Die Hodges-Bridge - März bis November 1945 Auszug aus: Heinz-Friedrich Berswordt, Niederdollendorf in unserem Jahrhundert – Versuch einer Chronik Gegen Ende des Monats März entstand zwischen Niederdollendorf und Godesberg eine Militärbrücke, die bis zum Herbst 1945 zu den wichtigsten Ost-West-Verbindungen der Alliierten im Mittelrheingebiet zählte. Der heute als Kirmesplatz genutzte, damals entstandene Platz, trug bei der Bevölkerung lange Zeit seine Herkunftsbezeichnung „de Bröckeweech", der Brückenweg. Hier, im alten Schürling, hatten die amerikanischen Truppen das Erdreich des nördlichen Drittels ausgeschürft und von der Hauptstraße bis an die Fähranlegestelle für eine Anfahrtsrampe aufgeschichtet. Weiterhin nutzten sie große Vorräte der wenige Dutzend Meter rheinabwärts auf dem Lagerplatz gestapelten roten Klinker, die hier noch während des Krieges mit Rheinkähnen antransportiert und zum Wiederaufbau der heimischen Industrieanlagen ausgeladen worden waren. Der technische Aufwand, die Geräte, die die „Amis" dabei zum Einsatz brachten, stellte für die Niederdollendorfer alles bisher Gekannte in den Schatten. Die eigentliche Brücke wurde als Holzkonstruktion, von den Pionieren der 1100 Engineer Combat Group der ersten amerikanischen Armee erbaut. Sie ruhte auf einer im Strom liegenden Kette schwimmender Lastkähne. Diese schwimmenden Kähne waren mit schweren Drahttauen an drei in Höhe der Godesberger Straße mitten im Strom versenkten und mit Eisenblöcken und Spänen beschwerten Lastkähnen gegen Abdriften gesichert. Einer dieser versenkten Kähne trug den Namen „Weltfrieden". Die drei inmitten des Stromes liegenden Kähne standen nochmals mit zwei fächerartig dahinterliegenden, versenkten Kähnen in Verbindung. Einer dieser beiden versenkten Kähne lag nahe am Niederdollendorfer Ufer, ein Holländer, dessen Pergamentrollen- und Sodaladung sich die Dollendorfer bald zu Nutze machten. Unmittelbar vor dem Kopf der Kribbe Höhe Godesberger Straße lag noch ein versenktes, kleineres Schraubenzugschiff, „Anton", das an der Kribbe befestigt und in das Sicherheitssystem der Brückenanlage einbezogen war. Die Baustelle der Brücke, auf der in höchster Eile Tag und Nacht durchgearbeitet wurde, stand wegen der bestehenden Gefahr deutscher Bombenangriffe aus dem Reichsinnern des nachts unter greller Scheinwerferbewachung. Am 6. April war die Anlage, nach einem amerikanischen Militärführer „Hodges-Bridge", Hodges-Brücke genannt, fertiggestellt. Sie wurde von General Eisenhower vor Inbetriebnahme inspiziert. Der Bau kostete 14 amerikanischen Soldaten das Leben. Zur Bereinigung des Flussbettes beseitigten die Amerikaner vor Baubeginn der Brücke die versenkte Fähre, die Anlegebrücke der Fähren und die Anlegebrücke der Lokalboote durch Sprengung. Im Verlauf des Sommers 1945 musste die Brücke doppelbahnig ausgebaut und schließlich durch eine Bogenkonstruktion soweit erhöht werden, daß der wiederbeginnende Schiffsverkehr auf dem Rhein passieren konnte. Wegen der Zerstörungsgefahr durch Hochwasser und Eisgang war der Abbruch der Brücke zu Beginn des Winters 1945/1946 notwendig. Neben einer unüberschaubaren Flut amerikanischer und alliierter Nachschubtruppen und Militärfahrzeuge, die sich über das Nadelöhr „Amibröck" ins Dorf und von hier aus in den mitteldeutschen Raum ergossen, waren bald die Straßen und Plätze vollgepfropft von Elendstrecks jener deutschen Bevölkerungsteile, die vor dem Herannahen der alliierten Truppen aus dem Aachen-Jülicher Raum evakuiert worden waren und jetzt wieder der Heimat zustrebten. Leichentransporte von gefallenen alliierten Soldaten verpesteten an den ersten sommerlichen Tagen die Luft über dem Dorf. Auch deutsche Kriegsgefangene wurden in Massen, auf großen Schleppern aufrechtstehend und dicht zusammengepfercht, über die Brücke in das Gefangenensammellager nahe Sinzig an der Ahr gekarrt. Dazu kamen zunehmend mehr Flüchtlinge aus den Ostgebieten, die noch jenseits des Rheines eine neue Heimat zu finden hofften. Die Einheimischen, zu einem großen Teil durch Beschussschäden in Not geraten, fürchteten um ihre Habe. Sie blieben aber auch bemüht, mit dem Verbliebenen zu lindern, was unaussprechlich bleiben wird. Es sollen bis zu 15.000 Menschen gewesen sein, die das Dorf zeitweilig aufnahm. Wer als Deutscher, Einheimischer oder Flüchtling, die Hodges-Brücke zu passieren wünschte, hatte sich vorher „entlausen" zu lassen. Im Gelände der Didierwerke war dazu eigens eine Entlausungsstation eingerichtet. Wohl zum Gaudium der ausführenden Amis kam manch einer, bis an die Unkenntlichkeit mit DDT-Pulver eingestäubt, mit dem begehrten Passierschein wieder heraus. Im Verlauf der Sommermonate 1945 hatte sich die einheimische Bevölkerung nahezu daran gewöhnt, daß weiße und leutselige farbige Amis zum Dorfbild gehörten. Vor allem die Jugend wußte sich bald auf ihre Weise mit Schokolade oder Ami-Zigaretten zu versorgen. Nicht nur im Dorf selbst, auch im weiten Bereich ringsum hinterließen die letzten Kriegstage schwere Spuren. Die kleinen Fährbötchen „Siegfried" und „Libelle" lugten versenkt aus dem Niederdollendorfer Uferwasser. Zwischen den Kribben in Höhe der Schönsitzstraße lag der abgesunkene Lastkahn des Niederdollendorfer Schiffers Käufer - et Kröllesse Scheff - in Ufernähe auf Grund. Notdürftig abgedichtet trieb es bei höherem Wasserstand ab und kam quer zum Strom zum liegen. Bei wiederholtem Hochwasserstand löste es sich schließlich ganz aus der Verankerung und trieb so ab, daß es über die Kribbe zu liegen kam. Bei fallendem Wasser brach es dort schließlich auseinander. In Stromesmitte ragten lange die Aufbauten der für die Verankerung der Hodges-Brücke versenkten Lastkähne aus den Fluten. „Schwimmste met op de Fitte?" hieß es noch über Jahre bei der mit den Wassern des Rheins vertrauten Jugend, wenn das erste dieser Wracks angeschwommen werden sollte.