Major a. D. Diplomlehrer Rolf Stolpe. Die Entwicklung der Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte der Nationalen Volksarmee Einleitung Die Truppenluftabwehr (TLA) der Landstreitkräfte (LaSK) ist vergleichsweise eine relativ junge selbständige Waffengattung. Bis 1961 gehörte die Flakartillerie zur Waffengattung Artillerie. Am 01.01.1961 wurde die Flakartillerie der Landstreitkräfte aus dem Bestand der Artillerie herausgelöst und damit eine selbständige Waffengattung. Dieser Prozeß vollzog sich auch in den anderen Armeen des Warschauer Vertrages. Gründe für den Aufbau einer selbständigen Waffengattung Truppenluftabwehr waren u. a.: die konkrete Lage auf dem Kriegsschauplatz (die NATO verfügte über 2 Alliierte Luftflotten, Fliegerkräfte des Kommandos Ostseeausgänge und strategische Fliegerkräfte der USA), die Konzeptionen der Kriegführung auf Seiten der NATO, die eigenen Konzeptionen des WV für den Verlauf eines möglichen Krieges, die Gefechtseigenschaften der Luftangriffsmittel, die Entwicklung und Vervollkommnung der Luftabwehrmittel, die Erfordernisse der Führung und Feuerleitung. Wie sich diese junge Waffengattung der Landstreitkräfte bis zur Auflösung der NVA im Jahre 1990 entwickelte, welche Modernisierungsphasen sie durchlief, soll in dieser Arbeit skizziert werden.. Dabei stützte sich der Verfasser auf bereits vorhandene Literatur zu diesem Thema, aber auch auf Dokumente, Befehle und auf Studien zur Entwicklung der Truppenluftabwehr aus dem Militärarchiv Freiburg sowie dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam. Die Anfänge der Flakartillerie in der Hauptverwaltung für Ausbildung (HVA) und in der Kasernierten Volkspolizei (KVP) Die Hauptverwaltung für Ausbildung entstand im Herbst 1949 und war das zentrale Führungsorgan der VP-Bereitschaften und VP-Schulen. Sie wurde nach militärischen Gesichtspunkten aufgebaut und war der Vorläufer der Kasernierten Volkspolizei. Im Herbst 1950 wurden die Volkspolizei-Bereitschaften (VPB) in gemischte VP-Bereitschaften umstrukturiert. In diesen gemischten VPB wurden S-5-Abteilungen/ Kommandos aufgestellt. (S-5 war die Tarnbezeichnung für Flakartillerie in HVA und KVP) Diese ersten S-5-Abteilungen/Kommandos waren zunächst lediglich mit Handfeuerwaffen der ehemaligen Wehrmacht ausgerüstet. Über Fliegerabwehrkanonen (Flak) verfügten nur einzelne Flakbatterien (FBttr). Es fehlten auch ausgebildete Offiziere und Unteroffiziere der Flakartillerie. Erst 1951 wurde eine Offiziersschule zur Ausbildung der Flak-Offiziere gegründet. Die Ausbildung in den S-5 Batterien erfolgte in der ersten Zeit, soweit vorhanden, an Flak der ehemaligen Wehrmacht, und diese Kanonen (20-mm-Flak, 37-mm-Flak, 8,8-cm-Flak) wurde von den Einheiten selbstständig von Schrottplätzen beschafft. Die Sowjetunion lieferte nur zögerlich Flak zur Ausrüstung der S-5 Abteilungen/Kommandos. Eine erste Lieferung erfolgte am Anfang des Jahres 1950 (33 Flak 37-mm-M 39), eine weitere Mitte 1952 (80 Flak 37-mm und 85-mm, sowie eine größere Anzahl Fla-Mg-12,7-mm). (1) Das waren alles Waffen sowjetischer Produktion, die bereits im Zweiten Weltkrieg von der Sowjetarmee genutzt wurden. Im Juli 1952 wurde die HVA in KVP umbenannt und reorganisiert. Im Rahmen dieser Reorganisation wurde für die Flakartillerie im Stab der KVP beim Chef der Verwaltung Bewaffnung die Dienststellung eines Stellvertreters S-5 geschaffen. In der Territorialverwaltung Nord (TV-Nord) und in der Territorialverwaltung Süd (TV-Süd) gab es beim Chef Artillerie ebenfalls einen Stellvertreter S-5. Ende 1955, also kurz vor der Gründung der Nationalen Volksarmee, waren in der Territorialverwaltung Nord zwei S-5-Kommandos (Regimenter) und zwei S-5Abteilungen aufgestellt, die gleiche Aufstellung erfolgte in der Territorialverwaltung Süd. Das S-5- Kommando Potsdam VIII gehörte zur Mechanisierten Bereitschaft Potsdam (Bereitschaft = Division), die dem Stab der KVP direkt unterstellt war. Die S-5-Abteilungen/Kommandos der A- und Mech.-Bereitschaften (A-Bereitschaft = Infanteriedivision) waren mit der 37-mm-Flak und dem Fla-MG-12,7 mm ausgerüstet und besaßen keine Funkmeßstationen. Zur Fla-Bewaffnung der S-5-Kommandos, die den Territorialverwaltungen direkt unterstellt waren, gehörten neben der 37-mm-Flak die 85-mm-Flak mit der Funkmeßaufklärungsstation RBS-8, der Geschützrichtstation 4 (GRS-4) und dem Kommandogerät PUASO-3. Der Personalbestand und die Fla-Technik der S-5-Abteilungen/Kommandos der KVP bildeten die Grundlage für die Aufstellung der Flakregimenter (FR) der Landstreitkräfte der NVA. Der Aufbau der Flakartillerie in der NVA in den Jahren 1956-1960 Am 18. Januar 1956 verabschiedete die Volkskammer das Gesetz zur Gründung der NVA und des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV) Mit dem Befehl 1/56 des Ministers für Nationale Verteidigung (2) begann der Prozeß der Formierung, Strukturierung und Dislozierung der zwei Militärbezirke (MB), der Divisionen und Regimenter. Bis zum 1. März 1956 wurden der Militärbezirk V in Pasewalk (später verlegt nach Neubrandenburg), der Militärbezirk III in Leipzig mit den Stäben sowie die den Militärbezirken unterstellten Truppenteile und Einheiten aufgestellt. (3) Bereits Ende des Jahres 1956 konnte der Aufbau der Landstreitkräfte mit der Formierung des Militärbezirks V mit der 1., 6., 8.motorisierten Schützendivision, der 9. Panzerdivision mit den dazugehörigen Flakregimentern FR-5, (Ueckermünde, später nach Prenzlau verlegt), FR-1 (Potsdam), FR-6 (Pasewalk ), FR-8 (Prora) und des Militärbezirkes III mit der 4. und 11., motorisierten Schützendivision, der 7.Panzerdivision mit dem FR-4 (Erfurt), dem FR-11 (Halle), FR-7 (Zittau) strukturell im wesentlichen abgeschlossen werden. Dazu gehörte auch die Ausrüstung der motorisieren Schützenregimenter mit zwei Flakbatterien; die Panzerregimenter erhielten eine Flakbatterie und die motorisierten Schützenbataillone einen Fla-MGZug. Im November 1958 wurde die 6. motorisierte Division aufgelöst und damit auch das Flakregiment-6. Die Bewaffnung und der Personalbestand dienten zur Auffüllung der Flakregimenter 8 und 9. Die Flakartillerie der Landstreitkräfte gehörte zu diesem Zeitpunkt immer noch zur Artillerie. Zur Erstbewaffnung der Flakregimenter 3 und 5, die den Militärbezirken III und V direkt unterstellt waren, gehörten die 85-mm-Flak, die 37-mm-Flak und das Fla-MG- 12,7-mm (DSchK 38/46), alles Waffen sowjetischer Produktion, die von der Sowjetarmee bereits im zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden. Die 85-mm-Flak gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit auch zur Bewaffnung der Flakartillerie der anderen Armeen des Warschauer Vertrages. Die Sowjetarmee hatte die 85-mm-Flak bereits 1949/1950 aus der Bewaffnung genommen. Das Waffensystem der 85-mm-Flak stützte sich auf eine für die damalige Zeit relativ moderne Funkmeß- und Rechentechnik, die eine hohe Effektivität des Schießens ermöglichte. Zu jeder Batterie gehörte eine Geschützrichtstation (GRS-4), ein Entfernungsmeßgerät (4- Meter-Basis) und ein Kommandogerät (PUASO-3). Die Reichweite der Geschützrichtstation betrug ca. 60 km. In dieser Entfernung konnten Luftziele aufgefaßt, begleitet und erste Schußwerte (Seitenwinkel, Höhenwinkel) ermittelt werden. Diese Werte wurden zur Berechnung der Vorhaltewerte für die Kanonen zum Kommandogerät geleitet. Mit diesem Waffensystem konnten Luftziele bis zu einer Höhe von 10230 m und Erdziele im indirekten Richten bis zu einer Entfernung von rund 15000 m bekämpft werden. Die Feuergeschwindigkeit betrug 15-20 Schuß/min, die Anfangsgeschwindigkeit (V0) 880 m/s. Diese Waffe war im Zweiten Weltkrieg so erfolgreich, daß die deutsche Wehrmacht sie als Kriegsbeute schätzte und alle erbeuteten Flak neben ihrer eigenen 8,8-cm-Flak im Rahmen der Heimatverteidigung einsetzte (Rohre nach Verbrauch der Originalmunition auf 8,8 cm aufgebohrt oder Seelenrohr der 8,8-cm-Flak eingesetzt). (4) Die 85-mm-Flak kam Anfang der 1960er Jahre noch in Vietnam zum Einsatz und bewährte sich im Rahmen ihrer Gefechtseigenschaften. Die 37-mm-Flak M 39 gehörte ebenfalls zur Bewaffnung der Flakregimenter der MSD/PD sowie der Flakbatterien der Motorisierten Schützenregimenter und Panzerregimenter. Sie war eine halbautomatische Fliegerabwehrkanone, die zur Bekämpfung tieffliegender Ziele eingesetzt wurde. Die günstige Schußentfernung betrug 3000-4000 m, die Schußfolge 50-60/min., VO 880 m/s. Mit der Kanone konnten Einzelfeuer, kurze Feuerstöße (2-3 Schuß), lange Feuerstöße (5-10 Schuß) und Dauerfeuer geschossen werden. Erd- und Luftziele wurden mit einem optischen Visier erfaßt.. An dieser Visiereinrichtung war das Einstellen bestimmter Schußwerte (Entfernung, Geschwindigkeit, Kurs, Neigung und Steigung), zur Berechnung des Vorhaltewinkels beim Schießen auf Luftziele möglich. Die Entfernung zum Luftziel wurde mit dem E-Meßgerät (1-Meter-Basis) laufend gemessen und am Visier eingestellt. Die anderen Werte zur Berechnung des Vorhaltewinkels (Geschwindigkeit, Kurs, Neigung/Steigung) wurden geschätzt. Die Trefferwahrscheinlichkeit beim Schießen auf Luftziele mit der 37-mm.-Flak M 39 war relativ gering, da direkte Treffer am Ziel notwendig waren, um es zu vernichten. Das Fla-MG-14,5-mm-Vierling (ZPU 4) war die Bewaffnung der zweiten Flakbatterie in allen Mot.-Schützenregimentern und das Fla-MG-14,5-mm-Zwilling (ZPU 2) die Fla-Bewaffnung in allen Mot.-Schützenbataillonen der Landstreitkräfte. Beide Waffen stammten aus der Nachkriegproduktion der Sowjetunion und dienten der Bekämpfung von Luftzielen in geringen Höhen sowie der Bekämpfung von Erdzielen. Das Fla-MG (ZPU 4/ZPU 2) war mit einer optischen Visiereinrichtung ausgerüstet, mit der Luftziele bis zu einer Geschwindigkeit von 300 m/s bekämpft werden konnten. Die Feuergeschwindigkeit betrug 550 Schuss/min pro Lauf, die günstige Schußentfernung zur Bekämpfung der Luftziele betrug 2000 m. Die rasche qualitative und quantitative Entwicklung der Luftangriffsmittel der NATO in den 50er Jahren machte eine Modernisierung der Flakartillerie aller Armeen des Warschauer Vertrages unbedingt erforderlich. Ab 1957 begann die Ausrüstung der Flakartillerie der Landstreitkräfte der NVA mit neuen, leistungsfähigeren sowjetischen Waffensystemen. Die Flakregimenter (FR-3, FR-5) der beiden Militärbezirke erhielten schrittweise die Funkmeßrundblickstationen P-12 (wurde ständig weiterentwickelt; Reichweite 275 km.) und P-15. Die P-15 war in der Lage, Luftziele in geringen Höhen aufzufassen und sie zu begleiten. Die Reichweite betrug maximal 250 km. Die P-15 gehörte auch zur Ausrüstung der Flakregimenter in den Motorisierten Schützendivisionen und Panzerdivisionen. Bei den Luftstreitkräften/ Luftverteidigung kam diese Station in Verbindung mit dem Fla-Raket enkompl ex „ Newa“5W27( NATO-Code SA-3C GOA) zum Einsatz. Die Flakbatterien der beiden Flakregimenter (FR-3, -5) erhielten nach und nach die Geschützrichtstation 9 (Ende der 50er die GRS-9A), das Kommandogerät 6/16 und die 100-mm-Flak KS 19. Mit der GRS-9a konnte man Luftziele bis zu einer Entfernung von 60 km orten und ab 40 km automatisch begleiten. Die ermittelten Seitenund Höhenwinkel wurde über ein Kabel an das Kommandogerät 6/16 zur Berechnung der Vorhaltewerte/Schußwerte übertragen. Luftziele wurden mit dieser Kanone bis zu einer Höhe von 12700 m und Erdziele im indirekten Richten bis 21000 m bekämpft. Gerichtet wurde die 100-mm-Flak von Hand (Höhe und Seite) oder durch Elektromotore beim Schießen auf Luftziele nach Angaben der GRS und des Kommandogeräts. Die Schußfolge betrug 14-15 Schuß/min, die Anfangsgeschwindigkeit V0 900 m/s. Zur gleichen Zeit erhielten die Flakregimenter der MSD/PD und eine Flakbatterie der Motorisierten Schützenregimenter/Panzerregimenter ebenfalls neue Fla-Technik. Die Flakregimenter bekamen die Funkmeß-Aufklärungsstation P-15, die Geschützrichtstation 9 bzw. 9A, das Kommandogerät 6/19, die radargesteuerte 57-mm-Flak S 60 und die Fla-SFL-57-mm-Zwilling (ZSU 57/2). Mit diesem Fla-System auf Selbstfahrlafette (Fahrgestell vom Panzer T 54, aber nur 4 Laufrollen) wurde auch eine Flakbatterie der MSR/PR ausgerüstet. Die 57-mm-Flak war eine halbautomatische Kanone, mit der Einzelfeuer, Feuerstöße (kurze 2-3, lange 5-10) und Dauerfeuer geschossen werden konnte. Das Schießen auf Luftziele erfolgte nach Angaben der Geschützrichtstation, Entfernung, Höhenund Seitenwinkel wurden zum Kommandogerät weitergeleitet. Das Kommandogerät errechnete die Schußwerte, die mittels Synchronkabel über den zentralen Verteilerkasten an die Kanonen der Batterie übertragen wurden. Die elektrischen Antriebe stellten an jedem Geschütz den errechneten Vorhalte- und Höhenwinkel ein. Beim Einflug des Luftzieles in die Feuerzone ertönte bei jedem Geschütz ein Signal für die Feuereröffnung. Ein weiteres Schießverfahren war das Schießen mit der optischen Visiereinrichtung. Dieses Schießverfahren wurde zur Bekämpfung von Luft- und Erdzielen angewandt. Zur Berechnung des Vorhalte- und Aufsatzwinkels wurden Entfernung, Geschwindigkeit, Kurs des Zieles an der optischen Visiereinrichtung eingestellt. Die Feuergeschwindigkeit betrug 60-70 Schuß/min, die V0 1000 m/s. Die Fla-SFL-57/2 war nur mit einer optischen Visiereinrichtung ausgerüstet und besaß kein eigenes Feuerleitgerät (die anderen Parameter waren mit der 57-mmFlak identisch). Beide Waffensysteme waren in der Lage, Luftziele aus dem kurzen Halt zu bekämpfen. Der Prozeß der Umrüstung der Flakartillerie der Landstreitkräfte war 1960 bzw. 1961 abgeschlossen. Die neuen Fla-Systeme hatten eine größere Reichweite und die Geschosse eine höhere Wirksamkeit (größeres Kaliber, größere Splitterwirkung). Außerdem waren sie manövrierfähiger und hatten, vor allem auf Grund der moderneren Feuerleittechnik, eine höhere Vernichtungswahrscheinlichkeit. Dadurch verbesserten sich die Gefechtsmöglichkeiten der damaligen Flakartillerie erheblich. Die Flakartillerie der Landstreitkräfte gehörte aber immer noch zum Bestand der Artillerie. Zur Bewaffnung der Flakregimenter der Landstreitkräfte gehörte Ende 1960 folgende Fla-Technik: 1. Flakregimenter der beiden Militärbezirke (FR-3 und FR-5): - je eine Funkmeßaufklärungsstation P-12 - je 6 Flakbatterien. Zu einer Batterie gehörten eine Geschützrichtstation 9A, ein Kommandogerät 6/16 und 6 100-mm-Flak KS-19. 2. Flakregimenter der Mot.- Schützen- und Panzerdivisionen: (MB III FR-4, -7, - 11 / MB V FR-1, -8, - 9) - je eine Funkmessaufklärungsstation P- 15, - je 4 Flakbatterien, zwei Fla-SFL-57/2 Batterien mit 6 Fla-SFL und zwei Batterien 57-mm-Flak S 60 mit einer Geschützrichtstation 9a, einem Kommandogerät 6/19 und 6 Kanonen. 3. Flakbatterien in den Mot.- Schützenregimentern: - eine Batterie Fla-SFL-57/2 (4 Fla-SFL) - eine Batterie Fla-MG-14,5-mm- Vierling (4 Fla-MG) - zu jedem Mot.- Schützenbataillon gehörte ein Fla-MG-Zug (2 Fla-MG 14,5Zwilling) 4. Flakbatterien der Panzerregimenter: - eine Fla-SFL-Batterie 57-mm- Zwilling mit 4 Fla-SFL-57/2. Die Flakartillerie wird eine selbständige Waffengattung der Landstreitkräfte - die Truppenluftabwehr. Am 1. Januar 1961 wurde die Flakartillerie aus der Waffengattung Artillerie herausgelöst und damit eine selbständige Waffengattung, die Truppenluftabwehr (TLA) der Landstreitkräfte der NVA. (5) Erfahrene und qualifizierte Offiziere der Flakartillerie wurden mit der Führung dieser jungen Waffengattung beauftragt. Im Ministerium für Nationale Verteidigung wurde Oberstleutnant Garz als Chef der Abteilung Truppenluftabwehr eingesetzt. Im Militärbezirk III war der erste Chef der jungen Waffengattung Oberstleutnant Möller, der im Verlauf des Jahres 1961 von Oberst Liebig abgelöst wurde. Im Militärbezirk V war es Oberstleutnant Schellenberger. Zur Führung verfügten sie vorerst nur über eine Funktechnische Kompanie (FuTK), ab 1975 über ein Funktechnisches Bataillon. In den Mot.-Schützen- und Panzerdivisionen wurde die Dienststellung Oberoffizier Flak beim Chef Artillerie in die eines Chefs Truppenluftabwehr der Division umgewandelt. Er führte die Flakregimenter des Verbandes und die Flakbatterien der Mot.Schützen- und Panzerregimenter mit Hilfe eines Führungszuges, der in den Folgejahren zu einer Führungsbatterie umgebildet wurde und erst 1968 zwei Funkmeßaufklärungsstationen zur Aufklärung von Luftzielen und Zielzuweisung für die Flakregimenter und Flakbatterien erhielt. Unter der Leitung des Chefs Artillerie und des Leiters Flakartillerie des MfNV hatten bereits 1959 Untersuchungen hinsichtlich der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer selbständigen Waffengattung Truppenluftabwehr für die Landstreitkräfte der NVA begonnnen. Ursachen für diese Untersuchungen waren: die Strukturveränderungen in der Sowjetarmee, (die Flakartillerie der LaSK der Sowjetarmee war Ende der 50er Jahre bereits eine selbständige Waffengattung); die Analyse des Einsatzes der Flak zur Deckung der Truppen im Zweiten Weltkrieg und in den Kriegen danach; Strukturveränderungen der Artillerie der NVA (ab 1961 wurden erste Raketentruppen der LaSK aufgestellt). Die oben genannten Faktoren, die unterschiedlichen Führungs- und Feuerleitprinzipien, die Spezifik der Bewaffnung und Ausrüstung der Flakartillerie, veranlaßten die Führung der NVA, eine selbständige Waffengattung, die Truppenluftabwehr, zum Schutz der Landstreitkräfte gegen Luftangriffe zu schaffen. (6) Ab Oktober 1961 erfolgte die Umstrukturierung der Flakregimenter der MSD und PD in Flakabteilungen (FAbt). (7) Aus den Flakregimentern der Mot.-Schützen- und Panzerdivisionen wurde eine Fla-SFL-Batterie herausgelöst, die Führungszüge der restlichen drei Flakbatterien in Führungsgruppen umstrukturiert. Des Weiteren erfolgte die Auflösung der Fla-SFL-Batterien (4 Fla-SFL-57/2) in den Mot.Schützenregimentern und der Fla-MG-Züge der Mot.-Schützen-Bataillone (2 Fla-MG14,5-mm-Zwilling). So verblieben in den Mot.-Schützenregimentern lediglich je eine Fla-MG-Batterie 14,5-mm-Vierling. In den folgenden Jahren (1962-65) erfolgten wietere Strukturveränderungen der Truppenluftabwehr, die zur Reduzierung der Bewaffnung und des Personalbestandes führten. So wurde zum Beispiel in einer MSD die Fla-Bewaffnung um 20 Fla-SFL-57/2 und 18 Fla-MG-14,5/2 reduziert. (8) Die vorhandene Fla-Bewaffnung einer MSD/PD gewährleistete Ende 1965 nur noch die Deckung von ca. 20% aller vorhandenen Deckungsobjekte einer Division. Offiziere der Abteilung Truppenluftabwehr im Ministerium für Nationale Verteidigung machten, in Übereinstimmung mit den Chefs Truppenluftabwehr der Militärbezirke und der MSD/PD, wiederholt darauf aufmerksam, daß die vorhandene Fla-Bewaffnung der TLA eine wirksame Sicherung der Truppen gegen Luftangriffe nicht gewährleisten könne. (9) Die Reduzierung der Kräfte und Mittel der TLA in den Jahren 1960-62 hatte verschiedene Ursachen. In führenden militärischen Kreisen ging man davon aus, daß die Zeit der Flak vorbei sei und sie vollständig durch Raketen ersetzt werden würde. Deshalb wollte man keine weitere Rohrartillerie in die Bewaffnung aufnehmen bzw. die vorhandenen Mittel der Flak aussondern. Zudem führten der rasche Ausbau und die Ausrüstung der Luftverteidigung des Landes mit Fla-Raketen, die mit der Neuaufstellung von Fla-Raketenregimentern einherging, zum Abzug einer größeren Anzahl von Offizieren der TLA zu Gunsten der LSK/LV. Es gab keine klaren Konzeptionen dafür, wie der Schutz der LaSK gegen Luftangriffsmittel generell zu lösen und wie die TLA zu gliedern und auszurüsten war. Ab 1962 wurden dann erste Maßnahmen eingeleitet, um die Kampfkraft der TLA zu erhöhen. (10) In den nachfolgenden Jahren wurde für den Fla-MG-14,5-Vierling die 23-mm-FlakZwilling (ZU 23/2) in die Ausrüstung der Mot.- Schützenregimenter beider Divisionstypen aufgenommen. Das war eine Waffe, die auf Grund ihrer Konstruktion bessere Manövrierfähigkeiten als das Fla-MG-14,5/4 besaß und durch ihre Munition (Granaten mit Aufschlagzünder und Selbstzerleger) eine größere Wirkung bei direkten Treffern erreichte. Die günstige Schußentfernung beim Schießen auf Luftziele betrug 1000-1500 m, die Feuergeschwindigkeit 200 Schuß/min für jede Waffe. Die Waffe wurde auch zur Bekämpfung von Erdzielen eingesetzt. Durch die Übernahme des Waffensystems Fla-SFL-23-mm-Vi er l i ng„ Schi l ka“( ZSU 23/4) ab 1968 sowie mit der Durchführung der ersten Lehrgänge zur Einführung des Fla-Raketenkomplexes Strela-2 (NATO-Code SA-7 Grail) begann für die Waffengattung Truppenluftabwehr ein qualitativ neuer Entwicklungsabschnitt. Mi tder„ Schi l ka“ ,di eschr i t t wei sei ndi eFl akbat t er i enderMot . -Schützen- und Panzerregimenter eingeführt wurde und dort die Fla-SFL-57/2 (PR) bzw. die 23-mmZwilling-Flak (MSR) ablöste, verfügte die Truppenluftabwehr über ein Waffensystem, das in sich das Funkmeßfeuerleitgerät, die Waffe und die Energiequelle in einem äußerst geländegängigen Vollkettenfahrzeug vereinigt. Jedes Gefechtsfahrzeug stellte einen Zielkanal dar, das heißt, jede Fla-SFL-23/4 konnte mit dem Funkmeßfeuerleitgerät Luftziele selbständig aufklären, automatisch begleiten und mit hoher Wirkung bekämpfen. Die vier wassergekühlten Maschinenkanonen hatten eine Feuergeschwindigkeit von 2000 Schuß/min. Der Kampfsatz einer Fla-SFL betrug aber nur 2000 Schuß. Das bedeutete, daß der Abzugskanonier gut ausgebildet sein mußte, um mit einem Feuerstoß möglichst wenige Granatpatronen zu verschießen (nur max. 120 Schuß/min) Eine Stabilisierungseinrichtung ermöglicht das Bekämpfen der Luftziele aus der Bewegung. Zieldaten konnten mit dem Funkmeßgerät ebenfalls in der Bewegung ermittelt und in die Feuerleitanlage eingespeist werden. Nachdem die Richtwerte errechnet waren, wurde die Vierlingskanone automatisch zur Bekämpfung des Luftzieles auf den Vorhaltepunkt geschwenkt. Die Besatzung war des Weiteren in der Lage, mit dem optischen Visier Luft- und Erdziele zu bekämpfen. Ein Nachteil dieses Waffensystems war, daß die günstige Kampfentfernung auf Luftziele nur 1500 m betrug. Die Fla-SFL-23/4 ist auch u. a. von Ägypten und Syrien in großen Stückzahlen in Dienst gestellt worden und hat sich im arabisch-israelischen Krieg 1973 hervorragend bewährt. (11) Weiterhin wurden zur effektiveren Führung und Feuerleitung der Flakregimenter/Flakabteilungen die Führungszüge der Chefs Truppenluftabwehr der Mot.Schützen–und Panzerdivisionen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre in Führungsbatterien umstrukturiert und mit zwei Funkmeßaufklärungsstationen RBS-15 ausgerüstet. Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre wurden die GRS-9, GRS-9A und die Kommandogeräte aus den Beständen der FR/FAbt nach und nach entfernt und durch ein neues Funkmeßfeuerleitgerät RPK-1A ersetzt. Die Station RPK-1A verfügte über umfangreichere Störschutzsysteme als die GRS-9/9A und eine höhere Betriebszuverlässigkeit. Die RPK-1A war ein mobiles Funkmeßfeuerleitgerät auf Basis des KFZ Ural, das die Aufgaben der Geschützrichtstation und die Aufgaben des Kommandogeräts, vereint als ein Gerät, mit wesentlich besseren Parametern löste. Die RPK-1A war in der Lage, Luftziele bei einer Entfernung von 60 km aufzuklären, zu orten und ab 40 km automatisch zu begleiten. Die Mobilität der Flakbatterien erhöhte sich, ein Zugmittel und die Bedienung des Kommandogerätes wurde eingespart. Mit dieser Station erhöhte sich die Trefferwahrscheinlichkeit der 100-mm-Flak und der 57-mm-Flak erheblich. Die Umstrukturierung der Flakabteilungen in den Mot.-Schützen- und Panzerdivisionen zu Flakregimentern am Anfang der 70er Jahre, führte zu einer weiteren Erhöhung der Kampfkraft der Truppenluftabwehr. Zur Fla- Bewaffnung der Flakregimenter beider Divisionstypen gehörten jetzt, zwei Funkmeßaufklärungsstationen vom Typ P-15, die 4 Flakbatterien mit je einer RPK-1A und je 6 57-mm-Flak. Alle Flakbatterien waren nun mit radargesteuerten Fliegerabwehrkanonen ausgerüstet und in der Lage, Luftziele am Tage, in der Nacht und unter allen Wetterbedingungen zu bekämpfen. Die Fla-SFL-57/2, die bisher zur Bewaffnung der 3. Batterie der FR gehörte, wurde bis 1974 aus allen Flakregimentern ausgesondert. In diesen Zeitraum fällt auch die Einführung der ersten Fla-Raketenkomplexe (FRK) 9M32 Strela-2 (NATO-Code: SA-7a Grail) in die Struktur der Mot.- Schützen- und Panzerregimenter. In jedem Mot.- Schützenbataillon gab es Anfang der 70er Jahre eine Fla-Raketenschützen-Gruppe (zwei Schützen), die mit der tragbaren Strela-2 ausgerüstet waren. Die Gruppe ist im Verlauf der 80er Jahre zum Fla-RaketenSchützenzug ausgebaut worden. 1972 folgte die kampfwert- und leistungsgesteigerte 9M 32 M (SA-7b). Die Einsatzhöhe der 9M 32 M betrug 45 bis 5600 m. Mit der Strela-2 konnten Luftziele in geringen Höhen bekämpft werden. Die Bedienung der Strela-2 war einfach: Über das offene Visier richtete der Schütze die Waffe auf das Ziel. Dabei hielt er den Abzug zur Hälfte durchgezogen. Solange der Zielsuchkopf das Ziel noch nicht erfaßt hatte, leuchtete eine rote Lampe. Wenn das Ziel erfaßt war, ertönte ein akustisches Signal und anstelle der roten leuchtete eine grüne Lampe auf. Zum Start der Rakete zog der Schütze den Abzug voll durch. Da der Suchkopf primär auf Flugzeug- und Hubschraubertriebwerke (Wärme) ansprach, konnten Ziele mit diesem Raketensystem hauptsächlich nur im Nachschuß bekämpft werden. Zu Beginn der 70er Jahre verfügte die Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte über Kräfte und Mittel, die in der Lage waren, zu jeder Tages- und Nachtzeit die Hauptkräfte bzw. ausgewählte Objekte der Mot.- Schützen- und Panzerdivisionen während des Gefechts, in Bereitstellungsräumen und während des Marsches zu decken. Die stürmische technische Weiterentwicklung der Luftangriffsmittel sowie die Auswertung der Kriege am Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre zeigte aber, daß die Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte mit der vorhandenen Führungs-, Aufklärungsund Fla-Technik die Grenzen ihrer Gefechtsmöglichkeiten erreicht hatte. (12) Die Einführung der Fla-Raketenkomplexe (FRK) Die forcierte Entwicklung der Luftwaffe der NATO sowie die Auswertung der lokalen Kriege in Südostasien und im Nahen Osten machten eine weitere Modernisierung der Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte zu einem dringenden Erfordernis. Diese Umrüstung der Truppenluftabwehr konnte nur durch einen komplexen Prozeß der Einführung moderner Fla-Raketensysteme, also durch einen tiefgreifenden Wechsel ihrer Kampftechnik erfolgen. Es begann die Indienststellung eines abgestimmten Systems hochmobiler und effektiver sowjetischer Fla-Raketenkomplexe mit unterschiedlicher taktischer Bestimmung und Reichweite. Im Zeitraum von 1972 bis 1982, also in nur 10 Jahren, wurden 1. zwei Fla-Raketenregimenter der Militärbezirke III und V (FRR-3 in Hohenmölsen, FRR-5 in Basepohl) neu aufgestellt und mit dem mobilen Fla-Raketenkomplex Krug 2k11 (NATO-Code:SA-4 Ganef) ausgerüstet. Die Reichweite der Raketen betrug 1,1bis 50 km, die Einsatzhöhe 24000 m. 2. die Flakregimenter 3 und 5 in Flakabteilungen umstrukturiert. Beide Abteilungen waren den Militärbezirken direkt unterstellt und wurden1986 aufgelöst. 3. die Flakregimenter der Mot.-Schützendivisionen und der Panuerdivisionen kontinuierlich zu Fla-Raketenregimentern (FRR) mit dem Fla-Raketenkomplex Kub 2k12 kleiner Reichweite umgerüstet. (Reichweite 4-25km, Einsatzhöhe 50-12000m). Im MB III waren das die FR 4, 7 und 11; im MB V die FR 1, 8 und 9. 4. sowohl tragbare Einmann-Fla-Raketen als auch mobile,schwimmfähige auf SPW 40P2 montierte Fla-Raketenkomplexe Strela-1 (NATO- Code: SA-9 Gaskin) geringer Reichweit (0,6- 7 km Reichweite, Einsatzhöhe 50-4000 m) in die Struktur der Mot.- Schützen- und Panzerregimenter eingeführt. Die Strela1 besaß kein eigenes Funkmeßfeuerleitgerät und war deshalb bei der Bekämpfung der Luftziele auf die Zielaufklärung und Zielzuweisung durch andere Funkmeßfeuerleitgeräte angewiesen. In den Panzerregimentern wurde die Strela-1 nach und nach gegen den leistungsfähigerem Fla-Raketenkomplex Strela-10 (NATO- Code: SA-13 Gopher) ausgetauscht. Das FlaSystem Strela-10 war auf das Fahrgestell des schwimmfähigen Artillerieschleppers MT-LB gesetzt und zwischen den Startbehältern eine Entfernungsmessradarantenne installiert worden. Dieses Fla-System wurde ebenfalls zur Bekämpfung der Luftziele in geringen Höhen eingesetzt. Die Reichweite der Rakete betrug 0,5-8 km, die Einsatzhöhe 20-4000 m. (13) Der Umrüstungsprozeß in der Truppenluftabwehr (Einführung der Fla-Rakete-technik) vollzog sich zusammen mit der Bildung des Kommandos der Landstreitkräfte (LaSK) in Geltow bei Potsdam, bei gleichzeitiger Herauslösung der Verwaltung Truppenluftabwehr aus dem Ministerium für Nationale Verteidigung (01.12.1972). Im Kommando Landstreitkräfte wurde der Dienstbereich Truppenluftabwehr gebildet. Erster Chef der Truppenluftabwehr war Oberst Horst Garz. Am 1. Oktober 1973 wurde Oberst Paul Kneiphoff (1975 Generalmajor/1982 Generalleutnant) als Chef Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte eingesetzt und übernahm den Dienstbereich Truppenluftabwehr. Oberst Garz wurde aus dem aktiven Wehrdienst entlassen. Der Dienstbereich Truppenluftabwehr war unter anderem verantwortlich für: die Organisation und Kontrolle der Gefechtsausbildung der Fla-Truppenteile, der Funktechnischen Bataillone; die Anleitung der Sektion 05 (TLA) an der Offiziershochschule in Löbau; den Aufbau des Fla-Raketenausbildungszentrums (FRAZ) in Zingst; die Einführung der Fla-Raketenkomplexe sowie Erarbeitung der Programme für die Gefechtsausbildung; die Planung der Gefechtsschießen mit den Fla-Raketenkomplexen Krug, Kub und Osa-AK in der Sowjetunion sowie die Kontrolle der Vorbereitung, des Transports der Truppen und der Durchführung des Schießens. 1984 erfolgte die Umrüstung des Fla-Raketenregiments 8 auf den Fla-RaketenKomplex Osa-AK (NATO-Code: SA-8 Gecko). Im Fla-Raketenregiment 11 erfolgte diese Umrüstung 1986. Die Osa-AK war ein hochmobiles, autonomes, schwimmfähiges Fla-Raketen-System. Auf einem Sechsrad-Transporter waren Aufklärungs-, Zielbegleitstationen, Funkkommandosender sowie sechs Fla-Raketen im Container installiert. Die elektro-optische Zielfolgekamera war auf der Antenne des Zielfolgeradars montiert. Die beiden Folgeradarantennen konnten mit unterschiedlichen Frequenzen eingesetzt werden, was gegnerische elektronische Störungen erschwerte. Der größere Gefechtswert des Fla-Raketenkomplexes Osa-AK bestand in folgenden Vorzügen: In einem Basisfahrzeug waren Start- und Leitstation (SLS), Aufklärungsstation, Startausrüstung und Stromversorgung vereinigt. Als schwimmfähiges Räderfahrzeug verfügte dieser Komplex über bessere Manövrierfähigkeiten. Der technische Aufwand zur Vorbereitung der Fla-Raketen war auf ein Minimum reduziert, da sich diese in hermetisierten Containern befanden. Der Fla-Raketenkomplex Osa-AK hatte gegenüber dem FRK Kub eine bedeutend größere Effektivität hinsichtlich der gleichzeitig bekämpfbaren Ziele. Entscheidende Voraussetzung für den taktisch wirksamen Gefechtseinsatz der FlaRaketenkomplexe sowie die Ausnutzung ihrer Gefechtsmöglichkeiten war die gleichzeitige Ausrüstung der Fla-Raketen-Regimenter mit entsprechender FührungsAufklärungs- und Sicherstellungstechnik. Dazu gehörten: die automatisierten Feuerleitkomplexe K-1 (Krab) in den Fla-Raketen-Regimentern, die mit dem FRK Kub bzw. Krug ausgerüstet waren); die automatisierte Führungsstelle PU-12 zu Führung und Feuerleitung der FlaRaketen-Regimenter, die mit dem Fla-Raketenkomplex Osa-AK ausgerüstet waren sowie der Fla-Mittel in den Mot.-Schützenregimentern/ Panzerregimentern durch den Leiter Truppenluftabwehr; die Funkmeßaufklärungsstationen P-40, P-19, P-18, die Aufklärungs- und Zielzuweisungsstation (AZS) 1S1 und der Funkmeßhöhenfinder PRW-16 in den Führungseinheiten der Chefs TLA der Mot.-Schützen-/Panzerdivisionen sowie in den Fla-Raketenregimentern und den Funktechnischen Bataillonen. Mit der Einführung der beiden Feuerleitsysteme wurde eine automatisierte Zielzuweisung zu den Fla-Raketenbatterien direkt möglich (nicht beim FRK Krug; automatisierte Übertragung nur bis FRA möglich). Vom Gefechtsstand des Fla-Raketenregiments wurden die Zielkoordinaten über Funk an die Batterieführungsstellen (beim Fla-Raketenkomplex Kub) und an die Führungsstellen der Abteilungen (beim FlaRaketenkomplex Krug) weitergeleitet. Die Batterieführungsstellen waren mit einem Empfangsgerät (9S417) ausgerüstet, das die empfangenen Zielkoordinaten für den Standort der Fla-Raketenbatterie errechnete und über ein Kabel direkt an die Aufklärungs- und Leitstation 1S91 der Batterie weiterleitete. Die Station konnte das Luftziel sofort auffassen, identifizieren, Schußwerte errechnen und die Rakete starten. Eine automatisierte Zielzuweisung durch die Chefs Truppenluftabwehr der Militärbezirke und Divisionen an die Fla-Raketenregimenter war nicht gewährleistet. Die Einführung entsprechender Technik war zwar geplant, wurde aber aus finanziellen Gründen nicht realisiert. Ab 1985 konnten durch die Ausrüstung der Führungsorgane mit mobilen Feuerleiteinrichtungen Verbesserungen auf dem Gebiet der operativen Führung und der Feuerleitung erreicht werden. In diesen Führungsstellen war ein Sichtgerät installiert, mit dem nur bedingt eine automatisierte Führung erfolgen konnte. Die Führungsstellen waren im Bereich Truppenluftabwehr entwickelt worden und sollten eine Übergangslösung bis zur Einführung automatisierter Führungsstellen aus sowjetischer Produktion sein. Ergänzend zum Sichtgerät wurde nach wie vor die herkömmliche Methode, die Darstellung der Luftlage aus dem Netz der Benach- richtigung bzw. aus dem Netz Zielzuweisung auf dem Planchette, angewandt. Diese Führungsstellen konnten natürlich ein durchgängiges, automatisiertes und verzögerungsloses System der Informationsgewinnung, Bearbeitung und Übertragung vom Gefechtsstand der Armee bis in die Fla-Batterien, Fla-Abteilungen nicht voll ersetzen. Von 1981 bis 1989 wurden an allen Funkmeßaufklärungsstationen, Aufklärungs- und Zielzuweisungsstationen 1S12 und Funkmeßhöhenfindern Verbesserungen durchgeführt um: einen besseren Störschutz gegen alle Arten von Funkmeßstörungen zu gewährleisten; durch den Einbau spezieller Schaltungen den Schutz vor Antifunkmeßraketen zu erhöhen; durch die Komplettierung der Stationen eine automatisierte Informationsübertragung zu ermöglichen. Dadurch wurde der Gefechtswert aller Funkmeßstationen wesentlich erhöht. Ende 1988 verfügte die Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte über folgende FlaRaketenregimenter: Im MB III: das FRR-3 in Hohenmölsen, ausgerüstet mit dem FRK Krug (NATO-Code: SA-4 Ganef) mit 2 FRAbt. (6 FRBttr) das FRR-4 in Erfurt (4. MSD), ausgerüstet mit dem FRK Kub (NATO-Code: SA-6 Gainful) mit 4 FRBttr. das FRR-7 in Zeithain (7. PD), ausgerüstet mit dem FRK Kub mit 5 FRBttr. das FRR-11 in Weißenfels (11. MSD) ausgerüstet mit dem FRK Osa-AK (NATO-Code: SA-8 Gecko) mit 5 FRBttr. Im MB V : das FRR-5 in Basepohl, ausgerüstet mit dem FRK Krug, mit 2 FRAbt. (6 FRBttr) das FRR-1 in Brück (1. MSD), ausgerüstet mit dem FRK Kub, mit 4 FRBttr das FRR-9 in Eggesin (9. PD), ausgerüstet mit dem FRK Kub, mit 5 FRBttr. das FRR-8 in Stern-Buchholz (8. MSD), ausgerüstet mit dem FRK Osa-AK, mit 5 FRBttr. Zur Truppenluftabwehr gehörten auch die Fla-Waffen der Mot.-Schützen-Raketenartilleriebatterie mit einem Zug Fla-SFL-23/4 (4 Fla-SFL-23/4) und einem Zug FlaRaketen (4 Strela-1 auf SPW oder 4 Strela-10 auf Artillerieschlepper MT-LB). Die Mot. Schützenbataillone (MSB) und Panzerbataillone verfügten über eine FlaRaketen-Gruppe (FRG) oder über einen Fla-Raketen-Zug (FRZ), ausgerüstet mit dem tragbaren Fla-Raketenkomplex Strela-2, der in der zweiten Hälfte der 80er Jahre schrittweise durch den neueren Fla-Raketenkomplex 9K310 Igla (NATOCode: SA-16 Gimlet) abgelöst wurde. Die Igla war in der NVA nur in geringen Stückzahlen vorhanden. Die Truppenluftabwehr und das moderne allgemeine Gefecht Die Analyse der Kriege im 20. Jahrhundert (ab Zweitem Weltkrieg) und auch der Krieg der USA gegen den Irak (2003) lassen erkennen, wie wichtig die Ausrüstung der Bodentruppen mit effektiven Flugabwehrsystemen ist. Ein gemeinsames Merkmal all dieser Kriege war der massierte Einsatz der Luftwaffe der Angreifer in den ersten Tagen und Wochen gegen die feindlichen Bodentruppen, die Führungsstellen und die Konzentrierungsräume, aber auch gegen zivile Objekte. In der Sowjetunion, deren Armee besonders unter deutschen Luftangriffen gelitten hatte, wurde diese Lektion nicht vergessen. Sie hielt ihre Flugabwehr immer auf dem neuesten Stand und rüstete ihre Truppenluftabwehr planmäßig mit leistungsfähigen Fla-Kanonen und Fla-Raketen aus. Die Kenntnisse über die Dislozierung der gegnerischen Luftstreitkräfte, ihren Kampfbestand, ihre Gefechtsmöglichkeiten und vor allem über ihre Einsatzgrundsätze führten folgerichtig ständig zur Umstrukturierung der Truppenluftabwehr der NVA und zur Erneuerung ihrer Fla-Technik. Im Zusammenhang mit den Einsatzgrundsätzen des Luftgegners stellt Oberst a. D. Br i x( 14) f est :„ Zurunmi t t el bar enLuf t unterstützung seiner Landstreitkräfte war mit täglich bis zu 250 Starts im Handlungsstreifen eines Armeekorps und mit 80 bis 100 Starts für eine Division zu rechnen. Außerdem war von Schlägen strategischer Bombenflugzeuge bis zu einer Tiefe von 100 km..... und acht bis zehn Kampfhubschraubern koordiniert mit dem Feuer der Artillerie auszugehen.Im Verteidigungsstreifen einer Division konnte mit dem Einsatz von bis zu 56 Panzerabwehr hubschr auber nger ec hnetwer den. “( 15) Diese und andere Erkenntnisse belegen die Wichtigkeit der Truppenluftabwehr für den Schutz der eigenen Kampfeinheiten in allen Phasen des Gefechts. Von der Abwehr des ersten massierten Luftangriffs hing der Ausgang der Gefechtshandlungen der anderen Waffengattungen maßgeblich ab. In dieser Phase des Gefechts hatte die Truppenluftabwehr die Aufgabe, möglichst viele gegnerische Luftziele zu vernichten, um die Verluste der eigenen Truppen gering zu halten. Dieses erste Gefecht der Truppenluftabwehr war von besonderer Bedeutung für den erfolgreichen Verlauf der Gefechtshandlungen der Bodentruppen. Die Truppenluftabwehr verfügte am Ende der 80er Jahre über eine Gefechtsstruktur und Fla-Technik, die es ermöglichte, den Schutz der Hauptkräfte der zu deckenden Truppen vor Angriffen gegnerischer Luftangriffsmittel in allen Höhenbereichen bis zu 30 km bei Entfernungen bis zu 45 km zu gewährleisten. Eine Panzerdivision der NVA verfügte über 96 Zielkanäle und eine Mot.-Schützendivision (FRR mit dem FRK OsaAK ausgerüstet) über 89 Zielkanäle. (Als Zielkanal wurde eine Feuereinheit bezeichnet, die in der Lage war, selbständig ein Luftziel zu bekämpfen). Die Truppenluftabwehr hatte damit eine Dichte von Fla-Systemen erreicht, die bei optimaler Nutzung ihrer Gefechtseigenschaften eine relativ effektive Deckung ihrer Truppenteile und Einheiten im modernen Gefecht vor Schlägen gegnerischer Luftangriffsmittel ermöglichte. 1987/88 hatte die Waffengattung Truppenluftabwehr den höchsten Stand der Gefechtsbereitschaft seit ihrer Gründung erreicht. Ausdruck dafür waren u. a. die hohe Anzahl der Zielkanäle, die gesteigerte Vernichtungswahrscheinlichkeit von Flugzielen durch die Fla-Raketenkomplexe, der kombinierte Einsatz von Fla-Raketen und Fla-Kanonen (Schilka-23/4), die hohe Manövrierfähigkeit der Fla-Systeme, die Handlungsmöglichkeiten unter allen meteorologischen Bedingungen sowie der gute Ausbildungsstand der Soldaten, Unteroffiziere, Fähnriche und Offiziere. Die Truppenluftabwehr war somit in der Lage, die Deckung der Truppen und Objekte der Landstreitkräfte wirkungsvoll zu realisieren. Allerdings können wir nicht einschätzen, mit welchem Resultat ein Luftgefecht im Falle eines Krieges geendet hätte. Durch das annähernde militärische Gleichgewicht kam es, zum Glück für die Menschheit, nicht dazu. Die Gefahr eines Krieges zwischen NATO und Warschauer Vertrag erledigte sich durch den Zerfall des sozialistischen Lagers. Mit dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990 zur Bundesrepublik Deutschland endete die Geschichte der DDR und ihrer Armee. Als am 02. 10. 1990 um 24 Uhr die Befehlsgewalt der Führung der NVA endete, begann der Auflösungsprozeß der Teilstreitkräfte und der einzelnen Waffengattungen. Die Fla-Raketenregimenter wurden von der Bundeswehr aufgelöst, die Kasernen teilweise übernommen. Ein Teil der Technik der Truppenluftabwehr wurde dem Hersteller Sowjetunion übergeben. (FRK Osa-AK, Strela-10 und Igla ) Einen weiteren Teil der Technik erhielten Griechenland, Schweden, Israel und andere Staaten. (16) Einige Waffensysteme, wie die Aufklärungs- und Leitstationen sowie Startrampen der Fla-Raketenkomplexe Kub, Osa-AK und Strela-10, befinden sich in Trier und werden unter Leitung von ehemaligen Offizieren der Truppenluftabwehr der NVA, die von der Bundeswehr übernommen wurden, zum Training der NATO-Piloten genutzt. Anmerkungen 1. Siehe Torsten Diedrich / Rüdiger Wenzke: Die getarnte Armee, Berlin 2001, S.46, 120. 2. Siehe Im Dienste der Partei. Handbuch der bewaffneten Organe der DDR. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Torsten Diedrich/Hans Ehlert/Rüdiger Wenzke, Berlin 1998, S. 428 f. 3. Siehe Dieter Kürschner: Zur Geschichte des MB III (1956-1961). Dissertation A MGI Potsdam 1987, S.9 ff.. 4. Siehe Chris Bishop: Waffen des zweiten Weltkrieges, Augsburg 2000, S. 158. 5. Siehe Anordnung Nr. 38/60 des Stellvertreters des Ministers und Chef des Hauptstabes vom 11. August 1960, BA/MA 01/13192, Bl. 59. 6. Siehe Die Truppenluftabwehr der NVA, hrsg. von Paul Kneiphoff und Michael Brix, Berlin 2004, S.52 f. 7. Siehe Befehl Nr. 58/61 des MfNV, BA/MA-01/5904, Bl. 57 ff. 8. Siehe Hans Lange: Die Entwicklung der TLA 1956-1974, BA/MA DVH 7/45286, Bl. 58. 9. Siehe Helmut Krause: Zur qualitativen Veränderung der Struktur und Bewaffnung der TLA zur selbständigen Waffengattung der LaSK in der NVA bis Ende der 60er Jahre, MGI Potsdam, .Bl 74 ff, 10. Siehe Kneiphoff / Brix: Die Truppenlauftabwehr, wie Anmerkung 6, S. 60, 61 11. Siehe Christopher F. Foss/ David Miller: Moderne Gefechtswaffen, Stuttgart 2001, S. 151. 12. Siehe Helmut Krause: Zur qualitativen Veränderung, wie Anmerkung 9,. Bl. 113ff; Kneiphoff/ Brix:: Die Truppenluftabwehr, wie Anmerkung 6, S. 64 ff. 13. Siehe Die Truppenluftabwehr der NVA, wie Anmerkung 6, S. 121 ff.; Paul Kneiphoff, siehe auch Die Entwicklung der Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte. In Militärwesen 2 /1986, S 16. 14. Brix, Michael, Oberst a. D., Leiter der Operativen Abteilung im Bereich Truppenluftabwehr des Kommandos Landstreitkräfte. 15. Die Truppenluftabwehr der NVA, wie Anmerkung 6, S.252 u. 253 16. Siehe Martin Kunze: Waffen und Ausrüstung der NVA –wo sind sie geblieben? (Teil 2). In Information Nr. 16 der Arbeitsgruppe Geschichte der NVA und Integration ehemaliger NVA-Angehöriger in Gesellschaft und Bundeswehr beim Landesverband Ost des Deutschen BundeswehrVerbandes, S. 50, 53, 54ff. Literatur Bishop, Chris: Waffen des zweiten Weltkrieges. Eine Enzyklopädie , Augsburg 2000 Im Dienste der Partei. Handbuch der bewaffneten Organe der DDR. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Torsten Diedrich/Hans Ehlert/Rüdiger Wenzke, Berlin 1998 Foss/Miller: Moderne Gefechtswaffen, Stuttgart 2001 Kneiphoff, Paul: Die Entwicklung der Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte. In Militärwesen 2 /1986 Die Truppenluftabwehr der NVA, hrsg. von Paul Kneiphoff und Michael Brix, Berlin 2004 Krause, Helmut Zur qualitativen Veränderung der Struktur und Bewaffnung in der Entwicklung der Truppenluftabwehr zur selbständigen Waffengattung der Landstreitkräfte der NVA bis zum Ende der 60er Jahre, MGI Potsdam 1984 . Kopenhagen, Wilfried: Die Landstreitkräfte der NVA, Berlin 1999 Materialstudien zur Entwicklung der Truppenluftabwehr 1956 - 1974 von Oberstleutnant Lange, Hans 1976 - 1980 von Oberstleutnant Steingrüber, Heinz 1981 –1989 von ? Zeittafel zur Entwicklung der Truppenluftabwehr der Landstreitkräfte der NVA. Im Internet: www. tla-zeittafel. de Abkürzungen: DHS Diensthabendes System FAbt Flakabteilung FBttr Flakbatterie FRA Fla-Raketenabteilung FRABttr Fla-Raketenartilleriebatterie FR Flakregiment FRK Fla-Raketenkomplex FRR Fla-Raketenregiment FuTB funktechnisches Bataillon GRS Geschützrichtstation HVA Hauptverwaltung für Ausbildung KVP Kasernierte Volkspolizei LaSk Landstreitkräfte LSK/LV Luftstreitkräfte/Luftverteidigung MB Militärbezirk MfNV Ministerium für Nationale Verteidigung MSB Mot. Schützenbataillon MSD Mot. Schützendivision MSR Mot. Schützenregiment PB Panzerbataillon PD Panzerdivision PR Panzerregiment TLA Truppenluftabwehr TV Territorialverwaltung