Geflügelfleisch als `Functional Food` – Anreicherung mit konjugierter

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Grashorn, M.A. (2004) Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach 43, Nr. 165, 239-246
Geflügelfleisch als ’Functional Food’ –
Anreicherung mit konjugierter Linolsäure, Omega-3-Fettsäuren sowie Selen
und Auswirkungen auf die Produktqualität
Poultry meat as functional food – enrichment with conjugated linoleic acid, omega-3 fatty
acids and selenium and impact on meat quality
M. A. GRASHORN1
1
Fachgebiet Nutztierethologie und Kleintierzucht, Universität Hohenheim, Stuttgart
Zusammenfassung
Die Anreicherung von Lebensmitteln mit Inhaltsstoffen, die für den Menschen einen Zusatznutzen bringen, wird als ’Functional Foods’ bezeichnet. Die Erzeugung von ’Functional’
Geflügelfleisch ist möglich, wenn auch der zu erwartende Marktanteil deutlich begrenzt sein
wird. Geflügelfleisch kann über die Fütterung der Masttiere so mit konjugierter Linolsäure,
Omega-3- Fettsäuren und Selen angereichert werden, dass 3 -11 %, 60 -70 bzw. 200 % und
60 % der für den Menschen täglich empfohlenen Aufnahmemengen an diesen Stoffen gedeckt werden können. Allerdings werden bei dem angereicherten Geflügelfleisch Veränderungen in den Qualitätseigenschaften beobachtet, die noch näher zu untersuchen sind.
Ferner fehlt bisher auch eine mehr detaillierte Untersuchung möglicher Wechselbeziehungen
zwischen den angereicherten Inhaltsstoffen.
Summary
The term ‘functional foods’ is used for food enriched with single ingredients exhibiting additional benefits for the consumer. The production of functional poultry meat is possible, although the market share of such products will be restricted. Meanwhile, several papers were
published showing that poultry meat can be enriched with conjugated linoleic acid, omega-3
fatty acids and selenium in a way that 100 g of enriched tissue covers 3 -11 %, 60 -70 and/or
200 % and 60 % of the recommended daily intake for humans, respectively. However, some
observed aberrations in meat quality features make some more research necessary.
Furthermore, detailed investigations on possible interactions between enriched components
are still missing.
Schlüsselwörter
Masthuhn – Fleischqualität – Fettsäuren – Selen – Anreicherung
Key Words
broiler – meat quality – fatty acids – selenium – enrichment
Einleitung
wichtigsten Energielieferanten. Nachdem
die Energieversorgung sichergestellt war,
entwickelte sich ein Trend zur Nachfrage
von besonders fettarmem Fleisch. Gegen
Ende des letzten Jahrhunderts erfolgte
schließlich ein Umdenken in der ernährungsphysiologischen Bewertung
des
Fleischs. Es erfolgte eine Abkehr vom reinen Protein/Fettdenken hin zur Bedeutung
der einzelnen Nährstoffe (Aminosäuren,
Das Verbraucherverhalten beim Einkauf
von Fleisch hat sich seit dem zweiten
Weltkrieg deutlich gewandelt. Nach dem
Krieg war Fleisch eine Mangelware und
somit etwas Besonderes, das es zu genießen galt. Mit der Verbesserung der
Fleischversorgung avancierte insbesondere das Schweinfleisch zu einem der
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einfach ungesättigte Fettsäuren (MUFA)
(HESEKER und HESEKER, 1999). Allerdings hängt das Fettsäuremuster sehr
stark von dem verwendeten Futterfett ab.
Neben den Fettsäuren sind auch größere
Mengen an Mineralstoffen und Spurenelementen enthalten, während die Vitamingehalte eher als gering zu bezeichnen
sind. Allerdings kann 100 g Brustfleisch
den Na-Bedarf des Menschen zu 8 -12 %
und den Se-Bedarf zu 11-13 % decken.
Fettsäuren, Vitamine, Spurenelemente) im
Fleisch. Heute wird vom Verbraucher erwartet, dass das Fleisch oder die Verarbeitungsprodukte nicht nur sicher und gesund sind, sondern auch diätetisch
wertvolle Inhaltsstoffe in höheren Konzentrationen enthalten. Hierbei stehen Inhaltsstoffe im Vordergrund, die sich positiv auf
das Wohlbefinden und die Gesundheit des
Menschen auswirken. Wichtig ist in dem
Zusammenhang, dass die Inhaltsstoffe
auch natürlich im Fleisch vorkommen und
auf natürlichem Wege, z. B. über die Fütterung der Tiere, angereichert werden können. Derart angereicherte Lebensmittel
werden heute als ’Functional Foods’ bezeichnet. ’Functional Foods’ sind Lebensmittel, die „über die Effekte einer adäquaten Ernährung hinaus, eine oder mehrere
Zielfunktionen im Körper positiv beeinflussen, woraus eine Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens und gegebenenfalls eine Verringerung des
Krankheitsrisikos resultieren können“.
„Functional Food kommt daher ein physiologischer oder gesundheitlicher Zusatznutzen zu, der über die Effekte der klassischen Nährstoffe in solchen Präparaten
hinausgeht“ (RECHKEMMER, 2001). Im
Folgenden soll daher dargestellt werden,
welche Nährstoffe und Inhaltsstoffe mit
Zusatznutzen im Geflügelfleisch enthalten
sind, wie diese Inhaltsstoffe auf natürlichem Wege angereichert werden können
und ob sich die Produktqualität derart angereicherter Lebensmittel von Standardware unterscheidet. Abschließend soll der
Nutzen von angereichertem Geflügelfleisch für den Menschen bewertet
werden.
Besondere Funktionen von konjugierter
Linolsäure, Omega-3-Fettsäuren
und Selen
Bei konjugierter Linolsäure liegt eine Doppelbindung in cis- und die andere in transKonfiguration vor. Durch diese besondere
Konstellation ist die konjugierte Linolsäure
eine Omega-7-Fettsäure. Die besondere
Bedeutung von konjugierter Linolsäure
wird darin gesehen, dass sie antikarzinogene Effekte hat, zur Verhinderung von
Arteriosklerose beiträgt, das Immunsystem
stärkt und auch den Plasmacholesterinspiegel reduzieren kann. Der Bedarf an
konjugierter Linolsäure wird beim Menschen in erster Linie über Milch und Milchprodukte gedeckt. Beim Wiederkäuer wird
die konjugierte Linolsäure im Pansen aus
Fettsäuren synthetisiert. Andere Tierarten
und auch der Mensch sind in erster Linie
auf eine Aufnahme der konjugierten Linolsäure über Lebensmittel tierischen Ursprungs angewiesen. Die empfohlene tägliche Aufnahme (RDI) an konjugierter
Linolsäure beträgt für den Menschen
0,1 % der täglichen Nahrungsaufnahme.
Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren sind
direkte Vorstufen der Eicosanoide, besonderer biologischer Effektoren (Prostaglandine, Thromboxane, Leukotriene). Sowohl
Omega-6- als auch Omega-3- Fettsäuren
sind für den Menschen essentiell, das
heißt, es muss jeweils mindestens die
Ausgangsfettsäure (Omega-6 = Linolsäure,
Omega-3 = Linolensäure) mit der Nahrung
aufgenommen werden. Aus diesen kann
dann der Mensch über Kettenverlängerung und Einbau von Doppelbindungen
längerkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren des entsprechenden Typs bilden
(Abb. 1). Wichtig ist hierbei der erste
Nähr- und Inhaltsstoffe des
Geflügelfleischs
Mit Ausnahme des Wassergeflügels weisen alle Wirtschaftsgeflügelarten einen geringen Fettgehalt auf. Dieser liegt beim
Huhn im Bereich von 1 bis 15 %, je nachdem welche Teilstücke (Brust, Schenkel)
betrachtet werden. Teilstücke mit Haut
weisen auf Grund des Unterhautfettgewebes höhere Fettgehalte auf (SMITH, 1997).
Das Fett enthält zwischen 25 und 30 %
gesättigte (SAT) und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) sowie etwa 40 %
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Schritt, in dem aus Linolsäure Arachidonsäure (Omega-6) und aus Linolensäure
Eicosapentaensäure (Omega-3) gebildet
wird. Für beide Synthesewege ist dasselbe Enzym erforderlich, wodurch sich
eine
Konkurrenzsituation
ergibt.
In
Abhängigkeit von den in der Nahrung vorliegenden Mengen an Omega-6- und
Omega-3-Fettsäuren werden entweder
verstärkt Serie-2- oder Serie-3-Eicosanoide gebildet. Hohe Gehalte an Linol-
säure in der Nahrung tragen in den Industrienationen beim Menschen zum erhöhten
Vorkommen von Erkrankungen des HerzKreislauf-Systems, Entzündungsprozessen aber auch Krebs, Sehstörung und
gestörter Gehirnentwicklung bei (Tab. 1).
In vielen Studien konnte daher nachgewiesen werden, dass eine Erhöhung der
Nahrungsaufnahme an Omega-3-Fettsäuren diese negativen Effekte kompensieren kann (FARRELL, 1995).
Omega-3
Linolensäure
(C18:3)
Omega-6
Linolsäure
(C18:2)
Desaturase
Arachidonsäure
(C20:4)
Eicosanoide
Serie-2
Eicosapentaensäure
(C20:5)
W
Eicosanoide
Serie-3
Abb. 1: Schematischer Syntheseweg der Serie-2- und Serie-3-Eicosanoide
(Prostaglandine, Thromboxane, Leukotriene)
Tab. 1: Pathologische Veränderungen bei einer überhöhten Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren
in Relation zu Omega-3-Fettsäuren mit der Nahrung (nach FARRELL, 1995)
Erkrankung
Wirkung
Herz-Kreislauf
Arteriosklerose
Thrombose
Arrhythmien
Hypertonie
+++
+++
++
++
Entzündungen
Dermatitis
Psoriasis
Rheumatische Arthritis
Multiple Sklerose
Bronchialasthma
Diabetes mellitus
Ulcerative Colitis
+
++
+++
+
+
+
+
Andere Erkrankungen
Krebs
Sehstörungen
Gestörte Gehirnentwicklung
++
+++
++
241
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Gegenwärtig beträgt die Relation von
Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren in der
Ernährung der westlichen Welt etwa 25 30 zu 1. Durch eine Verschiebung dieses
Verhältnisses auf 5 - 10 zu 1 können die
negativen Effekte ausgeglichen werden.
Generell empfehlen die Ernährungsphysiologen, dass 30 - 35 % der Nahrungsenergie als Fett aufgenommen werden
sollte, dass das Verhältnis von gesättigten
zu einfach ungesättigten zu mehrfach ungesättigten Fettsäuren 1 zu 6 zu 1 betragen sollte, und dass zwischen 350 und
400 mg Omega-3-Fettsäuren je Tag aufgenommen werden sollten.
auch Algenpräparate einzusetzen. Die
wichtigste Selenquelle sind normalerweise
tierische Erzeugnisse. Aber auch in Pflanzen können erhöhte Mengen an Selen, in
Abhängigkeit von den Selengehalten im
Boden, vorgefunden werden. Darüber hinaus existieren inzwischen organische
Selenverbindungen, die als Futterzusatzstoffe angeboten werden.
Geflügelfleisch als ’Functional Foods’
In der kommerziellen Geflügelfütterung
enthalten die Futterrationen nur geringe
Mengen an konjugierter Linolsäure. Entsprechend sind auch nur geringe Gehalte
in den Geweben zu finden. Durch die Zugabe von konjugierter Linolsäure zum
Futter in Gehalten zwischen 2 und 4 %
kann eine deutliche Anreicherung der Gewebe mit konjugierter Linolsäure erreicht
werden (Tab. 2). In der höchsten Zulagestufe für konjugierte Linolsäure beträgt der
Gehalt in den Geweben das 40-fache der
nicht-supplementierten Gruppe. Es tritt
eine Verschiebung von einfach ungesättigten zu gesättigten Fettsäuren auf, während die Gehalte an mehrfach ungesättigten Fettsäuren nicht verändert werden.
Allerdings nimmt der Gehalt an Omega-3Fettsäuren leicht ab. Bei einer Zulage von
4 % konjugierter Linolsäure zum Futter
bestehen fast 20 % der mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus konjugierter
Linolsäure. In Abhängigkeit von dem Fettsäuremuster der eingesetzten Futterfettquellen variiert auch der Gehalt an den
verschiedenen Omega-3-Fettsäuren und
Omega-6-Fettsäuren in den Geweben.
Nachdem Leinöl hohe Mengen an Linolensäure enthält, ist dies auch die dominierende Fettsäure im Muskel (Tab. 3). Im
Vergleich zu anderen Futterfettquellen enthält Brustfleisch von Masthühnern, die mit
Leinöl gefüttert wurden, 15-20-mal so viel
Omega-3-Fettsäuren, wie Masthühner, die
andere Fettquellen im Futter hatten.
Entsprechend enthalten 100 g Brustfleisch
etwa 250 mg Omega-3-Fettsäuren. Die
Relation zwischen Omega-6 und Omega3-Fettsäuren beträgt etwa 0,8. Aufgrund
des höheren Fettgehaltes von Schenkelfleisch enthält dieses absolut dreimal so
hohe Gehalte an Omega-3-Fettsäuren wie
Brustfleisch bei Fütterung mit Leinöl.
Selen ist ein Schlüsselelement für verschiedene funktionale Selenproteine und
ist die Voraussetzung für eine normale
Gesundheit beim Menschen. Selenmangel
kann insbesondere zu erhöhten Abortraten
und schlechterer männlicher Fruchtbarkeit
beitragen. Neue Erkenntnisse zum Selen
zeigen, dass dieses das Krebsrisiko reduzieren kann, Herz-Kreislauferkrankungen
verhindert und insbesondere auch eine
große Bedeutung bei der Verhinderung
von Oxidationsprozessen hat. Heute wird
etwa 50 % des Selenbedarfs des Menschen über die Aufnahme tierischer Produkte, hier insbesondere Milchprodukte,
gedeckt. Allerdings können auch Pflanzen
große Mengen an Selen enthalten, wenn
dies im Boden der Pflanzen vorhanden ist.
Die empfohlene Aufnahmemenge für Selen liegt in Deutschland bei 47 µg/je Tag.
Quellen von konjugierter Linolsäure,
Omega-3-Fettsäuren und Selen im Futter
Nachdem zurzeit tierische Futterkomponenten für die Fütterung des Geflügels
nicht erlaubt sind, muss fast ausschließlich
auf pflanzliche Komponenten zur Anreicherung der Gewebe mit den erwünschten
Stoffen zurückgegriffen werden. Für die
konjugierte Linolsäure stehen hierzu speziell angereicherte Öle zur Verfügung. Bei
den Omega-3-Fettsäuren existieren einige
pflanzliche Komponenten, die traditionell
erhöhte Gehalte an Omega-3-Fettsäuren,
insbesondere in Form der Linolensäure,
enthalten. Zu nennen sind hier Leinöl,
Hanföl aber auch Rapsöl. Darüber hinaus
ist es möglich, bestimmte Fischöle und
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Grashorn, M.A. (2004) Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach 43, Nr. 165
Tab. 2: Gehalt an gesättigten, einfach ungesättigten, mehrfach ungesättigten (ohne konjugierte
Linolsäure) Fettsäuren und konjugierter Linolsäure (CLA) im Brust- und Schenkelmuskel
von Masthühnern in Abhängigkeit vom Gehalt an CLA im Futter
(mg/100 g Gewebe; SIRRI et al., 2003)
Fettsäure
0 % CLA
2 % CLA
4 % CLA
Brustmuskel
SAT
MUFA
PUFA (ohne CLA)
CLA
n-3
277
241
332
1,5
27,6
244
144
278
32,1
28,6
284
177
291
69,5
24,2
Schenkelmuskel
SAT
MUFA
PUFA (ohne CLA)
CLA
n-3
593
670
830
4,7
64,7
596
425
679
95,5
50,8
625
463
675
177
51,0
SAT = gesättigte Fettsäuren, MUFA = einfach ungesättigte Fettsäuren,
PUFA = Mehrfach ungesättigte Fettsäuren, n-3 = Omega-3-Fetttsäuren
Tab. 3: Fettsäuregehalte im Brust- und Schenkelmuskel von Broilern nach Fütterung mit
verschiedenen Futterfetten (mg/g Fett; Fettgehalt Brustmuskel 1,2 %, Schenkelmuskel 3,5 %;
CRESPO und ESTEVE-GARCIA, 2001)
Brustfleisch
Linolsäure
Linolensäure
Eicosapentaensäure
Docoshexaensäure
Σ n-6
Σ n-3
n-6: n-3
mg n-3/ 100 g Gewebe
Schenkelfleisch
Linolsäure
Linolensäure
Eicosapentaensäure
Docoshexaensäure
Σ n-6
Σ n-3
n-6: n-3
mg n-3/ 100 g Gewebe
Summenformel
Rindertalg
Olivenöl
Sonnenblumenöl
Leinöl
C18:2n6
C18:3n3
C20:5n3
C22:6n3
120,8
5,7
3,9
5,2
167,8
22,1
7,8
26,5
110,6
7,2
4,0
4,9
155,3
22,6
7,0
27,1
270,1
4,1
1,8
2,4
350,4
12,0
30,0
14,4
135,7
144,4
12,7
9,4
160,6
204,7
0,8
245,6
C18:2n6
C18:3n3
C20:5n3
C22:6n3
136,8
6,8
3,1
3,8
179,9
19,9
9,1
69,7
121,9
8,6
2,6
3,2
159,4
19,3
8,4
67,6
314,1
5,2
0,2
1,2
370,5
9,0
43,3
31,5
165,4
202,1
9,2
6,3
185,9
244,0
0,8
854,0
n-6 = Omega-6-Fettsäuren, n-3 = Omega-3-Fettsäuren
243
Grashorn, M.A. (2004) Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach 43, Nr. 165
Die Gehalte an Selen in den Geweben
sind generell als sehr niedrig zu bezeichnen. Allerdings kann durch eine Zulage
von 0,4 bis 0,8 mg Selen/kg Futter eine
deutliche Zunahme der Gehalte in den
Geweben beobachtet werden (Abb. 2). So
steigt der Gehalt von 70-90 ng je g Gewebe auf Werte zwischen 270 und 290 ng.
Dies entspricht einer Erhöhung um den
Faktor 3,5. Insgesamt existieren nur geringe Unterschiede zwischen Brust- und
Schenkelfleisch.
Kontrolle
300
287
250
Se
275
Obwohl in der Vergangenheit viele Untersuchungen zur Anreicherung von Geflügelfleisch mit Omega-3-Fettsäuren vorgenommen wurden, gibt es nur wenige
Angaben zur möglichen Auswirkung auf
die Produktqualität, mit Ausnahme auf die
Oxidationsstabilität. In einer Untersuchung, in der Fischöl sukzessive durch
Leinöl oder Rapsöl ausgetauscht wurde,
wurde festgestellt, dass der Einsatz von
Fischöl nachteilige Effekte auf den Geruch
und den Geschmack des Fleisches hat.
Teilweise sind diese Effekte auf Oxidationsprozesse zurück zu führen. Diese OffFlavours sind in verschiedenen Untersuchungen beschrieben worden. Entsprechend führt der sukzessive Austausch von
Fischöl durch Leinöl oder Rapsöl zu einer
besseren Bewertung des Fleisches
(Tab. 5). Zwischen Leinöl und Rapsöl
wurde von den Probanden allerdings kein
Unterschied festgestellt.
200
150
100
50
0
87
70
Brust
Geweben zugenommen hat (ALETOR et
al., 2003). Bei höheren Gehalten an
konjugierter Linolsäure im Futter wird das
Fleisch heller, weniger rot und auch etwas
weniger gelb. Die beobachteten Auswirkungen auf die Textur des Fleisches
werden auch in den sensorischen Tests
widergespiegelt. So wurde von dem Testpanel sowohl die Farbe, das Aroma als
auch die Festigkeit des Fleisches bei
Anreicherung mit Omega-3-Fettsäuren als
positiver bewertet. Im Gegensatz hierzu
lagen kaum Unterschiede zwischen den
Behandlungsgruppen für die Saftigkeit vor.
Schenkel
Abb. 2: Se-Gehalt von Se-angereichertem
Hühnerfleisch (ng/g; Se-Zulage zum
Futter 0,4-0,8 mg/kg; YAROSHENKO
et al., 2004)
Anreicherung und Produktqualität
Die Zulage von konjugierter Linolsäure
führt einerseits zu einer Erhöhung der
Fleischfestigkeit und andererseits zu einer
Veränderung der Fleischfarbe (Tab. 4).
Die Zunahme der Texturwerte für das
Fleisch werden dadurch erklärt, dass der
Anteil an ungesättigten Fettsäuren in den
Tab. 4: Einfluss von konjugierter Linolsäure (CLA) auf Textur, Farbe und sensorische Eigenschaften
von Hühnerbrustfleisch (DU und AHN, 2002)
Fettsäure
0 % CLA
2 % CLA
ab
3 % CLA
Textur (kp)
L*
a*
b*
3,45
a
80,7
a
8,44
a
22,1
b
3,62
a
80,2
a
8,28
b
21,1
3,81
b
79,1
b
7,80
c
19,2
a
Sensorik*
Farbe
Aroma
Festigkeit
Saftigkeit
5,94
6,60
6,27
5,22
6,00
7,03
6,30
5,12
6,11
7,00
6,43
5,06
* Skala von 1 = negativ bis 15 = positiv; unterschiedliche kleine lateinische Buchstaben kennzeichnen
signifikante Mittelwertsunterschiede (p < 0,05)
244
Grashorn, M.A. (2004) Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach 43, Nr. 165
Tab. 5: Sensorische Bewertung* von Hühnerbrust- und Schenkelfleisch nach Fütterung von Fischöl(FO), Leinöl-(LO) und Rapsöl-(RO)-haltigen Rationen (LOPEZ-FERRER et al., 1999)
Brust
FO**
LO
5w
4w
3w
0w
0w
1w
2w
5w
Schenkel
Brust
Schenkel
2,71
3,50
3,90
4,35
2,57
3,95
4,06
4,38
RO
1,72
3,50
3,71
4,09
2,38
3,83
4,66
4,75
0w
1w
2w
5w
* Skala von 1 = negativ bis 5 = positiv
** 5 Wochen FO und 0 Wochen LO/RO, 4 Wochen FO und 1 Woche LO/RO, 3 Wochen FO und
2 Wochen LO/RO, 0 Wochen FO und 5 Wochen LO/RO
Auf die antioxidative Kapazität von Selen
wurde bereits hingewiesen. Entsprechend
konnte gezeigt werden, dass bei einer
Lagerung von mit Selen angereichertem
Hühnerfleisch bei 4 °C über 7 Tage die
Fettoxidation
deutlich
reduziert
ist
(Abb. 3). Die Oxidationsprodukte, gemessen über die Bildung von Molondialdehyd
(MDA), waren sowohl im Brustfleisch der
Kontrolle als auch im Schenkelfleisch der
Kontrolle signifikant höher als im Fleisch
der mit Selen gefütterten Tiere.
den kann. Allerdings können hierdurch
auch Beeinträchtigungen der Produktqualität auftreten, die entsprechend zu berücksichtigen sind. Für die Anreicherung
mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren gilt
auf jeden Fall, dass parallel hierzu auch
die Gehalte an Antioxidantien (wie αTocopherol) erhöht werden müssen.
Kontrolle
140
120
Se
131
100
80
60
86
40
20
0
29
Brust
38
Für die konjugierte Linolsäure wird eine
tägliche Aufnahmemenge von 0,1 % der
Nahrungsaufnahme empfohlen. Dies entspricht einer Menge von 2 bis 2,4 g/Tag
(FRITSCHE und STEINHART, 1998). Der
Gehalt im angereicherten Brustfleisch liegt
bei etwa 70 mg je 100 g und im
Schenkelfleisch bei etwa 180 mg je 100 g
Fleisch. Die Bedarfsdeckung beträgt somit
3,5 bis 11 %.
Für die Omega-3-Fettsäuren beträgt die
empfohlene tägliche Aufnahmemenge
350-400 mg. Der Gehalt im angereicherten Brustfleisch liegt bei 250 mg und
im angereicherten Schenkelfleisch bei
850 mg je 100 g Gewebe. Die Bedarfsdeckung entspricht somit bei Brustfleisch
60 bis 70 % bzw. bei Schenkelfleisch
200 %.
Schenkel
Abb. 3: Einfluss der Lagerung von Seangereichertem Hühnerfleisch
bei 4 °C über 7 Tage auf die
Bildung von Malondialdehyd
(ng/g; Se-Zulage zum Futter
0,4-0,8 mg/kg; YAROSHENKO
et al., 2004)
Die empfohlene tägliche Aufnahmemenge
für Selen liegt in Deutschland bei 47 µg.
Der Gehalt im angereicherten Brustfleisch
und auch im Schenkelfleisch liegt im
Durchschnitt bei 28 µg je 100 g Gewebe.
Somit können mit angereichertem Hühnerfleisch etwa 60 % des Tagesbedarfs
gedeckt werden.
Nutzen für den Menschen
Die vorhergehenden Ausführungen haben
gezeigt, dass Geflügelfleisch relativ einfach mit konjugierter Linolsäure, Omega-3Fettsäuren oder Selen angereichert wer-
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Grashorn, M.A. (2004) Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach 43, Nr. 165
Bedeutung für die Praxis
CRESPO, N., E. ESTEVE-GARCIA, 2001:
Dietary fatty acid profile modifies abdominal fat
deposition in broiler chickens. Poult.Sci. 80,
71-78
Die Anreicherung von Geflügelfleisch mit
wertvollen Inhaltstoffen, die einen Zusatznutzen für den Menschen bringen, ist ein
interessanter Ansatz, der in Zukunft weiter
an Bedeutung zunehmen wird. Die drei
behandelten Inhaltsstoffe können jeweils
in den Geweben so angereichert werden,
dass hierdurch die Anforderungen an
’Functional Food’ für den Menschen erfüllt
werden. Dies ist allerdings bei den
Omega-3-Fettsäuren und bei Selen stärker ausgeprägt als bei der konjugierten
Linolsäure. Es handelt sich aber eindeutig
um eine Nischenproduktion, die auf Grund
der höheren Kosten der Produkte nur
einen begrenzten Marktanteil erreichen
wird. Eine abschließende Bewertung des
Nutzens von ’Functional’ Geflügelfleisch
ist im Moment noch nicht möglich, da die
empfohlenen Aufnahmemengen an konjugierter Linolsäure, Omega-3-Fettsäuren
und Selen und die Wechselwirkung zwischen diesen Stoffen für den Menschen
noch näher untersucht werden müssen.
DU, M., D. U. AHN, 2002: Effect of dietary
conjugated linoleic acid on the growth rate in
live birds and abdominal fat content and quality
of broiler meat. Poult.Sci. 81, 428-433
FARRELL, D. J., 1995: The hearty egg is good
for you. World Poultry Misset 11 (4), 27-29
FRITSCHE, J., H. STEINHART, 1998:
Amounts of conjugated linoleic acid (CLA) in
German foods and evaluation of daily intake.
Z.Lebensm.Unters.Forsch. A 206, 77-82
HESEKER, B., H. HESEKER, 1999: Nährstoffe
in Lebensmitteln. Umschau-Zeitschrift-Verlag,
Frankfurt a.M., 2. Auflage
LOPEZ-FERRER, S., M. D. BAUCELLS, A. C.
BARROETA, M. A. GRASHORN, 1999: n-3
enrichment of chicken meat using fish oil:
alternative substitution with rapeseed and
linseed oils. Poult.Sci. 78, 356-365
RECHKEMMER, G., 2001: Funktionelle
Lebensmittel - Zukunft der Ernährung
oder Marketing-Strategie? ForschungsReport,
BMVEL (1), 32-35
SIRRI, F., N. TALLARICO, A. MELUZZI, A.
FRANCHINI, 2003: Fatty acid composition and
productive traits of broiler fed diets containing
conjugated linoleic acid. Poult.Sci. 82, 13561361
Literatur
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PAULICKS, F. X. ROTH, D. A. ROTH-MAIER,
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or an a-glucosidase inhibitor on tissue lipid
concentrations and fatty acid composition of
broiler chicks fed a low-protein diet. Poult.Sci.
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SMITH, D. M., 1997: Low fat and low salt
poultry products. in 'Production and processing
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New York
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YAROSHENKO, F. KARADAS and N. H. C.
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commercial application of production of Seenriched chicken. XXII WPC, Istanbul (Turkey),
8.-13. Juni
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The importance of conjugated linoleic acid in
animal and human nutrition. XV European
Symposium on the Quality of Poultry Meat,
Kusudasi, Turkey, 9.-12. September, 131-138
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