Julius-Maximilians-Universität Würzburg Prof. Dr. P. Bofinger SS 2013 Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades Bachelor of Science Wirtschaftswissenschaften Lettlands interne Abwertung: Ein Vorbild für Krisenländer der Eurozone? Name: Fabienne Weber Studienfach: Wirtschaftswissenschaft (Bachelor) Fachsemester: 6 Semesteranschrift: Alte Kasernstraße 5, 97082 Würzburg Abgabetermin: 23. Mai 2013 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 2 2 Lettlands Wirtschaftslage nach der Unabhängigkeit und die Auswirkungen der derzeitigen Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Lettland als unabhängiges Land mit Ambitionen einer europäischen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Entstehung der Krise in Lettland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 8 3 Krisenbekämpfung durch Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.1 Nominale Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.2 Interne Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4 Lettlands Ausweg aus der Krise . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Lettlands Vorgehen zur Bekämpfung der Krise . . . . . 4.2 Auswirkungen der Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . 4.3 Voraussetzungen für den Erfolg der internen Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 . . 16 . . 19 . . 22 5 Eine auf andere Krisenländer der Eurozone übertragbare Lösung? 24 5.1 Erfolgreiche interne Abwertung Irlands . . . . . . . . . . . . . . . 26 5.2 Eine Lösung für Griechenland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 6 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vi Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii I Abbildungsverzeichnis 1 Lettlands Bruttoinlandsprodukt (2000 - 2014) . . . . . . . . . . . viii 2 Lettlands Binnennachfrage (2004 - 2014) . . . . . . . . . . . . . . ix 3 Lettlands vierteljährige Bruttoinlandsprodukt (2007 - 2012) . . . x 4 Lettlands Harmonisierter Verbraucherpreisindex (2002 - 2013) . . xi 5 Lettlands Baugewerbe (2001 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . xii 6 Lettlands Finanzierungssalden des Staates (2002 - 2012) . . . . . xiii 7 Lettlands Arbeitslosenquote (2002 - 2012) . . . . . . . . . . . . . xiv 8 Lettlands Schuldenstand (2004 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . xv 9 Lettlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt (2002 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xvi 10 Lettlands Waren- und Dienstleistungsexporte/-importe (2004 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xvii 11 Lettlands nominale Lohnstückkosten (2001 - 2014) . . . . . . . . . xviii 12 Lettlands, Griechenlands und Irlands Leistungsbilanz (2002 - 2013) xix 13 Langfristige Zinsen (01.2004 - 03.2013) . . . . . . . . . . . . . . . xx 14 Kreditfluss des privaten Sektors ausgewählter EU-Mitgliedsländer (2002 - 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxi 15 Harmonisierter Verbraucherpreisindex ausgewählter Euroländer (1999 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxii 16 Offenheitsgrad ausgewählter Länder im Jahre 2012 . . . . . . . . xxiii 17 Bruttoinlandsprodukt ausgewählter EU-Mitgliedsländer (2000 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxiv II 18 Arbeitslosenquote ausgewählter Mitgliedsländer der Eurozone (2007 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxv 19 Schuldenstand ausgewählter Krisenländer (2007 - 2012) . . . . . . xxvi 20 Finanzierungssalden des Staates ausgewählter EU-Mitgliedsländer (2002 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxvii 21 Renditen 10-jähriger Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen (1995 - 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxviii 22 Renditen 10-jähriger Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen (2004 - 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxix 23 Irlands Arbeitslosenquote (2002 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . xxx 24 Irlands nominale Lohnstückkosten (2001 - 2014) . . . . . . . . . . xxxi 25 Irlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt (2002 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxxii 26 Irlands Waren- und Dienstleistungsexporte/-importe (2004 - 2014) xxxiii 27 Irlands Baugewerbe (2001 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxxiv 28 Griechenlands Arbeitslosenquote (2002 - 2012) . . . . . . . . . . . xxxv 29 Griechenlands nominale Lohnstückkosten (2001 - 2014) . . . . . . xxxvi 30 Griechenlands Waren- und Dienstleistungsexporte/-importe (2004 - 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxxvii 31 Griechenlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt (2003 - 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xxxviii III 1 Einleitung 1.1 Problemstellung Im September 2008 entwickelte sich die bereits im Juli 2007 erkennbare Krise auf den Finanzmärkten durch die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers zu einer globalen Finanzkrise. Weltweit wird mit unorthodoxen Maßnahmen sowohl vonseiten der Zentralbanken als auch vonseiten der Regierungen versucht, einem systemischen Risiko1 entgegenzuwirken, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern und die Finanzierung realwirtschaftlicher Aktivitäten sicherzustellen.2 Bisher haben die Staats- und Regierungschefs der Eurozone gezeigt, dass sie bereit sind, mit außergewöhnlichen Mitteln gegen die Staatsschulden- und Leistungsbilanzkrise vorzugehen. Doch der gespannte „europäische Rettungsschirm“3 geht nur mit einer beschränkten Haftung einher, wodurch der Wille um jeden Preis für eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu kämpfen an Glaubwürdigkeit einbüßt. Die eigenen Interessen und der „naive“ Gedanke, ohne große Einschnitte durch die Krise zu kommen, sind noch immer vorhanden. Alleine die EZB konnte durch die Ankündigung, zukünftig mittels OMTs4 zu intervenieren, für eine gewisse Stabilisierung sorgen. Für wie lange diese Politik aufrechterhalten werden kann, ist ungewiss, ebenso wie die Frage, ob sich die krisengeschüttelten Euroländer auf dem Weg der Besserung befinden. Die Europäische Union wird somit in die bisher größte Krise seit ihrer Gründung gestürzt. Der Fortbestand des europäischen Integrationsprozesses steht in Frage. Ob die neuen EU-Mitgliedsländer bei einer derartigen Krise die nötigen Konvergenzkriterien zum Erreichen der nächsten Stufe erfüllen können, ist unsicher. Das Ziel einer schnellstmöglichen Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion rückt für jene Länder nach hinten. Obwohl anfangs noch die Hoffnung bestand, dass die neuen EU-Mitgliedsländer von der Krise verschont bleiben, erscheint dies im Nachhinein als 1 Risiko, dass die Insolvenz eines systemrelevanten Instituts wegen der starken Verflochtenheit miteinander und der dadurch entstandenen Abhängigkeit in diesem Sektor, den Zusammenbruch des ganzen Finanzsystems herbeiführen könnte. 2 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2008, S. 1. 3 Es ist die Rede vom temporären Stabilisierungsmechanismus, der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Dieser soll langfristig durch einen permanenten Stabilisierungsmechanismus, den Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) ersetzt werden. 4 Das Erlauben von Outright Monetary Transactions bedeutet, dass die EZB ab sofort unbegrenzt Staatsanleihen am Sekundärmarkt kaufen bzw. verkaufen kann. 1 Utopie.5 Genau so, wie der Euroraum, müssen sie mit den Folgen der globalen Finanzkrise, wie auch mit dem darauf folgenden weltweiten Nachfrageeinbruch kämpfen. Besonders stark wurde Lettland getroffen. Das kleine, offene, baltische Land mit nur etwa 2.2 Millionen Einwohnern, erlitt den weltweit stärksten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte. Das Bruttoinlandsprodukt sank binnen nur zwei Jahren um 25%.6 Umso erstaunlicher ist es, dass Lettland bereits jetzt, nach knapp fünf Jahren, mit einem baldigen Aufschwung rechnen kann. Zudem schaffte es Lettland nach eigenen Angaben, in den letzten zwei Jahren die Konvergenzkriterien nicht zu verletzten und hat deswegen Anfang des Jahres einen Antrag zur Konvergenzprüfung bei der Europäischen Union gestellt, sodass die noch vor kurzem undenkbare Euroeinführung in Lettland jetzt möglich scheint. Der Staat möchte Anfang 2014 das achtzehnte Mitglied des Euroraums werden und bekräftigt somit sein ungebrochenes Vertrauen in einen stabilen Euro und den Fortbestand der Währungsunion. Lettland sieht sich durch die vorgenommene interne Abwertung dem Ende der Krise entgegen und gilt in den Augen vieler als Musterbeispiel dafür, dass es möglich ist durch extreme Einschnitte aus der Krise zu kommen. Nach wie vor wird darüber diskutiert, ob dies auch durch weniger radikale Maßnahmen, wie etwa eine nominale Abwertung möglich gewesen wäre. Auch wurde kritisiert, dass ein Land das Zwölffache seines Kapitalanteils beim IWF als finanzielle Hilfe erhält.7 Aus dem bisherigenen „too big to fail“ wurde „too small to fail“. Trotz aller Kritik hat Lettland es auch ohne Abwertung der eigenen Währung geschafft, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Natürlich stellt sich die Frage: Auf wessen Kosten? Ob Lettlands Vorgehen als vorbildlich für andere Krisenländer der Eurozone gilt, soll mittels der folgenden Analyse festgestellt werden. Hierbei sind die unterschiedlichen Auswirkungen der Finanzkrise, mögliches Fehlverhalten in der Vergangenheit und die individuellen wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht außer Acht zu lassen. Die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Euroländer und der EU-Mitglieder sind ebenso zu berücksichtigen. 1.2 Gang der Untersuchung Im zweiten Kapitel wird auf Lettlands jüngste Vergangenheit eingegangen, hauptsächlich auf die Boomphase in den Jahren 2004 bis 2007, aber auch auf den europäischen 5 Vgl. Knogler und Quaisser 2009, S. 26-27. Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 3. 7 Vgl. International Monetary Fund 2009, S. 20. 6 2 Integrationsprozess, der für den später eingeschlagenen Weg erheblich ist. Anschließend wird erklärt, warum Lettland so krisenanfällig ist und wie sich die Finanz- und Wirtschaftskrise auswirkt. Zwei Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und somit mögliche Auswege aus der Krise, nämlich die sogenannte nominale und die interne Abwertung, werden im dritten Kapitel erklärt. Die jeweiligen Vor- und Nachteile werden hier gegenübergestellt. Die Frage, warum Lettland nicht den Weg einer nominalen Abwertung einschlägt, wird im vierten Kapitel beantwortet. Zudem wird ausführlich auf die Bekämpfung der Krise durch die interne Abwertung und auf deren Auswirkungen eingegangen. Anhand der seit dem Ausbruch der Krise beobachteten Entwicklung Lettlands ist es möglich, Schlüsse zu ziehen, warum der eingeschlagene Weg für Lettland erfolgreich war und welche Voraussetzungen hierfür ausschlaggebend waren. Ob Lettland als Vorbild für andere Krisenländer des Euroraums gilt, ist Gegenstand des fünften Kapitel. Dabei wurden bewusst die Länder Irland und Griechenland ausgesucht: Ein Land bei dem Lettland als Vorbild fungieren kann und eines, bei dem das eher unwahrscheinlich ist. Im sechsten Kapitel endet die Arbeit mit einer Zusammenfassung aller Erkenntnisse sowie mit einem Ausblick. 2 Lettlands Wirtschaftslage nach der Unabhängigkeit und die Auswirkungen der derzeitigen Krise 2.1 Lettland als unabhängiges Land mit Ambitionen einer europäischen Integration Seit der im August 1991 erlangten nationalen Souveränität und Unabhängigkeit Lettlands von der Sowjetunion unterlag das Land einem gewaltigen Wandel. Lettland litt nicht nur an einem Identitätsverlust, bedingt durch zahlreiche Massendeportationen und Zwangsumsiedlungen,8 sondern auch die Wirtschaft lag am Boden und musste von Grund auf neu gestaltet werden.9 Nach den Jahren der Unterdrückung folgte eine Phase der Demokratisierung und der Wirtschaftsreformen. Lettland wandte sich ab von der Sowjetunion, hin zu einer westlichen Reintegration. Es folgte ein Reformprozess zur Gestaltung einer frei funktionierenden Marktwirtschaft basierend auf den politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Systemen des Westens.10 Das Recht auf Privateigentum wurde eingeräumt und ein funktionierendes Rechtssystem geschaffen. Weiterhin wurden Reformen zur makro8 Nach der erlangten Unabhängigkeit lag der Prozentsatz von ethnischen Letten nur bei 52%. Vgl. Lejins 2004, S. 43. 10 Vgl. Darvas 2011b, S. 2. 9 3 ökonomischen Stabilisierung, zur Privatisierung sowie zur Liberalisierung des Handels und der Preisbildung eingeleitet.11 Zudem strebte man die Einführung einer eigenen Währung und somit den Austritt aus der Rubel-Zone12 an, um Geldwertstabilität gewährleisten zu können.13 Lettland wollte um jeden Preis die vollständige Unabhängigkeit erlangen. Als Ziel aller Anstrengungen sah man den Beitritt in die Europäischen Union sowie in den Europarat und die NATO. Lettland gelang es trotz Bankenkrise von 1995, russischer Finanzkrise von 1998 und zahlreicher wirtschaftlicher Schwankungen (Output, Inflation, außenwirtschaftliche Saldos) den Reformkurs beizubehalten und im Jahr 2000 gestärkt dazustehen.14 Nach nur dreizehn Jahren der Unabhängigkeit trat Lettland am 1. Mai 2004 der Europäischen Union bei. Ab nun galten die sogenannten vier „Grundfreiheiten“ des europäischen Binnenmarktes. Lettland trat in eine Zollunion mit freiem Warenverkehr (Art. 28 AEUV) ein. Auch Unternehmern wurden neue Freiheiten eingeräumt, etwa durch den freien Dienstleistungsverkehr der laut Art. 56 AEUV ab sofort galt.15 Zudem herrschte jetzt laut Art. 63 AEUV ein freier Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedsländern. Die europäische Staatsbürgerschaft erlaubte zudem laut Art. 67 AEUV den freien Personenverkehr.16 Die nächste Stufe des Integrationsprozesses ist für Lettland der Beitritt in den Euroraum. Laut Art. 119 Abs. 2 AEUV sieht ein EU-Beitritt auch genau dies vor, nämlich die Einführung einer einheitlichen Währung, des Euro. Diesen Schritt hin zur Verwirklichung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion will Lettland schnellstmöglich erreichen. Der Beitritt in den Euroraum wird bedingt durch die Erfüllung der Maastricht-Kriterien und die Festlegung und Durchführung einer einheitlichen Geldund Wechselkurspolitik. Diese Konvergenzkriterien, die für eine nachhaltige Annäherung der wirtschaftlichen Lage erfüllt werden müssen, sind im Art. 121 Abs. 1 des EGV festgehalten. Demnach muss unter anderem ein hoher Grad an Preisstabilität erreicht werden. Für Lettland bedeutet dies, dass die durchschnittliche Inflationsrate um nicht mehr als 1.5 Prozentpunkte über der Inflationsrate der drei preisstabilsten EU-Mitgliedstaaten (die drei niedrigsten Inflationsraten) liegen darf, dies entspricht gewöhnlich knapp 3 %. Zudem ist für tragbare öffentliche Finanzen zu sorgen, indem das jährliche öffentliche Defizit die Grenze von 3 % und der öffentliche Schuldenstand 11 Vgl. Bolz und Polkowski 2010, S. 3. Rubelwährungsgebiet, in dem die russische Zentralbank die Geld- und Währungspolitik steuert. 13 Vgl. Aslund und Dombrovskis 2011, S. 168-204. 14 Vgl. Bolz und Polkowski 2010, S. 4. 15 Ein Unternehmer, der sich in einem europäischen Mitgliedsland niederlässt, darf seine Dienstleistungen auch in einem anderen europäischen Mitgliedsland anbieten. 16 Niederlassungsfreiheit, Freizügigkeit von Fachkräften. 12 4 die Grenze von 60 % des BIP nicht überschreiten darf. Auch darf der durchschnittliche langfristige Nominalzins den der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten um nicht mehr als zwei Prozentpunkte übertreffen.17 Um das Wechselkurskriterum zu erfüllen, wird eine zweijährige Teilnahme am Wechselkursmechanismus II vorausgesetzt. Dies bedeutet die teilweise Aufgabe einer eigenen Geldpolitik und das Einführen eines Währungs- und Wechselkursregimes, bei dem der Wechselkurs der inländischen Währung zu einer ausländischen Währung fixiert wird. Da Lettland bereits seit 1994 ein Fixkurssystem (obschon ohne Schwankungsbreite) hatte, gab es keine Kompatibilitätsprobleme.18 Somit band Lettland am 2. Mai 2005 den lettischen Lats in Form eines Quasi-Currency Board an den Euro.19 Die Schwankungsbreiten wurden auf +/- 15 % fixiert und müssen zwei Jahre vor der Konvergenzprüfung ohne starke Spannungen eingehalten werden. Um für höhere Stabilität zu sorgen entschied sich Lettland freiwillig dafür, diese Bandbreiten auf nur +/- 1 % zu limitieren.20 Zudem besteht ein Abwertungsverbot für die eigene Währung.21 Nach dem EU-Beitritt folgte eine Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs, die ihren Höhepunkt in den Jahren 2004-2007 erreichte.22 Dieses Wachstum war jedoch nicht nachhaltig und ging mit der Gefahr einer Blasenbildung einher.23 Lettland befand sich auch nach dem EU-Beitritt weiterhin in einem noch nicht abgeschlossenen wirtschaftlichen Aufholungsprozess.24 Die vorgenommenen Anpassungen, etwa die Zulassung des freien Kapitalverkehrs, wie auch die Wechselkursanbindung, gingen einher mit einem unvorhersehbar großen, unkontrollierten Kapitalzufluss in Form von ausländischen Direktinvestitionen (FDI), Portfolioinvestitionen und Krediten.25 Es kam zu einem Kreditboom, der nicht über inländische Spareinlagen finanziert wurde, sondern hauptsächlich durch ausländische, in Lettland angesiedelte Banken, die sich über ihre jeweilige Mutterbank refinanzierten.26 Die Beteiligungsquote jener ausländischen Banken, die hauptsächlich aus dem Norden Europas stammten,27 an der inländischen Kreditvergabe war extrem hoch. Aber auch die einheimischen Banken 17 Vgl. Baldwin und Wyplosz 2012, S. 436-438. Vgl. Gabrisch und Linne 2002, S. 333. 19 Vgl. Kompetenzzentrum Forschungsschwerpunkt internationale Wirtschaft 2010, S. 237. 20 Vgl. Baldwin und Wyplosz 2012, S. 392. 21 Vgl. Kompetenzzentrum Forschungsschwerpunkt internationale Wirtschaft 2010, S. 250. 22 Siehe Abbildung 1. 23 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 6. 24 Vgl. Kompetenzzentrum Forschungsschwerpunkt internationale Wirtschaft 2010, S. 239. 25 Vgl. Darvas 2011b, S. 5. 26 Vgl. Alvarez-Plata und Engerer 2009, S. 678. 27 Fast 60% der Banken in Lettland sind schwedische und andere skandinavische Banken. 18 5 hatten kaum Schwierigkeiten, Kredite auf dem Weltmarkt aufzunehmen.28 Zu dieser Entwicklung trug auch ein niedriges globales Zinsniveau, bedingt durch eine expansive Geldpolitik der EZB und der FED sowie zu geringe Risikoaufschläge bei.29 Diese unbeschränkte Kreditaufnahmemöglichkeit trug zu der exzessiven Kreditexpansion bei, die von den Jahren 2004 bis 2007 ein jährliches Wachstum von fast 30 % aufwies.30 Somit stiegen die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland deutlich an, wobei die private Verschuldung am meisten ins Gewicht fiel.31 32 Beachtlich ist zudem, dass fast 90 % des Kreditvolumens in Euro vergeben wurden (sog. „Euroisierung“ ).33 Dies hatte seine Ursache zum einen im quasi nicht vorhandenen Wechselkursrisiko, da ein Abweichen vom Wechselkurskriterium als ausgeschlossen erachtet wurde; zum anderen in einem niedrigeren Zinsniveau der Fremdwährungskredite, welches bei erwarteter inländischer Inflation bzw. Anstieg der Löhne zu einem niedrigeren Realzins führte.34 Somit ist auch die steigende Inflation nicht unerheblich für die Kreditexpansion. Es kam zu einem Anstieg der Inflationsrate,35 zum einen, weil es zu einer Konvergenz der Preisniveaus kam,36 zum anderen, weil die Löhne gestiegen waren.37 Diese Lohnzuwächse wurden durch eine verstärkte Emigration von Arbeitskräften ausgelöst.38 Lettland musste dadurch erheblich an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüßen, da die Produktivitätszuwächse im Vergleich zu den Lohnzuwächsen geringer waren.39 Die nominalen Löhne wuchsen nach dem EU-Beitritt, in den Jahren 2005 bis 2008 jährlich im Durchschnitt um 20%.40 Die stetige Kreditzunahme und der Anstieg der Öl- und Gaspreise hatten ebenfalls einen Einfluss auf die zunehmende Inflationsrate. Somit konnte das Maastricht-Kriterium für Preisstabilität nicht erfüllt werden und die für 2009 geplante Euroeinführung musste verschoben werden.41 Die exzessive Kreditvergabe bzw. Kapitalzuflüsse und der Anstieg der Inflationsrate wurden getrieben von einem hohen Wirtschaftswachstum, das von einer steigenden in28 Vgl. Bolz und Polkowski 2010, S. 4. Siehe Abbildung 13. 30 Siehe Abbildung 14. 31 Vgl. Darvas 2011b, S. 6. 32 Siehe Abbildung 9. 33 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 6. 34 Vgl. Rosenberg und Tirpak 2008, S. 7. 35 Siehe Abbildung 4. 36 Das anfangs niedrige lettische Preisniveau passte sich dem der anderen EU-Mitgliedsländer an 37 Im Jahr 2007 kam es zu einem Anstieg des verfügbaren Einkommens von über 20%. 38 Vgl. The World Bank 2009, S. 6. 39 Vgl. Bolz und Polkowski 2010, S. 7. 40 Siehe Abbildung 11. 41 Vgl. Alvarez-Plata und Engerer 2009, S. 679. 29 6 ländischen Nachfrage herrührte. Lettlands Wirtschaftsleistung wuchs ab dem Jahr 2004 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des BIP von über 10%.4243 Diese Entwicklung ließ auch zukünftig große Einkünfte (Rückflüsse) erwarten und trug somit zur Ausweitung der Kreditmenge bei.44 Lettland befand sich in einem Teufelskreis, der zu einer Überhitzung der Wirtschaft führte.45 Es fehlte an staatlicher Intervention, um der Überhitzung entgegen zu wirken. Fiskalpolitische Maßnahmen wurden nicht ergriffen und Einkommenspolitik wurde kaum betrieben. Die prozyklische, expansive Fiskalpolitik trug vielmehr zu jener Entwicklung bei.46 Die Staatsausgaben waren in den Jahren 2003 bis 2007 sogar um 80 % gestiegen. Trotz des hohen wirtschaftlichen Wachstums waren die Finanzierungssalden des Staates in jenen Jahren defizitär.47 Dies geschah aufgrund unrentabler Investitionen und steigender Löhne im öffentlichen Sektor und höherer Renten.48 Auch im privaten Sektor flossen die aufgenommenen Gelder nicht in effiziente Investitionen, sondern in die jenerzeit boomenden „nicht-handelbaren“ Sektoren, wie etwa in den Immobilienmarkt, den Bau- oder Finanzsektor.49 Somit kam es auch zu einer Überhitzung auf dem Immobilienmarkt (Immobilienblase), wo die Preise in den Jahren 2003 bis 2007 um 240 % gestiegen waren.50 Ein Anstieg der Baukosten war für diese Entwicklung nicht unerheblich.51 Mit der steigenden inländischen Nachfrage wuchsen zudem die Importe schneller als die Exporte,52 was zu einem Leistungsbilanzdefizit führte.53 Somit war es in Lettland, trotz einer Phase des wirtschaftlichen Booms, zu einer steigenden Bruttoauslandsverschuldung gekommen. Scheinbar wurde die Tatsache, dass diese Entwicklung nicht unendlich fortgeführt werden konnte, unterschätzt. 42 Siehe Abbildung 1. Vgl. The World Bank 2009, S. 5. 44 Risikoaufschläge auf Kredite an Banken hängen vom erwarteten Wachstum ab. 45 Vgl. Darvas 2011b, S. 15. 46 Vgl. Bolz und Polkowski 2010, S. 7. 47 Siehe Abbildung 6. 48 Vgl. The World Bank 2009, S. 6. 49 Vgl. ebd., S. 5-6. 50 Vgl. Aslund und Dombrovskis 2011, S. 389. 51 Siehe Abbildung 5. 52 Siehe Abbildung 10. 53 Siehe Abbildung 12. 43 7 Überdies war anstatt einer Abwertung, wegen steigender Handelsdefizite,54 eine Aufwertung des Lats gegenüber dem Euro zu beobachten, bedingt durch die anhaltenden Kapitalzuflüsse und dem Produktivitätszuwachs der letzten Jahre.55 56 Somit ging Lettlands extrem schneller Aufholungsprozess (Preis- und Lohnkonvergenz, institutionelle Verbesserungen) mit einem Anstieg der makroökonomischen und finanziellen Ungleichgewichte einher.57 2.2 Entstehung der Krise in Lettland Schon im Jahre 2007 gab es erste Anzeichen für eine bevorstehende Krise in Lettland. Aufgrund des sehr hohen Leistungsbilanzdefizits von 25%, der steigenden Auslandsverschuldung, der Abhängigkeit bankbezogener Kapitalzuflüsse und der hohen Fremdwährungsverschuldung, galt Lettland als besonders krisenanfällig.58 Die sich auf dem Finanzmarkt entwickelnde Krise hatte noch vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise erhebliche Folgen für Lettland: Durch die Dominanz internationaler Banken, denen bislang eine stabilisierende Rolle zugesprochen worden war und die zum hohen Wachstum beigetragen hatten, kam es zu einer „Ansteckung“ über die jeweiligen Mutterbanken.59 Diese beeinflussten die Refinanzierungsmöglichkeiten der in Lettland ansässigen Tochtergesellschaften. Umso höher die Beteiligungsquote jener internationaler Banken an der inländischen Kreditvergabe war, desto stärker war das Ausmaß einer externen Ansteckung und der daraus resultierenden Folgen.60 Ein Anstieg des internationalen Kreditrisikos führte zu einer Reduktion der Kreditvergabe und der Einlagen. Dies geschah aufgrund einer Verschlechterung der Kreditkonditionen (Steigenden Kreditzinsen und neuen Regeln und Bedingungen für die Kreditvergabe, wie zB. Höherer Bedarf an Sicherheiten, Verkürzung der Laufzeiten) und der sinkenden Einlagenzinsen. Es kam zu einem Anstieg der Differenz zwischen Kredit- und Einlagenzinssatz.61 Diese Entwicklung hatte außerdem einen negativen Effekt auf die lettische Realwirtschaft bzw. auf die Finanzierungsmöglichkeiten des Nicht-Bankensektors (Unternehmenssektors), denn dieser finanzierte sich hauptsächlich über bankbezogene Kredite 54 Vgl. Gabrisch 2009a, S. 123. Vgl. Kompetenzzentrum Forschungsschwerpunkt internationale Wirtschaft 2010, S. 240. 56 Es kommt zu einer realen Aufwertung des Wechselkurses, wenn der Preis der inländischen Güter ausgedrückt in Einheiten der ausländischen Güter steigt. 57 Vgl. Deroose u. a. 2010, S. 1. 58 Vgl. Alvarez-Plata und Engerer 2009, S. 676. 59 Vgl. Gabrisch 2009b, S. 27. 60 Vgl. Gabrisch 2009a, S. 126. 61 Vgl. Gabrisch 2009b, S. 29. 55 8 und nicht über den Aktienmarkt.62 Die Auswirkung auf die Realwirtschaft konnte aufgrund der Wechselkursanbindung des Lats an den Euro und der daraus folgenden Quasi-Abwesenheit einer eigenständigen Geldpolitik nicht gedämpft werden.63 Dies führte außerdem zu einem Rückgang der nominalen Geldmenge (M1)6465 und zu einer steigenden Gefahr einer deflationären Entwicklung.66 Nachdem sich die Weltkonjunktur bereits in einer zyklischen Abschwächung befand, führte der zunehmende Rückgang der Kapitalzuflüsse im Jahre 2008 zu einer Rezession67 in Lettland.68 69 Sowohl die Importe als auch die Exporte nahmen ab.70 Ein Rückgang der Kapitalzuflüsse internationaler Investoren hatte zu dieser Entwicklung beigetragen. Bereits im Jahre 2007 resultierten die negativen Einschätzungen bezüglich Lettlands zukünftiger Schuldentragfähigkeit in Herabstufungen durch die Rating-Agenturen, basierend auf einem zu hohen Leistungsbilanzdefizit.71 Dies führte zu einem Anstieg der Risikoprämien auf Staatsanleihen und folglich zu steigenden staatlichen Finanzierungskosten. Durch Portfolioanpassungen, bedingt durch die Krise am Finanzmarkt, sank die Bereitschaft, langfristig in emerging market bonds zu investieren.72 Parallel dazu erfolgte ein Anstieg der Risikoprämien auf die sogenannten Credit Default Swaps,73 was als Indikator für eine bevorstehende Finanzkrise gilt.74 Mit der Insolvenz von Lehman Brothers brach im September 2008 eine globale Finanzkrise aus, wodurch sich die Lage in Lettland erneut verschärfte. Trotz der Abwesenheit von nennenswerten Positionen an toxischen Wertpapieren,7576 hatte die Neubewertung von Risiken, besonders durch europäische Banken, erhebliche Folgen für Lettland. Die unzureichende Absicherung entsprechender Risiken führte zu Solvenz62 Vgl. Knogler und Quaisser 2009, S. 26. In einem System flexibler Wechselkurse hätte man einer sich anbahnenden Kreditverknappung durch eine expansive Geldpolitik entgegen wirken können. Dadurch wäre die vorhandene Geldmenge erhöht worden und die Kreditzinsen gesunken. 64 Die nominale Geldmenge, also die Summe aus Bargeld und Sichteinlagen, hängt von der Geldbasis, also der Summe aus Bargeld und Reserven der Banken und dem Geldschöpfungsmultiplikator ab (M 1 = H · Geldschöpfungsmultiplikator). 65 Vgl. Blanchard und Illing 2009, S. 693. 66 Vgl. Gabrisch 2009b, S. 29. 67 Bei mindestens zweimaliger Schrumpfung des realen BIP gegenüber dem Vorquartal spricht man der „technischen“ Definition zufolge von einer Rezession. 68 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2008, S. 1. 69 Siehe Abbildung 1. 70 Siehe Abbildung 10. 71 Vgl. Kompetenzzentrum Forschungsschwerpunkt internationale Wirtschaft 2010, S. 241. 72 Vgl. Gabrisch 2009b, S. 27. 73 Kreditderivate zur Absicherung von Zahlungsausfällen von Krediten. 74 Vgl. Kompetenzzentrum Forschungsschwerpunkt internationale Wirtschaft 2010, S. 241. 75 Verbriefte Finanzprodukte, deren Ausfallrisiken schwer einschätzbar sind. 76 Vgl. Knogler und Quaisser 2009, S. 27. 63 9 problemen. Ein gegenseitiges Misstrauen der Banken ließ den Interbankenhandel zum Erliegen kommen. Dadurch verschärften sich die Geldmarkt- und Kreditbedingungen in Lettland weiterhin. Zusätzlich äußerte sich ein schwindendes Vertrauen in den Fortbestand des festen Wechselkurssystems in Kapitalabflüssen. Lettland legte alles daran, eine starke Abwertung und eine daraus folgende Währungskrise77 zu verhindern.7879 Lettlands Devisenreserven sanken von September bis November 2008 um 20% und der Abwertungsdruck stieg weiter an.80 Im November 2008 musste die zweitgrößte unabhängige lettische Bank, die Parex Bank, vom lettischen Staat gerettet werden. Durch das Zuführen von Eigenkapital und erhebliche Garantien konnte vorrübergehend ein Zusammenbruch verhindert werden.81 Zudem brach der Immobilienmarkt zusammen und der damit einhergehende Preisverfall ließ Zweifel an der Sicherheit der zahlreichen Hypothekenkredite aufkommen.82 Lettland stand vor einem Staatsbankrott.83 Das Land konnte sich nicht mehr zu tragbaren Konditionen refinanzieren.84 Zudem litt das Land unter einer Wirtschaftskrise, die sich durch die globale Krise, die stagnierende Binnennachfrage und die ungünstigen Prognosen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung nur noch verschlechtern konnte.85 Der Druck, gegen die Konvergenzkriterien zu verstoßen, stieg weiter an. Dazu kam das Problem, dass der Lats als überbewertet galt.86 8788 Dies geschah aufgrund einer zu hohen Inflationsrate,89 die dazu beitrug, dass die inländischen Preise relativ zu den ausländischen Preisen stetig anstiegen. Daraus folgte eine stetige reale Aufwertung des Lats mit erheblichen Folgen für Lettlands Wettbewerbsfähigkeit. Bedingt durch den geringen finanziellen Handlungsspielraum befand sich Lettland in einer aussichtslosen 77 Es ist die Rede von einer Währungskrise, wenn der Außenwert einer Währung nicht mehr gehalten werden kann. Dieses Problem taucht auf, wenn sich bisherige Kapitalzuflüsse in Kapitalabflüsse umwandeln und es zu einer panikartigen Flucht in eine andere Währung kommt. 78 Vgl. Burda und Wyplosz 2005, S. 506-507. 79 Vgl. Alvarez-Plata und Engerer 2009, S. 677-681. 80 Vgl. The World Bank 2009, S. 8. 81 Vgl. Aslund und Dombrovskis 2011, S. 516. 82 Vgl. Knogler und Quaisser 2009, S. 28-29. 83 Vgl. Wieß 2010, S. 9. 84 Siehe Abbildung 22. 85 Siehe Abbildung 2. 86 Vgl. Darvas 2011b, S. 11. 87 Nach der absoluten Kaufkraftparität, sollten alle Güter weltweit einheitliche Preise haben, so dass der reale Wechselkurs zweier Währungsräume auf langfriste Sicht eins ergibt. Demzufolge muss der nominale Wechselkurs E ∗ dem Quotienten aus Pa und Pi entsprechen. Ist der nominale Wechselkurs E jedoch grösser als E ∗ , so gilt die Währung als überbewertet. Neben dem Konzept der Kaufpreisparität kann eine Währung auch anhand des effektiven realen Wechselkurses bewertet werden. Demzufolge muss der durchschnittliche Wert aller bilateralen realen Wechselkurse zwischen den jeweiligen Handelspartnern (gewichtet nach Anteil am gesamten Handelsvolumen) eins entsprechen. Erst, wenn dies nicht der Fall ist, gilt eine Währung als über- bzw. unterbewertet. 88 Vgl. Catao 2012, S. 1. 89 Siehe Abbildung 4. 10 Lage, aus der ein Ausweg ohne finanzielle Hilfe unmöglich war. Es stellte sich jedoch die Frage, welcher Weg der Beste aus der Krise wäre: Mittels einer Abwertung der eigenen Währung oder einer internen Abwertung? 3 Krisenbekämpfung durch Abwertung 3.1 Nominale Abwertung Die Abwertung des nominalen Wechselkurses E 90 wird als nominale Abwertung bezeichnet, welche wiederum zu einer Abwertung des realen Wechselkurses 91 führt. Der reale Wechselkurs ist durch folgende Gleichung definiert, wobei Pi für das inländische und Pa für das ausländische Preisniveau steht: = E · Pi Pa Eine nominale Abwertung ist nur unter der Voraussetzung durchführbar, dass das Land einen flexiblen Wechselkurs besitzt. Bei einem festen Wechselkurs bzw. wenn eine Währung an eine andere Währung gebunden ist, ist der nominale Wechselkurs fixiert und die Wechselkurspolitik entfällt als makroökonomisches Anpassungsinstrument. Mit Hilfe der Geldpolitik (Senken des Leitzinses) kann ein Land eine nominale Abwertung seines Wechselkurses erreichen (E ↓). Dies führt bei konstanten Preisen zu einer realen Abwertung ( ↓) in gleichem Umfang. In der Realität sind die Preise jedoch flexibel, wodurch eine nominale Abwertung nur in der kurzen Frist, nicht aber langfristig zu einer realen Abwertung führt. Eine nominale Abwertung bezweckt die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes und die Verlagerung von Ressourcen hin zur Produktion von handelbaren Gütern.92 Durch die Abwertung werden ausländische Güter relativ zu inländischen Gütern teurer, wodurch ein Anstieg der Exporte inländischer Güter, ein Rückgang der Importe ausländischer Güter und eine Verteuerung der ausländischen Güter erfolgt. Anfangs verschlechtert sich die Handelsbilanz (Handelsbilanzdefizit steigt; Abwertung wirkt kontraktiv) und erst im Laufe der Zeit wird eine Anpassung der Exporte/Importe 90 Preis der inländischen Währung ausgedrückt in Einheiten der ausländischen Währung (Mengennotierung). 91 Preis der inländischen Güter relativ zu ausländischen Gütern. 92 Vgl. Khan und Lizondo 1987, S. 357. 11 bzw. steigende Nettoexporte (J-Kurve) ausgelöst.93 Somit verbessert sich die Handelsbilanz, wenn der negative Preiseffekt von den positiven Effekten kompensiert wird (Marshall-Lerner-Bedingung). Zusätzlich führt eine nominale Abwertung aufgrund gestiegener Nachfrage zu einem Anstieg der inländischen Produktion. Dies fördert eine Verlagerung der Ressourcen hin zum „handelbaren“ Sektor und einer Reduktion der Arbeitslosenquote.94 Der Effekt auf das inländische und ausländische Preisniveau darf nicht außer Acht gelassen werden. Die gestiegenen Preise für importierte Güter und die gesunkenen Realeinkommen veranlassen die Arbeitnehmer zu höheren Nominallohnforderungen, wodurch ein Preisanstieg ausgelöst wird. Der geforderte Kaufkraftausgleich leitet eine PreisLohn Spirale bzw. steigende Inflation ein, die die Effekte einer nominalen Abwertung langfristig neutralisieren.95 Der Umfang des Lohn- bzw. und Preisanstiegs entspricht dem der Abwertung, sodass sich der ursprüngliche reale Wechselkurs wieder einstellt.96 Zudem ist die Abwertung der eigenen Währung mit der Aufwertung der Währung des Handelspartners gleichzusetzen bzw. einer Verbesserung der eigenen Handelsbilanz mit einer Verschlechterung der Handelsbilanz des Handelspartners. Dementsprechend wird der Handelspartner, abhängig vom Ausmaß dieses Effekts, mit identischem Vorgehen reagieren, wodurch das ausländische Preisniveau sinkt. Dies kann eine wechselseitige Abwärtsspirale auslösen, mit erheblichen Folgen für beide Länder.97 Wertet ein Land kräftig ab und besitzt bereits eine hohe Auslands- und Staatsverschuldung, so schwindet das Vertrauen in die Stabilität jenes Landes. Dies generiert hohe Risikoaufschläge auf Staatsanleihen (ständiges Bestehen des Abwertungsrisikos), die eine dämpfende Wirkung auf die wirtschaftliche Aktivität jenes Landes entfalten.98 Wird eine nominale Abwertung auch nicht als langfristige Lösung angesehen, so kann sie dennoch vorteilhaft sein: Sie ermöglicht eine schnelle Reaktion auf externe Schocks. Kommt es zu einem inländischen Nachfrageeinbruch, kann dieser durch eine zunehmende Auslandsnachfrage kompensiert werden.99 Die daraus resultierende Verbesserung der Leistungsbilanz wirkt sich positiv auf Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum aus.100 Zudem mindert die mit der Abwertung einhergehende Inflation die Schuldenlast. Dazu 93 N X = X − IM/ Anfangs sind X und IM konstant, sodass bei steigendem , N X sinkt. Während des Anpassungsprozesses steigt X und sinkt IM , sodass N X steigt. 94 Vgl. Blanchard und Illing 2009, S. 567-626. 95 Vgl. Horn u. a. 2012, S. 17. 96 Vgl. Khan und Lizondo 1987, S. 357. 97 Vgl. Blanchard und Illing 2009, S. 567-626. 98 Vgl. Horn u. a. 2012, S. 17-18. 99 Vgl. ebd., S. 8. 100 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 269. 12 können Reallöhne effektiver gekürzt werden, als dies wegen hoher Rigiditäten bei einer Nominallohnkürzung der Fall wäre.101 3.2 Interne Abwertung In einem System fester Wechselkurse entfällt der nominale Wechselkurs als makroökonomischer Anpassungsmechanismus. Eine reale Abwertung ist nur durch eine Anpassung des inländischen Preisniveaus, also durch fortwährende Senkungen der nominalen Preise, Löhne und Vermögenswerte möglich.102 Auch bei konstantem nominalen Wechselkurs ist durch eine interne Abwertung eine identische Verändung der realen Preise erzeugbar.103 Kurzfristig kann ein Land nur international kompetitiver werden, wenn es seine Nominallöhne nach unten anpasst.104 Die Produktionskosten sinken, wodurch die erwünschte Anpassung der Preise für inländische Güter eintritt.105 Dies bewirkt, genau wie bei einer nominalen Abwertung, einen Anstieg der Exporte, der aggregierten Nachfrage106 und der Produktion. Ein wirtschaftliches Gleichgewicht mit identischer Inflation, wie die des Handelspartners, stellt sich wieder ein und die Leistungsbilanz verbessert sich.107 Inwiefern eine interne Abwertung erfolgsversprechend, bzw. eine ausreichende Anpassung möglich ist und ob diese auch die erwünschte Wirkung erzielt, hängt von mehreren Faktoren ab. Entfällt die Geld- und Wechselkurspolitik, so ist die Flexibilität der Reallöhne ein entscheidender Anpassungskanal für asymmetrische Schocks. Dieser ist umso bedeutender, wenn, wie in der europäischen Union, die Mobilität108 des Produktionsfaktors Arbeit und die Flexibilität der Lohnstrukturen109 sehr gering sind.110 Sind Löhne flexibel, kommt es bei einem exogenen Schock nicht zu einer Mengenanpassung im Sinne von erhöhter Arbeitslosigkeit, sondern die Löhne passen sich automatisch an und dämpfen diesen negativen Effekt. Die Schnelligkeit der Anpassung gibt Auskunft darüber, wie 101 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 261. Vgl. The World Bank 2010, S. 11. 103 Vgl. Ruparel 2012, S. 2-3. 104 Bei einem externen Schock bzw. in der Rezession, muss ein Land eine kurzfristige und nicht eine mittel- bzw. langfristige Lösung anstreben. Mittelfristig kann ein Land durch eine Steigerung der Arbeitsproduktivität, durch Investitionen in Human- und Realkapital, wettbewerbsfähiger werden. Langfristig ist dies durch die Entwicklung neuer Produkte möglich. 105 Die inländischen Preise müssen relativ zu den Preisen des Handelspartners schneller sinken. 106 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage: Y = C + I + G + X 107 Vgl. Markantonatou 2013, S. 11. 108 Eine Anpassung über den Arbeitsmarkt, im Sinne von Migration, Umschulung, Teilzeitarbeit. 109 Lohndifferenz je nach Region, Sektor und Qualifikation. 110 Vgl. Heinz und Rusinova 2011, S. 7. 102 13 flexibel die Löhne sind.111 Die nationalen Institutionen der Lohnbildung (Tarifpolitik) haben hier einen großen Einfluss auf die Entwicklung und Reagibilität der Löhne. Besitzt ein Land starke Gewerkschaften, so ist eine Lohnsenkung schwerer durchzusetzen. Eine Lohnanpassung erfolgt dann nur durch steigenden Druck auf die Arbeitnehmer in Form von Arbeitsmarktreformen (strukturelle Reformen) oder einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage.112 Inflexibilität auf dem Arbeitsmarkt mindert die Erfolgschancen einer internen Abwertung. Eine interne Abwertung kann auch durch eine fiskalische Abwertung erfolgen. Diese hat den gleichen Effekt auf den Preis eines Gutes, wie eine Nominallohnkürzung. Nicht die Lohnstückkosten, sondern die Lohnnebenkosten werden reduziert. Der Sozialbeitragssatz des Arbeitgebers (SCR rate) wird gesenkt und der Mehrwertsteuersatz (VAT rate) erhöht, um die entgangenen Sozialbeiträge zu kompensieren.113 Dadurch sinken die inländischen Preise für die ausländische Nachfrage, wodurch das Land wettbewerbsfähiger wird. Für die inländische Nachfrage ändert sich das Preisniveau der inländischen Güter nicht. Durch die fiskalische Abwertung erfolgt eine Umschichtung von direkten zu indirekten Steuern. Allerdings wirkt sich ein erhöhter Mehrwertsteuersatz auf die importierten Güter aus, die dadurch teurer werden. Dies ist mit einem Einfuhrzoll zu vergleichen.114 Gegen die strukturelle Ineffizienz wird dadurch jedoch nicht vorgegangen. Ein weiterer Faktor, der die Erfolgschancen einer internen Abwertung erhöht, ist ein hoher Offenheitsgrad. Je größer die Offenheit, desto größer ist der Einfluss des Auslandes auf die wirtschaftliche Lage eines Landes.115 Der Offenheitsgrad eines Landes hängt von mehreren Komponenten ab: Eine wichtige Rolle spielt unter anderem die Handelsoffenheit, die Handelspolitik bzw. die inländische Gesetzgebung,116 internationale Kapitalzuflüsse (FDI) und eine handelsfördernde Infrastruktur117 . Generell sind kleine Länder abhängiger vom internationalen Handel, da der Anteil des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt relativ hoch ist. Deswegen wird, im Gegensatz zu großen Ländern, deren Situation sich kaum von jener einer geschlossenen Volkswirtschaft unterscheidet, der Exportentwicklung eine zentrale Bedeutung zugesprochen.118 Auch die 111 Vgl. Arpaia und Pichelmann 2007, S. 3. Vgl. Gabrisch 2007, S. 261. 113 Vgl. Mooij und Keen 2012, S. 5-7. 114 Vgl. Gabrisch 2007, S. 261. 115 Vgl. Belke und Wang 2005, S. 2. 116 Struktur und Komplexität der Preisregelung, Anti-Dumping Politik,... 117 Logistik und Kommunikation. 118 Vgl. Bofinger 2011, S. 537-538. 112 14 Größe der Einwohnerzahl spielt eine Rolle: Tendenziell sind die Importe pro Kopf umso größer, je kleiner die Bevölkerungszahl.119120 Nicht außer Acht zu lassen ist die Tatsache, dass sich, wenn sich ein oder mehrere Handelspartner in der Krise befinden, die Wirkung einer internen Abwertung verzögert. Diese Länder werden ähnliche Maßnahmen ergreifen - wenn es das Wechselkurssystem erlaubt, sogar eine nominale Abwertung durchführen, wodurch das ausländische Preisniveau ebenfalls sinkt.121 Auch die Schuldenlast eines Landes, das eine interne Abwertung vornehmen möchte, spielt eine Rolle. Ist der Schuldenstand niedrig und sind die Finanzierungssalden des Staates gering, so werden diese bei einer internen Abwertung, trotz eines starken Anstiegs tragbar bleiben. Der mit einer internen Abwertung einhergehende verstärkte Wirtschaftseinbruch führt zu einem Anstieg der Schulden. Die Demonstration wirtschaftlicher Verantwortung in der Vergangenheit bekräftigt die Glaubwürdigkeit eines Landes, wieder ein Gleichgewicht anzustreben.122 Die negativen Effekte für die Bevölkerung, die mit einer internen Abwertung einhergehen, stellen ihre politische Durchsetzbarkeit in Frage. Stetig wachsende Arbeitslosigkeit, geringere berufliche Sicherheit und niedrigere Reallöhne tragen zu einer erheblichen Verschlechterung des Lebensstandards bei. Zu den sozialen Kosten zählen auch eine zunehmende Emigration und ein Anstieg der Einkommensungleichheit.123124 Ist ein Land von einer großen unteren Mittelschicht geprägt, so steigt die Armut in diesem Land schneller an.125 Die Ankündigung einer internen Abwertung führt oftmals zu Protesten, Aufständen und Streiks.126 Sie ist daher häufig erst dann durchsetzbar, wenn ein Land vor dem Staatsbankrott steht. Die interne Abwertung wird im Vergleich zur nominalen Abwertung als „teurer“ und ihre Folgen als weniger vorhersehbar angesehen. Ein längerer, schmerzvollerer Anpassungsprozess ist nötig, der sich am Ende, bei konsequenter Durchführung der interne Abwertung und bei Vorliegen der nötigen Voraussetzungen, als lohnend erweist.127 Auf 119 Merchandise imports per capita ratio Vgl. Finger 2011, S. 9-14. 121 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 8. 122 Vgl. Ruparel 2012, S. 6. 123 Wird anhand des Gini-Koeffizienten gemessen. 124 Vgl. Weisbrot und Ray 2011, S. 8-10. 125 Vgl. Markantonatou 2013, S. 16-17. 126 Vgl. Ruparel 2012, S. 2. 127 Vgl. ebd., S. 3-6. 120 15 längere Sicht ist eine interne Abwertung besser für eine Volkswirtschaft, als eine nominale Abwertung, wenn strukurelle Ineffizienz vorliegt.128 4 Lettlands Ausweg aus der Krise 4.1 Lettlands Vorgehen zur Bekämpfung der Krise Aus mehreren Gründen entschied sich Lettland dafür, die Wechselkursanbindung beizubehalten, die eigene Währung nicht abzuwerten und eine interne Abwertung vorzunehmen: Bedingt durch die hohe Anzahl an in Fremdwährung vergebenen Krediten und Bankeinlagen, 129 hätte eine nominale Abwertung erhebliche Folgen für die privaten Haushalte und Unternehmen gehabt. Wertet ein Land den nominalen Wechselkurs ab, so steigt die Schuldenlast an, wenn diese nicht in der nationalen Währung, sondern in einer Fremdwährung entstanden ist. Bei einer Verschuldung in der nationalen Währung ist es genau umgekehrt: Die Schuldenlast sinkt. Im Falle Lettlands hätte dies zu einem Verfall des privaten Nettoreinvermögens geführt. Weiterhin hätten, angesichts der Höhe der Netto-Fremdwährungsverschuldung,130 Kreditausfälle und Insolvenzen die wirtschaftliche und finanzielle Instabilität Lettlands weiter befeuert. Das Spillover-Risiko (Ansteckungsrisiko) bezüglich anderen Volkswirtschaften der Region, hauptsächlich bezüglich der zwei benachbarten baltischen Staaten, hätte sich erhöht. Auch wären die nordeuropäischen Banken in Bedrängnis gekommen und über sie das gesamte lettische Bankensystem.131 Deswegen war die finanzielle Hilfe der Europäischen Kommission und der nördlichen Länder an die Bedingung geknüpft, dass keine nominale Abwertung erfolgen dürfte, um eine erneute Destabilisierung der ganzen Region zu vermeiden. Die Wechselkursanbindung hatte in den letzten Jahren zum wirtschaftlichen Aufschwung und zur Stabilität Lettlands beigetragen. Eine Abwertung des Lats gegenüber dem Euro hätte einen Verstoß gegen die Konvergenzkriterien dargestellt und die von Lettland ersehnte Euroeinführung erneut auf unabsehbare Zeit nach hinten verschoben. Der damit einhergehende politische Vertrauensbruch wäre kurzfristig nicht wiedergutzumachen gewesen.132 Ähnlich schwierig wäre es zukünftig gewesen, internationale Investoren 128 Vgl. Weisbrot und Ray 2011, S. 4. 90% der Kredite und 70% der Bankeinlagen sind in Fremdwährung erfolgt. 130 Die Netto-Fremdwährungsverschuldung des pivaten Sektors beträgt 70% des BIP. 131 Vgl. International Monetary Fund 2009, S. 10. 132 Vgl. The World Bank 2010, S. 7. 129 16 von der Stabilität des Wechselkurses zu überzeugen, weswegen jene dann nur noch zu höheren Zinsen bereit gewesen wären, Investitionen zu tätigen.133 Während der globalen Rezession würde ein kurzfristig, durch eine nominale Abwertung erlangter relativer Wettbewerbsvorteil Lettlands wahrscheinlich nicht zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führen. Aufgrund der Offenheit und geringen Größe des Landes, würde der Vorteil schnell durch importierte Inflation zunichte gemacht werden.134 135 Aus Lettlands Sicht wurde eine nominale Abwertung konsequent ausgeschlossen und der Wille bestärkt, diese Krise, wie die russische Finanzkrise im Jahre 1998, mit der Wechselkursanbindung zu überstehen. Diese Ansicht wurde nicht von jedem geteilt. Die nominale Abwertung galt als schnelle Lösung und es bestanden Zweifel, ob eine radikale interne Abwertung überhaupt möglich wäre. Nur durch die Unterstützung der anderen EU-Länder und die Versicherung, die geforderten extremen Maßnahmen durchzuführen, ließ sich der Internationale Währungsfonds von der Lösung per interner Abwertung überzeugen.136 Im Dezember 2008 beschloss dieser Lettland im Rahmen eines Stand-By Arrangements finanzielle Hilfen in Höhe von 1.7 Milliarden € (22.7%)137 zu gewähren. Dies entspricht dem Zwölffachen von Lettlands Anteil beim IWF.138 Für den IWF sind es jedoch vergleichsweise geringe Kosten, um eine Ansteckung des gesamten Raumes (Osteuropäische Emerging Markets) zu vermeiden. Im Januar 2009 unterzeichnete Lettland ein Memorandum of Understanding mit der Europäischen Kommission über einen Kredit in Höhe von 3.1 Milliarden € (41.3%). Dazu wurde Lettland noch von den nördlichen Ländern (Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen und Estland) mit 1.9 Milliarden €, von der Weltbank mit 0.4 Milliarden € und von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Tschechischen Republik und Polen mit 0.4 Milliarden € unterstützt.139 Insgesamt belief sich die finanzielle Hilfe auf 7.5 Milliarden Euro. So konnte sich Lettland zu niedrigen Zinsen refinanzieren, die Zahlungsfähigkeit wieder herstellen und der Liquiditätskrise ein Ende gesetzt werden. Kurzfristig konnte Lettland 133 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 10. Wegen der Rezession, also dem weltweiten Nachfrageeinbruch, ist eine schnelle Anpassung unmöglich. 135 Siehe Abbildung 16. 136 Vgl. Weisbrot und Ray 2011, S. 8. 137 Anteil des IWF an der gesamten finanziellen Hilfe für Lettland. 138 Normalerweise ist die Höhe der Kreditgewährung auf das dreifache des Anteils eines Landes beim IWF limitiert. 139 Vgl. Khan und Lizondo 2009, S. 1. 134 17 so dem Staatsbankrott entkommen, doch für eine langfristige Stabilität waren tiefgreifende Einschnitte erforderlich. Das Stabilisierungsprogramm bestand aus Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems. Lettlands Kreditwürdigkeit, der Zugang der Unternehmen zu finanziellen Mitteln und das inländische und internationale Vertrauen in den Bankensektor sollten wieder hergestellt werden. Die Tatsache, dass der ausgearbeitete Stabilisierungsplan die Wechselkursbindung bekräftigt und ein Abweichen davon ausschließt, hatte erstmals zu einer Beruhigung des Investitionsklimas geführt.140 Zur langfristigen Stabilisierung der Wirtschaft sah man eine fiskalische Konsolidierung und die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit über eine kostengünstigere, effizientere Produktion vor.141 Zwei Drittel der fiskalischen Konsolidierung sollten aus einer Reduktion der staatlichen Ausgaben und ein Drittel über Steuererhöhungen erfolgen. Das Stabilisierungsprogramm hatte zum Ziel, die Einhaltung der MaastrichtKriterien für tragbare öffentliche Finanzen zu gewährleisten.142 So soll mittels struktureller Reformen das wirtschaftliche Wachstum gefördert und eine Umschichtung der Produktion von nicht-handelbaren zu handelbaren Gütern erreicht werden. Mittels der Einkommenspolitik sollen die Nominallöhne gekürzt werden, um die Inflation zu bekämpfen und um ein niedrigeres inländisches Preisniveau zu erreichen. Neben einer Effizienzsteigerung in der lettischen Wirtschaft soll somit auch dem Problem der überbewerteten Währung entgegengewirkt werden. Nachdem Ende des Jahres 2008 der Einzelhandel um 15% eingebrochen war, die Industrieproduktion um über 10% gesunken war, die Anzahl der Insolvenzen anstieg und damit auch die Arbeitslosigkeit weiter zunahm,143 erkannte auch die Bevölkerung, dass gehandelt werden musste. Es wurden ein schnelles Handeln, radikale Sparmaßnahmen und staatliche Kürzungen gefordert. Die Prognosen über den Einbruch des Bruttoinlandprodukts wurden immer weiter nach unten korrigiert, was es schwer machte, eine richtige Einschätzung über das Volumen der interne Abwertung zu treffen.144 Es war bekannt, dass ein weiterer Einbruch des Bruttoinlandsprodukts und ein Anstieg der Arbeitslosenquote Bestandteil der Strategie einer internen Abwertung war, bevor der Aufschwung absehbar wäre.145 Doch die Aussicht auf die Euroeinführung im Jahre 140 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 10-15. Vgl. Khan und Lizondo 2009, S. 1. 142 Vgl. International Monetary Fund 2009, S. 9. 143 Siehe Abbildung 7. 144 Bei fallenden Wachstumsaussichten sinken die staatlichen Einnahmen aus Steuern und es kommt zu weiteren Staatsausgaben. Sich andauernd ändernde Aussichten erschweren es somit, das staatliche Budget bzw. das Budgetdefizit einzugrenzen. 145 Vgl. Weisbrot und Ray 2011, S. 10. 141 18 2014 schien als Belohnung ausreichend, um den „schmerzhaften“ Weg einer radikalen internen Abwertung rechtzufertigen.146 4.2 Auswirkungen der Stabilisierungsmaßnahmen Lettland erlitt in den Jahren 2007 bis 2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von fast 25% den weltweit stärksten Wirtschaftseinbruch.147 Im dritten Quartal 2010 konnte Lettland nach neun Quartalen des wirtschaftlichen Abschwungs erstmals wieder einen positiven Output aufweisen.148 Viele drastische Maßnahmen im Rahmen der internen Abwertung waren hierfür nötig. Der Staat hatte sich für tiefgreifende Strukturreformen in der staatlichen Verwaltung, der medizinischen Versorgung und im Bildungswesen entschieden. Im Sinne von Rationalisierung und Qualitätsverbesserung wurden längst überfällige Reformen zur Effizienzsteigerung durchgeführt. Durch Entbürokratisierung und Personalabbau reduzierte der Staat seine Ausgaben. Die Hälfte der 75 staatlichen Einrichtungen wurde geschlossen. 29% der Staatsbeamten wurden entlassen und die Staatsgehälter wurden binnen eines Jahres um 26% reduziert. Im Gesundheitswesen wurden 44% der Angestellten entlassen, die Löhne um 16% gekürzt und bis 2013 ist die Schließung von 35 Krankenhäusern geplant. Diese zunächst hoch anmutende Zahl schränkte die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung insofern nicht in größerem Ausmaß ein, als mit den noch aus der Sowjetunion bestehenden 59 Krankenhäusern überschüssige und kostspielige Kapazitäten für die lediglich 2.2 Millionen Einwohner Lettlands vorgehalten wurden. Der Plan zur Optimierung des Krankenhausnetzwerks lag längst vor, doch in Zeiten des Booms war er, wie jede unpopuläre Entscheidung, schwer durchsetzbar.149 Auch im Bildungswesen wurden mehrere hundert Schulen geschlossen, Lehrpersonal entlassen und die Löhne um 22% gekürzt.150 Aufgrund eines Rückgangs der Bevölkerung seit der Unabhängigkeit und einer sinkenden Geburtenrate hatte sich die Anzahl der Lehrer unproportional zur Anzahl der Schüler entwickelt. Die Zahl von sieben Schülern pro Lehrer war zwar vorbildlich, jedoch selbst für reichere, westeuropäische Staaten nicht finanzierbar, weshalb ein Personalabbau gerechtfertigt war. Die Weltbank kritisierte die Reduktion der Gehälter wegen ihrer negativen Auswirkungen in der Zukunft: Der Anreiz hochqualifizierter Personen, den Beruf des Lehrers auszuüben, schwindet, was, in Verbindung mit der geringeren Lehrerzahl, mit einer Verschlechterung der Ausbildung 146 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 13. Vgl. Weisbrot und Ray 2011, S. 3. 148 Siehe Abbildung 3. 149 Vgl. Aslund und Dombrovskis 2011, S. 1086. 150 Vgl. Darvas 2011a, S. 5. 147 19 einhergeht und langfristig dem Wachstum einer Volkswirtschaft schadet.151 Weiterhin wurden die staatliche finanzielle Unterstützung für Familien und die Renten um 10% gekürzt. Für Pensionäre, die noch einer Arbeit nachgingen, lag die Kürzung bei 70%. Diese Maßnahme wurde als extrem bedenklich erachtet, da bereits zuvor viele Rentner am Existenzminimum lebten.152 Mit der internen Abwertung war die Armut in Lettland gestiegen.153 Die „At-the-risk-of-poverty“-Rate lag in Lettland schon vor der Krise bei 20% der Bevölkerung und war während der Krise auf über 25% angestiegen.154 Die gesamtwirtschaftliche Reduktion der nominalen Stundenlöhne von 7.9% im Jahr 2009 und um 10.4% im Jahr 2010 zeigt, dass die privaten Lohnanpassungen im Vergleich zu den staatlichen relativ gering waren. Vergleicht man diese Reduktion mit dem Lohnzuwachs von 20.7% im Jahr 2007, so wurde dieser nicht einmal kompensiert.155156 Trotzdem stieg die Produktivität in der Industie und der Fertigung an. Eine Abwertung des realen Wechselkurses konnte hauptsächlich durch Entlassungen erreicht werden. Zudem kam es zu einer Umschichtung in der Produktion von nichthandelbaren zu handelbaren Güter. Der Anteil des Bausektors am BIP nahm von 2007 bis 2010 um 50% ab und der der Industrie, der Fertigung und der Landwirtschaft nahmen leicht zu.157 Auch die wöchentlichen Arbeitsstunden wurden im Durchschnitt um 4-5% gekürzt.158 Mithilfe dieser Maßnahmen konnte eine reale Abwertung erreicht werden. Diese wurde zudem von einer prozyklischen Fiskalpolitik, im Sinne von sinkenden Staatsausgaben (um 20%), unterstützt. Sie bewirkte eine Reduktion der aggregierten Nachfrage und trug zur Verschärfung der Rezession und einem Sinken des inländischen Preisniveaus bei.159 Mit dem Fallen der Preise sank die Inflationsrate und Lettland ging über in einen deflationären Zyklus.160 161 Gefährlich wird eine Deflation, wenn sie auf eine Aufschwungphase folgt, in der es zu einer hohen Verschuldung gekommen ist und ein Land keine eigene Geldpolitik besitzt, um die Deflation zu kontrollieren.162 Durch Deflation 151 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 13. Vgl. Aslund und Dombrovskis 2011, S. 1192. 153 Vgl. Darvas 2011a, S. 14. 154 Die „At-the-risk-of-poverty“-Rate gibt an, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, deren verfügbares Einkommen unter der Armutsgrenze liegt. Die Armutsgrenze liegt bei 60% des verfügbaren nationalen Medianeinkommens einer Bevölkerung nach Sozialtransfers. 155 Siehe Abbildung 11. 156 Vgl. Darvas 2011a, S. 5. 157 Vgl. ebd., S. 16. 158 Vgl. ebd., S. 15. 159 Vgl. Weisbrot und Ray 2011, S. 10. 160 Siehe Abbildung 4. 161 Getrieben von den Preisen und dem Bruttoinlandsprodukt, die sich in einem Teufelskreis gegenseitig nach unten ziehen, sinkt die Inflation immer weiter. 162 Vgl. Bofinger 2011, S. 582. 152 20 steigen die Schulden in realen Werten, wodurch es schwerer wird, Verbindlichkeiten zu begleichen. Dies könnte erneut eine destabilisierende Wirkung auf den Bankensektor und somit auch auf die gesamte Volkswirtschaft entfalten. Lettlands jährliche Veränderungsrate der Inflation entwickelte sich von 15.3% im Jahre 2008 zu -1.2% im Jahre 2010. Entgegen aller Befürchtungen konnte Lettland in den darauf folgenden Jahren 2011 und 2012 wieder positive Veränderungsraten verzeichnen, die sogar dem Konvergenzkriterium für Preisstabilität entsprachen.163 Die interne Abwertung brachte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Kosten mit sich. Die Arbeitslosenquote stieg von 2007 bis 2010 von 6.5% auf 19.8% an. Für unter 25-jährige lag sie im Jahre 2010 sogar bei 37.2%.164 Bezieht man jene, die unfreiwillig nur einer Teilzeitarbeit nachgehen und jene, die es bereits aufgegeben haben nach einer Arbeit zu suchen mit ein, so würde die gesamte Arbeitslosenquote schätzungsweise bei 30% liegen.165 Die Aussichtslosigkeit, im Inland einen Arbeitsplatz zu finden, trieb viele Bewohner in die Emigration in andere EU-Länder.166 Oft sahen junge, qualifizierte Arbeitnehmer in Lettland keine Zukunft mehr. Der der Emigrationswelle entsprechende Anstieg der Abhängigkeitsrate167 wirft die Frage auf, welche Folgen mit der demographischen Entwicklung in Lettland einhergehen werden. So ist es möglich, dass die Abwertung heute den Grundstein für Probleme des öffentlichen Haushalts in der Zukunft gelegt hat, wenn die erwerbstätige Bevölkerung in Lettland nicht mehr für genügend Staatseinnahmen zur Deckung der Ausgaben sorgen kann.168 Lettlands Leistungsbilanzsaldo konnte schon im Jahre 2009 einen Überschuss aufweisen. Dieser wurde hauptsächlich durch den starken Einbruch der lettischen Binnennachfrage bedingt.169 In Anbetracht der Finanzkrise und der sich immer verschlechternden Prognosen bezüglich des Wirtschaftswachstums, erhöhte sich die Sparneigung der Letten. Der Einbruch der Importe war dadurch, im Vergleich zum Einbruch der Exporte, viel stärker,170 sodass sich die Leistungsbilanz teilweise von alleine verbesserte.171 Bisher ist die Auswirkung der internen Abwertung auf die Exporte gering. Dies ist darauf zurück zu führen, dass sich die Weltwirtschaft noch nicht von dem Nachfrageeinbruch erholt hat. Die Länder der europäischen Union befinden sich nach wie vor in der Rezession. Zudem wirkt die von einigen Handelspartnern betriebene nominale Abwertung 163 Vgl. Aslund und Dombrovskis 2011, S. 843. Siehe Abbildung 7. 165 Vgl. Weisbrot und Ray 2011, S. 8. 166 Vgl. ebd., S. 9. 167 Die Anzahl der Rentner und Kinder im Verhältnis zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. 168 Vgl. Weisbrot und Ray 2010, S. 13. 169 Siehe Abbildung 2. 170 Siehe Abbildung 10. 171 Siehe Abbildung 12. 164 21 zunächst dämpfend auf Lettlands Erholung.172 Bedingt durch die interne Abwertung ist jedoch mit einer Annäherung an ein nachhaltiges, ausgeglichenes Leistungsbilanzsaldo zu rechnen. Auch zeigt sich anhand der sinkenden Risikoaufschläge auf lettische Staatsanleihen die Rückkehr des internationale Vertrauens.173 Obwohl sich der Schuldenstand Lettlands in Anbetracht der Krise stark erhöht hat, so ist die Schuldenlast nachwievor tragbar. Die interne Abwertung hat nicht nur die Produktivität gesteigert, sondern Lettland hat an finanzieller und wirtschaftlicher Stabilität gewonnen. 4.3 Voraussetzungen für den Erfolg der internen Abwertung Lettland gilt für viele als Musterbeispiel, wie ein Land sich erfolgreich aus einer Wirtschaftsund Finanzkrise befreien kann. Ob eine interne Abwertung als allgemeine Lösung für jedes Krisenland geeignet ist, bleibt fragwürdig. Lettlands Vergangenheit, die wirtschaftliche Lage und der vorhandene Wille, am eingeschlagenen Kurs der europäischen Integration festzuhalten, waren ausschlaggebend für den Erfolg der internen Abwertung. Beim Zerfall der Sowjetunion hatte Lettland bereits einmal einen extremen Einbruch des Bruttoinlandprodukts überstanden. Lettlands Bevölkerung kennt die Folgen eines Wirtschaftszusammenbruchs und hatte das Leid, das damit einhergeht, am eigenen Leib erfahren. Die Gewissheit, dass man ohne eigenen Aufwand auf Kosten Anderer nicht aus der Krise kommt, war stets vorhanden. Lettlands Vorgehen in den Jahren nach der Unabhängigkeit und auch nach der Finanzkrise von 1998 war vorbildlich. Lettland hatte stets unbeirrt gehandelt, ohne das Ziel einer westlichen Annäherung aus den Augen zu verlieren. Auch dieses Mal war das Abweichen von diesem Kurs keine Option, weder für die lettische Regierung noch für die Bevölkerung. Dies hätte nicht nur einen Vertrauensbruch mit sich gebracht, sondern all die Jahre der Anstrengungen wären umsonst gewesen. Auf keinen Fall wollte Lettland die eigene Souveränität aus den Händen geben und sich vorschreiben lassen nominal abzuwerten. Lieber zog Lettland es vor, noch härtere Maßnahmen zu Gunsten einer internen Abwertung vorzunehmen. Die Jahre der sowjetischen Unterdrückung lehrten Lettland die Bedeutung der nationalen Unabhängigkeit. Auch bekräftigte die Bereitschaft der Europäischen Union und der nördlichen Länder, Lettland finanziell zu unterstützen, das Land darin, dass es sich auf dem richtigen Weg befand. Die Tatsache, dass die lettische Regierung es schon einmal 172 Der Effekt des Sinkens des inländischen Preisniveaus wird durch den Effekt des Sinkens des ausländischen Preisniveaus teils kompensiert. 173 Siehe Abbildung 22. 22 fertig gebracht hatte, einschneidende Reformen durchzuführen und die Bevölkerung hierfür ein Bewusstsein besitzt, trug auch zur internationalen Zuversicht bezüglich der positiven Umsetzung einer internen Abwertung bei. Zudem erfüllt Lettland die wirtschaftlichen Voraussetzungen, die zum Erfolg der internen Abwertung beigetragen haben. Aufgrund der geringen Größe besitzt Lettland einen hohen Offenheitsgrad.174 175176 Auch laut der Internationalen Handelskammer liegt Lettland oberhalb der durchschnittlichen Offenheit weltweit.177 Dies bedeutet, dass die Exportentwicklung stark zum Wert des Bruttoinlandsprodukts beiträgt. Eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kann über diesen Weg erheblich die inländische Konjunktur beeinflussen und einem Land, wie Lettland, zum Aufschwung verhelfen. Die Tatsache, dass Lettland ein Einheitsstaat ist, hatte zu einer schnellen Umsetzung der nötigen Reformen geführt. Die Flexibilität der lettischen Wirtschaft und des Arbeitsmarkts hatten diese unterstützt.178 Nicht unerheblich war, dass sich in Lettland erst in den letzten Jahren vor der Krise die Löhne real verdoppelt hatten, sodass die extremen Lohnkürzungen als nicht so tiefgreifend empfunden wurden. Die Umgewöhnung an einen niedrigeren Lebensstandard ist in dem Fall deutlich einfacher, als wenn man bereits seit mehreren Jahren an ein höheres Einkommen gewöhnt ist. Noch vor der Krise im Jahre 2007 lag die Staatsverschuldung Lettlands bei nur 9% und die Finanzierungssalden des Staates waren lediglich leicht defizitär. Man konnte dem lettischen Staat im Vergleich zu anderen Krisenländern deswegen kaum vorwerfen, in den letzten Jahren verantwortungslos gewirtschaftet zu haben.179 180 Diese geringe Schuldenlast stimmte optimistisch, dass Lettland seine Schulden zurückzahlen würde. Zudem standen die Chancen gut, dass das Land auch nach der Krise über eine tragbare Schuldenlast verfügen und schnell wieder internationale Kreditwürdigkeit erlangen würde. 174 Siehe Abbildung 16. Zur Berechnung des Offenheitsgrad für das Jahr 2012 wurde die Hälfte der Summe aus Exporten und Importen durch das nominale Bruttoinlandsprodukt geteilt. 176 Vgl. Bofinger 2011, S. 538. 177 Vgl. Finger 2011, S. 17. 178 Vgl. Bolz und Polkowski 2010, S. 12. 179 Siehe Abbildung 8. 180 Siehe Abbildung 6. 175 23 5 Eine auf andere Krisenländer der Eurozone übertragbare Lösung? Auch der Euroraum, hier besonders die Eurokrisenländer181 , blieb von der globalen Finanzkrise und dem weltweiten Nachfrageeinbruch nicht verschont. Der zum Erliegen gekommene Interbankenhandel hatte die Krise nicht nur in Lettland verstärkt, sondern auch im Euroraum eine Reihe aufeinanderfolgender Krisen ausgelöst. Das gegenseitige Misstrauen der Banken löste eine Bankenkrise aus und das bestehende systemische Risiko, sowie der daraus resultierende potentielle Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems, konnte nur durch staatliche Risikoübernahmen verhindert werden.182 Der Sturz in die Rezession 2008/2009 konnte auch durch umfangreiche Konjunkturpakete (keynesianisch geprägt; expansive Fiskalpolitik) nicht vermieden werden.183 Die staatlichen Interventionen gingen einher mit sinkenden Staatseinnahmen, bedingt durch eine steigende Arbeitslosigkeit.184 Dies trug zu einem erhöhten Finanzierungsdefizit des Staates und einem Anstieg des Schuldenstands bei.185 Die bereits vor der Krise erhöhte Schuldenlast einiger Euroländer drohte langfristig nicht mehr tragbar zu sein.186 Doch nicht nur die globale Finanzkrise, sondern auch in der Vergangenheit liegende Fehlentwicklungen haben zur Instabilität innerhalb des Euroraums geführt. Trotz eindeutiger Differenzen in der Staatsverschuldung, kam es im Jahr 1999 mit der Einführung des Euro zu einer Zinskonvergenz.187188 Die Zinsspreads189 auf Staatsanleihen wurden kleiner.190 Über den Marktmechanismus stellten sich keine individuellen Risikoprämien auf jene Staatsanleihen ein.191 So wurde der Anreiz einer kostengünstigen Verschuldung geschaffen. Hinzu kam, dass der Euroraum von einer zentralen Geldpolitik geprägt ist. Diese wird von der „unabhängigen“ europäischen Zentralbank (EZB) betrieben, die als vorrangiges Ziel die Gewährleistung der Preisstabilität hat. Die einheitliche Zinspolitik, die eine durchschnittliche Inflationsrate von nahe bei, aber unter 181 Zu diesen gehören Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien (PIIGS) Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2008, S. 1-5. 183 Siehe Abbildung 17. 184 Siehe Abbildung 18. 185 Siehe Abbildung 20. 186 Siehe Abbildung 19. 187 Siehe Abbildung 21. 188 Vgl. Smeets 2012, S. 3-5. 189 Die Zinsspreads entsprechen der Differenz zwischen dem Zinssatz, den ein Land auf seine Staatsanleihen bezahlt und eines risikolosen Zinssatzes, wie der, der deutschen Staatsanleihen. 190 Vgl. Menkhoff 2011, S. 772-774. 191 Die in Art. 125 Abs. 1 AEUV festgelegte No-Bail-Out-Klausel war von Anfang an nicht glaubwürdig. 182 24 2% anstrebt, war zu expansiv für die Krisenländer des Euroraums.192 Hohe Inflation193 und niedrige Nominalzinsen hatten zu einer exzessiven Kreditvergabe an den privaten Sektor geführt.194 195 196 Somit war die Entwicklung ähnlich wie in Lettland. Die Kapitalzuflüsse wurden hauptsächlich konsumptiv und nicht investiv genutzt, sodass die Einnahmen aus rentablen Projekten fehlten.197 Produktivitätssteigernde Investitionen blieben aus. Auch hier war die Bauwirtschaft in einigen Krisenländern sehr dominant und machte einen erheblichen Teil des Bruttoinlandsprodukts aus. Vergleichbar mit Lettland, kam es in den Eurokrisenländern zu hohen Preis- und Lohnsteigerungen. Auch wenn diese nicht so exorbitant wie in Lettland waren, so trugen sie dennoch erheblich zu einer Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit bei.198199 Somit zeigen auch die Eurokrisenländer ein defizitäres Leistungsbilanzsaldo auf.200 Durch hohe Kapitalimporte aus dem Ausland war ein Leben „über den eigenen Verhältnissen“ möglich.201 Die hohen privaten Schulden, die sich durch das Platzen der Kreditblase in Staatsschulden verwandelten, tragen somit zur europäischen Staatsschuldenkrise bei. Ab Anfang 2010 war eine Refinanzierung für die Eurokrisenländer zu tragbaren Konditionen am Kapitalmarkt nicht mehr möglich. Bedingt durch Zweifel an der Kreditwürdigkeit der Krisenländer und an der Bereitschaft der anderen Mitgliedsländer, für diese einzuspringen, steigen seit Ende 2009 die Risikoaufschläge auf Staatsanleihen.202 Wie in Lettland sehen die Eurokrisenländer einer Liquiditätskrise entgegen. Es droht die Zahlungsunfähigkeit und somit der Staatsbankrott.203 Die Tatsache, dass der Euroraum ein Währungsraum ist, für den es nur einen Wechselkurs gibt, macht eine national betriebene Wechslkurspolitik unmöglich. Der Euro hat einen frei schwankenden Wechselkurs, der durch den Markt bestimmt wird. Nicht nur die Euroländer, sondern auch die EZB kann bei externen Schocks keine Anpassung mit Hilfe des nominalen Wechselkurses vornehmen. So entfällt die Wechselkurspolitik 192 Siehe Abbildung 15. Die divergierenden Inflationsraten wurden bedingt durch Wachstumsunterschiede zwischen den Mitgliedsländern und ein daraus resultierendes Auseinanderdriften der Preisentwicklung. (Vgl. Krämer 2010, S. 382) 194 Siehe Abbildung 13. 195 Siehe Abbildung 14. 196 i = r + π e ⇔ r = i − π e mit einer steigenden erwarteten Inflation sinken die Realzinsen und der Anreiz, sich zu verschulden entsteht. 197 Vgl. Smeets 2012, S. 6. 198 Die Reallöhne stiegen schneller als die Produktivität. 199 Vgl. Neubäumer 2011, S. 829. 200 Siehe Abbildung 12. 201 Vgl. Neubäumer 2011, S. 828. 202 Siehe Abbildung 22. 203 Vgl. Smeets 2012, S. 4-6. 193 25 als Anpassungsmechanismus für jedes Eurokrisenland.204 Im Gegensatz zu Lettland gab es für die Eurokrisenländer somit keine andere Möglichkeit als eine interne Abwertung.205 Die Erfolgsaussichten einer internen Abwertung sollen im Folgenden konkret am Beispiel von Irland und Griechenland erörtert werden. 5.1 Erfolgreiche interne Abwertung Irlands Die weltweite Finanzkrise stürzte auch Irland in die Krise. Binnen zwei Jahren, von 2008 bis 2009, brach die Wirtschaft um 10% ein. Davor, in den Jahren 2004 bis 2007, hatte Irland eine durchschnittliche jährliche Wachstumrate des BIP von über 5% aufgewiesen. Nach Jahren des wirtschaftlichen Booms fiel Irland in die Rezession. Der Verlauf der Wachstumsrate des BIP verlief ähnlich, wie in Lettland, nur nicht so drastisch. Schon im Jahre 2011 konnte auch Irland wieder positive Wachstumsraten aufzeigen.206 Mit dem Ausbruch der Finanzkrise stieg Irlands Schuldenstand überproportional an. Von 2007 bis 2009 war mehr als eine Verdoppelung der Schuldenlast zu beobachten.207 Dies wurde nicht nur dadurch bedingt, dass die irischen Banken knapp vor der Insolvenz standen und durch die staatliche Risikoübernahme „gerettet“ wurden, sondern auch durch das Platzen der irischen Immobilienblase.208 In Irland wurden vor der Krise private Kredite hauptsächlich für den Kauf von Immobilien aufgenommen. Der Anteil lag gegen Ende bei über 20% des BIP. Mit der Kreditverknappung schrumpften im Jahre 2009 die Bauinvestitionen um fast ein Drittel mit einer kontraktiven Wirkung auf das BIP.209 Auf steigende Staatsausgaben folgten, bedingt durch die steigende Arbeitslosenquote,210 sinkende Staatseinnahmen. Obwohl der irische Staat in den davor liegenden Jahren verantwortungsvoll gewirtschaftet hatte, stiegen die Risikoaufschläge auf irische Staatsanleihen Anfang 2010 an.211 Der irische Schuldenstand des Staates überschritt im Jahre 2009 mit einem Wert von 64.8% des BIP zum ersten mal die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegte Grenze für tragbare Schulden (60% des BIP).212 Die irische Haushaltspolitik war vorher somit vorbildlich gewesen. Die 204 Vgl. Baldwin und Wyplosz 2012, S. 455. Von der radikalen Möglichkeit aus dem Euroraum auszutreten, eine eigene Währung einzuführen und nominal abzuwerten, wird hier abgesehen. 206 Siehe Abbildung 17. 207 Siehe Abbildung 19. 208 Siehe Abbildung 27. 209 Vgl. Neubäumer 2011, S. 829. 210 Siehe Abbildung 23. 211 Siehe Abbildung 22. 212 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 257. 205 26 Finanzierungssalden des Staates lagen stets über der festgelegten Defizitquote von 3% des BIP.213 Die Löhne in Irland waren mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von über 4% gestiegen.214 Die Lohnzuwächse erfolgten hauptsächlich im Sektor für nichthandelbare Güter.215 Seit 2004 zeigt Irland ein immer größer werdendes Leistungsbilanzdefizit auf.216 Eine steigende Nachfrage nach ausländischen Gütern und eine zu hohe Dominanz im Sektor für nicht-handelbare Güter hatten zu dieser Entwicklung geführt. Im Fall von Irland ist dieses Defizit ausnahmsweise nicht bedingt durch einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit,217 denn der irische Sektor für handelbare Güter war schon vor der Krise wettbewerbsfähig.218 Somit waren die Entwicklungen vor der Krise in Irland ähnlich zu denen, in Lettland.219 Ab dem Moment, zu dem eine Refinanzierung über den Markt nicht mehr möglich war, musste auch Irland, wie Lettland, auf internationale finanzielle Hilfe zurückgreifen. Irland wurde von der sog. Troika 220 eine interne Abwertung unter strengen Sparauflagen zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin „aufgezwungen“.221 Es folgten eine radikale Kürzung der Staatsausgaben, Steuererhöhungen, strukturelle Reformen, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und eine Reduktion des Mindestlohns.222 Somit sollte auch in Irland die inländische Produktivität gesteigert bzw. das inländische Preisniveau durch nominale Lohnkürzungen gesenkt werden. Die reale Wechselkursanpassung erfolgte, wie auch in Lettland, hauptsächlich durch eine Zunahme der Arbeitslosigkeit und nicht durch eine Anpassung der Löhne im privaten Sektor.223 Von 2007 bis 2010 wurden im Bauwesen über die Hälfte (54%) der Arbeitnehmer entlassen, in der Industrie 19% und in der Landwirtschaft 23%.224 Die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote stieg auf fast 15% und die für unter 25-jährigen sogar auf 30% an.225 Die Reduktion der nominalen Stundenlöhne setzte erst im Jahre 2009 ein, mit Senkungen von 3.8%, gefolgt von 6.4% im Jahr 2010 und 3.3% im Jahr 2011.226 Noch erfolgreicher 213 Siehe Abbildung 20. Siehe Abbildung 24. 215 Vgl. Darvas 2011a, S. 5. 216 Siehe Abbildung 12. 217 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 259. 218 Vgl. Darvas 2011a, S. 5. 219 Vgl. ebd., S. 1. 220 EZB, EU, IMF 221 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 254. 222 Vgl. ebd., S. 261. 223 Vgl. Darvas 2011a, S. 1. 224 Vgl. ebd., S. 16. 225 Siehe Abbildung 23. 226 Siehe Abbildung 24. 214 27 als in Lettland, konnte eine Umschichtung von nicht-handelbaren auf handelbare Güter erfolgen. Der Anteil des Bauwesens am Gesamtoutput konnte im Jahre 2007 bis 2010 um über die Hälfte reduziert und der, der Industrie um fast 35% erhöht werden.227 Somit konnte Irland zügig seine Produktivität um 12% steigern und einen Anstieg der Exporte erreichen.228 Seit Ende 2011 sinken die Risikoaufschläge auf irische Staatsanleihen und auch die Leistungsbilanz ist seit der Einführung des Euros wieder positiv. 229 Irland befindet sich auf dem Weg aus der Krise. Die interne Abwertung war somit erfolgreich.230 Dies ist sicherlich auch dadurch bedingt, dass die Voraussetzungen hierfür vorlagen: Irland ist ein kleines Land mit einem hohen Offenheitsgrad.231 Dieser ist sogar höher als der in Lettland. Zudem hatte das Land vor der Krise tragbare öffentliche Finanzen aufgewiesen. Obwohl starke Lohnkürzungen durchgeführt wurden, war der Effekt über die Mengenanpassung ausschlaggebend für die Produktivitätssteigerung. Auch wenn die interne Abwertung wieder zum witschaftlichen Wachstum beigetragen hat, so sollten die langfristigen, sozialen Folgen dieser Strategie nicht unbeachtet bleiben. So verbleibt beispielsweise die Arbeitslosigkeit nach wie vor auf ihrem Höchststand. 5.2 Eine Lösung für Griechenland? Seit der Euroeinführung im Jahre 1999 lag Griechenlands durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des BIP fast konstant bei ca. 4%. Mit der globalen Finanzkrise fiel auch Griechenland in die Rezession und konnte seither keine positiven Wachstumsraten des BIPs aufweisen. Erst im Jahr 2014 rechnet die Europäische Kommission mit einem wirtschaftlichen Aufschwung von 0.6%. Verglichen mit Lettland war Griechenlands Wirtschaftseinbruch nicht derart drastisch. Erst 2011, als Lettland schon wieder positives Wachstum aufwies, erreicht dieser seinen Tiefpunkt.. Die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands trat im Vergleich zu Lettland auch später ein: Ein Anstieg der Zinsspreads war erst gegen Ende 2009, also mit einem Jahr Verzögerung, zu erkennen.232 Griechenlands Schuldenstand stieg im Jahr 2008 bis 2009 um fast 15% an. Im Vergleich zu Lettland und Irland war dieser Anstieg der Schuldenlast gering und doch war Griechenland das erste Euroland, das vor der Insolvenz stand. Dies ist auf Griechenlands 227 Vgl. Darvas 2011a, S. 16. Vgl. ebd., S. 20. 229 Siehe Abbildung 12. 230 Vgl. CESifo Group Munich 2012, S. 73. 231 Siehe Abbildung 16. 232 Siehe Abbildung 22. 228 28 gesamte wirtschaftliche Lage zurückzuführen. Schon vor der Krise wies Griechenland mit einem Schuldenstand von über 100% des BIPs die höchste Verschuldung im ganzen Euroraum auf.233 Die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Grenzen für den Schuldenstand und die staatliche Defizitquote wurden von Griechenland missachtet. Es wurde nicht nur nichts zur Reduktion der Schuldenlast unternommen, seit Einführung des Euro waren die Finanzierungssalden des Staates sogar durchweg defizitär.234 Es ist die Rede von einer „fiskalischen Verschwendung“, von unverantwortlichem Wirtschaften, welches als Grund für die Krise in Griechenland angesehen wird.235 Somit erfüllt Griechenland bereits eine Bedingung für eine erfolgreiche interne Abwertung nicht. Zudem besitzt Griechenland der internationalen Handelkammer zufolge, nur einen durchschnittlichen Offenheitsgrad.236 Im europäischen Vergleich und zumal im Verhältnis zu Lettland und Irland ist dieser sehr niedrig.237 Nichts desto trotz wurde auch Griechenland, nur unter der Bedingung, dass das Land eine interne Abwertung vornimmt, finanzielle Hilfe zugesprochen.238 Im Gegensatz zu Lettland und zu Irland, ware es politisch gesehen sehr schwer, eine erfolgreiche interne Abwertung durchzuführen bzw. eine Regierung zu finden, die diese Sparmaßnahmen und Reformen durchsetzen konnte. Griechenland befand sich in einer politischen Krise. Jegliche Austeritätspolitik stieß auf rege Kritik und führte zu negativen gesellschaftlichen Reaktionen in Form von Protesten und Demonstrationen. Ein Groll auf die politische Misswirtschaft in den Jahren vor der Krise und ein Missvertändnis der Bevölkerung, dafür die Zechte zahlen zu müssen, verstärkten sich. Dies hemmte den Anpassungsprozess über eine internen Abwertung bzw. struktureller und fiskalischer Reformen in gravierendem Maße.239 Die bisher erreichte minimale Abwertung erwies sich als sehr ineffizient und kontraproduktiv.240 Die mit einer internen Abwertung einhergehende wachstumshemmende Wirkung hat ihren Wendepunkt noch nicht erreicht. Die auf Ausgabenkürzungen fokussierte fiskalische Konsolidierung hat zu einer Verschärfung der Staatsschuldenkrise geführt. Durch das sinkende Bruttoinlandsprodukt hat sich die Schuldensstandsquote erneut erhöht.241 233 Siehe Abbildung 19. Siehe Abbildung 20. 235 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 257. 236 Vgl. Finger 2011, S. 17-18. 237 Siehe Abbildung 16. 238 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 264. 239 Vgl. International Monetary Fund 2013, S. 1. 240 Vgl. Armingeon und Baccaro 2012, S. 254. 241 Vgl. Horn u. a. 2012, S. 11. 234 29 Die nominalen Lohnstückkosten sind in Griechenland bisher sehr langsam gefallen. Im Jahr 2011 nur um 1.8% und in 2012 um 6.3%. Für 2013 und 2014 rechnet man mit weiteren Reduktionen. Im Vergleich dazu ist die Arbeitslosigkeit schneller gestiegen und hat im Jahr 2012 ihren bisherigen Höchststand von fast 25% erreicht. Die Arbeitslosigkeit bei unter 25-Jährigen liegt bei erschreckenden 55.3%. Die daraus folgenden lanfristigen gesellschaftlichen und sozialen Folgen sind verheerend.242 Die interne Abwertung wird somit nicht ausreichen, um Griechenland aus der Krise zu führen.243 Somit ist diese Startegie, auch bei einer erfolgreichen Durchsetzung, nicht für alle Eurokisenländer erfolgsversprechend. 6 Schlussfolgerung Heute, nachdem Lettland eine interne Abwertung hinter sich gebracht hat, stellt sich die Frage, ob derart radikale Maßnahmen mit hohen Opfern der Bevölkerung überhaupt vertretbar bzw. ob solch starke Einschnitte für heutige Generationen zur Verbesserung der Bedingungen zukünftiger Generationen gerechtfertigt waren. Die Lehre, die aus dem Vorgehen Lettlands gezogen werden kann, ist die, dass bei Existenz eines starken politischen Willens und einer breiten Unterstützung der Bevölkerung, eine Wirtschaftskrise auch ohne eigene Geldpolitik, allein mit finanzpolitischen Maßnahmen, überwunden werden kann.244 Lettland hat sich freiwillig für eine interne Abwertung entschieden. Nicht, weil diese Strategie als die erfolgsversprechendste angesehen wurde, sondern, weil Lettland zu hoch in Fremdwährung verschuldet war. Diese Entwicklung war durch die Wechselkursanbindung des Lats an den Euro zustande gekommen. Länder, die sich im WKMII befinden, haben weder den Euro als Währung, noch eine unabhängige Geldpolitik. Die Teilnahme am WKMII gilt als Bedingung, um später in den Euroraum eintreten zu können und doch wurden keine Rahmenbedingungen geschaffen, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Genau, wie beim Stabilitäts- und Wachstumspakt, dessen Glaubwürdigkeit von Anfang zweifelhaft war, wurden auch hier falsche Anreize geschaffen. Nichts geschah, um zu vermeiden, dass ein Land, das in einem extrem beschränkten Handlungsspielraum gefangen war, in eine derart aussichtslose Situation gerät. Anreize, zur Verhinderung einer Überbewertung der Währung und zur Überwachung der finanziellen Stabilität wurden nicht gesetzt. 242 Siehe Abbildung 28. Vgl. Ruparel 2012, S. 11. 244 Vgl. Goodhart und Lee 2012, S. 17. 243 30 Nach dem weltweit stärksten Wirtschaftseinbruch, kann Lettland wieder positive Wachstumsraten aufzeigen. Die interne Abwertung, die durch eine Reduktion der Nominallöhne erfolgen sollte, trat hauptsächlich durch Entlassungen ein. Entlassungen erweisen sich zwar als am effektivsten, wenn man einen Anstieg der Produktivität durch Kostensenkung anstrebt, sie sind jedoch aus sozialen Gesichtspunkten am bedenklichsten. Weiterhin muss der Zeitpunkt der Durchführung solcher radikalen Lohnkürzungen und Umstrukturierungen im öffentlichen Sektor kritisiert werden. Selbstverständlich war es richtig, den Staatsapparat zu optimieren und effizienter zu gestalten, aber ob dies erst zu Zeiten einer bestehenden Krise vorgenommen werden sollte, ist sehr fragwürdig. Die Politik hatte es in Zeiten des Booms verpasst, unpopuläre, aber notwendige Reformen durchzusetzen, um sich nicht der Missgunst der Wähler ausgesetzt zu sehen. Erst mit der aufkommenden Krise im Rücken, fühlten sich die Politiker sicher, längst überfällige Kürzungen und Umstrukturierungen durchzusetzen. Für die Bevölkerung bedeutete dies, während einer ohnehin negativen Entwicklung der Weltwirtschaft, weitere verheerende Einschnitte ertragen zu müssen. Somit trifft eine Schuld an dem zu späten Einsetzen von Reformen nicht nur die Politiker, sondern sicher auch die Wähler, die ohne den Druck der Krise für nachhaltigeres Wachstum nicht auf kurzfristige Vorteile verzichten wollten. Allgemein sollte eine Entwicklungsstrategie, die nur auf hohe Kapitalzuflüsse setzt, wie sie in vielen emerging markets betrieben wird, überdacht werden. Natürlich kann ein Land langfristig nur duch Investitionen produktiver werden und ein angemessenes wirtschaftliches Wachstum erzielen. Bei vielen Schwellenländern artet dies jedoch in ein unkontrolliertes Wachstum aus und führt, so wie in Lettland, zu einer Überhitzung der Wirtschaft, ohne nachhaltige Wettbewerbsvorteile für das Land zu generieren. Es stellt sich die Frage ob Lettlands interne Abwertung ein Vorbild für Krisenländer der Eurozone ist. Dabei wirft die Analyse von Lettlands interner Abwertung und Lettlands wirtschaftliche Erholung eher die Frage auf, ob diese überhaupt durch die interne Abwertung bedingt wurde. Man könnte argumentieren, dass Lettlands Leistungsbilanzdefizit sich nicht aufgrund steigender Exporte, bedingt durch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aufgelöst wurde, sondern vielmehr wegen eines Einbruchs der Importe, bedingt durch den inländischen Nachfragerückgang. Zudem wurden die Lohnkürzungen hauptsächlich im öffentlichen Sektor vorgenommen und nicht im privaten Sektor. Diese radikalen Kürzungen haben extrem kontraktiv auf die Wirtschaft gewirkt und keinen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit geleistet. Vielmehr haben sich dadurch die staatlichen Einnahmen verringert. Es herrscht auch die 31 Ansicht, dass Lettland erst wieder positive Zahlen aufweisen konnte, als es nicht mehr an der internen Abwertung festgehalten hat. Im Falle Griechenlands besteht die Gefahr, dass die hohe Arbeitslosigkeit von unter 25-Jährigen zu einem Generationenkonflikt führt. Wer in jungen Jahren zukunftslos ist, entwickelt einen Frust auf die älteren Generationen, denen zurecht die Schuld daran gegeben wird, nicht nachhaltig gewirtschaftet zu haben. Hieraus sinkt auch die Bereitschaft im Sinne von Generationenvertägen für die ältere Generation aufzukommen, was zu einer Zerreißprobe für die eigene Bevölkerung wird. Änlich ist eine hohe Jugendarbeitslosigkeit in Italien und Spanien zu beobachten. Die Verdrossenheit hat bisher noch nicht die westlichen Länder erreicht. Hoffnung besteht für die jungen, arbeitswilligen Menschen in der kurzen Frist nur bei Bereitschaft zur Auswanderung in noch nicht von der Krise heimgesuchte Länder Nordeuropas. Aus der Analyse lässt sich schlussfolgern, dass das Vorgehen in Lettland keine allgemeine Lösung darstellen kann. Der Erfolg in Lettland ist damit zu begründen, dass das Land auf einer anderen Stufe der Entwicklung stand, da es vor noch nicht langer Zeit seine Unabhängigkeit erlangt hat und die Bevölkerung Entbehrungen gewohnt und in Kauf zu nehmen bereit war. Der Erfolg in Irland war gegeben, da die Fehlentwicklung überwiegend darin bestand, dass zu sehr in den nicht-handelbaren Sektor investiert wurde und der handelbare Sektor an Bedeutung verloren hatte. Die verzweifelten Rettungsversuche Griechenlands erfolgen nicht auf Kosten derer, die für die Misere verantwortlich sind, sondern auf Kosten zukünftiger Generationen und langfristiger gesellschaftlicher Instabilität. Ob hier ein ähnlicher Erfolg eintreten wird, ist zu bezweifeln. 32 Literatur International Monetary Fund. 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Mai 2013 Fabienne Weber vi Anhang Abbildungen vii viii % Veränderung gegenüber dem Vorjahr −15 −10 −5 0 5 10 2000 Lettland 2002 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2008 Abbildung 1: Lettlands Bruttoinlandsprodukt (2000 - 2014) 2004 2010 Lettlands Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen 2000−2014 2012 2014 ix % Veränderung gegenüber dem Vorjahr −30 −20 −10 0 10 Lettland 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2010 Abbildung 2: Lettlands Binnennachfrage (2004 - 2014) 2008 Lettlands Binnennachfrage 2004 − 2014 2012 x % Veränderung gegenüber. dem Vorjahr −10 −8 −6 −4 −2 0 2 Lettland 2009 Jahre Quelle: Eurostat 2010 2011 Abbildung 3: Lettlands vierteljährige Bruttoinlandsprodukt (2007 - 2012) 2008 Lettlands vierteljähriges Bruttoinlandsprodukt 2012 xi Jährliche Veränderungsrate −5 0 5 10 15 2004 Lettland Jahre Quelle: Eurostat 2008 2010 Abbildung 4: Lettlands Harmonisierter Verbraucherpreisindex (2002 - 2013) 2006 Lettlands Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI) 2012 xii % Veränderung der betreffenden Periode verglichen mit dem vorhergehenden Jahr −40 −20 0 20 40 60 80 2002 Jahre Quelle: Eurostat 2006 2008 Abbildung 5: Lettlands Baugewerbe (2001 - 2012) 2004 Bruttolöhne im Baugewerbe Baukosten für Wohngebäude Bruttodaten Anzahl der Beschäftigten im Baugewerbe Lettlands Baugewerbe 2010 2012 Prozent des BIP 0 −2 −4 −6 −8 xiii 2002 −2.3 2004 −1 2005 2006 −0.5 Quelle: Eurostat 2007 −0.4 2008 −4.2 2009 −9.8 Abbildung 6: Lettlands Finanzierungssalden des Staates (2002 - 2012) 2003 −1.6 −0.4 Lettlands Finanzierungssalden des Staates 2002−2012 2010 −8.1 2011 −3.6 2012 −1.2 xiv % 5 10 15 20 25 30 35 40 Insgesamt Weniger als 25 Jahre 2004 Jahre Quelle: Eurostat 2008 Abbildung 7: Lettlands Arbeitslosenquote (2002 - 2012) 2006 Lettlands Arbeitslosenquote 2002−2012 2010 Prozent des BIP 50 40 30 20 10 0 xv 2004 15 2005 12.5 2007 9 Quelle: Eurostat 2008 2009 Abbildung 8: Lettlands Schuldenstand (2004 - 2012) 2006 10.7 19.8 36.9 2010 44.4 Lettlands Bruttoschuldenstand (konsolidiert) 2004−2012 2011 41.9 2012 40.7 xvi Millionen Euro 5 10 15 20 25 30 35 40 2004 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2008 2010 Abbildung 9: Lettlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt (2002 - 2012) Verbindlichkeiten Forderungen Lettlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt 2002−2012 (Auslandsvermögensstatus insgesamt) xvii % Veränderung gegenüber dem Vorjahr −30 −20 −10 0 10 20 Exporte Importe 2008 Jahre Quelle: Eurostat 2010 2012 Abbildung 10: Lettlands Waren- und Dienstleistungsexporte/-importe (2004 - 2014) 2006 Lettlands Waren− und Dienstleistungs− Exporte/Importe 2004−2014 % Veränderung gegenüber dem Vorjahr 30 20 10 0 −10 xviii 2001 −1.6 2002 −1.3 2004 6.4 2005 2006 16.4 2008 Quelle: Eurostat 2007 20.7 2009 −7.9 2010 −10.4 Abbildung 11: Lettlands nominale Lohnstückkosten (2001 - 2014) 2003 5.2 15.3 27.7 Lettlands nominale Lohnstückkosten 2011 2.1 2012 2.8 2013 0.8 2014 1.4 xix % des BIP −25 −20 −15 −10 −5 0 5 10 2002 2004 2006 Jahre Quelle: IWF 2008 2010 Abbildung 12: Lettlands, Griechenlands und Irlands Leistungsbilanz (2002 - 2013) Lettland Griechenland Irland Leistungsbilanz 2012 xx Prozent pro Jahr 0 5 10 15 20 25 30 Deutschland Spanien Griechenland Irland Portugal Lettland 2008 Jahre Quelle: EZB 2010 Abbildung 13: Langfristige Zinsen (01.2004 - 03.2013) 2006 Langfristige Zinsen 01.2004−03.2013 2012 xxi in % des BIP −10 0 10 20 30 40 2004 Jahre Quelle: Eurostat − konsolidiert 2006 2008 Abbildung 14: Kreditfluss des privaten Sektors ausgewählter EU-Mitgliedsländer (2002 - 2011) Deutschland Irland Griechenland Spanien Italien Lettland Portugal Kreditfluss des privaten Sektors 2010 xxii Veränderungsrate −2 0 2 4 2002 2004 Jahre Quelle: Eurostat 2006 2008 2010 Abbildung 15: Harmonisierter Verbraucherpreisindex ausgewählter Euroländer (1999 - 2012) 2000 Euroraum Deutschland Irland Griechenland Spanien Italien Portugal Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI) 2012 % 100 80 60 40 20 0 xxiii Frankreich 2012 Italien Portugal Quelle: Eurostat − eigene Berechnung Spanien Deutschland Abbildung 16: Offenheitsgrad ausgewählter Länder im Jahre 2012 Griechenland Offenheitsgrad 2012 Lettland Irland xxiv % Veränderung gegenüber dem Vorjahr −15 −10 −5 0 5 10 2000 2002 2004 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2008 2010 Abbildung 17: Bruttoinlandsprodukt ausgewählter EU-Mitgliedsländer (2000 - 2014) Euroraum Deutschland Irland Griechenland Spanien Lettland Portugal Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen 2000−2014 2012 2014 % 25 20 15 10 5 0 xxv 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Deutschland Irland Quelle: Eurostat Griechenland Spanien Italien Abbildung 18: Arbeitslosenquote ausgewählter Mitgliedsländer der Eurozone (2007 - 2012) Euroraum Arbeitslosenquote 2007−2012 Portugal Prozent des BIP 150 100 50 0 xxvi 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Deutschland Griechenland Quelle: Eurostat Spanien Italien Abbildung 19: Schuldenstand ausgewählter Krisenländer (2007 - 2012) Irland Bruttoschuldenstand des Staates (konsolidiert) 2007−2012 Lettland Portugal xxvii Prozent des BIP −30 −25 −20 −15 −10 −5 0 2004 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2008 2010 Abbildung 20: Finanzierungssalden des Staates ausgewählter EU-Mitgliedsländer (2002 - 2012) Euroraum Deutschland Irland Griechenland Spanien Lettland Portugal Finanzierungssalden des Staates 2002−2012 xxviii Renditen (relativ zu Deutschland) 0 5 10 15 20 25 2005 Jahre Quelle: Eurostat − Konvergenzkriterien der WWU für Anleihenrenditen − eigene Berechnung 2000 2010 Abbildung 21: Renditen 10-jähriger Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen (1995 - 2013) 1995 Deutschland Irland Griechenland Spanien Frankreich Portugal Renditen auf Staatsanleihen der Euro−Krisenländer mit zehnjähriger Laufzeit (01.1995−03.2013) relativ zu deutschen Staatsanleihen xxix Renditen (relativ zu Deutschland) 0 5 10 15 20 25 2006 2010 Jahre Quelle: Eurostat − Konvergenzkriterien der WWU für Anleihenrenditen − eigene Berechnung 2008 2012 Abbildung 22: Renditen 10-jähriger Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen (2004 - 2013) Deutschland Irland Griechenland Spanien Lettland Portugal Renditen 10−jähriger Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen (2004−2013) xxx % 5 10 15 20 25 30 Insgesamt Weniger als 25 Jahre 2004 Jahre Quelle: Eurostat 2008 Abbildung 23: Irlands Arbeitslosenquote (2002 - 2012) 2006 Irlands Arbeitslosenquote 2002−2012 2010 % Veränderung gegenüber dem Vorjahr 6 4 2 0 −2 −4 −6 xxxi 2001 5.6 2002 1.3 2004 4.2 2005 4.6 2006 3.6 2008 Quelle: Eurostat 2007 4 2009 −3.8 2010 −6.4 Abbildung 24: Irlands nominale Lohnstückkosten (2001 - 2014) 2003 4.4 6.4 Irlands nominale Lohnstückkosten 2011 −3.3 2012 0.2 2013 −0.6 2014 −1 xxxii Millionen Euro 1000 1500 2000 2500 3000 2004 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2008 2010 Abbildung 25: Irlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt (2002 - 2012) Verbindlichkeiten Forderungen Irlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt 2002−2012 (Auslandsvermögensstatus insgesamt) xxxiii % Veränderung gegenüber dem Vorjahr −10 −5 0 5 Exporte Importe 2008 Jahre Quelle: Eurostat 2010 Abbildung 26: Irlands Waren- und Dienstleistungsexporte/-importe (2004 - 2014) 2006 Irlands Waren− und Dienstleistungs− Exporte/Importe 2004−2014 2012 xxxiv % Veränderung der betreffenden Periode verglichen mit dem vorhergehenden Jahr −40 −30 −20 −10 0 10 20 2002 Jahre Quelle: Eurostat 2006 2008 Abbildung 27: Irlands Baugewerbe (2001 - 2012) 2004 Bruttolöhne im Baugewerbe Baukosten für Wohngebäude Bruttodaten Anzahl der Beschäftigten im Baugewerbe Irlands Baugewerbe 2010 2012 xxxv % 10 20 30 40 50 60 Insgesamt Weniger als 25 Jahre 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2008 Abbildung 28: Griechenlands Arbeitslosenquote (2002 - 2012) 2004 Griechenlands Arbeitslosenquote 2002−2012 2010 % Veränderung gegenüber dem Vorjahr 10 5 0 −5 xxxvi 2001 −0.3 2002 10.2 2004 2005 2006 −1.1 2008 Quelle: Eurostat 2007 2.6 5.1 2009 2010 −0.1 2011 −1.8 Abbildung 29: Griechenlands nominale Lohnstückkosten (2001 - 2014) 2003 1.5 2.2 4.4 6.2 Griechenlands nominale Lohnstückkosten 2012 −6.2 2013 −6.3 2014 −2.1 xxxvii % Veränderung gegenüber dem Vorjahr −20 −10 0 10 2006 2008 Jahre Quelle: Eurostat 2010 2012 Abbildung 30: Griechenlands Waren- und Dienstleistungsexporte/-importe (2004 - 2014) Exporte Importe Griechenlands Waren− und Dienstleistungs− Exporte/Importe im Vergleich 2004−2014 xxxviii Millionen Euro 100 200 300 400 500 2006 Jahre Quelle: Eurostat 2008 2010 Abbildung 31: Griechenlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt (2003 - 2012) 2004 Verbindlichkeiten Forderungen Griechenlands Forderungen und Verbindlichkeiten ggü. dem Rest der Welt 2003−2012 (Auslandsvermögensstatus insgesamt)