEGT IN DER SCHAFFUNG EINER EUROPÄISCHEN LERNKULTUR DURCH LEBENSLANGES LERNEN.“ ERT-Bericht „Education and European Competence“ Europa – Rückbesinnung auf das lebenslange Lernen Europa erlebt derzeit eine Renaissance des lebenslangen Lernens. In den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts hatte Johann Comenius geschrieben: „Wie für das ganze Menschengeschlecht die Welt eine Schule ist, vom Anbeginn der Zeit bis zu ihrem Ende, so ist auch für jeden einzelnen Menschen sein ganzes Leben eine Schule, von der Wiege bis zur Bahre. Es ist nicht genug, mit Seneca zu sprechen: Jedes Lebensalter ist zum Lernen bestimmt, und keinen anderen Sinn hat alles Menschenleben und alles Streben.“ Was ist lebenslanges Lernen? Nutzung des offenen und des Fernunterrichts für neue Bildungsangebote? Mehr Freizeitbildung für Erwachsene? Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten durch Partnerschaften zwischen Bildungswesen und Wirtschaft? Stärkung der Arbeitnehmerkompetenz in „lernenden Organisationen“? Eine Strategie zur Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigung? Eine Möglichkeit zur Erlangung von Selbstachtung und Lernkompetenzen? Zusammenarbeit in einer Gemeinschaft zum Wohle aller Bürger? Ein nahtloser Lernprozess von frühester Kindheit bis ins hohe Alter? Ein neuer Ansatz für die Erwachsenenbildung und berufliche Fortbildung? Eine Konzeption und ein Instrumentarium zur Entwicklung des Persönlichkeitspotenzials aller Bürger? 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 115 INHALT eurostat Den Anfang machte Platon. Er entwickelte seine Vorstellungen von der Dia Viou Paideia – die Pflicht aller Bürger, sich zu bilden, um einen größeren gesellschaftlichen Beitrag leisten zu können - vor mehr als 3000 Jahren. Im Laufe der Menschheitsgeschichte wurde dieses Thema in verschiedenen Teilen der Welt immer wieder aufgegriffen. Kuan Tzu verfasste seinen berühmten Denkspruch „Planst du für ein Jahr, so säe ein Korn. Planst du für zehn Jahre, so pflanze Bäume. Planst du aber für das gesamte Leben, so erziehe Menschen” im dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Die Lehren des Johann Comenius sind inzwischen fast 400 Jahre alt. Was aber ist lebenslanges Lernen? Einige sehen darin nichts weiter als neue Lernanreize und -möglichkeiten für Erwachsene insbesondere im Bereich der künstlerischen Freizeitgestaltung und der Geisteswissenschaften, höchstens noch eine zweite Bildungschance für „Spätzünder“. Für manche ist es ein auf berufliche Weiterentwicklung orientierter Prozess, der von der Wirtschaft und den Hochschulen getragen wird und die Steigerung der betrieblichen und persönlichen Leistungsfähigkeit zum Ziel hat. Wieder andere verstehen darunter die Anwendung der Instrumente und Methoden des offenen Unterrichts und der Fernlehre in Ergänzung zu den herkömmlichen Bildungsinfrastrukturen. In letzter Zeit aber findet die umfassende Definition, die an letzter Stelle der obigen Liste steht, immer mehr Anerkennung. Drei Modelle des lebenslangen Lernens Unter heutigen Bedingungen ist es durchaus erklärlich, dass viele Modelle des lebenslangen Lernens auf einem beschäftigungsorientierten Ansatz beruhen und sich (außer in Japan) stark auf Partnerschaften insbesondere zwischen Wirtschaft und Hochschule stützen. In Nordeuropa und Nordamerika wird der Schule zwar eine gewisse Bedeutung bei der Herausbildung von Wertvorstellungen und Lernhaltungen beigemessen, doch herrscht nach wie vor eine strikte Trennung zwischen schulischer Bildung und allem, was danach kommt. Es erfolgt keine ganzheitliche Betrachtung des Lernprozesses über den gesamten Lebensweg eines Menschen hinDrei Modelle des lebenslangen Lernens 1. Der wirtschaftsorientierte Ansatz in Mittel- und Südeuropa Berufs- und beschäftigungsorientiert Förderung der Fortbildung für alle Getragen von Partnerschaften Hochschule-Wirtschaft Mehr Bildung im Erwachsenenalter Akzent liegt auf Wissensvermittlung und nicht auf Lernen 2. Der Ansatz Japans und des asiatisch-pazifischen Raumes Zwei strikt voneinander getrennte Modelle a) Beschäftigungs- und qualifikationsorientiert – von den Unternehmen initiiert und durchgeführt Akzent liegt auf Wissensvermittlung und Lernen Unternehmen als „lernende Organisationen“ b) Gemeinwesenorientiert – von der Regierung und den Kommunen initiiert Kommunale Zentren für lebenslanges Lernen Schwerpunkt Erwachsenenbildung, aber auch außerschulische Jugendprogramme 3. Der Ansatz Nordeuropas und Nordamerikas Zentrale Rolle von Partnerschaften Offene Universitäten, Fernlehre, offener Unterricht usw. Bedeutung der schulischen Bildung wird anerkannt Kompetenzerweiterung der Arbeitnehmer durch Lernen 116 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat weg. Für Japan und den asiatisch-pazifischen Raum wiederum ist eine starke Gemeinwesenorientierung kennzeichnend, die staatlicherseits durch Lernfeste, Messen, landesweite Programme und die Errichtung von Zentren für lebenslanges Lernen gefördert wird. Das wirtschaftsorientierte und das gemeinwesenorientierte Lernmodell werden in der Regel auseinander gehalten. Dies sind natürlich Verallgemeinerungen, da in den einzelnen Ländern unterschiedliche Vorstellungen und Verfahrensweisen bestehen. Generell wird lebenslanges Lernen als Weg zur beruflichen Weiterentwicklung und zur Steigerung von Beschäftigung und Beschäftigungsfähigkeit im Erwachsenenalter angesehen. Schulung und Wissensvermittlung stehen meist noch im Vordergrund. Somit sind die heutigen Modelle weder „lebenslang” noch auf das „Lernen” ausgerichtet. Das lebensbegleitende Lernmodell Ein anderes Modell des lebenslangen Lernens gewinnt heute zunehmend an Bedeutung. Gemeint ist ein den Menschen, das Unternehmen, die Nation und die Gesellschaft ganzheitlich erfassendes Konzept, wie es von der UNESCO, der OECD, dem Europäischen Industriekreis, dem European Learning Cities Network und einigen aufgeschlossenen Staaten des Ostens befürwortet wird. Eine treffende Bezeichnung dafür wäre:In this the engine of change is the development of human potential at all ages, education is seen as a holistic process and its focus is on the satisfaction of the needs of every learner. Das integrierte Konzept des „Lernens auf Lebenszeit“ Lernen in einem nahtlosen Prozess von der Kindheit bis ins hohe Alter (lebenslang) Akzent liegt auf Entwicklung des Persönlichkeitspotenzials durch Lernen Ganzheitliche Anwendung in allen gesellschaftlichen Bereichen – lebensumspannendes Kontinuum Vielfältige Partnerschaften zum gegenseitigen Vorteil und zur Ressourcenerweiterung Akzent liegt auf den Bedürfnissen des Lernenden. Kompetenzerwerb durch selbstbestimmtes Lernen. Bei diesem Modell liegt die Triebkraft des Wandels in der Weiterentwicklung des Persönlichkeitspotenzials unabhängig vom Lebensalter. Bildung wird als ganzheitlicher Prozess verstanden, der sich nach den Bedürfnissen des Lernenden richtet. „Lebensbegleitend“ bedeutet: von frühester Kindheit bis ins hohe Alter, von 0 bis 90, also sprichwörtlich von der Wiege bis zur Bahre. „Lernen“ bedeutet: dem Lernenden sollen Werkzeuge an die Hand gegeben werden, die ihn in die Lage versetzen, entsprechend seinem eigenen Stil und Bedarf zu lernen – dies bedeutet eine völlige Abkehr von der pädagogisch bestimmten Informationsvermittlung. „Für alle” bedeutet: niemand wird ausgeschlossen, und es werden gezielt die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Lernen in jeder Lebensphase Kreativität und Vertrauen schafft und Vergnügen bereitet. Auf dem OECD-Ministertreffen vom Januar 1996, dessen Schlussfolgerungen die EU befürwortete, wurden die folgenden drei Motive für lebenslanges Lernen herausgestellt: Bereicherung des persönlichen Lebens Förderung des Wirtschaftswachstums Wahrung des sozialen Zusammenhalts Diese Zielsetzungen sind eng miteinander verknüpft, da soziale, individuelle und wirtschaftliche Gesichtspunkte gleichermaßen betont werden. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 117 INHALT eurostat Das lebenslange Lernen als nahtloser Prozess Diese Betrachtungsweise wird von der Industrie favorisiert. In der Broschüre „Towards the Learning Society“ des Europäischen Industriekreises wird das Leben als „Lernkette“ bezeichnet, in der jeder Schritt in vertikaler Folge nahtlos in den jeweils nächsten übergreift. 1. Schritt Vorschul-bildung Sozialisation 2. Schritt Grundschulbildung Staatsbürgerliche Bildung 3. Schritt Allgemeine Bildung (letzte 2-3 Schuljahre) Berufliche Bildung Vorbereitung auf das Leben und den Berufseintritt 4. Schritt Hochschulbildung Wissenserweiterung 5. Schritt Erwachsenen- und Freizeitbildung Aktualisierung von Qualifikationen und Fertigkeiten (Education for Europeans – Europäischer Industriekreis) Die nahtlose Abfolge in diesem Diagramm steht in krassem Gegensatz zur derzeitigen Praxis in Europa, wo jeder Bildungsbereich seine eigenen Lehrpläne, konzeptionellen Grundlagen, Methoden und Strukturen entwickelt. Unter den jetzigen Verhältnissen sieht sich der Einzelne mit unterschiedlichen Bildungssystemen konfrontiert, die zwar gelegentlich miteinander kommunizieren, jedoch keine gemeinsame Sprache sprechen und verschiedene Lernkulturen praktizieren. Lebenslanges Lernen kann dies ändern. Beschäftigung oder Beschäftigungsfähigkeit in Europa? Europa vollzieht mit raschen Schritten den Übergang vom Industriezeitalter zum Informationszeitalter, in dem der Schwerpunkt auf dem Erwerb von Fähigkeiten und Wissen anstatt auf der bloßen Informationsvermittlung liegt und in dem persönliche Lernfähigkeit und Initiative mehr zählen als vorgegebene Lösungen. Die nachfolgend aufgeführten Fähigkeiten sind ein Schlüssel zur Beschäftigungsfähigkeit wie auch zur Beschäftigung. Wer nicht darüber verfügt, stößt nicht nur bei seiner geistigen Entfaltung und bei der Arbeitsplatzsuche auf Hindernisse, sondern auch bei der vollen Entfaltung seines Persönlichkeitspotenzials. 118 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Fähigkeiten für das Zeitalter des lebenslangen Lernens Das Lernen erlernen ➢ den eigenen Lernstil erkennen ➢ offen für neue Lernmethoden und neue Erkenntnisse sein ➢ selbstbewusstes Lernen anstreben Praktische Anwendung von neu erworbenem Wissen • • Kritische Haltung und Argumentationsfähigkeit ✓ ständig auf Veränderungen achten ✓ ständig auf Verbesserungen von Verfahren und Prozessen bedacht sein ✓ sich nie mit dem Erreichten zufrieden geben Selbstkompetenz und Sozialkompetenz ❖ realistische persönliche Ziele setzen ❖ die Kluft zwischen Status quo und Zielsetzung erkennen und überbrücken ❖ sich ständig persönlich weiterentwickeln Informationsmanagement ❑ Sammlung, Speicherung, Analyse und Kombination von Informationen ❑ Nutzung der Informationstechnik Kommunikationsfähigkeit ■ sich im formellen und informellen Rahmen klar äußern können ■ andere überzeugen können ■ zuhören können Teamfähigkeit ➢ ➢ ➢ ➢ Informationen und Wissen weitergeben Informationen und Wissen übernehmen bei der Zielfestlegung mitwirken gemeinsame Ziele erreichen Problemlösungskompetenzen • kreativ und innovativ sein Anpassungsfähigkeit und Flexibilität ✓ Veränderungen zuversichtlich meistern ✓ sich neuen Situationen und Aufgaben anpassen ✓ zu einem persönlichen Umdenken bereit sein Lebenslanges Lernen ■ persönliche Fähigkeiten und Kompetenzen ständig weiterentwickeln ■ Lernen zur Gewohnheit machen den Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis erkennen Wissen in die Tat umsetzen Kompetenzbildung in der europäischen Wirtschaft Die Wirtschaft hat in Bezug auf das lebenslange Lernen eine Vorreiterrolle übernommen. In Anbetracht der Konkurrenz und der Globalisierungsanforderungen war dies unumgänglich. Die Automobilhersteller beispielsweise sind schon seit längerem dazu übergegangen, ihre Mitarbeiter zum Lernen und dadurch zum eigenverantwortlichen Handeln zu motivieren. Dem Besucher fallen die zahlreichen Aushänge in den Arbeitsstätten auf, die auf Lernprinzipien hinweisen. Im Vereinigten Königreich zum Beispiel ist dies gang und gäbe. 1. Lernen ist ein menschlicher Urtrieb 2. Lernen und Weiterentwicklung fördern Kreativität, Mitverantwortung und Mitwirkung 3. Jeder hat zwei Arbeitsaufgaben – die Arbeit an sich und deren Verbesserung 4. Der Mensch identifiziert sich mit dem Ergebnis seines Schaffens 5. Der Mensch braucht Arbeit und freut sich über Anerkennung 6. Kreativität und Einfallsreichtum werden viel zu gering bewertet 7. Die Unternehmensleitung hat nicht auf alle Fragen eine Antwort 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 119 INHALT eurostat Handlungskompetenz bedeutet sowohl Teamfähigkeit als auch Entscheidungsfähigkeit. Die in dieser Hinsicht fortgeschrittensten Unternehmen delegieren mittlerweile einen Großteil der Verantwortung an ihre Mitarbeiter. Sie sind zu „lernenden Organisationen“ geworden. Dadurch wiederum steigen die Anforderungen an den Lernprozess. Um anhand eines breiten Informationsspektrums effektive Entscheidungen treffen zu können, benötigt man so hochrangige Kompetenzen wie die Fähigkeit zum Umgang mit Informationen, Problemlösungskompetenzen und die Fähigkeit zu eigenständigem Denken. Daher ist es erforderlich, dass sich die Arbeitnehmer das Lernen zur Gewohnheit machen und Vertrauen in die eigene Kreativität gewinnen. In der Wirtschaft wird dies auf vielfältige Weise gefördert. Die Palette reicht von Kursen für Persönlichkeitsentwicklung über berufsbegleitende Fortbildungsmaßnahmen und computergestützte Lernprogramme bis hin zu den häufig stattfindenden Gruppenseminaren. Für jeden Arbeitnehmer wird ein bestimmter jährlicher Betrag für die Teilnahme an außerbetrieblichen Schulungen mit freier Themenwahl bereitgestellt. Die Unternehmen halten ihre Mitarbeiter zum Erwerb des ersten oder weiterer akademischer Grade an offenen Universitäten oder lokalen Bildungsstätten an und finanzieren diese Ausbildung. So geht das Lernen den Arbeitnehmern sozusagen in Fleisch und Blut über. Diese Entwicklung in der Wirtschaftssphäre hat gravierende Folgen für das Bildungswesen. Es werden interessante Fragen hinsichtlich der Praxisbezogenheit und Qualität der Bildung an Schulen, Fach- und Hochschulen aufgeworfen, die von grundlegender Bedeutung für die Lehrerausbildung und die Gestaltung der Erwachsenenbildung sind. Fachverbände und Gewerkschaften werden zum Mitmachen aufgerufen. Es wird hervorgehoben, dass eine enge Zusammenarbeit erforderlich ist, um die verschiedenen Teile der Gesellschaft in einer Initiative für lebenslanges Lernen und gegen Unwissenheit und Ausgrenzung zu vereinen, um den Menschen durch Bildung sowohl zu Beschäftigungsfähigkeit als auch zu Beschäftigung zu verhelfen. Die Schaffung lernender Organisationen in Europa Viele Unternehmen betrachten sich heute nicht nur als produzierende, sondern auch als lernende Organisationen. Doch dieses Konzept muss nicht auf die Wirtschaft beschränkt bleiben. Im Folgenden werden zehn Merkmale aufgeführt, die eine wirkliche „lernende Organisation“ kennzeichnen. Dies ist als Orientierung für KMU, Bildungseinrichtungen, Berufsverbände und staatliche Behörden gedacht. Viele der genannten Anforderungen mögen recht drastisch anmuten, doch berücksichtigten sie, wie das 21. Jahrhundert das Arbeitsleben und alle anderen Lebensbereiche beeinflusst – und dies auf eine Weise, die viele noch nicht wahrhaben wollen. 120 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Zehn Merkmale einer lernenden Organisation 1. Eine lernende Organisation kann eine Firma, ein Fachverband, eine Hochschule, eine Schule, eine Stadt, eine Nation oder ein beliebiger Zusammenschluss von Personen sein, deren Ziel es ist, durch Lernen ihre Leistung zu verbessern. 2. Eine lernende Organisation tätigt durch die allgemeine und berufliche Bildung all ihrer Mitglieder Investitionen in die eigene Zukunft. 3. Eine lernende Organisation schafft Voraussetzungen und Anregungen dafür, dass all ihre Mitglieder ihr Persönlichkeitspotenzial in sämtlichen Funktionen entfalten: - als Arbeitnehmer, Mitglieder, Fachvertreter oder Studenten - als Botschafter der Organisation gegenüber Kunden, Klienten, Zielgruppen und Zulieferern - als Mitglieder der Gesellschaft, in der die Organisation beheimatet ist - als Menschen, die ihre Fähigkeiten realisieren wollen. 4. Eine lernende Organisation teilt ihre Zukunftsvorstellungen mit ihren Mitgliedern und regt sie an, diese kritisch zu hinterfragen, zu verändern und gemeinsam umzusetzen. 5. Eine lernende Organisation integriert Arbeit und Lernen und motiviert all ihre Mitglieder zum Streben nach Qualität, höchstem fachlichem Niveau und ständigen Qualitäts- und Leistungssteigerungen. 6. Eine lernende Organisation mobilisiert den gesamten ihr zur Verfügung stehenden menschlichen Sachverstand, indem sie das „Lernen“ zum Schwerpunkt macht und ihre Bildungsangebote entsprechend plant. 7. Eine lernende Organisation befähigt ALLE Mitglieder, ihren Horizont im Einklang mit ihrem bevorzugten Lernstil zu erweitern. 8. Eine lernende Organisation macht sich modernste Technologien für den offenen Unterricht und die Fernlehre zunutze, um die Lernmöglichkeiten zu erweitern und zu diversifizieren. 9. Eine lernende Organisation setzt sich aktiv für den Umweltschutz und die Belange ihres gesellschaftlichen Umfeldes ein und hält auch ihre Mitglieder dazu an. 10. Eine lernende Organisation befindet sich in einem ständigen Lern- und Umlernprozess, um innovativ, kreativ, impulsgebend und konkurrenzfähig zu bleiben. Eine Charta für Lernende Lernen fängt jedoch beim Einzelnen an. Bei Studien und Umfragen zum Thema Lernen tritt oft zutage, dass der Unterricht auch heute noch praxisfern, uninteressant und mehr auf die Anforderungen des Lehrplans und der Lehrkräfte zugeschnitten ist als auf die Bedürfnisse des Lernenden. Nach Ansicht der meisten Befragten ist in dieser Hinsicht kaum mit Verbesserungen zu rechnen. Benötigt wird eine „Charta für Lernende“, die dem Recht jedes Bürgers auf Entwicklung seines geistigen Potenzials Ausdruck verleiht. Im Folgenden wird ein von der Europäischen Initiative für lebenslanges Lernen (ELLI) vorgeschlagenes Modell dafür beschrieben. Die Lernprinzipien von ELLI 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Alle Bürger Europas können lernen und ihr Persönlichkeitspotenzial entwickeln. Alle Bürger Europas sollten Zugang zu Lernmöglichkeiten erhalten. Der Lernende ist Kunde, und der Kunde steht im Mittelpunkt. Der Lernende sollte Anleitung und Unterstützung erhalten. Alle Lernstile sollten anerkannt und berücksichtigt werden. Jegliches Lernen – ob formell oder informell – kann in einer auf den Lernenden zugeschnittenen Form bewertet werden. Bei der integrierten, gezielten Unterstützung des Lernens sollte man vor keinem Hindernis kapitulieren. Moderne Lernhilfen sollten kreativ zum Nutzen des Lernenden eingesetzt werden. Es sollten Anleitungen und Angebote für jeden Lernbedarf, jedes Lernniveau und jedes Lernalter zur Verfügung stehen. Das Lernen sollte im gesamten Lebensverlauf gefördert werden. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 121 INHALT eurostat Lernende sind Individuen mit unterschiedlicher Vorbildung, unterschiedlichen Voraussetzungen, Interessen und Bestrebungen. Sie unterscheiden sich auch in Bezug auf die bevorzugte Lernmethode, die Motivation und das für Lernzwecke verfügbare Zeitkontingent. Das lebenslange Lernen muss auf die individuellen Bedürfnisse des Lernenden ausgerichtet sein, wie der obige Leitsatz Nr. 3 besagt. In der heutigen betrieblichen Ausbildung vertraut man nicht mehr darauf, dass bei einer breit gestreuten Wissensvermittlung „etwas haften bleibt“. Dennoch wird dieses Prinzip in großen Teilen des institutionalisierten Bildungswesens noch immer angewandt, so dass der Lernende wenig Einfluss auf den eigenen Lernprozess hat. Die neueste Bildungstechnologie ermöglicht bei sachgemäßer und effizienter Anwendung den Übergang zum selbstbestimmten Lernen und hat überdies den Vorteil, dass dennoch eine große Zahl von Menschen erreicht wird. Eine Definition des lebenslangen Lernens Aus der „Charta für Lernende“ ergibt sich eine einheitliche Definition des Begriffs „lebenslanges Lernen“, die dem Bedarf des Individuums an Unterstützung und Anregung Rechnung trägt. LEBENSLANGES LERNEN ist die Entwicklung des Persönlichkeitspotenzials durch eine kontinuierliche Förderung, die den Einzelnen anregt und befähigt, alle im Laufe des Lebens benötigten Kenntnisse, Wertvorstellungen, Fähigkeiten und Einsichten zu erlangen, und sie mit Selbstbewusstsein, Kreativität und Vergnügen in allen Tätigkeitsfeldern und unter allen Gegebenheiten anzuwenden. Mit dem lebenslangen Lernen verbinden sich also mehrere neue Vorstellungen, durch die es sich von der schulischen und beruflichen Bildung im klassischen Sinne unterscheidet. Neu sind beispielsweise folgende Konzepte: Förderung selbstverantwortlichen Handelns Ausrichtung auf den Lernenden Freude am Lernen Lernmöglichkeiten für alle Kreativitätsförderung Entwicklung des Persönlichkeitspotenzials als Ziel von Lernen und Bildung Ein Europa der Lernenden Gemeinschaften Lebenslanges Lernen ist die zentrale einheitliche Voraussetzung für den Übergang Europas zur Lernenden Gemeinschaft. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Entwicklungsprozesses ist die Schaffung einer funktionsfähigen Infrastruktur, die eine wirksame Kommunikation zwischen allen Gesellschaftsbereichen ermöglicht. Hier setzt das Konzept der „Lernenden Gemeinschaft“ an. Damit ist eine Stadt oder Region gemeint, die Lernmöglichkeiten für ihre Bewohner anbietet und fördert, wann, wo und in welcher Form auch immer ein Bedarf vorhanden ist. Eine solche Gemeinschaft hat zahlreiche Mitwirkende aus verschiedenen Bereichen – Gewerbe und Industrie, allgemeinbildende Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen, spezielle Interessenvereinigungen, Fachverbände und kommunale Behörden. Eine Lernende Gemeinschaft setzt sich dafür ein, dass alle Bürger ihr Wissen, ihre Ressourcen, ihre Talente und Fachkenntnisse zum Wohle des Gemeinwesens nutzen. Auf diese Weise wird sie zu einer dynamischen Keimzelle lebenslangen Lernens. 122 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat INTERNATIONALE VERBINDUNGEN ZU ANDEREN ORGANISATIONEN NATIONALE VERBINDUNGEN ZUR REGIERUNG UND ZU ANDEREN GEMEINSCHAFTEN PRIMAR- UND SEKUNDARSTUFE KOMMUNALE BEHORDEN CLUBS UND GESELLSCHAF TEN FÜR INFORMELLE BILDUNG UNIVERSITÄTEN, FACHSCHULEN, HOCHSCHULWESEN ZUSAMMENARBEIT, RESOURCEN, VERBINDUNGEN, FÜHRUNGSKOMPETENZEN? ERWACHSENEN- UND BERUFSBILDUNG INDUSTRIE, GEWERBE UND HANDEL BERUFSVERBÄNDE EINE INTEGRIERTE GESELLSCHAFT FÜR LEBENSLANGES LERNEN Merkmale Lernender Gemeinschaften in Europa Eine Lernende Gemeinschaft ist nicht statisch und nach innen gerichtet. Sie empfängt und vermittelt Wissen und Problemlösungen durch Organisationen, die nationale und internationale Verbindungen im Marketing- und Kommunikationsbereich unterhalten. Sie regt alle Bürger an, im nationalen und internationalen Maßstab mit Mitgliedern anderer Lernender Gemeinschaften zu kommunizieren. Durch elektronische Netzwerke ist dies relativ leicht zu bewerkstelligen. Wer seinen Wohnsitz verlagert, kann sich problemlos an die Lernkultur der neuen Lerngemeinschaft anpassen. Im Vereinigten Königreich haben sich Liverpool, Southampton, Edinburgh, Sheffield und Glasgow jeweils zur „Stadt des Lernens“ erklärt. Göteborg, Bologna, Barcelona und weitere Städte nehmen seit Jahren an der Kampagne „Educating Cities“ teil. Was aber ist eine Stadt (oder Gemeinschaft) des Lernens? Worin unterscheidet sie sich von anderen Städten? Vielleicht lässt es sich folgendermaßen erklären: 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 123 INHALT eurostat Eine Lernende Gemeinschaft ist ein Dorf, eine Stadt, eine Region oder andere geographische Einheit, in der eine Strategie zur Förderung des lebenslangen Lernens aller Bürger umgesetzt wird. Lernende Gemeinschaften fördern die Entwicklung des Persönlichkeitspotenzials aller Bürger durch 1. Gemeinsame Arbeit und Ressourcenerweiterung Einbeziehung aller Teile der Gemeinschaft in eine schöpferische Zusammenarbeit mit dem Ziel, allen Bürgern das Lernen zu ermöglichen und die optimale Nutzung der Ressourcen einschließlich der Humanressourcen zu gewährleisten 2. Eigenverantwortliche Organisation Organisation aller Abteilungen und Dienststellen nicht nur des Bildungswesens in Vorbereitung auf die Durchführung von Plänen zur Einführung des lebenslangen Lernens in der Gemeinschaft 3. Motivation, Audits Motivation aller Bürger zur Entwicklung ihres Potenzials durch innovative Lerniniund Infrastruktur tiativen, Durchführung von Bedarfsermittlungen und Errichtung integrierter Infrastrukturen zur lebenslangen Deckung des Lernbedarfs Umsetzung von persönlichen Lernplänen (PLP) und Betreuungsprogrammen für alle 4. Einsatz von Mentoren, Bürger Anleitungen und PLP Häufige Information aller Bürger durch leicht zugängliche und attraktive Informa5. Nutzung universeller tions- und Beratungsdienste Informations-dienste 6. Schaffung von Netzwerken Weltweite Vernetzung von Menschen aller Altersgruppen, Glaubensrichtungen und Rassen durch Förderung innovativer persönlicher und elektronischer Verbindungen 7. Aktionen für die Umwelt Einbeziehung aller Bürger in innovative Programme zur Erhaltung und Verbesserung der Umwelt 8. Fähigkeiten entwickeln Entwicklung der Fähigkeit der Bürger, Veränderungen vorauszusehen und sich der Zukunft zuversichtlich, gut gerüstet und anpassungsbereit zu stellen 9. Trend zu Wachstum und Beschäftigung Erarbeitung und Umsetzung nachhaltiger Wachstums- und Beschäftigungsstrategien für die Gemeinschaft Initiierung innovativer Programme, die Menschen aller Schichten zum Erwerb von 10. Erwerb von Führungsqualitäten Führungsqualitäten im Lernbereich befähigen 11. Neues Lernen d im Familienkreis Förderung einer Betrachtungsweise, wonach das Lernen eine kreative, nutzbringene und vergnügliche Beschäftigung ist, und Förderung der aktiven Einbeziehung ganzer Familien Schon heute ist abzusehen, dass eines Tages alle Städte und Regionen Europas Lernende Gemeinschaften sein werden, die zwar ihre eigene kulturelle Identität bewahren, jedoch miteinander und mit andern Gemeinschaften in anderen Ländern Austauschbeziehungen unterhalten, um gemeinsame Probleme in Bildung, Umwelt und Wirtschaft zu lösen. Die Technologie der Informationsrevolution macht dies jetzt möglich. Nutzung neuer Technologien zur Vernetzung Lernender Gemeinschaften (Anmerkung: Aus Platzgründen kann dieses 7-Megabyte-Diagramm hier nicht eingefügt werden, das soll in Parma geschehen. – Es zeigt 6 Diagramme ähnlich denen auf Seite 11, die durch Pfeile miteinander verbunden sind, um zu demonstrieren, wie sich durch sektorale und sektorübergreifende Verbindungen zwischen Städten in verschiedenen Ländern neue europäische Sichtweisen entwickeln können.) 124 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Vernetzung wozu? 1. Zwischen Unternehmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Leistungskraft 2. Zwischen Schulen sowie zwischen Schulen und Lehrerbildungseinrichtungen zu Zwecken des kollaborativen Lernens, der Nutzung oder Einrichtung von Datenbanken, des Erlernens von Fremdsprachen, der Lernforschung, der Lehrerfortbildung, der Kontaktaufnahme zwischen Sachverständigen usw. 3. Zwischen Hochschulen sowie zwischen Hochschulwesen und Wirtschaft zwecks Verbundforschung, gemeinsamer Lehrplanentwicklung, Studentenaustausch, Weiterbildung, beruflicher Entwicklung, Kontaktaufnahme zu Sachverständigen, Aufbau gemeinsamer Datenbanken usw. 4. Zwischen Menschen im höheren Lebensalter zwecks sozialer Kommunikation usw. 5. Zwischen Krankenhäusern zu Zwecken des medizinischen Leistungsvergleichs, des Austausches von Ideen und des Praxisaustauschs usw. 6. Zwischen kommunalen Behörden, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Museen für kollaborative Lernprojekte, den Aufbau von Partnerschaften, das Erlernen von Fremdsprachen, die Entwicklung von Führungskompetenzen usw. 7. Zwischen Berufsverbänden und Mitgliedern in allen Gemeinschaften usw. 8. Zwischen Berufs- und Erwachsenenbildung zwecks Weiterentwicklung des offenen Unterrichts und der Fernlehre usw. 9. Zwischen Einzelpersonen, Gemeinschaften und Organisationen zu allen nur erdenklichen Themen. Verbindung Schule-Wirtschaft, gemeinschaftsübergreifende Mentortätigkeit, freie Träger usw. 10. Zwischen Entwicklungs- und Industrieländern zwecks Erlangung neuer Einblicke, Unterstützung, Forschung und Wachstumsförderung. Beispiel: Das Projekt TELS (Towards a European Learning Society) TELS war ein Projekt des von der Europäischen Kommission aufgelegten Programms „Sokrates”. Im ersten Jahr wurde eine Studie zu 6 europäischen Lernenden Städten durchgeführt, die 10 Tätigkeitsbereiche und 25 Unterbereiche betraf. Dabei wurde ein „Audit-Tool für Lernende Städte” entwickelt, mit dessen Hilfe Städte und Regionen ihren aktuellen Leistungsstand bei der Schaffung von Lernmöglichkeiten für alle Bürger bewerten und Verbesserungsmöglichkeiten ausfindig machen können. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt: a) Information und Kommunikation – Formen der Übermittlung von Ideen und Plänen im Bereich des lebenslangen Lernens an a) die für ihre Umsetzung verantwortlichen Stellen und b) die Gesamtheit der Einwohner. Dies betrifft die Lehrplanentwicklung, Lehrerausbildung, Einrichtung von Lernzentren, Nutzung der Medien, Erfassung von Informationen zum Lernbedarf usw. b) Partnerschaften und Ressourcen – Umfang der Förderung der Vernetzung verschiedener Lebensbereiche der Stadt sowie Effektivität dieser Verbindungen. Dazu zählen Beziehungen zwischen Schulen, Fachschulen, Wirtschaft, Hochschulen, Berufsverbänden, Interessengruppen, kommunalen Behörden und anderen Organisationen mit dem Ziel der gemeinsamen Nutzung materieller und personeller Ressourcen, der Erzeugung von Wissen, der Mobilisierung usw. c) Führungskompetenzen – Umfang und Methoden der Herausbildung von Führungskompetenzen im Bereich des lebenslangen Lernens. Dazu zählen u. a. das diesbezügliche kommunale Kursangebot, Fragen des Projekt- und Stadtmanagements und das Organisationsspektrum. d) Soziale Integration – Projekte und Strategien zur Integration der heute noch ausgegrenzten Gruppen – geistig und körperlich Behinderte, Arbeitslose, Angehörige von Minderheiten, Berufsrückkehrerinnen, Menschen mit Lernschwächen usw. e) Umwelt und Bürgerengagement – Projekte zur Information und Einbeziehung der Bürger im Bereich Umweltschutz, Bürgerengagement und kommunale Demokratie. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 125 INHALT eurostat f) Technologie und Netzwerke - innovative Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie zur internen und externen Vernetzung von Organisationen und Einzelpersonen. Dazu zählen das offene Lernen und der Fernunterricht sowie die wirksame Vernetzung von Menschen aller Altersgruppen zum Erlernen des Umgangs mit dem Internet. g) Schaffung von Wohlstand, Beschäftigung und Beschäftigungsfähigkeit – Programme und Projekte zur Steigerung von Wirtschaftsleistung und Beschäftigung und zur Verbesserung der Erwerbschancen der Bürger durch die Vermittlung von Lebenskompetenzen, Kenntnissen und Fachwissen. Dazu zählen finanzielle Anreize, Studien, Beziehungen zur Wirtschaft, Beziehungen der Wirtschaft zu anderen Kommunen usw. h) Mobilisierung, Partizipation und Persönlichkeitsentwicklung der Bürger – Umfang der Förderung der Bürgerbeteiligung. Dazu zählen Projekte zur Bündelung und Nutzung der Kenntnisse, Sachkompetenzen und Talente der Bürger und zur Förderung des Einsatzes dieser Ressourcen für die gemeinsame Entwikklung der Stadt. j) Lernveranstaltungen und Einbeziehung der Familien – Projekte, Pläne und Veranstaltungen zur Steigerung der Akzeptanz, Attraktivität, Sichtbarkeit und Verbreitung des Lernens bei den einzelnen Bürgern und in den Familien. Dazu zählen Lernfeste, Broschüren, Leistungsschauen, Lernwettbewerbe, Ehrungen usw. Das „Audit Tool” bot den kommunalen und staatlichen Behörden auch noch auf andere Weise Unterstützung: ➢ Es trug dazu bei, Verantwortliche bei verschiedenen kommunalen Stellen über den Sinn des lebenslangen Lernens und seine Bedeutung für ihre Arbeit aufzuklären. ➢ Es enthielt Indikatoren für die Bewertung sämtlicher Faktoren, die eine lernende Stadt ausmachen. ➢ Durch das Zusammentragen von nachahmenswerten Beispielen gab es den Städten Gelegenheit, voneinander zu lernen. ➢ Es lieferte einen reichhaltigen Fundus an Ideen für Stadtväter. Es löste eine europaweite Initiative zur Schaffung lernender Städte aus. Die Schule – Schlüsselrolle im neuen Europa Für jeden städtischen Lebensbereich werden spezifische Indikatoren benötigt. Schulen beispielsweise sind ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung einer europäischen Gesellschaft des lebenslangen Lernens. Theoretisch vermitteln sie neben Fähigkeiten und Kenntnissen auch Wertvorstellungen und Haltungen, die die Zukunft Europas bereichern sollen. In der Praxis allerdings hat es den Anschein, dass die Schule im herkömmlichen Sinne den neuen Anforderungen der Wissensgesellschaft nur dann gewachsen sein wird, wenn sie neue materielle Ressourcen nutzt, ihre ideellen Grundlagen verändert und sich das Konzept des lebenslangen Lernens zu Eigen macht. 126 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Aufgaben einer europäischen Schule für lebenslanges Lernen 1. Schulentwick- Förderung des Fortschritts durch eine allgemein zugängliche und schriftlich niedergelegte lungsstrategie Strategie für die umfassende Entwicklung des Persönlichkeitspotenzials aller Schüler und Lehrkräfte 2. Unterrichtspläne Erarbeitung eines auf die Entwicklung von Persönlichkeitskompetenzen und lebensumspannenden Wertvorstellungen ausgerichteten Lehrplans, um die Kinder ein Leben lang zum bewussten Umgang mit Veränderungen zu befähigen 3. Lernniveau Förderung einer Kultur der Qualität und der Wahrung hoher Standards bei allen Aktivitäten durch kontinuierliche Aufbauprogramme für Mitarbeiter und Schüler 4. Außenwirksamkeit Erschließung neuer Ressourcen für die Schule durch Nutzung der Fähigkeiten, Talente und Sachkenntnisse der Mitglieder von Schulbeiräten, der Eltern und aller Mitglieder der Gemeinschaft zur Schaffung neuer Lernmöglichkeiten und Umsetzung schulischer Strategien 5. Unterstützung Erzielung einer optimalen Haltung zum lebenslangen Lernen bei allen Schülern und Lehrkräften durch persönliche Lernpläne, Anleitungen und Mentorentätigkeit 6. Förderung von Lernnetzen Außenvernetzung von Lehrern und Schülern zwecks Förderung von kollaborativem Lernen sowie von Toleranz, Gerechtigkeitssinn und Achtung anderer Rassen, Glaubensbekenntnisse und Kulturen 7. Gemeinsam Technik nutzen Nutzung der Motivationskraft der modernen Informations- und Kommunikationstechnik für den Unterricht in sämtlichen Fächern 8. Angehörige einbeziehen Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus, um Familienangehörige in das schulische Leben einzubeziehen 9. Bildungshunger Motivation der Menschen dahingehend, dass Lernen zu einer lieb gewordenen Gewohnheit wird 10. Extras Förderung von Selbstachtung, Selbstvertrauen, Kreativität und kultureller Aufgeschlossenheit bei Lehrern und Schülern durch ein breites Angebot an außerschulischen Aktivitäten Aus solchen allgemeinen Indikatoren lassen sich konkrete Aufgaben für jeden der genannten Aktionsbereiche ableiten. Die meisten Schulen nehmen für sich (zu Recht) in Anspruch, Sorge für die Entwicklung der Talente und Fähigkeiten ihrer Schüler zu tragen. In einer Welt des lebenslangen Lernens werden sie überdies die Kenntnisse, Begabungen und Kräfte aller Einwohner der Kommune nutzen, um ihre Zielsetzungen umfassend verwirklichen zu können. Die europäische Hochschule als Hort des lebenslangen Lernens Auch den Hochschulen kommt in der lernenden Gemeinschaft wie auch in deren nationalem und internationalem Umfeld große Bedeutung zu. Vom Ansatz her verfügen sie über alle Voraussetzungen für die Übernahme einer Führungsrolle. Sie befinden sich am Puls des gesellschaftlichen Lebens. Es liegt in ihrer Bestimmung, in ihrem geografischen Umfeld Programme für lebenslanges Lernen anzuregen, zu entwickeln und umzusetzen und zugleich die Verbindung zu anderen Projekten und Aktivitäten im nationalen und internationalen Maßstab zu halten. Da das lebenslange Lernen einer der überzeugendsten Denkansätze unserer Zeit ist, der neue Gelegenheiten und Horizonte eröffnet, eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung fördert, gedankliches Neuland erschließt und Aktionsradien erweitert, ist er für die Wissenschaft von überragendem Interesse. Eine Hochschule, die sich von diesem Geschehen fernhält, ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Elfenbeinturm“; verknöchert, von intellektuellem Dünkel geprägt – und ein Auslaufmodell. Doch das europäische Hochschulwesen hat mit eigenen Problemen zu kämpfen. In vielen Ländern ist es auf der Suche nach alternativen Finanzierungsquellen. Nach dem Studentenansturm der Siebziger-, Achtziger- und 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 127 INHALT eurostat Neunzigerjahre herrscht jetzt ein Mangel an studentischem Nachwuchs, der durch die Übernahme einer neuen Rolle in der Gemeinschaft kompensiert werden muss. In dem von ELLI vorgelegten Aktionsplan für „lebenslanges Lernen im 21. Jahrhundert” heißt es, dass die Hochschulen die gesamte Gesellschaft als eine Gemeinschaft aus ehemaligen, jetzigen und künftigen Studierenden behandeln sollten. Daraus ergeben sich völlig neue Vorstellungen vom Sinn und Zweck der Hochschule. Von einer Eliteeinrichtung für hochintelligente Studenten und Wissenschaftler würde sie sich zu einer Universaleinrichtung entwickeln, die allen Menschen unabhängig von sozialer Herkunft und Vorbildung, von Alter und gewünschter Fachrichtung offensteht. Nur wenn die klassische Universität diesen Kurs einschlägt, kann eine Gesellschaft entstehen, in der Lernen eine natürliche und alltägliche Beschäftigung ist. Dies wiederum erfordert eine kluge Gestaltungspolitik. Selbstredend stellt die Übernahme gestalterischer Verantwortung sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance dar. Sie erfordert die Bereitschaft zur Annahme und aktiven Bewältigung von Wandlungsprozessen, den für die Chancenerweiterung nötigen Weitblick, eine verstärkte Hinwendung zur Gesellschaft, eine dynamische Anpassung an die Bedarfsentwicklung und die nötige Bescheidenheit, sich in den Lernprozess einzuordnen. Dies wirft grundlegende Fragen bezüglich der Definition, Rolle, gesellschaftlichen Funktion, Verantwortung und Verantwortlichkeit der Hochschulbildung auf. Die Hochschulen stehen vor der Wahl, sich unter Berufung auf ihre Traditionen in den Studierstuben zu verschanzen oder aber die Herausforderung anzunehmen und ihren Einfluss geltend zu machen, um als wirklich universelle Einrichtungen den Schritt ins 21. Jahrhundert zu tun. In jedem Falle werden sie nicht umhin können, sich mit bestimmten Fragen auseinanderzusetzen, die aus der Hinwendung zum lebenslangen Lernen resultieren. Neue Ideen zu den Themenbereichen Zertifizierung, Abschlüsse und Standards – Prüfungen als Lernmöglichkeit ohne Erfolgszwang und als Gradmesser für den eigenen Fortschritt Starker Anstieg der Zahl älterer Studenten mit unterschiedlichster Vorbildung Zunehmende Nutzung der Weiterbildung sowie Lehr- und Forschungspartnerschaften mit der Wirtschaft zwecks Kapitalbeschaffung Akzentverlagerung auf Qualität und kontinuierliche Aufbauprogramme für Mitarbeiter in Lehre, Forschung und Verwaltung Ein innovativeres Herangehen an die Nutzung von Bildungstechnologien, Netzwerken und offenem bzw. Fernunterricht in Lehre und Forschung Strategien zur Einbeziehung des lokalen Umfeldes in die Forschung und Nutzung der Kommune als „Großforschungslabor“ mit nationalen und internationalen Verbindungen Neue Gelegenheiten zur Erforschung von Lernverhalten unter Konzentration auf den Lernenden Stärkere internationale Ausrichtung der Forschung durch Vernetzung usw. Steigerung der Effizienz der internen Verwaltung und des Personaleinsatzes Strategien zur Umwandlung der Hochschule in eine lernende Organisation Neue Aufnahmeregelungen im Interesse einer breiter gefächerten Zusammensetzung der Studentenschaft und ergänzend dazu neue Lehrkonzepte Effektivere Entscheidungsprozesse sowie PR- und Marketingarbeit, um Lehr- und Lernpotenziale in der Gemeinschaft zu erschließen. Europa im Übergang von der Bildung zum lebenslangen Lernen Momentan vollzieht sich ein Paradigmenwechsel von der herkömmlichen Bildung, die uns im Industriezeitalter und in der postindustriellen Gesellschaft gute Dienste geleistet hat, zum lebenslangen Lernen, das dem 21. Jahrhundert als dem „Jahrhundert des Lernens” seinen Stempel aufdrücken wird. Im neuen Jahrtausend müssen wir das Fundament für die neuen Gedankengebäude legen, die dieser Wandel mit sich bringt. Im folgenden wird der neue Ansatz zusammenfassend dargestellt. 128 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Herkömmliche Bildung Lebenslanges Lernen Unterschied 1. Der Lehrende bestimmt und entscheidet. Er befindet über Lernerfordernisse und Lerninhalte Der Lernende ist Kunde und als solcher bestimmend. Die Entscheidung über Lernerfordernisse und Lerninhalte wird so weit wie möglich ihm selbst überlassen Lebensumspannender Ansatz und Inhalt, vertikale und horizontale Verbindungen zwischen Altersgruppen Kompetenz- und wertorientiert – Wie soll man denken? Entwicklung differenzierter Methoden und Werkzeuge entsprechend den individuellen Bedürfnissen, Anforderungen und Lernstilen 2. Unterteilung nach Altersgruppen 3. Wissens- und informationsorientiert – Was soll man denken? 4. Orientierung an den Bedürfnissen der Organisation, Nation oder Gesellschaft 5. Fremdorganisiertes Lernen 6. Beurteilung dient der Unterscheidung von Erfolg und Misserfolg 7. Passiv – reagiert auf einen von Organisationen und bestimmten Personen ermittelten Bedarf 8. Getrennte Bedarfsermittlung in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen 9. Bildung im Interesse von Beschäftigung und kurzfristiger Bedarfsdekkung 10. Arbeitsbezogen 11. Nach innen gewandt – auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten 12. Gegenwartsbezogen 13. Lernen als mühsame Aufgabe und Vermittlung von Erkenntnissen 14. Bildung als finanzielle Investition von Organisationen und Staaten Orientierung an den Entwicklungsbestrebungen des Einzelnen sowie am Entwicklungsbedarf von Organisationen und Staaten Selbstbewusstes, selbstbestimmtes Lernen Beurteilung dient der Bestätigung von Fortschritten und der Anregung zum Weiterlernen Aktiv – bewirkt, dass sich alle Menschen Lernen zur Gewohnheit machen Ganzheitlich – alle Gesellschaftsbereiche werden zur Zusammenarbeit angehalten Bildung im Interesse langfristiger Beschäftigungsfähigkeit Lebensbezogen Nach außen gewandt – soll Aufgeschlossenheit, Horizonterweiterung und Verständnis für andere fördern Zukunftsvorbereitend Partizipatives und teilnahmeorientiertes Lernen, das als Vergnügen empfunden wird, und Gewinnung von Erkenntnissen Lernen als soziale, persönliche und finanzielle Investition in und durch den Menschen zum Nutzen des Staates, der Organisation und der Gesellschaft 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens Integriertes System, das von frühester Kindheit bis ins hohe Alter Unterstützung beim Lernen gibt Befähigung der Menschen zur Durchführung vielfältiger Aktivitäten in allen Lebens- und Arbeitsbereichen Anregung und Ermutigung für den Einzelnen, damit er sein eigenes Persönlichkeitspotenzial erkennt und weiterentwickelt Alternative Lernmethoden; Lernen findet überall statt – zu Hause, in der Schule, im Betrieb, in Gaststätten, Läden usw. Neue Prüfungs- und Zertifizierungssysteme ohne Erfolgszwang Überprüfung der Lernerfordernisse der gesamten Gemeinschaft und Nation; Lernberatung Bündelung und Nutzung der Humanressourcen der gesamten Gemeinschaft im Interesse all ihrer Mitglieder Entwicklung persönlicher Fähigkeiten und Kompetenzen Arbeit und sonstige Lebensbereiche erfordern gleiche Schlüsselkompetenzen Nutzung von Lernen und Technik zur Förderung des Verständnisses für andere Glaubensrichtungen, Kulturen, Rassen und Gebräuche Ermöglichung einer selbstbewussten und kreativen Inangriffnahme der Zukunft durch alle Häufige Demonstration der Ergebnisse von Lernprojekten durch Einzelpersonen, Familien, Organisationen und Kommunen Investition eines Staates in seine Bürger, eines Unternehmens oder einer Behörde in die Mitarbeiter, einer Bildungseinrichtung in die Zukunft der Lernenden, des einzelnen Bürgers in das eigene Leben und Glück 129 INHALT eurostat Europäische Lehrerausbildung für eine von lebenslangem Lernen bestimmte Zukunft Aus dem Paradigmenwechsel von der Wissensvermittlung zum aktiven Lernen ergeben sich grundlegend neue Anforderungen an die Ausbildung von Lehrern in Europa. In vielen Bereichen des Bildungswesens wird die Einführung des neuen Berufes „Lernberater” gefordert, und einige Hochschulen arbeiten bereits an der Berufsbeschreibung und dem Anforderungsprofil. Die Lehrerbildungseinrichtungen, ob nun Universitäten oder pädagogische Institute, werden sich zunehmend auf ein die gesamte Gemeinschaft einbeziehendes Konzept für die Lehrerausbildung einstellen müssen. Im Folgenden werden einige Leitlinien für die künftige Lehrerbildung vorgeschlagen. Zehn Leitlinien für die Umwandlung von Lehrerbildungseinrichtungen in Organisationen des lebenslangen Lernens Eine lernende Organisation im Bereich der Lehrerbildung 1. erarbeitet eine jährlich aktualisierte und flexible Lernstrategie mit dem Ziel, das Persönlichkeitspotenzial jedes einzelnen Studierenden und Mitarbeiters unter Berücksichtigung individueller Lernbedürfnisse zur vollen Entfaltung zu bringen; 2. fördert durch spezielle Kurse und Programme eine Kultur der Qualität und der Wahrung hoher Standards in allen Tätigkeitsbereichen; 3. spielt eine aktive Rolle in ihrer Kommune durch a) die Durchführung von Partnerschaftsprojekten zwischen ihren Studenten/Mitarbeitern und Wirtschaftsunternehmen b) einen positiven Beitrag zum sozialen Wohlergehen aller Einwohner einschließlich der Senioren und Behinderten c) die Nutzung der Erfahrungen und Sachkompetenzen von Vertretern der Kommune für den eigenen Lernprozess d) die Durchführung von Lern-Audits und die Übernahme einer zentralen Führungsrolle bei der Entwicklung einer lernenden Gemeinschaft vor Ort; 4. richtet den Blick nach außen, indem sie a) unter Nutzung von Netzwerken kooperative und produktive Beziehungen zu Organisationen und Einrichtungen der Lehrerbildung in anderen Ländern unterhält, b) bei den Studierenden Toleranz und Gerechtigkeitssinn, das Verständnis für andere Kulturen und Glaubensbekenntnisse sowie Fremdsprachenkenntnisse fördert und sie zu multikulturellem Engagement anregt c) sich an nationalen und internationalen Forschungsarbeiten zu Methoden und Technologien des selbstbestimmten Lernens beteiligt und an der Schaffung lernender Gesellschaften mitwirkt; 5. fördert eine positive Einstellung zum lebenslangen Lernen bei allen Studierenden und Mitarbeitern, indem sie a) gemeinsam mit Vertretern anderer gesellschaftlicher Bereiche Kurse, Seminare und andere Angebote für lebenslanges Lernen entwickelt und in ihren Lehrplan aufnimmt, b) auf die Nutzung persönlicher Lehrpläne sowie den Einsatz von Beratern und Mentoren hinwirkt, c) kreative, bereichernde, vergnügliche und produktive Lernprogramme und Aktivitäten entwickelt, durch die das Lernen für alle Mitarbeiter und Studierenden zu einer ständigen Gewohnheit wird, 6. erarbeitet Strategien für die Entwicklung zu einer wirklichen lernenden Organisation, indem sie sich mit den zehn Merkmalen einer lernenden Organisation vertraut macht und sie umsetzt; 7. konzentriert sich auf die Entwicklung von sozialen Fähigkeiten und Führungskompetenzen, insbesondere auf diejenigen Schlüsselkompetenzen, die das Verständnis, den Weitblick und den Wissenserwerb fördern; 8. beherrscht die moderne Informations- und Kommunikationstechnik und bemüht sich um a) die effektive Nutzung von kommerzieller und Lernsoftware sowie Multimedia-Werkzeugen, b) die kreative Nutzung elektronischer Netzwerke in Lernsituationen, c) die flexible Nutzung von Instrumenten und Methoden des offenen und Fernunterrichts; 9. beteiligt sich an der Entwicklung von lokalen, nationalen und internationalen Bewertungs- und Zulassungssystemen, bei denen kein Erfolgszwang besteht, sowie an der Entwicklung von Selbstbewertungsstrategien; 10. bezieht die Schulen in all diese Tätigkeiten ein und nutzt diese Kontakte für die berufsbegleitende Fortbildung der Lehrer und die Vermittlung von Kompetenzen im Bereich des lebenslangen Lernens an die Schüler. 130 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Wie jetzt weiter? Die Rolle des Staates Unser kleiner Ausflug in die Zukunft Europa nähert sich seinem Ende. Der nächste entscheidende Schritt muss darin bestehen, sich gründlich mit den hier beschriebenen Konzepten vertraut zu machen. Anschließend gilt es, eine größtmögliche Vielfalt von Aktionen, Projekten, Diskussionen, Maßnahmen und Strategien ins Leben zu rufen. Ob dieser Ansatz ein Erfolg wird, hängt in erster Linie von den staatlichen Stellen ab. Sie sollten als Erste erkennen, dass die Fähigkeit zu lernen allmählich zum bestimmenden Faktor für die Stärke der Nation wird; dass der Staat also darauf angewiesen ist, unter seinen Bürgern ein hohes Bildungsniveau, sozialen Zusammenhalt, Partizipation sowie das Bedürfnis nach lebenslangem Lernen zu fördern. Im derzeitigen Frühstadium der Entwicklung des lebenslangen Lernens kommt den Regierungen eine wichtige Rolle zu. Im Folgenden werden einige Vorschläge für Maßnahmen unterbreitet, durch die der Staat zur Schaffung einer Lernenden Nation und einer Gesellschaft des lebenslangen Lernens in Europa beitragen kann. Es handelt sich dabei um eine vorläufige Aufstellung. 1. Schaffung einer nationalen Task Force oder Lenkungsgruppe, die Möglichkeiten zur Verwirklichung des lebenslangen Lernens untersucht 2. Konzipierung und Durchführung von Kursen, Seminaren und Workshops über lebenslanges Lernen für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und führende Verantwortliche von Berufsverbänden 3. Aktionen zur Förderung der Akzeptanz des Lernens als wünschenswerte und vergnügliche Beschäftigung; z.B. PR-Kampagnen unter Nutzung von Fernseh-, Zeitungs- und Plakatwerbung, Sendungen des Bildungsfernsehens, Film- und Videoproduktionen, Informationsblättern usw. 4. Anreize für Gemeinschaften (Städte, Regionen usw.), sich als „Lernende Gemeinschaften” zu profilieren, und Erarbeitung von Leitlinien zwecks Befähigung aller Bürger, Wissen, Erfahrungen, Wertvorstellungen, Fachkenntnisse und Begabungen zum Nutzen der gesamten Gemeinschaft einzubringen 5. Umstrukturierung der Finanzierung des Lernens durch Zusammenlegung von Budgets, Nutzung elektronischer Hilfsmittel und Methoden für den offenen und Fernunterricht sowie die gemeinsame Nutzung von Ressourcen einschließlich personeller Ressourcen 6. Verständigung über Grünbücher und anschließend Weißbücher, die relativ langfristige abgestimmte Strategien und Maßnahmen für lebenslanges Lernen beinhalten 7. Förderung von Lernmotivationen durch Entwicklung neuer Bewertungs- und Zertifizierungssysteme, die bewirken, dass Lernen jedweder Art belohnt wird, und damit Anreiz zum Weiterlernen schaffen 8. Gespräche mit Unternehmerverbänden und Unternehmen zur Erlangung der Unterstützung der Wirtschaft bei der Popularisierung des lebenslangen Lernens unter den Arbeitnehmern und der Umsetzung von Sensibilisierungsstrategien 9. Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, Intensivierung des internationalen Austauschs von Ideen und Lösungsansätzen 10. Neugestaltung der Bildungs- und Sozialsysteme durch Strategien und Maßnahmen, über die die Verantwortlichen vor Ort auf den herkömmlichen Kommunikationswegen zügig informiert werden können 11. Förderung des lebenslangen Lernens durch einfallsreiche nationale und regionale Marketingstrategien 12. Organisation von Lernfesten, um dem Bürger das Lernen nahezubringen (wie in Japan) 13. Erleichterung der Entwicklung der verschiedensten Organisationen zu „lernenden Organisationen” durch ein System von Leistungsvergleichen, beispielhaften Lösungen und Anreizen 14. Erarbeitung einer „Charta für Lernende”, in der das Recht aller Bürger auf Lernen verankert ist 15. Entgegennahme von Berichten über Strategien für lebenslanges Lernen in bestimmten Bereichen, so z.B. über die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik, über neue Lernmethoden, persönliche Lernstile, Qualität an den Schulen usw. 16. Schaffung von Lernanreizen durch persönliche Lernpläne und Leitfäden sowie den Einsatz von Mentoren, Lernberatern und Lernbeauftragten 17. Einrichtung von Forschungszentren für lebenslanges Lernen an Hochschulen und unabhängigen öffentlichen Forschungseinrichtungen 18. Förderung und Unterstützung internationaler Bemühungen um die Einführung des lebenslangen Lernens im globalen Maßstab 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 131 INHALT eurostat Hieraus geht hervor, dass der Staat tatsächlich Einfluss nehmen kann. Einige dieser Aufgaben können an andere Organisationen delegiert werden. Viele erfordern nicht einmal zusätzliche Gelder, sondern lediglich eine Umschichtung vorhandener Mittel. Damit sich jedoch das lebenslange Lernen überhaupt durchsetzen kann, sind ein Engagement auf höchster Ebene und ein nationaler Aktionsplan mit kurz-. mittel- und langfristigen Zielsetzungen erforderlich. Und zu guter Letzt - die Notwendigkeit von Studien und Forschungen Die Mitwirkenden des TELS-Projekts wurden mit der Durchführung eines Expertenseminars beauftragt, dessen Teilnehmer der Kommission Empfehlungen für Maßnahmen zur Förderung des lebenslangen Lernens im kommunalen und regionalen Maßstab unterbreiten sollten. Es wurden zehn Empfehlungen erarbeitet, von denen vier für den statistischen Bereich von Bedeutung sind. Diese werden nachfolgend zusammengefasst. Empfehlung Nr. 2. - Beobachtung, Erfassung, Erhebungen und Studien – Entwicklungsindikatoren Zu den Aufgaben der europäischen Bildungspolitik sollte die Erfassung und Beobachtung der Entwicklung des lebenslangen Lernens in Städten und Regionen im Interesse der Mitgliedstaaten, der Bildungsträger und der Städte selbst gehören. Im Rahmen der OECD und des TELS-Projekts wurde bereits umfangreiches Datenmaterial über die derzeitigen Aktivitäten der Städte und Regionen zusammengetragen. Beim TELS-Projekt trug das „Audit Lernender Städte“ (Learning City Audit) überdies zur Sensibilisierung von Entscheidungsträgern bei und vermittelte neue Anregungen. Weitaus größer ist allerdings die Zahl derjenigen europäischen Städte, auf die der Funke bisher noch nicht übergesprungen ist. Es wird empfohlen, die Datensammlung fortzusetzen und die Ergebnisse über eine zentrale europäische Datenbank im Internet zu verbreiten. Dabei bietet sich eine Datensammlung auf zwei Ebenen an: ✓ Allgemeine Makrodaten über Städte und ihre Fortschritte im Bereich des lebenslangen Lernens (z.B. Learning City Audit). Diese wären eine Hilfe für Planungsbeauftragte in Gemeinden und Regionen sowie auf europäischer Ebene. ✓ Neue Mikro-Erhebungen zu sektorspezifischen Maßnahmen im Bereich des lebenslangen Lernens in Städten bzw. Regionen auf der Grundlage einschlägiger Indikatoren, Aufgabenstellungen und beispielhaften Lösungen. Diese wären eine Hilfe für Planungsbeauftragte und staatliche Stellen in den betreffenden Mitgliedstaaten, örtlichen Gebietskörperschaften und Einrichtungen. Mögliche Themen sind: a) Lebenslanges Lernen an Schulen sowie deren Rolle bei der Entwicklung Lernender Städte b) KMU und Entwicklung des lebenslangen Lernens; Chancen durch europäische Zusammenarbeit c) Lebenslanges Lernen in der Wirtschaft, darunter kollaboratives sektorübergreifendes Lernen d) Lebenslanges Lernen an Hochschulen; Rolle der Hochschulen bei der Entwicklung des lebenslangen Lernens e) Lebenslanges Lernen an Einrichtungen für Erwachsenenbildung und Einrichtungen des zweiten Bildungsweges f) Lebenslanges Lernen in Kommunalverwaltungen und deren Rolle bei der Entwicklung Lernender Städte g) Praxis des Lebenslangen Lernens in Lehrerbildungseinrichtungen und Befähigung der Lehrer zur Entwicklung der Lernenden Gesellschaft h) Lebenslanges Lernen bei den Freien Trägern und deren Beitrag zur Lernenden Gesellschaft i) Wirksamkeit von Städtepartnerschaften für lebenslanges Lernen. Durch sorgfältig konzipierte Fragebögen können umfassendere Informationen eingeholt und gegebenenfalls Veränderungen vorangetrieben werden. Es liegt auf der Hand, dass die für Planung und Verwaltung zuständigen Stellen der Europäischen Kommission, der Mitgliedstaaten, der Regionen und Städte, der Vereinigungen und Einrichtungen von der Sammlung präziser Daten profitieren. Wie das TELS-Audit gezeigt hat, kann auf diesem Wege sowohl umfangreiches hochwertiges Wissen gewonnen als auch die Verbreitung von Ideen und Sachkompetenzen gefördert werden. Dabei wäre es von Vorteil, mit offizieller Genehmigung der Kommission eine wissenschaftlich besser fundierte Stichprobe zu bilden. 132 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Empfehlung Nr. 4 – Schaffung eines europäischen Netzwerkes für Forschung und Entwicklung im Bereich „Lernende Stadt“, dem jeweils mindestens eine Hochschulabteilung aus jedem Land angehört. Die Entscheidungsträger könnten an der Einrichtung von Forschungszentren an den Hochschulen aller europäischen Länder interessiert sein, die im Verbund forschen und Beziehungen zu den örtlichen Gebietskörperschaften unterhalten, welche als Forschungsobjekt dienen. Diese Zentren hätten mehrere Aufgaben: a) Wahrnehmung der unter Punkt 2. beschriebenen Mess- und Beobachtungsfunktionen b) Schulung von Staatsbeamten, führenden Vertretern der Städte und Regionen und weiteren Verantwortlichen zu Fragen der Lernenden Gemeinschaft c) Entwicklung neuer Kurse und Abschlüsse für den Themenbereich „Lernende Gemeinschaft“ d) Entwicklung internetgestützter Materialien e) Spezialisierung auf Forschungen zu solchen Fragen der Lernenden Gemeinschaft wie Neue Lernmethoden zur Verbesserung der Lernkompetenzen der Bürger Neue Wege zur Finanzierung der Lernenden Stadt Entwicklung und Erprobung von Lernwerkzeugen und -methoden (siehe auch Empfehlung Nr. 6) Entwicklung von Audit-Instrumenten und Durchführung von Audits zur Ermittlung des Lernbedarfs in der gesamten Gemeinschaft Entwicklung optimaler Verfahren und Verbreitung von Lösungsbeispielen Untersuchung von Fallbeispielen für Partnerschaften, die neue Ressourcen hervorgebracht haben Konzipierung und Durchführung anforderungsgerechter Schulungen, Konferenzen, Seminare und Workshops Konzipierung und Weiterentwicklung von Strategien für Lernende Städte und Regionen Beratung zur wirksamen Nutzung elektronischer Netzwerke und des Internets für das lebenslange Lernen Erarbeitung von Broschüren und Informationsblättern für Lernende Gemeinschaften Bereitstellung von Einrichtungen, in denen sich Bürger zu Fragen der Lernenden Gemeinschaft informieren können Anregung einer wirksamen Interaktion zwischen Menschen aller Altersgruppen Tiefgreifende Analysen zu ausgewählten Lernenden Städten. Die Verwirklichung dieses Vorschlags käme allen Seiten zugute. Die lokalen und regionalen Gemeinschaften könnten die Schulungsangebote und Forschungsergebnisse nutzen und würden von der Wissenserweiterung in den Gebietskörperschaften profitieren; die Mitgliedstaaten hätten Referenzzentren für die Forschung und Entwicklung zum Thema „Lernende Gemeinschaft“; und Europa insgesamt würde über ein wachsendes Netzwerk derartiger Zentren verfügen, die zudem in der Lage sind, spezielle Projekte zu empfehlen und durchzuführen. Empfehlung Nr. 6 – Schaffung einer Einrichtung für Technische Hilfe mit folgenden Aufgaben: a) technische Hilfe bei der Schulung führender Verantwortlicher zum Thema lebenslanges Lernen in Städten und Regionen; b) Sensibilisierung von Entscheidungsträgern, Verwaltungen und Bürgern für die Rolle und Bedeutung der Lernenden Gemeinschaft a) Kurse und Materialien für bestimmte Zielgruppen, darunter insbesondere ❏ Lernorganisatoren in den Städten ❏ gewählte Volksvertreter ❏ Beauftragte für „Lern-Marketing“ ❏ Lehrkräfte und Dozenten ❏ Wirtschaftsakteure ❏ Mitarbeiter der Erwachsenenbildung b) Instrumente für lebenslanges Lernen – Es gibt mehrere Instrumente und Methoden, mit deren Hilfe die Menschen angeregt werden können, die Lernleistung in ihren Städten zu verbessern. Dazu zählen 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 133 INHALT eurostat ➢ Muster für anforderungsgerechte persönliche Lernpläne in Städten/Regionen, um die Bürger anzuregen, ihre Lernpläne in den Bereichen Freizeit, Leben und Arbeit für den Zeitraum von 1, 3 und 5 Jahren schriftlich festzuhalten ➢ Leitlinien für Mentorprogramme in der Gemeinschaft, an Schulen, in der Wirtschaft usw. ➢ Audits des persönlichen Lernbedarfs – Ermutigung von Lernträgern, Gemeinschaften und Unternehmen, die Lernbedürfnisse und -erfordernisse ihrer Mitglieder/Mitarbeiter zu ermitteln ➢ Entwicklung von Familien-Lernplänen, um für Familien Anreize zum gemeinsamen Lernen zu schaffen ➢ Effektive Partnerschaften und deren Beitrag zur Entwicklung Lernender Städte ➢ Lokale und regionale Studienkreise ➢ weit verbreitete Nutzung von neuen IKT-Werkzeugen zur Förderung des Lernens, des Austauschs, der Zusammenarbeit und gemeinsamen Planung in und zwischen Gemeinschaften; dies umfasst ✓ die Nutzung des Internets zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Bürgern aller Altersgruppen in verschiedenen Städten, ✓ die Nutzung von Methoden des offenen und Fernunterrichts zwecks Erweiterung des Kreises der Lernenden ✓ Information über Lernmöglichkeiten in den Städten ✓ multimediale Software zwecks Erweiterung des Spektrums der Lernmethoden ✓ das Konzept der „vernetzten Stadt“ Empfehlung Nr. 10 – Schaffung und Nutzung von Verbindungen zwischen allgemeinen Ansätzen für das lebenslange Lernen und Konzepten für die Entwicklung der Lernenden Gemeinschaft. Dies umfasst ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ ❏ Die Entwicklung von Chartas für Lernende Städte Die soziale Integration Die Integration von Einwanderern Lernen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen Lernen für Arbeitslose Lernen für Lernunwillige Berufsrückkehrerinnen und das Lernen Lernen im zweiten Bildungsweg Strategien zur Anerkennung von Vorkenntnissen Verschiedene Möglichkeiten für Lernfeste in der Stadt/Region Belohnungs- und Anerkennungsstrategien in der Lernenden Gemeinschaft Information und Kommunikation zu Lernmöglichkeiten auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene Neue Finanzstrategien für das lebenslange Lernen in der Kommune Partizipation und aktives Bürgerengagement in den Städten Marketingstrategien für das Lernen Nutzung der Medien zur Verbesserung des Lernens Das Lernelement in Stadterneuerungsstrategien Literaturangaben Ball, C and Stewart, D (1995) An Action Agenda for Lifelong Learning for the 21st Century, Report from the 1st Global Conference on Lifelong Learning, N Longworth (ed), World Initiative on Lifelong Learning, Brussels Bayliss, V (1998) Redefining Schooling: A Challenge to a Closed Society, RSA Journal, vol CXLVI, no 5468, London Bradshaw, C A (ed) (1995) Bringing Learning to Life: The Learning revolution, the Economy and the Individual, The Falmer Press, London Candy, P, Crebert, R G, and O’Leary, J (1994) Developing Lifelong Learners through Undergraduate Education. 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CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat FRAGEN UND PROBLEME - AUS DER SICHT DER NUTZER NI CHEALLAIGH Martina CEDEFOP P.O. Box 22427 55102 Thessaloniki GREECE [email protected] Cedefop (Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung ) als Nutzer von VET-Indikatoren: Fragen und Probleme Die wichtigste Aussage lautet hier, dass wir keine neue Datensammlung unter der Bezeichnung Lebenslanges Lernen erstellen. Wie in der Mitteilung der Kommission über Lebenslanges Lernen ausgeführt, ist LLL das ‘Leitprinzip’, oder um mit den Worten von Grepperud und Johnson (2000, S. 281) zu sprechen, ist LLL eine alles überspannende Philosophie für die künftige Struktur und Entwicklung der lernenden Gesellschaft. Was wir daher stattdessen benötigen, ist eine Verbesserung bestehender Statistiken über alle Aspekte von Bildung und Ausbildung, ein Schließen bestehender Lücken und eine Verbreiterung der Datenbasis oder mehr noch deren Verbindung zu anderen Datenserien mit Auswirkung auf die umfassenderen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und technologischen Umstände, die erst den Kontext für LLL und die lernende Gesellschaft bilden. • Die verfügbaren Statistiken sind « wirtschaftlich ausgerichtet » : Allgemeinbildung / Berufsbildung und -ausbildung werden primär in ihrer Beziehung zum Arbeitsmarkt gesehen. Allerdings betonen sowohl das Memorandum als auch die anderen Dokumente der Kommission zu den betroffenen Politikbereichen, dass auch sonstige Aspekte des LLL behandelt werden sollten. Außerdem sollte Lebenslanges Lernen hinsichtlich seiner sozialen, kulturellen, persönlichen und technologischen Auswirkungen analysiert werden, die bisher weitgehend ignoriert wurden. • Beachtet werden sollte auch die Dynamik zwischen den einzelnen Elementen. Bisher verfügen wir nur über eine Ansammlung von « Bildern » verschiedener Aspekte der Bildung und Ausbildung. Wir sollten versuchen, aus diesen Bildern einen « Film » zu machen, sie also nach Möglichkeit verbinden und besser als bisher artikulieren. Cedefop als Produzent von Daten Wir sind in diesen Prozess auf zweifache Weise eingebunden. Einerseits generieren wir gemeinsam mit Eurostat Daten. Dabei üben wir insbesondere eine Beraterfunktion bei der Planung von Fragebögen und neuen Datensammlungen aus, indem wir Nutzerbedürfnisse und klaffende Lücken feststellen und beim Entwurf von Klassifizierungen und einer harmonisierenden Terminologie unterstützend mitwirken. Wir beginnen von uns aus keinerlei Datensammlungen. Das ist die Rolle von Eurostat und sollte es auch bleiben. Allerdings hat Cedefop über ETV auch mit eigenen NutzerErhebungen begonnen, vor allem auf dem Gebiet des elektronischen Lernens (eLearning). Diese sind natürlich in ihrem Umfang und ihrer Anwendung beschränkt, weil sie sich einzig auf die öffentlichen Nutzer des ETV beziehen, bei denen es sich per se um EDV-kundige Personen handeln muss, weshalb die Ergebnisse möglicherweise von dem abweichen, was eine umfassende Befragung einer ganzen Zielgruppe ergeben würde. Die hierbei verwendete Methode der Online-Erhebungen beeinflusst die künftige Arbeit mit Indikatoren: ihr Wert für Stichprobenerhebungen unter Internet-Benutzern ist unschätzbar, und sie bietet überdies den Vorteil, dass im Zuge ihrer Anwendung eine einfache Verarbeitung der gewonnenen Da14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 137 INHALT eurostat ten möglich wird. Einige dieser Erhebungen bieten automatischen Zugang zu den Ergebnissen, sogar schon unmittelbar bei Einlangen der Antworten. Daher hat diese Methode auch enorme Auswirkungen auf die Aktualität der Daten. Verwendung statistischer Daten durch Cedefop Wir machen in unseren Publikationen umfangreichen Gebrauch von Indikatoren, weil wir glauben, dass für den Leser speziell kompakte Informationen, die durch klare statistische Daten aus aktuellen Quellen belegt werden, attraktiv sind. Allerdings haben wir zu vielen Anlässen auch schon Rückmeldungen erhalten, wonach die Daten in unseren Publikationen viel zu alt seien und auf nationaler Ebene aktuellere Informationen vorlägen. Wir müssen uns entscheiden zwischen dem Versuch, Datenmaterial rasch zu produzieren, wodurch es aber ausschließlich deskriptiv und auf ein Land beschränkt bleibt, und dem Angebot einer vergleichenden Übersicht, die den zusätzlichen Wert der europäischen Dimension bietet. Dieser zweite Ansatz beruht aber auf europäischen Statistiken, die unweigerlich älter sind als nationale Quellen. Beschreibungen der nationalen Systeme zur Berufsbildung und -ausbildung (VET-Beschreibungen) sind ein wichtiges Cedefop-Produkt. Wenn wir diese Beschreibungen in Auftrag geben, ist es für den Autor einfacher, sich nationaler Statistiken zu bedienen, die zusätzlich auch noch aktueller sind. Doch jede nationale statistische Behörde verwendet ihre eigenen Methoden der Beschreibung und Präsentation von Daten, so dass in diesen Monografien keinerlei Konsistenz oder Gleichheit der Daten gegeben ist, selbst wenn wir sie zu rationalisieren versuchen und immer denselben Grafiker verwenden. Die Harmonisierung der Datensammlungen und ihrer Präsentation unter den Mitgliedstaaten brächte daher eine echte Verbesserung. Die Staaten sollten ihre Datensammlungen möglichst auch mit europäischen Datensätzen verbinden, denn sobald wir versuchen, nationale Daten in einer Vergleichstabelle zu präsentieren, um sie im europäischen Kontext zeigen zu können, tritt sofort das nächste Problem auf. Wir haben in dieser Hinsicht häufig Probleme, geeignete Daten auf Gemeinschaftsebene zu finden. So sind beispielsweise für Hintergrundinformationen über demographische Trends, Entwikklungen auf dem Arbeitsmarkt und Arbeitslosenstatistiken etc. die Demographic Statistics und Arbeitskräfteerhebungen (LFS oder Labour Force Surveys) von Eurostat sehr nützlich und auch aktuell. Und wir greifen auch auf Daten aus dem Sozialporträt Europas von Eurostat zurück. Ein bedeutendes Problem taucht übrigens auf, wenn wir vergleichende Informationen über die Berufsbildung und -ausbildung anbieten wollen, weil diese Informationen auf europäischer Ebene immer noch sehr sporadisch publiziert werden, und ich sage das, obwohl meine Kollegen bei Eurostat mit der Aufbereitung dieser Daten zu tun haben. Cedefop möchte als einer der Hauptnutzer der VET-Datensammlung, die relevante Aussagen über die verschiedenen, anderweitig nicht berücksichtigten Aspekte der Berufsbildung und –ausbildung macht, gemeinsam mit Eurostat an der Evaluierung der Relevanz der gegenwärtig verfügbaren Daten mitwirken und entsprechende Veränderungen am Fragebogen vorschlagen. Die Art der erhobenen Daten und die Frage, wie oft sie erhoben werden, werfen weitere Probleme auf. Vergleichstabellen in unseren Publikationen stammen häufig von OECD-Indikatoren wie Bildung auf einen Blick, das einmal jährlich erscheint. Die VET wird in diesen Indikatoren nur teilweise behandelt, wie schon der Titel vermuten lässt. Auch sind die Abstände zwischen den VET-Erhebungen von Eurostat zu unregelmäßig, und das Gebiet, das jeweils erhoben wird, zu unterschiedlich: Education and Training, 1985; Key data on vocational training in the European Union, 1997; Young people’s training: Key data on vocational training in the European Union,, 1999 (deren Daten die Situation der Jahre 1995-96 beschreiben). Es besteht ein natürlicher Konflikt zwischen der Notwendigkeit, die bestehenden Datensammlungen zu verbessern und zu aktualisieren, um aktuellen Datenanforderungen gerecht zu werden und diese auch vorwegnehmen zu können, einerseits, und der Notwendigkeit einer Konsistenz in Datenerhebung und Methodik (eine Vorbedingung für die Entwicklung von Zeitserien) auf der anderen. Fairerweise muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass sich die Datensammlungen über die Vorbereitung der Menschen auf das Berufsleben nach Ausbildungsniveau und Art des Bildungsweges etc. im Laufe der Zeit verbessert haben und in ihrer gegenwärtigen Form beibehalten werden sollten, um uns eine Verfolgung der Entwicklungen im Zeitablauf zu gestatten. Allerdings sollten auch noch besser verarbeitete Daten über einzelne Aspekte wie Arbeitsplatzvermittlung und Lehrlingsausbildung hinzukommen. Die europäischen Arbeitslosenstatistiken werden als Auftragsarbeit einmal monatlich publiziert. An der Nützlichkeit dieser Einrichtung kann kein Zweifel bestehen, doch selbst die neuesten Zahlen können nicht wirklich genau sein, weil einige Länder über keine aktuellen Informationen verfügen. Diese Statistiken zeigen jedoch, 138 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat was regelmäßig angeboten werden kann, auch wenn hier nur die negative Seite der Geschichte dargestellt wird. Ich persönlich halte es für einen Fehler, die monatlichen Arbeitslosenstatistiken nicht mehr in gebundener Form, sondern nur noch über New Cronos zu veröffentlichen. Und wenn sie schon nur elektronisch verfügbar sind, sollte zumindest im Internet ein unbeschränkter Zugriff möglich sein. Cedefop spezialisiert sich auch auf thematische Studien, z.B. Sektoranalysen, die Vorwegnahme von Trends in Beschäftigung und Qualifikation, Mobilität, das Angebot von Bildungsurlauben etc. Umfassende und vergleichende europäische Daten sind zu diesen Themen nicht verfügbar. In Länderstudien ist es üblich, dass die Autoren alle Quellen, die ihnen auf nationaler Ebene zur Verfügung stehen, auch nutzen. Wenn wir diese verfügbaren nationalen Daten nehmen und zu verarbeiten versuchen, und wenn wir sie verwenden, um eine vergleichende Übersicht anzufertigen, müssen wir immer wieder feststellen, dass die Ergebnisse untereinander gar nicht vergleichbar sind. Während bei größeren beschreibenden Monographien innerhalb der Systeme versucht wird, die Daten zu standardisieren und internationale Quellen heranzuziehen, bleiben diese thematischen Studien auf der Ebene der Subjektanalyse stecken, allenfalls illustriert durch einige Indikatoren aus nationalen Quellen. Datensammlungen über erlernte Gegenstände könnten diese Lücke teilweise füllen. Eurostat und Cedefop haben eine Subklassifizierung der ISCED-Klassifizierung nach Ausbildungsgebieten vorgenommen, mit dem doppelten Ziel, für mehr Detailtreue und Präzision zu sorgen und zugleich die Logik und Struktur von ISCED aufrecht zu erhalten. Dieses Handbuch, Fields of training bietet Richtlinien für die Anwendung einer konsequenten Klassifizierung quer durch die Länder. Es wäre von Vorteil, würden dieselben Gebiete in Datensammlungen über eine kontinuierliche Berufsbildung behandelt, so dass Muster und Richtungsänderungen mit fortschreitender Karriere oder im Zuge des informellen Lernens verfolgt werden könnten. Dabei sollte auf ein Maximum an Kohärenz zwischen den Ausbildungs- und Berufsgebieten geachtet werden. Unter Beachtung dieser Grundgedanken beginnt Cedefop in Kooperation mit Eurostat mit einer « Klassifizierung der Lernaktivitäten », die sich in Haushaltserhebungen – siehe z.B. das LFS Ad-hoc-Modul über LLL – oder in Erhebungen über die individuelle Lernerfahrung Erwachsener verwenden lässt. Auch die Unternehmen investieren in Lernaktivitäten. Allerdings beleuchten die bisherigen Statistiken und Erhebungen dieses Engagement nicht zufriedenstellend. OECD und EUROSTAT haben bereits Versuche unternommen, um harmonisierte Daten über die Schulung von Arbeitnehmern zu sammeln. Die Unterschiede in der Art und Weise, wie ursprüngliche Berufausbildung und berufliche Weiterbildung auf nationaler Ebene und in diesen internationalen Datensammlungen definiert und gemessen werden, macht es schwierig, ein umfassendes Bild der Situation auf EU-Ebene zu zeichnen. Außerdem erfassen die Daten ausschließlich formelle Kurse, die sich auch problemlos mittels Fragebögen und Erhebungen etc. messen lassen. Sie berücksichtigen aber etwa nicht das Ausmaß des nicht-formalen Lernens in den Unternehmen, obwohl dieses einen wichtigen Bestandteil des lebenslangen Lernens darstellt. Vier nützliche Quellen sollten hier erwähnt werden: Die Arbeitskräfteerhebung der Gemeinschaft (LFS, European Labour Force Survey), die ausschließlich Schulungen der vorangegangenen 4 Wochen ausweist, während der Referenzzeitraum für die anderen drei Erhebungen 12 Monate beträgt; die Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS, Continuing Vocational Training Survey), für die zuletzt 1994 Daten erfasst wurden (EUROSTAT, 1997); die Erhebung über den (funktionalen) Alphabetisierungsgrad bei Erwachsenen) (IALS, Adult Literacy Survey) (OECD und Statistics Canada, 1995); sowie die OECD/INES Indicators of Education Systems. Die CVTS ist die einzige Erhebung unter den Arbeitgebern, und sie misst das Ausmaß der Schulungsteilnahme in Stunden und Kurskosten; die anderen Erhebungen beziehen sich ausschließlich auf Haushalte und Gesamtstundenzahl. Diese statistischen Quellen werden detailliert im Employment Outlook 1999 der OECD analysiert, wo darauf hingewiesen wird, dass eine kontinuierliche Messung der in Ausbildungsmaßnahmen investierten Ressourcen informativer wäre als eine Ja/Nein-Abfrage der Teilnahmeraten, obwohl diese Daten in Interview-Erhebungen schwer zu bekommen sind, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht routinemäßig Aufzeichnungen über die Höhe ihrer Ausbildungsinvestitionen führen. Der Forschungsbericht ist ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet für Daten und Datenanalysen. So wurden CVTS-Daten in der ersten Ausgabe des Berichts über die derzeitige VET-Forschung in Europa verwendet, erstmals 1998, und auch jetzt, im Bericht 2001, werden wieder dieselben Datenquellen herangezogen. Die jüngste CVTS II Erhebung fand im Jahr 2000 statt, und die gewonnenen Informationen müssen erst noch analysiert werden. Nach und nach langen nun diese Daten bei Eurostat ein (und hier sind auch bereits die beitrittswilligen Staaten erfasst). Mit einer Veröffentlichung der Daten wird jedoch erst für 2003 gerechnet. Neue 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 139 INHALT eurostat Daten im 2. Forschungsbericht wurden aus diesem Grund der VET-Datensammlung entnommen, weil hier junge Menschen betroffen sind, während die Daten über Erwachsene vom UOE (der gemeinsamen Datensammlung von OECD, Eurostat und Unesco über wesentliche Bildungsaspekte) stammen, der die Grundlage für INES darstellt. Einige unserer Auftraggeber wären speziell an einer Analyse statistischer Daten wie jener der CVTS interessiert, die ihrer Meinung nach bisher zu wenig genutzt werden. Es handelt sich jedoch hierbei um sensible Daten, weil sie von einzelnen Unternehmen stammen; selbst wenn der Name gelöscht wird, lassen sich einzelne Unternehmen anhand bestimmter Merkmale oder weil sie geographisch zu lokalisieren sind, unschwer erkennen. Vielleicht sollte man den Befragten zum Zeitpunkt der Datensammlung deutlich erklären, dass die Daten möglicherweise in einem breiteren Kontext genutzt werden. Andererseits könnte der Hinweis im Bericht über die Messung des LLL, wonach ‘die beste Informationsquelle für LLL die Einzelperson ist’ eine Möglichkeit zur Überwindung dieser Probleme darstellen. Indem man die Arbeitnehmer anstelle des Unternehmens befragt, lässt sich vielleicht das Problem mit der Anonymität lösen. Außerdem würden Daten über Handlungsweise und Ansichten des wichtigsten Akteurs auf diesem Gebiet, nämlich des Individuums, bestehende Datensammlungen über die Vorgehensweise von Staaten und Unternehmen im Zusammenhang mit LLL bestens ergänzen. Wenn wir uns das Lernen in der spezifischen Umgebung des Lernenden ansehen wollen und, um mit den Worten des Memorandums zu sprechen, ‘das Lernen den Lernenden auch räumlich näher bringen’, benötigen wir Zugang zu regionalen und lokalen Statistiken. Diese können von den zentral gesammelten Daten drastisch abweichen. So gestaltet sich beispielsweise die Einführung standardisierter Verfahren zur Anerkennung früherer Lernerfahrungen (Accreditation of Prior Learning - APL) in Deutschland, wo ein umfassendes duales System herrscht, schwieriger als in Ländern mit einem modularen System (Bj_rnåvold, 2000). Das formale deutsche Schul- und Bildungssystem ist sehr breit gefächert und deckt wesentliche Anteile jeder Altersgruppe ab, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit verringert, dass die Leute die Anerkennung nicht-formal erworbener Kompetenzen fordern. Doch wie in anderen Ländern entwickeln sich auch in Deutschland einzelne Regionen - siehe Chemnitz - zu ‘lernenden Regionen’. Diese Mikroregionen zeigen, wenn sie einzeln untersucht werden, ein Profil, das vom nationalen Bildungsprofil deutlich abweicht und viele spezifische Züge von LLL-Strategien und LLL-Kultur aufweist: Ein verstärkt informelles Lernen in Unternehmen und Lernen als Teil von Gemeindeaktivitäten, neuen Partnerschaften etc. Bildungsindikatoren gewinnen angesichts der immer zahlreicheren Programme und Initiativen zur Verbesserung des Niveaus der Grundausbildung von Leuten in verschiedenen Altersgruppen zunehmend an Bedeutung. Die IALS der OECD stellt die einzige umfassende Datensammlung zu diesem Thema dar, doch haben nicht alle EU-Mitgliedstaaten daran teilgenommen, weshalb sie sich für einen Überblick über die Situation in der EU nicht eignet. Außerdem scheint es, als wären einige Länder aus verschiedenen Gründen nicht bereit, an der Finanzierung oder Wiederholung dieser einzigartigen Datensammlung teilzunehmen. Wir müssen unsere Perspektive verbreitern und auf Aspekte achten, die ein Lebenslanges Lernen erleichtern, beispielsweise auf den Zugang zu Lernmöglichkeiten am Arbeitsplatz, im Haushalt und an PC- und InternetArbeitsplätzen, auf Art und Zweck der Verwendung dieser Werkzeuge, auf die Förderung von eLearning und jene, die es nutzen, sowie auf die Lernpräferenzen der Bevölkerung. Die Indikatoren sollten sich auf jene konzentrieren, die außerhalb der Lernnetzwerke stehen, und klären, warum sie außerhalb stehen und was sie veranlassen könnte, ihre Meinung zu ändern. Zwar können wir nicht erwarten, das nicht-formale Lernen auf dieselbe Weise wie formale Lernprozesse behandeln zu können, doch sind hier jedenfalls gründlichere Informationen über die Freizeitaktivitäten des Einzelnen erforderlich, bevor wir versuchen können, uns für den Einsatz von Freizeit für das Lernen stark zu machen. Zeitbudgeterhebungen (TUS, Time Use Surveys) könnten Indikatoren über Lesegewohnheiten, Zeitungskaufgewohnheiten, die im Internet verbrachte Zeit, freiwillige Tätigkeiten in der Gemeinschaft etc. enthalten. Wir bei Cedefop sind uns absolut bewusst und wissen es zu schätzen, dass die Bandbreite des Lebenslangen Lernens ‘von der Wiege bis zur Bahre’ reicht. Dass sich unsere Arbeit überwiegend auf die Berufsbildung und -ausbildung konzentriert, jene Lebensphase also, die mit dem Ende der mittleren Schulbildung beginnt und in der in den meisten Mitgliedstaaten die berufliche Aus- und Weiterbildung einsetzt, die sich danach über das ge140 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat samte Arbeitsleben erstreckt, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass Cedefop zu einer Zeit ins Leben gerufen wurde, in der Aus- und Weiterbildung noch fachspezifisch eingeteilt wurde. Um im Kontext lebenslangen Lernens arbeiten zu können, müssen wir eng mit anderen Organisation, die auf demselben Gebiet tätig sind, kooperieren. So ergänzt sich die Arbeit von Cedefop mit jener von Eurydice, dem Informationsnetz zum Bildungswesen in Europa, mit dem Cedefop seit Anfang der achtziger Jahre zusammen arbeitet. In jüngerer Zeit konnte diese Kooperation sogar noch vertieft werden. Der europäische Zweig von Eurydice und Cedefop haben gemeinsam eine Übersicht über jene Maßnahmen veröffentlicht, die zur Förderung der lebenslangen Ausund Weiterbildung in den verschiedenen europäischen Staaten ergriffen werden. Zweck dieses Dokuments ist es, aktuelle Initiativen zu beschreiben, die ein lebenslanges Lernen unterstützen und fördern, und zwar auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene, und Konsultationen und Debatten über die sechs Schlüsselbotschaften des Memorandums abzuführen. Gemeinsam ist es uns gelungen, ein umfassendes Bild der Lage zu zeichnen. Auf dem Gebiet der Indikatoren und der Messung des LLL wird eine solche Kooperation ebenfalls erforderlich sein, und sie muss überdies auf ein sehr viel größeres Netzwerk von Organisationen ausgedehnt werden. Literaturverzeichnis Bj_rnåvold, Jens (2000) Making learning visible: identification, assessment and recognition of non-formal learning in Europe. Luxembourg, EUR-OP. (Cedefop Reference series). European Commission (2000). Memorandum on Lifelong learning: Commission Staff Working Paper, Brussels, 31.10.2000, SEC(2000) 1832 Grepperud, G. und Johnson, O. E. (2000). A future for lifelong learning? Some comments on the Nordic scenario project. In: Reforms and policy: Adult education research in Nordic countries. Trondheim: Tapir Academic Press. OECD, (1999). Training of adults in OECD countries: measurements and analysis. In: Employment Outlook, Paris: OECD, SS. 132-175 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 141 INHALT eurostat MESSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS DIE LAGE IN ITALIEN AUS DER SICHT DER SOZIALPARTNER PAPARELLA Domenico Generalsekretär CESOS Via Po 102 I – 00198 ROM ITALIEN [email protected] 1. Vorwort Thema dieses Beitrags ist die Deckung des Informationsbedarfs von Sozialpartnern, die an Entscheidungen über Investitionen in das lebenslange Lernen beteiligt sind. In den Rechtsvorschriften Italiens wie auch im lokalen, nationalen und europäischen Regelungsrahmen wird den Sozialpartnern zunehmende Verantwortung für Entscheidungen im Bildungsbereich und für die Vermittlung von Lernprozessen übertragen. Die italienischen Sozialpartner spielen auch eine wichtige Rolle bei der Ermittlung des Qualifikations- und Ausbildungsbedarfs, der Festlegung von Ausbildungsstandards und der Zertifizierung der Ergebnisse von Lernaktivitäten. Sie sind mitverantwortlich für die Gestaltung des weiteren Bildungsweges der Schulabgänger von der Pflichtausbildung bis hin zum lebenslangen Lernen. Daher sind die Sozialpartner an einem integrierten System für die Überwachung und systematische Informationserfassung interessiert, das den Entscheidungsträgern und zuständigen Behörden in den verschiedenen Bereichen der schulischen und beruflichen Bildung die Arbeit erleichtert. Das vorliegende Dokument untergliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird der italienische Rechtsrahmen für das lebenslange Lernen beschrieben, der nicht zuletzt auch verschiedenen Initiativen der Sozialpartner in den letzten zehn Jahren zu verdanken ist. Teil zwei gibt eine Übersicht über die Probleme der Sozialpartner bei der Organisation des lebenslangen Lernens; außerdem wird dargelegt, in welchen Praxisbereichen eine Informationsstrategie erforderlich ist. Im dritten Teil schließlich werden für jeden dieser Bereiche einige auf die Bedürfnisse der Sozialpartner abgestimmte Parameter und Instrumente für die präzise Ausgestaltung des Überwachungssystems und die Erhebung von Statistiken zum lebenslangen Lernen vorgestellt. 2. Die Rolle der Sozialpartner bei der Modernisierung des italienischen Bildungswesens Seit 1992 sind die Sozialpartner in Italien Träger einer bedeutenden gemeinsamen Initiative zur Modernisierung des Systems der schulischen und beruflichen Bildung in einem europäischen Rahmen1. Ihre Maßnahmen konzentrieren sich auf zwei Schwerpunktbereiche: 1 P. A. Varesi, Professional training in employment agreements (Berufsbildung in Arbeitsverträgen), Employment information Nr. 8, 1999. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 143 INHALT eurostat a) die Modernisierung des Bildungswesens, das der Gesetzgeber inzwischen zum „integrierten System“ erklärt hat; b) die Neuorganisation des lebenslangen Lernens und der Erwachsenenbildung. Die Initiative umfasste vier entscheidende Schritte: 1. In einem Übereinkommen zwischen Gewerkschaftsverbänden (Cgil-Cisl und Uil) und dem Bund der Industrie vom 20. Januar 1993 wurden die Grundlagen der Strategie der Sozialpartner festgelegt. 2. Am 23. Juli 1993 wurde ein dreiseitiges Abkommen geschlossen, das den neuen institutionellen Aufbau des Systems der schulischen und beruflichen Bildung regelte und den Sozialpartnern eine Schlüsselrolle zuwies. 3. In einem dreiseitigen Abkommen vom September 1996 wurden die allgemeinen Ziele der Bildungsreform festgelegt; unter anderem wurde das Schulabgangsalter auf 15 Jahre heraufgesetzt und die Bildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr ausgedehnt. 4. Am 22. Dezember 1998 wurde eine Vereinbarung über die Grundzüge des Bildungswesens unterzeichnet, in der die Zuständigkeit für die Umsetzung der Bildungsreform entsprechend dem Grundsatz der Autonomie weitgehend auf die regionalen und kommunalen Behörden übertragen wurde. 3. Neuerungen in der Berufsbildung für Erwachsene 3.1. Erwachsenenbildung Die Neuorganisation und Verbesserung der lebensbegleitenden Erwachsenenbildung war Gegenstand eines am 2. März 2000 geschlossenen Abkommens zwischen dem Staat und den Regionalbehörden, das die Ausweitung der Erwachsenenbildung und die Integration aller vorhandenen Ausbildungssysteme zum Ziel hat. Durch die Reform der lebensbegleitenden Erwachsenenbildung sollen die Beschäftigungschancen der Teilnehmer verbessert und diese in die Lage versetzt werden, von ihren staatsbürgerlichen Rechten vollen Gebrauch zu machen. Aus den neueren Statistiken zum Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung ist ersichtlich, dass ein generelles Bildungsdefizit besteht, da die Hälfte der Erwerbsbevölkerung überhaupt keine Qualifikation aufweist und die Schule entweder nach der Primarstufe oder bei Erreichen des neu festgelegten Schulabgangsalters verlassen hat. Wichtig sind im System der Erwachsenenbildung auf die individuellen Bedürfnisse der schwächeren Mitglieder der Gesellschaft und der sozial Ausgegrenzten zugeschnittene Ausbildungsangebote. Es gibt drei institutionelle Ebenen der Erwachsenenbildung: ◆ gesamtstaatliche Ebene (Hauptaufgabe: Integration der Systeme); ◆ regionale Ebene (Planung und Erarbeitung integrierter Programme); ◆ lokale Ebene (Zuständigkeiten und Funktionen sind aufgeteilt zwischen den Behörden der Provinzen, städtischen Gemeinden, Berggemeinschaften und Kommunen, die das Forum für abgestimmte Berufsbildungsprogramme bilden). 3.2. Lebenslanges Lernen Das System des lebenslangen Lernens in Italien wurde kürzlich um zwei wichtige Rechtsgrundlagen bereichert: — In einem Rundschreiben des Arbeitsministeriums (Nr. 30 vom 3. Juni 2000) zur Umsetzung der Reformziele des 1993 erlassenen Gesetzes Nr. 236 wurde verkündet, dass die Unternehmen über die Regional- und Provinzbehörden zusätzliche Mittel für betriebliche Berufsbildungsprogramme erhalten. Es kann sich dabei um einzelbetriebliche, zwischenbetriebliche und individuelle Bildungsmaßnahmen handeln. — Mit dem Gesetz Nr. 53 vom 8. März 2000 wurde das Recht auf Bildungsurlaub eingeführt. 144 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Das Gesetz Nr. 53/2000 zur Förderung der Chancengleichheit und Einführung des Rechts auf unbezahlte Freistellung zur Betreuung erkrankter Kinder bildet die Grundlage für das lebenslange Lernen und für das Recht aller erwerbstätigen Erwachsenen auf lebenslanges Lernen. Beschleunigt wurde die Einführung des Rechts auf lebenslanges Lernen durch das Gesetz Nr. 236/93, das die versuchsweise Umsetzung von individuellen Bildungsmaßnahmen auf Antrag von Arbeitnehmern vorsah. Da nach dem Gesetz Nr. 236/93 Mittel nicht mehr nur für betriebliche Projekte, sondern auch für von Arbeitnehmern vorgeschlagene Maßnahmen eingesetzt werden dürfen, förderte der durch dieses Gesetz eingerichtete Ausschuss den Gedanken des lebenslangen Lernens, indem er die Bereitstellung von Mitteln nicht nur für betriebliche Projekte, sondern auch für Weiterbildungsvorhaben einzelner Arbeitnehmer ermöglichte. Diese Möglichkeit besteht allerdings nur in Unternehmen, die Rentenversicherungsbeiträge abführen und einen Beitrag in Höhe von 0,30 % der Gesamtlohnsumme in einen Fonds einzahlen, so dass etwa 50 % aller Erwerbstätigen davon profitieren. Selbstständige, Firmeninhaber und Staatsangestellte sind von dieser Regelung ausgenommen. Die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen ist sowohl inner- als auch außerhalb der Arbeitszeit möglich. Im ersteren Falle muss die Zustimmung des Betriebes eingeholt werden. Das Beschäftigungsabkommen vom 24. September 1996 enthält eine Bestimmung über den subjektiven Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf eine bedarfsgerechte individuelle Fortbildung, die nicht zwingend den Erfordernissen der ausgeübten Tätigkeit entsprechen muss. Es wird eine Unterscheidung zwischen den Bedürfnissen der Arbeitnehmer und denen des Unternehmens getroffen, doch muss die Maßnahme eine Verbesserung der beruflichen Fähigkeiten zur Folge haben. Damit steht das Individuum im Mittelpunkt aller Initiativen, wobei es allerdings sinnvoll ist, auch Vereinbarungen mit Gewerkschaftsvertretern und nicht nur mit einzelnen Arbeitnehmern zu fördern. Durch das Gesetz Nr. 53 vom 8. März 2000 wurden diese Rahmenbedingungen weiter gefestigt. Gemäß Artikel 5 hat jeder Arbeitnehmer nach mindestens fünfjährigem Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses Anspruch auf Bildungsfreistellung für die Dauer von höchstens 11 Monaten. Dabei handelt es sich um eine unbezahlte Freistellung, doch haben die Arbeitnehmer laut Gesetz (Art. 7) die Möglichkeit, einen Teil der ihnen zustehenden Abfindung bei Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis dafür zu verwenden. Dennoch ist die Freistellung von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig, die aus betrieblichen Gründen verweigert werden kann. Gemäß Artikel 6 des genannten Gesetzes haben „abhängig und nichtabhängig Beschäftigte ein Recht auf lebenslanges Lernen, auf Erweiterung ihres Wissens und ihrer beruflichen Kompetenzen“. Derselbe Artikel besagt, dass der Staat, die Regionalbehörden und die Kommunalbehörden dieses Recht gewährleisten müssen, indem sie flächendeckend ineinander greifende Ausbildungskurse zur Verfügung stellen. Die Bildungsprogramme müssen individuell zugeschnitten und zertifiziert sein, wobei die Teilnahme in Form von Anrechnungspunkten im nationalen und europäischen Maßstab anzuerkennen ist. Ebenso wie bei den individuellen Bildungsmaßnahmen gemäß Gesetz Nr. 236/93 kann es sich auch hier entweder um Einzelvereinbarungen zugunsten eines Arbeitnehmers oder aber um betriebliche oder territoriale Ausbildungsprogramme handeln, die zwischen den Sozialpartnern vereinbart werden. Was die Finanzierung dieser Programme anbelangt, besteht nach wie vor erheblicher Klärungsbedarf. Die Maßnahmen für einzelne Arbeitnehmer sind aus dem berufsübergreifenden Fonds zu finanzieren, der durch Artikel 17 des Gesetzes Nr. 196/97 eingerichtet wurde. 3.3. Berufsübergreifende Fonds Es wurde festgelegt, dass in allen Industriebereichen, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor landesweite berufsübergreifende Weiterbildungsfonds einzurichten sind, um durch die Förderung der lebenslangen beruflichen Fortbildung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu steigern und die beruflichen Fä14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 145 INHALT eurostat higkeiten der Arbeitnehmer zu erweitern. Die Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen können entsprechende Fonds auch für andere Bereiche einrichten. Arbeitnehmervertreter und Unternehmensleitungen können Vereinbarungen über Weiterbildungsfonds für Führungskräfte schließen. Aus all diesen Fonds werden die betrieblichen Fortbildungsmaßnahmen bzw. die zwischen den Sozialpartnern vereinbarten territorialen oder sektorspezifischen Programme wie folgt finanziert: In strukturschwachen Gebieten, die als Ziel-1-Gebiete gemäß EG-Verordnung 1260/1999 eingestuft sind, übernehmen die Fonds 100 % der Kosten, in anderen Gebieten 50 %. Die am jeweiligen Fonds beteiligten Unternehmen zahlen einen Beitrag von 0,30 % der Lohnsumme. Die Sozialpartner sind für die Festlegung von Prioritäten zuständig, auf deren Grundlage die finanziellen Zuwendungen vereinbart werden. Meist betreffen diese Prioritäten die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und die berufliche Qualifikation des Arbeitnehmers. Daher kommt es darauf an, ausgehend von spezifischen Studien den Innovationsbedarf der verschiedenen Wirtschaftsbereiche zu ermitteln und Unternehmen sowie Sozialpartner zu einer prioritätsgerechten Programmförderung anzuhalten. Die Verwaltung der Fonds setzt die Fähigkeit zur Vorabbewertung von Projekten, zur Überwachung der Durchführung und zur Evaluation der Lernergebnisse und der Auswirkungen auf das Unternehmen voraus. 4. Informationsbedarf der Sozialpartner In den nächsten Monaten wird die schwierigste Aufgabe darin bestehen, die äußerst zahlreichen gesetzlichen Neuerungen der vergangenen vier Jahre umzusetzen, um die einzelnen Bildungsprogramme zu einem globalen System zusammenzufassen und das lebenslange Lernen zur konkreten Realität werden zu lassen. Allein die schiere Menge der strukturellen und kulturellen Innovationen macht dies zu einem komplizierten Vorhaben, zumal die italienischen Behörden keine Erfahrungen mit der Durchführung solcher Reformen und mit der Überwachung der Aufgabenerfüllung und vor allem der Ergebnisse haben. Wichtig ist die Aufgeschlossenheit der Sozialpartner für die Zusammenarbeit mit regionalen und nationalen Behörden, damit ein Überwachungssystem aufgebaut werden kann, mit dessen Hilfe die Sozialpartner und die anderen am Entscheidungsprozess beteiligten Einrichtungen die benötigten Informationen einholen können. Ausgangsbasis für die Aktionen der Sozialpartner bei der Anpassung des Systems der schulischen und beruflichen Bildung an die Erfordernisse des lebenslangen Lernens ist der „Sozialpakt“ von 1993, in dessen Rahmen berufliche Bildung zu einem vorrangigen Gebiet der Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern erklärt wurde. Dieser Pakt dient der Verwirklichung der gemeinsamen strategischen Interessen von Unternehmen, Arbeitnehmern und Gewerkschaftsorganisationen im Bildungsbereich. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die beruflichen Kompetenzen der Arbeitnehmer heute wie auch in Zukunft für beide Seiten von strategischer Bedeutung sind. Um diese Ziele zu erreichen, haben die Sozialpartner auf kommunaler wie auch nationaler Ebene bilaterale Gremien ins Leben gerufen2. Diese spielen eine Schlüsselrolle in sämtlichen Phasen des Bildungsprozesses angefangen von der Ermittlung des Ausbildungsbedarfs über die Zuweisung öffentlicher und privater Mittel und die Aushandlung von betrieblichen, sektoreigenen und territorialen Bildungsmaßnahmen bis hin zur Zertifizierung der Ergebnisse. Das innovative Element, mit dem sich die Sozialpartner und Institutionen auseinander setzen müssen, ist die nunmehr gesetzliche verankerte individuelle Dimension des lebenslangen Lernens in Europa. Diese individuelle Dimension ist nicht zuletzt deshalb so wichtig für die Förderung des lebenslangen Lernens, weil sie die Einbeziehung informeller Lernaktivitäten - ob inner- oder außerbetrieblich - ermöglicht. 2 Näheres zur gemeinsamen Verwaltung der finanziellen Bildungsressourcen vor 1993 siehe: Cesos, The role of Trade Unions in professional training: joint bodies for the management of training programmes, Ministerium für Beschäftigung, 1993. Einzelheiten zu den gemeinsamen Gremien und zur beruflichen Bildung nach 1993 siehe: Cesos, The training resource in joint management by social partners, Chirone 2000, 1998; D. Paparella, Bilateral management in Italian industrial relations in „Studies to honour Guido Baglioni“, Il Mulino 2001. 146 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Benötigt werden Gradmesser für den Erfolg, die den Entscheidungsträgern in Politik und Gesellschaft zu aussagekräftigen Informationen verhelfen. Einer dieser Gradmesser sind die Auswirkungen der Bildungsmaßnahmen auf die Sachkompetenz der Arbeitnehmer und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Vor allem geht es um die Messung der Effizienz und Wirksamkeit der Weiterbildungsinvestitionen und der Auswirkungen der Bildungsmaßnahmen auf das Unternehmen und seine Beschäftigten. Eine wirksame gemeinsame Verwaltung der Ausbildungsinvestitionen setzt das Verständnis all dieser Elemente voraus. Auf der Grundlage der genannten Prioritäten lassen sich mindestens vier Informationsbereiche bestimmen, für die Parameter erarbeitet werden könnten, die den Entscheidungsträgern die Arbeit erleichtern. Dabei handelt es sich um folgende Bereiche: • • • • Bildungs- bzw. Lernaktivitäten; Teilnehmer der Bildungs- bzw. Lernaktivitäten; Unternehmen, die Interesse an der Durchführung von Bildungsprogrammen haben; der Bildungs- bzw. Lernprozess. Um zu all diesen Bereichen Informationen einholen zu können, müssen sämtliche Bildungsmaßnahmen gleich welcher Art systematisch überwacht werden. Dies schließt auch ein, dass die Wirksamkeit der Programme bereits im Zuge ihrer Umsetzung bewertet wird. Der folgende Abschnitt behandelt die einzelnen Bereiche, zu denen Informationen benötigt werden, und die Parameter, auf die sich die Sozialpartner bei ihren Entscheidungen über Bildungsprogramme und deren Finanzierung stützen könnten. 5. Bildungs- bzw. Lernaktivitäten Eine Bildungsaktivität3 ist eine beliebige formale Bildungsmaßnahme, egal ob in Form jährlicher oder mehrjähriger Bildungsprogramme oder in Form individueller Bildungs- bzw. Lerninitiativen. Die Entscheidungsträger benötigen folgende grundlegende Informationen über die Bildungsaktivitäten bzw. formalen Lernaktivitäten: Zielpersonen der Bildungsaktivitäten: Ihre Bestimmung erfolgt auf der Grundlage der Faktoren Beschäftigungsstatus und beruflicher Status. „Beschäftigungsstatus“ gibt an, ob der Bildungsempfänger Selbstständiger oder Arbeitnehmer im Sinne des italienischen Rechts ist. Im Falle von Arbeitnehmern ist der berufliche Status zu erfassen4. Strategische Ziele: Ziele des Bildungsprogramms in dem Kontext, in dem das Unternehmen tätig ist. Die strategischen Ziele tragen entweder reaktiven Charakter (wenn die Arbeitnehmer durch das Bildungsprogramm Kompetenzen erwerben sollen, die angesichts veränderter Marktbedingungen und/oder aufsichtsrechtlicher Bestimmungen erforderlich geworden sind) oder proaktiven Charakter (wenn das Bildungsprogramm der Vorbereitung auf neue Organisationsformen und/oder Aktivitäten im Hinblick auf Produkte, Dienstleistungen oder Märkte des Unternehmens dient, weil eine Neuausrichtung und Änderung der Unternehmenskultur erforderlich ist). Ziele des Bildungsprogramms: Spezifische Merkmale und Spektrum der Bildungsaktivitäten. Das Bildungsprogramm kann folgenden Zielen dienen: Neuordnung (d. h. Maßnahmen zur Verbesserung der Organisation des Unternehmens ohne Veränderung der Produkte bzw. Dienstleistungen oder der strategischen Marktposition des Unternehmens); Umstrukturierung (Erneuerung der Unternehmensstruktur zwecks Einführung neuer Arbeits- und/oder Produktionsmethoden ohne Änderung von Produkten oder Märkten); Diversifizierung der Produktion (Differenzierung oder Erweiterung der Palette von Produkten/Dienstleistungen des Unternehmens); Konversion (grundlegende Umstellung auf neue Produkte/Dienstleistungen sowie Kunden/Märkte). 3 Diese Definition umfasst sowohl globale als auch individuelle Bildungsprogramme. 4 Einteilung nach italienischen Recht: Produktionsarbeiter, Bürokräfte, mittlere Führungskräfte, höhere Führungskräfte, Unternehmer. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 147 INHALT eurostat Vorbereitende Aktivitäten: Technische Maßnahmen zur Steigerung der Wirksamkeit von Bildungsprogrammen. Sie untergliedern sich in folgende Kategorien: Analyse des Bedarfs an beruflichen Kompetenzen, Ermittlung des Bildungsbedarfs, Ermittlung der vorhandenen Kompetenzen sowie Maßnahmen zur Orientierung und Beratung von Arbeitnehmern. Überwachung und Bewertung von Bildungsaktivitäten: Sämtliche Maßnahmen zur Erlangung von Informationen über die Effizienz, die Wirksamkeit und die Auswirkungen der Bildungsaktivitäten. Möglich sind folgende Arten von Bewertungen: Ausgangsbewertung (Vorabbewertung vor Beginn der Maßnahme zur Ermittlung vorhandener Grundkompetenzen), Zwischenbewertung (im Zuge der Maßnahme zwecks Beurteilung der Kohärenz mit dem Gesamtprogramm), Ex-post-Bewertung (Beurteilung der Ergebnisse nach Abschluss der Maßnahme), Wirkungsbewertung (Messung der Auswirkungen der Maßnahme auf das Gesamtunternehmen). Dauer der Aktivität: Anzahl der Ausbildungsstunden (in Mannstunden). Kosten der Aktivität5: Gesamtkosten der Bildungsmaßnahme. 6. Teilnehmer der Bildungs- bzw. Lernaktivitäten Begünstigte der Bildungs- bzw. Lernaktivitäten sind alle, die daran teilnehmen. Die individuelle Dimension des lebenslangen Lernens erfordert sachgemäße statistische Methoden, damit sowohl die formalen als auch die informellen Bildungs- und Lernaktivitäten der betreffenden Person erfasst werden können. Diese Informationen sollten in einer persönlichen Akte festgehalten werden, welche Auskunft über die neu erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten und deren Zertifizierung durch gesetzlich ermächtigte Behörden gibt. In diesen als Entscheidungshilfe dienenden persönlichen Unterlagen sollten folgende Elemente erfasst werden: Berufliches Umfeld: Bei den Begünstigten sollte zumindest eine Unterscheidung nach den beiden Parametern Beschäftigungsstatus und beruflicher Status erfolgen. „Beschäftigungsstatus“ gibt an, ob der Bildungsempfänger Selbstständiger oder Arbeitnehmer ist. Im Falle von Arbeitnehmern ist der berufliche Status zu erfassen. Ziel der Aktivität: Das vom einzelnen Teilnehmer verfolgte Ziel der Bildungsaktivität. In Betracht kommen folgende Ziele: Aktualisierung von Kompetenzen (Anpassung der Kenntnisse und Fähigkeiten an die derzeitige berufliche Position und Verantwortung des Teilnehmers), berufliche Qualifikation (Erwerb von Kenntnissen in einem spezifischen Qualifikationsbereich); Spezialisierung (Erwerb spezifischer zusätzlicher Kenntnisse bei vorhandener Grundqualifikation), Neuqualifikation (Erwerb von Kenntnissen in einem neuen Kompetenzbereich, der mit dem bisherigen im Zusammenhang steht), Umschulung (Erwerb völlig neuer Kompetenzen). Ziele der Bildungsaktivitäten: Ziele des einzelnen Teilnehmers. Dazu zählen folgende: Übernahme neuer beruflicher Aufgaben im Unternehmen (Befähigung des Teilnehmers zur Ausübung neuer Funktionen in seinem Betrieb); Übernahme neuer beruflicher Aufgaben außerhalb des Unternehmens (Erwerb neuer Fähigkeiten für die Arbeit in einem anderen Betrieb); Anpassungsfähigkeit (Weiterentwicklung der im Unternehmen benötigten Fähigkeiten); Chancengleichheit (Überwindung der Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt); Selbstverwirklichung (im Zusammenhang mit einem Rollenwechsel, z. B. vom Arbeitnehmer zum Selbstständigen oder Unternehmer). Zu erwerbende Kompetenzen: Bekanntlich haben sich die Sozialpartner und Einrichtungen noch nicht auf eine Liste von Qualifikationen geeinigt. Gegenwärtig erarbeiten sie im Zuge der Ermittlung des Qualifikations- und Bildungsbedarfs Maßnahmen- und Qualifikationsbeschreibungen, die später von beiden Seiten genutzt werden sollen, um Ausbildungsstandards festzulegen und die zum Erwerb einer Qualifikation erforderlichen Kompetenzen zu bestimmen. Die Festlegung von Ausbildungsstandards setzt die Erarbeitung von Berufsbildern und dazugehörigen Kompetenzprofilen voraus. Daraus soll ein „Wörterbuch der Kompetenzen“ entstehen, das den Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird. Zertifizierung der Ergebnisse: Die Zertifizierung der Ergebnisse von Bildungs- und Lernaktivitäten ist ein entscheidender Bestandteil des Systems des lebenslangen Lernens. Sie muss nach einheitlichen Verfahren und unter Einbeziehung von Unternehmen, Gewerkschaftsvertretern sowie Bildungsbehörden und -trägern erfol5 Die Kosten lassen sich auch genauer aufschlüsseln, doch die Gesamtheit der direkten und indirekten Kosten ist ein maßgeblicher Faktor und daher die beste Grundlage für die Festlegung von Stückkostenparametern. 148 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat gen. Wichtig ist, dass die Zertifizierung zu einem Schwerpunktelement des Kompetenzerwerbs wird. Die Frage der Kompetenzbeschreibung ist in wissenschaftlicher wie auch in ordnungspolitischer Hinsicht weiterhin ungelöst. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Annahme des Kompetenzkonzepts eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Lernstrategien ist, sollte die Debatte auf europäischer Ebene fortgesetzt werden. Anrechnungspunkte: Die Zertifizierung der Ergebnisse muss mit der Vergabe von „Anrechnungspunkten“ für formale und informelle Bildungs- und Lernaktivitäten einhergehen. Die Zertifizierungsstelle muss die Ergebnisse nicht zur zertifizieren, sondern auch dafür sorgen, dass sie in Form von „Anrechnungspunkten“ zu Buche schlagen. Nur so kann die „Durchlässigkeit“ des Bildungssystems und eine individuell zugeschnittene Ausbildung gewährleistet werden, bei der Arbeits- und Ausbildungsphasen einander abwechseln. Investitionsbeitrag: Beteiligung des Arbeitnehmers an den Kosten des Bildungsprogramms6. 7. Unternehmen, die an Bildungsaktivitäten interessiert sind Unternehmen sind von Natur aus Lernumgebungen und damit ideale Umgebungen für die Messung des lebenslangen Lernens. Im Verlaufe der Produktion werden die Kenntnisse auf informellem Wege wie auch durch formale Weiterbildung ständig weiterentwickelt. Daher werden die Unternehmen angehalten, im Interesse der Beschäftigten sowie zwecks Ermittlung ihres eigenen Qualifikationsbedarfs Informationen über berufliche Bildungsmaßnahmen zu erfassen sowie entsprechende Unterlagen zu führen. Darüber hinaus haben die Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsbildung eine Schlüsselrolle inne und betrachten die Ausbildung als Investition. Vor diesem Hintergrund wäre es auch sinnvoll, Unterlagen über Verhandlungen mit Beschäftigten, Arbeitnehmervertretern und Dritten – ob Behörden oder private Einrichtungen – zu führen. Zusätzlich zu den grundlegenden Angaben zum Unternehmen7 können folgende Angaben erfasst werden: Örtliche Einheiten: Art der beteiligten Organisation (Abteilung, Werk, Unternehmen, Gruppe, Sektor) usw. 8 Beteiligte Organisationseinheiten: Abteilungen des Unternehmens , die an Bildungs- bzw. Lernaktivitäten teilnehmen. Zeitliche Lage der Fortbildung: Angabe dazu, ob die Ausbildung während oder außerhalb der Arbeitszeit stattfindet. Ort der Fortbildung: Angabe dazu, ob die Fortbildung inner- oder außerhalb des Unternehmens stattfindet. Fremdleistung oder Eigenleistung: Angabe dazu, ob das Unternehmen die Bildungsmaßnahme selbst durchführt oder einen spezialisierten Dritten damit beauftragt. Kosten der Bildungsmaßnahme: Gesamtkosten der betreffenden Aktivität. Arbeitskosten: Lohnkosten, die dem Unternehmen durch die Teilnahme von Beschäftigten an Fortbildungsmaßnahmen entstehen. Finanzierung: Angabe zur öffentlichen, lokalen, nationalen oder gemeinschaftlichen Finanzierung des Bildungsprogramms. Mitbestimmung: Grad der Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter in den Entscheidungsprozess. Hierbei lassen sich folgende Kategorien unterscheiden: Information (Vertreter werden vom Unternehmen über Zweck, Ziele und Inhalt von Bildungsprogrammen informiert), Konsultation (gemeinsame Festlegung der Ziele von Bildungsprogrammen) und Verhandlung (Austausch der Parteien über den gesamten Ausbildungsprozess und insbesondere über strategisch bedeutsame Programme). Zudem kann erfasst werden, welche Auswirkungen die Aktion auf die Unternehmensstrategie, die Unternehmensorganisation und die Kompetenzentwicklung der beteiligten Arbeitnehmer hat. 6 Nutzung von unbezahlter Freistellung, Urlaub usw. 7 Steuernummer, Firma des Unternehmens, Unternehmensform, Wirtschaftssektor, berufliche Zuordnung der Beschäftigten. 8 Das vom gemeinsamen Ausschuss Gewerkschaften-Industrieverband eingesetzte Forschungsteam erarbeitete ein Konzept für die systematische Ermittlung des Qualifikations- und Ausbildungsbedarfs in folgenden Bereichen: Verwaltung, Kaufmännisches, Logistik, Produkt-/Verfahrensinnovation/Entwicklung; Qualitätssicherung; Produktion. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 149 INHALT eurostat Akteure: Erfassung aller Personen, die an Entscheidungsprozessen und am Verhandlungsprozess beteiligt sind, d. h Akteure auf Unternehmensebene, Abteilungsebene oder Mitarbeiter von Behörden oder Mitglieder der in Italien bestehenden bilateralen Gremien, die wie bereits ausgeführt eine wichtige Rolle bei der Verwaltung der Ausbildungsressourcen spielen. 8. Der Bildungs- bzw. Lernprozess Der strukturierte Bildungs- bzw. informelle Lernprozess stellt für Entscheidungsträger eine wichtige Informationsquelle dar. In diesem Zusammenhang sind alle vorsätzlich herbeigeführten Lernereignisse - ob strukturiert oder nicht - zu berücksichtigten. Von besonderer Bedeutung sind Bildungs- bzw. Lernaktivitäten, die auf den Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten sowie auf die Leistungssteigerung des einzelnen Arbeitnehmers abzielen. Auch individuelle inner- oder außerbetriebliche Lernaktivitäten9 einzelner Arbeitnehmer sollten auf irgendeine Weise erfasst und verifiziert werden. Der Ausbildungs- bzw. Lernprozess wird durch folgende Faktoren charakterisiert: Art des Prozesses: Angabe dazu, ob es sich um einen individuellen oder kollektiven Prozess handelt. Der Lernprozess kann aus programmierten Lernphasen in folgenden Formen bestehen: strukturierte Ausbildungskurse oder Praktika mit tutorieller oder anderweitiger Betreuung, Lernen durch Jobrotation, Erlangung und Austausch von Arbeitserfahrungen, Teilnahme an Selbstlerngruppen, Teilnahme an den Aktivitäten von Lernzentren, Selbststudium durch Fernlernen oder computergestützte Kurse, Lernen durch Unterricht, Seminare, Vorlesungen, Teilnahme an Konferenzen usw. Prozessabwicklung: Technische Abwicklung des Lernprozesses. Neben strukturierten Lernaktivitäten kann der Prozess auch Orientierung, Abklärung der Fähigkeiten, Beratung, Betreuung durch Tutoren oder Mentoren usw. umfassen. Prozessleitung: Angabe der Einrichtung, die den Lernprozess leitet. Teils wird der Prozess direkt vom Arbeitgeber organisiert, teils wird eine Fremdfirma damit beauftragt, d. h. eine Ausbildungseinrichtung, eine Beratungsfirma oder ein Zulieferer, der die Arbeitnehmer in der Handhabung der von ihm gelieferten technischen Ausrüstung unterweist. In Anspruch genommene Leistungen: Leistungen, die der Leiter des Lernprozesses als Grundlage für die praktische Umsetzung des Prozesses erbringt. Vorbereitungsmaßnahmen wie z. B. eine Analyse des beruflichen Qualifikationsbedarfs und des Ausbildungsbedarfs der einzelnen Teilnehmer zählen dazu ebenso wie die Maßnahmenplanung, die Herstellung von Lehrmaterialien und Unterrichtshilfen, die Organisation und logistische Absicherung, die Verwaltung und Buchführung bei öffentlicher Finanzierung, die Pflege lokaler oder internationaler Partnerschaften, die Planung und Gestaltung von Maßnahmen zur Überwachung und Bewertung des Lernprozesses. Bildungstechnologien: Nutzung von lernunterstützenden Bildungstechnologien wie Fernlernen, MultimediaInstrumenten und computergestützten Lerninstrumenten. Überwachung und Bewertung: Anwendung strukturierter Verfahren für die Überwachung und Bewertung in allen Phasen des Lernprozesses. Dazu zählen Verfahren für die Ex-ante-Bewertung der Lernstrategie sowie für die Planung und Projektbegleitung, die eine gründliche Überwachung des Projekts an sich gewährleisten, sowie die abschließende Bewertung der Ergebnisse, d. h. der Auswirkungen auf den Lernenden und auf das Unternehmen. Von besonderem Interesse für die Sozialpartner ist die Bewertung der Auswirkungen, und zwar sowohl der Auswirkungen auf die berufliche Kompetenz des Einzelnen, der im Mittelpunkt der Lernaktivität steht, als auch der Auswirkungen auf die Organisation, in der der Lernende tätig ist. Diese Bewertung zeigt, ob sich die neu erworbenen Kenntnisse im Unternehmen verbreitet haben, ob sie an Andere weitergegeben wurden bzw. ob sie zu einer Verbesserung der persönlichen und/oder kollektiven Leistung in Form gesteigerter Effizienz, Wirksamkeit oder Qualität der Arbeit geführt haben. 9 Von besonderer Bedeutung ist auch die derzeit erfolgende Entwicklung individueller Lerninitiativen in Lernzentren, die einige Unternehmen für ihre Mitarbeiter eingerichtet haben. 150 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat In die Überwachungs- und Bewertungsverfahren müssen neben den Trägern der Lernaktivitäten (Berater, Planer, Lehrer und Ausbilder usw.) auch die Teilnehmer selbst einbezogen werden. Letztere sind nicht nur passives Überwachungs- und Bewertungsobjekt, sondern werden angehalten, sich dazu zu äußern, ob ihnen die Lernaktivitäten zugesagt haben und für wie effektiv sie diese halten. Lehrmethoden: Methoden und Unterrichtstechniken, die angewandt werden, um die Lernaktivitäten zu erleichtern und zu verbessern. Lernsituationen können in folgende Kategorien unterteilt werden: Frontalunterricht; Übungen oder Simulationen im Klassenraum oder am Arbeitsplatz, bei denen reale Arbeitssituationen nachgestellt werden; Rollenspiele, d. h. Lernen durch schauspielerische Übernahme anderer beruflicher Rollen, als sie im Arbeitsalltag ausgeübt werden; Projektarbeit, d. h. Lernen durch praxisnahe Arbeitsprojekte; Fernlernen mit Hilfe von Multimedia-Instrumenten; individuelles Lernen bzw. Selbststudium auch unter Verwendung computergestützter Materialien. 9. Die Anforderungen an das statistische System Die Sozialpartner und die institutionellen Entscheidungsträger sind die Hauptnutzer der Informationen zum lebenslangen Lernen, die auf der Grundlage der obigen allgemeinen Prinzipien erfasst werden. Trotz ihrer erheblichen gestalterischen Verantwortung sind die Sozialpartner objektiv nicht in der Lage, ein Ausbildungssystem von derartiger Tragweite zu schaffen und zu verwalten. Sie können bestenfalls einen Beitrag dazu leisten, wobei die wichtigste Aufgabe der Arbeitgeber in der Bereitstellung grundlegender Informationen über die von ihnen durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen besteht. Es ist unerlässlich, dass sich die statistischen Systeme auf einzelstaatlicher und EU-Ebene an dieser Bestandsaufnahme beteiligen, deren Ziel in der Steigerung der Effektivität von Bildungsinvestitionen und in der Förderung von Weiterbildungsstrategien für die EU-Bürger besteht. Die einzig verfügbaren Daten zum Thema lebenslanges Lernen stammen aus der Eurostat-Erhebung von 1999. Natürlich konnte bei dieser Erhebung noch nicht berücksichtigt werden, wie sich dieser Bereich in den Folgejahren entwickeln würde. Außerdem kann eine Erhebung, die mehrere Jahre nach der Vorgängererhebung und mit anderem Konzept als diese durchgeführt wird, kein aussagekräftiges Bild von den untersuchten Erscheinungen liefern. Wie wir bereits ausgeführt haben, können die Sozialpartner nur dann effektivere Entscheidungen treffen, wenn die Lern- und Bildungsaktivitäten sowie ihre Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitnehmer in einem kontinuierlichen Prozess überwacht werden. Im ersten Teil des vorliegenden Beitrags habe ich dargelegt, an welcher Stelle Überwachungsaktivitäten entwickelt werden sollten. Wir brauchen häufige Erhebungen als Grundlage für eine rasche Informationsbereitstellung. Die Bemühungen sollten sich auf zwei Bereiche konzentrieren: die lokale Dimension und die individuelle Dimension des Lernens bzw. der Fortbildung. Ziel der beschäftigungswirksamen und entwicklungsfördernden Maßnahmen, zu denen auch Investitionen in das lebenslange Lernen zählen, ist der lokale Arbeitsmarkt. Daher haben die politischen Entscheidungsträger die Aufgabe, ihre Aktivitäten auf lokaler Ebene weiterzuentwickeln. Dies erfordert eine verstärkte Überwachung und verbesserte statistische Erfassung, damit aggregierte Daten für einzelne geografische Gebiete und Produktionsbereiche zur Verfügung gestellt werden können. Ein weiteres Gebiet, auf dem Innovationen erforderlich sind, ist die individuelle Dimension – denn letztlich ist lebenslanges Lernen in erster Linie Sache des Einzelnen. War bisher das Unternehmen traditionelle Informationsquelle in puncto Bildung und Lernen, so ist jetzt auch der einzelne Arbeitnehmer dafür zuständig. Ein besonders interessantes Beispiel in dieser Hinsicht ist Schweden. Im Zuge der Arbeitskräfteerhebung werden dort halbjährliche Umfragen bei einer begrenzten Stichprobe von Arbeitnehmern durchgeführt, um zu ermitteln, an welchen Lern- und Bildungsaktivitäten der Befragte im vorangegangenen Halbjahr teilgenommen hat. Das Beispiel Schwedens ist insofern von besonderer Bedeutung, als die Umfrageteilnehmer nicht nur Angaben zu ihren Bildungs- und Lernaktivitäten machen, sondern auch zu dem Unternehmen, für das sie tätig sind. Daher verdienen die Erfahrungen unserer schwedischen Kollegen eine gründlichere Untersuchung. Vor allem muss 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 151 INHALT eurostat nachgeprüft werden, ob die Teilnehmer der Lernaktivitäten eventuell umfassende statistische Informationen im Bereich des lebenslangen Lernens liefern können. Falls dies zuträfe, würde es die Arbeit der statistischen Einrichtungen erleichtern und den Sozialpartnern stünde ein effizientes und stets aktuelles Informationssystem zur Verfügung. 152 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat MESSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS BLOMQVIST Irja Statistics Finland FIN – 00022 STATISTICS FINLAND [email protected] 1. Einführung: Das lebenslange Lernen und die finnische Erhebung zur Erwachsenenbildung Die Globalisierung der Wirtschaft, zunehmende internationale Interaktion und technologische Entwicklung haben zu einem Wandel der bisher stabilen gesellschaftlichen Verhältnisse geführt. Die Menschen sind permanent mit Situationen konfrontiert, die neuerliches Lernen und neue Kompetenzen verlangen. Die schnellen Veränderungen der Gesellschaft und des Arbeitslebens, das immer höhere Durchschnittsalter der Bevölkerung und eine hohe strukturelle Arbeitslosigkeit werden Ungleichheit und soziale Marginalisierung zur Folge haben, wenn nicht bewusst Maßnahmen ergriffen werden, um dieser Entwicklung entgegenzutreten. Ausgangspunkt der finnischen nationalen Strategie für lebenslanges Lernen ist die Erkenntnis, dass die einzige Möglichkeit, angemessen auf den durch den gesellschaftlichen Wandel hervorgerufenen Bedarf an umfassendem und kontinuierlichem Lernen zu reagieren, darin besteht, das Lernen der Menschen in allen Umgebungen ihres Lebens zu fördern: nicht nur in Bildungseinrichtungen, sondern auch am Arbeitsplatz, im Rahmen freiwilliger/ehrenamtlicher Tätigkeiten und in der Freizeit. (The Joy of Learning 1997) Das Ziel des lebenslangen Lernens ist die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, die Stärkung demokratischer Werte, die Wahrung des sozialen Zusammenhalts in aktiven Gemeinschaften, die Förderung des Internationalismus und die Begünstigung von Innovationen, Produktivität und nationaler Wettbewerbsfähigkeit. (Ebd.) Das kontinuierliche Erlernen neuer Dinge setzt voraus, dass die Betreffenden über Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten verfügen, auf die das neuerliche Lernen aufbauen kann. Zu diesem Zweck legt die nationale Strategie den Schwerpunkt auf die Stärkung der Rolle und Verantwortung der Familie bei der Entwicklung der Lernfähigkeit eines Kindes sowie auf die Schaffung einer Grundlage für die Kenntnisse und Fertigkeiten von Kindern lange vor dem derzeitigen Schuleintrittsalter. Außerdem sollte die Entwicklung von Lernmotivation und Lernfähigkeit innerhalb des Schulsystems intensiviert werden. Das Wissens- und Fertigkeitsniveau von Erwachsenen mit geringer Schulbildung sollte angehoben und die Grundfertigkeiten der Informationsgesellschaft sollten Teil der Grundkenntnisse eines jeden Bürgers werden. (Ebd.) Man scheint heutzutage allgemein der Überzeugung zu sein, dass wir in einer wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft leben. Wissen und Kompetenzen gelten als unabdingbar für wirtschaftliches Wachstum und nationale Wettbewerbsfähigkeit, und die Bedeutung des Humankapitals unter dem Gesichtspunkt von Produktivität und Wirtschaftsentwicklung wurde in vielen Zusammenhängen betont. Das lebenslange Lernen ist bislang auf dieser Grundlage diskutiert worden, doch sind die Gründe, sich darauf einzulassen, zunehmend auch nichtwirtschaftlicher Natur. Neben den im Arbeitsleben benötigten Fertigkeiten werden auch solche Fähigkeiten als wesentlich erachtet, die die Betätigung von Menschen innerhalb sozialer Netze unterstützen und die für staatsbürgerliches Engagement und eine funktionierende Demokratie von zentraler Bedeutung sind. (Ebd; Memorandum über Lebenslanges Lernen 2000; Education Policy Analysis 2001) Das Prinzip des lebenslangen Lernens stellt den Lernenden und seine Motivation und Lernfähigkeit in den Mittelpunkt. Diese Fähigkeiten werden bereits in der frühen Kindheit, während der Vorschulerziehung oder in 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 153 INHALT eurostat der Gesamtschule erworben und bilden die Grundlage für das Lernen im Erwachsenenalter. Daher sind diese Bereiche des Schulsystems bei der Untersuchung des lebenslangen Lernens entscheidend. Die Statistiken zur Bildung im Rahmen des regulären Schulsystems sind zurzeit recht ausführlich, obwohl bei internationalen Vergleichen große Vorsicht walten sollte. Es gibt immer noch Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern in Bezug auf die Inhalte und den Anwendungsbereich der Begriffe sowie bei den verwendeten Klassifikationen und Maßen. Diese Mängel sind jedoch noch eklatanter, wenn es um Statistiken zur Erwachsenenbildung und insbesondere zum Lernen im Erwachsenenalter geht. Mit diesem Dokument soll aufgezeigt werden, wie in Finnland Erhebungen zur Beteiligung insbesondere der erwachsenen Bevölkerung an der allgemeinen und beruflichen Bildung durchgeführt werden und welche Probleme und Schwierigkeiten bei den Erhebungen und der Ergebnisanalyse aufgetreten sind. Der letzte Teil dieses Papiers befasst sich vor allem mit dem erkannten Weiterentwicklungsbedarf für künftige Erhebungen. 2. Ausgangspunkte der in Finnland durchgeführten Erhebungen zur Erwachsenenbildung Statistics Finland hat vier Erhebungen durchgeführt, um die Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung in Finnland zu untersuchen. Die erste dieser Erhebungen fand 1980 statt, die zweite 1990 und die dritte 1995. Die Daten für die vierte Erhebung zur Erwachsenenbildung wurden im Jahr 2000 zusammengetragen. Diese Untersuchungen wurden vom Bildungsministerium finanziert und vom Ministerium in Zusammenarbeit mit Statistics Finland durchgeführt. Außerdem war das Arbeitsministerium an der Planung der Erhebung beteiligt und machte aktiven Gebrauch von den mit Hilfe der Erhebungen produzierten Daten. Das Arbeitsministerium hat auch zur Finanzierung der Erhebung 1995 beigetragen. Erhebung zur Erwachsenenbildung 1980 Ende der 70er Jahre herrschte in der Bildungspolitik die Meinung vor, die Erwachsenenbildung könne dazu beitragen, die Chancengleichheit im Bildungsbereich zu verbessern. Alle Aufgabengebiete der Erwachsenenbildung wurden als gleich wichtig erachtet, doch wurde ein spezielles Augenmerk auf die berufliche Bildung und Ausbildung Erwachsener gelegt. Die erste von Statistics Finland 1980 durchgeführte Erhebung zur Erwachsenenbildung sollte statistische Daten für die Planung und Entscheidungsfindung im Bereich der allgemeinen und insbesondere der beruflichen Erwachsenenbildung liefern. Es handelte sich um eine recht typische Befragung, die der Erstellung statistischer Tabellen dienen sollte. Die Erhebung wurde in Verbindung mit der Zuverlässigkeitsstudie im Rahmen der Volkszählung von Statistics Finland durchgeführt. Erhebung zur Erwachsenenbildung 1990 Gegen Ende der 80er Jahre wurde im Bereich Bildungspolitik die Möglichkeit diskutiert, mit Hilfe der Erwachsenenbildung Probleme im Zusammenhang mit dem strukturellen gesellschaftlichen Wandel zu lösen. Man war der Auffassung, dass das Berufsprofil der Bevölkerung nicht mehr den Anforderungen der sich rapide verändernden Arbeitswelt entspreche. Die bildungspolitische Zielgruppe waren nicht nur Menschen mit unzureichender Grundbildung, sondern die gesamte Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Man dachte, dass die berufliche Bildung und Ausbildung Erwachsener dazu beitragen könnte, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Beschäftigten den neuen Anforderungen anzupassen, da klar war, dass die allgemeine und berufliche Erstausbildung nicht in der Lage wäre, Kompetenzen zu vermitteln, die ein ganzes Arbeitsleben lang ausreichen würden. Zum Ende jenes Jahrzehnts schienen die Daten von 1980 veraltet, und neue Informationen wurden zur Unterstützung der Entscheidungsfindung benötigt. Inzwischen galt es als entscheidend, gründlichere Informationen als zuvor über die Motive Erwachsener für eine Teilnahme an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen, über ihre Ansichten zu dieser Frage, über die Hindernisse, mit denen sie diesbezüglich konfrontiert sind, sowie über ihre Bildungs- und Ausbildungsbedürfnisse und -interessen zu erhalten. Bei der Planung der Erhebung zur Erwachsenenbildung 1990 wurde neuartigen Bedürfnissen Beachtung geschenkt, und zwar nicht nur hinsichtlich der Erhebungsinhalte. Zusätzlich zur Erstellung statistischer Tabellen und Analysen für die politische Entscheidungsfindung sollte eine qualitativ hochwertige Datenbank aufgebaut werden, die zahlreiche analytische Möglichkeiten für umfangreiche Studien bieten würde. Das Forschungsreferat für Bildungssoziologie der Universität Turku nahm von Beginn an zusammen mit Statistics Finland und 154 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Experten des Bildungsministeriums aktiv an der Planung der Erhebung teil. Das Bildungsministerium seinerseits war bestrebt, die Nutzung der Daten durch die Forscher zu fördern, indem es die auf die Forscher entfallenden Kosten für die Erzeugung der Service-Dateien und der von ihnen zu verwendenden Anleitungen übernahm. Die Forschungsdaten wurden in ungefähr zehn verschiedenen Forschungsgemeinschaften verwendet. Erhebung zur Erwachsenenbildung 1995 Anfang der 90er Jahre verzeichnete Finnland einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Planung der Erhebung 1995 wurde von den neuen sozialen Verhältnissen, der wirtschaftlichen Rezession und massiver Arbeitslosigkeit beeinflusst. Die Stichprobenpopulation der Erhebung war die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (18 bis 64 Jahre), und es wurden dem Fragebogen Fragen über Verbindungen zwischen Bildung, Ausbildung und Arbeitsleben hinzugefügt. Nun war es möglich, sich bei der Ergebnisanalyse stärker auf die Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit sowie allgemeiner und beruflicher Bildung zu konzentrieren. Andere neue Schwerpunktbereiche der Erhebung 1995 waren Fremdsprachenkenntnisse, im Ausland absolvierte Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen sowie die Absicht, an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Ausland teilzunehmen. Ein neues Thema des Fragebogens waren die Ansichten der Lernenden in Bezug auf die Zukunft. Die Beschaffung vergleichbarer Daten aus mehreren repräsentativen Zeiträumen erhöhte den Wert der Erhebung 1995 und machte es möglich, in der Ergebnisanalyse und der Berichterstattung über die Ergebnisse der Beschreibung der Veränderungen mehr Beachtung zu schenken. Die Schlüsselfragen der Erhebung blieben unverändert, die alten Fragen wurden nur geringfügig modifiziert und verbessert. Die Daten wurden nun mittels rechnergestützter persönlicher Befragungen gesammelt. Eine Gruppe erfahrener Interviewer nahm auch an der Entwicklung und Erprobung dieses technisch neuen Instruments teil. Eine kleinere Piloterhebung wurde vor der eigentlichen Datensammlung durchgeführt. Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 Die finnische Strategie für lebenslanges Lernen wurde während der Analyse und Berichterstattung im Rahmen der Erhebung 1995 veröffentlicht. Diese Strategie legt den Schwerpunkt auf die Förderung von Bildung und Ausbildung als Mittel, auf die vielen sozialen Probleme zu reagieren, sowie auf Bemühungen, das Lernen der Menschen in allen Umgebungen ihres Lebens zu unterstützen (siehe auch Seite 1). Das Prinzip des lebenslangen Lernens wurde bei der Planung der Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 genauso berücksichtigt wie die Entwicklungsarbeit im Bereich Statistiken und Indikatoren zur Erwachsenenbildung und zum lebenslangen Lernen, die innerhalb von OECD, Unesco und EU derzeit geleistet wird. Bei der Prüfung der Dateninhalte konzentrierten sich die Diskussionen darauf, wie die Untersuchung zur Messung der Beteiligung an der formalen Bildung und Ausbildung um das informelle Lernen erweitert werden könnte. Es wurde für interessant erachtet, die Auswirkungen der Alltagserfahrungen auf Lernprozesse, Gedankenmodelle und Fertigkeiten sowie die Zusammenhänge zwischen dem alltäglichen Lernen und der Beteiligung an der formalen Bildung und Ausbildung zu untersuchen. Um die Dateninhalte und anderweitigen Weiterentwicklungsbedarf hinsichtlich der Studie näher zu bezeichnen, wurde ein Seminar für Experten veranstaltet und die enge Zusammenarbeit mit Hochschulforschern und anderen Sachverständigen fortgesetzt. 3. Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 3.1 Auf welche Fragen wird in der Erhebung nach Antworten gesucht? • Auf welche Weise beteiligen oder beteiligten sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen (Alter, Geschlecht, Bildungsniveau, Beschäftigungssituation, familiäre Situation usw.) an der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung? • Wie setzt sich die allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung nach Bevölkerungsgruppen zusammen? • Inwieweit und auf welche Weise halten es unterschiedliche Bevölkerungsgruppen für notwendig zu lernen und wie ist ihre Bereitschaft, an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen? 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 155 INHALT eurostat • Welche Bedingungen stellen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen an ihre eigene Teilnahme an der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung, und über welche Hindernisse für ihre diesbezügliche Teilnahme berichten sie? • Wie sehen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen die allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung und welche Auswirkungen und Bedeutung hat ihrer Meinung nach die allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung im Arbeitsleben? • Was sind die Auswirkungen der Erwachsenenbildung auf die regionale, berufliche und Arbeitsplatzmobilität unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen? • Auf welche Weise haben sich die Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung, der Bedarf an einer solchen, die Hindernisse, die einer solchen Teilnahme entgegenstehen, die Bedingungen für eine solche Teilnahme, die Auswirkungen einer solchen Teilnahme sowie die Ansichten über die Erwachsenenbildung seit den 80er Jahren verändert? • Wie schneidet Finnland im internationalen Vergleich ab in Bezug auf Bildungs- und Berufsbildungsbeteiligung, Teilnahmeaktivität und selbst erlebte Hindernisse einer solchen Teilnahme? • Wie bewerten die Finnen selbst ihre Sprachkenntnisse? • In welchem Maße sind die Finnen aktive Computer-Benutzer, wie haben sie ihre diesbezüglichen Kenntnisse erworben und welche Unterschiede gibt es zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen? • Wie analysieren die Menschen das Erlernen von im Alltag benötigten Fähigkeiten, die für sie wichtig sind? 3.2 Entwicklung und Inhalte des Fragebogens zur Datenerhebung Der Fragebogen der Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 basiert auf dem Fragebogen der Erhebung von 1995. Bei der Entwicklung des Fragebogens wurde zunächst das für die Erhebung zur Erwachsenenbildung 1995 verwendete Muster in der Erhebungsabteilung von Statistics Finland bewertet. Dieser Bewertung lag die für eine systematische Analyse von Problemen im Zusammenhang mit Erhebungsfragebögen entwickelte Klassifikation zugrunde. Die Bewertung hat sich als nützlich herausgestellt, nicht nur weil sie notwendige Änderungen bei der Formulierung der Fragen erleichtert, sondern auch in Bezug auf die Analyse der Daten und die Erörterung der Ergebnisse. Die Daten umfassen: — Hintergrundinformationen; — Informationen zur Beschreibung der Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung; — Selbstgesteuertes Lernen; — Lernen am Arbeitsplatz, am Arbeitsplatz vorhandene Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, Problemlösung am Arbeitsplatz und Beschaffung von Informationen; — Nutzung von Fachliteratur; — Ansichten über die Vorteile von Bildung und Ausbildung, selbst erfahrener Bildungsbedarf, Interesse an Bildung und Ausbildung, das Interesse fördernde Faktoren; — Bildungs- und Ausbildungshindernisse, Beschaffung von Informationen über Bildungsmöglichkeiten; — Nutzung der Informationstechnologie; — Fremdsprachenkenntnisse; — Lernen im Alltag. Hintergrundinformationen Zusätzlich zu den typischen Angaben zur Person (Alter, Geschlecht, Familienstand usw.) umfassen die Hintergrundinformationen Fragen zum Bildungshintergrund, zum familiären Hintergrund, zur Arbeit, zur beruflichen Laufbahn und zum Arbeitsplatz. Der Fragebogen enthält viele Informationen über die Arbeitsbedingungen, denn diese Fragen wurden nicht weggelassen, da der Arbeitsplatz für viele Erwachsene eine wichtige Lernumgebung darstellt. 156 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Es wurden Analysen angefertigt, indem Hintergrundinformationen in Bezug auf Sondergruppen verwendet wurden, beispielsweise jene mit geringer Grundbildung, ältere Menschen, Arbeitslose und geschlechtsspezifische Gruppen. Frühere Erhebungen haben gezeigt, dass die Grundbildung der wichtigste individuelle Faktor ist, der über eine Beteiligung an der Erwachsenenbildung sowie über die funktionellen Fertigkeiten Erwachsener im Lesen, Schreiben und Rechnen entscheidet. Informationen über die schulische Laufbahn, z. B. welche Bildungsgänge wann wo abgeschlossen wurden, werden den entsprechenden Verzeichnissen entnommen. Im Lichte der Ergebnisse früherer Erhebungen betrachtet, wirkt sich der Bildungshintergrund der Eltern in Finnland (und in vielen anderen Ländern) nicht nur auf das Bildungsniveau der Kinder aus, sondern auch auf ihre Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen sowie auf ihre Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung. Auch die Informationen über den Bildungshintergrund der Eltern sind aus den Verzeichnissen zu beschaffen. Mit Hilfe des Fragebogens gesammelte Informationen über die berufliche Laufbahn des Befragten können durch geeignete Längsschnitt-Dateien ergänzt werden, so dass beispielsweise Aussagen über die berufliche Mobilität getroffen werden können, indem man sich Informationen über die Berufe, Arbeitgeber und mögliche Phasen der Arbeitslosigkeit des Betreffenden zu spezifischen repräsentativen Zeiträumen im Laufe von ca. 30 Jahren betrachtet. Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Bildung Die Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 untersucht die Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Bildung generell, nicht nur im Bereich Erwachsenenbildung. Die Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Bildung wird über die gesamte Lebenszeit der Befragten auf allgemeiner Ebene betrachtet: welches Bildungsniveau die Befragten haben und inwieweit sie an arbeitsplatz- und berufsbezogenen Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen sowie an Bildungsmaßnahmen im Ausland teilgenommen haben. Auch die Form der Erwachsenenbildung, an der die Befragten in den 12 Monaten vor der Befragung teilgenommen haben, wird eingehender untersucht. Die allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung wurde auf der Grundlage der Organisation, die die entsprechenden Maßnahmen durchführt, kategorisiert. Da die Teilnahme entsprechend den verschiedenartigen Einrichtungen und Organisationen im Erhebungsfragebogen berücksichtigt wird, ist es möglich, die allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung bereits im Analysestadium der Erhebung unter unterschiedlichen Gesichtspunkten zu definieren. In der Anleitung für die Befragten dieser Untersuchung wird die Mindestzeit zu berücksichtigender Bildungsund Ausbildungsmaßnahmen auf sechs Stunden festgelegt. Ausbildungszeiten mit Unterbrechungen werden ebenfalls einbezogen, wenn sie mindestens sechs Stunden betragen. Bildung und Ausbildung wird definiert als eine gesondert und spezifisch organisierte und veranstaltete Aktivität, deren Zweck das Lernen ist. Als für Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen typisch gilt ferner das Vorhandensein eines im Voraus erstellten Lehrplans oder Studienprogramms, und dass der Anbieter oder Träger der Bildungsmaßnahme dafür zuständig ist, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Eine regelmäßige Teilnahme an über das Radio oder Fernsehen ausgestrahlten Bildungsprogrammen sowie eine Teilnahme an Konferenzen, Seminaren o. ä. werden ebenfalls als Bildungstypen berücksichtigt. Die Befragten erhielten eine Liste von Bildungsorganisationen zur Ansicht, von der sie die Art der Bildung bzw. Ausbildung auswählen sollten, an der sie während der 12 Monate vor der Erhebung oder davor teilgenommen hatten. Diese Liste soll den Befragten dabei helfen, sich an unterschiedliche Ausbildungsveranstaltungen zu erinnern, was die Messfehler im Zusammenhang mit dem Erinnerungsvermögen reduziert. Da in dieser Art von Erhebungen bei den Angaben leicht übertrieben wird, um gesellschaftlich akzeptable Antworten zu liefern, konnten die Befragten auch über eine Teilnahme an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen berichten, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt und nicht erst während der letzten 12 Monate stattgefunden hatten. Es werden so viele detaillierte Informationen wie möglich zu all jenen Formen der Erwachsenenbildung und zu Kursen erbeten, an denen die Befragten während der 12 Monate vor der Erhebung teilgenommen hatten. In Bezug auf jede solche Maßnahme wird nach den Bildungsinhalten und dem Träger gefragt sowie danach, 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 157 INHALT eurostat ob eine solche Bildungs- bzw. Ausbildungsmaßnahme mit dem Arbeitsplatz oder Beruf, mit Vertrauenspositionen, Freizeitinteressen oder Allgemeinbildung zu tun hatte, und ob sie während oder außerhalb der Arbeitszeit stattfand, wer sie finanziert hat und wie viele Tage (Stunden) der Befragte während der vergangenen 12 Monate an einer solchen Maßnahme teilgenommen hat. Arbeitsplatz- oder berufsbezogene sowie allgemeine Bildungsmaßnahmen oder Freizeitbildungsmaßnahmen werden daher vom Standpunkt des Einzelnen aus unterschieden, je nach dem vom Befragten genannten Lernzweck. Zuweilen hat der Befragte Schwierigkeiten, diese Unterscheidung zu treffen, was verständlich ist, da die Unterschiede nicht immer klar und für den Lernvorgang auch nicht wichtig sind, wenn das Lernziel ohnehin in der Aneignung von Fähigkeiten besteht. Auch wenn der Lernzweck mit eigenen Freizeitinteressen zu tun hat (wie bei Sprachkursen), kann das Ergebnis später auch am Arbeitsplatz nützlich sein. Da die Beantwortung des Fragebogens recht mühselig und ermüdend ist, wurden Fragen zu der zu erwerbenden Qualifikation, den Auswirkungen des Lernens, den Gründen für eine Teilnahme an Bildungsmaßnahmen und zu Initiativen für eine Teilnahme in Bezug auf einen zufällig ausgewählten Bildungs-/Kurstyp gestellt. Die Methode für die zufällige Auswahl der Kurse und ihre Zuverlässigkeit wurden vor der Datenerhebung getestet. Die Ergebnisse waren vielversprechend. Selbstgesteuertes Lernen wurde in dem Fragebogen ebenfalls untersucht. Ein solches Lernen gilt als zielorientiertes Lernen, das unabhängig und außerhalb des formalen Bildungssystems veranstaltet und organisiert wird. Die betreffenden Fragen wurden bereits im Zusammenhang mit der Erhebung zur Erwachsenenbildung 1990 entwickelt, doch damals waren sie nicht bewusst dafür gedacht, das informelle Lernen zu messen. Mit den Fragen wurden Informationen nur zu solchen zielorientierten Lernveranstaltungen erbeten, die mindestens 20 Stunden gedauert hatten. Diese Fragen wurden bisher nicht weggelassen, um ihren Wert durch diese neue Messung zu erhöhen. Lernen am Arbeitsplatz, am Arbeitsplatz vorhandene Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten Fragen zu Veränderungen und Problemen am Arbeitsplatz, zu unzureichenden eigenen Kenntnissen, zu Strategien der Informationsbeschaffung in Problemsituationen und dem Verfolgen der Fachliteratur wurden unverändert von der Erhebung zur Erwachsenenbildung 1995 übernommen. Unverändert blieben auch Fragen über die Art des Arbeitsplatzes als Ort des Lernens und der Möglichkeit zur Weiterentwicklung sowie über die Zusammenhänge zwischen Arbeit und Bildung. Der Bedarf an Erwachsenenbildung und die Bereitschaft zu einer Teilnahme an der Erwachsenenbildung, Ansichten zur Bildung und Bildungshindernisse Der Bedarf an allgemeiner und beruflicher Bildung sowie die Bereitschaft zur Bildungsbeteiligung werden mit Hilfe direkter Fragen sowie durch Fragen zu den Hindernissen und Schwierigkeiten einer solchen Beteiligung und dem Wunsch nach Bildungsbeteiligung untersucht. Weitere Erkenntnisse gewinnt man durch Fragen über die Ansichten und Einstellungen zur Bildung im Allgemeinen sowie durch Fragen, die auf eine Bewertung der Auswirkungen und der Erheblichkeit der erworbenen Bildung unter dem Blickwinkel des Arbeitslebens abzielen. Diese Fragen waren bei der Analyse der Gruppe von besonderer Bedeutung, die während der 12 Monate vor der Befragung nicht an allgemeinen oder beruflichen Erwachsenenbildungsmaßnahmen teilgenommen hatte. Kenntnisse der Informationstechnologie Ein neues Fragebogenthema betrifft den Computereinsatz. Da sich Statistics Finland in einer gesonderten Erhebung zur Informationsgesellschaft umfassend der Frage widmet, inwieweit die Finnen von den Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie Gebrauch machen, beschränken sich die Fragen zu den Kenntnissen der Informationstechnologie in der Erhebung zur Erwachsenenbildung auf den Einsatz von Computern und die Häufigkeit eines solchen Einsatzes (Abruf von Informationen aus Informationsnetzwerken, Lesen von Web-Zeitschriften, Textverarbeitung, E-Mail usw.). Mit diesem Maß sollen die Fertigkeiten der Computerbenutzer beschrieben werden, so dass eine Selbstbeurteilung des eigenen Fertigkeitsniveaus nicht erforderlich ist. Die eigene Einschätzung der Befragten hinsichtlich der Notwendigkeit, ihre Fertigkeiten zu verbessern, wird in dem Fragebogen an anderer Stelle angesprochen, wenn nämlich gefragt wird, welchen spe158 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat zifischen Ausbildungsbedarf die Befragten haben und welche Fertigkeiten und Fähigkeiten sie gern weiterentwickeln würden. Fremdsprachenkenntnisse Die Fremdsprachenkenntnisse werden auf der Grundlage der von den Befragten selbst vorgenommenen Bewertung ihres Kenntnisstandes bestimmt. Die ersten Versuche mit Selbstbewertungen wurden im Zusammenhang mit der Erhebung zur Erwachsenenbildung 1995 unternommen. Die Ergebnisse waren ermutigend. Sie bildeten die Basis für einen umfassenden Bericht, der bei der Bildungsbehörde zusammengestellt wurde und erstmals die Fremdsprachenkenntnisse erwachsener Finnen sowie den Fremdsprachenunterricht von der Primarstufe bis zum tertiären Bildungsbereich evaluierte. Ausgehend von den Erfahrungen mit dem verwendeten Maß und zur Gewährleistung internationaler Vergleichbarkeit wurde die Skala der Fremdsprachenkenntnisse für die Erhebung 2000 geändert. Die derzeit verwendete Klassifikation beruht auf der sechs Kategorien umfassenden Skala des Europarats, die den Erfordernissen von Befragungen angepasst wurde. Fachkundige Beratung wurde von der Universität von Jyväskylä eingeholt.1 Lernen im Alltag Eine wichtige Herausforderung bei der Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 bestand darin, die Untersuchung der formalen Bildung und Ausbildung sowie der Teilnahme an Ausbildungskursen auf Lernprozesse auszudehnen, die außerhalb des regulären Bildungswesens in anderen alltäglichen Umgebungen stattfinden. Aittola (1997) erweitert den Begriff des Lernens von herkömmlicher Bildung auf Lernerfahrungen innerhalb der Familie, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, durch die Massenmedien, in zwischenmenschlichen Beziehungen und als Verbraucher.2 Er hat einen Vorschlag für ein Maß unterbreitet, das das alltägliche Lernen für die Erhebung zur Erwachsenenbildung beschreibt. Nach gründlicher Entwicklungsarbeit ist Aittola gemeinsam mit Forschern, die sich mit Erhebungen zur Erwachsenenbildung befassten, zu einem Modell gelangt, das in qualitativen Befragungen getestet wurde, die von der Erhebungsabteilung von Statistics Finland durchgeführt wurden. Etwas mehr als 20 qualitative Befragungen haben stattgefunden, wurden aufgezeichnet und transkribiert. Die qualitativen Daten sind Teil des Datenmaterials der Erhebung zur Erwachsenenbildung, für andere Forscher jedoch nicht frei verfügbar. Mit dem Fragenkomplex zum alltäglichen Lernen sollen Informationen darüber gesammelt werden, wo die Befragten ihrer Meinung nach die Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten erwerben können, die früheren Erhebungen zum Thema Lernen zufolge von ihnen allgemein als für den Alltag wichtige Fertigkeiten erachtet werden. Mit Hilfe dieser Fragen sollen nicht nur die Lernumgebungen der Betreffenden skizziert werden; es soll auch herausgefunden werden, für wie wichtig die Befragten diese Fertigkeitsgebiete für ihr eigenes Leben halten und inwieweit sich die Ansichten unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in dieser Hinsicht unterscheiden. Das Lernergebnis, nicht der Lernprozess ist Ausgangspunkt dieses Maßes. Nicht Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, sondern Meta-Kompetenz war der auf Initiative von Aittola verwendete Arbeitsbegriff (siehe z. B. Nordhaug 1991). Die Befragten wurden gebeten, folgende 23 MetaKompetenzen in Bezug auf die oben genannten acht Lebensumgebungen zu evaluieren: Beurteilungsfähigkeit, Erwerb neuer Erfahrungen, Duldung von Unsicherheit, die Fähigkeit, sich Veränderungen anzupassen, vernünftiges Verbraucherverhalten und die Fähigkeit, mit den eigenen Finanzen umzugehen, Pflege persönlicher Beziehungen, Rücksichtnahme auf andere, Selbstkenntnis, Konversations- und Interaktionsfähigkeit, Erwerb und Weiterentwicklung von Sprachkenntnissen, Wahl- und Entscheidungsfähigkeit, Spontaneität, Fähigkeit der Zeiteinteilung, die Fähigkeit, sich eigene Werte und eine eigene Weltsicht zu schaffen, Vertrautheit mit den eigenen kulturellen Traditionen, bewusster Umgang mit der eigenen Gesundheit, Problemlösungsfähigkeiten, Entwicklung von Lernfähigkeit, Organisationstalent, Duldung und Akzeptanz von Unterschieden, Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf Sachen, Handlungen und Menschen, Entwicklung der Fähigkeit zu Kooperation und Teamarbeit, Engagement für gesellschaftliche Anliegen, Erweiterung des Allgemeinwissens und des kulturellen Verständnisses, umweltbewusstes Verhalten, Achtung der Natur. 1 Ansprechpartner an der Universität von Jyväskylä war Professor Sauli Takala. Er ist am DIALANG-Projekt beteiligt, das vom SOKRATES-Programm finanziert wird (siehe DIALANG z. B. http://www.dialang.org/). 2 Dr. Tapio Aittola ist ein leitender Forscher an der Universität von Jyväskylä. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 159 INHALT eurostat Auf der Grundlage der vorläufigen Ergebnisse können wir feststellen, dass die verwendete quantitative Methode ähnliche Resultate hinsichtlich der Ansichten der Befragten erbrachte wie die von Aittola in seinen Untersuchungen mit dem qualitativen Ansatz erzielten. Die Erwachsenen waren der Meinung, dass sie innerhalb der Familie Spontaneität, bewusstes Verbraucherverhalten, Fähigkeiten im Umfang mit anderen und Verantwortungsbewusstsein gelernt hätten. Die allgemeinsten in der Schule erworbenen Meta-Kompetenzen sind Lernfähigkeit, Teamfähigkeit, Sprachkenntnisse, Interaktionsfähigkeit, die im Rahmen der Erwachsenenbildung angeeigneten allgemeinsten Meta-Kompetenzen sind Teamfähigkeit und Interaktionsfähigkeit. Spontaneität, Wahl- und Entscheidungsfähigkeit sowie Interaktions- und Problemlösungsfähigkeiten wurden am Arbeitsplatz erworben. Weiterentwicklungsbedarf herrscht derzeit den Angaben zufolge am häufigsten in den Bereichen Gesundheit, Sprachkenntnisse, Fähigkeiten im Umgang mit anderen, Erwerb neuer Erfahrungen und umweltbewusstes Verhalten. 3.3 Datenerhebung Die Bevölkerung und die Stichprobe Die Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 konzentriert sich auf die Gesamtbevölkerung, nicht nur auf die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Deshalb bestand der Wunsch, die obere Altersgrenze von 64 Jahren heraufzusetzen. Aus Gründen der praktischen Durchführung der Befragungen wurde die obere Altersgrenze der Population auf 79 Jahre festgelegt. Die Population der Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 besteht aus Menschen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren mit ständigem Wohnsitz in Finnland. Im Rahmen einer systematischen Stichprobenbildung wurden 5.000 Personen (4.700 aus der Altersgruppe 18 bis 64 Jahre und 300 aus der Gruppe 65 bis 79 Jahre) in die Stichprobe aufgenommen. Nachdem jene, die nicht zu der Population gehörten, d. h. die Überquote, aus der Brutto-Stichprobe herausgenommen worden waren, umfasste die endgültige Stichprobe schließlich 4.605 Personen aus der Altersgruppe 18 bis 64 Jahre und 283 Personen aus der Gruppe 65 bis 79 Jahre. Personen, die seit der letzten Aktualisierung des Verzeichnisses verstorben waren, Personen, die sich während des gesamten Referenzzeitraums im Ausland aufhielten, Personen, die in Einrichtungen lebten, Schwerkranke und Personen, die aufgrund von Sprachproblemen nicht befragt werden konnten, wurden als Überquote betrachtet. Die Befragungen Zu dem Material der Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 gehörten der CAPI-Fragebogen (CAPI = Computer Assisted Personal Interview) sowie dessen gedruckte Fassung, Antwortkarten, Anweisungen für die Interviewer, eine Broschüre zu der Erhebung, ein Begleitschreiben und ein Schreiben an Personen, die eine Teilnahme abgelehnt hatten, sowie Aufgaben, mit deren Hilfe sich die Interviewer mit der Erhebung vertraut machen konnten. Außerdem wurde für die Interviewer eine eintägige Schulung veranstaltet, wo in erster Linie über den Zweck, die Ziele und den Nutzen der Erhebung informiert wurde und die Bedeutung und Absichten bestimmter Schlüsselfragen erläutert werden sollten. Außerdem sollte eine Übereinkunft mit den Interviewern dahingehend erzielt werden, welche Maßnahmen in praktischen Befragungssituationen nach Meinung der Interviewer möglich sind, welche zulässig sind und in welchen Fällen die Qualitätsanforderungen eine Einhaltung der detaillierten Anweisungen notwendig machen. Ein Großteil der Schulung war der Diskussion der praktischen Feldarbeit und den Möglichkeiten gewidmet, wie die Befragten zur Beantwortung der Fragen motiviert werden können. Die Daten der Erhebung zur Erwachsenenbildung wurden im Rahmen von rechnergestützten persönlichen Befragungen (CAPI) gesammelt, die von ungefähr 150 Interviewern von Februar bis Juni 2000 durchgeführt wurden. Die Befragungen fanden auf Finnisch und Schwedisch statt, da der Stichprobe entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung des Landes finnisch- und schwedischsprachige Personen angehörten. Im letzten Datensammlungsabschnitt der Erhebung zur Erwachsenenbildung gaben die Interviewer Feedback darüber, wie gut die Feldarbeit bis dahin vonstatten gegangen war. Auf diese Weise sollten Informationen gewonnen werden, die bei der Analyse und Bewertung der Qualität des Materials von Nutzen sein könnten, und Ideen für eine Weiterentwicklung der Inhalte und Hilfsmittel für die nächste mögliche Erhebung zur Erwachsenenbildung gesammelt werden. Die Ergebnisse wurden in Form eines Berichts veröffentlicht. 160 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Die Beantwortungsrate bei dieser Erhebung Die Nichtbeantwortungsrate war bei der Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 höher als bei vorangegangenen entsprechenden Erhebungen. In der Altersgruppe 18 bis 64 Jahre lag die Beantwortungsrate bei 74 Prozent und in der Altersgruppe 65 bis 79 Jahre bei 64 Prozent. Sogar besondere Anstrengungen, die Nichtbeantwortungsrate so niedrig wie möglich zu halten, konnten das Ergebnis nicht verbessern. Spezielle Aufmerksamkeit wurde darauf gelegt, die Motivation der Befragten zu erhalten, und die Feldeinheit der Befragungs- und Erhebungsdienststellen stellte ein eigenes Programm für die Umsetzung und Entwicklung von Maßnahmen auf, die eine Nichtbeantwortung verhindern sollten. Regionale Interviewergruppen bearbeiteten Fälle von Nichtbeantwortung und diskutierten Methoden, Verweigerer von einer Teilnahme zu überzeugen. Die ursprünglich für die Feldarbeit veranschlagte Zeit wurde sogar etwas verlängert. Die Ergebnisse der Analyse der Nichtbeantwortung zeigen, dass die durch die Befragungen in der Altersgruppe 18 bis 64 Jahre gewonnenen Daten insgesamt recht gut der Bevölkerung entsprechen. In die Erhebungsdaten eingeführte Gewichtungskoeffizienten haben geringe Asymmetrien in Bezug auf Bildungsniveau und Wohnort bereinigt. Bei der Altersgruppe 65 bis 79 Jahre lassen sich die zwischen der Bevölkerung und den Befragten beobachteten Unterschiede weitgehend durch die geringe Stichprobengröße und die hohe Nichtbeantwortungsrate erklären. Die Stichprobe älterer Menschen kann nicht in Bezug auf die Hintergrundvariablen mehrerer Kategorien analysiert werden. Die Daten wurden unter Verwendung der so genannten Kalibrierungsmethode gewichtet. Auf die Analyse der Nichtbeantwortung und die Gewichtung der Daten wird gesondert im Zusammenhang mit dem Bericht über die Qualität der Erhebung eingegangen. 3.4 Veröffentlichung der Erhebungsergebnisse Vorläufige Erhebungsergebnisse sind auf der Website von Statistics Finland veröffentlicht (http://tilastokeskus.fi/tk/he/aku00_ennakko1_en.html). Diese Seite enthält auch einen Link zum Fragebogen. Mit der Analyse der Erhebungsdaten wurde bereits begonnen, aber der größte Teil der Berichterstattung wird in das Jahr 2002 fallen. Die Service-Datei für externe Forscher wird im Frühherbst 2001 fertiggestellt. Vorbehaltlich separater Vereinbarungen über Nutzungsrechte kann die Datei Universitäten und Forschungseinrichtungen für statistische und Forschungszwecke überlassen werden. Die Nutzer entsprechender Dateien von vorangegangenen Erhebungen zur Erwachsenenbildung haben ungefähr 100 Forschungsberichte und Artikel veröffentlicht, die auf den Daten dieser Dateien basieren. 4. Probleme und Weiterentwicklungsbedarf bei der Erhebung zur Erwachsenenbildung Inhalte und Qualität der Erhebung Sowohl die Befragten als auch die Interviewer haben sich dazu geäußert, wie mühselig und ermüdend der Fragebogen sei und wie stark er sich wiederhole. Aus technischen Gründen legt der Fragebogen großes Gewicht auf die formale Bildung und Ausbildung sowie auf die genaue Benennung der in Frage kommenden Bildungseinrichtungen. Vorerst werden auch Informationen über Ausbildungsträger benötigt, da die Statistiken von Organisationen Informationen über die Zahl der Einschreibungen, nicht aber über die Personen liefern, die wirklich teilgenommen haben. Die Erhebung zur Erwachsenenbildung hat Anhaltspunkte für die tatsächliche Zahl der Lernenden an bestimmten Bildungseinrichtungen geliefert. Mit den im Rahmen der Erhebung zur Erwachsenenbildung erhaltenen Informationen sollen Veränderungen hinsichtlich der Beteiligung an und den Einstellungen zu Bildung und Ausbildung beschrieben werden, weshalb es notwendig ist, ähnliche Indikatoren zu verwenden und die entsprechenden Abänderungen gering zu halten. Daher haben wir beschlossen, die Grundstruktur des Fragebogens unverändert zu lassen und neue Fragen zu aktuellen Themen hinzuzufügen. Fragen nach quantitativen Informationen waren besonders problematisch. So waren beispielsweise Fragen nach der Zahl der vollendeten Ausbildungsjahre sowie nach der Zahl der an Erwachsenenbildungsmaßnahmen teilgenommenen Tage aufgrund unterschiedlicher Unterrichtsformen für die Befragten schwer zu beantworten. Dasselbe Problem ist in der zweiten in Finnland durchgeführten internationalen Erhebung zu den Lese-, 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 161 INHALT eurostat Schreib- und Rechenfertigkeiten Erwachsener (Second International Adult Literacy Survey - SIALS) aufgetreten. In den Erhebungen zur Erwachsenenbildung wurden die Befragten um Angabe der Zahl der an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen teilgenommenen Tage gebeten. Die allgemeine Richtschnur lautete, dass ein Ausbildungstag normalerweise sechs Unterrichtsstunden umfasst. Bei der Erhebung zur Erwachsenenbildung 2000 ging es bei dieser Frage sowohl um Tage als auch um Stunden, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie die Betreffenden die Zahl der teilgenommenen Tage berechnen. So weist z. B. die Verteilung der Stundenzahl aufgrund der Daten des International Adult Literacy Survey (IALS) darauf hin, dass die Befragten mehrerer Länder die Zahl der Unterrichtsstunden pro Ausbildungstag auf acht Stunden veranschlagten. Um die Qualität des Indikators „teilgenommene Stunde“ zu evaluieren, benötigen wir gründliche kognitive Tests, wie die Betreffenden in der Praxis zu ihren Antworten kommen und wie sie die Zahl der besuchten Unterrichtsstunden addieren. Die teilgenommene Stunde als Indikator hat auch noch andere Nachteile. Teilgenommene Stunden sind nur ein Teil der Ausbildung insgesamt, die normalerweise auch das selbständige Arbeiten des Lernenden einschließt. Dazu gehört es unter Umständen, sich mit der einschlägigen Literatur vertraut zu machen oder Essays zu schreiben, genauso wie unterschiedliche Formen des Lernens, z. B. das Fernstudium. Der Anteil und die Bedeutung selbständigen Lernens kann bezogen auf das Ausbildungsergebnis erheblich größer sein als der Anteil oder die Bedeutung der besuchten Unterrichtsstunden. Die Zahl der Stunden sagt weder etwas über die Qualität noch über die Ergebnisse des Lehrens und Lernens aus. Der für die Untersuchung von Erwachsenenbildungsmaßnahmen und selbstgesteuertem Lernen herangezogene Referenzzeitraum waren die der Befragung vorangegangenen 12 Monate. Die Wahl des bestmöglichen Referenzzeitraums steht im Zusammenhang mit den Inhalten, aber auch mit der Methodik. Der Referenzzeitraum von einem Jahr (12 Monaten) erlaubt Schätzungen auf jährlicher Basis. Es ist leichter auf Zeiträume von einem Jahr bezogene Schätzungen zu interpretieren und mitzuteilen; außerdem werden sie für die politische Entscheidungsfindung benötigt. Andererseits erhöht der lange Referenzzeitraum das Risiko von Messfehlern, so dass umfassende kognitive Tests notwendig wären, um den besten Referenzzeitraum zu ermitteln, insbesondere was die Erinnerung an Ausbildungsereignisse anbelangt. Sollte ein kürzerer Referenzzeitraum wegen des eventuellen Auftretens von Messfehlern gerechtfertigt sein, müssten wir in der Lage sein, eine Methode zu entwickeln, mit der man zu Schätzungen auf Jahresbasis gelangen könnte. In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass Ausbildungs- und Lernereignisse nicht in allen Monaten, Wochen und Tagen des Jahres gleichmäßig verteilt sind. Intensive Lernphasen variieren auch je nach der Berufsgruppe des Betreffenden, den angewandten Unterrichts-/Lernmethoden und anderen ähnlichen Faktoren. Im Bereich der wissenschaftlichen Arbeitsmarktstudie wurde vorgeschlagen, in dem Fragebogen einen dynamischeren Ansatz im Hinblick auf das Arbeitsleben und das Leben im Allgemeinen zu verfolgen. Dies könnte dadurch geschehen, dass man sich statt auf allgemeine Fragen zur beruflichen Laufbahn auf wichtige Veränderungen im Leben in jüngster Vergangenheit und in der Zukunft konzentriert. Folgende Fragen wurden gestellt: Welche Übergänge waren im Arbeitsleben typisch und welche individuellen Ausbildungslösungen waren in diesem Zusammenhang wichtig, welche Erfahrungen wurden mit vorhandenen soziopolitischen Maßnahmen gesammelt, und auf welche Weise waren die Familie und der Arbeitgeber an den Entscheidungen beteiligt, die für das Leben des Betreffenden von Bedeutung sind. Bei der Erhebung zur Erwachsenenbildung geht es nicht um Hobbys oder um die Teilnahme an Organisationen oder freiwilliger/ehrenamtlicher Arbeit. Was das Lesen anbelangt, war nur das Lesen von Fachliteratur Gegenstand der Untersuchung. Die Bedeutung des informellen Lernens für das Leben des Einzelnen sollte in zukünftigen Erhebungen mehr inhaltliches Gewicht bekommen. Die Analyse der Fragen des Fragebogens aus dem Jahr 2000 über das alltägliche Lernen wird wahrscheinlich neue Erkenntnisse und Ideen für die Entwikklung eines Maßes für das informelle Lernen bringen. Außerdem sollten die Fragen zur Bildung von sozialem Kapital genauer untersucht werden. In Zukunft sollte auch überlegt werden, ob es möglich ist, mit der Befragung echte Bewertungen der Kenntnisse und Fertigkeiten zu verbinden, zusätzlich zu den Selbstevaluierungsindikatoren. Neben den Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen wären Problemlösungsfähigkeiten und Fremdsprachenkenntnisse interessante Untersuchungsgebiete. 162 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Stichprobengröße, Methodik und Beantwortungsrate Die geringe Stichprobengröße dieser Erhebung schränkt die Analysen ein - Studien über Sondergruppen und Regionen können bei der derzeitigen Stichprobengröße nicht in erforderlichem Umfang durchgeführt werden. Die Größe der Stichprobe erlaubt uns darüber hinaus keine Untersuchung der Auswirkungen der erhaltenen Ausbildung nach Ausbildungstyp. Diese Analysen verlangen getrennte Folgeuntersuchungen. Zurzeit ist es nicht möglich, die Stichprobe zu vergrößern. Die Kosten der Erhebung sind gegenwärtig recht hoch, da die Daten mittels persönlicher Befragungen gesammelt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Qualität der Erhebung wurden persönliche Befragungen als notwendig erachtet, denn der Fragebogen ist kompliziert und umfassend. Bei den Befragungen wurden mehrere Antwortkarten verwendet, und die Interviewer sind darin geschult, den Befragten dabei zu helfen, die Bedeutung der Sachfragen zu verstehen und sich schwierige Dinge ins Gedächtnis zu rufen. Aufgrund des breit gefächerten Inhalts des Fragebogens dauerte die Befragung im Schnitt eine Stunde, was für eine Telefonumfrage zu lang ist. Zehn Prozent der Befragungen dauerten mindestens eineinhalb Stunden. Die Anwendung persönlicher Befragungen als Erhebungsmethode ist auch durch den Erhalt vergleichbarer Daten in Bezug auf frühere Erhebungsjahre gerechtfertigt. Würde man mit der Durchführung telefonischer Umfragen beginnen, käme man wahrscheinlich zu Schätzungen, die auf einer geringeren Teilnahme beruhten. Es gibt einen deutlichen technischen Unterschied zwischen persönlichen Befragungen und Telefonumfragen: kurze, schnelle Telefonumfragen geben dem Befragten nicht die Möglichkeit, gründlich und ausführlich über die zurückliegenden Ereignisse nachzudenken. Auch werden lange Sprechpausen am Telefon als unangenehm empfunden, und bei Telefonumfragen zu verwendende Fragen sollten schnell beantwortet werden können, so dass die Umfrage reibungslos über die Bühne geht. Der Rückgang der Beantwortungsrate seit 1995 ist eine ernste Angelegenheit. Obwohl eine fehlende Bereitschaft zur Beantwortung von Fragen bei heutigen Umfragen und Befragungen normal ist, sollten wir uns stärker darum bemühen, die Befragten zu motivieren. Sogar die ausgereiftesten Gewichtungsmethoden können Zweifel an der Qualität einer Erhebung mit hoher Nichtbeantwortungsrate nicht ausräumen, wenn es darum geht, veränderte Einstellungen bei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu untersuchen. Im Zusammenhang mit der Erhebung zur Erwachsenenbildung ist es entscheidend, Informationen über Personen zu erhalten, die nicht an Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen haben und deren Bedürfnis und Motivation in puncto Ausbildung sehr gering sind. Es gilt allgemein für Befragungen zum Thema Bildung und Ausbildung, Lernen und Kompetenz, dass diese Menschen am schwierigsten zu erreichen und am schwierigsten davon zu überzeugen sind, an der Erhebung teilzunehmen. Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Planungs- und Analyseprozesses der Erhebung Bei der Planung, Analyse und Berichterstattung im Rahmen der Erhebung zur Erwachsenenbildung haben wir mit Forschern unterschiedlicher finnischer Hochschulen zusammengearbeitet. Doch könnten die Daten noch von breiteren Forscherkreisen verwendet werden, aber ihre Vermarktung ist wohl nicht so erfolgreich gewesen. Erstens ist es uns nicht gelungen, die Forscher von der Bedeutung umfassender quantitativer Daten zu überzeugen. Das qualitative Forschungsparadigma ist in den Sozialwissenschaften und vor allem in der Erziehungswissenschaft vorherrschend, und Hochschulforscher haben kein großes Interesse und sind darüber hinaus nicht immer ausreichend befähigt, umfassendere empirische Erhebungsdaten zu verwenden. Zweitens sollten wir versuchen, jene Kooperations- und Diskussionsformen weiterzuentwickeln, die für die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft benötigt werden. Wir sollten jetzt damit beginnen, gemeinsam die Ergebnisse und Resultate zusammenzustellen, zu denen unterschiedliche Forscher auf der Grundlage der Daten der Erhebung zur Erwachsenenbildung gekommen sind. Dies ist nicht nur für die Nutzer dieser Daten wichtig, sondern auch für die Durchführung künftiger Analysen. Untersuchungen in der Zukunft sollten auf Bereiche ausgerichtet sein, wo der Informationsbedarf am größten ist und wo die angefertigten Analysen unzureichend sind. Zweck der Erhebung zur Erwachsenenbildung ist nicht die Beschaffung von Informationen über Ausbildungskosten, über die Bemühungen von Arbeitgebern zur Verbesserung ihres betrieblichen Humankapitals oder über die Ausbildungsstrategien der Arbeitgeber und ihre Einstellungen zum Thema Ausbildung. Derartige Informationen lassen sich am besten mit einer auf die Arbeitgeber zielenden Befragung erheben, wobei die wichtigste 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 163 INHALT eurostat auf diesem Gebiet das Projekt zur Erhebung von Daten zur beruflichen Weiterbildung (CVTS - Continuing Vocational Training Survey) ist, womit die europäischen Länder erfasst werden. Außer zur Analyse des Lernens der erwachsenen Bevölkerung und ihrer Beteiligung an Bildung und Ausbildung mittels mehrerer Datensammlungen sollten die Daten auch für die Spezifizierung von Fragen verwendet werden, die von der Forschungsmethode her interessant sind. Es sollte untersucht werden, in welchem Umfang unterschiedliche Datenerhebungsmethoden gleich viele Informationen über ein und dasselbe Phänomen produzieren und wo die größten Unterschiede liegen. Wir sollten ferner mehr Studien durchführen, die für die gemeinsame Nutzung der Erhebungs- und Verzeichnisdaten gedacht sind. Bedeutung internationaler Referenzen Die Entwicklung von Indikatoren, die internationale Vergleiche ermöglichen, ist wichtig, um eine Referenzgrundlage für Daten über das eigene Land zu erhalten. Die Indikatoren können Verbindungen zu anderen Ländern aufzeigen, aber sie können auch herangezogen werden, um für das eigene Land und die eigene Kultur typische Besonderheiten zu erkennen. Die Vergleiche helfen zu verstehen, welche politischen Maßnahmen effektiv waren und welche die gewünschten Ergebnisse gebracht haben. Bestenfalls stimulieren die Indikatoren eine positive Debatte, die einen offenen Erfahrungsaustausch und das Lernen aus diesen Erfahrungen ermöglicht. Bedeutende Kosteneinsparungen können durch eine internationale Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Indikatoren erzielt werden. Eine solche Kooperation verhindert, dass dieselben Maßnahmen und Fehler in unterschiedlichen Ländern wiederholt werden, das Fachwissen wird gebündelt, und die von den an der Entwicklung beteiligten Forschern und Experten geleistete Arbeit kann rationalisiert werden. Das ist für ein kleines Land wie Finnland eine ganz wichtige Frage. Internationale Vergleiche und die als deren Grundlage verwendeten Indikatoren müssen auf dem Fundament und den Erfahrungen, die bereits vorhandenen sind, aufbauen. Eurostat hat internationale Zusammenfassungen zum Thema Erwachsenenbildung herausgegeben, wofür die Daten der in den europäischen Ländern durchgeführten Erhebungen verwendet wurden (1. Erhebung zur beruflichen Weiterbildung/CVTS1, EU-Arbeitskräfteerhebung/European Labour Force Survey und Europäisches Haushaltspanel/ European Community Household Panel). Die OECD hat Zusammenfassungen über mehrere Länder in ihren eigenen Publikationen veröffentlicht (z. B. Bildung auf einen Blick, Education Policy Analysis und Employment Outlook). Bei diesen Publikationen liegt der Schwerpunkt auf der arbeitsplatz- oder berufsbezogenen Bildung und Ausbildung Erwachsener. Umfassendere Informationen zur Beteiligung an der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung sind in den Berichten über die Erhebung zu den Fertigkeiten Erwachsener im Lesen, Schreiben und Rechnen (International Adult Literacy Survey - IALS) enthalten, die sich insbesondere jedoch auf diese Fertigkeiten beziehen. Die Daten wurden auch für gründlichere Analysen in folgenden Sonderberichten verwendet: Belanger, P. & Valdivieso, S. (Hrsg.) 1997. The Emergence of Learning Societies: Who Participates in Adult Learning?; Belanger, P. & Tuijnman, A. (Hrsg.) 1997. New Patterns in Adult Learning: A Six-Country Comparative Study; und Tuijnman, A. & Hellström, Z. (Hrsg.) 2001. Nordic Adult Education Compared. Interessante Ergebnisse werden von der gegenwärtig in den OECD-Ländern durchgeführten Erhebung zur Erwachsenenbildungspolitik mit dem Titel „Thematic Review on Adult Learning” erwartet. Bei der Erstellung der Hintergrundberichte mussten die Länder ihre herkömmliche Untersuchung der Beteiligung an der Erwachsenenbildung stärker auf das informelle Lernen ausrichten. Die oben genannten Analysen sind nichtdestoweniger durch die Tatsache von Bedeutung, dass sie auch wichtige unterschiedliche Schwierigkeiten bei einem Vergleich der Länder deutlich machen. Das liegt zum Teil daran, dass die Indikatoren in den einzelnen Ländern auf unterschiedliche Weise verwendet wurden, dass sich die Begriffe und Klassifikationen unterscheiden usw., und hat anderseits damit zu tun, dass quantitative Indikatoren in einigen Fällen keine kulturellen Besonderheiten berücksichtigen. Die Eurostat-Taskforce zur Messung des Lebenslangen Lernens hat erfolgreich die im Bereich lebenslanges Lernen und Erwachsenenbildung bereits gesammelten Erfahrungen genutzt. Das Memorandum der Taskforce hat die auf europäischer Ebene vorhandenen Datenerfassungssysteme vorgestellt, die schon jetzt einige der Fragen im Zusammenhang mit dem lebenslangen Lernen untersuchen. Die Taskforce hat ferner einen Vor164 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat schlag unterbreitet, wie die gegenwärtigen Datenerhebungssysteme weiterentwickelt werden können, um dem Prinzip des lebenslangen Lernens stärker Rechnung zu tragen, und wie die Entwicklungsarbeit bei Eurostat fortgesetzt werden sollte. In dem Bericht wird ein deutlicher Bedarf an international vergleichbaren Informationen nachgewiesen, um eine ausreichend einheitliche Verwendung von Begriffen, Definitionen, Klassifikationen und Forschungsmethoden sicherzustellen. Mit Hilfe ihres INES-Netzwerks B hat die OECD ein Projekt ins Leben gerufen, das ein so genanntes Fragenmodul zur allgemeinen und beruflichen Weiterbildung (CET) entwickeln soll, welches in die in den unterschiedlichen Ländern durchzuführenden Haushaltserhebungen aufgenommen werden kann. Dieses Projekt arbeitet mit Eurostat zusammen. Dieses Seminar hier ist auch ein Beispiel für das Interesse und den Bedarf an Diskussion und Erfahrungsaustausch zu Fragen der Messung und Entwicklung des lebenslangen Lernens. Die Diskussion und Entwicklung von Indikatoren sollte von dem Ziel geleitet werden, zuverlässige Informationen zu erzeugen, die verwendet werden könnten, um die politische Entscheidungsfindung zu unterstützen, wenn es um eine Verbesserung des Wohlergehens, der Lebensqualität, des Erfolgs und der Chancengleichheit der Bürger geht. Literaturhinweise: Aittola, T. – Koikkalainen, R. – Vaherva, T. 1997. Aikuisten oppiminen arkielämän ympäristöissä. (Überlegungen zum alltäglichen Lernen Erwachsener; auf Finnisch). University of Jyväskylä: Publications of the Faculty of Education 6. Belanger, P. & Tuijnman, A. (Hrsg.) 1997. New Patterns in Adult Learning: A Six-Country Comparative Study. Pergamon Press, Oxford. Belanger, P. & Valdivieso, S. (Hrsg.) 1997. The Emergence of Learning Societies: Who Participates in Adult Learning? Pergamon Press, Oxford. Blomqvist, I., Niemi, H. and Ruuskanen, T. 1999. Adult Education Survey 1995. Participation in Adult Education and Training in Finland. Statistics Finland, Edita, Helsinki. Borkowsky, A. 2000. Indicators on Continuing Education and Training. In the Compendium for the OECD INES (Indicators of Educational Systems) General Assembly in Tokyo, September 2000. Europäische Kommission. 2000. Memorandum über lebenslanges Lernen. Generaldirektion Bildung und Kultur. Europäische Kommission. 2001. Eurobarometer. Die öffentliche Meinung in der Europäischen Union. Bericht Nr. 54. Eurostat. 2001. Bericht der Eurostat-Taskforce zur Messung des Lebenslangen Lernens. Hörner, W. & Ru(, I. 2000. Monitoring lifelong learning – towards the construction of indicators. Für die Sitzung der INES-Technikgruppe im Mai 2000 in Berlin verfasstes Papier. Nordhaug, O. 1991. The Shadow Education System. Oslo, The Norwegian University Press. OECD. 1999. Employment Outlook. Paris. OECD. 2000. Bildung auf einen Blick. OECD Indikatoren. Ausbildung und Kompetenzen. Paris. OECD. 2001. Education Policy Analysis. Education and Skills. Paris. OECD and Statistics Canada. 2000. Literacy in the Information Age: Final Report of the International Adult Literacy Survey. Paris and Ottawa. Tuijnman, A. & Hellström, Z. (Hrsg.) 2001. Nordic Adult Education Compared. (In Druck) The Joy of Learning. A national strategy for lifelong learning. 1997. Committee Report 1997:14, Ministry of Education, Finland. Edita, Helsinki. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 165 INHALT eurostat LEBENSLANGES LERNEN MESSEN MURRAY Scott Director General Statistics Canada R.H. Coats Bldg Tunney’s Pasture Ottawa, Ontario CANADA [email protected] 1. Einführung Der folgende Beitrag wurde für das 14. Seminar des Europäischen Beratenden Ausschusses für statistische Informationen im Wirtschafts- und Sozialbereich (CEIES) “Lebenslanges Lernen messen” verfasst. Er ist der Versuch einer Darstellung des künftigen Bedarfs an Informationen zum Thema lebenslanges Lernen aus der Perspektive von Statistics Canada als Produzent amtlicher Statistiken. In seiner Eigenschaft als nationales statistisches Amt der kanadischen Regierung ist Statistics Canada verantwortlich für ein stark zentralisiertes System amtlicher Statistiken im Wirtschafts- und Sozialbereich. Weitere Informationen oder Erläuterungen sind erhältlich bei: T. Scott Murray Director General Institutional and Social Statistics Statistics Canada 17-B R.H. Coats Building Tunney’s Pasture Ottawa, Ontario Canada K1A 0T6 Telefon: 613 951 9035 Fax: 613 951 9040 E-Mail: [email protected] 2. Organisatorischer Rahmen und Zielsetzung des Arbeitsprogramms von Statistics Canada zum Thema lebenslanges Lernen Die Arbeit von Statistics Canada zum Thema lebenslanges Lernen hat ihren konzeptionellen Ursprung in unserem Interesse am Human- und Sozialkapital: Erfassung des verfügbaren Bestands, Beobachtung der Zu- und Abgänge und Erkenntnis ihres positiven und negativen Beitrags zu den wirtschaftlichen und sozialen Ergebnissen auf individueller und aggregierter Ebene. Dabei verstehen wir Humankapital im Sinne der OECD-Definition als die im Individuum verkörperten arbeitsmarktrelevanten Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen und sonstigen Attributmerkmale und Sozialkapital im Sinne von Coleman als die Netzwerke, Normen und das Vertrauen, die eine größere Wirksamkeit der sozialen Akteure und Institutionen ermöglichen. Bei unserer Arbeit konzentrieren wir uns im Allgemeinen auf Fertigkeiten und Kompetenzen als Ersatzgrößen für Humankapital und auf Transaktionsnetze und soziale Hilfsnetze als Ersatzangaben für Sozialkapital. Wie 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 167 INHALT eurostat bereits erwähnt befassen wir uns vorzugsweise damit, den Bestand und die Zu-/Abgänge an Fertigkeiten sowie die Lernergebnisse der verschiedenen Lern- und Lebensbereiche einschließlich des formellen Bildungssystems zu messen. 3. Verwendungsmöglichkeiten Die Nützlichkeit statistischer Informationen lässt sich nur anhand ihrer Verwendungsmöglichkeiten beurteilen. Die für die Produktion, Analyse und Verbreitung amtlicher Statistiken Verantwortlichen haben eine Vielzahl von Klassifizierungen ihres Outputs entwickelt (Overgaag und Godeburre, 1988), die für die Beurteilung des gegenwärtigen Erhebungsbereichs und Designs des Statistikprogramms von Statistics Canada zum Thema Fertigkeiten und Lernen herangezogen werden können. Die grundlegendste Klassifizierung definiert die Verwendung anhand von zwei Dimensionen: dem erforderlichen Abstraktions- bzw. Aggregationsgrad der Informationen und der Ebene, auf der die Informationen verwendet werden. Die aus statistischer Sicht anspruchsvollsten Verwendungszwecke sind diejenigen, die mit der Datenerfassung auf individueller Ebene für die Verwendung auf individueller Ebene verbunden sind. Die Anforderungen an die Beweismittel, die im Rahmen von Ermittlungen in Mordfällen vorgelegt werden, verlangen beispielsweise, dass die Erfassung der Primärdaten einer Person der Feststellung der Schuld einer bestimmten Person dienen muss. Das andere Ende des Spektrums bilden die wesentlich weniger anspruchsvollen Anwendungen, bei denen stark aggregierte Daten erforderlich sind, um subjektive Bestimmungen zu ganzen Bevölkerungen vorzunehmen. So werden z. B. im Bericht über die menschliche Entwicklung einige wenige statistische Schätzungen zu einem umfassenden Index für die menschliche Entwicklung zusammengefasst, anhand dessen der Fortschritt ganzer Nationen charakterisiert und verglichen wird. Zwischen diesen beiden Extremen liegen eine Vielzahl von Statistikanwendungen, die mittlere Erfassungs- und Aggregationsgrade erfordern. Das Employment Insurance Program der kanadischen Regierung bestimmt z. B. die Leistungsberechtigung und die Höhe der Leistungsbezüge des Einzelnen anhand der geschätzten Arbeitslosenquoten für die einzelnen Wirtschaftsregionen, die Statistics Canada in seiner monatlichen Arbeitskräfteerhebung vorlegt. Im Allgemeinen benötigen die Nutzer eine oder mehrere der folgenden Arten statistischer Informationen: Schätzungen der Anzahl Personen, denen eine bestimmte Menge von Merkmalen gemeinsam ist, und zwar für eine definierte Menge geografischer Einheiten. Aus statistischer Sicht sind für die Erstellung zuverlässiger Punktschätzungen dieser Art relativ umfangreiche Stichproben in der Größenordnung 100-400 Fälle pro Zelle erforderlich. Schätzungen der Beziehung zwischen den Schlüsselvariablen für die Gesamtbevölkerung und für wichtige Bevölkerungsgruppen. Anhand von Längsschnittdaten können Erkenntnisse darüber gewonnen werden, inwieweit der Status zu einem bestimmten Zeitpunkt in späteren Lebensphasen beobachtete Zustände bedingt.1 Beziehungen von sozialer Bedeutung können im Allgemeinen mit Stichprobengrößen von weniger als 100 Fällen pro Zelle geschätzt werden. Informationen, die eine gewisse Vorstellung von der sozialen Bedeutung der beobachteten Beziehungen vermitteln, d. h. davon, ob sie mit Ergebnissen verknüpft sind, die soziale oder wirtschaftliche Folgen positiver oder negativer Art mit sich bringen; Informationen, die eine gewisse Vorstellung davon vermitteln, inwieweit die beobachteten Beziehungen deterministisch sind bzw. inwieweit die Ergebnisse durch bewusstes Handeln/bewusste Wahl modifiziert werden können. Trendmessungen, die häufig benötigt werden, um festzustellen, ob sich eine bestimmte Situation verbessert (oder verschlechtert). 1 Retrospektive Erhebungen könnten zwar potenziell dieselben Informationen liefern, tun es jedoch nur selten, weil im Allgemeinen nur die wichtigsten Ereignisse des Lebens aufgezeichnet werden. Weniger nachhaltige Ereignisse, insbesondere solche mit sozialen Bezügen, werden in solchen Erhebungen üblicherweise nicht erfasst. 168 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Das Arbeitsprogramm von Statistics Canada zum Thema Fertigkeiten und Lernen soll den Interessen und dem Informationsbedarf eines breiten Spektrums von Nutzern und Verwendungszwecken gerecht werden, u. a. dem Informationsbedarf der politischen Entscheidungsträger Kanadas. Man sollte sich diesen Bedarf in zwei Dimensionen vorstellen: Die Arbeit von Statistics Canada in diesem Bereich erfasst sowohl die Dimension lebenslang (“von der Wiege bis zum Bahre”) als auch die Dimension lebensweit, wodurch anerkannt wird, dass Lernen in zahlreichen Lebensbereichen stattfindet. Letztere Dimension beinhaltet, dass Lernen über den traditionellen Bereich des formellen Bildungssystems hinaus gemessen werden muss, um das frühkindliche Lernen im Rahmen der Familie ebenso einzubeziehen wie das Lernen am Arbeitsplatz, in der Gemeinschaft und das individuelle Lernen. Erstens versuchen wir zu verstehen, welchen Beitrag Qualifikation zum Wirtschaftswachstum auf der Ebene des Individuums, des Unternehmens, der Gemeinschaft und auf aggregierter Ebene leistet. Die Globalisierung der Märkte und der damit für die Unternehmen verbundene Wettbewerbsdruck haben zu einer Vereinheitlichung der Arbeitsorganisation und der Produktionstechnologie geführt. Dadurch ist der Qualifikationsbedarf gestiegen und die Bedeutung des Humankapitals als Instrument der staatlichen Politik hat zugenommen. Die makroökonomische Theorie auf diesen Gebieten ist noch nicht weit gediehen. Beispielsweise lassen Wirtschaftswachstumsmodelle das Sozialkapital im Allgemeinen völlig außer Acht, und in Modellen, die das Humankapital explizit einbeziehen, werden Messungen des Bildungsstands als Ersatzangaben für die Qualität der Arbeitskräfte verwendet. Leider hat der Bildungsstand statistisch betrachtet wenig damit zu tun, was der Einzelne oder eine Gemeinschaft tatsächlich leisten kann, und ist damit ein schlechter Proxy-Indikator für das Human- und das Sozialkapital auf beiden Ebenen. Nichtsdestotrotz scheint auf diese Weise gemessenes Humankapital mehr Einfluss auf die Wirtschaftswachstumsraten zu haben als bisher angenommen wurde. Auch mikroökonomische Theorien, die das Verhalten von Unternehmen zu erklären suchen, betrachten im Allgemeinen den technischen Wandel als die Triebkraft und argumentieren, er sei qualifikationsbestimmt (“skill-biased technical change”). Verfügbare direkte Qualifikationsmessungen deuten darauf hin, dass das Humankapital, insbesondere das Qualifikationsniveau des durchschnittlichen Arbeitnehmers, von weit größerer Bedeutung für das Erreichen eines hohen Grades an technischer Innovation ist als bisher angenommen wurde. Zweitens versuchen wir, Aufklärung über die Rolle von Qualifikation bei der Entwicklung sozialer Ungleichheiten in den wirtschaftlichen Ergebnissen zu erhalten. Qualifikation scheint einen wichtigen Einfluss zu haben: Hoch qualifizierten Arbeitskräften eröffnen sich wirtschaftliche Chancen, während die Chancen gering qualifizierter Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang untersuchen wir auch, inwieweit mangelnde Qualifikation ein Hindernis für das Lernen im Erwachsenenalter darstellt, insbesondere, wie Qualifikation den Zugang zu Weiterbildung am Arbeitsplatz beeinflusst. Aus Nordamerika liegen Hinweise vor, dass Arbeitgeber dazu neigen, Fortbildungsmaßnahmen den Fähigsten zukommen zu lassen, wodurch Ungleichheiten der wirtschaftlichen Ergebnisse im Laufe der Zeit noch verschärft werden. Die politischen Entscheidungsträger in Kanada beschäftigt die Notwendigkeit zum Eingreifen, um diese “Marktschwäche” auszugleichen, sehr. Drittens konzentrieren wir uns darauf zu begreifen, inwieweit die Qualifikationsmärkte funktionieren, insbesondere darauf, wie effizient Arbeitsmärkte in der Lage sind, Qualifikationsangebot und Qualifikationsnachfrage in Einklang zu bringen. Wie bereits erwähnt bemühen sich Arbeitsmarktwissenschaftler seit dreißig Jahre um empirische Belege für Beckers Humankapitaltheorie, wobei sie zu einem großen Teil Bildungsstand und Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt als Ersatzangaben für tatsächliche Qualifikation verwenden. Dies hat zur Formulierung immer komplexerer Theorien geführt: über segmentierte Arbeitsmärkte, falsche Informationssignale, “Credentialism” und, der schlimmste Fall, weit verbreitete systematische Diskriminierung. Jede dieser Theorien hat eine Unmenge wohlmeinender politischer Maßnahmen seitens des Staates ausgelöst, in einigen Fällen in ganz großem Maßstab. Leider brechen viele der diesen Maßnahmen zugrunde liegenden Theorien in sich zusammen, wenn man ihnen objektiv getestete Qualifikationsmessungen gegenüberstellt. Diese Daten deuten darauf hin, dass die Arbeitsmärkte und insbesondere die Arbeitgeber durchaus in der Lage sind, Qualifikation entsprechend der Grenzproduktivität, die sie mit sich bringt, zu erkennen und zu belohnen. Während es beunruhigend ist, dass sich ein großer Teil der staatlichen Arbeitsmarktpolitik in den letzten Jahren von diesen empirischen Schimären hat leiten lassen, verwandeln sich viele strittige und politisch aufgeladene Themen durch die neuen Belege in leichter zu bewältigende Probleme des Bildungszugangs. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 169 INHALT eurostat Viertens versuchen wir, die soziale Verteilung der Lernchancen und der Hindernisse, die einer Teilnahme an der Erwachsenenbildung im Wege stehen, zu erkennen. Das Lernen im Erwachsenenalter ist eine entscheidende Quelle für den Ausbau des Bestands an Fertigkeiten, der der Wirtschaft zur Verfügung steht, und eröffnet den Teilnehmern den Zugang zu höheren Löhnen und Gehältern. Allerdings ist offenkundig, dass viele Bevölkerungsgruppen erhebliche Teilnahmehindernisse zu überwinden haben, die ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und sogar die ihrer Kinder beeinträchtigen. Die OECD-Länder verwenden viele staatliche Maßnahmen darauf, die Chancen benachteiligter Gruppen zu verbessern, aber die politischen Entscheidungsträger sind sich noch nicht ganz darüber im Klaren, inwieweit die staatlichen Einrichtungen dazu beitragen könnten, Ungleichheiten bei der Teilnahme abzubauen, und welche Instrumente hier am wirkungsvollsten sind. Fünftens bemühen wir uns um ein besseres Verständnis der Prozesse, durch die in den OECD-Ländern Fertigkeiten verloren gehen. Der Verlust von Fertigkeiten verringert den Bestand an verfügbaren Fertigkeiten und stellt daher einen potenziellen Verlust von Bildungsinvestitionen dar. Daher müssen wir vor allem Aufschluss über die sozialen und wirtschaftlichen Kräfte erhalten, die diese Verluste beeinflussen. Sechstens ist wenig über die Auswirkungen des informellen Lernens und der nicht-formellen Bildung auf den verfügbaren Bestand an Fertigkeiten bekannt. Der International Adult Literacy Survey (IALS) ist zu entnehmen, dass die Lesefertigkeiten vieler Erwachsener mit geringer formeller Bildung ein fortgeschrittenes Niveau erreichen. Mit der Verbreitung der Computertechnologie und des internetgestützten Fernlernens hat die Verfügbarkeit und die Effizienz des informellen Lernens und der nicht-formellen Bildung erheblich zugenommen, wobei die Auswirkungen auf das allgemeine Qualifikationsprofil der Bevölkerung noch unbekannt sind. Die Tragweite und das Wesen der staatlichen Politik auf dem Gebiet des Lernens in den kommenden Jahren wird zu einem großen Teil davon abhängen, inwieweit informelles Lernen und nicht-formelle Bildung die formellen Bildungssysteme ergänzen bzw. ersetzen. Siebtens stehen die Bildungsministerien in den meisten Ländern seitens Eltern und Arbeitgebern in zweierlei Hinsicht unter Druck: hinsichtlich der Quantität und der Qualität ihres Outputs und hinsichtlich der relativen Effizienz, mit der der Output erzeugt wird. Mangels eines zuverlässigen externen Standards, wie ihn die PISAStudie der OECD für die Fertigkeiten von Fünfzehnjährigen liefert, ist es schwierig, dieses Problem empirisch anzugehen. Und schließlich ist ein großer Teil unseres Arbeitsprogramms der Frage gewidmet, wie die Lernergebnisse in den einzelnen Phasen des Lebenszyklus verteilt sind und inwieweit soziale und wirtschaftliche Ergebnisse in späteren Jahren und Phasen durch die in früheren Jahren erworbenen Fertigkeiten bedingt sind. Dieser Aspekt hat wichtige Auswirkungen auf die Messungen und liefert einen nützlichen Hintergrund für die Frage der Notwendigkeit internationaler Vergleichbarkeit. Die nationalen Statistiksysteme zeigen auf, was ist, sind jedoch aufgrund der begrenzten Heterogenität der beobachteten Populationen nur in geringem Maße in der Lage, Erklärungen zu liefern. Dort, wo die internationalen Statistiksysteme vergleichbare Informationen liefern, können sie Aufschluss darüber geben, was sein könnte. Dazu gehört die Feststellung, welche sozialen und wirtschaftlichen Kräfte für die beobachtete empirische Realität verantwortlich sind und welche wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen mit ihnen verbunden sind. Letztere Information ist von wesentlicher Bedeutung für die Prioritäten und das Wesen der staatlichen Politik, die der Behebung festgestellter Ungerechtigkeiten bzw. Marktineffizienzen dienen soll. Dies sollten wir im Sinn behalten, wenn wir uns nun der Beschreibung des Informations- und Datenbedarfs der einzelnen Hauptnutzer amtlicher Statistiken, die Wissen über Fertigkeiten und Lernen vermitteln, zuwenden. Die Öffentlichkeit in ihrer Eigenschaft als Bürger Die Öffentlichkeit benötigt Informationen über Fertigkeiten und Lernen in ihrer Eigenschaft als Bürgerinnen und Bürger. Auch wenn Individuen in einer Vielzahl unterschiedlicher sozialer Kontexte lernen, findet Lernen doch zu einem großen Teil in öffentlich finanzierten Bildungseinrichtungen statt. Neben den Gesundheitsausgaben nehmen die öffentlichen Bildungsinvestitionen einen großen Teil der Gesamtausgaben des Staates in Anspruch. Daher benötigen die Bürger zumindest Informationen über die Effizienz und Effektivität dieser öffentlichen Einrichtungen und ihre Beziehung zu anderen Lernkontexten wie Familie und Arbeitsplatz. Die meisten Bürger sind nicht daran interessiert, selbst eine Analyse der Primärdaten vorzunehmen oder auch nur das veröffentlichte Material selbst zu lesen. Sie geben sich vielmehr im Allgemeinen damit zufrieden, die erforderlichen Informationen aus Sekundärquellen wie den Medien zu beziehen. 170 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat In den meisten Fällen benötigen sie nur stark abstrahierte Informationen über die Leistung der kanadischen Lernsysteme. Allerdings ist eine wachsende Zahl der Bürgerinnen und Bürger in der Lage und interessiert, selbst Zugang zu den Datentabellen zu erhalten, insbesondere zu den Tabellen, die ihr eigenes Umfeld oder ihre Lebensumstände betreffen. Ein Hauptmangel des gegenwärtigen Liefersystems für Daten und Informationen besteht darin, dass nur ein kleiner Teil der in Tabellenform vorhandenen Informationen der breiten Öffentlichkeit auf elektronischem Wege und kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Ein weiterer, damit verbundener Mangel ist, dass der Zugang zu einem großen Teil der in Tabellenform vorliegenden Daten aufgrund der gegenwärtig angewandten Kostendeckungskonzepte die finanziellen Mittel vieler Menschen übersteigt. Schließlich sind die vorhandenen Stichprobengrößen vieler Datenquellen – mit Ausnahme der Volkszählung – nicht geeignet, direkte Schätzungen für kleine Gebiete zu erstellen. Die Öffentlichkeit in ihrer Eigenschaft als Eltern Die Bildung hat sich zu einem der Schlüsselfaktoren des Wissenstransfers zwischen den Generationen und einem der wichtigsten Faktoren entwickelt, die den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt beeinflussen. Wie bereits erwähnt spielt die staatlich finanzierte Bildung neben der Familie eine zentrale Rolle für das Bildungsund Lernangebot. Daher liegt es im Eigeninteresse der Eltern, zu verstehen, wie das Bildungssystem den Interessen ihrer Kinder dient, wie sich Bildung auf das Leben ihrer Kinder auswirken wird und wie sie selbst das Lernen ihrer Kinder beeinflussen können. Auch Eltern benötigen Zugang zu stark abstrahierten Informationen über die allgemeine Leistung des Systems; darüber hinaus benötigen sie vergleichende Informationen über die erzielten Ergebnisse und darüber, welche Faktoren die Leistung beeinflussen. Diese Informationen sind von entscheidender Bedeutung für die Risikoeinschätzung und für Entscheidungen darüber, wie die knappen finanziellen und sonstigen Ressourcen für die Bildung ihrer Kinder eingesetzt werden sollen. Die Öffentlichkeit als Lernende Der Rhetorik über das lebenslange Lernen zufolge müssen Erwachsene während ihres ganzen Lebens lernen. Erwachsene Lernende sehen sich jedoch mit einer Fülle miteinander konkurrierender Anforderungen an ihre Zeit und ihre Ressourcen konfrontiert. Daher benötigen sie Informationen, anhand derer sie ihre Entscheidungen über Umfang und Art ihrer eigenen Lerninvestitionen treffen können; dazu gehört insbesondere die Einschätzung, was sie zu geringe Investitionen kosten. Lehrforscher und sonstige Forscher Forscher aller Bereiche spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung statistischer Befragungen und bei der Umwandlung der so erhobenen Daten in Informationen für andere Nutzer. Sie stellen mit den Werkzeugen und Techniken der Wissenschaft sicher, dass Beobachtungen verallgemeinert werden können. Vielen dieser Forscher reicht es, wenn sie Zugang zu den veröffentlichten Berichten haben. Eine zweite Gruppe muss darüber hinaus maßgeschneiderte Outputs für ihre eigenen Verwendungszwecke anfordern können. Eine dritte Gruppe schließlich benötigt Zugang zu den Primärdaten auf Mikroebene, um ein Maximum an Informationen extrahieren zu können. Aufgrund des derzeitigen Stands der theoretischen Entwicklung, Messung und Analyse ist es erforderlich, dass hierzu ungefilterte Datensätze zur Verfügung stehen; dies wirft ein erhebliches Problem des Schutzes personenbezogener Daten auf. Die meisten Forscher verfügen über die erforderlichen finanziellen und technischen Mittel, um ihre Analysen durchführen zu können, so dass die Kosten kein signifikantes Zugangshindernis darstellen. Politische Entscheidungsträger, hochrangige Beamte und Politiker In dieser Gruppe lassen sich im Allgemeinen all diejenigen zusammenfassen, die für die Gestaltung der staatlichen Politik verantwortlich sind und im Namen des Staatswesens über die Ausgaben der öffentlichen Hand entscheiden. Theoretisch benötigt diese Gruppe objektive Informationen, um optimale Entscheidungen über 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 171 INHALT eurostat die öffentlichen Investitionen treffen zu können. In Wirklichkeit verlassen sie sich jedoch auf stark abstrahierte Informationen anderer, wobei die Informationen häufig zur rationalen Begründung einer getroffenen Entscheidung und weniger zur Entscheidungsfindung verwendet werden. In vielen Fällen werden die Entscheidungen ebenso von dem beeinflusst, was die Betreffenden persönlich in den Medien gelesen oder gehört haben, wie von den speziell zu diesem Zweck angefertigten Analysen. Diese Tatsache verstärkt die Rolle der amtlichen Statistiken bei der Schaffung einer rhetorischen Struktur und einer gemeinsamen Faktenbasis, auf die sich der öffentliche Diskurs stützen kann. Die Kosten stellen im Allgemeinen kein Hindernis für den Zugang zu den verfügbaren statistischen Quellen und für ihre Nutzung dar, können jedoch häufig die Entwicklung neuer Primärdatenquellen ernsthaft beeinträchtigen. Da sie den Inhalt und den Zeitpunkt eines großen Teils der neuen Datensammlungen bestimmt, kann diese Gruppe erheblichen Einfluss auf den Inhalt des nationalen Statistiksystems ausüben. Die Medien Den Medien kommt eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung des Outputs der nationalen Statistiksysteme in verdauliche Happen zu; sie machen Leser/Zuschauer auf die Bedeutung bestimmter Fakten aufmerksam und heben deren Auswirkungen auf den Einzelnen und die staatliche Politik hervor. Ironischerweise sind viele Journalisten praktisch des Rechnens unkundig und verlassen sich darauf, dass andere sie mit verlässlichen Informationen versorgen. Dies stellt eine Herausforderung für die Lieferanten statistischer Informationen dar: Ihr Output muss stark abstrahiert sein und gegen Fehlinterpretationen durch naive Nutzer gefeit sein. Im Allgemeinen stellen die Datenlieferanten des nationalen Statistiksystems ihren Output den Medien kostenlos zur Verfügung, so dass die Kosten kein Hindernis für Zugang und Nutzung darstellen. Verwaltung und Interessenvertreter Diese Nutzergruppe benötigt statistische Informationen, um ihre Aufgaben auf strategischer und taktischer Ebene zu bewältigen. Als Gruppe verwenden sie üblicherweise Daten der feinsten verfügbaren Detailebene. Unternehmen benötigen beispielsweise aggregierte Informationen über den Zustand der Wirtschaft insgesamt und ihrer eigenen Branche. Leiter von Bildungseinrichtungen benötigen Informationen über Bevölkerungstrends, Teilnahmequoten und die mit der Teilnahme an spezifischen Programmen verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Ergebnisse, um ihr Programmangebot entsprechend zu gestalten; dazu zählen auch Veränderungen bei der Nachfrage nach spezifischen Fertigkeiten, die sich auf dem Arbeitsmarkt abzeichnen. Organisationen, die als Interessenvertreter im Bildungswesen fungieren, haben dieselben Bedürfnisse wie kommerzielle Unternehmen, verfügen jedoch häufig nicht über die technischen und finanziellen Ressourcen, um die verfügbaren Daten in vollem Umfang nutzen zu können. Die Kosten stellen für den Rest dieser Nutzergruppe im Allgemeinen kein Hindernis für den Zugang zu den verfügbaren Informationen und ihre Nutzung dar. 4. Die Rolle des nationalen statistischen Amtes bei der Erfüllung der Nutzerbedürfnisse Kanada verfügt nach internationalem Standard über ein hochgradig zentralisiertes nationales Statistiksystem; dabei kommt dem nationalen statistischen Amt Statistics Canada eine zentrale Rolle bei der Sammlung, Analyse und Verbreitung statistischer Informationen über alle Aspekte der kanadischen Gesellschaft zu. Das Statistikgesetz sieht insbesondere die Sammlung, Analyse und Verbreitung statistischer Informationen zum Bildungswesen vor, und Statistics Canada verwendet ca. 1 % der ihm vom Parlament jährlich zugewiesenen Mittel für diesen Themenkomplex. Das Programm des Amtes für Datensammlung und Output zum Thema Fertigkeiten und Lernen profitiert in hohem Maße von der Bereitstellung erheblicher Ressourcen durch verschiedene Ministerien, vor allem Human Resources Development Canada und in geringerem Umfang Heritage Canada, Indian Affairs and Northern Development sowie Citizenship and Immigration Canada. Die Rolle von Statistics Canada bei der Bereitstellung statistischer Daten und Informationen unterliegt vier Einschränkungen: 172 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Erstens sind der Lieferung von Daten angemessener Zuverlässigkeit durch den gegenwärtigen Stand der Theorie und der Messtechnik Grenzen gesetzt. Zweitens dürfen aus den Datensammlungen von Statistics Canada abgeleitete Informationen nicht für “administrative” Zwecke genutzt werden, d. h. sie dürfen nicht verwendet werden, um personenbezogene administrative Bestimmungen vorzunehmen, außer in ausdrücklich gesetzlich vorgeschriebenen Fällen. Drittens sind Statistics Canada Angaben zu einer Person, einem Unternehmen oder einer sonstigen Organisation ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des/der Betroffenen untersagt. Schließlich ist die Rolle von Statistics Canada eingeschränkt durch die verfügbaren Mittel für die Produktion, Analyse und Verbreitung von Informationen über Fertigkeiten und Lernen und die für ihre Erzeugung bereitgestellte institutionelle Struktur. In ihrer Gesamtheit bestimmen diese Einschränkungen Gehalt und Grenzen der Produkte und Dienstleistungen, die Statistics Canada zum Thema Fertigkeiten und Lernen anbieten kann. 5. Merkmale eines idealen Datensystems zum Thema Fertigkeiten und Lernen Ehe wir den Stand des derzeitigen Statistiksystems zum Thema Fertigkeiten und Lernen auf nationaler Ebene betrachten, ist es sinnvoll, sich einige Gedanken zu den Merkmalen eines idealen Systems amtlicher Statistiken in diesem Bereich zu machen. Die Verfasser haben acht Merkmale ermittelt, die ein ideales System charakterisieren und die somit höchstmögliche gesellschaftliche Erträge für Investitionen öffentlicher Mittel in gegebener Höhe bieten würden. Die einzelnen Merkmale werden im Folgenden beschrieben. Breite Statistische Systeme zum Thema Fertigkeiten und Lernen müssen in die Breite gehen, d. h. sie müssen reich an Datenelementen sein, die geeignet sind, die untersuchten Populationen zu charakterisieren und zum Verständnis der Ursachen und Folgen des beobachteten Phänomens beizutragen. Sie müssen per definitionem lebenslang und lebensweit sein, d. h. alle gesellschaftlich bedeutsamen Übergänge und Phasen des Lebenszyklus umfassen, “von der Wiege bis zur Bahre”. Tiefe Statistische Systeme zum Thema Fertigkeiten und Lernen müssen in die Tiefe gehen, d. h. sie sollten ausreichend große Stichproben ergeben, um ein Profil der Merkmale der Gesamtbevölkerung und wichtiger Bevölkerungsgruppen erstellen zu können. Individualisierung Solche Systeme sollten das Individuum als Schlüsseleinheit für Beobachtung und Analyse verwenden. Aggregierte Schätzungen sind zwar für manche Zwecke nützlich, tragen jedoch nicht zum Verständnis der sozialen und wirtschaftlichen Prozesse, die auf Individuen einwirken, bei. Hierarchie Lernen ist zwar per definitionem ein Attributmerkmal des Individuums, findet jedoch in einer Vielzahl sozialer und institutioneller Kontexte statt. Um die Faktoren, die den Erwerb von Fertigkeiten und Lernen und seine soziale Verteilung beeinflussen, vollständig begreifen zu können, müssen Statistiksysteme explizite statistische Verknüpfungen über die verschiedenen beteiligten Ebenen herstellen können. Erhebungen über Bildungsergebnisse sollten beispielsweise im Idealfall Stichproben verwenden, die zuverlässige Schätzungen des Zusammenhangs zwischen den Ergebnissen und den Merkmalen des Individuums, des Unterrichts, der Schule, der Schulbehörde und Provinz ermöglichen. Zwar können auch Statistiksysteme, die nicht sämtliche dieser Bedingungen erfüllen, nützliche Informationen liefern, die Ergebnisse können sich jedoch als anfällig für kausale Fehlzuweisungen erweisen. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 173 INHALT eurostat Längsschnittdaten Das Statistiksystem sollte auf Längsschnittdaten basieren, d. h. dieselben Personen sollten an wichtigen Übergangspunkten ihres Lebens beobachtet werden. Mit Hilfe von Längsschnittdatensystemen können bedingte Wahrscheinlichkeiten auf individueller Ebene statt auf Gruppenebene geschätzt werden; dadurch kommt man den zugrunde liegenden kausalen Strukturen, der Zustandsabhängigkeit und dem Fortbestehen von Sozialpathologien näher. Wiederholungen Kohorten müssen für Längsschnittuntersuchungen wiederholt werden, um Periodeneffekte von Kohorteneffekten unterscheiden zu können. Die Zeitpunkte für die Einführung neuer Kohorten müssen sich an zwei Kriterien orientieren: der vermuteten Geschwindigkeit, mit der die zugrunde liegenden sozialen und wirtschaftlichen Prozesse Veränderungen der Schlüsselergebnisse herbeiführen, und der Fähigkeit der aktuellen Messtechnologie, gesellschaftlich bedeutsame Veränderungen festzustellen. Anders als physische Systeme vollziehen soziale Systeme mitunter recht rasche Entwicklungen. Daher müssen Messungen häufig genug durchgeführt werden, um gesellschaftlich bedeutsame Veränderungen feststellen zu können. Theoretische Grundlagen Statistische Systeme müssen, um nützlich zu sein, geeignete theoretische Grundlagen haben, aber nicht an eine bestimmte Theorie gebunden sein. Die amtliche Statistik bietet eine rhetorische Struktur und eine gemeinsame Informationsbasis für die öffentliche Diskussion. Indem sie die stilisierten Fakten über das, was ist, ermittelt, ermöglicht sie die Diskussion über das, was sein sollte. Untersuchungen müssen so angelegt sein, dass mehrere Theorien getestet werden können, und die zugrunde liegenden Daten müssen verfügbar gemacht werden, um der großzügig definierten Forschungsgemeinde die Möglichkeit zur Reproduktion der veröffentlichten Ergebnisse zu geben. In der Praxis bedeutet dies, einen Systemansatz als primären organisatorischen Rahmen für Messungen zu verfolgen. Der Rahmen für Messungen zum Thema Fertigkeiten und Lernen unterscheidet zwischen den folgenden vier Elementen: Kontext (sozial, kulturell, wirtschaftlich, Umwelt) Inputs (menschlich und physisch) Prozesse (Lehre, Anerkennung, Zertifizierung) Ergebnisse (kognitiv, sozial, wirtschaftlich) Jedes einzelne Datensystem sollte so konfiguriert werden, dass es Aufschluss gibt über Kausalpfade und intervenierende Variablen, die die Wahrscheinlichkeit positiver oder negativer Ergebnisse vergrößern oder vermindern. Wie bereits erwähnt sind Längsschnittdatensysteme (Erhebungen und Verwaltungsquellen) bestens geeignet, derartige Daten zu liefern, da die bedingten Wahrscheinlichkeiten wichtiger Ereignisse unmittelbar beobachtet werden können. Direkte Messungen Schließlich sollten die Statistiksysteme direkte Messungen der wichtigsten Ergebnisvariablen statt indirekter Proxy-Maße enthalten. Im Bereich Fertigkeiten und Lernen bedeutet dies, dass Messungen entwickelt und verwaltet werden müssen, die psychometrische Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit aufweisen. Zugänglichkeit Um einen maximalen Informationswert zu erzielen, müssen die Primärdaten Forschern, die zu ihrer Analyse fähig sind, zugänglich gemacht werden. Auch wenn es kein Merkmal der Daten selbst ist, impliziert dies, dass ausreichend Dokumentation bzw. Metadaten zur Verfügung stehen, um die Nutzung der Daten zu ermöglichen, und dass Mechanismen vorhanden sind, die den Zugang zu Primärmikrodaten unter Wahrung der Vertraulichkeit der Daten von Personen, Organisationen und Unternehmen ermöglichen. Integrierbarkeit Die statistischen Ämter werden nie in der Lage sein, mit einer einzigen Erhebung Informationen in dem Umfang und der Gründlichkeit zu liefern, wie sie die oben aufgeführten Attributmerkmale implizieren. Daher 174 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat muss Sorge getragen werden, dass die Informationen ausreichend Gemeinsamkeiten aufweisen, um Informationen aus verschiedenen Quellen auf der Ebene der Bevölkerungsgruppen zu integrieren. Auch wenn dies nicht an eine vollständige Verknüpfung auf individueller Ebene heranreicht, lassen sich durch solche synthetischen Verknüpfungen doch wirtschaftlich und gesellschaftlich wichtige Beziehungen ermitteln, die andernfalls unerkannt blieben. 6. Merkmale eines idealen Wissens- und Informationssystems zum Thema Fertigkeiten und Lernen Das oben skizzierte ideale Datensystem ist nur eine von mehreren Komponenten, die erforderlich sind, um ein effektives und effizientes Wissens- und Informationssystem zum Thema Fertigkeiten und Lernen zu unterhalten. Ein solches System kann ohne ausreichenden Input an Primärdaten nicht gedeihen; um erfolgreich zu sein, benötigt es jedoch mehrere andere Inputs, darunter Fachwissen und eine operationelle Infrastruktur für die Extraktion von Informationen aus den Primärdaten, Mechanismen für den Zugang zu den Primärdaten, die die Vertraulichkeit wahren, Verbreitungsmechanismen, die die Erkenntnisse für einen möglichst großen Nutzerkreis und ein möglichst breites Nutzungsspektrum zugänglich machen (zugänglich im Hinblick auf Kosten, Fachwissen und technische Infrastruktur), ausreichende Finanzierung für die Sammlung, Verarbeitung, Analyse und Verbreitung der Daten, Managementstrukturen und institutionelle Verbindungen, die die Zusammenarbeit fördern und gemeinsame Prioritäten für die Datensammlung aufstellen. An dieser Stelle soll die Adäquatheit dieser anderen Systeme im kanadischen Kontext nicht erörtert werden; die Feststellung soll genügen, dass sie in einem Maße unzulänglich sind, dass die gesellschaftlichen Erträge der öffentlichen Informationsinvestitionen ernsthaft beeinträchtigt ist. Dieser Bericht ist im Wesentlichen der Betrachtung des gegenwärtigen Stands der Primärdatensysteme zum Thema Fertigkeiten und Lernen und ihrer Adäquatheit gewidmet. 7. Die gegenwärtige Systemkonfiguration: Schlüsseldatensysteme Im folgenden Abschnitt wird der Erhebungsbereich des gegenwärtigen Statistiksystems für Daten zum Thema Fertigkeiten und Lernen skizziert. Diese Datensysteme können im Wesentlichen nach folgenden Kategorien gegliedert werden: Quellen von Längsschnittsmikrodaten Quellen von Querschnittsmikrodaten Quellen von aggregierten Daten Dieser Abschnitt gibt eine knappe Zusammenfassung der einzelnen Schlüsseldatensysteme, die Informationen zum Thema Fertigkeiten und Lernen liefern. Quellen von Längsschnittsmikrodaten Kanada verfügt gegenwärtig über ein recht gut entwickeltes Programm von Längsschnitterhebungen und Verwaltungsquellen, die in der Lage sind, eine Fülle von Daten über Lerninputs, -prozesse und -ergebnisse zu liefern und somit alle wichtigen Phasen und Übergänge im Lebenszyklus abzudecken. Die meisten dieser Quellen liefern auch direkte Messungen der kognitiven Ergebnisse auf Grundlage eines gemeinsamen theoretischen Rahmens. National Longitudinal Survey of Children and Youth (NLSCY) Die NLSCY ist die nationale Längsschnitterhebung von Kindern und Jugendlichen, eine Langzeitstudie der kritischen Faktoren, die die Entwicklung und das Wohlergehen von Kindern beeinflussen. Für die Erhebung wurde 1994 eine große Zahl von Haushalten mit Kindern im Alter 0-12 ausgewählt. Die Kinder wurden seit Einführung der Kohorte alle zwei Jahre erneut befragt. Auch wenn die Stichproben für die einzelnen Alters14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 175 INHALT eurostat stufen nicht besonders groß sind, liefert die Erhebung doch ein bemerkenswertes Spektrum von kind-, familien- und schulbezogenen Variablen. Diese Variablen umfassen eine Reihe von altersgemäßen Messungen der motorischen, sozialen und kognitiven Entwicklung, die eine Exploration des relativen Erfolgs und des Anhaltens von Nachteilen erlauben. Die Erhebung, die die Kinder, ihre Eltern, Lehrer und die Verwaltung der von ihnen besuchten Schulen einbezieht, deckt folgende Bereiche ab: demografische Informationen, sozioökonomischer Hintergrund, Funktionsweise der Familie und elterliche Erziehung, kindliche Gesundheit und Entwicklung, Verhalten, Beziehungen und Interaktion mit der Gemeinschaft. Sie enthält ferner direkte Messungen der Fertigkeiten der Kinder. Der vierte Erhebungszyklus wurde 2000-01 mit einer Stichprobe von 40.000 Kindern durchgeführt. Für diesen Zyklus lag das Höchstalter der teilnehmenden Kinder bei 17 Jahren. Mit zunehmendem Alter der teilnehmenden Kinder werden sich die künftigen Zyklen mit Fragen des Übergangs von der Schule ins Arbeitsleben befassen. Allerdings ist die Stichprobengröße der einzelnen Altersgruppen recht klein. Das Panel wird voraussichtlich nicht über das Alter 25 fortgesetzt. Youth in Transition/PISA-Studie der OECD Für die Schülererhebung Youth in Transition Survey, die gemeinsam mit der PISA-Studie der OECD von 2000 stattfand, wurde eine große Kohorte 15-jähriger Schülerinnen und Schüler ausgewählt und einer sehr zuverlässigen Bewertung ihres Leseverständnisses unterzogen. Die Erhebung liefert u. a. eine breite Palette von Variablen, bei denen ein Einfluss auf die direkt beobachteten kognitiven Ergebnisse vermutet wird, darunter Variablen, die die Struktur des Sekundarbildungssystems widerspiegeln. Die Schülerinnen und Schüler werden im Abstand von zwei Jahren bis zum Alter von etwa 25 beobachtet, um ein Profil ihres beruflichen, bildungsbezogenen und sozialen Werdegangs zu erstellen und in Bezug zu den getesteten Fertigkeiten zu setzen. Die Stichprobengrößen lassen zuverlässige Schätzungen für beide Amtssprachen in den einzelnen Provinzen zu. Bei Youth in Transition Survey (YITS) handelt es sich um eine Längsschnitterhebung einer spezifischen Population: der Jugendlichen, die im Jahre 2000 15 und 18-20 Jahre alt waren. Mit der Erhebung soll die dynamische Entwicklung der Jugendlichen über mehrere Jahre verfolgt werden, um politisch relevante Informationen über den Übergang von der Schule in die Arbeitswelt und die Faktoren, die die Ausbildungsgänge beeinflussen, zu liefern. Eines ihrer Ziele ist die Bereitstellung von Informationen zur Erklärung der Faktoren, die für die Aufnahme und Fortsetzung einer Postsekundarausbildung bestimmend sind, einschließlich der Bildungsfinanzierung, sowie der meisten Arbeitsmarktaktivitäten. Sie wird hervorragende Informationen über frühe Merkmale liefern, besonders für die Kohorte der 15-Jährigen. Durch die Integration dieser Erhebung in die PISA-Studie der OECD enthalten die Daten zu dieser Altersgruppe auch eine direkte Messung des Schulerfolgs. Da es sich um Längsschnittdaten handelt, ist eine Exploration der Kausalbeziehungen zwischen Merkmalen der Jugendlichen, Entscheidungen, Aktivitäten und Ergebnissen möglich. Die einzelnen Panels sollen nur bis zum Alter von 29 Jahren fortgeführt werden und werden u. U. bereits im Alter von 25 Jahren abgeschlossen. Für die Kohorte der im Jahre 2000 15-Jährigen wurden 30.000 Jugendliche in 1000 Schulen befragt. Die Stichprobe für die Altersgruppe 18-20 umfasste 23.000 Personen. Youth in Transition Survey – Altersgruppe 18-20 Um unmittelbarere Informationen über den Übergang junger Menschen von der Schule in die Arbeitswelt liefern zu können, schloss die YITS-Erhebung 2000 eine zweite Kohorte ein: 29.000 Jugendliche im Alter 18-20 Jahre. Die im Rahmen der Erhebung gemessenen Übergänge umfassten alle Erfahrungen im Bereich der formellen Bildung und viele Arbeitsmarkterfahrungen. Die YITS ermöglicht eine vergleichende Analyse der vorzeitigen Schulabgänger, der High-School-Absolventen und derjenigen, die eine Postsekundarausbildung aufnehmen. Im Rahmen der Erhebung wurde ein breites Spektrum an Informationen über Einstellungen, Verhalten, Lernerfolge, Arbeitsmarkterfahrungen und die soziodemografischen Merkmale von Jugendlichen gesammelt, so dass die Faktoren ermittelt werden können, die mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem erfolgreichen Übergang beitragen. National Graduates Survey (NGS) Bei National Graduates Survey (NGS) handelt es sich um eine Längsschnitterhebung von Absolventen, die ein breites Spektrum an Informationen über Bildungs- und Arbeitsmarktergebnisse liefert und dazu beiträgt, den Übergang von Absolventen der Postsekundarstufe des öffentlichen Bildungssystems in die Arbeitswelt 25 Jahre nach dem Bildungsabschluss zu beschreiben. Das Stichprobendesign ermöglicht präzise Schätzungen 176 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat des Übergangs dieser Absolventen von der Schule in die Arbeitswelt auf Landes- und Provinzebene, und zwar differenziert nach Studienfach und erworbenem Grad – eine Detailebene, die keine andere Datenquelle bietet. Dank dieses Designs lässt sich ein Vergleich der Provinzen hinsichtlich Arbeitsmarktergebnisse, Finanzierung der Postsekundarbildung und Darlehensrückzahlung durch die Absolventen für alle Ebenen der öffentlichen Postsekundarbildung und die wichtigsten Studienfächer herstellen. Die Stichprobe für die NGS-Erhebung wurde einer durch die öffentlichen Einrichtungen der Postsekundarstufe gelieferten Auswahlgrundlage entnommen und soll für alle Arten von Einrichtungen, Studienfächer und Stufen repräsentativ sein. Die Erhebung umfasst eine überrepräsentative Stichprobe von Absolventen mit Master’s Degree und eine Vollerhebung der Absolventen mit Ph.D.-Abschluss, um eine detaillierte Analyse hoch qualifizierter Akademiker zu ermöglichen. Aufgrund des Stichprobendesigns sind Vergleiche sowohl innerhalb der Kohorten als auch kohortenübergreifend möglich. Die kohortenübergreifenden Vergleiche sind in Zeiten rascher sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen besonders wichtig. Da auch der Werdegang von Absolventen, die in die USA migrieren, verfolgt wird, ist eine Analyse der Provinz- und Landesgrenzen überschreitenden Mobilität qualifizierter Fachkräfte möglich. Aufgrund der umfangreichen Stichprobengröße können zuverlässige Schätzungen auf Provinzebene, auf der Ebene der Bildungsprogramme für die Postsekundarstufe und auf der Ebene der einzelnen Studienfächer erstellt werden. Die Erhebung deckt sämtliche Altersgruppen von Absolventen öffentlicher Bildungseinrichtungen der Postsekundarstufe ab. Sie erlaubt ein breites Spektrum möglicher Analysen, beispielsweise des Zusammenhangs zwischen den Studienfächern der Absolventen und den von ihnen 2-5 Jahre nach dem Abschluss tatsächlich ausgeübten Berufen. Die NGS-Erhebung ermöglicht die Exploration der Finanzierung der Postsekundarbildung für die Population derjenigen, die einen Postsekundarabschluss erworben haben. Die Erhebung wurde für die Klassen von 1980, 1986, 1990 und 1995 durchgeführt. Die nächste Erhebung soll 2002 stattfinden. Die effektive Stichprobengröße umfasst mehr als 40.000 Absolventen. Enhanced Student Information System (ESIS) In Kanada werden seit Anfang der 70er Jahre individuelle Daten über die Teilnahme an der Postsekundarbildung auf Schüler-/Studentenebene gesammelt. Zum damaligen Zeitpunkt waren diese Systeme zwar fortschrittlich, aber sie haben sich nicht verändert und sind nicht mehr geeignet, die Veränderungen in der Postsekundarbildung widerzuspiegeln, und es bedarf reicherer Daten, um das System besser verstehen zu können. Um diesen neuen Informationsbedürfnissen gerecht zu werden, wurde mit Mitteln der Policy Research Data Group (PRDG) das Enhanced Student Information System (ESIS) entwickelt. Durch dieses erweiterte Informationssystem wird eine Datenbank mit Schüler-/Studentendaten bereitgestellt, die so miteinander verknüpft werden können, dass sowohl Längsschnittdaten als auch einrichtungs- und stufenübergreifende Daten zur Postsekundarbildung verfügbar sind. Sein Inhalt wird für die Aufnahme von entsprechend einem neuen nordamerikanischen Klassifikationssystem (CIP) kodierten Daten zu Studienprogrammen, zur Identifikation von Kooperationsprogrammen, Kursen nach Fachgebiet, von den Studierenden zu bewältigendem Arbeitsaufwand und der Form, in der die Ausbildung angeboten wird (traditionell oder e-Learning), aufbereitet. Da es sich um Längsschnittdaten handelt, können die Ausbildungsgänge der Postsekundarstufe und damit die Effizienz des Systems und sonstige Fragen untersucht werden. ESIS kann auch mit Erhebungsdaten verknüpft werden, so dass die Erhebungsdatenbanken mit zusätzlichen Detailinformationen über Lernaktivitäten und -erfolge angereichert werden können, die im Allgemeinen mühsam und häufig unter Schwierigkeiten zu sammeln sind. ESIS könnte auch eine Stichprobengrundlage für künftige Erhebungen zur Postsekundarbildung liefern. Diese wäre geeignet, die erforderlichen Informationen zu liefern, um Befragungen bestimmter Subpopulationen von Interesse durchzuführen, beispielsweise vorzeitige Abgänger der Postsekundarstufe oder Teilnehmer bestimmter Studienfächer und ausländische Studierende. Die vollständige Implementierung von ESIS wird für 2002 erwartet. Survey of Labour and Income Dynamics (SLID) Bei der Survey of Labour and Income Dynamics (SLID) handelt es sich um eine Längsschnitterhebung, mit der die Erfahrungen der befragten Personen auf dem Arbeitsmarkt, ihr Einkommensniveau und ihre Einkommensquellen sowie Veränderungen im Familienleben über einen Zeitraum von 6 Jahren beobachtet werden. Das erste Panel, bei dem Arbeits- und Einkommensdaten von etwa 31.000 Personen gesammelt wurden, begann 1993 und endete 1998. Ein zweites, 1996 eingeführtes Panel wird 2001 abgeschlossen, ein drittes, 1999 ein14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 177 INHALT eurostat geführtes Panel endet 2004. Informationen zum Bildungsstand werden im Detail untersucht, Informationen über den Zugang zu und den Verbleib in der Postsekundarbildung stehen allerdings nicht zur Verfügung. Workplace and Employees Survey (WES) Grundlage der Workplace and Employees Survey (WES) ist eine Längsschnittstichprobe kanadischer Unternehmen, aus der auch eine kleine Arbeitnehmerstichprobe ausgewählt und befragt wird. Auch wenn die Stichprobengröße der in den einzelnen Unternehmen ausgewählten Arbeitnehmer für direkte Schätzungen der Unternehmenseffekte nicht ausreicht, erlaubt die Erhebung doch eine direkte Analyse der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Indikatoren des Unternehmenserfolgs wie z. B. Rentabilität und Einkommenswachstum, Produktionstechnologie und Arbeitsorganisation sowie Arbeitnehmerqualifikationen. Quellen von Querschnittsmikrodaten Volkszählung Die Volkszählung liefert demografische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Informationen über die kanadische Bevölkerung einschließlich Einwanderer, Flüchtlinge und Personen, die sich aufgrund eines Studentenvisums oder einer Arbeitserlaubnis in Kanada aufhalten. Bildungsdaten werden für die Altersgruppe 15 und älter mit der 20-Prozent-Stichprobe erhoben; ausgenommen sind Anstaltsbewohner. Trotz des ergiebigen und detaillierten Charakters der Informationen konzentrieren sich die Bildungsmessungen auf den Bildungsstand. Es ist sehr schwer, sich für die Aufnahme weiterer Inhalte in die Volkszählung auszusprechen, da die Belastung der Befragten genau überwacht wird und die Volkszählungsbögen von der Öffentlichkeit mit sehr kritischen Augen betrachtet werden. Die Stichprobengrößen der Volkszählung lassen zuverlässige Schätzungen für bestimmte Zielgruppen, beispielsweise ethnische Minderheiten, religiöse Gruppen, Einwanderer und Behinderte, und Analysen auf unterer geografischer Ebene zu. Es steht eine Vielzahl von Merkmalen für die Bildung von Kombinationstabellen zur Verfügung, darunter Arbeits- und Einkommensdaten, demografische Variablen, ethnischer Hintergrund, Muttersprache, Geburtsort und Staatsbürgerschaft. Eine der Stärken der Volkszählung ist ihre Genauigkeit und ihre historische Beständigkeit. An Bildungsdaten werden u. a. erhoben: die höchste besuchte Primar- oder Sekundarschulklasse, abgeschlossene Jahre der Postsekundarstufe, Teilnahme an Bildungsmaßnahmen in den vorausgehenden neun Monaten, sämtliche jemals erworbenen Postsekundarabschlüsse, Diplome oder Grade sowie das Hauptstudienfach der höchsten Qualifikation der Postsekundarstufe. Labour Force Survey (LFS) Hauptziel der Labour Force Survey (LFS) ist es, monatlich den Erwerbsstatus der kanadischen Bevölkerung der Altersgruppe 15 und älter in allen zehn Provinzen zu ermitteln. Diese Arbeitskräfteerhebung gibt über verschiedene wirtschaftliche Schlüsseldaten Aufschluss, u. a. über die Arbeitslosenquoten. Ihre bildungsbezogenen Informationen sind dagegen sehr begrenzt und ermöglichen nur eine Kategorisierung der kanadischen Bevölkerung nach höchstem erreichtem Bildungsniveau. Adult Education and Training Survey (AETS) Diese Erhebung wird in Ergänzung zur Arbeitskräfteerhebung LFS durchgeführt. Sie misst die Teilnahme von Erwachsenen (Altersgruppe 17 und älter) an Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung unter Berücksichtigung der Häufigkeit und des Intensitätsgrads der Ausbildung. Die AETS untersucht die Ausbildungsanbieter (Bildungseinrichtungen, Arbeitgeber usw.), die Finanzierungsquellen (Arbeitgeber, Teilnehmer, Staat) und die Form, in der die Maßnahmen angeboten werden (Fernunterricht, traditionell). In Kombination mit den sozioökonomischen Variablen der LFS liefert die AETS-Erhebung ergiebige Informationen über Teilnahmetrends, Faktoren, die die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen beeinflussen, und Hindernisse, die den Zugang der kanadischen Bevölkerung zur Fortbildung einschränken. Sie informiert ferner über die Motive der Teilnehmer und die Angebotsmerkmale des Erwachsenenbildungssystems. 178 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat General Social Survey (GSS) Die GSS ist die allgemeine Sozialerhebung Kanadas. Mehrere Zyklen dieser Erhebung waren Themen gewidmet, die Aufschluss über Fertigkeiten und Lernen in Kanada geben, darunter Daten zu Zeitnutzung, Lernen und Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Postsecondary Education Participation Survey (PEPS) Die Postsecondary Education Participation Survey (PEPS) ist als jährliche Erhebung geplant, mit der vor allem die Zugänglichkeit der Postsekundarbildung und der Verbleib der Teilnehmer in der Postsekundarbildung gemessen werden soll. Die Erhebung wird Basisindikatoren der jährlichen Trends zu folgenden Aspekten liefern: Sekundarschulabschluss, Zugänglichkeit der Postsekundarbildung, insbesondere unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Status der Familie, Verbleib in der Postsekundarbildung, Rolle von Studentendarlehen und anderer finanzieller Unterstützung sowie Angemessenheit der finanziellen Unterstützung für Studierende. Die PEPS wird keine Detailinformationen über den Übergang von einer Lebensphase in eine andere liefern, wie sie durch eine Längsschnitterhebung zu erzielen sind. Mit dieser Erhebung können allerdings die Auswirkungen von wirtschaftlichem und sozialem Wandel und von Veränderungen in der Regierungspolitik beobachtet werden, und sie wird Hinweise darauf liefern, welche Bereiche einer genaueren Untersuchung bedürfen. Die PEPS wird erstmalig im Winter 2002 mit einer geplanten Stichprobengröße von 5.200 jungen Erwachsenen der Altersgruppe 18-24 (17-24 in Quebec) durchgeführt. International Adult Literacy Survey (IALS) und Adult Literacy and Life Skills Survey (ALL) Mit diesen internationalen Vergleichserhebungen sollen gültige, zuverlässige und vergleichbare Informationen über die Fertigkeiten der gesamten Erwachsenenbevölkerung innerhalb der teilnehmenden Länder und im Ländervergleich gesammelt werden, um die den beobachteten Qualifikationsprofilen zugrunde liegenden Faktoren zu begreifen und Aufschluss über ihre soziale und wirtschaftliche Bedeutung auf individueller und aggregierter Ebene zu erhalten. Erhebungen dieser Art sind die einzige Möglichkeit, neutrale Schätzungen des tatsächlichen Qualifikationsangebots zu erhalten, die die qualitativen und quantitativen Unterschiede in der Erstausbildung ebenso widerspiegeln wie Zuwächse des Qualifikationsbestands durch die formelle und informelle Erwachsenenbildung und durch Zuwanderung sowie Abnahmen des Qualifikationsangebots durch Auswanderung, Tod und mit dem Verlust von Fertigkeiten bei Erwachsenen verbundene Prozesse. Der nächste Erhebungszyklus, der in 2002 durchgeführt werden soll, wird direkte Bewertungen der Fertigkeiten im Lesen von Prosatexten und Dokumenten, Rechnen und Problemlösen liefern, indirekte Messungen zu Teamwork und Informations- und Kommunikationstechnologie, Informationen über die qualifikationsbestimmenden Faktoren einschließlich Indikatoren zur Nutzung von Fertigkeiten, sowie die wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitsrelevanten Ergebnisse, die mit den verschiedenen Qualifikationsniveaus verknüpft sind. Survey of Approaches to Educational Planning (SAEP) Die SAEP ist die erste, von Statistics Canada durchgeführte Erhebung zur Sammlung von Detailinformationen über die Vorbereitung der kanadischen Kinder auf die Postsekundarbildung. Ziel dieser Erhebung ist es, sich ein Bild davon zu machen, wie Eltern in Kanada ihre Kinder auf die Teilnahme an der Postsekundarbildung vorbereiten, einschließlich der finanziellen und nichtfinanziellen Vorbereitung. Die Erhebung von 1999 umfasste Informationen aus einer Stichprobe von 36.000 Haushalten mit Kindern bis zu 18 Jahren. Zur finanziellen Vorbereitung zählten folgende Aspekte: ob Ersparnisse für die Postsekundarbildung zurückgelegt wurden, inwieweit man sich über die Kosten der Postsekundarbildung im Klaren war, welche Erwartungen bezüglich sonstiger Mittel zur Finanzierung der Postsekundarbildung bestanden. Zur nichtfinanziellen Vorbereitung gehörte, ob die Eltern ihren Kindern Erwartungen und Ambitionen in Bezug auf die Postsekundarbildung vermittelten, ob sie sich in der Schule engagierten und bei den Hausaufgaben halfen. Hintergrundinformationen über Merkmale der Kinder und Haushalte ermöglichen Analysen nach Alter, Geschlecht, Schulleistung, elterlicher Erziehung und Haushaltseinkommen. Postsecondary Education Participation Survey (PEPS) Die Postsecondary Education Participation Survey (PEPS) ist als jährliche Erhebung geplant, mit der vor allem die Zugänglichkeit der Postsekundarbildung und der Verbleib der Teilnehmer in der Postsekundarstufe gemessen werden soll. Die Erhebung wird Basisindikatoren der jährlichen Trends zu folgenden Aspekten liefern: Sekundarschulabschluss, Zugänglichkeit der Postsekundarbildung, insbesondere unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Status der Familie, Verbleib in der Postsekundarbildung, Rolle von Studentendarlehen 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 179 INHALT eurostat und anderer finanzieller Unterstützung sowie Angemessenheit der finanziellen Unterstützung für Studierende. Die PEPS wird keine Detailinformationen über den Übergang von einer Lebensphase in eine andere liefern, wie sie durch eine Längsschnitterhebung zu erzielen sind. Mit dieser Erhebung können allerdings die Auswirkungen von wirtschaftlichem und sozialem Wandel und von Veränderungen in der Regierungspolitik beobachtet werden, und sie wird Hinweise darauf liefern, welche Bereiche einer genaueren Untersuchung bedürfen. Die PEPS wird erstmalig im Winter 2002 mit einer geplanten Stichprobengröße von 5.200 jungen Erwachsenen der Altersgruppe 18-24 (17-24 in Quebec) durchgeführt. 8. Datenlücken Die Mitarbeiter des für Bildungsstatistiken zuständigen Center for Education Statistics haben in Konsultation mit dem Rat der Bildungsminister CMEC (Council of Ministers of Education, Canada) sowie Bildungs- und Arbeitsministerien auf Bundes- und Provinzebene eine Reihe wichtiger Lücken und Schwächen in den Daten ermittelt. Es besteht generell ein Mangel an Mikrodaten zu den Inputs und Prozessen des formellen Bildungssystems, insbesondere der Primar- und Sekundarstufe. Übergänge aus der Sekundarbildung Jedes Jahr schließen ca. 300.000 Schülerinnen und Schüler die Sekundarstufe ab und weitere 10 % verlassen die Schule vorzeitig ohne Abschluss. Die Youth in Transition Survey soll dazu dienen, die Übergänge zwischen Sekundar- und Postsekundarbildung sowie zwischen Ausbildung und Arbeitswelt zu untersuchen. Ein Informationssystem mit Längsschnittdaten zu Sekundarschülern, das parallel zum ESIS geführt und mit diesem verknüpft ist, wird die Möglichkeiten zur Messung und zum Verständnis dieser Übergänge verbessern. Es würde als Auswahlgrundlage für künftige YITS-Panels dienen und die Möglichkeit zur gezielten Erfassung und zur Bildung überrepräsentativer Stichproben für Gruppen von besonderem politischem Interesse bieten, beispielsweise vorzeitige Schulabgänger und Absolventen der Sekundarstufe, die keine Postsekundarbildung aufnehmen. Es würde eine bessere Analyse der Variabilität der Zahlen derer, die die Sekundarstufe abschließen, und derer, die den Übergang zur Postsekundarstufe vollziehen, auf Schulebene verbessern. In Kombination mit den Informationen aus Schulerhebungen würde dies zu einem besseren Verständnis des Zusammenhangs zwischen Schulfaktoren und Bildungsergebnissen beitragen. Eine wachsende Zahl von Verwaltungsbezirken sammelt Informationen auf Schülerebene zumindest für die Sekundarstufe II, und innerhalb des ESIS wurden ein geeignetes Datenmodell und Informationssysteme auf Schülerebene entwickelt. Angesichts des weniger komplexen Charakters der Sekundarbildung und der Tatsache, dass auf bereits Vorhandenem aufgebaut werden kann, wird die Entwicklung, Implementierung und Unterhaltung einer vereinfachten Version des ESIS für Sekundarschüler mit einem gegenüber ESIS geringeren Kostenaufwand möglich sein. Vorschlag Vorgeschlagen wird, eine vereinfachte Version des ESIS für die Sekundarstufe II zu implementieren, um unsere Erkenntnisse über die Übergänge von der Sekundarbildung zur Postsekundarbildung und ins Erwerbsleben auf individueller Ebene zu verbessern. Die Entwicklungskosten sind im Vergleich zum ESIS relativ gering. Allerdings erfordert die Implementierung Anpassungen an die Verwaltungssysteme in den verschiedenen Verwaltungsbezirken und muss sich über einen Zeitraum von 3 Jahren erstrecken. Die Kosten für den gesamten dreijährigen Implementierungszeitraum werden jährlich $ 215.000 betragen. Danach werden laufende Kosten in Höhe von $ 180.000 anfallen, einschließlich Kosten für die Durchführung analytischer Studien und Verbreitungskosten. Daten zu den öffentlichen Ausgaben pro Schüler auf Schulebene, finanzielle Prioritäten und Entscheidungsfindung Gegenwärtig werden Schätzungen der öffentlichen Ausgaben pro Schüler erstellt, indem die Gesamtausgaben für die Primar- und/oder Sekundarbildung durch die Gesamtschülerzahl in einer bestimmten Provinz geteilt werden. 180 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Es liegen also keine Daten vor, die die tatsächlichen Unterschiede in den finanziellen Ressourcen, die für die Teilnehmer der Primar- und Sekundarbildungssysteme unterhalb der Provinzebene aufgebracht werden, widerspiegeln. Ohne Erfassung dieser Unterschiede ist jedoch unmöglich zu ermitteln, inwieweit Leistungsniveau oder -verteilung durch die finanziellen Ressourcen beeinflusst werden. Vorschlag Vorgeschlagen wird, eine Reihe von Fallstudien durchzuführen, um die Bandbreite der tatsächlichen Kosten pro Schüler und ihren Einfluss auf die Leistungen aufzuzeigen. Diese Fallstudien sollten auch Hinweise darauf liefern, welche Art von Informationen von den örtlichen Verwaltungen (z. B. Schulbehörden und Schulbezirke) erhältlich sind. Die Kosten dieser Fallstudien werden auf ca. $ 35.000/Fall geschätzt. Um zuverlässige Daten zu erhalten, müssen ca. 10 Fälle untersucht werden, d. h. es fallen jährliche Kosten in Höhe von $ 175.000 für einen Zeitraum von 2 Jahren an. Daten zu Attributmerkmalen von Schulen und Lehrkräften Die aus anderen Ländern verfügbare Literatur und die in begrenztem Umfang vorhandenen nationalen Vergleichsdaten zum Bildungserfolg deuten darauf hin, dass Attributmerkmale der Schulleitung, der Lehrkräfte, des Unterrichts und der Schule signifikante Auswirkungen auf die Leistungen und den Verbleib in der Sekundarbildung und ihren erfolgreichen Abschluss haben. Gegenwärtig werden von den Bildungsministerien auf Provinzebene und den Schulbehörden in erheblichem Umfang Daten über Lehrkräfte und Schulen gesammelt, aber Erhebungsbereich, Konzepte und Definitionen sind im Allgemeinen idiosynkratisch. Auch nationale und internationale Vergleichserhebungen sammeln eine breite Palette von Informationen zu Lehrkräften und Schulen, die in ihre Stichproben fallen. Die Fülle der Antworten stellt eine ernste Belastung des Systems dar, insbesondere in kleineren Verwaltungsbezirken. Der für Bildungsstatistiken zuständige Canadian Education Statistics Council (CESC) hat empfohlen, eine koordinierte Erhebung über diese wichtigen Faktoren durchzuführen. Das vorgeschlagene System würde einen Prozess implementieren, um die gegenwärtigen Datensammlungen auf Provinzebene zu harmonisieren und in bescheidenem Umfang zusätzliche Daten zu den Eigenschaften von Schulen und Lehrkräften zu sammeln, die von allen rechtmäßigen Nutzern gemeinsam genutzt werden könnten. Ein solches System würde die Gesamtbelastung des Systems auf der Primar- und Sekundarstufe verringern und viele der fehlenden Datenelemente zu Bildungsinputs und -prozessen liefern. Auf internationaler Ebene ist die OECD federführend in den Bemühungen um eine Harmonisierung der Erhebungen zu Schulen und Lehrkräften und ihre Verknüpfung mit Schülerleistungsstudien durch eine koordinierte Auswahlstrategie. Die Entwicklungen in Kanada werden in diesen internationalen Rahmen eingebunden werden, so dass die daraus resultierenden Informationen international vergleichbar sein werden. Die Schulerhebung wird Informationen über eine Reihe von Merkmalen der Bildungssysteme sammeln, um Unterschiede innerhalb der Bildungssysteme der einzelnen Provinzen und provinzübergreifende Unterschiede besser verstehen zu können. Durch die Verknüpfung mit Erhebungen über die Ergebnisse von Schülern können darüber hinaus bessere Erkenntnisse über die Auswirkungen dieser Faktoren auf die Lernergebnisse gewonnen werden. Die Schulerhebung wird Informationen zu folgenden Aspekten sammeln: Verteilung der Entscheidungsbefugnisse, Schulumfeld, soziale und wirtschaftliche Merkmale der aufgenommenen Schüler, Beobachtung und Orientierung der Schüler, Dienstleistungsangebot für bestimmte Zielgruppen wie Behinderte, ethnische Minderheiten, Einwanderer, religiöse Gruppen und die indigene Bevölkerung, Betreuung und Bewertung der Schüler, Schulschwänzen und Verhaltensstörungen, Fragen der Schulführung sowie Verfügbarkeit und Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Lehrkräfteerhebung wird die Qualifikationen der Lehrkräfte hinsichtlich ihrer Unterrichtsfächer, die Mobilität und demografische Aspekte untersuchen; alle diese Faktoren haben Auswirkungen auf die wichtige Frage des Angebots und der Nachfrage von Lehrkräften. Die Erhebung wird Daten zur Moral, Fortbildung und Zeitnutzung der Lehrkräfte sammeln, zur Zusammenarbeit des Personals, zu pädagogischen Ansätzen einschließlich Hausaufgabenkonzepte, zur Verfügbarkeit von Ausstattung und Ressourcen. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 181 INHALT eurostat Vorschlag Vorgeschlagen werden Stichprobenerhebungen unter Schulleitungen und Lehrkräften, die mit anderen vorhandenen Datensammlungsmechanismen koordiniert werden. Die jährlichen Kosten für die Entwicklung und Implementierung der Schulerhebung werden $ 400.000 über einen Zeitraum von 2 Jahren betragen. Die anschließenden laufenden Kosten der Erhebung einschließlich Analyse und Verbreitung der Ergebnisse werden bei $ 320.000 pro Jahr liegen. Die jährlichen Kosten für die Entwicklung und Implementierung der Lehrkräfteerhebung werden $ 400.000 über einen Zeitraum von 2 Jahren betragen, die anschließenden laufenden Kosten einschließlich Analyse und Verbreitung der Ergebnisse werden bei $ 400.000 pro Jahr liegen. Beide Studien werden entsprechend dem GOL-Konzept (Government Online) mit einer Option für OnlineAntworten entwickelt. Mechanismus für die Herstellung von Gleichwertigkeit der Bewertungsergebnisse auf Provinzebene, nationaler und internationaler Ebene Bewertungen des Leistungsniveaus auf Provinzebene sind im Allgemeinen eng an einen theoretischen Lehrplan gebunden, nationale Bewertungen konzentrieren sich auf einen für alle Provinzen geltenden Lehrplan, während internationale Bewertungen üblicherweise qualifikationsbasierte Modelle verwenden, bei denen kein expliziter Zusammenhang mit dem Lehrplan besteht. Der Informationswert dieser Bewertungen könnte erheblich verbessert werden, wenn es einen Mechanismus gäbe, der Aufschluss über den Bezug zwischen dem Leistungsniveau auf den Erfolgsskalen der einzelnen Provinzen und den nationalen und internationalen Erfolgsmessungen desselben Bereichs gibt. Um eine wissenschaftlich zufrieden stellende Gleichwertigkeit der Bewertungsergebnisse aus unterschiedlichen Untersuchungen zu erreichen, reicht es aus, eine relativ kleine Zahl von Schülerinnen und Schülern an beiden Bewertungen teilnehmen zu lassen. Es wird die Finanzierung eines Programms zur Verknüpfung von Studien empfohlen, um diese Skalenäquivalenzen herzustellen. Vorschlag Noch zu erarbeiten. Nominell etwa $ 300.000 pro Jahr für einen Zeitraum von 3 Jahren für die Entwicklung der Methodik und $ 250.000 pro Jahr für die anschließende Zusammenstellung der Bewertungsergebnisse auf Provinzebene, nationaler und internationaler Ebene und die Anwendung der Methodik, um die Äquivalenz der Ergebnisse herzustellen. Verwaltungsdaten zur Teilnahme an Vorschulerziehung, Erhebung der Anbieter Laut unserer National Children’s Agenda sollten wir danach streben, für die körperliche und emotionale Gesundheit, Sicherheit, den Lernerfolg, soziales Engagement und Verantwortungsbewusstsein unserer Kinder zu sorgen. Darüber hinaus deuten Ergebnisse aus verschiedenen Studien darauf hin, dass Vorschulprogramme und -aktivitäten üblicherweise positive Auswirkungen auf den Lernerfolg von Kindern, zumindest in den ersten Schuljahren, haben. Die vorhandene Informationsbasis zur Früherziehung ist jedoch begrenzt und fragmentarisch. Es mangelt an den erforderlichen vergleichbaren Informationen, um Aufschluss darüber zu erhalten, welche Arten von Programmen den kanadischen Kindern zur Verfügung stehen und in welchem Umfang sie daran teilnehmen, über die Qualität der Betreuung, die Dauer, den Bildungsgehalt und die Merkmale der Lehrkräfte und Betreuungsanbieter. Neben einem besseren Verständnis des Systems werden diese Informationen auch dazu beitragen, die Daten der NLSCY-Erhebung über die Teilnahme an Früherziehungsprogrammen zu ergänzen und Aufschluss über den Zusammenhang zwischen Teilnahme an solchen Programmen und späteren Erfolgen in der Schule und im Leben zu geben. Vorschlag Vorgeschlagen wird die Entwicklung einer Erhebung. Zunächst soll eine Auswahlgrundlage für den gesamten Komplex der Dienstleistungsanbieter im Vorschulbereich erarbeitet werden und der Inhalt der Erhebung be182 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat züglich Programmtypen, Betreuungsqualität, Dauer, Bildungsgehalt und Merkmale des Lehrpersonals entwickelt und getestet werden. Die jährlichen Kosten für die Entwicklung der Auswahlgrundlage und der Erhebung sowie das Testen werden $ 325.000 über einen Zeitraum von 2 Jahren betragen. Die anschließenden laufenden Kosten für die Durchführung der Erhebung einschließlich Analyse und Verbreitung werden bei $ 300.000 pro Jahr liegen. Informationstechnologie in Schulen, ihr Einfluss auf die Leistungen der Schüler, Humanressourcen und finanzielle Ressourcen Derzeit liegen sehr begrenzte Informationen über die Nutzung und den Einfluss dieses relativ neuen Bildungsfaktors vor. Daher stellen sich folgende Fragen: Welche Trends sind in den Fächern, die unter Verwendung von IKT gelehrt werden, erkennbar? Welche Merkmale weisen die Lehrkräfte auf, die sich dieser Ressourcen bedienen? Wird dies Auswirkungen haben auf die Fähigkeit Kanadas, seine Führungsrolle in einer Informationsgesellschaft zu behaupten? Welchen Einfluss hat die IKT auf die Leistungen der Schüler? Hat IKT einen Einfluss auf das Bildungsangebot? Wird die IKT vorhandene geografische Hindernisse in Kanada beseitigen und die Internationalisierung der Bildung fördern? Darüber hinaus ist eine zunehmend bessere Verfügbarkeit von Informationen über den aktuellen Hardware- und Softwarebestand in zahlreichen Verwaltungsbezirken zu verzeichnen. Modul 1 der Second Information Technology in Education Study (SITES) ist ein guter Benchmark, an dem Fortschritte im Laufe der Zeit gemessen werden können. Allerdings bestehen gegenwärtig keine Pläne für eine regelmäßige Erhebung dieser Verwaltungsdaten, z. B. alle 3 oder 4 Jahre. Auch Informationen über die Kosten für die Führung eines Bestandsverzeichnisses für Hardware und Software, Schulung der Lehrkräfte und Gewährleistung der Verfügbarkeit von Support-Personal sind sehr begrenzt bzw. schlicht nicht existent. Diese Kosten haben nach wie vor erhebliche Auswirkungen auf die Bildungshaushalte und natürlich auf die Mittel, die früher für andere Bildungsfaktoren zur Verfügung standen. Vorschlag Es wird die Teilnahme Kanadas an SITES-Modul 3 empfohlen, in dem die Computerkenntnisse von Schülern und Lehrern bewertet werden. Die Kosten dieser Teilnahme werden auf $ 550.000 geschätzt. Die Daten zu den übrigen Themen, die mit dieser festgestellten Datenlücke verbunden sind, werden im Rahmen der oben empfohlenen Erhebung über Schulleiter und Lehrkräfte gesammelt. Programme for International Student Assessment (PISA) der OECD Das Programme for International Student Assessment (PISA) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist eine internationale Studie der Leistungen von 15-Jährigen im Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften. Zweck dieser Studie ist ein internationaler Vergleich des Leistungsniveaus und der Leistungsverteilung und die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Leistung und individuellen, schulischen und institutionellen Faktoren. Der erste Zyklus der PISA-Studie, bei dem vor allem die Lesefertigkeiten bewertet wurden, fand 2000 statt. In Kanada wurde er zusammen mit dem ersten Zyklus der Youth in Transition Survey durchgeführt. Das Projekt wurde vom Ministerium Human Resources Development Canada (Applied Research Branch) finanziert und durch eine Partnerschaft mit dem CMEC und den Bildungsministerien der Provinzen durchgeführt. Vorschlag: Bisher sind noch keine Vorkehrungen für eine Teilnahme an den nächsten beiden PISA-Studien zur Bewertung der Mathematikkenntnisse in 2003 und der naturwissenschaftlichen Fähigkeiten in 2006 getroffen worden. Diese Studien werden äußerst wünschenswerte internationale Leistungsbenchmarks von hoher Qualität liefern und Statistics Canada würde gern sicherstellen, dass Kanada im geeigneten Umfang daran teilnimmt, um zuverlässige Leistungsschätzungen auf Provinzebene für jede der amtlichen Unterrichtssprachen erstellen zu können. Die PISA-Studie in 2003 wird Investitionen in Höhe von $ 5,8 Millionen erfordern; für die Bewertung in 2006 werden dank Effizienzvorteilen bei den Entwicklungskosten $ 5,4 Millionen benötigt. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 183 INHALT eurostat Youth in Transition Survey (YITS) und Programme for International Student Assessment (PISA) der OECD Bei Youth in Transition Survey (YITS) handelt es sich um eine Längsschnitterhebung, die politisch relevante Informationen über die Übergänge von der Schule in die Arbeitswelt und über Faktoren, die die Wege zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung und dem Erwerbsleben beeinflussen, liefern soll. 2000 wurde eine Kohorte von 15-Jährigen und eine von Jugendlichen der Altersgruppe 18-20 eingeführt. Zyklus 1 der YITS-Erhebung für die Kohorte der 15-Jährigen wurde in die PISA-Studie der OECD integriert. Für die kombinierte YITS/PISA-Studie wurde eine große Kohorte 15-jähriger Schülerinnen und Schüler ausgewählt. Im Rahmen der PISA-Studie wurden ausgewählte Schülerinnen und Schüler einer Bewertung ihrer Kompetenzen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften unterzogen. Dabei wurden Hintergrundinformationen von Schülern, Eltern und Schulverwaltern und den teilnehmenden Schülern gesammelt. Die Untersuchung liefert u. a. eine breite Palette von Variablen, bei denen ein Einfluss auf die direkt beobachteten kognitiven Ergebnisse vermutet wird, darunter Variablen, die die Struktur des Sekundarbildungssystems widerspiegeln. Die Jugendlichen werden im Abstand von zwei Jahren befragt, um ein Profil ihres beruflichen, bildungsbezogenen und sozialen Werdegangs zu erstellen und in Bezug zu getesteten Fertigkeiten, persönlichen, familiären und schulischen Faktoren zu setzen. Die Stichprobengrößen lassen zuverlässige Schätzungen in den einzelnen Provinzen für beide Amtssprachen zu. Das Stichprobendesign für die YITS-Kohorte der Altersgruppe 18-20 entspricht dem der Arbeitskräfteerhebung LFS. Diese Kohorte liefert direktere Informationen über Sekundarschulabschlüsse, Zugänglichkeit der Postsekundarbildung und Verbleib der Teilnehmer in der Postsekundarstufe sowie die Wege, die die Jugendlichen nach der Sekundarschule auf dem Arbeitsmarkt einschlagen. Die Stichprobengrößen lassen zuverlässige Schätzungen auf Provinzebene zu. Vorschlag: Die 2000 eingeführten Kohorten werden wertvolle Informationen über die von den Jugendlichen wahrgenommenen Übergänge liefern. 2006 wird die ursprüngliche Kohorte der 15-Jährigen 21 Jahre alt sein. Die PISA-Studie von 2006 stellt eine Gelegenheit dar, eine neue YITS-Kohorte mit denselben Integrationsvorteilen einzuführen, wie sie für die Kohorte von 2000 beschrieben wurden. Diese neue Kohorte wird den Werdegang der Jugendlichen unter den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen von 2006 aufzeigen und die Möglichkeit bieten, die Wirksamkeit der Politiken, Programme und praktischen Maßnahmen zu bewerten, die umgesetzt wurden, um die Probleme des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt, die durch die Studie von 2000 ermittelt wurden, in Angriff zu nehmen. Die Kosten für Erhebungsjahre, in denen zwei Kohorten befragt werden, belaufen sich auf mehr als $ 5,5 Millionen. Im Erhebungsjahr 2005-2006 wird nur die ursprüngliche Kohorte der 15-Jährigen weiterverfolgt, so dass die Kosten für dieses Jahr $ 3,8 Millionen betragen. In Jahren, in denen keine Daten erhoben werden und in denen Verarbeitungs-, Analyse- und Entwicklungstätigkeiten anfallen, liegen die Kosten über $ 2 Millionen. Programme for International Student Assessment - Längsschnittoption (PISA-L) PISA-L ist eine Längsschnittoption, die für PISA 2003 vorgeschlagen wird, um dem Bedarf an international vergleichbaren, politisch relevanten Daten über den Übergang junger Menschen von der Schule ins Erwerbsleben Rechnung zu tragen. Dieser Bedarf für Längsschnittdaten wird von etlichen Quellen anerkannt, u. a. in der kürzlichen Vergleichsstudie der OECD “Making Transitions Work” (OECD, 2000). Dem Vorhaben liegt der Gedanke zugrunde, die qualitativ hochwertigen und international vergleichbaren Daten, die mit der PISA-Studie von 2003 gesammelt werden, als Ausgangsmaterial für die ersten international vergleichbaren nationalen Längsschnittuntersuchungen zu nutzen. PISA-L bietet politischen Entscheidungsträgern und Forschern eine einmalige Gelegenheit, aufbauend auf den Daten aus der PISA-Studie 2003 Verbindungen herzustellen zwischen Einflüssen der Schule, des sozialen Hintergrunds und individuellen Einflüssen, Bildungserfolg und den Pfaden, die junge Menschen auf ihrem Weg ins Erwachsenen- und Erwerbsleben einschlagen. PISA-L würde einen unmittelbaren Beitrag zur Forschung auf dem Gebiet des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Integration liefern. Die Policy Research Initiative weist darauf hin, dass wir drängende Fragen, die für das soziale Gefüge Kanadas lebenswichtig sind, z. B. Zugang zu Arbeit, Bildung und soziale Ungleichheiten, in Angriff nehmen müssen. PISA-L wird die Forscher in die Lage versetzen, genau diese Fragen zu untersuchen, da sich die Studie vor allem mit dem Übergang zum Erwachsenen- und Erwerbsleben beschäftigen wird. 184 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Die Studie wird dazu beitragen, die Merkmale derjenigen, denen ein erfolgreicher Übergang gelingt, und die Merkmale derjenigen, die davon ausgeschlossen sind, zu ermitteln. Der Vorteil von PISA-L besteht in ihrer internationalen Vergleichbarkeit. Für das wieder erwachte Interesse am sozialen Zusammenhalt sind globale Anliegen verantwortlich. Durch die Globalisierung herbeigeführte wirtschaftliche, technologische und soziale Entwicklungen setzen die Sozialbeziehungen unter Druck (Horizons, Febr. 2001). Daher kann der Blick über die Landesgrenzen für unser Verständnis der sozialen Integration nur von Nutzen sein. Weltweit wird nach Mitteln zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung gesucht. Das Projekt PISA-L würde kontinuierlich einen Kern gemeinsamer Daten zu den Schlüsselvariablen des Übergangs sammeln. Diese Daten würden Kanada einen rigorosen Vergleich der bei uns vorhandenen Muster der Bildungsteilnahme und des Übergangs von der Schule zum Beruf mit denen in anderen Ländern ermöglichen. Derartige Vergleiche werden Kanada helfen, seine Leistungen in Bezug auf die Übergänge von Jugendlichen mit denen anderer Länder zu messen, die Stärken und Schwächen besser herauszuarbeiten, eine solidere Wissensbasis zu nutzen, um vorrangige Bereiche für Verbesserungen zu erkennen, die Debatte über Politik und Praxis auszuweiten und nachahmenswerte Verfahren aus anderen Ländern kennen zu lernen. Nur der Vergleich der Ergebnisse mehrerer Länder kann Aufschluss darüber geben, welche Faktoren, die den Übergang junger Menschen ins Erwerbsleben beeinflussen, landesspezifisch und welche universeller Natur sind. Die Teilnahme an PISA-L versetzt Kanada in die Lage, Nutzen aus internationalen politischen Foren und gemeinsamen Forschungsprojekten zu ziehen, die sich mit Fragen der sozialen Integration von Jugendlichen befassen. Vorschlag: PISA-L wird 2003 mit der Aufnahme weiterer Kontaktinformationen und Schlüsselvariablen in das PISA-Instrumentarium beginnen. Die Kerndaten zur Aktualisierung der historischen Bildungs- und Arbeitsmarktdaten werden jährlich gesammelt, bis das Panel Ende 20 ist; des Weiteren werden alle zwei Jahre detailliertere Informationen zu Fragen des Übergangs gesammelt. Die Finanzierung der Entwicklungsarbeit in 2001-02 ist gesichert; die Beratungen zur Finanzierung der Entwicklungsarbeit in 2002-03 laufen. Ab Anfang 2003 muss die nationale Implementierung finanziert werden. Der Vorteil der Verwendung von PISA 2003 als Ausgangspunkt für PISA-L besteht darin, dass die Kosten, die für eine Längsschnitterhebung anfallen würden, kompensiert werden. Da Statistics Canada die Federführung in dem für PISA-L verantwortlichen internationalen Konsortium innehat, wird ein Teil der nationalen Entwikklungskosten durch die internationalen Gemeinkosten abgedeckt (beispielsweise die Entwicklung von Anwendungen für die computergestützte Befragung). Die Entwicklungskosten für PISA-L werden auf internationaler Ebene gemeinsam getragen, wodurch die nationalen Gesamtkosten, die für ein solches Projekt anfallen würden, verringert werden. Die Möglichkeiten eines Beitrags der Provinzen werden untersucht. Die Kosten für das erste Jahr, 2003-04, werden auf $ 320.000 geschätzt. Die jährlichen Erhebungskosten für die nationale Stichprobe werden auf $ 500.000 geschätzt, wobei alle zwei Jahre weitere $ 250.000 für die im Zweijahresabstand durchzuführende Sammlung detaillierterer Informationen benötigt würden. Early Childhood Educational Preparation Study (ECEPS) Bei ECEPS handelt es sich um eine Studie über die Bildungsvorbereitung im frühen Kindesalter, die auf Provinzebene repräsentative Daten für in Kanada geborene Kinder zu folgenden Aspekten liefern soll: 1. bildungsbezogene Erfahrungen der Kinder vor ihrem Eintritt in das formelle Bildungs- bzw. Pflichtschulsystem; 2. Beitrag verschiedener Faktoren (u. a. sozialer Hintergrund, frühkindliche Betreuung usw.) zur Vorbereitung eines Kindes auf die formelle Bildung; 3. Übergänge der Kinder aus der ausschließlichen Betreuung durch die Eltern zur Teilnahme an außerhäuslichen Programmen und Schule; 4. Lernbereitschaft der Kinder. Die meisten Kinder sammeln vor dem Eintritt in das formelle Bildungs- bzw. Pflichtschulsystem Erfahrungen in verschiedenen Betreuungssituationen und vorschulischen Bildungsmaßnahmen. In Verbindung mit anderen gesonderten, jedoch überlappenden Faktoren (u. a. Erziehungsstil der Eltern, Gesundheit und wirtschaftliche und soziale Ressourcen) beeinflussen diese Erfahrungen und die Vor- und Nachteile, die den Kindern daraus erwachsen, den künftigen Bildungserfolg. Die vorgeschlagene ECEPS-Studie wird Daten zur Gesundheit, frühkindlichen Betreuung und Bildung der kanadischen Kinder liefern und damit zur Forschung über ihre soziale Integration und soziale Ausgrenzung beitragen. Diese Daten werden die Erforschung der Faktoren ermöglichen, die die “Chancen (jedes Kindes) zur Entwicklung seines einzigartigen körperlichen, emotionalen, intellektuellen, geistigen und kreativen Potenzials” beeinflussen (PRI Horizons, Februar 2001). Die Studie wird die Untersuchung folgender Aspekte möglich machen: die verschiedenen Formen der Betreuung und Bil14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 185 INHALT eurostat dung im frühen Kindesalter und die Faktoren, die Eltern bei der Auswahl der einen oder anderen Alternative in Betracht ziehen, sowie die weitere Entwicklung der Kinder, die die verschiedenen Alternativen erfahren haben, nach ihrem Eintritt in das formelle Schulsystem. Dank der umfangreichen Stichprobengröße der vorgeschlagen ECEPS werden Forscher, die die Daten aus dieser Studie verwenden, in der Lage sein, möglicherweise vorhandene Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen, Programmen, Ergebnissen und Familienmerkmalen zu untersuchen. Vorschlag: ECEPS ist eine jährlich durchzuführende Längsschnitterhebung. Die Datensammlung wird aufgenommen, wenn die Kinder 22-34 Monate alt sind, und endet kurz vor Abschluss der ersten Klasse. Die teilnehmenden Kinder werden aus dem Register der in Kanada in 2002 geborenen Kinder ausgewählt. Die Stichprobengröße wird Vergleiche zwischen verschiedenen Untergruppen zulassen, beispielsweise auf Grundlage der Provinz, in der die Kinder geboren wurden, des sozioökonomischen Status der Eltern und der Art der Kindesbetreuung. Jedes Jahr werden Daten von Eltern/Vormündern, den Kindern selbst und – für die Kinder, die nicht ausschließlich von einem Elternteil oder Vormund betreut werden – von Betreuern/Vorschullehrern erhoben. Bei der Befragung des Elternteils/Vormunds werden Informationen zur Gesundheit und Entwicklung des Kindes gesammelt, dem häuslichen Umfeld, den Faktoren, die die Inanspruchnahme und Auswahl nichtelterlicher Betreuungsformen beeinflusst haben, sowie zur Nachbarschaft. Die Kinder nehmen an Aktivitäten teil, durch die ihre Entwicklung auf verschiedenen Gebieten (z. B. kognitiv, sozial, emotional und körperlich) gemessen werden soll. Mit Zustimmung der Eltern werden auch die Personen und Organisationen befragt/erfasst, die das Kind regelmäßig betreuen. Diese Betreuer/Vorschullehrer werden Daten über die außerhäuslichen Aktivitäten und Erfahrungen des Kindes liefern. Um bessere Erkenntnisse über die Kinderbetreuungs- und Vorschulmaßnahmen zu gewinnen, wird eine ausgewählte Zahl von Betreuungssituationen beobachtet und bewertet. Für die Entwicklungstätigkeiten einschließlich Konsultation, Erarbeitung des konzeptionellen Erhebungsrahmens, Stichprobenentwicklung, Entwicklung von Fragebogen und Dokumentation und Kontaktpflegeaktivitäten wird eine Anfangsinvestition von $ 500.000 in 2002-03 und $ 2 Millionen in 2003-04 erforderlich sein. Die Datensammlung wird 2004-05 aufgenommen und jährliche Investitionen in Höhe von $ 7 Millionen für einen Zeitraum von 6 Jahren erfordern. Longitudinal Study of Schools and Students (LSSS) Diese Längsschnittstudie über Schulen und Schüler verfolgt zwei Ziele: 1. dem Bedarf an Daten über das Elementarschulsystem in Kanada nachzukommen und 2. den Einfluss einer breiten Palette von Faktoren, u. a. sozialem Hintergrund, Gemeinschaft, Schulen und Lehrern, auf den Lernerfolg und die Bildungsergebnisse kanadischer Kindern zu untersuchen. Gegenwärtig ist kein Programm von Statistics Canada geeignet, den Einfluss von Schulen und Lehrverfahren auf die Ergebnisse der kanadischen Kinder zu messen. Die LSSS-Studie leistet einen Beitrag zur Forschung über die soziale Integration/Ausgrenzung kanadischer Kinder, indem sie Indikatoren über vielfältige Dimensionen des Wohlergehens von Kindern liefert, insbesondere in unseren Bildungssystemen. Aufgrund ihres Designs ermöglicht die Studie Forschern, sich mit Fragen wie Benachteiligung, Chancengleichheit beim Zugang zu und in der Bildung sowie Lebenschancen ab dem frühen Kindesalter zu beschäftigen. Ein grundlegender Faktor für die Kindesentwicklung sind die Bildungserfahrungen und die damit verbundenen Ergebnisse. In einem Artikel der Ausgabe vom Februar 2001 der von der Policy Research Initiative herausgegebenen Zeitschrift Horizons wird der Einfluss der Nachbarschaft auf die Integration erörtert. Die Botschaft ist unmissverständlich: Kinder, die in einem Problemviertel aufwachsen, das u. a. durch überfüllte und unterfinanzierte Schulen gekennzeichnet ist, sind besonders durch Ausgrenzung gefährdet. Die LSSS-Studie ermöglicht aufgrund ihres Designs die Analyse von Untergruppen der kanadischen Kinder und bezieht Indikatoren des familiären, sozialen und kulturellen Hintergrunds und der Gemeinschaft mit ein. Vorschlag: LSSS ist eine Längsschnitterhebung mit zwei gesonderten Auswahleinheiten: Schulen und Kinder. Infolge des zweistufigen Designs werden zunächst öffentliche und private Elementarschulen ausgewählt, um bestehende Datenlücken in den Bereichen Finanzen, Mittelzuweisung, Schulumfeld und -klima, Klassengrößen und -zusammensetzung zu schließen. Die Schulen werden jährlich beobachtet; eine regelmäßige Auffrischung der Stichproben ist vorgesehen. Die Schuldaten werden repräsentative Informationen liefern, anhand derer ein Profil des Elementarschulsystems in Kanada erstellt werden kann. In 186 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat der zweiten Stufe wird aus jeder Schule eine Stichprobe sechsjähriger Kinder gezogen, wahrscheinlich aus der Kindergartenstufe oder der ersten Klasse, und bis zum Alter von 19 Jahren jährlich beobachtet. In diesem Alter endet die Sekundarschulbildung und findet der Übergang zur Postsekundarbildung oder ins Erwerbsleben statt. Der Vorteil des vorgeschlagenen Studiendesigns besteht darin, dass die Daten von Schulen und Schülern miteinander verknüpft werden können. Die Stichprobengrößen lassen eine Bewertung des Einflusses der Schule auf den Bildungserfolg zu. Außerdem können aufgrund des Stichprobendesigns die Bildungserfahrungen und -ergebnisse dreier Kleinkindgruppen verglichen werden: in Kanada geborene Kinder, Immigrantenkinder und indigene Kinder. Als “Bestandsmessung” werden die Kinder bei der ersten Datensammlung gebeten, an einer kognitiven Bewertung teilzunehmen. Informationen über den sozialen Hintergrund und früher genutzte Betreuungsformen werden von den Eltern erhoben. Von dem “Hauptlehrer” bzw. der Lehrkraft, die über die meisten Kenntnisse verfügt, werden Daten erhoben, die weitere Indikatoren für die Erfahrungen der Kinder im Unterricht und die Bildungsergebnisse liefern. Integraler Bestandteil des Studiendesigns ist die Konzentration auf Lehrverfahren und Unterrichtsdynamik; die betreffenden Daten werden unter Verwendung einer Vielzahl verschiedener Techniken erhoben, beispielsweise durch direkte Beobachtung oder Videoaufnahmen. Um Leistungs- oder Ergebnisdaten zu erhalten, werden die Ergebnisse aus Tests auf Provinzebene und sonstigen vorgeschriebenen Tests erfasst. Aggregierte gemeinschaftsbezogene Indikatoren aus der Volkszählung werden zur Bewertung der Auswirkungen der Gemeinschaft herangezogen. Für die Entwicklungstätigkeiten einschließlich Konsultation, Erarbeitung des konzeptionellen Erhebungsrahmens, Methodik und Stichprobenentwicklung (einschließlich Erarbeitung der Auswahlgrundlage), Entwikklung und Testen des Fragebogens (einschließlich Entwicklung alternativer Techniken und Pilottest) wird eine Anfangsinvestition von $ 5,5 Millionen in den Haushaltsjahren 2001-02 bis 2004-05 erforderlich sein. Die Datensammlung wird jährliche Investitionen in Höhe von $ 7,5 Millionen ab 2005-06 erfordern. National Graduates Survey (NGS) Das NGS-Programm ist integraler Bestandteil des Bildungsinformationssystems der Provinz- und Bundesregierungen. Das Stichprobendesign ermöglicht präzise Schätzungen des Übergangs von Absolventen von der Ausbildung in die Arbeitswelt auf Landes- und Provinzebene, und zwar differenziert nach Studienfach und erworbenem Grad – eine Detailebene, die keine andere Datenquelle bietet. Die Erhebung umfasst eine überrepräsentative Stichprobe von Absolventen mit Master’s Degree und eine Vollerhebung der Absolventen mit Ph.D.-Abschluss, um eine detaillierte Analyse hoch qualifizierter Akademiker zu ermöglichen. Aufgrund des Stichprobendesigns sind Vergleiche sowohl innerhalb der Kohorten als auch kohortenübergreifend möglich. Da auch der Werdegang von Absolventen, die in die USA oder andere Länder migrieren, verfolgt wird, ist eine Analyse der Provinz- und Landesgrenzen überschreitenden Mobilität qualifizierter Fachkräfte möglich. Die NGS soll folgende Ziele erfüllen: • Untersuchung der kurz- bis mittelfristigen Arbeitsmarkterfahrungen von Absolventen, um die Erkenntnisse für die Berufsberatung und die Auswahl der Postsekundarausbildung zu nutzen, • Unterstützung von Projektionsmodellen zu Berufsangebot und -nachfrage und Studien von Ungleichgewichten von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt, differenziert nach Studienfach, • Erkenntnisse über die Arbeitsmarkterfahrungen von im Beschäftigungsbereich benachteiligten Gruppen (Frauen, Indigene, Behinderte und ethnische Minderheiten), um die Erkenntnisse für die Formulierung von gleichstellungspolitischen Arbeitsmarktmaßnahmen zu nutzen, • Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Erfahrungen in der allgemeinen und beruflichen Bildung und auf dem Arbeitsmarkt und des Angebots an arbeitsplatzbezogener Fortbildung für Absolventen, • Beobachtung der Übergänge von der Ausbildung in die Arbeitswelt und der Humankapitalrendite und • Untersuchung der Finanzierung der Postsekundarbildung. In der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft wird die Fähigkeit, zu lernen und sich Fertigkeiten und Kompetenzen anzueignen, unabdingbar, und zwar für den Einzelnen, um Zugang zu Beschäftigung zu erhalten und sich veränderten Bedingungen anzupassen, und für die Wirtschaft, um Innovation und Wachstum zu erzielen (Horizons, April 2000). Der Zugang zu Humankapitalentwicklung ist eine weitere Schlüsselkomponente der sozialen Integration und Teilhabe (Horizons, 2001). Um also sowohl soziale Integration als auch 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 187 INHALT eurostat Wachstum und Innovation zu erreichen, muss sich die Politik der Herausforderung stellen, die Entwicklung hoch qualifizierter und anpassungsfähiger Arbeitskräfte zu maximieren. Die NGS-Erhebung ist das einzige Instrument, um den Übergang hoch qualifizierter Absolventen von der Ausbildung in die Arbeitswelt differenziert nach Bildungsniveau und Fachgebiet zu untersuchen. “Das Abwandern qualifizierter Arbeitskräfte mit hohem Einkommen ist ein außerordentlich wichtiges Thema, nicht nur, weil Kanada zu viele der “Besten und Begabtesten” verlieren könnte, sondern auch, weil diese Dynamik die Regierung unter Druck setzen könnte, die höheren Steuern zu senken, die Kanada die Finanzierung seiner großzügigen Sozialprogramme ermöglichen.” (George Hoberg, Canadian Public Policy, August 2000). Die Beobachtung der “Braindrain”-Phänomene dürfte mit der wachsenden Zahl von Abkommen zur Liberalisierung des Handels an Bedeutung zunehmen. Gleichzeitig bleibt ein Teil der ausländischen Studierenden nach dem Studienabschluss in Kanada. Das NGS-Programm ermöglicht die Untersuchung von Verbleib und Mobilität der Absolventen. Vorschlag: Das NGS-Programm erfasst die Klassen von 1982, 1986, 1990, 1995 und 2000. Das Projekt bestünde in einer Fortsetzung des Programms durch Erhebung von Informationen über die Klasse von 2000 5 Jahre nach dem Studienabschluss, Einführung einer neuen Absolventenkohorte in 2005 und Ausweitung des NGS-Designs, um eine Folgebefragung 9 Jahre nach dem Abschluss durchzuführen. Die nächsten NGS-Erhebungswellen könnten folgende Erweiterungen enthalten: • Erweiterung des NGS-Programms auf eine Folgebefragung 9 Jahre nach dem Abschluss, um bessere Erkenntnisse über die langfristigen Arbeitsmarktergebnisse, Muster des lebenslangen Lernens und der qualifikationserhaltenden Maßnahmen und die Rendite von Bildungsinvestitionen zu gewinnen (Kohorten von 1995, 2000 und 2005); • Aufnahme vollständiger historischer Arbeitsmarktdaten der Absolventen, um die Analyse der Häufigkeit und des Zeitpunkts von Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitsphasen zu erleichtern (Kohorten von 2000 und 2005); • Ausweitung der ursprünglichen Erhebungsstichprobe auf ausländische Studierende und kanadische Studierende in den USA und anderen Ländern, um das Potenzial zur Exploration der Mobilität und der Tendenz hoch qualifizierter Arbeitskräfte zum Verbleib in Kanada zu verbessern (Kohorten von 2000 und 2005); • Nutzung des neuen Standardklassifikationssystems für institutionelle Programme (CIP), um sicherzustellen, dass die Stichprobenauswahl für neue Fachgebiete repräsentativ ist, und um die Analyse neuer Fachgebiete zu erleichtern (Kohorten von 2000 und 2005); • Weiterentwicklung des Inhalts, um Erkenntnisse über das e-Learning-Angebot zu erleichtern (Kohorten von 2000 und 2005); • Nutzung des ESIS-Informationssystems zur Beobachtung der Weiterbildung (Kohorten von 1995, 2000 und 2005); • Nutzung der Ausweitung des ESIS auf private Bildungseinrichtungen des Postsekundarbereichs durch Aufnahme von Absolventen privater Bildungsprogramme in das Stichprobendesign (Kohorte von 2005). Die NGS-Erhebung wird gegenwärtig aus Mitteln des Programms GAPS II der Policy Research Initiative für die Untersuchung von Übergängen der Postsekundarbildung finanziert. Der jährliche Finanzierungsbedarf ab 2003-04 für die vorschlagsgemäß erweiterte NGS liegt zwischen $ 1,2 Millionen (Entwicklung, Verarbeitung und Analyse) und $ 1,9 Millionen (Datensammlung). Postsecondary Education Participation Survey (PEPS) Die Postsecondary Education Participation Survey (PEPS) wird als jährliche Erhebung vorgeschlagen, mit der vor allem die Zugänglichkeit der Postsekundarbildung und der Verbleib der Teilnehmer in der Postsekundarstufe gemessen werden soll. Die PEPS würde folgende Aspekte beobachten: • • • • Zugangspotenzial: Abbrüche der Sekundarschulbildung, Zugang zur Postsekundarbildung, Einfluss von Studiendarlehen auf die Zugänglichkeit der Postsekundarbildung, Einfluss des sozioökonomischen Status der Eltern auf die Zugänglichkeit der Postsekundarbildung, 188 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat • Merkmale der in Anspruch genommenen Postsekundarprogramme, • Abbrüche der Postsekundarschulbildung, • Einfluss von Schulden der Studierenden auf die Fortsetzung der Ausbildung, • von den Studierenden genutzte Mechanismen zur Finanzierung der Postsekundarbildung, • Zugänglichkeit und Nutzung von Studentendarlehen, • Bekanntheitsgrad von Studentendarlehen bei denjenigen, die nicht an der Postsekundarbildung teilnehmen, • Angemessenheit der finanziellen Unterstützung für Studierende und die Studierenden entstehenden Bildungskosten (Studiengebühren, sonstige Bildungskosten und wichtigste monatliche Ausgaben der jetzigen Studenten) und • soziodemografische Merkmale von Teilnehmern und Nichtteilnehmern der Postsekundarbildung. Die PEPS ist Teil des Erhebungsnetzes von Statistics Canada zur Untersuchung der Teilnahme an der Postsekundarbildung. Mit einer jährlich durchgeführten PEPS werden wir in der Lage sein, Informationen über eine Population zu sammeln, die über die hinausgeht, die mit den Längsschnitterhebungen von Statistics Canada über Jugendliche bzw. Absolventen der Postsekundarstufe erfasst wird. Die PEPS wird jedoch keine Detailinformationen über den Übergang von einer Lebensphase in eine andere liefern können, wie sie durch eine Längsschnitterhebung zu erzielen sind. Die Erhebung wird Basisindikatoren der jährlichen Trends zu folgenden Aspekten liefern: Sekundarschulabschluss, Zugänglichkeit der Postsekundarbildung, insbesondere unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Status der Familie, Verbleib in der Postsekundarbildung, Rolle von Studentendarlehen und anderer finanzieller Unterstützung sowie Angemessenheit der finanziellen Unterstützung für Studierende. Anhand dieser jährlich erhobenen Daten können die Auswirkungen von wirtschaftlichem und sozialem Wandel und von Veränderungen in der Regierungspolitik beobachtet werden, und sie werden Hinweise darauf liefern, welche Bereiche einer genaueren Untersuchung bedürfen. Die von der Harmonisation Group des Canada Student Loans Program entwickelte Grundlage für die Berichterstattung ermittelte vier jährlich zu überwachende Schlüsselindikatoren: Zugang zur Postsekundarbildung, Fortsetzung/Abschluss der Postsekundarstufe, Verschuldung und Zahlungsfähigkeit der Studierenden und Verzugs-/Ausfallquoten. Die von der PEPS gelieferten jährlichen Daten würden also die praktische Anwendung dieser Grundlage unterstützen, die Politik mit Daten versorgen und die Möglichkeit schaffen, Rechenschaft gegenüber der kanadischen Öffentlichkeit abzulegen. Auch das Postsecondary Accessibility Project des CMEC hat einen bei den Bildungsministern vorhandenen Informationsbedarf hinsichtlich Indikatoren für den Zugang zur und den Verbleib in der Postsekundarbildung und hinsichtlich Bestimmung von beides beeinflussenden Faktoren, insbesondere finanzielle Hindernisse, festgestellt und als Schwerpunkte für fortgesetzte Untersuchungen ermittelt. Die Canadian Millenium Scholarship Foundation hat kürzlich Fragen der Zugänglichkeit und der Finanzierung von Postsekundarbildung als Schlüsselbereiche ermittelt, die weiterer Untersuchung bedürfen. Die Stiftung interessiert sich auch dafür, die bestimmenden Faktoren für Zugang zu und Verbleib in der Postsekundarbildung und die Hauptfinanzierungsquellen der Studierenden zu ermitteln, zu untersuchen, wie gut Jugendliche über die Finanzierungsmöglichkeiten für die Postsekundarbildung informiert sind, und zu bestimmen, inwieweit die Gesamtkosten der Postsekundarbildung tatsächlich eine Zugangsbarriere darstellen oder als solche wahrgenommen werden. Auch der Bericht des Pan Canadian Education Indicators Project des Canadian Education Statistics Council für das Jahr 1999 nannte den Zugang zu und den Verbleib in der Postsekundarbildung sowie ihre Finanzierung als wichtige Komponenten der zu entwickelnden Indikatoren. Die PEPS würde einen unmittelbaren Beitrag zur Forschung auf dem Gebiet des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Integration liefern. Die Policy Research Initiative weist darauf hin, dass wir drängende Fragen, die für das soziale Gefüge Kanadas lebenswichtig sind, z. B. Zugang zu Arbeit, Bildung und soziale Ungleichheiten, in Angriff nehmen müssen. Es sind etliche Belege dafür vorhanden, dass die Teilnahme an Postsekundarbildung den Betreffenden erhebliche Vorteile bringt. Angesichts der Tatsache, dass die Entscheidung, Postsekundarstudien aufzunehmen bzw. fortzusetzen, für viele ein bestimmender Moment ist und zahlreiche Konsequenzen für das weitere Leben hat, ist Chancengleichheit über die Klassen der Gesellschaft hinweg von großer Bedeutung. Die Regierungen haben ein Interesse daran, gleichberechtigten Zugang zum Postsekundarbildungssystem sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass dieser Zugang nicht ungebührlich durch die mit den Teilnahmekosten verbundenen finanziellen Hindernisse beeinflusst wird. Ohne die PEPS-Erhebung gibt es kei14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 189 INHALT eurostat nen Mechanismus zur Überwachung des Zugangs zu und des Verbleibs in der Postsekundarbildung oder zum Verständnis der Auswirkungen wirtschaftlichen Drucks, politischer und programmatischer Veränderungen auf den Zugang bzw. den Verbleib. Vorschlag: Die PEPS wird von Statistics Canada mit Unterstützung der GAPS II-Initiative des Privy Council Office Policy Research Committee zur Messung von Übergängen zur Postsekundarstufe sowie der Harmonisation Group des Canada Student Loans Program des Ministeriums Human Resources Development Canada (HRDC) entwickelt. Sie ergänzt die Arbeitskräfteerhebung LFS und wird in Form von computergestützten Telefonbefragungen durchgeführt. Die Zielpopulation ist eingeschränkt auf diejenigen, bei denen die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass sie die Teilnahme an der Postsekundarbildung oder ihren Abbruch in Erwägung ziehen. Dazu zählen junge Erwachsene der Altersgruppe 18-24 (17-24 in Quebec). Durch die aktuellen Finanzmittel für die PEPS ist nur das erste Jahr der Datensammlung gesichert. Eine jährlich durchgeführte Erhebung würde Investitionen in Höhe von $ 960.000 pro Jahr erfordern, von denen $ 100.000 auch weiterhin vom HRDC bereitgestellt würden. Weiterentwicklung der Bildungskonzepte innerhalb bestehender Erhebungen Zu dem Netzwerk von Erhebungen, die Informationen für die Diskussion über bildungspolitische Fragen liefern, gehören auch Erhebungen, die außerhalb des Centre for Education Statistics entwickelt wurden. Als Beispiele für Erhebungen, die den Zusammenhang zwischen Bildungsstand, Beschäftigung, Ausbildung und lebenslangem Lernen beleuchten, sind die Labour Force Survey, die Survey of Labour and Income Dynamics, die General Social Survey und die Workplace and Employee Survey zu erwähnen. Die Aboriginal Peoples Survey und die Survey of Persons with Activity Limitations befassen sich mit der indigenen Bevölkerung bzw. eingeschränkt erwerbsfähigen Personen und liefern uns Erkenntnisse über ihren Zugang zu Bildungschancen und den Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Beschäftigung bei diesen Schlüsselpopulationen. Die Survey of Household Spending kann uns Aufschluss darüber geben, wie kanadische Familien ihre Ressourcen für Bildungsprodukte und -dienstleistungen einteilen und wie sie die Bildung ihrer Kinder unterstützen. Der Inhalt dieser Erhebungen orientiert sich an den Bedürfnissen der wichtigsten Unterstützer dieser Unternehmungen. Daher haben sich die Messungen bildungsbezogener Konzepte unabhängig und unterschiedlich entwickelt und in gewisser Hinsicht enthalten all diese Erhebungen Elemente, die eine vollständige Erforschung bildungspolitischer Fragen behindern. In diese Erhebungen sind bereits erhebliche öffentliche Ressourcen investiert worden und alle haben Finanzierungsmöglichkeiten entwickelt. Daher stellt eine relativ geringe Investition in Weiterentwicklungen der im Rahmen dieser Erhebungen gemessenen bildungsbezogenen Konzepte eine enorme Gelegenheit für die künftige Exploration von Informationslücken dar. Außerdem würden Längsschnittuntersuchungen wie die Survey of Labour and Income Dynamics und das vorgeschlagene Längsschnittmodul der Aboriginal Peoples Survey zu Kindern durch das Hinzukommen direkter Messungen von kognitiver Entwicklung und Fertigkeiten erheblich verbessert. Diese Erhebungen enthalten Informationen über die soziale Herkunft und den Bildungshintergrund der Teilnehmer sowie über ihren aktuellen Status in Beruf bzw. Bildung. Daher können bei der Untersuchung der Auswirkungen von Politik oder Praxis auf die Ergebnisse relevante Hintergrundaspekte berücksichtigt werden. Schlüssigfertigkeiten wie Lesen und Rechnen haben einen entscheidenden Einfluss auf spätere Bildungs- und Arbeitsmarktergebnisse. Die Analyse von Daten aus vorhandenen Erhebungen wie der International Adult Literacy and Life-skills Survey und der Longitudinal Survey of Australian Youth hat gezeigt, dass Analysen des Einflusses von Hintergrundfaktoren auf Bildungs- und Arbeitsmarktergebnisse ohne Einbeziehung direkter Qualifikationsmessungen irreführend sein können. Die Workplace and Employee Survey (WES) bietet repräsentative Arbeitnehmerstichproben, die repräsentativen Unternehmensstichproben entnommen werden. Die Erhebung wäre ein ideales Instrument, um eine Studie durchzuführen, die Aufschluss darüber gibt, inwieweit Fertigkeiten, z. B. im Lesen, den Unternehmenserfolg bestimmen, und umgekehrt darüber, welche durch die jeweilige Produktionstechnologie und Unternehmenskultur bedingten Unterschiede zwischen Unternehmen hinsichtlich ihres Bedarfs an Fertigkeiten und deren Nutzung vorhanden sind. Dies wäre durch eine Bewertung der Fertigkeiten einer Unterstichprobe der WESTeilnehmer zu erreichen. 190 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Vorschlag: Bereitstellung von Mitteln für die Einbeziehung von Bildungsanalysten in die Entwicklung der Inhalte der außerhalb des Centre for Education Statistics durchgeführten Schlüsselerhebungen von Statistics Canada. Hierzu wäre eine Investition in Höhe von $ 100.000 in 2002-03 erforderlich, mit anschließenden Erhaltungsinvestitionen von $ 50.000 pro Jahr. Bereitstellung von Mitteln, um die Weiterentwicklung des Bildungsinhalts bestehender Erhebungen zu unterstützen, einschließlich Ergänzung durch Qualifikationsbewertungen, soweit sinnvoll und erwünscht. Hierzu würden auch Investitionen in Machbarkeitsstudien für die einzelnen in Betracht gezogenen Erhebungen gehören. Der zusätzliche Investitionsbedarf würde $ 500.000 pro Jahr betragen, wobei die Mittel auf die betreffenden Erhebungen aufzuteilen wären. Programm zur Untersuchung der Variabilität von Bildungsergebnissen auf Gemeinschaftsebene Ein großer Teil der jüngsten Forschung enthält Hinweise darauf, dass in vielen Fällen ein Zusammenhang zwischen Unterschieden in den Bildungsergebnissen und Merkmalen der betreffenden Gemeinschaft hergestellt werden kann. Diese Erkenntnisse haben wichtige Auswirkungen für die staatliche Politik, insbesondere hinsichtlich der Formeln für die Mittelzuweisung. Ein Programm zur Analyse der Leistungsergebnisse von Schülern, verknüpft mit gemeinschaftsbezogenen Daten aus der Volkszählung und anderen Quellen, würde erheblich zu unserem Verständnis der Variabilität von Bildungsergebnissen auf Gemeinschaftsebene und den sozialen und wirtschaftlichen Prozessen, die solchen Unterschieden zugrunde liegen, beitragen. Teilnahme an allen Zyklen der PISA-Studie der OECD Wie bereits erwähnt nimmt Kanada gegenwärtig an dem Zyklus des Jahres 2000 der PISA-Studie der OECD zur Bewertung des Leseverständnisses teil. Bisher sind noch keine Vorkehrungen für die Teilnahme an den nächsten beiden PISA-Studien zur Bewertung der Mathematikkenntnisse in 2003 und der naturwissenschaftlichen Fertigkeiten in 2006 getroffen worden. Diese Studien werden äußerst wünschenswerte internationale Leistungsbenchmarks von hoher Qualität liefern und Statistics Canada würde gern sicherstellen, dass Kanada im geeigneten Umfang daran teilnimmt, um zuverlässige Leistungsschätzungen auf Provinzebene für jede der amtlichen Unterrichtssprachen erstellen zu können. Qualifikationsbewertung als Ergänzung zur WES-Erhebung Wie oben dargestellt ist die WES-Erhebung insoweit einzigartig, als sie repräsentative Arbeitnehmerstichproben bietet, die repräsentativen Unternehmensstichproben entnommen werden. Die Erhebung wäre ein ideales Instrument, um eine Studie durchzuführen, die Aufschluss darüber gibt, inwieweit Lesefertigkeiten den Unternehmenserfolg bestimmen, und umgekehrt darüber, welche durch die jeweilige Produktionstechnologie und Unternehmenskultur bedingten Unterschiede zwischen Unternehmen hinsichtlich ihres Bedarfs an Fertigkeiten und deren Nutzung vorhanden sind. Dies wäre durch Befragung einer Unterstichprobe der WES-Teilnehmer mit einer Variante der IALS-Instrumente zu erreichen. Einführung einer neuen NLSCY-Kohorte Bisher wird nur eine einzige NLSCY-Kohorte untersucht. Es wäre nützlich, eine zweite Kohorte einzuführen, um Periodeneffekte festzustellen und eine Obergrenze für Messfehler zu schaffen, insbesondere Fehler, die mit der Schätzung von Querschnittsverteilungen auf Grundlage einer kleinen Längsschnittkohorte verbunden sind. Einführung spezifischer Kohorten für einkommensschwache Familien, Einwanderer und die indigene kanadische Bevölkerung in die NLSCY-Erhebung Ihrer ursprünglichen Konzeption nach sollte die NLSCY-Erhebung einen nationalen Benchmark liefern, mit dem die Leistungen ausgewählter Bevölkerungsgruppen und Provinzen verglichen werden könnten. Analysen haben ergeben, dass drei Bevölkerungsgruppen durch Probleme im Zusammenhang mit dem Erwerb von Fertigkeiten und Lernen besonders gefährdet sind: einkommensschwache Familien, Einwanderer und die indigene kanadische Bevölkerung. Diese Defizite sind so groß, dass die Einführung spezifischer Kohorten für jede einzelne dieser Gruppen im Rahmen der neuen NLSCY-Kohorte gerechtfertigt erscheint. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 191 INHALT eurostat 9. Schlussfolgerungen und Empfehlungen Aus dem Vorausgehenden wird deutlich, dass Kanada noch viel zu tun bleibt, bis es über ein integriertes System amtlicher Statistiken zum Thema Fertigkeiten und Lernen verfügt, das sowohl die Dimension “lebenslang” als auch die Dimension “lebensweit” umfasst. Dabei werden die für das ideale System aufgestellten Kriterien durch weite Teile des gegenwärtigen Systems bzw. die in die Wege geleiteten Ergänzungen bereits erfüllt. Der Zugang zu Finanzierungsmitteln ist der erste und offenkundigste Faktor, der das Tempo beeinflussen wird, mit dem die vorhandenen Datenlücken geschlossen werden können. Die größten Herausforderungen im Hinblick auf Messungen des lebenslangen Lernens liegen möglicherweise in den Messungen selbst. Obwohl es eine lange Tradition der Leistungsbewertung in der Schule gibt, befindet sich die direkte Bewertung von Qualifikationsniveaus in anderen Lebensbereichen noch im Anfangsstadium. Die im Folgenden dargelegten Verbesserungsvorschläge würden die Qualität und die Nützlichkeit der nächsten Generation von Bewertungen erheblich verbessern. Viele dieser Vorschläge sind in das Design der geplanten Erhebung Adult Literacy and Life Skills Survey (ALL) eingeflossen, die gemeinsam von Statistics Canada und dem US-amerikanischen National Center for Education Statistics in Zusammenarbeit mit der OECD eingeführt wird. Für den Fortschritt sind vier weitere Elemente von entscheidender Bedeutung. Erstens bedarf es ernsthafter theoretischer Entwicklungsarbeit für die Gestaltung der Studien, die objektive Messungen von Fertigkeiten liefern sollen. Ohne eine solche theoretische Grundlage werden die Messungen unzuverlässig sein, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Das Fehlen solider theoretischer Grundlagen birgt auch die Gefahr einer Überinterpretation dessen, was gegenwärtig messbar ist, auf Kosten weniger leicht zu bearbeitender Qualifikationsbereiche. Zweitens müssen Mechanismen zur Finanzierung der Entwicklung und Prüfung von Instrumenten geschaffen werden, in denen die Theorie angemessenen Niederschlag findet. Der mit einer solchen Forschung und Entwicklung verbundene Ressourcenbedarf übersteigt die finanziellen Mittel einzelner Länder bei weitem; hier bietet sich also eine Rolle für multilaterale Organisationen an. Drittens sind insbesondere in zwei Bereichen technische Fortschritte vonnöten: bei den statistischen Techniken zur Zusammenfassung von Leistungen und bei der Kompensierung nicht-neutraler Einflüsse auf Leistungsschätzungen. Schließlich müssen Mechanismen geschaffen werden, um die Durchführung internationaler Vergleichsstudien auf dem Gebiet der Bewertung von Schlüsselaspekten des lebenslangen Lernens zu ermöglichen. Es ist nicht klar, ob der Ansatz von IEA, Statistics Canada oder OECD ein optimales Konzept für die Konzeption, das Management und die Verbreitung von Informationen zum Thema Fertigkeiten und Lernen darstellt. 192 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat LEBENSLANGES LERNEN IN ITALIEN: DIE AKTUELLE STATISTISCHE SITUATION UND MÖGLICHE ENTWICKLUNGEN1 MICALI Aurea Direktor ISTAT Viale Liegi 13 ROM, ITALIEN [email protected] Zusammenfassung Aufgrund der zögerlichen Flexibilisierung des Bildungssystems in Italien und der mäßigen Anforderungen, die die Wirtschaft an die allgemeine und berufliche Bildung stellt, ist heute der Umfang der statistischen Informationen über das lebenslange Lernen als gering einzuschätzen. In Anbetracht der rasanten Entwicklungen sowohl im Bildungssystem als auch in der Wirtschaft erscheint jedoch eine verstärkte Hinwendung zu dieser Thematik dringend geboten. Vor diesem Hintergrund ist die amtliche Statistik gefordert, sich mit zwei Problemen zu befassen. Im Hinblick auf das Angebot an Möglichkeiten des lebenslangen Lernens muss ein Phänomen untersucht werden, dessen Rahmen selbst die Personen, die es beschreiben sollen, kaum abstecken können. Im Hinblick auf die Nachfrage geht es darum, Informationen über den IKT-bedingten neuen (und bereits bestehenden) Bedarf an Bildungs- und Ausbildungsangeboten zugänglich zu machen. 1. Die Lage in Italien Italien führt keine eigenen Erhebungen über das lebenslange Lernen durch. Nahezu alle hierzu verfügbaren Daten stammen aus international harmonisierten Erhebungen. Für diese statistische „Nachlässigkeit” lassen sich zwei Gründe anführen: zum einen die besonderen Umstände, die das italienische Bildungssystem bis heute kennzeichnen, zum anderen die Wesensmerkmale, die seine Wechselbeziehungen mit dem Arbeitsmarkt prägen. Diese Besonderheiten sollen anhand einer Reihe von Daten näher erläutert werden. Italien zählt zu den Industrieländern mit den niedrigsten Schulbesuchsquoten. Dies erkennt man, wenn man die Gliederung der Bevölkerung nach Bildungsabschlüssen betrachtet (Abb. 1). In der Altersgruppe der 35- bis 44Jährigen beträgt der prozentuale Anteil der Personen, die zumindest einen Bildungsgang des ISCED-Bereichs 3 (Sekundarstufe II) abgeschlossen haben, 50 %. Damit verzeichnet Italien einen der niedrigsten Werte aller betrachteten Länder. Hieraus ergeben sich weit reichende Konsequenzen für das lebenslange Lernen. Es ist allgemein (auch international) anerkannt, dass der von einer Person erreichte Bildungsgrad und die „Wahrscheinlichkeit“, dass diese Person sich fortbilden wird, positiv korrelieren. Die Bereitschaft der Unternehmen zu Investitionen in Fortbildung nimmt in dem Maße zu, in dem das Bildungsausgangsniveau ihrer Belegschaft steigt. Die Fortbildungsquote in der Gruppe der 25- bis 64-jährigen Beschäftigten (gemessen im Monat vor der Befragung) beträgt bei Hochschulabsolventen 6,8 %, 1 Aurea Micali, Istat 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 193 INHALT eurostat bei Absolventen eines Bildungsgangs des ISCED-Bereichs 3 A noch 5,4 %, und bei Personen, die 2 höchstens über einen Bildungsabschluss im Bereich ISCED 1 verfügen, nur 0,6 % (vgl. Abb. 2) . Abb. 1 - Anteil der Bevölkerung (25-34-Jährige) mit einem Abschluss mindestens im Sekundarbereich II (1999) Japan USA Kanada Schweden Dänemark Finnland Deutschland Österreich Frankreich Belgien Griechenland Irland Vereinigtes Königreich Niederlande Luxemburg Italien Spanien Portugal 0 20 40 60 80 100 Quelle: OECD Abb. 2 - Anteil der Arbeitnehmer in allgemeinen oder beruflichen Bildungsgängen nach Bildungsgrad CED 5/6 " 3A " 3C " 2 " 1 0 2 4 6 8 Quelle: AKE 2000 2 Die Korrelation zwischen Bildungsgrad und Teilnahme an Fortbildungen ist zum Teil auf die Korrelation zwischen Alter und Bildungsgrad zurückzuführen. So richten sich Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung im Wesentlichen durchaus an Personen, die ein höheres Bildungsausgangsniveau aufweisen, vor allem aber auch an junge Beschäftigte (vgl. Abb. 4), die im Durchschnitt über einen höheren Bildungsabschluss verfügen als die übrige Bevölkerung. 194 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Im europäischen Maßstab gehört Italien daher zu den Ländern mit der niedrigsten Fortbildungsquote. 1997 lag diese Quote in der Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen mit nur 3,4 % deutlich unter der der meisten anderen Länder (vgl. Tab. 1). Tab. 1 – Personen im Alter von 35 bis 59 Jahren in Fortbildung Schweden Vereinigtes Königreich Dänemark Finnland Niederlande EU-15(1) Belgien Österreich(2) Luxemburg Irland(2) EUR-11(3) Deutschland Italien Spanien Frankreich Portugal Griechenland(4) MW M W 24,6 18,3 17,3 17,1 10,8 6,5 6,1 5,6 4,4 3,9 3,6 3,4 21,1 15,1 14,2 14,8 11,1 5,9 7,1 6,3 5,2 3,7 3,7 3,4 28,1 21,4 20,5 19,4 10,5 7,1 5,1 4,8 3,5 4,1 3,6 3,4 3,4 2,3 1,4 1,4 0,3 3,7 1,8 1,2 1,3 0,3 3,1 2,7 1,5 1,5 0,4 (1) Griechenland 1998, Irland 1997, Österreich 1997. (2) 1997. (3) Irland 1997, Österreich 1997. (4) 1998 Quelle: Eurostat Auch aus der Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS) von 1994 geht hervor, dass die Italiener im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn wesentlich seltener an betrieblichen Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen3. Nachfolgend wird dargestellt, in welchen Punkten sich Italien von den anderen Ländern unterscheidet. Tab. 2 – Anteil der Unternehmen mit Fortbildungsangeboten, nach Ländern – 1993 (in %) Dänemark Deutschland Vereinigtes Königreich Irland Frankreich Luxemburg Niederlande Belgien Spanien Griechenland Italien Portugal EU-12 87 85 82 77 62 60 56 46 27 16 15 13 57 Quelle: Eurostat CVTS 3 Diese Erhebung beschränkte sich auf Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten. Außerdem wurden die Beschäftigten in der Landwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung nicht erfasst. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 195 INHALT eurostat In Italien bieten nur 15 % aller Unternehmen eigene Fortbildungsmaßnahmen an. Der europäische Durchschnitt beträgt dagegen 57,4 % (Tab. 2). Das einzige Land, in dem dieser Wert noch unter dem italienischen liegt, ist Portugal. Demgegenüber können sich die Beschäftigten in Ländern wie Dänemark und Deutschland in fast allen Unternehmen, auch den kleineren, fortbilden. Dieses Gefälle ist unter anderem durch die unterschiedliche sektorale und dimensionale Struktur der einzelnen Volkswirtschaften bedingt. Tatsächlich wird die geringe Bereitschaft der italienischen Unternehmen zum Angebot von Fortbildung auch durch ihre Aufschlüsselung nach Wirtschaftszweigen und Unternehmensgrößen bestätigt. Betrachtet man nur die berufliche Bildung, die in Form von Lehrgängen und Praktika angeboten wird (d. h. ohne die berufliche Erstausbildung z. B. für italienische Arbeitnehmer, die mit einem Ausbildungsvertrag eingestellt werden), stimmt ein europäischer Vergleich noch bedenklicher. Der Anteil der Unternehmen, die derartige Bildungsgänge anbieten, liegt in Italien bei 9,4 %, während der europäische Durchschnitt 42,7 % beträgt. Möglichkeiten zur beruflichen Bildung beschränken sich darüber hinaus hauptsächlich auf große Unternehmen. Die Quote der Beschäftigten in beruflicher Bildung nimmt mit wachsender Unternehmensgröße zu. Aus dieser Sicht stellt die für Italien typische Unternehmensgröße im Hinblick auf die berufliche Aus- und Weiterbildung eher einen Nachteil dar. So ergibt sich aus einem europäischen Vergleich, dass die kleineren Unternehmensgrößenklassen in Italien am häufigsten anzutreffen sind (Tab. 3). Tab. 3 – Anteil der Beschäftigten nach Unternehmensgröße – 1997 (in %) 1-9 Italien (1996) Spanien Belgien Deutschland Frankreich (1996) Dänemark (1996) Schweden (1996) Vereinigtes Königreich 34,8 28,6 24,8 24,0 22,9 22,6 21,7 16,9 Quelle: Eurostat nteressanterweise begründen die meisten Arbeitgeber (71,3 %) das Fehlen von Bildungsangeboten damit, dass die Kompetenzen ihrer Beschäftigten für die von ihnen zu erledigenden Aufgaben ausreichend seien. Dieser Grund wird vor allem von kleinen Unternehmen (10-19 Beschäftigte) genannt, während größere Unternehmen auch mangelnde Ressourcen anführen. Die geringe Verbreitung von Bildungsaktivitäten in der italienischen Wirtschaft steht – zumindest teilweise – auch in Zusammenhang mit den Wirtschaftszweigen, in denen sie hauptsächlich ablaufen4. Die Unternehmen sind vor allem im traditionellen verarbeitenden Gewerbe mit seiner niedrigen Technologieintensität und seinen erheblichen Größenvorteilen angesiedelt. Eine starke Konzentration ist aber auch in den weniger entwickelten Dienstleistungsbereichen zu erkennen, die durch geringe Innovationstätigkeit im Bereich FuE geprägt sind und ihre Marktstellung weniger durch die Einführung neuer Produkte und Verfahren als vielmehr durch Kosteneinsparungen zu behaupten versuchen. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen der geringen Bildungsaktivität und der spärlichen Verbreitung technologischer Innovationen in der Gesamtwirtschaft. Viele italienische Unternehmen, insbesondere die kleinen und mittleren, bilden ihre Beschäftigten nicht fort und sind auch nicht daran interessiert, jedoch nicht wegen fehlender Ressourcen, sondern weil sie dies aufgrund ihrer charakteristischen Wettbewerbssituation – wo sie offensichtlich ein Nischendasein führen oder in einem Niedrigpreis-Segment tätig sind – nicht für erforderlich halten. Auch aus anderen Erhebungen (über technologische Innovationen) lässt sich nicht schließen, dass das mangelhafte Angebot an qualifiziertem und kompetentem Personal auf dem Arbeitsmarkt die Unternehmen daran hindern würde, innovativ zu sein. Aus einer breiteren Perspektive heraus ist festzustellen, dass die italienische Wirtschaft anscheinend nicht in der Lage ist, die Personen mit den höchsten Qualifikationen angemessen zu beschäftigen. So finden beispiels4 Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass der erreichte Bildungsgrad italienischer Unternehmer eher niedrig ist. Dies wiederum kann sich auf ihre Fähigkeit auswirken, einen Wandel auszulösen und zu steuern. 196 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat weise Absolventen grundständiger Hochschulstudiengänge nicht immer eine ihrem Bildungsgrad angemessene Arbeit: Die Quote der Personen mit einem Abschluss in den ISCED-Bereichen 5 und 6, die nicht in Berufen der ISCO 88-Kategorien 1 und 2 tätig sind, beträgt bei den 25-64-Jährigen 30 %, bei den erwerbstätigen Hochschulabsolventen drei Jahre nach ihrem Abschluss sogar 52,6 %. (Tab. 4) Tab. 4 – Absolventen von Bildungsgängen der ISCED-Bereiche 5/6 nach Berufsgruppen (25- bis 64-Jährige) ISCO 88 MW M W 1/2 Sonstige Insgesamt 70,2 29,8 100,0 73,3 26,7 100,0 66,1 33,9 100,0 Quelle: AKE 1999 2. Die aktuelle Entwicklung Dies ist also die Situation, wie sie sich derzeit darstellt. Wie in den anderen Ländern zeichnen sich jedoch auch in Italien zahlreiche Veränderungen ab. Auslöser dafür sind die durch die IKT bedingten Anforderungen an die Wirtschaft, der immer stärkere internationale Wettbewerbsdruck auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt und die hohe Flexibilität, die heute von den Beschäftigten gefordert wird. Dabei spielt die Aus- und Weiterbildung eine immer wichtigere Rolle. Auf der Angebotsseite ist sie für den Eintritt, Verbleib oder Wiedereintritt ins Erwerbsleben bedeutsam; aus der Sicht der Nachfrage trägt sie dazu bei, dass das Unternehmen den Stand seiner Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit halten kann. Nachdem das italienische Bildungssystem lange Zeit relativ stabil war, unterliegt es heute einem raschen Wandel, der sich insbesondere im Bereich der formalen Bildung bemerkbar macht. Die Hochschulreform hatte eine Stärkung der finanziellen und pädagogischen Autonomie der Universitäten zur Folge. Zudem wurden neue Studiengänge mit flexiblen Abschlüssen und unterschiedlicher Dauer eingerichtet, die das bis dahin nahezu ausschließlich auf umfangreiche grundständige Studiengänge ausgerichtete Angebot ergänzen sollten. In den letzten Jahren entstanden überdies nichtuniversitäre beruflich-technische Bildungsgänge des Bereichs ISCED 6, mit denen die Bildungsmöglichkeiten im Tertiärbereich erweitert werden. Zu den wesentlichen Neuerungen im schulischen Bereich gehört wiederum die Stärkung der pädagogischen Eigenständigkeit der einzelnen Einrichtungen, daneben aber auch die Verlängerung der Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren (vorher 14) und die Einführung der Pflicht zur beruflichen Bildung im Alter von 15 bis 18 Jahren, der sowohl in der Schule als auch in der der außerschulischen beruflichen Bildung bzw. in der Lehre nachgekommen werden kann. Der zuletzt genannte Aspekt ist für Italien besonders bedeutsam. Vorher bestand nämlich nicht die Möglichkeit, dass ein Schüler von einer Einrichtung der beruflichen Bildung – selbst dann nicht, wenn diese öffentlich war – in eine allgemeine Schule wechselt. Die Schule erkannte die in außerschulischen Berufsbildungsgängen erworbenen – auch die von staatlichen Trägern erteilten – Abschlüsse nicht an. Heute hingegen gelten die an privaten Einrichtungen des formalen nichtschulischen Bereichs erworbenen Kenntnisse auch im formalen Schulsystem als gleichwertig. Dies ist ein wahres Novum in einem Land, in dem offiziellen Abschlüssen ein rechtlicher Wert beigemessen wird (so werden diese zum Beispiel für den Zugang zu bestimmten Auswahlverfahren für eine Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung vorausgesetzt). Auch wenn die Reform der allgemeinen Schulen und der Hochschulen jüngeren Datums ist und noch nicht zum Tragen kommen konnte, lassen die Daten starke Veränderungen in beiden Bereichen erkennen. Die Fortbildungsquote ist in letzter Zeit rapide gestiegen, was auch auf den Abschluss neuer Kollektivverträge zurückzuführen ist. Der Anteil der Beschäftigten im Alter von 35-44 Jahren, die einen Lehrgang belegen (sowohl formaler als auch nicht-formaler Art) stieg zwischen 1993 und 1999 von 2,6 % auf 5,6 % und hat sich damit in etwa verdoppelt (Abb. 4). 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 197 INHALT eurostat Abb. 4 - Anteil der Arbeitnehmer in Lehrgängender allgemeinen oder beruflichen Bildung, nach Altersgruppe (1993-1999) 6 5 4 3 2 1 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 35-44 45-64 Quelle: AKE Auch auf dem Gebiet der Erstausbildung sind Fortschritte zu verzeichnen. Trotz des eher starren italienischen Bildungssystems (nahezu alle Bildungsgänge des ISCED-Bereichs 3 dauern fünf Jahre) ist die Schulbesuchsquote in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies zeigt sich daran, dass der Anteil der 30- bis 34-jährigen Personen mit einem Abschluss mindestens im Bereich ISCED 3 A 32 % beträgt, während er bei den 20- bis 24Jährigen 57,8 % erreicht (Tab. 5). Tab. 5 – Anteil der Personen mit einem Abschluss im Bereich ISCED 3 nach Altersgruppe und Geschlecht – 1999 (in %) MW M W 54,0 7,7 61,7 6,6 31,3 7,3 32,6 9,2 20-24 Isced 3 A Isced 3 C 57,8 7,2 30-34 Isced 3 A Isced 3 C 32,0 8,2 Quelle: AKE 3. Folgen für die Statistik Zusammenfassend ist die Situation in Italien im Bereich des lebenslangen Lernens durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • niedriges Qualifikationsniveau der Bevölkerung; • geringe Differenzierung des Bildungsangebots im formalen Bereich; • geringe Teilnahme an Fortbildungen sowohl bei Erwerbstätigen als auch bei Erwerbslosen, • spärliches Angebot an Aus- und Weiterbildung durch die Unternehmen; Unfähigkeit der Unternehmen, Personal mit hohen Qualifikationen angemessen zu beschäftigen. 198 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für die Statistik ziehen? Bei der Schaffung eines Informationssystems für das lebenslange Lernen sind zahlreiche theoretische und statistische Probleme zu berücksichtigen. Nachfolgend soll nur auf zwei allgemeine, für die Realität in Italien allerdings besonders wichtige Gesichtspunkte eingegangen werden. 1. Die italienische Wirtschaft hat bislang an das Bildungswesen keine besonderen Anforderungen gestellt. Stattdessen hat sie sich offenbar nur den durch Schulen und Hochschulen hervorgebrachten allgemeinen Anstieg des Bildungsniveaus zunutze gemacht. Daher ließe sich für Italien die Aussage treffen, dass der Anstieg der Schulbesuchsquote eher eine Reaktion auf das Bedürfnis nach einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards als auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes darstellt. Der Bildung wird somit weniger eine wirtschaftliche als vielmehr eine soziale Bedeutung beigemessen. Dies ist in Italien ein sehr wichtiger Faktor, vor allem in Anbetracht der rapiden Alterung der Bevölkerung. Gerade aufgrund des wachsenden Anteils der älteren Generationen an der Bevölkerung ist es erforderlich, dass jeder Einzelne ungeachtet seines Alters die Möglichkeit erhält, aktiv an der von raschem Wandel geprägten Informationsgesellschaft teilzuhaben. Betrachtet man Bildung als Wert an sich, unabhängig von ihren Konsequenzen für den Arbeitsmarkt, erweitert sich das Konzept von Bildungstätigkeit zwangsläufig. Neben der formalen Bildung umfasst es dann auch die nicht-formale Bildung und das informelle Lernen (vgl. Empfehlungen der Eurostat-Taskforce zur Messung des lebenslangen Lernens). Bevor nicht-formale Bildung und informelles Lernen allerdings in ein Informationssystem für das lebenslange Lernen integriert werden können, bedürfen sie noch erheblicher theoretischer Untermauerung. Aus statistischer Sicht bestehen dabei zwei Schwierigkeiten: • Zum einen müssen die jeweils in eine der beiden Kategorien einzuordnenden Tätigkeiten umfassend systematisiert werden (Wozu gehören in diesem Kontext kulturelle Aktivitäten? Sind sie ein wesentlicher Teil der Bildungsinvestitionen oder deren Ergebnis?). • Zum anderen steht die Notwendigkeit, Informationen über ein immer wichtigeres und sich äußerst schnell veränderndes Phänomen zu erlangen, im Widerspruch zur Schwierigkeit, statistische Untersuchungen über ein Phänomen anzustellen, das in einem bestimmten kulturellen Kontext noch nicht „reif“ ist. Wenden wir uns nun diesem Problem zu. Informationen über das lebenslange Lernen stammen in der Regel von Anbietern oder von Einzelpersonen. Stützt man sich auf die Angaben der italienischen Bildungseinrichtungen, ist dies hinsichtlich der Vollständigkeit der Informationen ziemlich problematisch. Zwar liegt ein vollständiges und aktualisiertes Verzeichnis der Bildungseinrichtungen im formalen Bereich vor, doch sind aufgrund der späten Anerkennung der im privaten, nicht-formalen Bereich erworbenen Qualifikationen nicht alle italienischen Bildungseinrichtungen darin enthalten. In den letzten Jahren haben nicht-formale Bildungsgänge verstärkt Einzug gehalten, und zwar sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Um die Lücken des formalen Bildungssystems zu füllen, sind zahlreiche private Einrichtungen entstanden, die in erster Linie Sprach- und EDV-Kurse anbieten. Sie sind in Unternehmensregistern jedoch nicht immer leicht als Bildungseinrichtungen zu erkennen. Es wäre somit vorstellbar, über die Bildungseinrichtungen das Fortbildungsvolumen in Italien zu ermitteln. Ferner sollten in Anbetracht des hohen sozialen Stellenwerts, der Investitionen in Bildung beigemessen wird, nicht nur die Kosten und die Merkmale der verschiedenen Bildungsgänge (Inhalte, Stunden, Ablaufmodalitäten der Kurse usw.), sondern auch die Merkmale ihrer Adressaten erhoben werden (Bildungsabschlüsse, Alter, Staatsangehörigkeit usw.). Während der zweiten Runde der CVTS-Erhebung, die sich derzeit in der Schlussphase befindet, wurde indessen deutlich, dass es den italienischen Unternehmen sehr schwer fällt, derartige Daten vorzulegen. Dadurch wird die Möglichkeit, gezielte Maßnahmen gerade für die sonst kaum erfassten Bevölkerungssegmente zu treffen, stark eingeschränkt. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 199 INHALT eurostat Im italienischen Kontext ist der aussichtsreichste Weg für ein vollständiges Bild der Erwachsenenbildung zweifelsohne eine Stichprobenerhebung bei Einzelpersonen5. In einer Stichprobenerhebung bei Einzelpersonen lässt sich das Konzept des lebenslangen Lernens jedoch noch schwieriger abgrenzen und erfassen. Dies gilt nicht nur in theoretischer, sondern auch in praktischer Hinsicht, und zwar bei der Durchführung der Erhebungen. Befragte (und Interviewer) können vielleicht nicht immer eindeutig zwischen lernorientierten und nicht-lernorientierten Aktivitäten unterscheiden. Für ein Land, in dem das Konzept der Fortbildung – den Daten zufolge – wenig bekannt ist, tritt dieses Problem umso deutlicher zutage. In Anbetracht der methodischen Schwierigkeiten (und des noch geringen Ausmaßes des Phänomens) erscheint es angebracht, schrittweise vorzugehen. Das von Eurostat für 2003 geplante Ad-hoc-Modul wird sicher wertvolle Erkenntnisse liefern. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird es möglich sein, in einem ersten Schritt einzelne Elemente des Phänomens zu untersuchen oder bestimmte vorrangige Zielstellungen festzulegen. Anschließen könnten neue Erhebungen in Verbindung mit bestehenden (AKE, Erhebungen über Zeitbudgets usw.) oder in Form völlig eigenständiger Erhebungen konzipiert werden. 2. Von welcher Tragweite das Phänomen des lebenslangen Lernens auch sein mag; allgemein herrscht Einigkeit darüber, dass der Mensch damit letztlich seine Anpassungsfähigkeit verbessern soll, ob es sich dabei nun um die Anforderungen des Arbeitsmarkts oder die der Gesellschaft an sich handelt. Kurz gesagt: Das Ziel des lebenslangen Lernens lautet „Lernen um zu lernen“. Zu einem Zeitpunkt, in dem das Schulsystem reformiert wird, ist dieser Aspekt in Italien besonders bedeutsam. Bei der Überarbeitung der schulischen Lehrpläne muss der Schwerpunkt von den Lehrinhalten zu den Lehrmethoden verschoben werden. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die Jugend in möglichst hohem Maße zum eigenständigen Lernen befähigt und somit in die Lage versetzt wird, auch künftig die Anforderungen der Informationsgesellschaft zu meistern. Im Hinblick auf die Wechselbeziehungen zwischen dem Bildungssystem und der Wirtschaft gilt es indessen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen fachlichen und allgemeinen Kompetenzen zu finden. Damit soll zum einen die im Berufsleben – heute und morgen – geforderte Flexibilität, zum anderen aber auch der Erwerb fachspezifischer Kenntnisse gewährleistet werden. Im Kern geht es dabei um das immer dringlichere Problem des Ungleichgewichts von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die international verfügbaren Statistiken über den Fortbildungsbedarf der Unternehmen eher lückenhaft sind. Sicher sind die mit dem lebenslangen Lernen verbundenen Ziele wesentlich weit reichender, doch wäre es im Hinblick auf die Lernmotivation wichtig, Erkenntnisse über den dringlichsten Bildungsbedarf der Unternehmen zu gewinnen und zu verbreiten. Eine Erhebung über den Bildungsbedarf der Unternehmen gibt es in Italien bereits. Sie wurde 1997 und 1998 von der Unioncamere mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds durchgeführt. Gegenstand der Erhebung sind jedoch in erster Linie die Bedürfnisse der Unternehmen in Bezug auf Studien- oder Berufsabschlüsse. Hinsichtlich der erforderlichen Kompetenzen ist sie dagegen weniger aufschlussreich. Das einzige derzeit verfügbare konsolidierte und auch internationale anwendbare Hilfsmittel ist die Klassifikation der Berufe; allerdings können die benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten auch bei Berufen mit identischen Bezeichnungen stark variieren. Bevor die Wechselbeziehungen zwischen Bildungswesen und Arbeitsmarkt genauer untersucht werden können, muss folglich eine Systematik erstellt werden, die die geforderten Kompetenzen (oder zumindest die benötigten IT-Kenntnisse) berücksichtigt. Im Vorfeld könnten Fallstudien für ausgewählte Bereiche stattfinden, aus denen sich Rückschlüsse auf die Entwicklung der Arbeitsorganisation und der Berufe ziehen ließen, die wiederum in Empfehlungen für geeignete statistische Maßnahmen münden könnten. Es geht also darum, eine Erhebung bei den Unternehmen zu konzipieren, die weniger die geforderten Berufe als vielmehr die benötigten Kompetenzen in den Mittelpunkt stellt, wobei vorstellbar ist, dass sie sich auf einige ausgewählte Bereiche beschränkt (z. B. in Zusammenhang mit IT). 5 Bekanntlich würden dann jedoch andere Informationen fehlen: Anbieterunternehmen, Kosten, Wirtschaftszweig usw. Einzelpersonen sind nicht immer in der Lage, diese Informationen zu liefern. 200 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat MESSUNG DES LEBENSLANGEN LERNENS WADDINGTON Susan European Development Officer NIACE 21 De Montfort Street Leicester LEI 7 GE UNITED KINGDOM [email protected] „Das Lernen ist Garant für unsere wirtschaftliche Zukunft, doch damit nicht genug. Es hilft uns beim Aufbau einer zivilisierten Gesellschaft, ermöglicht die Entfaltung unserer geistigen Fähigkeiten und fördert ein aktives staatsbürgerliches Engagement. Das Lernen versetzt die Menschen in die Lage, sich voll in die Gesellschaft einzubringen. Indem es die Familie und die nachbarschaftlichen Beziehungen stärkt, kommt es dem ganzen Land zugute. Es ist Grundlage für die Selbstverwirklichung und weckt in uns die Liebe zur Musik, Kunst und Literatur. Deshalb schätzen wir das Lernen sowohl um seiner selbst willen als auch wegen seines Beitrags zur Chancengleichheit. Wir alle können unsere Bestrebungen nur verwirklichen, wenn wir uns das Lernen zu eigen machen und diese Einstellung unabhängig vom Alter beibehalten. Viele müssen dabei erst frühere Erlebnisse verarbeiten, die ihnen das Lernen verleidet haben. Andere wiederum werden – vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben – die Gelegenheit ergreifen, ihre eigenen Talente zu erkennen, neue Formen des Lernens zu entdecken und in bislang unbekannte Bereiche vorzustoßen. Was früher ein Privileg einiger Weniger war, kann im vor uns liegenden Jahrhundert breiten Schichten der Bevölkerung zum Nutzen gereichen.“ David Blunkett, britischer Minister für Bildung und Arbeit (1997 – 2001)1 Einleitung In dieser Erklärung kommen sowohl der Wunsch vieler Menschen nach lebenslangem Lernen als auch die damit verbundenen Herausforderungen zum Ausdruck. Eine der Herausforderungen ist die Messung der Bedarfsdeckung in diesem Bereich. Angesichts der Weiterentwicklung von Strategien für das lebenslangen Lernen und der Einführung neuer Rechtsvorschriften, Strukturen und Förderprogramme muss dringend ermittelt werden, wie effektiv diese Instrumente auf den vorhandenen Bedarf eingehen. In meinem kurzen Beitrag möchte ich auf einige Fakten und Messungen eingehen, die als Grundlage für Bewertungen und Vergleiche dienen könnten. Ferner werde ich auf Fragen der Lernbeteiligung, auf die Qualität der Lernangebote, die Lernleistungen und die generellen Vorteile des lebenslangen Lernens zu sprechen kommen. Dabei werde ich • Beispiele für den Fortgang der Arbeiten insbesondere im NIACE (britischen Institut für Erwachsenen- und Weiterbildung) anführen; • die Auswirkungen auf das informelle und nicht-formelle Lernen betrachten; • auf die Notwendigkeit hinweisen, die Lernenden bzw. potenziellen Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen. 1 Vorwort zu „The Learning Age: a renaissance for a new Britain“, das dem Parlament von Minister für Bildung und Arbeit vorgelegt wurde (1998). Herausgegeben vom Ministerium für Bildung und Arbeit. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 201 INHALT eurostat Grad der Beteiligung am lebenslangen Lernen Die Beteiligung am nachschulischen Lernen war und ist Gegenstand einer Reihe von Studien. Das NIACE beispielsweise lässt eine jährliche Umfrage in England und Wales durchführen, deren Ergebnisse seit zehn Jahren jeweils im Mai zur „Woche der Erwachsenenbildung“ veröffentlicht werden. Diese teilweise vom ESF geförderte Studie leistet einen wertvollen Beitrag zur Messung der jährlichen Veränderungen in verschiedenen sozialen Gruppen, Altersgruppen und Regionen und ermöglicht den Vergleich der Lernbeteiligung von Männern und Frauen. Übrigens werden dabei auch der Zusammenhang zwischen Lernbeteiligung und Internetzugang sowie die künftig beabsichtigte Lernbeteiligung erfasst. Bei der NIACE-Erhebung2 zur Lernbeteiligung Erwachsener im Jahre 2001 zeigte sich, dass die erhöhten Investitionen in Lernmöglichkeiten und eine durch Vollbeschäftigung gekennzeichnete Wirtschaft erstmals zu einer deutlichen Steigerung der Lernbeteiligung geführt hatten. Allerdings besteht nach wie vor eine deutliche Trennlinie zwischen Lernenden und Nichtlernenden. Die Verteilung der erweiterten Möglichkeiten geht stark zugunsten der bildungsmäßig Privilegierten, der Jugendlichen und der Beschäftigten. Personen mit Internetzugang lernen doppelt so häufig wie der Rest. Mehr als 30 % der Erwachsenen haben seit Ende der Schulzeit nicht mehr gelernt, und von diesen wiederum geben 86 % an, dass sie wahrscheinlich auch nicht mehr lernen werden. Zwei Beispiele für die Tabellen, aus denen die Veränderungen im Zeitraum 1996-2001 ersichtlich werden. Tabelle 6: LERNBETEILIGUNG 1996-2001, Vergleich Männer/Frauen Gesamt Männer Frauen 1996 2001 1996 2001 1996 2001 4 551 6 310 2 208 2 825 2 343 3 485 lernt momentan 23 29 25 32 21 27 hat in letzter Zeit gelernt (in den vergangenen 3 Jahren) 17 17 18 17 17 17 momentanes/in letzter Zeit erfolgtes Lernen gesamt 40 46 43 49 38 44 hat früher gelernt (vor mehr als3 Jahren) 23 20 25 21 21 19 seit der Regelschule nicht gelernt 36 33 31 29 41 37 Basis – alle Befragten = 100 % Tabelle 12: LERNABSICHTEN FÜR DIE ZUKUNFT nach sozialer Schicht, Vergleich 1996 und 2001 Ges. AB C1 C2 DE 1996 38 46 45 34 28 2001 49 66 59 45 34 +11 +20 +14 +11 +6 1996 55 48 49 59 63 2001 49 32 39 53 64 prozentuale Veränderung -6 -16 -10 -6 +1 Absicht vorhanden, gesamt prozentuale Veränderung Keine Absicht, gesamt 2 Winners and losers in an expanding system – The NIACE Survey on Adult Participation in Learning 2001 Aldridge, F. und Tuckett, A. (2001) NIACE 202 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Der Nutzen dieser jährlichen Umfrage liegt darin, dass sie ein Schlaglicht auf Lernhindernisse wirft, die eine Wissensgesellschaft nicht dulden darf, und dass sie Klarheit über den Umfang der Nichtbeteiligung sowie über die Merkmale, die geografische Verteilung und die Lernabsichten vieler Nichtteilnehmer schafft. Sie gibt Hinweise auf erzielte Ergebnisse und auf den noch bestehenden Handlungsbedarf. Künftige Systeme zur Messung der Lernbeteiligung sollten auch die Erfassung der Gründe für eine Nichtbeteiligung ermöglichen. Dabei spielen Angebot und Zugangsmöglichkeiten ebenso eine Rolle wie Nachfrage und Motivation. Angebotsseitige Hindernisse sind beispielsweise ein Mangel an geeigneten Lernmöglichkeiten, an Kenntnissen und Informationen, ein Zeitmangel aufgrund beruflicher und familiärer Pflichten und der Kostenaufwand. Zu den nachfrageseitigen Hindernissen zählen kulturelle Unterschiede, negative Erfahrungen mit dem Bildungswesen sowie eine negative Einstellung im Bekannten- und Familienkreis. Wie, wo und in welchem Umfang sich diese Hindernisse bemerkbar machen, muss in weiteren Studien und Messungen ermittelt werden. Beachtung verdient auch die Lernbeteiligung von Gruppen, die zuvor nicht erfasst wurden, darunter beispielsweise Zuwanderer, Flüchtlinge und Asylanten. Das NIACE führte unlängst eine Pilotstudie zur Beurteilung der Fähigkeiten und Qualifikationen von im Vereinigten Königreich lebenden Asylanten durch3. Diese ergab Hinweise auf gute Lernleistungen in der Vergangenheit und brachliegende Potenziale. Von den Befragten verfügten 85 % über eine Qualifikation, angefangen vom Schulabschluss über berufliche Befähigungsnachweise bis hin zu akademischen Graden. Zwar haben die meisten Asylanten Gelegenheit zum Besuch englischer Sprachkurse, doch nur wenige können an Kursen teilnehmen, deren Abschluss ihnen die Nutzung und Weiterentwikklung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Vereinigten Königreich ermöglicht. Durch diesen Mangel an Lernmöglichkeiten spitzen sich die Integrationsprobleme der Asylanten und Flüchtlinge weiter zu. Immer mehr Zuwanderer kommen aus Drittländern in die EU, die angesichts einer alternden Bevölkerung nicht auf die Sachkompetenzen und den Beitrag der Flüchtlinge und Asylanten verzichten kann. Wir haben es hier mit einem Wachstumsbereich zu tun, in dem die Nachfrage und das Angebot an Lernmöglichkeiten geeignete Messkriterien darstellen würden. Daher schlage ich vor, Methoden zur Messung der Lernbeteiligung zu entwickeln, die auch Aussagen über die Nichtbeteiligung zulassen. Wer beteiligt sich nicht am nachschulischen Lernen, und worin liegen die Ursachen dafür? Derartige Messungen liefern ein klareres Bild von der Nachfrage nach geeigneten Lernmöglichkeiten und vom vorhandenen Angebot und verdeutlichen darüber hinaus nationale und regionale Unterschiede. Benötigt werden auch zusammenhängende Messungen im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit der Lernangebote und die Lernbeteiligung von Gruppen, die bislang nicht voll berücksichtigt wurden, darunter beispielsweise Zuwanderer und Flüchtlinge, aber auch ältere Menschen, Behinderte, Angehörige ethnischer Minderheiten, Erwerbslose und andere Ausgegrenzte. Die Qualität der Lernangebote und die Lernleistungen Die Messung von Qualität und Leistung beim nicht-formellen, informellen und nicht akkreditierten Lernen ist mit besonderen Herausforderungen verbunden. Dagegen sind die Erfassung, die Messung und der Vergleich von Kursen, die zu extern validierten Qualifikationen führen, vergleichsweise einfach. Wie jedoch die Europäische Kommission in ihrem Memorandum über lebenslanges Lernen betont, werden das informelle und das nicht-formelle Lernen zunehmend als wesentlicher Bestandteil einer europäischen Strategie für lebenslanges Lernen anerkannt, und Fragen der Qualität und des Lernerfolgs müssen stärkere Beachtung finden. Wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, entspricht das informelle und nicht-formelle Lernen keiner vorgegebenen Norm. Die Art des Lernens ist abhängig von den jeweiligen Interessen, Bedürfnissen und Erfahrungen des Lernenden; von seinen Aufgaben und Bestrebungen; von der unmittelbaren Umgebung und der Zugehörigkeit zu bestimmten zivilgesellschaftlichen Organisationen, Verbänden und Gruppen. Auch die Lernorte und die Organisation weisen bei dieser Art des Lernens eine große Vielfalt auf. Träger können lokale Lernzentren, Colleges und Volkshochschulen sein, aber auch Unternehmen, Anbieter von Fernstudiengängen, Nichtregierungsorganisationen und der Lernende selbst. 3 Asylum Seekers’ Skills and Qualifications Audit Pilot Project – Aldridge, F. und Waddington, S. (2001) NIACE 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 203 INHALT eurostat Die Zielsetzungen sind beim informellen und nicht-formellen Lernen so breit gefächert, dass sie hier nicht erschöpfend behandelt werden können. Beispiele für Lernziele sind der Ausbau von Kenntnissen, Fähigkeiten und schöpferischen Möglichkeiten sowie die Verbesserung der Beschäftigungs- und Anpassungsfähigkeit; die Integration in den Arbeitsmarkt; die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung; die Stärkung der Handlungskompetenz; eine Betätigung auf künstlerischem und kulturellem Gebiet; die Überwindung spezifischer Probleme; die Entwicklung körperlicher und sportlicher Fertigkeiten; die Förderung des Gemeinschafts- und Teamgeistes; sowie das anschließende Weiterlernen in einem formelleren Umfeld. Angesichts dieses Facettenreichtums ist schwer vorstellbar, dass Standardformen der Messung eingeführt werden können, die allen Lernzielen Rechnung tragen. Da es jedoch darum geht, die Bedeutung des informellen Lernens gebührend anzuerkennen und das Angebot sowie die Finanzierungsmöglichkeiten zu erweitern, müssen Indikatoren für die Qualität des Angebots und die Fortschritte der Lernenden erarbeitet werden. Unter den Bildungsträgern und Politikern ist derzeit eine lebhafte Debatte über mögliche quantitative und qualitative Kriterien im Gange.4 Eine auf die formelle wie auch die informelle Erwachsenbildung anwendbare Messmethode ist die Erfassung der Verbleibquoten. Erwachsene können im Wesentlichen selbst entscheiden, ob sie begonnene Lernaktivitäten fortführen oder abbrechen. Bei dieser Entscheidung können externe Faktoren eine Rolle spielen, die nichts mit der Qualität des Angebots zu tun haben. Daher muss in die Messung ein Faktor eingebaut werden, der externe Anreize und Probleme berücksichtigt. Dennoch steht fest, dass Erwachsene größeres Durchhaltevermögen zeigen, wenn ihnen die Lernerfahrung Freude und Nutzen bringt, und dass gute Bildungsanbieter Unterstützungssysteme und flexible Ansätze entwickeln, um Lernende auch unter widrigen Umständen bei der Stange zu halten.5 Eine geeignete Lösung besteht darin, dass die Verbleibquoten gemessen werden und die Bildungsanbieter anspruchsvolle Orientierungspunkte festlegen, die als Grundlage für die Entwicklung von Strategien zur Verringerung der Abbrecherquoten dienen. Nun lassen sich Verbleibquoten zwar relativ einfach messen und vergleichen, doch sind sie für sich genommen noch kein Nachweis für unternommene Lernbemühungen und für die Qualität der Lernerfahrung. Sollten die Verbleibquoten als einziger oder wichtigster Indikator genutzt werden, könnte dies die Bildungsanbieter gegen Lernende einnehmen, bei denen aufgrund äußerer Umstände die Gefahr eines Abbruchs besteht. Dies beträfe beispielsweise Personen, die einen neuen Arbeitsplatz in Aussicht haben, eine Familie gründen wollen, kurz vor einem Umzug stehen oder gesundheitlich angegriffen sind. Derzeit werden neue Indikatoren für die Qualität und die Lernerfolge beim nicht-formellen und informellen Lernen geprüft. Ein solcher Indikator ist die „zurückgelegte Erfolgsstrecke“, die durch vor und nach der Lernaktivität durchgeführte Tests zur Messung der Kompetenzerweiterung ermittelt wird. Dieses System eignet sich aber nur für einen kleineren Teil der informellen und nicht-formellen Lernaktivitäten und wirft zudem weitere Probleme auf. Die Tests an sich müssen von zahlreichen Anspruchsgruppen akzeptiert und validiert werden, um ihre Eignung für das breite Spektrum von Lernenden und Bildungsanbietern nachzuweisen. Selbst wenn dies gelingt, könnte der Gedanke an eine Aufnahmeprüfung für manchen potenziellen Lernenden, dem es an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten mangelt, abschreckende Wirkung haben. Eine Alternative bestünde darin, neu hinzugekommene Lernende einzeln oder in Lerngruppen nach dem gewünschten Erfolgsstand bei Abschluss der Lernaktivität zu fragen und dann den Zielerreichungsgrad anhand einer Punkteskala zu messen. Dieses System wird momentan von einigen Bildungsträgern im Vereinigten Königreich erprobt. In seinem Beitrag zur Debatte über die Messung der Qualität des lebenslangen Lernens geht das NIACE davon aus, dass der Lernende im Mittelpunkt stehen muss. Sowohl der Lernprozess selbst als auch die Validierungsinstrumente müssen den Interessen und Einschätzungen des Lernenden Rechnung tragen. Das NIACE leistet einen Beitrag zu den diesbezüglichen Forschungen, indem es mit verschiedenen Gruppen und Einzellernenden zusammenarbeitet, um deren Vorstellungen über Möglichkeiten der Messung des informellen und nicht akkreditierten Lernens sowie über die Bewertung von Qualität und Lernerfolg zu erfahren. Diese Studien sind zwar 4 Siehe beispielsweise „Outcomes of adult learning – taking the debate forward“ – Hayes, A.; Lavender, P.; Reisenberger, A. und Vorhaus, J. (2000) Further Education and Development Agency (FEDA) 5 Siehe „Staff development for student retention in further and adult education“ – Martinez, P.; Houghton, J. und Krupska, M. (1998) FEDA 204 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat noch nicht abgeschlossen,6 doch schon jetzt lassen die Antworten erkennen, wie weit die Lernmotive, Erwartungen und Bestrebungen der Lernenden auseinander gehen und wie zahlreich die methodischen und konzeptionellen Probleme bei der Messung von Qualität und Lernerfolg sind. Kernpunkt der Debatte sind die unterschiedlichen Standpunkte von Bildungsträgern und Politikern. Die Bildungsträger setzen sich für die Anerkennung des Wertes des informellen und nicht-formellen Lernens und die Aufstockung der dafür bereitgestellten Mittel ein, befürchten aber zugleich, dass sich die Messmethoden nicht zur Förderung der kreativen Vielfalt eignen, durch die breiten Bevölkerungsschichten – darunter auch den am schwersten erreichbaren Gruppen – die Teilhabe am Lernen ermöglicht werden soll. Die Politiker wiederum wünschen einen Nachweis dafür, dass das informelle Lernen auf hohem Qualitätsniveau steht, dass es zur Erreichung lokaler und nationaler Zielsetzungen beiträgt und somit umfangreichere Investitionen rechtfertigt. Fest steht, dass zu folgenden Themen weitere Untersuchungen unter Nutzung internationaler Erfahrungen durchgeführt werden müssen: — Möglichkeiten der Messung des nicht akkreditierten und informellen Lernens — Berücksichtigung „indirekter“7 Lernerfolge, zu denen z.B. ein gewachsenes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gehören — Festlegung von Orientierungspunkten für zuverlässige Vergleiche zwischen Anbietern und zwischen verschiedenen Arten von Lernmöglichkeiten — Standpunkt der Lernenden zu den Bemühungen um die Erfassung und Validierung von Lernaktivitäten. Die generellen Vorteile des Lernens Lernen trägt zur Erweiterung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen bei. Oft werden jedoch noch weitere Nutzeffekte des Lernens angeführt, darunter beispielsweise — für den Einzelnen: • Steigerung von Selbstvertrauen und Selbstachtung • bessere Verdienstaussichten • Verbesserung des Gesundheitszustands • Erhöhung der Lebenserwartung • bessere Wahrnehmung elterlicher Pflichten • umfangreichere soziale Kontakte — für das Unternehmen: • weniger Fehlzeiten • höhere Produktivität • flexiblere Arbeitskräfte — für die Gesellschaft insgesamt: • Rückgang der Kriminalität • Stärkung der Zivilgesellschaft • Verringerung der Armut • stärkeres Engagement für die Umwelt • größere Eigenständigkeit der älteren Bürger • Verringerung der sozialen Ausgrenzung • größere Verteilungsgerechtigkeit. 6 Erscheint demnächst: Recognising and validating outcomes of non-accredited learning; a practical approach, Hrsg. Greenwood, M.; Hayes, A.; Turner, C. und Vorhaus, J. (2001) Learning and Skills Development Agency 7 Siehe „Measuring soft outcomes and distances travelled“, Forschungsbericht 219, Dawson, S., et al (2000) Department for Employment and Education 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 205 INHALT eurostat Somit wird lebenslanges Lernen als Beitrag zur Erweiterung des menschlichen, sozialen und geistigen Potenzials gewertet. Wenn erreicht werden soll, dass Individuen, Unternehmen und Regierungen stärker in das lebenslange Lernen investieren, müssen sowohl der Nutzen des Lernens als auch der Zusammenhang zwischen Lernaktivitäten und erzielten Fortschritten nachgewiesen und die Messergebnisse verbreitet werden. Das NIACE untersuchte die allgemeinen und unerwarteten Nutzeffekte des Lernens8 anhand einer Umfrage unter 2000 Einzellernenden und 750 Lerngruppen. Daraus ging hervor, dass der größte unerwartete Nutzeffekt bei den Befragten in einer Verbesserung der physischen und psychischen Gesundheit bestand. Die folgenden zwei Tabellen sollen dies illustrieren: Steigerung des physischen Wohlbefindens 87 % der Lernenden gaben eine Verbesserung ihres physischen Wohlbefindens an. Antwortbeispiele: • weniger Krankheitssymptome, bessere Schmerzbewältigung, weniger Müdigkeit • physisches Wohlbefinden führt zu mehr Selbstvertrauen/Lebensfreude • bessere Lebensbewältigung trotz schlechten Gesundheitszustandes • verbesserter Gesundheitszustand der Familie • besseres Gesundheitsverhalten • psychisches Wohlbefinden Steigerung des geistigen und emotionalen Wohlbefindens 89 % der Lernenden gaben eine deutliche Verbesserung an. Antwortbeispiele: • keine Zeit zum Nachdenken über Sorgen • chronische Schmerzen treten in den Hintergrund/werden erträglicher • Entspannung und subjektives Wohlbefinden • „geistig reger und glücklicher“ • ein Grund, morgens aufzustehen • weniger Depressionen Angesichts dieser Ergebnisse wurde ein gemeinsames Pilotprojekt mit Hausärzten ins Leben gerufen, bei dem die Patienten an Experten für Bildungsberatung und -orientierung verwiesen werden, die mit ihnen über ihre persönlichen Lerninteressen sprechen und sie mit vorhandenen Lernangeboten vertraut machen. Diese Orientierungshelfer leisten den Lernenden auch Unterstützung bei Lehrgangsbeginn. Das Projekt befindet sich zwar noch in einem relativ frühen Stadium, doch die Ergebnisse untermauern bereits jetzt die Erkenntnis, dass Lernen gesundheitlich von Nutzen ist. Das britische Ministerium für Bildung und Arbeit hat eine Untersuchung zu den generellen Nutzeffekten des Lernens in Auftrag gegeben, bei der sowohl die unmittelbaren Erfolge als auch der längerfristige Nutzen analysiert werden sollen. Themen dieser Studie werden der Beitrag der kommunalen Erwachsenenbildung und die Auswirkungen des Lernens im Hinblick auf den sozialen Zusammenhalt, die Verringerung der Kriminalität, das staatsbürgerliche Engagement, das aktive Altern und das gesundheitliche Wohlbefinden sein. Die Forschungsstelle beim Institute of Education hat einen Evaluierungsleitfaden veröffentlicht9. Dieser behandelt Methoden der Messung und Evaluierung, die Nutzung von Längsschnittstudien und die Anwendung von Kosten8 The impact of learning on health – Aldridge, F. und Lavender, P. (1999) National Institute for Adult Continuing Education (NIACE) 9 Lifelong learning and its wider benefits: A framework for evaluation – Plewis, I. und Preston, J. (Dezember 2000) Centre for Research on the Wider Benefits of Learning, Institute of Education/Birbeck College 206 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Nutzen-Analysen zur Ermittlung genereller Nutzeffekte des Lernens wie Kriminalitätsrückgang, Einsparung von Steuergeldern und Sozialleistungen, Einkommenssteigerungen und Mehrung des sozialen Kapitals. Dies ist ein in der Entwicklung begriffener Bereich quantitativer und qualitativer Forschung, in dem es darum geht, die allgemeinen Vorteile des Lernens herauszustellen und politische Entscheidungsträger sowie Unternehmen, Bildungspraktiker und Lernende darüber aufzuklären, welche Auswirkungen das Lernen den Einzelnen, die Familien, die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt haben kann. Außerdem soll diese Forschung einen Beitrag zur Planung und Entwicklung, zum Vergleich und zur Bewertung von Lernangeboten leisten. Fazit Im vorliegenden Beitrag wurde eine kurze Übersicht über die künftigen Aufgaben bei der Messung der Lernbeteiligung, der Verbleibsquoten, der Qualität, des Lernerfolgs und der generellen Nutzeffekte des lebenslangen Lernens gegeben. Es wurde jedoch nicht auf die Frage der Entwicklung und Umsetzung derartiger Messsysteme eingegangen. Künftig werden die Arbeiten auf diesem Gebiet Unterstützung von zahlreichen Seiten erfahren, darunter von der Europäischen Gemeinschaft, nationalen Regierungen, Forschungszentren und Wissenschaftlern verschiedener Fachbereiche, Berufspraktikern und Nichtregierungsorganisationen wie dem NIACE, die als Sachwalter der Lernenden auftreten. Wir sollten uns damit abfinden, dass nicht jeder uns interessierende Aspekt des lebenslangen Lernens gemessen werden kann. Die Steigerung der Lebensqualität des Einzelnen, die Förderung des Wissensdrangs, der Spaß am Lernen und die Begeisterung über gemeinsame Neuentdeckungen lassen sich nicht quantitativ erfassen. Durch fortgesetzte Bemühungen um den Nachweis der Nutzeffekte des Lernens können wir jedoch die Entwicklung einer lernenden Gesellschaft voranbringen, in der alle am Lernen teilhaben und ihr schöpferisches, unternehmerisches, geistiges und kommunikatives Potenzial immer besser ausschöpfen können. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 207 INHALT eurostat SEMINAR VON PARMA ERWIDERUNG VON EUROSTAT JENSEN Lothar European Commission Eurostat BECH D4/733 Jean Monnet Building L-2920 Luxembourg [email protected] Ich denke, man könnte zwei von Rednern auf diesem Seminar geäußerte Sätze miteinander kombinieren, um die gegenwärtige Situation und die in Zukunft von uns zu unternehmenden Schritte zusammenzufassen. Mit den Worten von Antoine de Saint-Exupéry über die technologische Entwicklung in dem von Herrn Hoerner gemeinten Sinne würde ich sagen, dass wir uns bei der Entwicklung von Statistiken zum Messen des lebenslangen Lernens in der Tat zwischen der primitiven und der komplizierten Phase befinden. Wenn wir in die Phase einfacher Lösungen eintreten möchten, müssen wir aufhören, uns den Wald zu betrachten, und damit beginnen, einen Blick auf die verschiedenen Bäume zu werfen (die man vielleicht Bäume der Erkenntnis nennen könnte?), wie Herr Paparella es formulierte, und das heißt, wir sollten weniger reden und mehr tun (wie Frau Andre sich ausdrückt). Im Folgenden werden die Schlussfolgerungen dargestellt, zu denen Eurostat anhand der Vorträge und Diskussionen während dieses Seminars gelangt ist. Eine Aufgabe der Politik Es ist nicht die Aufgabe von Eurostat oder Statistikern im Allgemeinen, die politischen Notwendigkeiten festzustellen, die bestimmen, welche Daten über das lebenslange Lernen benötigt werden. Wir sind der Meinung, dass das Memorandum über lebenslanges Lernen sowie die beschäftigungspolitischen Leitlinien und die soziale Agenda der Kommission diese Notwendigkeiten allgemein definieren, was auch von verschiedenen Rednern vertreten wurde. Wir setzen Hoffnungen auf den Aktionsplan, der ein Ergebnis der Anhörungen zu dem Memorandum sein wird und einige Fragen klären und die Ansichten der unterschiedlichen Akteure auf nationaler, regionaler und sogar lokaler Ebene neu in die Diskussion bringen dürfte. Auch wir sind der Meinung, dass wir an allererster Stelle Konventionen und nicht unbedingt Definitionen benötigen. Doch sollten alle dazu beitragen, dass wir zu einem ausreichenden Maß an begrifflicher Klarheit gelangen. Statistiken Zuerst einmal werden wir den bestmöglichen Gebrauch von den vorhandenen Quellen machen. Wir verfügen über eine Menge Informationen, die wir aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten sollten, um festzustellen, was wir aus diesen Informationen noch alles über das lebenslange Lernen lernen können. Dann sollten die vorhandenen Daten über die formale und nichtformale Bildung durch SCHLÜSSELDATEN über das informelle Lernen ergänzt werden. Wir müssen dabei definieren, was SCHLÜSSELDATEN sind, was uns wieder zu der Diskussion über die Notwendigkeit, einen klaren politischen Auftrag zu formulieren, zurückbringt. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 209 INHALT eurostat Und wir sollten die Informationen verbessern, die wir über das Individuum sammeln. Eurostat wird die Entwicklung einer EU-Erhebung zur Erwachsenenbildung in das Statistische Programm 2003-2007 aufnehmen. Über die Gestaltung der Erhebung sowie deren endgültige Form muss noch entschieden werden. Fragen wie Einstellungen, Motivation, Hindernisse, Nachfrage, persönliche Vorteile, staatsbürgerliches Engagement usw. kommen ins Spiel und müssen, wenn möglich, berücksichtigt werden. Auch wenn das CEDEFOP-Projekt zur Entwicklung einer harmonisierten Liste der Lernaktivitäten ein guter und notwendiger erster Schritt ist, ist doch klar, dass eine neue ausführliche Klassifikation des lebenslangen Lernens (eine Art „ISCED-LLL“, wie Herr Hoerner es nannte) erforderlich ist, um auf internationaler Ebene vergleichbare Daten über das lebenslange Lernen zu erheben. Es mag dies zwar ein viel langwierigerer, aber dennoch notwendiger Prozess sein. Außerdem benötigen wir eine detaillierte Karte des lebenslangen Lernens (die die grundlegenden politischen Konzepte sowie den vorgeschlagenen statistischen Ansatz enthält und beides in Einklang zu bringen versucht). Das wird uns dabei helfen, unsere Arbeit auf der Grundlage von auf der Karte verzeichneten vorrangigen Gebieten zu planen und die Arbeit mit anderen Partnern auf internationaler und nationaler Ebene zu teilen. Außerdem müssen wir unser Aufgabengebiet erweitern und einen Blick über die Statistiken zur allgemeinen und beruflichen Bildung hinaus auf die wirtschaftlichen Aspekte von Bildung und Ausbildung werfen. Die für die allgemeine und berufliche Bildung aufgewendeten Mittel sollten nicht nur als öffentliche Ausgaben oder als Aufwendungen bzw. Konsum von Unternehmen/Haushalten betrachtet werden, sondern vor allem auch als Investition in die Zukunft sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Sinne für alle Beteiligten (d. h. Staat, Gemeinde, soziale und wirtschaftliche Akteure, Unternehmen, Individuen). Das bedeutet, wir sollten uns auf das Messen der Erträge unterschiedlichster Art, nicht nur der wirtschaftlichen Erträge konzentrieren. Der zeitliche Aufwand sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Wir sollten versuchen, das geografische Coverage zu erweitern, und zwar nicht nur durch Einbeziehung der beitrittswilligen Länder, was gewissermaßen bereits geschieht, sondern auch durch Berücksichtigung der unteren, sub-nationalen Ebene. Es werden sogar Daten auf regionaler und lokaler Ebene benötigt, doch könnten natürlich die mit der Beschaffung dieser Informationen verbundenen Kosten dem entgegenstehen, es sei denn, wir möchten keine Aggregatdaten auf europäischer Ebene erzeugen. Effektivität und Qualität der Bildung und des Lernens sind zwei Aspekte, die wir bei unserer Arbeit nicht vergessen dürfen. Dessen ungeachtet liegt noch ein weiter Weg vor uns, bevor wir mit konkreten Ergebnissen auf der statistischen Seite rechnen können. Was das Thema eLearning und seine vielfältigen Facetten (z. B. Nutzung der IKT für das Lernen, allgemeine Fähigkeit zur Nutzung der IKT, Mangel an spezifischen IKT-Kenntnissen usw.) anbelangt, werden wir auf dem eLearning-Aktionsplan aufbauen und unsere Aktion innerhalb des allgemeineren Rahmens der Statistiken zur Informationsgesellschaft bei Eurostat entwickeln. Außerdem werden wir unsere Zusammenarbeit mit CEDEFOP und Eurydice intensivieren, um die quantitativen und qualitativen Aspekte der Informationen über die Bildung und das Lernen besser zu kombinieren, die den von den Ländern gelieferten statistischen Informationen Tiefe verleihen. Die Möglichkeit, andere Ansätze, wie Erhebungen in den Schulen, Erhebungen über Jugendkohorten usw., zu verwenden, könnte ebenfalls untersucht werden. Dies erfordert jedoch eine deutlich breitere Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen Akteuren, so dass man vorerst vorschlagen könnte, dies in unsere Pläne aufzunehmen. Wir haben allerdings die Absicht, die Frage einer direkten Bewertung der Fähigkeiten insbesondere für Erwachsene zu untersuchen. Bei der Entwicklung von Aktivitäten auf diesem Gebiet hängt viel davon ab, ob das Europäische Statistische System über die Kapazität verfügt, die von Mitgliedern auf nationaler Ebene gesammelten Erfahrungen zu nutzen, sowie von der Möglichkeit, vorhandene internationale Erfahrungen zu verwerten. 210 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Aufgaben für die Forschung Es gibt einige Fragen, die immer noch so unklar sind, dass weiter über sie geforscht werden muss, bevor wir uns auf dem Gebiet der Statistik mit ihnen befassen können. Wir müssen eventuell Wissen als Produktionsfaktor definieren. Wir müssen mit Sicherheit festlegen, was Kenntnis digitaler Systeme bedeutet. Die verschiedenen Grundfertigkeiten sowie die Wissens-/Fertigkeitenschwelle, die eine Voraussetzung für den Erfolg im beruflichen und persönlichen Leben sowie für den Erfolg als Staatsbürger sind, müssen untersucht und, wenn möglich, auch definiert werden (beispielsweise ist unklar, was „Unternehmergeist“ bedeutet und „wieviel“ Unternehmergeist wir brauchen). Dies alles sollte auf Forschungsarbeiten aufbauen, die zwar durchgeführt wurden, aber noch keine konkreten Ergebnisse gebracht haben. Es ist notwendig, eine europäische Wissensgrundlage auf diesen Gebieten zu schaffen, sowohl unter Forschern als auch innerhalb des Europäischen Statistischen Systems. Schlussbemerkung Es ist offensichtlich, dass wir im Bereich Bildung und Lernen ein enormes Arbeitsprogramm mit mehr Fragen als Antworten und immer mehr Aufgaben und stets abnehmenden Ressourcen zu bewältigen haben. Ich denke, wir alle stimmen darin überein, dass es nicht möglich ist, das IDEALE SYSTEM zu entwerfen, mit dem wir ALLES erfassen können, doch gibt es einige Pfade, Wege oder sogar breitere Möglichkeiten zu erforschen und wir haben die Absicht, dies auch zu tun, denn wenn wir über Bildung und Lernen diskutieren, diskutieren wir auch über Menschen und Menschen SIND der wichtigste Aktivposten Europas in der sich so schnell verändernden und von Wettbewerb geprägten Welt von heute. Bei der Arbeitsbelastung, mit der wir es hier zu tun haben, ist eine Arbeitsteilung auf allen Ebenen und in Anbetracht der knappen verfügbaren Mittel vor allem zwischen anderen internationalen Organisationen und Eurostat notwendig. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 211 INHALT eurostat EIN RÜCKBLICK FREY Luigi University of Rome Via Castro Lauremziamo 9 Roma ITALY [email protected] 1. Einleitung Dieses internationale Seminar war ein voller Erfolg. Zu den Teilnehmern zählten neben Wissenschaftlern, Fachleuten und Wirtschaftsteilnehmern aus Italien auch eminente Vertreter der vier wichtigsten internationalen Organisationen, die sich mit dem lebenslangen Lernen befassen (GD EAC der Europäischen Kommission, Eurostat, OECD, UNESCO). Darüber hinaus umfasste der Teilnehmerkreis Vertreter Kanadas (eines Vorreiters in der Lernstatistik) sowie (ganz im Sinne der Tätigkeit des CEIES) Produzenten und Nutzer von Statistiken aus nicht weniger als 21 Ländern, darunter drei Beitrittskandidaten. Die Thematik des Seminars ist sowohl in wirtschaftlicher als auch sozialer Hinsicht von herausragender Bedeutung. Dies wurde in den Eröffnungsbeiträgen des Rektors der Universität Parma, G. Ferretti, des stellvertretenden Vorsitzenden des CEIES, J. Lamel, des Leiters von ISTAT, V. Egidi, und des Direktors des EurostatBereichs Sozialstatistik, L. Jensen, nachdrücklich unterstrichen. Bereits im Hintergrundpapier, das die Seminarinhalte in großen Zügen vorgab, wurde auf den immer größeren Bedarf an geeigneten und aktuellen Informationen quantitativer Art hingewiesen. Ein derartiger Bedarf besteht zum einen im wirtschaftlichen Bereich, wo diese Informationen benötigt werden, um die ständig neuen Anforderungen hinsichtlich der auf den Arbeitsmärkten geforderten Kenntnisse und Kompetenzen in modernen Technologien zu erkennen und zu steuern, zum anderen aber auch im sozialen Bereich, wo solche Informationen dazu dienen, die aktive Beteiligung am wirtschaftlichen und sozialen System, die Integration unterschiedlicher Wertvorstellungen und Kulturen sowie ein immer höheres Maß an sozialem Zusammenhalt nachhaltig zu fördern. Es ist sicher kein Zufall, dass der Bedarf an Informationen über das lebenslange Lernen immer mehr in den Vordergrund rückt, seitdem die OECD (und zwar ab der zweiten Hälfte der 90er Jahre – vgl. OECD, 1996) zu einer Erweiterung und Vertiefung der Debatte über Strategien für das lebenslange Lernen aufgerufen hat, die besser als die herkömmlichen Fort- und Weiterbildungsstrategien auf die Erfordernisse der Wissensgesellschaft von morgen abgestimmt sind. Entsprechende Veröffentlichungen aus jüngster Zeit sind die Stellungnahmen der UNESCO zum allgemeinen Recht auf Bildung (vgl. UNESCO, 2000) und der Europäischen Union zur Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik sowie das Memorandum über lebenslanges Lernen vom November 2000 (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2000). In Anbetracht des EU-weit wachsenden Interesses an quantitativen Informationen über das lebenlange Lernen sah sich Eurostat zur Einsetzung einer Taskforce veranlasst, in der neben Eurostat die Generaldirektionen für Bildung und Kultur, für Beschäftigung und Soziales und für Forschung, der CEIES, die europäischen Agenturen Cedefop und Eurydice sowie die OECD und die UNESCO vertreten sind. Der Bericht der Taskforce vom Februar 2001 (vgl. Europäische Kommission, 2001) diente als Grundlage für das Zusammentreffen von Statistikproduzenten und -nutzern auf dem Seminar in Parma. Im Mittelpunkt der Gespräche standen folgende Themen: 1) Probleme im Zusammenhang mit Definitionen und Klassifikationen sowie anderen grundlegenden Methodikfragen; 2) Verhältnis zwischen dem Informa14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 213 INHALT eurostat tionsangebot und dem in letzter Zeit zutage getretenen Nutzerbedarf; 3) künftige Anforderungen und Möglichkeiten der Deckung des Bedarfs durch die Statistikproduzenten. In der nachfolgenden Darstellung werden zunächst noch einmal die Diskussionen zusammengefasst, die zu den genannten Problemen geführt wurden. Anschließend wird auf einige Empfehlungen eingegangen, die über den Unterausschuss Sozialstatistik und die CEIES-Plenarsitzung vom November 2001 offiziell an Eurostat gerichtet wurden. Diese Empfehlungen sollen Eurostat in die Lage versetzen, im Rahmen der Programme 2001/2002 und 2003/2007 unmittelbar und angemessen auf den wachsenden Bedarf an Informationen über das individuelle lebenslange Lernen zu reagieren und sich dabei nach Möglichkeit mit den NSÄ abzustimmen. 2. Definitionen und Klassifikationen Wie aus dem Bericht der von Eurostat eingesetzten Taskforce hervorgeht, umfasst lebenslanges Lernen jede zielgerichtete Lerntätigkeit, sowohl formaler als auch nicht-formaler Art, die der Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen dient und sich durch Dauer und Kontinuität auszeichnet (d. h. in ihrer zeitlichen Dauer nicht eingeschränkt ist), unabhängig davon, welche Finanzierungsquellen (privat oder öffentlich) und Lehrmethoden (traditionell oder modern) verwendet werden. Diese Definition bildete mehr oder weniger explizit den Ausgangspunkt für die einleitend dargebotenen Beiträge von E. Marchetti (GD EAC), S. Pilos (Eurostat), J. L. Heller (OECD) und S. Chu (UNESCO). Anhand eines zweiachsigen Diagramms verdeutlichten die Vortragenden den zweidimensionalen Charakter der Definition. Während die auf der vertikalen Achse eingetragene zeitliche Dimension die Ausführung der Lerntätigkeiten im Laufe eines gesamten Lebens – von der Jugend bis zu einem immer fortgeschritteneren Alter – darstellt, werden auf der horizontalen Achse die Lernformen angeordnet (von links nach rechts von den „weniger formalen“ zu den „formaleren“ Formen), in denen diese Lerntätigkeiten tatsächlich stattfinden können. Die horizontale Dimension ist (wie J. Turunen hervorhob) insofern wichtig, als das Lernen in vielfältigen, gleichermaßen bedeutsamen und miteinander verflochtenen Umgebungen stattfinden kann. Sie beruht auf der allgemein anerkannten Unterscheidung zwischen formaler Bildung (die alle im UNESCOHandbuch von 1996 aufgestellten Kriterien erfüllt), nicht-formaler Bildung (die nur die drei ersten Kriterien erfüllt, d. h. Lerntätigkeiten betrifft, die an bestimmten Einrichtungen und Orten durchgeführt werden und zielgerichtet sind, jedoch keines der anderen Kriterien hinreichend erfüllen) und informellem Lernen, das dem Erfordernis der zielgerichteten Tätigkeit (individuell bzw. in Familien, Unternehmen und anderen Sozialisierungsformen) zur Verbesserung der persönlichen Kenntnisse, Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten nachkommt, jedoch im Vergleich zu den anderen Lernformen wesentlich weniger organisiert/strukturiert abläuft. Wie S. Chu in seinem Seminarbeitrag hervorhob, kann das Lernen in Formen – z. B. über Medien der Massenkommunikation – verlaufen, die nicht auf die Verbesserung der persönlichen Kenntnisse, Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgerichtet sind. Aufgrund ihrer äußerst geringen Messbarkeit fallen diese „beiläufigen“ Lerntätigkeiten im Allgemeinen nicht in den Geltungsbereich der für die Messung des lebenslangen Lernens relevanten Definitionen. Die Unterscheidung zwischen den drei anderen Lernformen wird allerdings dadurch erschwert, dass es auch nicht-formale und informelle Bildungs-/Lernsituationen gibt, auf die die Kriterien der formalen Bildung in einem Umfang zutreffen können, der zwar begrenzt, aber nicht unerheblich ist. Dies ist wichtig, wenn es darum geht, Klassifikationen für die einzelnen Bildungs-/Lerntypen auszuarbeiten, anhand deren sich quantitative Informationen über den Zugang zu und die Beteiligung an angebotenen Lernmöglichkeiten, die Merkmale von Lernprozessen sowie die Ergebnisse und Folgen derartiger Prozesse aus einer lernerorientierten Sicht (auf deren Notwendigkeit in mehreren Seminarbeiträgen hingewiesen wurde) darstellen lassen. Eine weithin verwendete und in den Seminarbeiträgen wiederholt erwähnte Klassifikation ist die ISCED 97 (vgl. OECD, 1999). Diese Klassifikation bietet einen integrierten und konsistenten statistischen Rahmen für die Erhebung und Darstellung international vergleichbarer nationaler Daten über das Angebot und die Nachfrage im Bereich Bildung. Sie wird bereits vielfach eingesetzt, um Lernerfahrungen und entsprechende Kompetenzen in nachfolgenden, (im Allgemeinen) nach dem Komplexitätsgrad der behandelten Inhalte geordneten Bildungsgängen zu messen. Prinzipiell eignet sich diese Klassifikation dazu, alle strukturierten Lernprozesse unter Berücksichtigung der 214 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat zahlreichen Möglichkeiten einer flexiblen und multidimensionalen Taxonomie einem der definierten Lern/Kompetenzbereiche zuzuordnen, ohne dass institutionelle Merkmale betrachtet werden müssen. Formale Bildungsprozesse lassen sich relativ leicht klassifizieren; allerdings sind die Besonderheiten der jeweiligen Institutionen hinsichtlich der vier zentralen Kriterien zu beachten (Art des nachfolgenden Bildungsgangs oder Ziel, das durch den Abschluss des zu klassifizierenden Lernprogramms erreicht wird; Art des Lernbereichs = allgemein, berufsvorbereitend, beruflich; Dauer des spezifischen Lernprogramms; Position in der nationalen Abschluss- und Qualifikationsstruktur). Beträchtliche Schwierigkeiten bei der Anwendung der Klassifikation auf das formale Lernen ergeben sich mehreren Beiträgen zufolge dann, wenn es sich um Länder handelt, deren Bildungssysteme aus historischen und institutionellen Gründen sehr uneinheitlich strukturiert sind. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass Bildungsgänge des formalen Typs, die ursprünglich (wie J. L. Heller unterstrich) auf die „Erstausbildung“ für Kinder und Jugendliche beschränkt waren, auf Bildungs-/Lernprogramme für erwachsene Lerner ausgedehnt werden. Des Weiteren befassten sich Produzenten und Nutzer von Statistiken im Laufe des Seminars mit wesentlichen Schwierigkeiten bei der Klassifizierung informeller Bildungsprogramme (häufig genannte Beispiele waren Alphabetisierungskurse für Erwachsene; Schulungen/Umschulungen in verschiedenen Bildungsbereichen und Wirtschaftszweigen für Erwachsene im sehr fortgeschrittenen Alter; Erwerb sprachlicher, religiöser oder kultureller Fähigkeiten/Fertigkeiten sowie Erwerb von Fähigkeiten/Fertigkeiten für eine sinnvolle Freizeitgestaltung und eine Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen), vor allem aber bei der Klassifizierung der (ständig wachsenden Viefalt der) Formen, in denen das informelle Lernen abläuft. Der Beitrag von E. Marchetti machte deutlich, dass es nicht an Bemühungen gefehlt hat, Klassifikationen zu erstellen, die die internationale Vergleichbarkeit quantitativer Informationen über nicht-formale und möglichst auch über informelle Lerntätigkeiten ermöglichen, und dass diese Bemühungen fortgesetzt werden. Als Beispiel dafür wurden die Bestrebungen angeführt, im Rahmen des gemeinschaftlichen Programms Leonardo da Vinci 1995-1999 Klassifikationen zu schaffen, die für die Erstellung und den Austausch vergleichbarer quantitativer Statistiken über formale und nicht-formale berufliche Bildung geeignet sind. Ein weiteres Beispiel ist die Festlegung zweier vorrangig zu behandelnder Statistikbereiche im entsprechenden Programm für 20002006. Dabei geht es zum einen um die Verwendung der strukturellen Unternehmensstatistiken für die Messung des lebenslangen Lernens, zum anderen um die Erweiterung des Geltungsbereichs der Definitionen und Klassifikationen von Kompetenzen auf das informelle Lernen. Ferner wurde deutlich, dass es angebracht wäre, für derartige Lerntätigkeiten spezielle Klassifikationen zu erstellen. Diese könnten – unter Hinzuziehung der Zeitbudgeterhebungen und der Erhebungen über die Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte – dazu dienen, grundlegende quantitative Informationen über die individuell für Lerntätigkeiten aufgewandte Zeit und die damit verbundenen Ausgaben zu gewinnen. 3. Verhältnis zwischen dem Angebot an Informationen über das lebenslange Lernen und dem Bedarf der Nutzer Das Fehlen geeigneter – nach den Worten von W. Hörner statististisch relevanter – Klassifikationen für nichtformale und informelle Lerntätigkeiten, die mit der ISCED 97 konsistent sind, sich aber nicht an den beteiligten Einrichtungen, sondern am Lerner orientieren, stellt angesichts des wachsenden Informationsbedarfs verschiedenster Nutzerkreise, die diese Informationen für die Analyse der im Wandel begriffenen wirtschaftlichen und sozialen Systeme und für die Konzeption wirksamer Strategien auf individueller und kollektiver Ebene in verschiedenen territorialen Bereichen benötigen, ein gravierendes Problem dar. Dies wurde in zahlreichen Seminarbeiträgen betont. So hob E. Marchetti die Rolle hervor, die angemessene Informationen über nicht-formale und informelle Lerntätigkeiten für die Erarbeitung von Bildungsstrategien auf nationaler und internationaler Ebene spielen könnten, während die Vertreter der Bereiche Wirtschaft und Soziales unterstrichen, wie bedeutsam Informationen über das Lernen am Arbeitsplatz oder bei einem Bildungsträger in der vom technologischen und organisatorischen Wandel geprägten Welt für Unternehmensstrategien (vgl. die Beiträge von B. Pückler und C. Callieri) und für eine wirksamere Beteiligung der Sozialpartner an der Aufwertung der Rolle des Unternehmens als Ort des Lernens und als wesentliche Quelle statistischer Daten für die Messung des lebenslangen Lernens (vgl. M. H. André, D. Paparella) seien. Andere wiederum (N. Longworth) betrachteten das lebenslange Lernen als Weiterentwicklung des menschlichen Potenzials, die unter anderem in Form von Lerngemeinschaften mit ihren vielfältigen Lernmöglichkeiten für alle Bürger erfolgen könnte. 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 215 INHALT eurostat Trotz dieser Schwierigkeiten bemühten sich die Statistikproduzenten um die Bereitstellung quantitativer Informationen. Diese stammten sowohl aus institutionellen (nur für die formale und die nicht-formale Bildung) als auch individuellen Quellen (auch für die nicht-formale Bildung). Ein Teil der verfügbaren Daten wurde für nationale Zwecke erhoben und aufbereitet. Zu den wichtigsten auf dem Seminar vorgestellten und erörterten nationalen Erfahrungen zählten die erste Erhebung über Erwachsenenbildung im Vereinigten Königreich (National Adult Learning Survey – vgl. S. Leman), die insbesondere im Hinblick auf die territoriale Aufschlüsselung sehr informativ war, die fünf französischen Quellen (P. Zamora), die Erhebung über Erwachsenenbildung in Finnland (I. Blomqvist) und die Beteiligung Italiens an internationalen Projekten (A. Micali) – spezielle nationale Projekte werden V. Egidi zufolge derzeit nicht gefördert, da ISTAT seine Ressourcen vorrangig für die Zensuserhebungen 2001 zur Verfügung stellt. Die auf nationaler Ebene gewonnenen Erfahrungen boten Denkanstöße und Anregungen für die Schaffung eines statistischen Rahmens, der das Kriterium der internationalen Vergleichbarkeit erfüllt und zugleich die sich aus den Definitionen und Klassifikationen ergebenden Schwierigkeiten berücksichtigt, darüber hinaus (so u. a. W. Hörner) aber auch den Erfordernissen der ausreichenden Erfassung aller beteiligten individuellen Bereiche, der äußerst bedeutsamen Verknüpfung von Informationen über das lebenslange Lernen mit anderen Informationen aus denselben Quellen sowie der Effizienz, Kompatibilität und tatsächlichen Vergleichbarkeit auf internationaler Ebene Rechnung trägt. In mehreren Seminarbeiträgen (insbesondere von L. Jensen und S. Pilos) wurde auf bereits vorliegende international vergleichbare Informationen eingegangen. Dazu zählten: a) die jährlich mit Hilfe des gemeinsamen Fragebogens der UNESCO, der OECD und Eurostats (UOE) erhobenen Verwaltungsdaten (über Anmeldungen und Teilnehmer, Lehrpersonal und Bildungsausgaben) b) die jährlichen Erhebungen von Verwaltungsstellen über berufliche Aus- und Weiterbildung (VET) (mit Daten über Teilnehmer, Zugangsvoraussetzungen, angebotene Aufbaukurse, Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz und Bildungsmaßnahme, Lehrpersonal); c) die Informationen aus der kontinuierlichen gemeinschaftlichen Stichprobenerhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS), zu deren Durchführung Eurostat den wichtigsten Beitrag leistet (mit Daten über Unternehmen mit/ohne Angebote zur beruflichen Bildung, Teilnehmer, den finanziellen und zeitlichen Aufwand für Bildung) (Die erste Erhebung fand 1994 statt, die letzte 2000. Ihre Ergebnisse sollen Ende 2001 vorliegen, nach Auffassung von M. Ni Chellaigh vom Cedefop ist damit wahrscheinlich jedoch erst 2003 zu rechnen.) d) die Informationen aus der von Eurostat (ab 1999 quartalsweise) durchgeführten Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte (AKE) (mit Daten über die Beteiligung an Bildungsprozessen und den erreichten Bildungsgrad der Bevölkerung, aufgeschlüsselt nach dem Erwerbstatus und dem Bildungsgrad der Eltern); e) die (begrenzten) jährlichen Informationen aus dem Haushaltspanel der Europäischen Gemeinschaft (ECHP) über die in Lern- und Bildungsprozessen erzielten Ergebnisse. Diese quantitativen Informationen werden zunehmend durch Informationen ergänzt, die vor allem auch für die Erfassung von Aspekten des nicht-formalen und des informellen Lernens wichtig sind und in den internationalen Erhebungen über den Alphabetisierungsgrad bei Erwachsenen (IALS) – vorgestellt und kommentiert von J. P. Reef – sowie in den allgemeineren statistischen Programme wie dem sehr aufschlussreichen Programm des nationalen statististischen Amt Kanadas (Statistics Canada) – ausführlich beschrieben von T. S. Murray – gewonnen werden. Diese Informationen sind jedoch weder auf nationaler noch internationaler Ebene ausreichend mit anderen Informationen über formale und nicht-formale Bildung verknüpft. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass Kanada bis zur Schaffung eines integrierten Systems von Statistiken über Fertigkeiten und Lerntätigkeiten (lebenslang und lebensumspannend) noch eine lange Wegstrecke zurücklegen muss. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die internationale Vergleichbarkeit in diesem Bereich noch nicht in wünschenswertem Maß gewährleistet ist, was auch daran liegt, dass weiterhin Unsicherheit darüber besteht, ob der von der IEA, Statistics Canada und der OECD verfolgte Ansatz konzeptionell, verwaltungstechnisch und im Hinblick auf die Verbreitung der Daten über das Lernen optimal ist. Gerade weil es darum geht, das lebenslange Lernen hinsichtlich der Beteiligung daran, seiner Qualität, seiner Ergebnisse und seines allgemeinen Nutzens zu messen, ist die systematische Integration der Informationen 216 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat über die verschiedenen Lernformen besonders notwendig (vgl. die Beiträge von A. Vegliante, C. Koryfidis und S. Waddington). Dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen – so wurde im Laufe des Seminars deutlich – ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft. 4. Künftige Anforderungen Neben der Erkenntnis, dass eine systematische Integration erforderlich ist, zeigte das Seminar auch, dass bestimmte Erhebungen, die für die Erstellung angemessener quantitativer Informationen über das lebenslange Lernen besonders nützlich sind, einer Verbesserung und Neuorientierung bedürfen. Ein wesentlicher Vorschlag bestand darin, die Daten zu aktualisieren, die aus Verwaltungsquellen entnommen werden. Dies betrifft beispielsweise die mit Hilfe der Fragebogen UOE und VET erhobenen Daten. Ferner wurde unterstrichen, dass das lebenslange Lernen künftig aus einer lernerorientierten Sicht dargestellt werden muss. Dazu ist es erforderlich, die häufig an den beteiligten Institutionen ausgerichteten Verwaltungsdaten mit den in Stichprobenerhebungen über die Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte erhobenen Daten zu verknüpfen. Wiederholt wurde während des Seminars auf den potenziellen Informationsgehalt der Stichprobenerhebungen über die Arbeitskräfte hingewiesen, die sich immer mehr zu einem Grundpfeiler des europäischen Systems der Sozialstatistik entwickeln (vgl. insbesondere P. Zamora). So wurde vorgeschlagen, diese Erhebungen durch eine Erweiterung des Katalogs der Kernfragen um Fragen über berufliche Aus- und Weiterbildung zu verbessern. Ein positives Echo fand ferner auch der Vorschlag, in die für 2003 geplante Erhebung ein Ad-hoc-Modul über das lebenslange Lernen aufzunehmen. Es wäre vorstellbar, dass auch die Überarbeitung des ECHP, deren Abschluss für 2002 vorgesehen ist, neue Informationen über das lebenslange Lernen erbringt. Diese Erhebung, die dann die Bezeichnung EU-SILC (EUStatistiken über Einkommen und Lebensbedingungen) tragen wird, soll ab 2003 jährlich stattfinden und könnte regelmäßig Daten über die subjektive Einschätzung der Kompetenzen liefern. Ausführlichere Informationen über die berufliche Bildung ließen sich später mit Hilfe von dreijährlich oder zumindest in regelmäßigen Abständen durchgeführten Ad-hoc-Modulen gewinnen. Zuvor wären jedoch die heiklen Methodikprobleme zu lösen, die nach wie vor bestehen. Dazu gehört das Fehlen einer Klassifikation, die der immer größeren Bedeutung nicht-formaler und informeller Lerntätigkeiten gebührend Rechnung trägt. Eine Möglichkeit, die Klassifkation dieser Lerntätigkeiten wenigstens teilweise zu verbessern, wurde während des Seminars kurz angedeutet: die Verwendung der Erhebungen über Zeitbudgets (TUS). Mit einer verbesserten Klassifikation ließen sich die Erhebungen über die Wirtschaftsrechnungen privater Haushalte (HBS) im Hinblick auf ihren potenziellen Gehalt an Informationen über die Finanzierung und die Kosten des individuellen Lernens verbessern. Bessere Klassifikationen könnten auch mit einer revidierten Fassung der ISCED 97 kombiniert werden, die verschiedene Bildungs- und Kulturaktivitäten (etwa Fernunterricht mit elektronischen Mitteln, Reisen zu Bildungszwecken, verschiedene kulturelle Aktivitäten) berücksichtigt. Damit wären sie von großem Nutzen für die Weiterentwicklung des Informationspotenzials der (nach dem Jahr 2000) durchzuführenden Erhebungen über berufliche Weiterbildung in Unternehmen. (Diese sind für die Unternehmen leider kostenaufwändig und müssen nach Ansicht der Vertreter aus der Wirtschaft durch Informationen verbessert werden, die Aufschluss über die Wirksamkeit der von ihnen getätigten Investitionen in die Verbesserung der Kenntnisse/Kompetenzen der Beschäftigten geben.) 5. Abschließende Empfehlungen Ein wesentlicher Mangel der CVTS-Erhebungen besteht den Interviewern zufolge darin, dass die Ergebnisse mit erheblicher Verspätung vorliegen. Dieses Problem ist bei den CEIES-Seminaren bereits wiederholt zur Sprache gekommen. Daraus lässt sich folgende Empfehlung ableiten: Die durch die neuen Informationstechnologien entstandenen Möglichkeiten sollten umfassend für eine raschere Erhebung und Aufbereitung von Informationen genutzt werden. Außerdem sollten die Forscher bei vertraglich eindeutig geregelter Einhaltung der Datenschutzbestim14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 217 INHALT eurostat mungen (auch in provisorischer Form) möglichst kurzfristig Zugang zu Mikrodaten zu erhalten, damit sie gemeinsam auf eine schnellere Veröffentlichung der wichtigsten Informationen hinarbeiten können. Diese Empfehlung wurde auch bei anderen Anlässen abgegeben, etwa im Zusammenhang mit der Arbeitskräfteerhebung (AKE) und dem ECHP (demnächst EU-SILC). Von besonderer Bedeutung im Rahmen der AKE ist die Überarbeitung des Fragebogens hinsichtlich der Kernfragen zur allgemeinen und beruflichen Bildung. Eine wesentliche Aufgabe für 2002 besteht ferner in der Ausarbeitung eines geeigneten Fragebogens für das Ad-hoc-Modul 2003. In Anbetracht der auf dem Seminar geführten Debatte und der Erfahrungen der Taskforce „Lebenslanges Lernen” sollten in der zum Thema „Arbeitskräfte und Bildung” einzusetzenden Arbeitsgruppe Fachleute, die Nutzerinteressen vertreten, in angemessener Zahl präsent sein. Was die zukünftige EU-SILC betrifft, liegt es angesichts der Erfahrungen mit den bislang vom ECHP durchgeführten Wellen nahe, die bei den Fragen zur allgemeinen und beruflichen Bildung in den bereits verwendeten Fragebogen aufgetretenen Probleme zu berücksichtigen und eine entsprechende Abstimmung zwischen den für die neue Erhebung vorgesehenen und den in der AKE enthaltenen Fragen vorzunehmen, insbesondere im Hinblick auf die Fragen des Ad-hoc-Moduls 2003. Aus der Sicht der Nutzer spielen die aus Verwaltungsquellen stammenden Informationen weiterhin eine wichtige Rolle. So sollten die UOE und die VET im Hinblick auf die Erhebung von Daten über flexible Bildungsformen überarbeitet werden. Die auf diese Weise gewonnenen Informationen müssten dann besser auf die Daten aus Stichprobenerhebungen bei Einzelpersonen und in Unternehmen abgestimmt werden. In einer Perspektive, in der das Individuum im Mittelpunkt des integrierten Informationssystems stehen soll, muss die Zusammenführung von Informationen aus Verwaltungsquellen und aus Stichprobenerhebungen als entscheidend betrachtet werden. Ein harmonisiertes und somit international vergleichbares System zur Erfassung quantitativer Informationen über das lebenslange Lernen ist für Produzenten und Nutzer derartiger Informationen gleichermaßen wichtig. Nur so können die damit verbundenen sozioökonomischen Probleme erkannt und analysiert sowie geeignete Strategien im Hinblick auf einen angestrebten Wohlstand für alle entworfen und umgesetzt werden. In Anbetracht dessen bietet sich einerseits die Möglichkeit, auf ein immer besser integriertes Informationssystem für Sozialstatistiken in den europäischen Ländern hinzuarbeiten, das von Eurostat geleitet und koordiniert wird und an dem sich die europäischen Agenturen (in diesem Fall etwa Cedefop und Eurydice), die Produzenten nationaler Statistiken und die Nutzer der verschiedenen territorialen Ebenen aktiv beteiligen. Andererseits könnte die Entwicklung aber auch dahin gehen, dass man entschieden nach Modalitäten für eine immer stärkere Integration des europäischen Systems in einen breiteren internationalen Rahmen sucht und sich dabei die von Organisationen wie der OECD und der UNESCO ausgehenden Impulse zunutze macht. Die bereichsübergreifende Bedeutung des lebenslangen Lernens lässt eine Orientierung in beide Richtungen geboten erscheinen. Sicher bietet sich mit dem Thema Aktives Altern der Bevölkerung, das der Unterausschuss Sozialstatistik dem Büro des CEIES für das Seminar in Den Haag, Niederlande, im Mai 2002 vorschlagen wird, ein vergleichbarer Anlass für eine Weiterentwicklung in dieser Thematik. Literatur Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000, Memorandum über lebenslanges Lernen, Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, DOC 0015120003, SEK(2000) 1832, Brüssel, 30. Oktober. Eurostat, 1996, Erhebung zur beruflichen Weiterbildung in Unternehmen 1994 (CVTS) – Methoden und Definitionen, Statistischer Bericht, E3, Luxemburg. OECD, 1996, Lifelong Learning for All, Paris OECD, 1999, Classifying Educational Programmes. Manual for ISCED-97 Implementation in OECD Countries, Paris. UNESCO, 1996, Manual for Statistics on Non-formal Education, UNESCO Publishing, Paris. UNESCO, 2000, The Right to Education. World Education Report 2000, UNESCO Publishing, Paris. 218 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat TEILNEHMERLISTE Eurostat JENSEN Lothar PILOS Spyridon KÜHL Karsten NOLLEN Josee LAUWERIJS Nicole CEIES LAMEL Joachim, Wirtschaftskammer Österreich SIUNE Karen, Analyseinstitut for Forskning EPLER Margit, Chamber of Labour FREY Luigi, University of Rome (La Sapienza) TRIVELLATO Ugo, University of Padova MARQUES Fernando, CGTP-IN STOOP Ineke, Social and Cultural Planning Office DEGROOTE Kris, Conseil Central de l’Economie PÜCKLER Botho, BDA Europäische Kommission DRYMOUSSIS Ioannis, Employment and Social Affairs Directorate General LENARDUZZI, Mr D., Honorary Director General MARCHETTI Ettore, Education and Culture Directorate General NABAVI Ginette, Education and Culture Directorate General VEGLIANTE Angela, Education and Culture Directorate General VERLI Angeliki, Education and Culture Directorate General Belgien ANDRE Maria-Helena, ETUC VAN DE PERRE Liselotte, Ministry of the Flemish Community Dänemark BORCHSENIUS Lars, Statistics Denmark THOMASSEN Ken, Ministry of Education Deutschland HÖRNER Walter, Statistisches Bundesamt IOANNIDOU Alexandra, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung WILHELM Rainer, Federal Statistical Office of Germany Finnland BLOMQVIST Irja, Statistics Finland NIEMI Helena, Statistics Finland TIISANOJA Mirja, Statistics Finland TURUNEN Jorma, EAEA Frankreich CHU Shiu-Kee, UNESCO FOURCADE Bernard, University of Toulouse HELLER Jean-Luc, OECD LONGWORTH Norman, European Learning Cities Network SANDOVAL Véronique, Ministry of National Education ZAMORA Philippe, INSEE 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 219 INHALT eurostat Griechenland CHARARI Anastasia, National Employment Observatory KAMINIOTI Olympia, National Employment Observatory MOSSOUX Anne France, CEDEFOP NI CHEALLAIGH Martina, CEDEFOP ZACHARIOU Stellios, National Statistical Service of Greece Irland BRADLEY Linda, Dept. of Higher Further Education, Training & Employment Italien AIBINO Alberto, CDL CALLIERI Carlo, Iniziativa Piemonte Spa CONTESTABILI Francesca, ADSU FERRETTI, Mr G., Università degli Studi di Parma FONTANA Roberta, ISTAT FREDDOLINI Roberto, OML Provincia Di Milano LO MORO Caterina, University of Parma LUDOVISI Fiorina, CONFINDUSTRIA MAZZA Andrea, IFOA MAZZA Simona, University of Parma MICALI Aurea, ISTAT MOLINA Enzo, University of Parma NEGRI ZAMAGNI Vera, Regione Emilia Romagna PAPARELLA Mr D., CESOS RONCHINI Chiara, University of Parma Kanada MURRAY Scott, Statistics Canada Niederlande DOETS Cees, CINOP MAES Martine, CINOP TEKKENBERG Dick, Statistics Netherlands VAN RIJN Jacob, Ministry of Education, Culture & Science VRANCKEN Peter, Ministry of Education, Culture & Science Norwegen HORNELAND Ellen, The Norwegian Confederation of Trade Unions PEDERSON Elin Foss, Ministry of Education, Research and Church Affairs WILLOCH Ingrid, Statistics Norway Portugal FELIX NEVES Ana Luisa, INE Lisboa Schweden LARSSON Ann-Charlott, Statistics Sweden NÄSVALL Annika, Statistics Sweden UTTERSTROM Stina, National Agency for Education Schweiz LISCHER Rolf, Swiss Federal Statistical Office Slowenien BELTRAM Peter, Slovenian Institute for Adult Education BRENK Erika, Slovenian Institute for Adult Education TUS Jadranka, Statistical Office of the Republic of Slovenia Spanien IBANEZ Jesus, Ministerio De Education Cultura Y Deporte MUNOZ Isabel, Ministerio De Education Cultura Y Deporte SARABIA Bernabe, Ministry of Education Ungarn JANAK Katalin, Hungarian Central Statistical Office 220 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens INHALT eurostat Vereinigtes Königreich FLETCHER John, Department for Education and Employment LEMAN Steve, Department for Education and Employment BATES Peter, PJB Associates CAREY Siobhan, Office for National Statistics WADDINGTON Susan, NIACE Zypern IOANNOU-COSTA, Demetra, Statistical Service of Cyprus 14. CEIES-Seminar: Messung des lebenslangen Lernens 221