Institut für Mathematik Prof. Dr. Helge Glöckner Dipl. Math. Rafael Dahmen SoSe 11 17.06.2011 10. Übungsblatt zur Differentialgeometrie“ ” (Aufgaben und Lösungen) Gruppenübung Aufgabe G19 (Existenz einer Abschneidefunktion auf R) (a) Sei p ∈ R[X] ein Polynom. Zeigen Sie: −u lim p(u)e u→+∞ =0 1 −1 lim p e t = 0. tց0 t und (b) Für jedes p ∈ R[X] definieren wir ψp : R −→ R : t 7→ 1 t p 1 e− t 0 falls t > 0 falls t ≤ 0. Zeigen Sie, dass ψp : R −→ R an jeder Stelle differenzierbar ist und dass die Ableitungsfunktion wieder von der Form ψq ist (für ein q ∈ R[X]). Folgern Sie, dass alle ψp glatte Funktionen sind. Wie sieht die Taylor-Reihe von ψp an der Stelle 0 aus? (c) Bestimmen Sie den Träger der Funktionen φ := ψ1 : R −→ R : t 7→ und 1 e− t 0 falls t > 0 falls t ≤ 0. 1 f : R −→ R : t 7→ φ − t + 1 t + . 4 (d) Skizzieren Sie den Graphen von g(t) := f (t) − f (−t) und zeigen Sie, dass die Funktion Z t g(s)ds h(t) := −∞ die Eigenschaft hat, dass sie glatt ist, ihr Träger [−1, 1] ist und sie auf [− 41 , 14 ] konstant größer Null ist. Eine solche Funktion wird Abschneidefunktion genannt. 10. Übung Differentialgeometrie Lösung: (a) Wir zeigen nur die erste Aussage. Die zweite folgt direkt aus der ersten durch die Substitution t = u. Sei p = a0 + a1 X + a2 X 2 + · · · + an X n . 1 Wir berechnen nun e 2 u mit Hilfe der Potenzreihendarstellung: e 1 u 2 = ∞ X k=0 k 1 u 2 k! n 1 u 2 ≥ n!. = un 2n n! Hierbei haben wir einfach die gesamte Summe durch den nten Term nach unten abgeschätzt. Durch Umstellen erhalten wir hiraus die folgende Abschätzung: 1 un ≤ 2n n!e 2 u . Für u ≥ 1 gilt nun folgende Abschätzung: n X p(u)e−u = ak uk e−u ≤ ≤ k=0 n X |ak | uk e−u k=0 n X | ! |ak | un e−u k=0 {z } C:= −u n = Ce u 1 ≤ Ce−u 2n n!e 2 u 1 ≤ C2n n!e− 2 u Und dies geht gegen 0 für u → +∞. Man beachte, dass n der Grad des Polynoms und damit für die gesamte Überlegung konstant ist. (b) Die Funktion ψp ist auf der offenen Menge ] − ∞, 0[ gleich der 0-Funktion. Somit ist ψp auf dieser Menge an jedem Punkt differenzierbar mit Ableitung 0. 1 Auf der offenen Menge ]0, +∞[ ist ψp (t) gleich der glatten Funktion p 1t e− t . Also ist ψp auch hier differenzierbar mit Ableitung: 1 1 −1 1 − 1t ′ ′ 1 ψp (t) = p · − 2 ·e +p e t · − 2 . t t t t Wenn wir q := X 2 · (p′ + p) ∈ R[X] definieren, dann ist also ψp′ (t) = ψq (t) für alle t > 0. 2 10. Übung Differentialgeometrie Es bleibt zu zeigen, dass ψp an der Stelle 0 differenzierbar ist. Dies untersuchen wir mit dem Differenzenquotienten: ψp (0 + h) − ψp (0) lim h→0 h Der Linksseitige Grenzwert (also h < 0 ) ist selbstverständlich 0. Der Rechtsseitige Grenzwert (also h > 0 ) berechnet sich als: 1 p h1 e− h ψp (0 + h) − ψp (0) 1 −1 = = (Xp) e t. h h t Dies konvergiert gegen 0 nach Aufgabenteil (a) angewandt auf das Polynom Xp := X·p ∈ R[X]. Dies zeigt, dass ψp an jedem Punkt differenzierbar ist und dass ψp′ (t) = ψq (t), mit q ∈ R[X]. Dies impliziert nun, dass die Ableitungsfunktion von ψp wieder von diesem Typ ist und somit selbst diffenzierbar ist und so weiter. Also ist ψp eine glatte Funktion. Da sämtliche Ableitungen von ψp von diesem Typ sind, haben auch alle Ableitungen von ψp an der Stelle 0 den Funktionswert 0. Hieraus ergibt sich dann die folgende Taylorreihe von ψp an der Stelle 0: X ψp(k) (0) X k = 0. k! k=0 Man sieht an dieser Stelle auch sehr schön, dass die Funktion ψp lokal um die 0 nicht durch ihre Taylor-Reihe gegeben ist. Die Funktion ist also nicht analytisch an der Stelle 0. (c) Per Definition von φ gilt φ(t) = 0 ⇐⇒ t ≤ 0 Die Nullstellenmenge ist also die Menge ] − ∞, 0]. Das Komplement, also die Nichtnullstellenmenge wäre dann ]0, +∞ und der Träger von φ ist nun der Abschluss der Nichtnullstellenmenge, also [0, +∞[. Wir möchten nun mit der komplizierteren Funktion f genauso verfahren, d.h. zuerst die Nullstellen berechnen: 1 f (t) = 0 ⇐⇒ φ − t + 1 t + =0 4 1 ≤0 ⇐⇒ − t + 1 t + 4 1 ⇐⇒ t + 1 t + ≥0 4 1 ⇐⇒ t ≤ −1 oder t ≥ . 4 3 10. Übung Differentialgeometrie Die Nichtnullstellenmenge wäre demanch das offene Intervall ] − 1, − 14 [ und der Träger also das kompakte Intervall: [−1, − 41 ]. (d) Wie wir in Aufgabenteil (c) gesehen haben, ist die Funktion f außerhalb des Intervalls ]−1, − 14 [ identisch 0 und im Intervall ungleich 0 ist. Aus der Definition von f folgt sofort, dass f niemals negativ wird. Also folgt hieraus, dass f auf dem Intervall ] − 1, − 41 [ echt größer als 0 ist. Der Graph der Funktion (t 7→ −f (−t)) ist nun genau der von f , allerdings einmal an der x- und einmal an der y-Achse gespiegelt. Also ist die Funktion (t 7→ −f (−t)) überall gleich 0, außer im Intervall ] 14 , 1[, wo sie echt kleiner als 0 ist. Der Graph der Funktion g ist nun einfach die Summe der beiden Graphen, das heißt er sieht folgendermaßen aus: Auf Auf Auf Auf Auf ] − ∞, −1] ist die Funktion g gleich 0. ] − 1, − 14 [ ist die Funktion g echt größer als 0. [− 14 , 41 ] ist die Funktion g gleich 0. ] 41 , 1[ ist die Funktion g echt kleiner als 0. [1, +∞[ ist die Funktion g gleich 0. Die Funktion h ist nun eine Stammfunktion von g. Da die untere Integrationsgrenze −∞ ist, ergibt sich also folgendes: Auf Auf Auf Auf Auf ] − ∞, −1] ist die Funktion h gleich 0. [−1, − 41 ] ist die Funktion h streng monoton steigend. [− 14 , 41 ] ist die Funktion konstant. [ 41 , 1] ist die Funktion streng monoton fallend. [1, +∞[ ist die Funktion konstant. R −1 Die Funktion h beginnt also bei 0, steigt dann an um −14 f (t)dt an, bleibt auf diesem Niveau, um dann wieder um den gleichen Betrag abzufallen. (weil g(t) = −g(−t).) Also ist die Funktion h außerhalb ] − 1, 1[ konstant 0 und innerhalb echt größer Null. Das zeigt: supp(h) = [−1, 1]. Auf [− 14 , 14 ] ist sie konstant größer Null. Warum ist h glatt? Wir haben in Aufgabenteil (b) gesehen, dass ψp glatt ist. Für p := 1 ∈ R[X] folgt, dass φ = ψ1 glatt ist. Die Funktion f ist dann als Verkettung glatter Funktionen auch glatt. Die Funktion g als Linearkombination von zwei glatten Funktionen ebenfalls. Und h ist nach dem Hauptsatz über Differntial- und Integralrechnung differenzierbar mit Ableitung g und weil g glatt ist, ist h auch glatt. Damit müsste alles gezeigt sein. Aufgabe G20 (Algebra) Sei K ∈ {R, C}. Eine Algebra (A, β) über K ist ein K-Vektorraum A zusammen mit einer bilinearen Abbildung β : A × A −→ A. (I.A. ist A weder kommutativ noch assoziativ.) (a) Zeigen Sie: In einer Algebra (A, β) sind äquivalent: • (∀x ∈ A) β(x, x) = 0 • 4 (∀x, y ∈ A) β(x, y) = −β(y, x). 10. Übung Differentialgeometrie (b) Sei (A, β) eine Algebra, die die Bedingung aus (a) erfüllt. Zeigen Sie, dass (A, β) genau dann eine Lie-Algebra ist, wenn für jedes a ∈ A die Abbildung La : A −→ A : x 7→ β(a, x) eine Derivation ist. (Bis jetzt wurden Derivationen zwar nur für assoziative Algebren eingeführt, der Begriff macht aber auch für nicht-assoziative Algebren Sinn) Lösung: (a) ,,=⇒:“ Seien x, y ∈ A beliebig. Dann ist auch x + y ∈ A und wir können die linke Bedingung auf das Element x + y anwenden: β(x + y, x + y) = 0 β(x, x) +β(x, y) + β(y, x) + β(y, y) = 0 | {z } | {z } =0 =0 β(x, y) + β(y, x) = 0 β(x, y) = −β(y, x). Man beachte: Für diese Implikation haben wir nicht benötigt, dass K ∈ {R, C}. Das funktioniert auch mit beliebigem Körper K (oder noch allgemeiner, wenn notwendig). ,,⇐=:“ Wir wissen β(x, y) = −β(y, x). Das ist äquivalent zu β(x, y) + β(y, x) = 0. Setzen wir nun y = x, dann erhalten wir 2β(x, x) = 0. Nun teilen wir durch 2 und sind fertig. Anmerkung: Diese Implikation geht nicht über beliebigen Körpern. Z.B. über K = Z/2Z geht dies nicht, weil man hier nicht durch 2 teilen kann (weil 2 = 0). Die Äquivalenz gilt aber in allen Körpern in denen 2 := 1 + 1 6= 0. Dies sind genau die Körper mit Charakteristik ungleich zwei. (b) Der besseren Lesbarkeit halber schreibe ich für die Algebramultiplikation ∗ statt β, d.h. β(x, y) = x ∗ y. Eine Derivation Φ : A −→ A ist eine lineare Selbstabbildung von A, die die Produktregel Φ(x ∗ y)) = Φ(x) ∗ y + x ∗ Φ(y) erfüllt. Da β = ∗ bilinear ist, ist insbesondere La immer linear. Das heißt: Das einzige, was La noch dazufehlt, eine Derivation zu sein, ist die Produktregel. 5 10. Übung Differentialgeometrie Eine Algebra A ist genau dann eine Lie-Algebra, wenn sie die Bedingung aus Aufgabenteil (a) erfüllt und zusätzlich die Jacobi-Identität gilt. Per Aufgabenstellung erfüllt A die Bedingung aus Aufgabenteil (a). Wir erhalten nun die folgende Kette von äquivalenten Aussagen: (∀a ∈ A)La ist eine Derivation ⇐⇒ (∀a ∈ A)(∀x, y ∈ A) La (x ∗ y) = La (x) ∗ y + x ∗ La (y) ⇐⇒ (∀a ∈ A)(∀x, y ∈ A) a ∗ (x ∗ y) = (a ∗ x) ∗ y + x ∗ (a ∗ y) ⇐⇒ (∀a ∈ A)(∀x, y ∈ A) 0 = −a ∗ (x ∗ y) + (a ∗ x) ∗ y + x ∗ (a ∗ y). Nun wenden wir Regel x ∗ y = −y ∗ x aus Aufgabenteil (a) mehrmals an und erhalten: ⇐⇒ (∀a ∈ A)(∀x, y ∈ A) 0 = (x ∗ y) ∗ a + (a ∗ x) ∗ y − (a ∗ y) ∗ x. ⇐⇒ (∀a ∈ A)(∀x, y ∈ A) 0 = (x ∗ y) ∗ a + (a ∗ x) ∗ y + (y ∗ a) ∗ x. Und dies ist gerade die Jacobi-Identität. Hausübung Aufgabe H19 (Abschneidefunktionen auf Mannigfaltigkeiten) (a) Sei a ∈ Rn und δ > 0. Die Funktion h : R −→ R ist die Funktion aus Aufgabe (G19d). Zeigen Sie, dass die Funktion ! x − a 2 1 n θ : R −→ R : x 7→ ·h δ h(0) glatt ist und die folgenden Eigenschaften hat: • θ(x) ∈ [0, 1] für alle x ∈ Rn Rn • supp(θ) = Bδ (a) Rn • θ(x) = 1 für alle x ∈ Bδ/2 (a). (b) Sei M eine n-dimensionale C k -Mannigfaltigkeit und sei U ⊆ M eine offene Umgebung eines Punktes a ∈ M . Zeigen Sie, dass es eine C k -Funktion ξ : M −→ R gibt mit • ξ(x) ∈ [0, 1] für alle x ∈ M • supp(ξ) ⊆ U • ξ(x) = 1 für alle x in einer kleinen Umgebung U0 ⊆ U . 6 10. Übung Differentialgeometrie Lösung: (a) Zuerst einmal ist das Skalarprodukt Rn × Rn −→ R (x, y) 7−→ hx, yi bilinear und somit insbesondere glatt. Also ist auch die Abbildung Rn −→ R x 7−→ hx, xi = kxk2 glatt. Somit ist θ als Verkettung glatter Funktionen auch glatt. (h ist glatt nach Aufgabe (G19d).) Wir haben in Aufgabe (G19d) gesehen, dass h immer größer gleich 0 ist und auf dem Interavall [− 14 , 14 ] maximal wird, d.h. h(t) ≤ h(0) für alle t ∈ R. Somit ist die Funktion θ immer größer gleich 0 und kleiner gleich 1. Als nächstes schauen wir uns an, für welche Argumente x ∈ Rn die Funktion θ Null wird: Wir wissen bereits, dass h(t) = 0 ⇐⇒ |t| > 1. Also: ! x − a 2 x − a 2 > 1 ⇐⇒ kx − ak > δ. = 0 ⇐⇒ θ(x) = 0 ⇐⇒ h δ δ Durch Übergang zum Komplement und Abschließen ergibt das: Rn supp(θ) = Bδ (a) . Rn Sei nun x ∈ Bδ/2 (a). Dann ist δ kx − ak ≤ 2 x − a 1 ⇒ δ ≤ 2 x − a 2 1 ≤ ⇒ δ 4 2 ! x − a ⇒h = h(0) δ ! x − a 2 1 ⇒ = 1. ·h δ h(0) 7 10. Übung Differentialgeometrie (b) Der Punkt a ∈ M ist auf einer Karte verzeichnet. Es gibt also eine Karte φ : Uφ −→ Vφ ⊆ Rn mit a ∈ Uφ . Der Schnitt U ∩ Uφ ist nun eine offene Umgebung (als Schnitt von zwei offenen Umgebungen) von a. Da φ ein C k -Diffeo ist, ist φ insbesondere auch ein Homöomorphismus. Also sit φ(U ∩ Uφ ) eine offene Umgebung von φ(a) in Vφ . Da die Menge φ(U ∩ Uφ ) offen in Vφ und Vφ offen in Rn ist, ist die Menge φ(U ∩ Uφ ) selbst bereits offen in Rn . Rn Also gibt es ein δ > 0, sodass die abgeschlossene Kugel Bδ (φ(a)) vollständig in φ(U ∩Uφ ) liegt. Nach Aufgabenteil (a) gibt es nun eine C ∞ -Funktion θ : Rn −→ R mit • θ(x) ∈ [0, 1] für alle x ∈ Rn Rn • supp(θ) = Bδ (a) Rn • θ(x) = 1 für alle x ∈ Bδ/2 (φ(a)). Wir verketten nun θ mit der Karte φ und erhalten ξ1 : Uφ −→ R x 7−→ θ(φ(x)). Diese Funktion ist leider noch nicht auf ganz M definiert, hat aber schon ein paar schöne Eigenschaften: Die Funktion ξ1 ist C k als Verkettung einer C k -Abbildung und einer C ∞ -Abbildung. Die Funktion ξ1 nimmt nur Werte in [0, 1] an. n Die Funktion ξ1 ist gleich 1 auf der Menge φ−1 BR (φ(a)) und diese ist als Urbild δ/2 einer offenen Menge unter einer stetigen Funktion eine offene Umgebung von a. Es bleibt zu zeigen, dass der Träger von ξ1 in U liegt und dass sich ξ1 auf ganz M fortsetzen lässt. Rn Hierzu verwenden wir, dass K := Bδ (φ(a)) in Rn abgeschlossen und beschränkt ist. In Rn ist dies ausreichend dafür, dass K kompakt ist. Nach der Wahl von δ liegt K vollständig in φ(Uφ ∩ U ) und ist also eine kompakte Teilmenge von φ(Uφ ∩ U ). Nun ist φ ein Homöomorphismus und somit ist φ−1 (K) ein Kompaktum in Uφ ∩ U . Nach Konstruktion von ξ1 ist klar, dass ξ1 außerhalb des Kompaktums φ−1 (K) gleich Null ist. Somit haben wir gezeigt, dass supp(ξ1 ) ⊆ Uφ ∩ U ⊆ U . Da φ−1 (K) ⊆ M kompakt ist, ist das Komplement Ω := M \φ−1 (K) offen in M . Wir definieren nun ξ : M −→ R ξ1 (x) falls x ∈ Uφ x 7−→ 0 falls x ∈ Ω. Man sieht leicht, dass jedes x ∈ M entweder in der einen oder in der anderen Menge liegt. Da sich die beiden Mengen allerdings überlappen, ist es notwendig zu zeigen, dass 8 10. Übung Differentialgeometrie die beiden Funktionsdefinitionen auf Ω ∩ Uφ übereinstimmen. Dies ist aber der Fall, weil der Träger von ξ1 ja gerade in φ−1 (K) liegt. Also ist ξ : M −→ R wohldefiniert. Sobald klar ist, dass ξ wohldefiniert ist, folgt dass ξ eine C k -Abbildung ist, weil ξ|Uφ = ξ1 und ξ|Ω = 0 beide C k sind und die Mengen Uφ und Ω offen sind. Alle weiteren Eigenschaften folgen sofort aus den entsprechenden Eigenschften von ξ1 . Das beendet den Beweis. Aufgabe H20 (Äquivalente Definition von Ta M ) Sei M eine n-dimensionale C ∞ -Mannigfaltigkeit und sei a ∈ M fest. Eine Punkt-Derivation am Punkt a ist eine lineare Abbildung: φ : C ∞ (M, R) −→ R, mit der Eigenschaft, dass für alle f, g ∈ C ∞ (M, R) die folgende Identität gilt: φ(f · g) = φ(f ) · g(a) + f (a) · φ(g). (a) Sei γ : ] − ε, ε[−→ M eine C 1 -Kurve mit γ(0) = a. Zeigen Sie, dass φγ : C ∞ (M, R) −→ R : f 7→ (f ◦ γ)′ (0) eine Punktderivation im Punkt a ist. (b) Zeigen Sie: Die Zuordnung [γ]∼ 7→ φγ liefert einen Vektorraumisomorphismus zwischen dem Tangentialraum Ta M und dem Raum aller Punktderivationen am Punkt a. Häufig wird der Tangentialraum Ta M auch definiert als die Menge aller Punktderivationen am Punkt a. Ziel dieser Aufgabe ist es, zu zeigen, dass diese Konzepte auf natürliche Weise zu äquivalent sind. Lösung: (a) Wenn f, g ∈ C ∞ (M, R) zwei glatte Funktionen sind, dann ist f · g auch glatt. Es gilt offensichtlich: (f · g) ◦ γ = (f ◦ γ) · (g ◦ γ). Die Funktionen f ◦γ und g◦γ sind nun gewöhnliche (eindimensionale) C 1 -Funktionen von ] − ε, ε[ nach R. Für solche Funktionen gilt nach Analysis1 die altbekannte Produktregel: ′ (f ◦ γ) · (g ◦ γ) (0) = (f ◦ γ)′ (0) · (g ◦ γ)(0) + (f ◦ γ)(0) · (g ◦ γ)′ (0). Weil γ(0) = a ist, ergibt sich damit direkt: ′ (f · g) ◦ γ (0) = (f ◦ γ)′ (0) · g(a) + f (a) · (g ◦ γ)′ (0). Das war zu zeigen. (b) Sei V der Vektorraum aller Punktderivationen am Punkt a. 9 10. Übung Differentialgeometrie Per Definition von φγ gilt: φγ (f ) = df ([γ]∼ ). Also ist schonmal klar, dass die Abbildung Φ : Ta M −→ V [γ]∼ 7−→ φγ wohldefiniert ist, d.h. nicht von der Wohl der Äquivalenzklasse abhängt. Wir wissen außerdem bereits, dass df |Ta M : Ta M −→ R linear ist. Hieraus folgt die Linearität von Φ. Es bleibt, die Bijektivität von Φ zu zeigen. Injektivität von Φ: Sei [γ]∼ ∈ Ta M mit Φ(γ) = 0. Wir wählen eine Karte ψ : Uψ −→ Vψ um den Punkt a. OBdA ist ψ(a) = 0. Wir wissen nun dass Ta ψ ein Isomorphismus zwischen Ta M und Tψ(a) Vψ ∼ = Rn liefert. Hieraus folgt, dass der Tangentialvektor [γ]∼ die Äquivalenzklasse einer Kurve der folgenden Bauart ist: η :] − ε, ε −→ Uψ t 7−→ ψ −1 (a + tv) für ein v ∈ Rn . Wenn wir nun zeigen können, dass v = 0, dann ist damit die Injektivität von Φ bewiesen. Betrachten wir nun die folgende lineare Abbildung: π : Rn −→ R x 7−→ hx, vi. Hierbei bezeichne h·, ·, i das gewöhnliche Skalarprodukt auf dem Rn . Die Abbildung π ◦ ψ : Uψ −→ R ist glatt als Verkettung von glatten Funktionen. Durch Multiplikation mit einer geeigneten Abschneidefunktion (siehe Aufgabe (H19)) können wir eine glatte Funktion f : M −→ R konstruieren, die auf einer Umgebung von a identisch mit π ◦ ψ ist. Nach Voraussetzung ist Φ([γ]∼ ) = 0, also ist insbesondere φγ (f ) = (f ◦ γ)′ (0) = 0. Nun ist aber zumindest für |t| klein genug: f ◦ γ(t) = (π ◦ ψ) ◦ (ψ −1 (a + tv)) = π(a + tv) = π(a) + tπ(v) = ha, vi + hv, vi. 10 10. Übung Differentialgeometrie Wenn wir dies ableiten, erhalten wir genau hv, vi = kvk2 . Und da die Ableitung ja Null sein muss, gilt v = 0. Die Surjektivität ist noch ein bisschen gemeiner. Sei φ : C ∞ (M, R) −→ R eine Punktderivation am Punkt a. Mit nicht allzugroßer Beschränkung der Allgmeinheit nehmen wir an, dass M bereits eine offene Teilmenge des Rn ist. Dann kann man jede glatte Funktion f schreiben als n X ∂f (a) · (xj − aj ) + R(x), f (x) = f (a) + ∂xj j=1 wobei der Rest R(x) gegeben ist durch R(x) = n Z X k,l=1 |0 1 ∂2f (a + tx) · (1 − t)dt xk xl . ∂xk ∂xl {z } Sk,l (x):= Die Funktionen Sk,l sind glatt, wegen des Satzes über parameterabhängige Integrale. Also, können wir die Funktion f schreiben als: f = f (a) + n n X X ∂f (a) · (πj − aj ) + Sk,l · πk · πl . ∂xj j=1 k,l=1 Hierbei bezeichne πj : Rn −→ R die Projektion auf die j-te Komponente. Nun wenden wir die Punktderivation φ an und erhalten: φ(f ) = f (a)φ(1) + n n X X ∂f (a) · (φ(πj ) − aj φ(1)) + φ(Sk,l · πk · πl ). ∂xj j=1 k,l=1 Man sieht leicht aus der Definition der Punktderivation, dass φ(1) = 0 sein muss und dass φ(f1 f2 ) = 0 ist, wenn f1 (a) = f2 (a) = 0 ist. Wenn wir also alle Terme weglassen, die deswegen Null werden, erhalten wir: φ(f ) = n X ∂f (a) · φ(πj ). ∂xj j=1 Setze vj := φ(πj ). Dann ist dies gerade φ(f ) = n X j=1 vj ∂f (a) = df (a, v). ∂xj Also ist φ gerade die Richtungsableitung in Richtung v. Das war zu zeigen. 11