Das TV-Duell Mappus gegen Schmid – Wahrnehmung und Wirkungen Marko Bachl, Frank Brettschneider Universität Hohenheim Zusammenfassung Der Beitrag untersucht die Wahrnehmung und Wirkung des TV-Duells zwischen Stefan Mappus und Nils Schmid, das im Vorfeld der Landtagswahl ausgetragen wurde. Dazu präsentieren wir Ergebnisse einer Rezeptionsstudie, die eine Pre-Post-Befragung mit einer rezeptionsbegleitenden Erfassung der Kandidatenbeurteilung kombiniert. Wir nehmen an, dass 1) das TV-Duell als direkte Auseinandersetzung der Spitzenkandidaten vor allem die Bewertung der Kandidaten beeinflusst; 2) sich die in der Debatte diskutierten Themen in ihrer Wichtigkeit und in ihrer Passung zu den Kandidaten unterscheiden; 3) daher ein gutes Abschneiden in den für das Publikum relevanten Themenfeldern erforderlich ist, um die eigenen Anhänger zu mobilisieren und die unentschiedenen Zuschauer zu überzeugen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen stellen wir zuerst dar, in welchen Themenfeldern die Kandidaten die größte Zustimmung des Publikums erhielten. Anschließend zeigen wir, welchen Effekt die Duellrezeption auf die Bewertung der Spitzenkandidaten und schließlich auch auf die Wahlabsicht der Zuschauer hatte. Unsere Analysen weisen darauf hin, dass Ministerpräsident Stefan Mappus vom TV-Duell mehr profitieren konnte, obwohl auch Herausforderer Nils Schmid über die gesamte Debatte hinweg ähnlich viele erfolgreiche Aussagen tätigte. Wir führen dies darauf zurück, dass Mappus in den entscheidenden Phasen des Duells von den Zuschauern besser bewertet wurde. Insbesondere gelang es ihm, die ihm zugeschriebene Kompetenz in der als wichtiges Themenfeld identifizierten Bildungspolitik zu verbessern und diesen Aspekt stärker mit der Gesamtbewertung seiner Person zu verknüpfen. Die CDU konnte dadurch ihre eigenen Anhänger stärker mobilisieren und einige zusätzliche Stimmen gewinnen. Als problematisch erwies sich das Fehlen des Spitzenkandidaten der Grünen und späteren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Abschließend diskutieren wir unsere Befunde im größeren Kontext des Landtagswahlkampfs 2011 und zukünftiger bildungspolitischer Kontroversen. 1. Einleitung und konzeptionelle Überlegungen TV-Duelle der aussichtsreichsten Kandidaten um politische Spitzenämter haben sich seit den ersten ‚Kanzlerduellen’ zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber vor der Bundestagswahl 2002 als zentrale Ereignisse des Medienwahlkampfs etabliert. Sie zählen zu den reichweitenstärksten und medial meistdiskutierten Ereignissen der Wahlkämpfe (vgl. Zubayr/Geese/Gerhard 2009). In der Folge hat sich auch die politische Kommunikationsforschung intensiv mit der Wahrnehmung und den Wirkungen der Kanzlerduelle beschäftigt (vgl. z.B. Faas u.a. 2009, Maurer/Reinemann 2003, Maurer u.a. 2007). In der Landespolitik debütierten die Fernsehdebatten bereits 1997 mit einem Duell zwischen Henning Voscherau und Ole von Beust vor der Hamburger Bürgerschaftswahl. In Baden-Württemberg trat die SPD-Spitzenkandidatin Ute Vogt gegen die Amtsinhaber Erwin Teufel (2000) und Günther Oettinger (2006) an. Die Fernsehdebatten auf Landesebene erreichen regelmäßig einen bedeutsamen Anteil der Bevölkerung, auch wenn sie nicht ganz an die Spitzenwerte der Kanzlerduelle herankommen. So verfolgten jeweils etwa eine halbe Million Zuschauer die ersten beiden TV-Duelle in Baden-Württemberg (vgl. Vögele/Brettschneider/Bachl 2012). Während die Kanzlerduelle seit 2002 intensiv erforscht wurden, liegen bislang keine Erkenntnisse zur Wahrnehmung und Wirkung von TV-Duellen vor Landtagswahlen vor. Dies ist nicht nur angesichts der direkten Reichweite dieser Debatten in der Bevölkerung bedauerlich. Auch aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive blieb damit eine wertvolle Gelegenheit ungenutzt: Denn in den Fernsehdebatten treffen in einem beschränkten Zeitraum die wichtigsten Akteure der Landespolitik aufeinander, um die wichtigsten Themen des Wahlkampfs direkt vor den Augen der Zuschauer zu diskutieren. Sie dienen der politischen Kommunikationsforschung damit als „Wahlkämpfe im Miniaturformat“ (Faas/Maier 2004, S. 56), deren Wahrnehmung und Wirkungen in vergleichsweise kontrollierten Untersuchungsdesigns erfasst werden können und auch Rückschlüsse auf die Wahlkampfkommunikation jenseits des eigentlichen TVEreignisses erlauben. Besonders für die Erforschung der kommunikationswissenschaftlich bisher weitgehend vernachlässigten politischen Kommunikation in Landtagswahlkämpfen ergibt sich hier ein vielversprechender Ansatzpunkt. Vor diesem Hintergrund haben wir eine umfangreiche Rezeptions- und Wirkungsstudie des TV-Duells zwischen Ministerpräsident Stefan Mappus und SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid vor der baden-württembergischen Landtagswahl 2011 durchgeführt.1 Knapp 500.000 Zuschauer verfolgten das am 16. März vom SWR-Fernsehen veranstaltete und live übertragene Duell.2 Ihm waren Diskussionen über die Frage vorausgegangen, wer überhaupt miteinander diskutieren sollte. Angesichts ihrer hervorragenden Umfragewerte forderten die Grünen in einem offenen Brief an den SWR eine Beteiligung ihres Spitzenkandidaten, Winfried Kretschmann. Das Angebot der CDU, zwei Duelle auszurichten – eines zwischen Mappus und Schmid, eines zwischen Mappus und Kretschmann –, wurde vom SWR abgelehnt, da dies den Wettbewerb zugunsten von Mappus verzerrt hätte. Der SWR nannte als Kriterium für die Auswahl der Duell-Teilnehmer Mappus und Schmid die Stimmenzahl ihrer Parteien bei der letzten Landtagswahl (vgl. Vögele 2012). Mit der Nicht-Berücksichtigung von Kretschmann fehlte, wie die Landtagswahl am 27. März zeigen würde, der zukünftige Ministerpräsident in der Debatte. Trotzdem wurde das Medienereignis mit Spannung erwartet, da erstmals seit langer Zeit eine Regierungsmehrheit ohne die CDU möglich erschien. Zudem hatten Stuttgart 21 und die Folgen der Reaktorkatastrophe in Japan dem Wahlkampf eine 1 Die Studie wurde in Kooperation mit Simon Ottler von der DHBW Ravensburg durchgeführt und von der Fritz Thyssen-Stiftung mit einer Sachmittelförderung unterstützt. Bei beiden möchten wir uns für die Zusammenarbeit und Unterstützung bedanken. 2 Das Duell wurde vom SWR Fernsehen BW in Baden-Württemberg veranstaltet und ausgestrahlt. Zeitgleich fand im SWR Fernsehen RP das TV-Duell zwischen Kurt Beck und Julia Klöckner im Vorfeld der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz statt. Wegen dieses direkten Konkurrenzprogramms im zweiten SWR-Fernsehprogramm fiel die absolute Zuschauerzahl etwas geringer aus als bei den vorangegangenen TV-Duellen in Baden-Württemberg. besondere Dynamik verliehen, und auch bei anderen Themen waren klare Konfliktlinien zwischen den politischen Lagern erkennbar (vgl. Vögele 2012). TV-Duelle können aus unterschiedlichsten Perspektiven untersucht werden (vgl. zu den Kanzlerduellen z.B. Maier/Faas 2011, Maurer/Reinemann 2003, Maurer u.a. 2007; für verschiedene Perspektiven auf das hier vorliegende Duell Bachl/Brettschneider/Ottler 2012). In diesem Beitrag konzentrieren wir uns auf die Bewertung der Spitzenkandidaten vor, während und nach der Debatte. Dabei nehmen wir eine am Themenmanagement in Wahlkämpfen orientierte analytische Perspektive ein. Abschließend werfen wir auch einen Blick auf Veränderungen der Wahlabsicht als letztendlich entscheidende Handlungsintention. Spitzenkandidaten in Medienwahlkämpfen, Landtagswahlkämpfen und TV-Duellen Spitzenkandidaten fungieren in Medienwahlkämpfen als wichtige Repräsentanten ihrer Parteien. Sie verleihen den politischen Programmen Gesicht und Stimme und erfüllen so das Bedürfnis der Massenmedien nach einer personalisierten Darstellungsform von Politik (vgl. Brettschneider 1998). Dies gilt insbesondere für die Landespolitik, weil dort die Spitzenkandidaten oft die einzigen Politiker sind, die ein größerer Anteil der Bevölkerung kennt. Außerdem ist die Frage, wer als Ministerpräsident die Rolle des ‚Landesvaters’ bzw. der ‚Landesmutter’ einnehmen soll, für die Wähler wichtig (vgl. Völkl 2009). Auch in der Wahlgeschichte Baden-Württembergs lässt sich die Bedeutung der Spitzenkandidaten und der populären Ministerpräsidenten zeigen. Prägend waren vor allem der spätere Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger und die „konkurrenzlose Persönlichkeit“ (Schwarz 2004, S. 237) Hans Filbinger. Später konnte Lothar Späth erfolgreich in die Rolle des beliebten Landesvaters schlüpfen (vgl. Thaidigsmann 2008). Auch der in jüngerer Vergangenheit erfolgreichste Wahlkampf der SPD im Jahr 2001 ist eng mit SPD-Spitzenkandidatin Ute Vogt und CDUAmtsinhaber Erwin Teufel verknüpft (vgl. Gabriel 2002). Bei der darauf folgenden Landtagswahl beurteilten die Wähler Herausforderin Ute Vogt im Vergleich zu Amtsinhaber Günther Oettinger allerdings weniger gut, der SPD gelang es nicht, an das Ergebnis von 2001 anzuknüpfen (vgl. Gabriel/Völkl 2007). Aus Sicht der wahlkampfführenden Parteien sind TV-Duelle wichtige Bühnen, auf denen sie ihre Kandidaten positionieren und durch die Kandidaten ihre politischen Botschaften verbreiten. Für die Wähler stellen die Debatten eine komfortable Möglichkeit dar, sich innerhalb kurzer Zeit ein Bild von den Spitzenkandidaten und ihren politischen Vorstellungen zu machen. Der akademischen Forschung bieten TV-Duelle eine besonders gute Gelegenheit, die Reaktionen des Publikums auf die Spitzenkandidaten zu untersuchen. Entsprechend liegen zur Wahrnehmung der Kandidaten während der Debatten und dem Einfluss der Duelle auf die Kandidatenbewertung bereits einige empirische Befunde vor. Hinsichtlich der Wahrnehmung der Kandidaten während der Debatten zeigen Studien zu den Kanzlerduellen, dass Zuschauer die Kandidatenauftritte durch ihre „parteipolitische Brille“ (Maurer/Reinemann 2007, S. 232) verfolgen: Sie bewerten den Debattenauftritt ‚ihres‘ Kandidaten durchweg positiver (vgl. Faas/Maier 2004, Faas u.a. 2009, Maurer/Reinemann 2003, Reinemann/Maurer 2007). Die Voreinstellungen der Zuschauer determinieren aber keinesfalls die gesamte Bewertung der Kandidaten während der Debatte. Vielmehr hängt die Zustimmung des Publikums auch von den in der Debatte geäußerten Botschaften ab. In diesem Beitrag werden wir zeigen, welche Aussagen der Kandidaten besonders gut beim Publikum ankamen. Als Erklärungsansatz hierfür wählen wir die Passung der themenspezifischen Voreinstellungen des Publikums zu den von den Kandidaten geäußerten Positionen. Die vorliegenden Studien kommen darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass TV-Duelle das Potential haben, politische Kognitionen, Einstellungen und Verhaltensabsichten zu verändern. Die stärksten Effekte finden sich – wie bei einem Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten zu erwarten – bei der Bewertung der Kandidaten (vgl. Maier 2007, Maier/Faas 2003, 2004, Maurer/Reinemann 2003). Da der Eindruck, den die Zuschauer von den Spitzenkandidaten haben, eine relevante Größe zur Erklärung des Wählerverhaltens ist (vgl. Brettschneider 2002), der besonders in Landtagswahlkämpfen eine große Bedeutung zukommt (vgl. Völkl 2009), fokussieren wir unsere Analyse auf Veränderung der Bewertung von Stefan Mappus und Nils Schmid durch das TV-Duell. Dabei bieten wir wiederum die Veränderung einer themenspezifischen Kompetenzwahrnehmung als Erklärung an. Eine Themenperspektive auf Wahlkämpfe und TV-Duelle Die Gesamtbewertung eines Kandidaten setzt sich aus zahlreichen Einzeleindrücken zusammen. Dazu zählen die wahrgenommene Themenkompetenz in verschiedenen Politikfeldern, aber auch die Dimensionen Integrität, Führungsqualität und Persönliches (vgl. Brettschneider 2002). Wenn sich die Wählerinnen und Wähler ein Gesamturteil über einen Kandidaten bilden, verrechnen sie aber nicht alle Eindrücke gleichwertig miteinander, sondern berücksichtigen diejenigen Einzelurteile stärker, die ihnen besonders wichtig erscheinen oder die ihnen aus anderen Gründen sehr präsent sind (vgl. Zaller 1992). Eine bedeutende Rolle in der Zuweisung dieser Prioritäten haben die Massenmedien inne: Wenn über ein bestimmtes Thema ausführlich berichtet wird, so ist es den Wählern wahrscheinlicher präsent, wird für wichtiger erachtet und in der Folge stärker zur Urteilsbildung über einen Kandidaten herangezogen. Findet dagegen ein Thema in der Berichterstattung keine Beachtung, so ist es häufig auch der Bevölkerung kaum präsent und für die Bewertung der Kandidaten unwichtig – dieser Mechanismus wird als Priming-Effekt der Massenmedien bezeichnet (vgl. Iyengar 1992, Iyengar/Kinder 1987). Zu den entscheidenden Aufgaben der Wahlkampfführung zählt daher ein erfolgreiches Themenmanagement: Themen, bei denen die eigene Partei bzw. der eigene Kandidat als kompetenter gilt, müssen in der öffentlichen Diskussion präsent gemacht werden (AgendaSetting). Themen, bei denen der politische Gegner Vorteile hat, müssen dethematisiert werden (Agenda-Cutting). Schließlich gilt es, die Themenagenda ständig zu analysieren, um bestmöglich auf die Themen reagieren zu können, deren Aufmerksamkeitskarrieren außerhalb der eigenen Kontrolle liegen (Agenda-Surfing) (vgl. Brettschneider 2005a, 2005b, Hinrichs 2002). Die Logik des Themenmanagements können wir für die Analyse des TV-Duells nutzbar machen: Erstens müssen wir berücksichtigen, dass nicht alle Themenbereiche des Duells die gleiche Relevanz für die Zuschauer haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass einige der im Duell diskutierten Themen für das Publikum besonders wichtig sind. Für den Erfolg der Kandidaten ist es daher von Bedeutung, in diesen Debattenabschnitten als kompetenter als der Gegenkandidat wahrgenommen zu werden. Zweitens müssen die Kandidaten versuchen, Themen, bei denen sie bzw. ihre Partei bereits vor dem Duell als besonders kompetent gelten, in der Debatte zu betonen und damit bei den Zuschauern präsenter zu machen. Da die Struktur einer Fernsehdebatte in weiten Teilen von den Moderatoren vorgegeben wird, sind die Möglichkeiten der Kandidaten, ein bestimmtes Thema durch eine ausführlichere und/oder wiederholte Ansprache zu betonen, beschränkt. Sie können allerdings versuchen, z.B. durch eine durchdachte Rhetorik oder zugespitzte Botschaften, die Einprägsamkeit ihrer wichtigsten Botschaften zu steigern. Im Folgenden wollen wir nach dieser Analyselogik die Ausgangslage vor der Debatte zwischen Mappus und Schmid beschreiben. Welche Themen für die Wähler in BadenWürttemberg besonders wichtig waren, können wir aus repräsentativen Umfragen entnehmen. Laut einer Befragung von Infratest dimap (2011), die kurz vor dem TV-Duell stattfand, waren dies Schul- und Bildungspolitik, Energie- und Umweltpolitik sowie Wirtschaftspolitik.3 Die Frage, bei welchen Themenkomplexen einer der Kandidaten in der Wahrnehmung der Wähler einen Kompetenzvorsprung hatte, können wir zum einen mit Hilfe des Konzepts des „Issue 3 Die Themenschwerpunkte weichen im Vergleich zu den von Roth in diesem Band präsentierten wichtigsten Themen ab, da Infratest dimap (2011) die Themenwichtigkeit im Vergleich zur Forschungsgruppe Wahlen e.V. durch geschlossene Fragen mit Antwortvorgaben erfasste. Die Einschätzung der Wichtigkeit vorgegebener Themen eignet sich für unsere Analysen besser, da auch im TV-Duell dem Publikum die Positionen der Kandidaten zu (von der Sendungsredaktion bzw. den Moderatoren) vorgegebenen Themen präsentiert wurden. Ownership“ (Petrocik 1996, S. 828) klären. Diesem Ansatz zufolge gelten einzelne Parteien in der Wahrnehmung der Wähler bei bestimmten Themen traditionell als Kompetenzführer. Bei diesen Kernthemen ist die Übereinstimmung der Positionen von Parteien und ihren eigenen Anhängern sehr groß. Auch Wähler, die keine oder nur schwache Parteibindungen aufweisen, und teilweise sogar Anhänger anderer Parteien, stimmen den Positionen des Issue Owner häufiger zu. Übertragen wir das Konzept des Issue Ownership auf die Rezeption des TV-Duells (vgl. Faas/Maier 2004), so können wir davon ausgehen, dass Mappus und Schmid in den Themenbereichen besser bewertet werden, in denen ihren Parteien die Kernkompetenz zugesprochen wird. In diesen Teilen der Debatten sollten sie ihre Anhänger besonders erfolgreich mobilisieren und auch Erfolge bei den Unentschiedenen erzielen können. Die SPD besetzt traditionell die Themen der sozialen Gerechtigkeit und des Einsetzens für die Belange der ‚kleinen Leute’ (vgl. Franzmann 2006, S. O-16). So lag Schmid im direkten Vergleich mit Mappus bei der Frage, welcher Kandidat sich stärker für soziale Gerechtigkeit einsetzt, klar vorne (vgl. Infratest dimap 2011). In den Diskussionen zu diesen Themen sollte SPD-Spitzenkandidat Schmid einen Vorteil haben und daher versuchen, sie besonders zu betonen. Die CDU setzt gemeinhin auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik als wichtiges Thema in Wahlkämpfen (vgl. Franzmann 2006, S. O-16). Auch Mappus wurde im Politikfeld Wirtschaft eine größere Kompetenz zugeschrieben (vgl. Infratest dimap 2011). In diesem Themenfeld sollte er demnach im Duell häufiger punkten können und einen Schwerpunkt seiner Argumentation setzen. Welche Themen als Kernkompetenzen der Parteien gelten, ist in der Regel längerfristig stabil (vgl. Petrocik 1996). Zusätzlich kann es jedoch durch aktuelle Ereignisse zu eher kurzfristigen Verschiebungen in der Kompetenzzuschreibung kommen. Dies war vor der Landtagswahl in der Frage einer weiteren Atomkraftnutzung der Fall. Ausgelöst durch die Atom-Katastrophe in Fukushima favorisierten große Teile der Bevölkerung einen Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte jedoch unter Mitwirkung der CDU-Ministerpräsidenten erst kurz zuvor eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten beschlossen. Da kein Vertreter der Grünen, die in diesem Themenfeld klarer Kompetenzführer waren (vgl. Forschungsgruppe Wahlen 2011)4, am Duell teilnahm, können wir davon ausgehen, dass das Thema Energiepolitik ein Gewinnerthema für Schmid als Repräsentant des rot-grünen Lagers sein würde. Bei einem weiteren zentralen Thema, der Bildungs- und Schulpolitik, lagen die Parteien von Mappus und Schmid in etwa gleich auf: 27 Prozent schrieben der CDU, 32 Prozent der SPD die größte Problemlösekompetenz in diesem Feld zu (vgl. Forschungsgruppe Wahlen 2011). Aus Perspektive des Themenmanagements lässt sich die Ausgangslage vor der Debatte also wie folgt zusammenfassen: Von den drei aus Sicht der Wähler wichtigsten Themen versprach jeweils eines einem der Kandidaten einen Vorteil: die Energie- und Umweltpolitik dem SPDKandidaten Schmid als Vertreter des rot-grünen Lagers; die Wirtschafts- und Haushaltspolitik dem CDU-Kandidaten Mappus als Vertreter des traditionellen Issue Owner. Bei diesen Themen würde es vor allem von Bedeutung sein, sich so einprägsam zu präsentieren, dass die Erinnerung an diese Debattenteile den Zuschauern auch nach dem Duell noch präsent wären. Beim dritten wichtigen Thema, der Schul- und Bildungspolitik, hatte keines der beiden Lager einen erkennbaren Vorteil. Hier würde es daher darauf ankommen, die eigene Perspektive in der Diskussion durchzusetzen und die Zuschauer so zu überzeugen. Wirkungen auf die Wahlabsicht: Verstärkung und Konversion Bei den Wirkungen von TV-Debatten auf die Wahlabsicht können wir – wie auch generell bei Kampagneneffekten – zwischen Mobilisierung bzw. Verstärkung und Konversion unterscheiden (vgl. zu TV-Duellen z.B. Faas/Maier 2004, Maier/Faas 2011, Maier 2007; zu Wahlkämpfen im Allgemeinen zuerst Lazarsfeld/Berelson/Gaudet 1968; vgl. 4 Die Befragung der Forschungsgruppe Wahlen wurde in der Woche vor der Wahl und damit erst nach dem TV-Duell Mappus gegen Schmid durchgeführt. Damit ist nicht auszuschließen, dass die hier erhobenen Kompetenzzuschreibungen auch auf Wirkungen des TV-Duells oder andere Ereignisse, die nach dessen Ausstrahlung stattfanden, zurückgehen. Andere repräsentative Befragungen mit diesen Informationen liegen uns leider nicht vor. zusammenfassend Brettschneider 2005a). Mobilisierungs- und Verstärkungseffekte verursachen ein stärkeres Hervortreten der bereits existierenden Prädispositionen und Absichten. Personen, die zwar längerfristig einer bestimmten Partei zuneigen, sich aber bisher noch nicht für die Stimmabgabe für diese Partei bei der anstehenden Wahl entschieden haben, werden in diesem Fall nach dem Duell eine Wahlabsicht entsprechend ihrer Parteiidentifikation äußern. Ein Verstärkungseffekt der Debatte führt zu einer Verfestigung der bereits vor der Rezeption geäußerten Wahlabsicht. Von einer Konversionswirkung können wir sprechen, wenn Zuschauer ihre Wahlabsicht ändern, oder wenn zuvor unentschiedene Personen nach der Debatte eine Wahlabsicht zu einer anderen als der von ihr langfristig bevorzugten Partei ausbilden. Die empirischen Ergebnisse zu TV-Duellen in Deutschland zeigen moderate, aber messbare Effekte der Debattenwahrnehmung auf die Wahlabsicht. Maier/Faas (2011) finden in ihrer wahlübergreifenden Analyse repräsentativer Befragungsdaten zu allen Kanzlerduellen in Deutschland sowohl Verstärkungs- als auch Konversionswirkungen. Als quantitativ bedeutender bezeichnen sie die Verstärkungseffekte. Allerdings konnten – wenn auch nur vergleichsweise selten – zudem Konversionseffekte der Duelle nachgewiesen werden, vor allem bei ungebundenen Wählern. Die Befunde kontrollierter Rezeptionsstudien zu den Kanzlerduellen 2002 (vgl. Maier/Faas 2005, Maurer/Reinemann 2003) und 2005 (vgl. Maier 2007) weisen auf die große Stabilität der Wahlpräferenz hin. Von den Befragten, die bereits vor dem Duell eine Wahlabsicht äußerten, änderten diese in der Nachbefragung nur wenige. Vielmehr zeigte sich zumindest für das Duell 2005 ein verstärkender Effekt: „Diejenigen Personen, die wussten, welche Partei sie wählen würden, waren sich nach der Fernsehdiskussion in ihrer Entscheidung sicherer“ (Maier 2007, S. 164). Konversionswirkungen konnten vor allem bei den vor der Debatte Unentschiedenen festgestellt werden. Insgesamt sollten wir also keine allzu starken Veränderungen in der Wahlabsicht erwarten. Veränderungspotential können wir vor allem bei den Unentschiedenen vermuten. 2. Methode Um die Wahrnehmung und die Wirkungen des TV-Duells zu untersuchen, haben wir eine kontrollierte, quasi-experimentelle Rezeptionsstudie an zwei Standorten (Stuttgart und Ravensburg) durchgeführt. Darin wurde eine Pre-Post-Befragung mit einer rezeptionsbegleitenden Erfassung der Kandidatenbewertungen während der Debatte kombiniert. An beiden Standorten wurden Teilnehmer quotiert nach Alter, Geschlecht, formaler Bildung, politischem Interesse und längerfristiger Parteiidentifikation rekrutiert. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Zusammensetzung der Stichprobe. [Tabelle 1 bitte etwa hier einfügen] Die Stichprobe erlaubt keine repräsentativen Schlüsse auf das gesamte Duell-Publikum oder gar auf die Grundgesamtheit aller Wähler in Baden-Württemberg. Da jedoch eine angemessene Fallzahl aller relevanten Wählergruppen rekrutiert wurde, können wir die Ergebnisse als geeignete Indikatoren dafür auffassen, wie das Duell bei den Wählern ankam und welche Wirkungen sich auch über die Stichprobe hinaus bei anderen Rezipienten der Debatte einstellten. Einschränkend muss festgestellt werden, dass in der Stichprobe überdurchschnittlich viele formal höher Gebildete und politisch stärker Interessierte vertreten sind. Diese Abweichungen von der Gleichverteilung der Quotierungsmerkmale sind jedoch für die hier präsentierten Ergebnisse akzeptabel, da auch die Gruppen der formal niedriger Gebildeten und der weniger Interessierten in ausreichender Anzahl in der Stichprobe vertreten sind und die statistische Kontrolle dieser Merkmale die Ergebnisse nicht substantiell verändert. Als problematischer erweist sich dagegen die Verteilung der Wahlabsicht vor dem TV-Duell. Obwohl die Quotierung nach der längerfristigen Parteiidentifikation erfolgreich war, zeigt sich hinsichtlich der Wahlabsicht eine Dominanz des Lagers von Nils Schmid und hier speziell derjenigen, die eine Stimmabgabe zugunsten von Bündnis 90/Die Grünen beabsichtigten. Dies erklärt sich durch eine überwiegende Präferenz der längerfristig Ungebundenen für die Grünen. Daraus folgt, dass die Gruppe der Personen ohne Parteiidentifikation nicht geeignet ist, um die Wahrnehmung des Duells durch ‚neutrale’ Zuschauer zu untersuchen. Wenn im Folgenden Vergleiche von Zuschauergruppen nach Parteianhängerschaft präsentiert werden, nutzen wir daher die Wahlabsicht vor dem TV-Duell als gruppenbildendes Merkmal. Damit weichen wir vom Vorgehen der bisherigen TV-DuellStudien ab, die Subgruppen nach der längerfristig wirksamen Parteiidentifikation einteilten (vgl. Maurer/Reinemann 2003, Reinemann/Maurer 2007). Die Gruppenbildung nach der Wahlpräferenz direkt vor dem Duell ist auch inhaltlich sinnvoll. Die Wahlpräferenz ergibt sich nach dem sozialpsychologischen Modell des Wählerverhaltens aus der langfristig wirksamen Parteiidentifikation und den kurzfristig volatileren Vorstellungen von den Kandidaten und der Themenkompetenz der Parteien (vgl. Schoen/Weins 2005). Die Wahlabsicht enthält also mehr Informationen als alleine die Parteiidentifikation, und sie ist auch ein besserer Indikator für die aktuellen Voreinstellungen, mit denen die Zuschauer die Debatte rezipieren. Die Datenerhebung erfolgte an beiden Standorten während der Ausstrahlung des TV-Duells. Direkt vor dem Duell wurden die Voreinstellungen der Zuschauer mit einer schriftlichen Befragung erfasst. Während des Duells gaben die Teilnehmer mit einem Drehregler an, welchen Eindruck sie aktuell von den Kandidaten hatten. Die Bewertungen wurden auf einer Differentialskala erfasst, die beide Kandidaten vergleichend gegenüberstellte (vgl. Abbildung 1). Die Skala reichte von „Ich habe gerade einen sehr guten Eindruck von Schmid bzw. einen sehr schlechten Eindruck von Mappus“ über den neutralen Null-Punkt zu „Ich habe gerade einen sehr guten Eindruck von Mappus bzw. einen sehr schlechten Eindruck von Schmid“. Die Wertungen aller Probanden wurden in jeder Sekunde aufgezeichnet, wobei die im Hintergrund für die Teilnehmer nicht sichtbare Skala von –50 bis +50 reichte. [Abbildung 1 bitte etwa hier einfügen] Diese real-time response (RTR)-Messung hat sich bereits in den Kanzlerduell-Studien bewährt (vgl. Faas u.a. 2009, Maurer/Reinemann 2003, Maurer u.a. 2007) und gilt als ein reliables und valides Verfahren zur rezeptionsbegleitenden Erfassung von Zuschauerurteilen (vgl. Reinemann u.a. 2005, Maier u.a. 2007; zusammenfassend zur Methode Maier u.a. 2009). Direkt nach dem Duell füllten die Teilnehmer einen zweiten Fragebogen aus, der ihre Eindrücke vom Duell sowie in einer Messwiederholung die politische Einstellung aus der Vorher-Befragung erfasste. 3. Ergebnisse Die Beurteilung der Kandidaten im Debattenverlauf In einem ersten Schritt untersuchen wir, welche Aussagen der Kandidaten in der Debatte besonders positiv bewertet wurden (vgl. dazu ausführlich Bachl 2012). Abbildung 2 zeigt für Anhänger der beiden Lager und für die unentschiedenen Zuschauer die aggregierten RTRVerläufe. Eingezeichnet sind die Peaks, an denen der gewichtete Gesamtmittelwert5 aller Zuschauer signifikant vom Mittelwert des gesamten Duells abweicht (vgl. zu diesem Vorgehen Biocca/David/West 1994, S. 38). [Abbildung 2 ganzseitig bitte etwa hier einfügen] Über das gesamte Duell hinweg ergibt sich eine recht ausgeglichene Bewertung der beiden Kandidaten. Neun der auffälligsten Passagen waren Aussagen von Stefan Mappus, acht von 5 Da das Lager von Schmid im gesamten Publikum überrepräsentiert war, wurden die RTRWerte so gewichtet, dass die drei dargestellten Gruppen mit demselben Gewicht in den Gesamtmittelwert einer Sekunde eingingen. Nils Schmid. Auch ihre jeweils stärkste Aussage erreichten beide Kandidaten im selben Themenfeld: der Arbeitsmarktpolitik. Mappus erhielt die größte Zustimmung, als er seine Maßnahmen zur Behebung des Fachkräftemangels beschrieb und dabei die Bildung als zentrale Lösung herausstellte (4):6 „Wir müssen zuerst die jungen Menschen in Baden-Württemberg bestmöglich qualifizieren, dann müssen wir die, die bereits hier sind bestmöglich weiterqualifizieren und wenn dann noch Arbeitskräfte fehlen, kann man mit mir darüber reden, dass man die aus dem Ausland zu uns herholt. Aber bitte in exakt dieser Reihenfolge.“ Wenige Minuten später war die Zustimmung zu Schmid am größten. Seine Ausführungen zur Begrenzung der Leiharbeit kamen bei den Zuschauern sehr gut an (5): „Es kann nicht sein, dass Seite an Seite am selben Band einer von der Stammbelegschaft arbeitet und einer von der Leiharbeitsfirma, der weniger Geld und weniger Urlaub bekommt. Das stört den Betriebsfrieden, und es ist auch kein Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Deshalb bin ich dafür, dass wir dir Leiharbeit wieder stärker einschränken, auf die Spitzenbelastung zurückführen, und vor allem, dass das Gebot gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleicher Lohn für gleiche Leistung, endlich wieder greift. Ich gebe auch zu, da haben wir dazu gelernt als SPD. Wir haben die Liberalisierung der Leih- und Zeitarbeit vorangetrieben. Aber sie hat sich in der Weise nicht bewährt und deshalb ist es wichtig, dass wir wieder Recht und Ordnung am Arbeitsmarkt herstellen.“ Sein erstes sehr erfolgreiches Statement hatte Schmid gleich zu Beginn des Duells beim Thema Atomkraft, als er den rot-grünen Atomkonsens mit der Laufzeitverlängerung durch die aktuelle Bundesregierung kontrastierte (1). Auch mit seiner Forderung, die EnBW zu einem „Erneuerbare-Energien-Konzern“ umzubauen, konnte er in der frühen Phase des Duells punkten (2). Im Anschluss an seine erfolgreichste Aussage (5, siehe oben) erhielt Schmid für seine Pläne eines Tariftreuegesetzes erneut große Zustimmung (6). In der Folge trafen Schmids Aussagen zur Kostenbefreiung und Weiterentwicklung des Kindergartens (7, 9) sowie zum Wahlrecht zwischen einem acht- und neunjährigen Weg zum Abitur an Gymnasien (11) auf die Zustimmung des Publikums. Die letzte Aussage, für die Schmid sehr gute Bewertungen aller Teilnehmer erhielt, fiel bereits kurz nach der Hälfte der Debatte. 6 Die Zahlen in Klammern zeigen an, auf welchen Peak in Abbildung 2 Bezug genommen wird. Seine Forderung, Steuerhinterziehung konsequent zu verfolgen und dazu auch SteuerdatenCDs anzukaufen, um damit unter anderem die Abschaffung von Studiengebühren zu finanzieren (13), erreichte hohe Zustimmungswerte. Im Gegensatz zu Herausforderer Schmid musste Amtsinhaber Mappus über eine Viertelstunde auf sein erstes beim gesamten Publikum erfolgreiches Statement warten. Wie seine insgesamt erfolgreichste Passage (4, siehe oben), befasste es sich mit der Zentralität der Bildung zur Beseitigung des Fachkräftemangels (3). Auch als die Bildung selbst Thema der Debatte war, konnte Mappus das Publikum drei Mal überzeugen: mehr Investitionen in Bildung (8), Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems (10, 12). Die nächsten drei Statements, in denen Mappus vom gesamten Publikum sehr gut bewertet wurde, lagen alle im Themenfeld Finanz- und Steuerpolitik: Er stellte die Ausgabenplanung Schmids als unsolide dar (14), sprach sich gegen Steuererhöhungen aus (15) und kritisierte den Länderfinanzausgleich als ungerecht (16). Schließlich erreichte die Bewertung von Mappus‘ Bekenntnis zur Bürgerbeteiligung (17) knapp die Signifikanzgrenze. Zusammenfassend zeigen die Verläufe der drei Gruppen in Abbildung 2 den wichtigsten Prädiktor der unmittelbaren Kandidatenbewertung. Die Zuschauer nahmen das Duell durch ihre ‚parteipolitische Brille’ wahr – sie bewerteten den ihnen näherstehenden Kandidaten fast durchgängig besser. Die Analyse der Einzelverläufe offenbart auch, wie die im gesamten Publikum besonders erfolgreichen Statements zustande kamen: Die eigenen Anhänger stimmten diesen Aussagen besonders stark zu, und auch die Unentschiedenen bewerteten sie positiv. Zudem erhielten sie auch von den Anhängern des ‚gegnerischen’ Lagers Zustimmung oder wurden zumindest nicht abgelehnt. Wie stark die Zustimmung ausgeprägt war, wurde darüber hinaus auch deutlich von den geäußerten Inhalten beeinflusst. Obwohl beide Kandidaten im Verlauf der gesamten Debatte ähnlich viele erfolgreiche Aussagen hatten, zeigen sich einige Unterschiede in den thematischen Feldern. Schmid überzeugte vor allem bei den Themen Atomkraft, EnBW und Arbeitsmarkt. Auch seine Vorschläge zur frühkindlichen Bildung, die er stark als eine Frage der sozialen Gerechtigkeit (im Sinne eines gleichberechtigten Zugangs) rahmte, kamen gut an. Damit konnte Schmid vor allem in Kontexten punkten, in denen seine Partei bzw. im Falle der Atompolitik das rot-grüne Lager als Issue Owner galten. Mappus wurde in den Diskussionen zu Haushalt, Finanzen und Steuern besser bewertet und brachte damit eine traditionelle Kernkompetenz der CDU zur Geltung. Damit schnitt in zwei der drei für die Wähler wichtigsten Themen, der Energie- und der Wirtschafts-/Haushaltspolitik, derjenige Kandidat, dessen Lager nach dem Ansatz des Issue Ownership bereits im Vorfeld die größere Kompetenz zugeschrieben wurde, auch im TV-Duell besser ab. In der Diskussion zur Schulpolitik, dem für die Bevölkerung dritten sehr wichtigen Themenfeld, konnten wir keinen klaren Kompetenzführer identifizieren. In diesem Teil der Fernsehdebatte wurde Mappus mit seiner Verteidigung des bestehenden dreigliedrigen Schulsystems über einen längeren Zeitraum sehr positiv bewertet. Schmids Forderung nach einer Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 kam zwar ebenfalls gut bei den Zuschauern an, darüber hinaus waren die Reaktionen auf seine schulpolitischen Vorschläge aber durchwachsen. Vor allem seine Verteidigung gegen Mappus’ Angriffe, Schmid wolle das bestehende Schulsystem abschaffen, polarisierte das Publikum nach den Parteilinien und wurde auch von den Unentschiedenen eher kritisch beurteilt. Im Folgenden werden wir zeigen, dass der Auftritt der Kandidaten im schulpolitischen Debattenteil auch für die weitergehenden Wirkungen des Duells Konsequenzen hatte. Wirkungen des TV-Duells auf die Beurteilung von Stefan Mappus und Nils Schmid Um die Frage zu beantworten, wie das TV-Duell über die bildungspolitischen Vorstellungen der Zuschauer die allgemeine Kandidatenbeurteilung beeinflusste, analysieren wir zuerst die Veränderung der wahrgenommenen bildungspolitischen Kompetenz (vgl. Abbildung 3). [Abbildung 3 bitte etwa hier einfügen] Mappus’ bildungspolitische Kompetenz wurde nach dem TV-Duell höher eingeschätzt als vor dem TV-Duell. Seine eigenen Anhänger, die Unentschiedenen und sogar die Anhänger der Grünen bewerteten ihn in dieser Hinsicht besser. Für die Wahrnehmung von Schmids Kompetenz in diesem Feld war die Entwicklung fast gegenläufig. Die Anhänger der Regierungsparteien schätzten seine Kompetenz deutlich geringer ein. Auch die Unentschiedenen und die Anhänger der Grünen trauten ihm nach der Debatte tendenziell etwas weniger zu. Lediglich seine Bewertung durch die SPD-Anhängerstieg leicht an. Diese Befunde sind umso bemerkenswerter, wenn wir die Argumentationsstrategie von Mappus im schulpolitischen Debattenabschnitt berücksichtigen. Mappus nutzte hier fast die Hälfte seiner Redezeit dazu, die (angeblichen) schulpolitischen Pläne von Schmid zu kritisieren. Seine Kernbotschaft bestand im Wesentlichen darin, dass eine von Schmid geführte Landesregierung das bewährte dreigliedrige Schulsystem, mit dem Baden-Württemberg so erfolgreich gewesen sei, abschaffen werde. Die Darstellung seiner eigenen Pläne beschränkten sich auf das vage Vorhaben, das bestehende Schulsystem zu erhalten und weiterzuentwickeln, ohne dass er dazu detaillierte Angaben machte (vgl. Bachl/Käfferlein/Spieker 2012). Die negative Darstellung von Schmids Plänen scheint eine doppelte Wirkung entfaltet zu haben: Sie führte zu einer kritischeren Bewertung von Schmids Kompetenz im Bereich der Bildungspolitik und gleichzeitig zu einer Aufwertung von Mappus als ‚Verteidiger des bewährten Schulsystems’. In einem nächsten Schritt untersuchen wir nun, welchen Beitrag die Wahrnehmung der bildungspolitischen Kompetenz zur Gesamtbewertung von Stefan Mappus leistete. Wir gehen davon aus, dass die verschiedenen Einzelurteile über einen Kandidaten in unterschiedlichem Maße zu seiner Gesamtbewertung beitragen, und dass diese Gewichtung der Einzelurteile prinzipiell flexibel ist. Um zu testen, ob sich die Gewichte der einzelnen Bewertungsdimensionen vor und nach der Debatte unterschieden, erklären wir in einer OLSRegression die Gesamtbewertung von Mappus durch die unterschiedlichen Einzelurteile. Abbildung 4 zeigt dazu die über die Modelle hinweg vergleichbaren 95%-Konfidenzintervalle der unstandardisierten OLS-Koeffizienten vor und nach dem TV-Duell. [Abbildung 4 bitte etwa hier einfügen] Die Auswertung offenbart eine wesentliche Veränderung in der Gewichtung der Einzelurteile: Vor der Debatte trug die Einschätzung der bildungspolitischen Kompetenz von Mappus nicht zur Erklärung seiner Gesamtbewertung bei. Für die Gesamtbewertung von Mappus war es also unerheblich, wie die Zuschauer seine Kompetenz in der Bildungspolitik wahrnahmen. Nach der Rezeption der Debatte wurde seine Gesamtbewertung jedoch auch durch seine bildungspolitische Kompetenz geprägt. Die Konfidenzintervalle der Koeffizienten vor und nach dem Duell überschneiden sich nicht. Damit können wir eine signifikante Steigerung des Gewichts der wahrgenommenen Kompetenz in der Bildungspolitik für die Gesamtbewertung belegen. Für Nils Schmid zeigen sich keine vergleichbaren Verschiebungen in der Zusammensetzung seiner Gesamtbewertung. Es ist Mappus also gelungen, seine Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bildungspolitik zu verbessern und diese stärker mit seinem Gesamtimage zu verknüpfen. In einer letzten Analyse der kandidatenbezogenen Wirkungen wollen wir nun untersuchen, wie sich die Gesamtbewertungen der beiden Kandidaten durch das TV-Duell veränderten (vgl. Abbildung 5). [Abbildung 5 bitte etwa hier einfügen] Der Vergleich der Kandidatenbewertungen vor und nach der Debatte offenbart zunächst einen deutlichen Effekt der politischen Voreinstellungen. Er ist bei der Bewertung von Mappus besonders stark ausgeprägt. Sowohl vor als auch nach dem Duell beurteilten die Anhänger der Regierungsparteien ‚ihren’ Ministerpräsidenten wesentlich besser als die Anhänger von SPD und Grünen. Dieser Effekt des Parteilagers tritt auch bei der Bewertung von Schmid auf, ist aber deutlich schwächer. Grund dafür ist vor allem seine vergleichsweise positive Wahrnehmung durch die Anhänger von CDU und FDP. Während Mappus von Anhängern seiner politischen ‚Gegner’ klar negativ bewertet wurde, standen die Anhänger des Regierungslagers dem Oppositionskandidaten Schmid eher neutral gegenüber. Weiter prüfen wir, ob sich sie Kandidatenbewertungen innerhalb der Versuchspersonen unabhängig von deren Lagerzugehörigkeit verändert haben. Die Bewertung von Mappus hat sich klar verbessert. Alle Gruppen bewerteten ihn nach dem Duell positiver. Im Durchschnitt über alle Zuschauer verbesserte er sich um 1,7 Skalenpunkte. Auch Schmid wurde nach der Debatte besser bewertet, er gewann aber nur 0,8 Skalenpunkte hinzu. Schließlich können wir prüfen, ob sich der Effekt des Duells in Abhängigkeit der politischen Voreinstellungen unterschied. Für die Bewertung von Mappus findet sich ein signifikanter Interaktionseffekt. Die SPDAnhänger beurteilten ihn nach dem Duell nur etwas positiver, während seine eigenen Anhänger, die Unentschiedenen und sogar die Sympathisanten der Grünen ihn klar besser bewerteten. In den deskriptiven Werten zur Wahrnehmung Schmids zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab: Er verbesserte sich in seinem eigenen Lager (SPD und Grüne) etwas stärker als unter den Unentschiedenen und den Regierungsanhängern. Dieser Interaktionseffekt ist jedoch nicht statistisch signifikant. Insgesamt halten wir fest, dass Stefan Mappus seine Bewertung durch das Duell wesentlich stärker verbessern konnte als Nils Schmid. In dieser Hinsicht konnte der Ministerpräsident klar von der Debatte profitieren. Wir müssen allerdings auch beachten, dass er mit schlechteren Ausgangswerten in das Duell ging als sein Herausforderer. Durch die Debatte war es ihm möglich, dieses Defizit auszugleichen, sodass beide Kandidaten im Vergleich der jeweils eigenen Anhänger und der Unentschiedenen nach dem Duell gleichauf lagen. Auch wenn Mappus es schaffte, die starke Ablehnung, die ihm seitens der Oppositionsanhänger vor der Debatte entgegengebracht wurde, zu reduzieren, so polarisierte er doch weiterhin die Zuschauer entlang der Parteilinien. Nils Schmid konnte dagegen seine bereits vor dem Duell recht positiven Zustimmungswerte nur leicht verbessern. Immerhin gelang es ihm, das Publikum abseits seines eigenen Lagers nicht durch einen polarisierenden Auftritt zu verschrecken. Seinen Vorsprung unter den unentschiedenen Zuschauern büßte er jedoch ein. Wirkungen auf die Ministerpräsidentenpräferenz und die Wahlabsicht der Zuschauer Im letzten Abschnitt unserer Ergebnisdarstellung wollen wir untersuchen, ob sich auch die Ministerpräsidentenpräferenz und schließlich die Wahlabsicht der Zuschauer veränderten. Diese Analysen können uns auch einen Einblick geben, welche (kurzfristigen) Folgen die Nicht-Berücksichtigung von Winfried Kretschmann für ihn und seine Partei hatte. Tabelle 2 zeigt, welchen Kandidaten die Befragten vor und nach der Debatte als Ministerpräsidenten bevorzugten. [Tabelle 2 bitte etwa hier einfügen] Zwischen den Antworten vor und nach der Duellrezeption findet sich erwartungsgemäß ein starker Zusammenhang: Zwei Drittel der Befragten änderten ihre Auskunft nicht. Als besonders stabil erwies sich die Präferenz für Mappus: 41 der 48 Befragten, die ihn vor der Debatte als Ministerpräsidenten behalten wollten, gaben dies auch nach dem Duell an. Immerhin zwei Drittel der Zuschauer (34 von 51), die vor dem Duell Herausforderer Schmid bevorzugten, hielten ihm ebenfalls die Treue. Aber zwischen den beiden Kandidaten fand auch ein gewisser Austausch statt. Zehn Teilnehmer änderten ihre Ministerpräsidentenpräferenz von Schmid auf Mappus, sechs von Mappus auf Schmid. Die meisten Bewegungen ergaben sich bei den Befragten, die sich vor dem Duell für keinen der aussichtsreichsten Kandidaten entscheiden konnten. Über die Hälfte dieser Zuschauer äußerte nach dem Duell eine Präferenz. Davon konnte Mappus 14 und Schmid zehn für sich gewinnen. Allerdings verlor der Herausforderer auch sieben Teilnehmer an diese Gruppe. Den größten Zuwachs erzielte Schmid aus vormaligen Anhängern des Grünen-Kandidaten Kretschmann. Von diesen änderten zwölf nach dem Duell ihre Präferenz innerhalb des Oppositionslagers zum SPD-Kandidaten. Als Nicht-Teilnehmer konnte Kretschmann keinen einzigen Zuschauer für sich gewinnen. Insgesamt erklärt sich das gute Abschneiden von Mappus hinsichtlich der Ministerpräsidentenpräferenz vor allem durch die hohe Stabilität seiner Anhängerschaft sowie durch Zugewinne von Unentschiedenen und von Anhängern Schmids. Problematisch für den Herausforderer waren die Verluste an seinen direkten DuellKontrahenten und die bedeutsame Zahl derer, die ihn vor dem Duell noch präferierten, sich nach dem Duell aber für keinen der Kandidaten entscheiden konnten. Dass auch Schmid insgesamt leichte Zugewinne erzielen konnte, liegt an den Präferenzverschiebungen von vormaligen Kretschmann-Anhängern zugunsten des SPD-Kandidaten. Die NichtBerücksichtigung des Spitzenkandidaten der Grünen erweist sich auf Basis dieser Analyse als problematisch: Er verlor an alle Gruppen (mindestens einen) Test-Zuschauer, konnte aber keinen einzigen hinzugewinnen. Abschließend wenden wir uns nun den Debatteneffekten auf die Wahlabsicht als letztlich entscheidende Handlungsintention zu. Tabelle 3 zeigt dazu die ‚Wählerwanderungen’, die während des TV-Duells stattfanden. [Tabelle 3 bitte etwa hier einfügen] Die Wahlabsicht war noch stabiler als die Ministerpräsidentenpräferenz. Von den 124 Teilnehmern, die vor dem Duell bereits eine Partei präferierten, sich aber noch nicht durch Briefwahl definitiv festgelegt hatten, änderten gerade einmal zehn ihre Wahlabsicht. Etwas größer war die Wirkung des Duells bei den noch Unentschiedenen. Immerhin 20 dieser 42 Befragten gaben nach der Debatte eine Präferenz für eine Partei an. Von ihnen konnte Mappus 13 Personen für die CDU und Schmid sechs Personen für die SPD gewinnen. Auf Basis dieser geringen Fallzahlen können wir nur sehr vorsichtige Schlüsse ziehen – dies muss bei allen folgenden Interpretationen bedacht werden. Es deutet sich aber an, dass Mappus auch in Hinsicht auf den zumindest kurzfristigen Zugewinn von Wählerstimmen erfolgreicher war als Schmid. Die Analyse der längerfristigen Parteiidentifikation der Befragten, die aus der Gruppe der Unentschiedenen in eines der beiden Kandidatenlager wechselten, kann uns Hinweise darauf liefern, wie dieser Wechsel zustande kam. Unter den 13 Personen, die erst nach der Debatte eine Stimmabgabe für die CDU präferierten, waren fünf, die der CDU auch längerfristig zuneigten. Hier hat eine Mobilisierung stattgefunden, die die bereits vorhandenen Prädispositionen aktivierte. Weitere fünf Personen fühlten sich längerfristig keiner Partei verbunden. Sie konnte Mappus durch seinen Duell-Auftritt von einer Wahl seiner Partei überzeugen. In sehr geringem Maße gelang Mappus auch eine Konversion von Anhängern anderer Parteien. Je einer der Unentschiedenen, der sich nach dem Duell für die CDU entschied, neigte längerfristig der FDP, der SPD bzw. den Grünen zu. Schmid war fast ausschließlich mit einer Mobilisierung von unentschiedenen SPD-Anhängern erfolgreich. Vier der sechs vor dem Duell Unentschiedenen, die danach die SPD zu wählen beabsichtigten, fühlten sich der Partei auch längerfristig nahe. Darüber hinaus gelang es ihm, zwei Zuschauer mit SPD-Parteiidentifikation, die vor dem Duell noch für die Grünen stimmen wollten, für seine Partei zurückzugewinnen. So gibt Tabelle 3 auch einen weiteren Hinweis darauf, dass die Grünen durch die Nicht-Berücksichtigung ihres Spitzenkandidaten benachteiligt wurden. Zwar blieb auch der allergrößte Teil ihrer Wähler der Partei nach dem Duell treu, sie verloren aber drei Zuschauer an die politische Konkurrenz. Zudem gaben fünf Zuschauer, die zuvor die Grünen wählen wollten, an, ihre Wahlentscheidung noch einmal überdenken zu wollen. Nach den Mobilisierungs- und Konversionswirkungen interessieren uns abschließend noch die Verstärkungseffekte. Ob es den Kandidaten gelungen ist, ihre Anhänger in deren Einstellungen zu bestärken, können wir durch eine Analyse der Sicherheit der Wahlentscheidungen herausfinden. Abbildung 6 vergleicht dazu die Wahlsicherheit der Studienteilnehmer, die vor und nach dem Duell angaben, CDU, SPD oder die Grünen wählen zu wollen. [Abbildung 6 bitte etwa hier einfügen] Die Wähler aller drei Parteien waren sich bereits vor dem Duell ihrer Wahlabsicht recht sicher. Wieder deuten die Befunde aber darauf hin, dass vom Duell-Auftritt von Mappus ein stärkeres Reinforcement ausging. Die CDU-Wähler wurden in ihrer Absicht durch das Duell noch weiter bestärkt, während sich die Sicherheit der SPD-Wähler nicht veränderte. Eine gute Nachricht gibt es an dieser Stelle für die Grünen: Diejenigen Zuschauer, die vor und nach dem Duell für sie zu stimmen beabsichtigten, waren sich dieser Entscheidung auch nach dem Duell noch sehr sicher. In dieser Hinsicht führte die Debatte nicht zu einer Schwächung ihrer Position. 4. Zusammenfassung und Diskussion Die empirischen Befunde lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Über das gesamte Duell hinweg erreichten Stefan Mappus und Nils Schmid eine etwa gleiche Anzahl erfolgreicher Aussagen. Beide Kandidaten waren vor allem dann erfolgreich, wenn sie Positionen nahe den Kernkompetenzen ihrer Parteien bzw. Lager vertraten. Der Ansatz des Issue Ownership (vgl. Petrocik 1996) erweist sich damit als geeignet, Zustimmung zu Kandidatenaussagen in TV-Duellen zu erklären. Im mitentscheidenden Debattenabschnitt zur Schulpolitik hatte Mappus gegenüber Schmid leichte Vorteile. • Die Einschätzung der bildungspolitischen Kompetenz der beiden Kandidaten entwickelte sich fast gegenläufig: Mappus wurde in diesem Themenfeld nach dem Duell besser, Schmid kritischer beurteilt. Mappus’ Argumentationsstrategie, sich als ‚Verteidiger’ des von Schmid ‚bedrohten’ Schulsystems darzustellen, zeigte offenbar Wirkung. • Mappus gelang es zudem, die ihm zugeschriebene bildungspolitische Kompetenz durch den Duellauftritt mit seiner Gesamtbewertung zu verknüpfen. Hier können wir für Mappus einen Priming-Effekt des Duells feststellen. • Die Gesamtbewertung von Mappus verbesserte sich durch das Duell erheblich, die von Schmid nur leicht. Damit konnte Mappus im Vergleich der jeweils eigenen Anhänger und der Unentschiedenen zu seinem zuvor besser bewerteten Herausforderer aufschließen. • Die Ministerpräsidentenpräferenz und noch mehr die Wahlabsicht waren sehr stabil. Hinsichtlich beider Maßstäbe konnten aber Mappus bzw. die CDU stärker zulegen als Schmid bzw. die SPD. Problematisch war das Fehlen von Kretschmann als Kandidat der Grünen. Vor allem innerhalb des Oppositionslagers verschoben sich die Präferenzen hin zu Schmid bzw. der SPD. Mappus gelang es zudem, die CDUAnhänger in ihrer Wahlabsicht zu bestärken. Stefan Mappus und die CDU konnten damit – zumindest im unmittelbaren Anschluss an die Debattenrezeption – stärker vom TV-Duell profitieren als Nils Schmid und die SPD. Mappus erreichte dies vor allem durch das Besetzen zweier traditioneller CDU-Positionen: die Betonung der Kompetenz in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik und die Präsentation als ‚Verteidiger’ des dreigliedrigen Schulsystems. Die persönliche Bewertung von Mappus verbesserte sich, er konnte die eigenen Anhänger mobilisieren und in ihren Ansichten bestärken. Schließlich gelang es ihm auch, in den durch die Stabilität der Parteipräferenzen gesetzten Grenzen, einige neue Stimmen für die CDU zu gewinnen. Vor dem Hintergrund dieser Befunde muss die einseitig negative Rolle, die dem Ministerpräsidenten in einigen Erklärungsversuchen zum Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl zugeschrieben wird, unseres Erachtens differenzierter betrachtet werden. Wenn die Wähler direkt mit Mappus und seinen politischen Botschaften konfrontiert waren, wie dies im TV-Duell über eine Stunde hinweg der Fall war, konnte er durchaus positive Effekte erreichen. Natürlich polarisierte er auch während und nach der Debatte stark zwischen den Lagern – vor allem im Vergleich zum moderat bewerteten Herausforderer Nils Schmid. Aber in der Ansprache der eigenen Anhänger und der noch Unentschiedenen gelang es ihm während des Duells, seine Bewertung zu verbessern und mit Schmid gleichzuziehen. Inwiefern Mappus’ Auftreten und Entscheidungen in seiner vorangegangenen Amtszeit dafür sorgten, dass Mappus am Wahltag eher zu einer Belastung für seine Partei wurde (vgl. z.B. Gabriel/Kornelius 2011; vgl. auch die Beiträge von Roth und Wehner in diesem Band), können wir hier nicht klären. Wir können aber zeigen, dass seine Wähleransprache im Wahlkampffinale durchaus das Potential besaß, wichtige Wählergruppen zu erreichen und für die CDU zu gewinnen. Während also Stefan Mappus und die CDU zumindest kurzfristig von der Debattenwirkung profitieren konnten, weisen unsere Befunde darauf hin, dass Winfried Kretschmann und Bündnis90/Die Grünen durch ihre Nicht-Berücksichtigung einen Nachteil erlitten. In Anbetracht der thematischen Dynamik in den letzten Wahlkampfwochen hatte diese Entscheidung des SWR keine Konsequenzen: Die Grünen zogen als zweitstärkste Fraktion in den Landtag ein, Kretschmann wurde von einer grün-roten Koalition zum Ministerpräsidenten gewählt. Die Analysen der ‚Wählerbewegungen’ direkt nach dem TV-Duell zeigen aber, dass die Debatte die Verhältnisse innerhalb des Oppositionslagers zugunsten von Schmid und der SPD verschob. Wenn am 27. März 2011 die SPD knapp vor statt hinter den Grünen gelandet wäre, könnten wir auf Basis unserer Befunde zumindest nicht ausschließen, dass die Besetzung der Fernsehdebatte dazu einen Beitrag geleistet hätte. In unseren Analysen haben wir dargestellt, warum der bildungspolitische Debattenteil bedeutsam für den Ausgang des gesamten Duells war. Mit der Betonung der Bildungs- und insbesondere der Schulpolitik erreichte Mappus im TV-Duell etwas, was der CDU im Wahlkampf als Ganzem nicht gelang (und aufgrund der Aufmerksamkeitsdynamik der Atomfrage auch kaum gelingen konnte). Die Konsequenzen dieser im Vergleich zum Gesamtwahlkampf abweichenden Themensetzung im TV-Duell sind für spekulative ‚Waswäre-gewesen-wenn’-Analysen nicht uninteressant. In einer hypothetischen Situation, in der die Schulpolitik das bestimmende Thema der letzten Wahlkampfwochen gewesen wäre, hätte die CDU mit der von Mappus im Duell vorgetragenen Positionierung möglicherweise besser abgeschnitten. Relevant sind die hier gewonnen Erkenntnisse aber vor allem für eine Einschätzung der kommenden schulpolitischen Diskussionen. Zumindest in der hier untersuchten Konfrontation von Mappus und Schmid zu diesem Thema wurde klar, dass eine Reform des dreigliedrigen Schulsystems auch in Baden-Württemberg einiges Konfliktpotential birgt. Dabei können – darauf weisen zumindest die Publikumsreaktionen auf die Argumente von Mappus und Schmid hin – die ‚Bewahrer’ ihre parteipolitischen Reihen recht erfolgreich schließen, während die ‚Reformer’ ihre parteipolitischen Anhänger weniger geschlossen hinter sich wissen. Der Volksentscheid zur Schulreform in Hamburg lieferte bereits ein Beispiel dafür, dass sich bewahrende Kräfte gegen Reformen im Schulsystem mobilisieren lassen. Auch in aktuellen Umfragen (Stand: Mai 2012), in denen der grün-roten Landesregierung im Allgemeinen eine gute Arbeit bescheinigt wird, ist der Plan zur Einführung von Gemeinschaftsschulen umstritten: Etwa die Hälfte der Bürger hält deren Einführung für eine gute, die andere Hälfte für eine nicht so gute Sache (vgl. Infratest dimap 2012). Die Landesregierung sollte gewarnt sein: Im TV-Duell hat Stefan Mappus bewiesen, dass die CDU ihre Position als ‚Verteidigerin’ des dreigliedrigen Schulsystems erfolgreich kommunizieren kann. Es wird sich zeigen, ob die aktuelle Führung der CDU hier anknüpft. Literatur Bachl, Marko, 2012: Die Wahrnehmung des TV-Duells, in: Bachl, Marko/Brettschneider, Frank/Ottler, Simon (Hrsg.), Das TV-Duell in Baden-Württemberg 2011. Inhalte, Wahrnehmungen und Wirkungen, Wiesbaden: VS (im Erscheinen). Bachl, Marko/Brettschneider, Frank/Ottler, Simon (Hrsg.), 2012: Das TV-Duell in BadenWürttemberg 2011. Inhalte, Wahrnehmungen und Wirkungen, Wiesbaden: VS (im Erscheinen). Bachl, Marko/Käfferlein, Katharina/Spieker, Arne, 2012: Die Inhalte des TV-Duells, in: Bachl, Marko/Brettschneider, Frank/Ottler, Simon (Hrsg.), Das TV-Duell in BadenWürttemberg 2011. Inhalte, Wahrnehmungen und Wirkungen, Wiesbaden: VS (im Erscheinen). 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Tabellen und Abbildungen Tabelle 1: Stichprobe der Rezeptionsstudie Stuttgart (n = 119) Ravensburg (n = 81) Gesamt (N = 200) Geschlecht weiblich 52 51 51 männlich 48 49 49 Alter [M (SD)] 38,83 (15,09) 43,04 (19,43) 40,52 (17,05) Formale Bildung Noch Schüler 8 3 6 Hauptschulabschluss 8 9 8 Realschulabschluss 28 22 26 Fachabitur 9 12 11 Abitur 19 27 22 Hochschulabschluss 29 22 26 Politisches Interesse1 [M (SD)] 3,30 (0,84) 3,51 (0,80) 3,38 (0,83) Parteiidentifikation CDU/CSU 24 22 24 FDP 9 7 9 SPD 21 24 22 Bündnis 90/Die Grünen 15 20 17 Andere 1 3 1 Keine 27 21 25 Wahlabsicht vor dem Duell CDU 20 22 20 FDP 7 4 6 SPD 16 17 17 Bündnis 90/Die Grünen 33 25 30 Andere 2 1 2 Unentschieden 20 22 21 Anmerkungen 1 Skala von 1 (geringes Interesse) bis 5 (sehr großes Interesse) Alle Angaben außer Alter und politischem Interesse in Spaltenprozent pro Merkmal; zu 100 fehlend: Befragte ohne Angabe, Rundungsfehler. M= arithmetisches Mittel; SD= Standardabweichung Abbildung 1: Skala der RTR-Messung, Bild eines RTR-Dials Mappus gut / Schmid schlecht ccv ccv Schmid gut / Mappus schlecht Vorteil Nils Schmid Vorteil Stefan Mappus -50 0:00 -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 1) Atomenergie 0:05 0:10 2) EnBW 0:15 3) Fachkräftemangel 0:20 4) Fachkräftemangel 5) Leiharbeit 6) Tariftreuegesetz 0:25 7) Kindergarten 8) Investitionen in Bildung 0:30 9) Kindergarten 10) Schulsystem 0:35 11) Wahl zw. G8/G9 12) Schulsystem 13) Studiengebühren/ Steuer-CDs 0:40 14) Staatshaushalt 15) Steuern 0:45 16) Länderfinanzausgleich 0:50 0:55 1:00 1:05 CDU/FDP (n = 50) SPD/Grüne (n = 91) Unentschiedene (n = 42) 17) Bürgerbeteiligung Abbildung 2: Die Bewertung der Kandidaten im Duellverlauf Abbildung 3: Bewertung der bildungspolitischen Kompetenz von Stefan Mappus und Nils Schmid vor und nach dem TV-Duell Mappus: Duell: F(1, 179) = 54,7, part. η2 = .23, p < .001 Wahlpräferenz: F(1, 179) = 35,2, part. η2 = .37, p < .001 Duell X Wahlpräferenz: F(3, 179) = 2,8, part. η2 = .04, p = .044 Schmid: Duell: F(1, 173) = 10,6, part. η2 = .06, p = .001 Wahlpräferenz: F(1, 173) = 21,8, part. η2 = .28, p < .001 Duell X Wahlpräferenz: F(3, 173) = 6,3, part. η2 = .10, p < .001 Abbildung 4: Prädiktoren der Bewertung von Stefan Mappus vor und nach dem TV-Duell vor dem Duell nach dem Duell Wirtschaftspolitik Stuttgart 21 Bildungspolitik Entscheidungsfreudig Politisch glaubwürdig Menschlich sympatisch -0,5 0 0,5 1 1,5 95%-Konfidenzintervalle (1.000 Bootstrapp-Samples, Bias-corrected and accelerated) der unstandardisierten OLS-Koeffizienten, abhängige Variable: Skalometer Stefan Mappus; Vor dem Duell: N = 193, korr. R2= .72; Nach dem Duell: N = 196, korr. R2= .80. Abbildung 5: Gesamtbewertung der Kandidaten vor und nach dem TV-Duell sehr viel 11 10 9 8 7 6 5 4 CDU/FDP (n = 50) unent. (n = 42) SPD (n = 32) Grüne (n = 57) 3 2 überhaupt nichts 1 vor Duell nach Duell Mappus Mappus: Unterschied der Lager: F(3, 177) = 53,33, p < .001, part. ç² = .48 Veränderung durch das Duell: F(1, 177) = 99,99, p < .001, part. ç² = .36 Interaktion der Faktoren: F(3, 177) = 4,58, p = .004, part. ç² = .07 vor Duell nach Duell Schmid Schmid: Unterschied der Lager: F(3, 177) = 16,13, p < .001, part. ç² = .22 Veränderung durch das Duell: F(1, 177) = 26,28, p < .001, part. ç² = .13 Interaktion der Faktoren: F(3, 177) = 2,50, p = .061, part. ç² = .04 Tabelle 2: Veränderung der Ministerpräsidentenpräferenz Nach dem Duell Präferierter Ministerpräsident vor dem Duell (1) (2) (3) (4) Saldo (1) Mappus 41 10 1 14 +18 (2) Schmid 6 34 12 10 +11 (3) Kretschmann 30 –17 (4) Keiner der Genannten 1 7 4 22 –12 Angaben in absoluter Teilnehmerzahl, n = 192; Zusammenhang zwischen Ministerpräsidentenpräferenz vor und nach dem Duell: Χ²(9) = 206,21, p < .001, Cramers V = .60. Tabelle 3: Wahlabsicht vor und nach dem TV-Duell Nach dem Duell Wahlabsicht vor dem Duell (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) Saldo (1) CDU 31 1 13 +14 (2) SPD 26 2 6 +7 (3) FDP 8 ±0 (4) Grüne 43 1 –7 (5) Linke 5 –1 (6) Sonstige 1 1 +1 (7) Unentsch. 1 5 22 –14 Angaben in absoluter Teilnehmerzahl, n = 166 (ohne Briefwähler). Zusammenhang zwischen Wahlentscheidung vor und nach dem Duell: Χ²-Test mit Monte-Carlo-Simulation (10.0000 Stichproben, Startwert = 334.431.365): Χ²(36) = 699,56, p < .001, Cramers V = .84. Abbildung 6: Sicherheit der Wahlentscheidung vor und nach dem TV-Duell sehr 4 sicher CDU (n = 31) Grüne (n = 42) SPD (n = 26) 3 2 sehr 1 unsicher vor dem Duell nach dem Duell Veränderung durch das Duell: F(1, 96) = 21,20, p < .001, part. η² = .18 Unterschied nach Partei: F(2, 96) = 3,93, p = .023, part. η² = .08 Interaktion der Faktoren: F(2, 96) = 8,31, p < .001, part. η² = .15 Nur Teilnehmer, deren Wahlentscheidung für CDU, SPD oder Grüne konstant blieb und die ihre Stimme nicht bereits vor dem Duell per Briefwahl abgegeben hatten.