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CHRISTIAN GASTGEBER, FALKO DAIM (eds.)
BYZANTIUM AS BRIDGE BETWEEN WEST AND EAST
ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
WIS SEN SCHAF TEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
DENKSCHRIFTEN, 476.
465. BAND
VERÖFFENTLICHUNGEN ZUR BYZANZFORSCHUNG
Herausgegeben von
CLAUDIA RAPP und CHRISTIAN GASTGEBER
34
Band 36
ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
WIS SEN SCHAF TEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
DENKSCHRIFTEN, 476.
465. BAND
Byzantium as Bridge
between West and East
VERÖFFENTLICHUNGEN ZUR BYZANZFORSCHUNG
rd
th
Proceedings of the International
Conference,
Herausgegeben
vonVienna, 3 – 5 May 2012
CLAUDIA RAPP und CHRISTIAN GASTGEBER
Edited by
Band 34
CHRISTIAN GASTGEBER and FALKO DAIM
Vorgelegt von k. M. Falko Daim in der Sitzung vom 27. Juni 2014
Gedruckt mit Subvention des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz
Umschlagbild:
Byzantinische Brücke des 6. Jahrhunderts
nach M. Adak, Eine frühbyzantinische Brücke über den Indos, Gephyra 3 (2006) 201–212
Diese Publikation wurde einem anonymen, internationalen Peer-Review-Verfahren unterzogen.
This publication has undergone the process of anonymous, international peer review.
Die verwendeten Papiersorten sind aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestellt,
frei von säurebildenden Bestandteilen und alterungsbeständig.
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-7001-7664-0
Copyright © 2015 by
Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
Druck und Bindung: Prime Rate kft., Budapest
http://hw.oeaw.ac.at/7664-0
http://verlag.oeaw.ac.at
Printed and bound in the EU
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsnachweis ...........................................................................................................................
7
Vorwort ..............................................................................................................................................
9
Peter SCHREINER
Byzanz – Brücke zum Osten ................................................................................................................
11
Wege nach und von Byzanz
Mihailo St. POPOVIĆ
Mit Karl May unterwegs auf byzantinischen Landwegen in Südosteuropa .......................................
31
Andreas KÜLZER
Pilger: Reisende in Gottes Namen ......................................................................................................
51
Brücken zu den Nachbarn
Ekaterini MITSIOU
The Byzantines and the “others”
Between “transculturality” and discrimination .................................................................................
65
Roland STEINACHER
Krieg und Frieden im Mittelmeerraum des 5. und 6. Jahrhunderts
Ostrom und die afrikanischen Vandalen ............................................................................................
75
Dominik HEHER
Das byzantinische Venedig als Brücke zwischen drei Welten ............................................................
99
Daniel ZIEMANN
Die brüchige Brücke. Byzanz und das Erste Bulgarische Reich ........................................................
115
Konstantinos VETOCHNIKOV
Le pouvoir de l’empereur byzantin sur l’Eglise Russe (d’après les actes patriarcaux) .....................
131
Klaus-Peter TODT
Nordsyrien als Brücke in die arabische Welt .......................................................................................
157
Johannes PREISER-KAPELLER
Vom Bosporus zum Ararat
Aspekte der Wirkung und Wahrnehmung des Byzantinischen Reiches in Armenien
vom 4. bis zum 10. Jahrhundert ..........................................................................................................
179
6
Inhaltsverzeichnis
Bernhard PALME
Byzantinisches Ägypten
Der Beitrag der Papyri zur Geschichte des frühbyzantinischen Reiches ...........................................
217
Ina EICHNER
Bücher und Bucheinbände des Paulosklosters (Deir el-Bachît) in Theben-West / Oberägypten .......
241
Brücken von der Antike nach Byzanz
Stefanie WEFERS
Die spätantik-frühbyzantinische Mühlenkaskade von Ephesos
Ein entscheidender Baustein zum Verständnis unterschiedlicher Wasserradtypen ............................
251
Vlastimil DRBAL
Sokrates und die Sieben Weisen auf den spätantiken Mosaiken
und in den schriftlichen Quellen ..........................................................................................................
267
Kulturbrücken
Johannes PAHLITZSCH
Byzanz und die Melkiten
Kulturelle und rechtliche Beziehungen ..............................................................................................
275
Anne TIHON
De même qu’on peut voir les abeilles se poser sur tous les boutons de fleurs ...
Les astronomes byzantins entre Orient et Occident ...........................................................................
283
Christian GASTGEBER
Die Brücke in den Westen
Griechisch-byzantinischer Kulturtransfer in der Renaissance ...........................................................
291
Abbildungsnachweis
SCHREINER
Abb. 1: Karte der hellenistischen Welt mit den maximalen Ostgrenzen des byzantinischen Staates im 6. und im 11. Jahrhundert
Abb. 2: Elfenbeinkästchen im Schatz der Kathedrale von Troyes
Abb. 3. Alexander auf dem Thron (Venedig, Istituto Ellenico, cod. gr. 5, f. 35r) (© Nocolette S. Trahulias, The Greek Alexander
Romance. Athen 2000, S. 119)
POPOVIĆ
Abb. 1: Die Landwege im Byzantinischen Reich (© KODER, Der Lebensraum 67)
Abb. 2: Die Reiseroute von Kara Ben Nemsi in Thrakien (© Google Earth; KML-Layer von Mihailo St. Popović)
Abb. 3: Die Reiseroute von Kara Ben Nemsi in Makedonien (© Google Earth; KML-Layer von Mihailo St. Popović)
Abb. 4: Spurrille in der Bärenschützklamm (Steiermark) (© Mihailo St. Popović, 2012)
Abb. 5: Spurrille in der Bärenschützklamm (Steiermark) (© Mihailo St. Popović, 2012)
Abb. 6: Thrakien und Makedonien auf der „Marschkarte der österreichischen Monarchie sammt den angrenzenden Ländern“ des
Jahres 1848 [© Österreichische Akademie der Wissenschaften (Wien), Sammlung Woldan, GQMS Marschroutenkarte Europa
1848 (19) und (23)]
Abb. 7: Der Flußlauf der Arda auf der „Marschkarte der österreichischen Monarchie sammt den angrenzenden Ländern“ des Jahres
1848 [© Österreichische Akademie der Wissenschaften (Wien), Sammlung Woldan, GQMS Marschroutenkarte Europa 1848
(19) und (23)]
Abb. 8: Der Anmarschweg des Fürsten Jovan Uglješa zur Schlacht an der Marica (1371) (© Mihailo St. Popović)
Abb. 9: „General-Karte der Europäischen Türkei und des Vladikats Montenegro“ aus dem Jahre 1855 bzw. 1880 (© David Rumsey
Map Collection)
Abb. 10: Die Straße zwischen Veles und Skopje als Doppellinie auf der „General-Karte der Europäischen Türkei und des Vladikats
Montenegro“ (© David Rumsey Map Collection)
Abb. 11: Die Erhebung Carevi Kuli von Südwesten (© Mihailo St. Popović, TIB 16, 2007)
Abb. 12: Die spätantike Thermenanlage im Ort Bansko (© Mihailo St. Popović, TIB 16, 2010)
Abb. 13: Das osmanische Bad (Hamam) im Ort Bansko (© Mihailo St. Popović, TIB 16, 2010)
Abb. 14: Der „Least-Cost Path“ zwischen Štip und Petrič (© Mihailo St. Popovic, Markus Breier)
Abb. 15: Die GPS-Route zwischen Mohács und Branjin Vrh (© Josef Kramer, 2011)
KÜLZER
Abb. 1: Das byzantinische Kleinasien (© Elisabeh Beer)
Abb. 2: Byzantinische Pilgerzentren (© Elisabeth Beer)
MITSIOU
Abb. 1: G. BERTELÈ, Il libro dei conti di Giacomo Badoer (Constantinopoli 1436–1440). Complemento e indici. Padova 2002; visualisation by Johannes Preiser-Kapeller with the help of the software ORA*
PREISER-KAPELLER
Appendix III: Die ethnische Abkunft der 50 in seinem Geschichtswerk erwähnten armenischen Adelshäuser nach Auskunft des
Movsēs Xorenacʿi (8. Jahrhundert)
Appendix IV, Karte 1: Karte I: Die römisch/byzantinisch – persische Grenzregion in Armenien und Nordmesopotamien 387 und 591
n. Chr. (© http://commons.wikimedia.org)
Karte II: Armenische Mobilität im 6. und 7. Jh.: Die (vereinfachten) Itinerarien des Artabanes Arsakides (538–554; weiß) und des
Smbat Bagratuni (587–610, inkludierend die Route von Konstantinopel nach Nordafrika; schwarz) (Kartengrundlage: Google
Earth, 2012; Bearbeitung: J. Preiser-Kapeller)
PALME
Abb. 1: Gestellungsbürgschaft an den Pagarchen Flavius Strategius: CPR XXIV 27 (© ÖNB, P.Vindob. G 21350)
Abb. 2: Intitulatio aus der Zeit des Heraclius II.: CPR XXIII 35 (© ÖNB, P.Vindob. G 13461)
8
Abbildungsverzeichnis
EICHNER
Abb. 1: Deir el-Bachît: Bucheinband DB 322 aus Leder auf Papyruskartonage (© Grabung Deir el-Bachît)
Abb. 2: Deir el-Bachît: Fundlage des Ledereinbandes DB 325 (© Grabung Deir el-Bachît)
Abb. 3: Deir el-Bachît: Papyrusblatt P Bachit 367 (© Grabung Deir el-Bachît)
Abb. 4: Deir el-Bachît: Bucheinband DB 2196 (© Grabung Deir el-Bachît)
Abb. 5: Deir el-Bachît: Fragment des bemalten Ledereinbandes DB 2826 (© Grabung Deir el-Bachît)
Abb. 6: Deir el-Bachît: Koptisch beschriftete Pergamentfragmente (© Grabung Deir el-Bachît)
Abb. 7: Deir el-Bachît: Kalamos, beidseitig benutzt (© Grabung Deir el-Bachît)
WEFERS
Abb. 1: Zusammenstellung archäologischer Funde und Befunde früh datierter wasserradgetriebener Mühlen. – 1 Avenches – En
Chaplix. – 2 Bølle. – 3 Clos d’Anjouan. – 4 Conimbriga. – 5 Croix de Fenouille. – 6 Ettenheim-Altdorf. – 7 Goiffieux. – 8 Inden.
– 9 Laurons-Saint-Pierre des Arcs (Arcs-sur-Argens, Var). – 10 London, Walbrook. – 11 Lyon-Vaise. – 12 Rodersdorf-KleinBüel. – 13 Saint-Doulchard „Les Avrillages“. – 14 Vannes.
Abb. 2: Mittel- bis unterschlächtiges Schaufelrad mit steilem Zuführungsgerinne, das in ein Kropfgerinne übergeht (leicht verändert
nach GÄHWILER 1984, 156 Abb. 14b).
Abb. 3: Karte des antiken Stadtgebiets von Ephesos. Hellgrau hervorgehoben ist das Hanghaus 2, in dem sich der wassergetriebene
Mühlen- und Werkstattkomplex befindet (© ÖAI).
Abb. 4: Hanghaus 2-Grundriss. In grau sind die Mühlstuben und Werkstätten sowie Gerinne markiert. Die drei unterschiedlichen
Graustufen entsprechen den drei Bauphasen (© ÖAI, verändert durch A. Cramer, RGZM).
Abb. 5: Münzreihe Mühlstube 41c und 46 zusammengestellt aus den folgenden Münzlisten: St. KARWIESE, Ephesos 1980: Liste der
Fundmünzen. In: H. VETTERS (Hrsg.), Ephesos vorläufiger Grabungsbericht 1980. ÖAW Anz. phil.hist. Kl. 118 (1981 [1982])
155, 157–160; DERS., Ephesos 1981: Liste der Fundmünzen. In: H. VETTERS (Hrsg.), Ephesos vorläufiger Grabungsbericht 1981.
ÖAW Anz. phil.hist. Kl. 119 (1982 [1983]) 89; DERS., Münzliste. In: H. Vetters, Ephesos vorläufiger Grabungsbericht 1982. ÖAW
Anz. phil.hist. Kl. 120 (1983 [1984]) 146; DERS., Vorausliste der ephesischen Fundmünzen 1983–1985. In: H. VETTERS (Hrsg.),
Ephesos vorläufiger Grabungsbericht für die Jahre 1984 und 1985. ÖAW Anz. phil.hist. Kl. 123 (1986 [1987]) 111, 114-122;
DERS., Fundmünzen Ephesos 1986. In: H. VETTERS (Hrsg.), Ephesos vorläufiger Grabungsbericht 1986/87. ÖAW Anz. phil.hist.
Kl. 125 (1988 [1989]) 113.
Abb. 6: Süd-Nord-Wandansicht des Radgerinnes der Mühlstube 41c mit eingezeichneten Schleifspuren und rekonstruiertem Raddurchmesser. Blickrichtung West (© H. Vetters, ÖAI, 3/81, zu 59/80).
Abb. 7: Nord-Süd-Schnitt mit absoluten Höhenangaben durch das rekonstruierte Radgerinne der Mühlstube 46 mit theoretischem
Raddurchmesser und Zuführungsgerinne. Blickrichtung Ost. M. 1:100 (© A. Cramer und St. Wefers, beide RGZM).
Abb. 8: Radgerinne der Mühlstube 46 mit steilem Schussgerinne (Zentrum) (© S. Wefers, RGZM).
Abb. 9: Ost-West-Schnitt des Radgerinnes der Werkstatt WT2 mit rekonstruiertem Raddurchmesser. Blickrichtung Süd (© A. Cramer und St. Wefers, beide RGZM).
Abb. 10: Schematische Darstellung eines Schaufelrads nach dem Fund von Hagendorn bei Cham (Kanton Zug, Schweiz). 1 Radnabe.
– 2 Welle. – 3 Speiche. – 4 Schaufel. – 5 Kranzbodenbrettchen. – 6 Kranzwange. – 7 Achszapfen aus Eisen oder Bronze
(© GÄHWILER – SPECK 1991, 44 Abb. 12).
Abb. 11: Süd-Nord-Schnitt mit absoluten Höhenangaben durch das rekonstruierte Radgerinne der Mühlstube B20 mit theoretischem
Raddurchmesser und Zuführungsgerinne. Blickrichtung West. M. 1:100 (© A. Cramer und St. Wefers, beide RGZM).
Abb. 12: Radgerinne B17 (© S. Wefers, RGZM).
Abb. 13: Mit einem steilen Zuführungsgerinne oberschlächtig beaufschlagtes Wasserrad mit tiefen Zellen (leicht verändert nach
GÄHWILER 1984, 157 Abb. 15).
DRBAL
Abb. 1: Sokrates-Mosaik von Apameia (© Centre Henri Stern de recherche sur la mosaïque, CNRS, Paris).
Abb. 2: Sokrates-Mosaik von Baalbek (© Centre Henri Stern de recherche sur la mosaïque, CNRS, Paris).
Abb. 3: Kölner Philosophenmosaik (© Centre Henri Stern de recherche sur la mosaïque, CNRS, Paris).
GASTGEBER
Abb. 1: Manuel Chrysoloras, Erotemata (in der Bearbeitung des Guarinus von Verona), [Parma: Drucker des Hieronymus, um 1481],
f. 40r (© ÖNB, Ink 3.H.60)
Abb. 2: Stationen des Demetrios Chrysoloras in seiner Tätigkeit als Lehrer oder Diplomat in Italien (© Ch. Gastgeber, auf der Basis
einer Italienkarte nach Wikicommons)
Abb. 3: Peter LAMBECK, Commentariorum de Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi, Lib. 6. Wien 1674, Tafel zwischen
S. 274 und 275 (© Wikicommons)
Vorwort
Der internationale Kongress „Byzanz als Brücke zwischen West und Ost“ (3.–5. Mai 2012) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, organisiert vom damaligen Institut für Byzanzforschung (nun Abteilung des Institutes für Mittelalterforschung), beabsichtigte, die Vermittlungsrolle von Byzanz zwischen den
Kulturen im Westen und Osten bzw. der eigenen Kultur zu den Nachbarvölkern hervorzustreichen. „Vermittlung“ wurde dabei nicht nur in einer Beeinflussung betrachtet, sondern auch in rezeptiver Funktion. All dies
symbolisiert für uns die Brücke. Diese Brücke war aber auch innerhalb von Byzanz zu schlagen, und zwar
im Übergang von einer paganen Kultur zu einer christlichen. Freilich war den Herausgebern, die zugleich als
Veranstalter des Kongresses verantwortlich zeichneten, bewusst, dass sich ein Kongress an eine solch breite
Thematik nur annähern, diese jedoch niemals erschöpfend aufarbeiten kann; das würde schon wieder eine
eigene Enzyklopädie oder zumindest ein Companion einfordern1. Aus diesem Grund wurden auch weitere
SpezialistInnen eingeladen, um den Aktenband zu einer ersten Einführung in die Thematik zu bereichern.
Damit konnten nicht nur die Beziehungen zu Nachbarvölkern vom Beginn des byzantinischen Reiches bis in
die Paläologenzeit breiter beleuchtet werden (Byzanz und die Vandalen: Roland Steinacher; Byzanz und die
Bulgaren: Daniel Ziemann; Byzanz und die russische Kirche: Konstantinos Vetochnikov), sondern es konnten auch Einzelstudien zum Kulturaustausch einfließen (Sokrates-Rezeption: Vlastimil Drbal; byzantinische
Astronomie: Anne Tihon). Peter Schreiner hatte in seinem Eröffnungsvortrag die vielen Aspekte der Brückenfunktion und die jeweiligen Forschungsdesiderate sehr klar aufgezeigt. Seine Ausführung steht daher
programmatisch auch hier am Anfang und soll in die Thematik mit einem Gesamtüberblick einführen, zugleich aber das Feld für noch nötige Forschung eröffnen.
Der Kongress und damit dieser erweiterte Aktenband waren wiederum Teil eines Byzanzschwerpunktes,
nämlich der Ausstellung „Das Goldene Byzanz und der Orient“ vom 31. März bis 4. November 2012 auf der
Schallaburg (Niederösterreich), kuratiert und organisiert vom Römisch-Germanischen Museum Mainz unter
der Leitung des Co-Herausgebers Falko Daim. Das Konzept dieser Ausstellung war bereits auf die Brückenfunktion ausgerichtet und sollte Byzanz aus einem verklärt orientalischen, weit entfernten, mysteriösen
Reich wieder in die europäische Geschichts- und Kulturlandschaft zurückführen, als eine zentrale Macht der
mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte und Kultur Europas.
Das westliche Mittelalter hatte durch ein großes Konfliktpotential mit dem Osten in Fragen des Machtbereiches, der Machtanerkennung und der (teilweise von beiden Seiten bewusst provozierten) Differenz in religiösen Praktiken ein Verdikt über den Osten gesprochen und ständig wiederholt, das sich schließlich zu einem entsprechenden Geschichtsbild von Byzanz (im Westen) eingeprägt hat. Hinzu kam ein von der Klassischen Philologie sehr kritischer Blick auf das schriftliche Erbe von Byzanz, dessen „Epigonen“ die klassischen Originale, an denen alles gemessen wurde, nicht zu überragen vermochten.
Es war daher ein Bedürfnis, gerade in einem durch das Wirken von Herbert Hunger und seine Schule für
die byzantinistische Forschung so prägenden Wissenschaftsstandort wie Österreich zum ersten Mal eine
Ausstellung zu veranstalten, die sich der byzantinischen Kultur und Geschichte in verschiedenen Facetten
nähert. Dabei konnten viele Elemente aus der überaus erfolgreichen Ausstellung „Byzanz. Pracht und Alltag“ in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn vom 26. Februar bis 13.
Juni 2010 übernommen werden, die ebenso vom Co-Herausgeber Falko Daim kuratiert und organisiert wur—————
1
Eine gewisse Abhilfe zur Bandbreite der byzantinischen Kultur auf modernstem wissenschaftlichen Stand wird das folgende
Companion in der Reihe Der Neue Pauly – Supplemente (II 11) geben: F. DAIM (Hrsg.), Byzanz. Historisch-kulturwissenschaftliches Handbuch (erscheint 2015). Vgl. dazu mit ähnlichem Schwerpunkt auf die „Strahlkraft“ des byzantinischen Reiches
N. ASUTAY-EFFENBERGER – F. DAIM (Hrsg.), ΦΙΛΟΠΑΤΙΟΝ. Spaziergänge im kaiserlichen Garten. Schriften über Byzanz und
seine Nachbarn. Festschrift für Arne Effenberger zum 70. Geburtstag (Monographien des RGZM 106). Mainz 2013.
Vorwort
10
de2. Ergänzt wurde der thematische Zugang durch die unmittelbare Vorgängerausstellung „Wege nach Byzanz“ im Landesmuseum Mainz vom 6. November 2011 bis 5. Februar 20123.
Ein besonderes Anliegen der Ausstellung war es, rezenteste Forschungsergebnisse aus dem RömischGermanischen Zentralmuseum Mainz (RGZM) zu präsentieren, darunter als Highlights der Ausstellung die
Rekonstruktion der byzantinischen Steinsäge von Ephesos bzw. einer byzantinischen Doppelorgel. Diese
Objekte sind bereits bzw. werden in eigenen Monographien des RGZM ausführlich abgehandelt4. Passend
zum Thema fanden zwei weitere aktuelle Forschungsschwerpunkte am RGZM in diesem Band Eingang: die
Mühlenkaskade von Ephesos (Stefanie Wefers) und die Ausgrabungen des Paulosklosters (Deir el-Bachît) in
West-Theben (Oberägypten), hier konzentriert auf den Bibliotheksbestand5. Aus der Universität Mainz ergänzen den Einblick in den syrisch-arabischen Raum Klaus-Peter Todt (Syrien) und Johannes Pahlitzsch
(Melkiten).
Wien als Tagungs- und Publikationsort bot sich aufgrund des oben schon erwähnten Zentrums byzantinistischer Forschung idealerweise an; hinzu kam die notwendige und essentielle Ergänzung aus der ebenso berühmten Wiener Schule für Papyrologie, die in diesem Band durch einen Beitrag des Direktor der Wiener
Papyrussammlung, Bernard Palme, vertreten ist. Aus langjährigen und renommierten Wiener Projekten der
Byzantinistik geben Einblicke die Tabula Imperii Byzantini (Mihailo St. Popović, Andreas Külzer) sowie
Wiener Forschungsschwerpunkte zu Texttradition, Transkulturalität, Netzwerken und „Wahrnehmungsprofilen“ (Ekaterini Mitsiou, Johannes Preiser-Kapeller, Christian Gastgeber). Aus aktueller Wiener Forschung
wurde die Brücke in den Westen geschlagen: Dominik Heher zur zentralen Bedeutung von Venedig und,
oben bereits genannt, Roland Steinacher.
Einmal mehr wird damit, so die Hoffnung der Herausgeber, der Eindruck eines abgesonderten, starren,
langsam verkommenden Reiches im Osten zerstreut. Vielmehr zeigt sich der enorme Impulsgeber, Rezipient
und Vermittler Byzanz zwischen Europa und dem Orient sowie der politische wie kulturelle Interakteur im
Osten. Der Band wird deutlich machen, wie Byzanz in einem immerwährenden Process of Mobility in vielerlei Hinsicht involviert und eingebunden war und wie diese Mobility zwischen Europa, Afrika und Asien keine Grenzen kannte. Byzanz ist damit ein Phänomen, das, so verstanden, ein interdisziplinäres Forschungsfeld
eröffnet und nur in seiner Wechselwirkung die Tragweite seiner Bedeutung erkennen lässt.
Abschließend ist dem RGZM besonderer Dank auszusprechen, einerseits für die Finanzierung des Kongresses, andererseits für die Druckkostensubvention dieses Bandes.
Als Grundlage für Zitierregeln und Abkürzungen wurden die Normen des Jahrbuches der Österreichischen Byzantinistik (http://www.oeaw.ac.at/byzanz/joeb.htm) verwendet.
Wien, im Jänner 2015
Die Herausgeber
—————
2
3
4
5
Dazu erschien der dreibändige Begleitband F. DAIM – J. DRAUSCKE (Hrsg.), Byzanz – das Römerreich im Mittelalter, Teil 1: Welt
der Ideen, Welt der Dinge; Teil 2: Schauplätze; Teil 3: Peripherie und Nachbarschaft (Monographien des RGZM 84, 1–3). Mainz
2010.
Katalog und Begleitband: B. FOURLAS – V. TSAMAKDA (Hrsg.), Wege nach Byzanz. Mainz 2011. Vgl. ferner zu dem steten
Schwerpunkt Ephesos bei den Ausstellungen in Zusammenarbeit mit der Leiterin der österreichischen Grabung in Ephesos Sabine Ladstätter die gemeinsame Publikation F. DAIM – S. LADSTÄTTER, Ephesos in byzantinischer Zeit. Mainz 2011.
F. MANGARTZ, unter Mitarbeit von St. WELFERS, Die byzantinische Steinsäge von Ephesos – Baubefund, Rekonstruktion, Architekturteile (Monographie des RGZM 86). Mainz 2010; zur byzantinischen Doppelorgel ist eine Monographie von Susanne Rühling in Vorbereitung.
Vgl. dazu auch die demnächst erscheinende Habilitationsschrift I. EICHNER, Die Klosteranlage Deir el-Bachit in ThebenWest/Oberägypten. Architektur und Alltagsleben in den spätantiken und mittelalterlichen Klöstern Ägyptens.
PETER SCHREINER
Byzanz – die Brücke zum Osten*
Über die Bedeutung und Besonderheit der geographischen Lage des byzantinischen Reiches wurde viel geschrieben. Es genügt, in unserem Zusammenhang einige Hauptpunkte hervorzuheben. Das Römische Weltreich war romzentriert und letztlich ein Reich der europäischen Mitte trotz weit davon entfernter Landesteile.
Konstantin der Große trug den Gegebenheiten seiner Zeit Rechnung und schuf ein Reich der Neuen Mitte1.
Die Neue Mitte blieb aber hinsichtlich der Staatsgrenzen immer an der Peripherie Europas im Sinn der Antike und des westlichen Mittelalters2. Sie war eher eine Mitte im Hinblick auf eine neue Politik, die von jenseits der Grenzen bestimmt wurde, und wesentlich von den Völkern des Ostens: den Sasaniden, Awaren,
Bulgaren, Armeniern und kaukasischen Stämmen, Arabern des Kalifats, Seldschuken, Petschenegen, Kumanen, Mongolen und den Turkemiraten in Kleinasien, denen Byzanz schließlich erlag. Mit den Namen dieser
Völker ist auch der Begriff des byzantinischen Ostens hinreichend umschrieben3, wenngleich auch Völker
des fernen Ostens (Inder, Chinesen) nicht ganz zu vergessen sind, die mit Byzanz in der Nachfolge des Römischen Reiches schon von Anfang an in Verbindung standen4. Brückenkopf, an dem diese Verbindungen
materiell und intellektuell zusammenliefen, blieb Konstantinopel. Dort hafteten sie sich fest, waren Veränderungen unterworfen und wurden den eigenen Bedürfnissen angepasst oder auch in der einen oder anderen
Form weitertradiert.
I. DAS ERBE DER ALTEN WELT DES OSTENS
Unter den eben aufgezählten Völkern, gehörten nur Armenier, Kaukasier und besonders die Sasaniden zu
den kulturell und politisch tragenden Kräften der Antiken Welt. Von seiner geographischen Ausdehnung her
war im 7. Jahrhundert das byzantinische Reich, vor der Expansion der Araber, mit großen Teilen der alten
orientalischen Welt, ihren frühen Kulturen und einigen der hellenistischen Nachfolgestaaten territorial identisch. Auch die seit dem 1. Jahrhundert verstreuten jüdischen Gemeinden fanden zur Entfaltung ihrer religiö————–
* Dieser Beitrag wurde in seiner ursprünglichen Form als Einführungsvortrag zur Konferenz gehalten und versuchte daher, möglichst viele Aspekte des Themas zu erfassen und auch illustrativ zu untermalen. In dieser für den Druck vorbereiteten Fassung
wurde der Vortragsstil geglättet und die Anordnung des Stoffes umgestaltet. Der Charakter eines Gesamtüberblicks sollte aber
beibehalten werden, so dass es nicht möglich war, alle Gesichtspunkte im vollen Umfang auszuarbeiten und mit einer umfassenden Bibliographie zu versehen. Es war in erster Linie eine Einführung für den Nichtspezialisten angestrebt.
1 H. HUNGER, Reich der Neuen Mitte. Der christliche Geist der byzantinischen Kultur. Graz 1965.
2 In den Selbstzeugnissen byzantinischer Autoren bedeutet „Europa“ den Raum jenseits von Bosporus und Dardanellen, vgl.
J. KODER, Europa und Europamediterraneum. Zur mittelalterlichen Europa-Vorstellung im kosmographischen und geopolitischen
Kontext, in: The Idea of European Community in History. I. Athen 2003, 53–62, DERS., Byzanz und Europa. Historicum. Zeitschrift für Geschichte 2001/2002, 9–14, und P. SCHREINER, Byzanz in Europa – Byzanz und Europa. Modelle der politischen und
kulturellen Integration zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert, in: The Idea of European Comunity, 123–132.
3 Gedanken zu dieser Thematik habe ich bereits unter verschiedenen Gesichtspunkten an anderen Stellen veröffentlicht: Die Rolle
der Turkvölker in der Byzantinischen Reichspolitik. Materialia Turcica 9 (1983) 10–21 (wieder abgedruckt in P. SCHREINER, Byzantinische Kultur I. Rom 2006, Beitrag VI); Byzanz und der Osten: Zur Frage politischer und kultureller Gewichtungen einer
mittelalterlichen Großmacht, in: M. ALTRIPP (Hrsg.), Byzanz in Europa. Europas östliches Erbe. Turnhout 2011, 385–399. Mit
einem Schwerpunkt auf den fernöstlichen Kontakten der Byzantiner war diese Thematik auch Gegenstand eines Vortrags an der
Föderativen Universität Vladivostok im Juni 2012.
4 Immer noch heranzuziehen ist die klassische Studie von F. HIRTH, China and the Roman Orient. Researches into their ancient and
medieval relations. Leipzig 1885; jetzt zu ergänzen durch M. KORDOSES, China and the Greek World. An Introduction to the
Greek-Chinese Studies with Special Reference to the Chinese Sources. Hellenistic-Roman-Early Byzantine Period. Historikogeographika 3 (1989–1990) 143–253 und 4 (1991–1992) 251–310.
12
Peter Schreiner
Abb. 1: Die hellenistische Welt mit den maximalen Ostgrenzen des byzantinischen Staates im 6. und im 11. Jahrhundert
sen und kulturellen Eigenheiten im byzantinischen Reich mehr Sicherheit als in den Folgestaaten der Westhälfte des römischen Reiches. In der Mitte des 11. Jahrhundert, nach den Siegen Basileios’ II. und vor der
Niederlassung der Seldschuken, umfasste für kurze Zeit das byzantinische Reich wieder Regionen des Alten
Orients.
Das sasanidische Reich, Nachbar und Rivale der Römer und der Byzantiner, hatte bis zu seinem politischen Untergang in der Mitte des 7. Jahrhunderts viele Traditionen der Alten Welt bewahrt und an Byzanz
(und z.T. vorher schon an die Römer) und die Araber gleichermaßen weiter gegeben. Bauten oder Baureste
aus dieser Zeit waren erhalten geblieben und beeinflussten die byzantinische und die arabische Architektur5.
Charakteristische Formen des sasanidischen Hofzeremoniells, wie die Proskynese6, oder die Institution der
Eunuchen im Beamtenapparat des Hofes lebten in Byzanz weiter7. Es ist längst allgemein bekannt, dass unter
zeremoniellen und architektonischen Aspekten der Hof in Konstantinopel jenem in Bagdad oder anderen
Residenzen wesentlich ähnlicher war als dem der Karolinger oder Ottonen8.
Zu den vielen Barrieren, die im mittelalterlichen Westen, von den religiösen Gegensätzen ganz abgesehen, gegenüber dem Osten existierten, zählte gerade das Unverständnis seines eingewurzelten „östlichen“
————–
5
6
7
8
D. HUFF, Architecture sassanide, in: Splendeur des Sassanides. L’empire perse entre Rome et la Chine. Brüssel 1993, 45–61.
Beste Zusammenfassung von der historischen Seite her immer noch bei O. TREITINGER, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee
nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell. Jena 1938, 84–94. Die Proskynese ist in die griechisch-römische Welt durch den
Alexanderkult aus dem persischen Hofzeremoniell eingedrungen und hat im sasanidischen Hof eine weitere Bekräftigung erfahren, vgl. F. KOLB, Herrscherideologie in der Spätantike. Berlin 2001, 38–41. Im byzantinischen Reich hat die Proskynese vielfältige Formen erfahren und nur selten war die Prostration verlangt, vgl. P. SCHREINER, Der Kaiser und die Proskynese. Das
Narthexmosaik in der H. Sophia und der Versuch einer paläographischen Datierung. Bollettino della Badia di Grottaferrata 54
(2000) 97–110 (= DERS., Byzantinische Kultur I. Rom 2006, Beitrag XIV).
K. RINGROSE, The Perfect servant. Eunuchs in the Social Construction in Byzantium. Chicago 2003, und Sh. TOUGHER, The
Eunuch in Byzantine History and Society. Abingdon 2008.
Einige Hinweise, aber kein expliziter Vergleich, bei A. SHALEM, Manipulations of Seeing and Visual Strategies in the Audience
Halls of the Early Islamic Period, in: F.A. BAUER (Hrsg.), Visualisierungen von Herrschaft. Frühmittelalterliche Residenzen –
Gestalt und Zeremoniell. Istanbul 2006, 213–232. Siehe auch unten S. 20 den Abschnitt über Bauten im byzantinischen Kaiserpalast. Zum Zeremoniell M. CANARD, Le cérémonial fatimide et le cérémonial byzantin. Byzantion 19 (1955) 355–420.
Byzanz – die Brücke zum Osten
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Charakters und eines darauf abgestimmten Protokolls, der bei der Begegnung von Gesandtschaften aus dem
Westen zu Eskalationen führen konnte9.
II. BYZANZ ALS SAMMELBECKEN DES OSTENS: REAKTION UND BEWÄLTIGUNG
Die Völker
Die geographische Überlagerung mit vielen östlichen Regionen der Alten Welt, von der die Rede war, brachte es mit sich, dass Byzanz bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts. ein Vielvölkerstaat war und es auch später vor
allem in den häufig wechselnden Grenzregionen in etwas verminderter Weise geblieben ist, nicht zuletzt
wegen Zuwanderungen oder auch gewaltsamer Umsiedlung von Bevölkerungsschichten10. Dieses Phänomen
fand besonders deutlichen Niederschlag in Konstantinopel selbst, das eine Mikrozone der Multiethnizität
bildete. Der Zusammenhalt des Reiches war gewährleistet in der Person des Kaisers, dem einigenden Band
einer griechischen Verkehrssprache, bis zu einem gewissen Grad in der Zugehörigkeit zur Kirche, vor allem
aber in dem Bewusstsein, Römer zu sein, das in allen offiziellen Verlautbarungen sichtbar und hörbar wurde11. Von zentraler Bedeutung unter der fremdstämmigen Bevölkerung blieben über alle Jahrhunderte hin die
kaukasischen Nationen („Georgier“) und besonders die Armenier, die mehrere Kaiser stellten und mit führenden Familien verbunden waren. Beiden Völkerschaften kam in Kultur und Handel des Schwarzmeerraumes eine herausragende Bedeutung zu, aber sie verfügten auch über klösterlichen Niederlassungen12. Muslime wurden innerhalb des Reiches nur geduldet, wenn sie zur Orthodoxie konvertierten. Dafür sind uns Abschwurformeln erhalten13, aber auch ein lebendiges literarisches Beispiel: der Clan des Emirs im DigenisAkritas-Epos14. Arabische Händler verfügten in Konstantinopel an zentraler Stelle über eine Moschee, später
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Ein beredtes Beispiel bringt Niketas Choniates (I.A. VAN DIETEN. Berlin 1975, 410, 55–72), als es Gesandten des Kaisers Friedrichs I. vor dem Thron Isaaks II. Angelos nicht erlaubt wurde, sich zu setzen, sondern sie (obwohl nach dem Verständnis der
westlichen Lehensordnung Adelige und Ritter) „wie Diener“ stehen mussten.
Bekannt sind die Bevölkerungsverschiebungen zwischen der Balkanhalbinsel und Kleinasien (H. DITTEN, Ethnische Verschiebungen zwischen der Balkanhalbinsel und Kleinasien vom Ende des 6. bis zur 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts. Berlin 1993) oder
zwischen der Ostgrenze und dem thrakischen Raum im Falle der Paulikianer am Ende des 9. und im 10. Jh.
Die in allen Quellen immer wiederholte Selbstbezeichnung „Rhomaioi“ ist hier verständlicher mit „Römer“ wiedergegeben und
hat ihre Grundlage in der alle Reichsbewohner umfassenden „römischen Staatsangehörigkeit“, die auf die Constitutio Antoniana
vom Jahr 212 zurückgeht; vgl. G. PITSAKIS, À propos de la citoyennité romaine dans l’Empire d’Orient. Un survol à travers les
textes grecs. Méditerranées. Revue de l’Association Méditerranées 112, 1997, 73–100). Diese römische Identität wandelt sich zu
einer griechischen, die aber in gleicher Weise den Zusammenhalt des Staates garantierte, vgl. J. KODER, Griechische Identitäten
im Mittelalter. Aspekte einer Entwicklung, in: Byzantium. State and Society. In Memory of Nikos Oikonomidis. Athen 2003,
297–319.
Zur kulturellen und wirtschaftlichen Rolle der Armenier und kaukasischen Völker A. GIORDANA, Roma e il Caucaso, in: Il
Caucaso: cerniera fra culture dall’Mediterraneo alla Persia (sec. IV–IX). Spoleto 1995. I, 85–141, und N.G. GARSOIAN –
B. MARTIN-HISARD, Unité et diversité de la Caucasie médiévale, IVe–XIe siècles, ibid. 275–347. Den Armeniern kommt daneben
auch eine eminente Rolle in der byzantinischen Innenpolitik zu, die immer noch am besten herausgearbeitet wurde von P. CHARANIS, The Armenians in die Byzantine Empire, in: DERS., Studies on the Demography of the Byzantine Empire. London 1972,
Beitrag V. Daneben A.P. KAŽDAN, Armjane v sostave gospodsvujuščego klassa vizantijskoj imperii v XI–XIIvv. Erevan 1975,
sowie die verschiedenen Beiträge im Sammelband L’Arménie et Byzance. Histoire et culture. Paris 1996. In diesem Zusammenhang kommt den Armeniern auch ein Integrationseffekt zu, den N.G. GARSOIAN, The Problem of Armenian Integration into the
Byzantine Empire, in: H. AHRWEILER – A.E. LAIOU (Hrsg.), Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire. Washington 1997, 53–124, gestützt auf eine umfangreiche Quellenbasis behandelt. Unter den georgischen Institutionen besaß das IvironKloster auf dem Athos zwischen der Gründung 978 und 1357 (als die Gräzisierung voll durchgesetzt war) eine nationale Bedeutung (A. MÜLLER, Berg Athos. Geschichte einer Mönchsrepublik. München 2005, 79–80), während das Bačkovo-Kloster mit
Einschränkungen gerade 200 Jahre wirken konnte.
P. ELEUTERI – A. RIGO, Eretici, Dissidenti, Musulmani ed Ebrei a Bisanzio. Una racolta eresiologica del XII secolo. Venedig
1993, 53–58.
Der leichteren Erreichbarkeit wegen hier zitiert nach der Version von Grottaferrata, ed. J. MAVROGORDATO. Oxford 1956, Buch
III, vv. 160–245.
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Peter Schreiner
sogar über eine zweite15. Sicher bestand sie nur aus einem Betraum ohne Minarett, und der Ruf eines Muezzin erklang gewiss nicht. Muslimischen Gefangenen war ein eigener Bereich im Hofareal zugewiesen16. Die
im Reich sesshaft gewordenen Bulgaren haben trotz Christianisierung und Annahme einer anderen Sprache
in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Struktur viele Eigenheiten eines Steppenvolkes beibehalten, besonders
bis zur Eingliederung ihres Staates in den byzantinischen im 11. Jahrhundert17. Der lange Kontakt gerade mit
Reitervölkern, aber auch mit den Arabern hat die Kriegstaktiken der Byzantiner entscheidend verändert, bis
seit dem 11. Jahrhundert Angehörige dieser Völker selbst wesentliche Heereskontingente stellten18. Durch
die Eroberungen der Komnenenkaiser und der Kreuzfahrer wurde auch wieder verstärkt syrischsprachige
Bevölkerung in den römischen Staat eingegliedert. Ganz am Ende des 12. Jahrhunderts tauchen auch erstmals Zigeuner in hauptstädtischen Quellen auf. Ihr langer Wanderweg und ihre Herkunft aus Indien waren
bekannt, auch wenn sie der Hautfarbe wegen auch oft als „Ägypter“ bezeichnet werden19.
Diplomatie
Die Tatsache, dass die überwiegende Mehrzahl der Grenznachbarn den Völkern des Ostens angehörten,
brachte auch einen steten diplomatischen Verkehr mit sich, der bis jetzt nur mühsam und unvollständig aus
den Kaiserurkunden zu ermitteln ist20. Ein methodisches Problem besteht zudem darin, dass es sich, von
Kaukasiern, Arabern und Chinesen abgesehen, vielfach um Völker mit keiner oder geringer eigener schriftlicher Überlieferung handelt und in diesen Fällen allein griechische Quellen zur Verfügung stehen. Aber die
Verlustquote auch unter den byzantinischen diplomatischen Quellen ist hoch, und unsere Kenntnis beruht
überwiegend auf indirekten Informationen in der Chronistik. Diese Situation gibt daher ein verzerrtes Bild
der byzantinischen Außeninteressen und Notwendigkeiten wider. Die Gesamttendenz zu einem determinierten Zeitpunkt, um die Mitte des 10. Jahrhunderts, lässt sich aber, bei aller Vorsicht gegenüber den Zielen
dieser Schrift, am historisch-diplomatischen Traktat des Kaisers Konstantinos Porphyrogennetos erkennen.
Er hat 18 Kapitel den Völkern der Steppe gewidmet, zehn den Arabern, vier den Georgiern und Armeniern,
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St.W. REINERT, The Muslim Presence in Constantinople, 9th—15th centuries. Some Preliminary Observations, in: AHRWEILER –
LAIOU, Studies (wie Anm. 12), 125–180.
Wir wissen aus dem Reisebericht des Hārūn b. Yahyā (um 900) in J. MARQUART, Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge.
Wien 1903, 206–269, von (hochrangigen) Gefangenen am Kaiserpalast.
V. GJUZELEV, Allgemeine Charakteristik und Etappen der Errichtung der militärischen und administrativen Verwaltung des
Ersten Bulgarischen Staates, in: DERS., Forschungen zur Geschichte Bulgariens im Mittelalter. Wien 1986, 25–31.
Die Kriegstaktiken spiegeln sich in den Militärhandbüchern wider, die ihrerseits die Bedrohung aus dem Osten zeigen, zunächst
Ende des 6. Jh. die Schrift des Kaisers Maurikios (Das Strategikon des Kaisers Maurikios. Einführung, Edition und Indices von
G.T. DENNIS, übers. von E. GAMILLSCHEG. Wien 1991), dann Anfang des 10. Jh. jene von Kaiser Leon VI. (The Tactica of Leo
VI, edited and translated by G.T. DENNIS. Washington 2010) und schließlich in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts von
Nikephoros Phokas De vilitatione bellica (G. DAGRON [éd.], Le traité sur la guérilla. Paris 1986). Diese Traktate, die sich noch
durch einige kleinere Texte erweitern lassen, haben nie eine zusammenhängende Darstellung unter dem Gesichtspunkt des Ostens in der byzantinischen Kriegsführung erfahren. Ihre Tradition endet im 10. Jh., da mit dem Umbruch im byzantinischen Militärwesen seit der zweiten Hälfte des 11. Jh. Söldnertruppen die Taktik bestimmten, die vielfach selbst dem „Osten“ angehörten,
wie Kumanen und Petschenegen (I. VÁSÁRY, Cumans and Tatars. Oriental Military in the Pre-Ottoman Balkans 1185–1365.
Cambridge 2005).
I. ROCHOW – K.P. MATSCHKE, Neues zu den Zigeunern im byzantinischen Reich an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert.
JÖB 41 (1991) 241–254. Zu den Zigeunern im Hinterland Konstantinopels siehe C.M. MAZZUCCHI, Leggere i classici durante la
catastrofe (Costantinopoli maggio–agosto 1203). Le note marginali al Diodoro Sicolo Vaticano gr. 130. Aevum 68 (1994) 165–
218 (die Notiz zu den Zigeunern 182).
Die Neuauflage des ersten Bandes der Kaiserurkunden zeigt sehr deutlich, in welchem Umfang unsere Kenntnis arabischer Gesandtschaften gegenüber der ersten Auflage durch die kompetente Einbeziehung arabischer Quellen angewachsen ist: Regesten
der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565–1453. 1. Teil. 1. Halbband. Regesten 565–867. Zweite Auflage neu bearbeitet unter Mitarbeit von J. PREISER-KAPELLER und A. RIEHLE besorgt von A.E. MÜLLER. München 2009, und 1. Teil. 2. Halbband. Zweite Auflage neu bearbeitet von A.E. MÜLLER, unter verantwortlicher Mitarbeit von A. BEIHAMMER. München 2003.
Der Erforschung der diplomatischen Beziehungen wurde in jüngster Zeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Speziell zum
Osten siehe A. KAPLONY, Konstantinopel und Damaskus. Gesandtschaften und Verträge zwischen Kaisern und Kalifen 639–750.
Untersuchungen zum Gewohnheitsvölkerrecht und zur interkulturellen Diplomatie. Berlin 1996, und A.D. BEIHAMMER, Nachrichten zum byzantinischen Urkundenwesen in arabischen Quellen. Bonn 2000.
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12 beschäftigen sich mit der slavischen Welt, aber nur sechs mit Staaten des Westens21. Diese Schwerpunkte
haben sich natürlich im Verlauf der Jahrhunderte verändert. Es besteht kaum ein Zweifel, dass im 12. Jahrhundert und wiederum im 14. und 15. Jahrhundert die Kontakte mit Staaten des Westens wichtiger und vielfältiger waren, aber gleichzeitig auch die Verbindungen zu den Tataren der Goldenen Horde22 und den Mamluken eine wichtige Rolle spielten23.
Politische Ehen
Die Präsenz des Ostens spiegelt sich auch in einem sehr wichtigen Teilbereich der staatlichen Beziehungen
wider, den ehelichen Verbindungen. Der hier gegebene zeitliche Rahmen, aber auch die Vorarbeiten erlauben es, nur die höchste Ebene der kaiserlichen Familie zu betrachten24, zumal auch die Quellenlage kaum
über eine andere Schicht Aussagen erlaubt und frühestens seit dem 11. Jahrhundert in begrenztem Umfang
auch zu führenden Familien Informationen in dieser Hinsicht vorliegen25. Theodosios, Sohn des Kaisers
Herakleios und der Martina, heiratete (630) eine Enkelin des Sasanidenkönigs Shahrvarāz, Theodora,
Schwester des Chazarenkhans Vizḫor heiratete (732) den späteren Kaiser Konstantin V., Telerig, Khan der
Bulgaren, nimmt eine Nichte der Kaiserin Eirene zur Frau. In späteren Jahrhunderten begegnen immer wieder georgische Prinzessinnen am byzantinischen Kaiserhof: Eirene, eine Verwandte Bagrads IV., die einen
Bruder des späteren Kaisers Alexios I. heiratet; Maria, Tochter Bagrads, wird mit Kaiser Michael VII. Dukas
vermählt, Katae, Tochter Davids II., mit einem Alexios Komnenos. Einige weibliche Mitglieder des byzantinischen Kaiserhauses wurden an Herrscherhöfe des Ostens geschickt: Eudokia, eine Tochter des Kaisers
Herakleios sollte 626 den Khan der Westtürken heiraten, aber der Plan scheiterte, weil der Herrscher vorher
starb. Helene, Nichte des Kaisers Romanos IV. Argyros, heiratete Bagrad IV. von Georgien. Im Jahre 1265
wurde Maria, eine uneheliche Tochter Kaiser Michaels VIII. zum Tatarenfürsten Hulagu gesandt26. Auch
dieser starb vor ihrer Ankunft. Sie kehrte aber nicht, wie mehr als 600 Jahre früher Eudokia, sofort wieder
nach Konstantinopel zurück, sondern nahm den Sohn des Hulagu, Abaqa, zum Mann. Nach dessen Tod kam
sie allerdings in die Hauptstadt zurück, wo sie als „Herrin der Mongolen“ (κυρὰ τῶν Μουγουλίων ) bekannt
wurde und durch diesen Namen an ihr Leben in der Fremde erinnerte27. Ein letztes Beispiel ist schließlich
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Constantine Porphyrogenitus De administrando imperio. Greek text edited by GY. MORAVCSIK. English translation by R.J.H.
JENKINS. Washington 1967.
Siehe VÁSÁRY, Cumans and Tatar (s. Anm. 18).
Zu de Mamluken s. M.T. MANSOURI, Recherches sur les relations entre Byzance et l’Égypte (1259–1453) d’après les sources
arabes. Tunis 1992.
P. SCHREINER, Die kaiserliche Familie: Ideologie und Praxis im Rahmen der internationalen Beziehungen in Byzanz, in: Le relazioni internazionali nell’Alto Medioevo (= Settimane di Studio, 58). Spoleto 2011, 735–779 ( = DERS., Byzantinische Kultur. IV.
Rom 2013, Beitrag I). Die in der Folge vorgelegten Beispiele stellen eine Auswahl aus der Zusammenstellung im Aufsatz dar
(S. 763–771), die fast ganz aus der Sekundärliteratur erarbeitet ist und einer Kontrolle oder Neubearbeitung an den Quellen selbst
bedürfte.
Einen ersten Versuch, auch Verbindungen adeliger Familien zu erforschen, unternahm (basierend auf einer eigenen älteren Arbeit
in russischer Sprache) A.P. KAZHDAN, L’aristocrazia bizantina dal principio dell’XI alla fine del XII secolo. Palermo 1997. Eine
fundierte Untersuchung ist aber erst nach Erscheinen der zweiten Serie der Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit (ab
868) möglich. Dagegen erlauben das 13.–15. Jh. solche Recherchen, da das „Prosopographische Lexikon der Paläologenzeit“
(Wien 1976–1996) vollständig vorliegt. Für einzelne Familien (Skleroi, Dukai, Komnenen) existieren bereits prosopographischgenealogische Arbeiten. Einen interessanten Einzelfall stellt ein Mitglied aus der seldschukischen Herrscherfamilie der Qutlumuš
dar, das zwischen 1063 und 1169 zum Christentum übertrat und auf dem Athos das Kloster Kutlumus gründete (P. LEMERLE, Actes de Kutlumus. Texte. Paris 1988, 5).
Regesten der Kaiserurkunden des Oströmischen Reiches, bearbeitet von F. DÖLGER. 1. Teil. 2. Auflage von P. WIRTH. München
1977, Nr. 1332. Maria fehlt im Prosopographischen Lexikon der Paläologenzeit (s. Anm. 25), ist aber aufgenommen bei A. Th.
PAPADOPOULOS, Versuch einer Genealogie der Palaiologen 1259–1453. München 1938, Nr. 54.
Die in der Literatur, auch bei Papadopoulos (s. Anm. 26) und besonders R. JANIN, Les églises et les monastères (de Constantinople). Paris 1969, 195–196, erwähnte Gründung eines Klosters beruht auf einer Fehllesung, s. P. SCHREINER, Die topographische
Notiz über Konstantinopel in der Pariser Suda-Handschrift. Eine Neuinterpretation, in: I. ŠEVČENKO – I. HUTTER (Hrsg.), Aetos.
Studies in honour of Cyril Mango. Stuttgart 1998, 273–283, bes. 281–282. Sie hat wohl überhaupt kein eigenes Kloster gegründet, sondern sich als Stifterin am Chora-Kloster mitbeteiligt. Dazu (aber noch mit unklaren Bemerkungen zu einem eigenen
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Theodora, Tochter des kaiserlichen Usurpators Ioannes Kantakuzenos, die 1346 den Osmanen-Emir Orhan
heiratete28.
Brücke des Handels und der Ideologien
„Brücke“ bedeutet auch Bewältigung durch Kontrolle und die Möglichkeit eines Verkehrs in beide Richtungen. Greifbare Produkte des täglichen Lebens erfuhren eine konkrete Beförderung, sie unterlagen staatlicher
oder doch irgendeiner Aufsicht. Dieser weite Bereich kann hier nur mit wenigen Worten gestreift werden.
Das byzantinische Reich profitierte von seiner geographischen Lage und alten Traditionen des Römischen
Reiches: ein gut organisiertes Wegenetz (wie es der Westen erst langsam in der Frühen Neuzeit kennen lernte)29, eine funktionierende Zollkontrolle an den Grenzen, ein eingespieltes System mit Fernhändlern und
einer Zusammenarbeit mit den „Ungläubigen“, denen gegenüber die häufigen Handelsembargos der lateinischen Welt praktisch nicht existierten30. Konstantinopel blieb auch wegen seiner gesicherten Lage das große
Verteilungszentrum für das übrige Europa, was Luxuswaren, Edelmetalle, Gewürze und Luxusstoffe, besonders die Seide anbelangte. Hier in Konstantinopel wurde die „Brücke“ zum Nadelöhr. Das zweite Nadelöhr
waren die Dardanellen, wo Waren das Reich wieder verlassen konnten, während bei Trapezunt und auf der
Krim ein wichtiger Zweig der asiatischen Handelswege endete und die Produkte von dort aus zu Wasser und
zu Land nach Konstantinopel gebracht wurden. Dort lag der Endpunkt gerade auch deshalb, weil keine tatsächliche Brücke existierte, die eine Straßenverbindung weitergeführt hätte. Auch wenn im Verlauf der
Kreuzzüge und besonders nach 1204 Konstantinopel im Austausch von Gütern mit dem Osten nicht mehr
alleiniger Mittelpunkt war und seine Monopolstellung eingebüßt hatte, kam ihm immer noch eine exklusive
Bedeutung zu. Zum Beweis genügt es, das Handelsbuch des Francesco Balducci Pegolotti aus der Mitte des
14. Jahrhunderts zu lesen31, um zu erkennen, dass Konstantinopel immer noch das wichtigste Zentrum des
Handels mit dem Osten war, auch wenn der byzantinische Staat selbst davon nur mehr sehr wenig profitierte,
da Handelsprivilegien und Handelsmechanismen an fremde Mächte abgegeben waren.
Ideologien
Ideen und Ideologien, religiöse und geistige Strömungen können dagegen nicht vom Zoll kontrolliert werden
und halten sich nicht immer an die regulären Land- und Wasserwege. Das byzantinische Reich war von seiner geographischen Lage her Einfallstor für fremde Religionen und Häresien. Auch eine profunde Christianisierung ließ noch immer Platz für neue Richtungen oder wieder auflebende Strömungen32. Die weit verbrei————–
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Kloster) N. TETERIATNIKOV, The Place of the Nun Melania (the Lady of the Mongols) in the Deesis Programm of the Inner Narthex of Chora, Constantinople. Cahiers Archéologiques 43 (1995) 163–180. Maria-Melania bedürfte einer neuen Darstellung ihres bewegten Lebens zwischen Ost und West, vgl. kurz A. FAILLER (éd.), Georges Pachymérès. Relations historiques. Bd. 4. Paris
1999, 682 A. 17.
D.M. NICOL, The Byzantine Family of Kantakuzenos (Cantacuzenus) ca 100–1460. Washington 1968, 134–135 (nr. 29).
Die Erforschung des Wegenetzes, das im Osten des antiken Römerreiches immer dichter und besser entwickelt war als im Westen und im byzantinischen Reich übernommen und ausgebaut wurde, stellt einen integrierenden Bestandteil der Arbeit der Tabula
Imperii Byzantini der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dar, dem in jedem Band ein eigenes Kapitel gewidmet ist.
F. HILD, Das byzantinische Straßensystem in Kappadokien. Wien 1977, greift eine einzelne Provinz heraus, die auch für die Kontakte mit den Ostprovinzen besonders wichtig ist.
Fast alle damit in Zusammenhang stehenden Fragen sind bisher nur punktuell behandelt, und Untersuchungen zu Fernhandel,
Zöllen oder den arabisch-byzantinischen Wirtschaftskontakten sind allenfalls Einzelaufsätze oder Unterkapitel gewidmet. So hat
die Economic History of Byzantium (Washington 2009) im Sachindex kein Stichwort zu den Zöllen (customs). Einiges Wesentliche zu den Fernhändlern bei N. OIKONOMIDES, L’uomo d’affari, in: G. CAVALLO, L’uomo bizantino. Bari 1992, 209–251. Viele
wichtige Gesichtspunkte sind jetzt in dem Band E. KISLINGER – J. KODER – A. KÜLZER (Hrsg.), Handelsgüter und Verkehrswege.
Wien 2010, berücksichtigt.
A. EVENS (ed.), Francesco Balducci Pegolotti, La pratica della mercatura. Cambridge (Mass.) 1936.
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, den verschiedenen Wegen von Christentum und Heidentum im byzantinischen Reich
auch nur bibliographisch nachzugehen. Das Vorhandensein der profanen antiken Literatur in den Bibliotheken – sofern es diese
Byzanz – die Brücke zum Osten
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tete astrologische Literatur ist voll von altorientalischem, als „chaldäisch“ bezeichnetem Wissen, verbunden
mit magischen Praktiken, das den Schülern des Zoroaster zugeschrieben ist. Astrologie und Magie waren
natürlich auch im Westen verbreitet, aber ihnen fehlte dort nicht nur die Unmittelbarkeit zu den östlichen
Wurzeln, sondern ihre Verbreitung war viel stärker durch die Praxis kirchlicher Maßnahmen eingeschränkt.
Obwohl der persische Feuerglaube keine Anhänger mehr fand, so haben sich doch noch Gelehrte wie Michael Psellos und Georgios Gemistos Plethon (um nur zwei Namen zu nennen) für chaldäische Traditionen interessiert und durch ihre Schriften eine Verbreitung bewirkt33. Die alten ägyptischen Geheimlehren, die dem
Gott Toth zugeschrieben wurden, haben unter dem Namen des Hermes Trismegistos vor allem seit dem 11.
Jahrhundert in esoterischen Kreisen Konstantinopels wieder Wurzeln gefasst34. Eine große Bedeutung
kommt bei der Wiederbelebung solcher Strömungen byzantinischen Gelehrten und Literaten zu, die aber nur
möglich ist, weil in Konstantinopel diese Art der Literatur (auch wenn sie nicht immer Verwendung fand)
auffindbar war und tradiert wurde, und es auch zu keiner Zeit eine Barriere des sprachlichen Zugangs gab.
In den östlichen Provinzen des Reiches waren auch in breiteren Schichten des Volkes persische dualistische Strömungen nie ganz ausgestorben. Ihre deutliche Ausformung erhielten sie in den Lehren des Mani im
3. und 4. Jahrhundert35. Sie lebten in den muslimischen Ländern weiter36 und entflammten im 9. Jahrhundert
im Osten des byzantinischen Reiches die militante Bewegung der Paulikianer, die durch den Einsatz harter
militärischer Gewalt unterdrückt wurde37.
Wenn oben davon die Rede war, dass für geistige und religiöse Strömungen keine politischen und natürlichen Grenzen galten, so sind gerade die Paulikianer dafür ein beredtes Beispiel, weil ihre Lehre schon hundert Jahre später innerhalb religiöser Gemeinden im thrakischen Raum (und später in Bulgarien) begegnet,
nun unter der Bezeichnung Bogomilen38. Sie gehören von da an nicht nur zu den hartnäckigsten Sekten im
byzantinischen Reich und beschäftigen bis zum Untergang des Staates weltliche und kirchliche Behörden39,
sondern ihnen gelingt bekanntlich auch der Sprung in die lateinische Welt, der ein eigenes, viel behandeltes
Kapitel bildet und hier nicht mehr darzustellen ist.
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gab und immer nur in partieller Auswahl – und ihre Akzeptanz und Verwendung im byzantinischen Bildungs- und Unterrichtssystem hat auch den Zugang zu philosophisch-theologischen Strömungen ermöglicht, die offiziell einem Verdikt verfallen waren.
Dieses Wissen ist ausgebreitet in den zahlreichen astrologischen Handschriften, die im (leider schon seit einem halben Jahrhundert nicht mehr weiter geführten) Catalogus codicum astrologicorum Graecorum (Brüssel 1898–1953) zugänglich sind. Verschiedene Aspekte des Umgangs mit der Magie in dem von H. MAGUIRE herausgegebenen Sammelband „Byzantine Magic“
(Washington 1993). Eine wichtige Rolle spielen auch die chaldäischen Orakel, zugänglich in der Ausgabe von E. DES PLACES,
Oracles chaldaïques avec un choix de commentaires anciens. Paris 1971. Zu byzantinischen Gelehrten, die sich mit diesem Wissen befassten s. J. DUFFY, Reactions of two Byzantine Intellectuals to the Theory and Practice of Magic: Michael Psellos and Michael Italikos, in: Byzantine Magic 83–97. Bei Plethon steht hinter Platon die Gestalt des Zarathustra, vgl. M. STAUSBERG, NeoZoroastrian Hellenism in the 15th Century Byzantine Empire: The case of George Gemiston Plethon, in: K.R. Cama Oriental Institute. Third Intern. Congress. Proceedings. Mumbai 2000, 81–87.
A.J. FESTUGIERE, La révélation d’Hermès Trismégiste. 4 Bde. Paris 1944–1954.
G. WIDENGREN, Mani und der Manichäismus. Stuttgart 1961.
Ein deutliches Beispiel für diese spätere Verwendung könnte der Kölner Mani-Codex sein (Der Kölner Mani-Kodex. Über das
Werden seines Lebens. Kritische Edition ... hrsg. und übers. von L. KOENEN und C. RÖMER. Opladen 1988), der von der Schrift
her (gegen Koenen/Römer) dem 7./8. Jh. zuzuweisen ist (B.L. FONKIČ – F.B. POLJAKOV, Paläographische Grundlagen der Datierung des Kölner Mani-Kodex. BZ 82 [1990] 22–30) und seines sehr kleinen Formats wegen (4,5 × 3,8 cm) von einem geheim
wirkenden Wanderlehrer gut gebraucht werden konnte. Sie auch S. LIEU, Manichaeism in Mesopotamia and the Roman East.
Leiden 1994.
N. GARSOIAN, The Paulician Heresy. Paris 1967.
Die Bewegung der Bogomilen hat eine unüberblickbare Literatur hervorgerufen, doch ist D. OBOLENSKY, The Bogomils. A Study
in Balkan Neo-Manichaeism. Cambridge 1948, immer noch ein sicherer Ausgangspunkt.
H.-G. BECK, Vom Umgang mit Ketzern. Der Glaube der kleinen Leute und die Macht der Theologen. München 1993. Eine Abschwurformel edieren ELEUTERI – RIGO, Eretici (wie Anm. 13), 125–155, dort auch 156–157 ein schriftliches Glaubensbekenntnis nach dem Abschwur.
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III. DER OSTEN ALS HORT DES LUXUS
Gold
Gold war, neben der Seide, das am meisten herausragende Markenzeichen der Hauptstadt und des Reiches.
Byzanz übernimmt in Gebrauch und Verwertung ganz das Erbe der antiken östlichen Welt und der Steppenvölker40. Es übertraf an Bedeutung sogar die Seide, da sich im Gold Realität und Ideologie verschmolzen.
Eine signifikante Begebenheit, deren Historizität kaum zu bezweifeln ist, unterstreicht diese Verbindung.
Kurz vor der Eroberung Singidunums (Belgrad) im Jahr 583 stellte der awarische Khan Baian (oder schon
sein Sohn) eine fast lächerlich arrogante Forderung an Kaiser Maurikios: „Er belästigte den Kaiser, ihm auch
eine kunstvoll gefertigte Liege (κλίνην χρυσῆν τεχνουργήσαντα) anzufertigen und zuzustellen. Er aber zeigte
sich hochmütig und brüstete sich noch viel mehr, als wäre er durch ein unwürdiges Geschenk geschmäht
worden, und schickte noch prahlerischer die goldene Liege wie etwas Wertloses und Schlechtes zurück“41.
Gold war für die Fremden zum Symbol des Staates geworden, es zu missachten bedeutete einen Affront, den
sich nur ein barbarischer Herrscher leistete.
Der Symbolcharakter des Goldes äußerte sich aber auch an Bauwerken, wie etwa am Goldenen Tor. Es
wird auch von Personen bewusst als etwas Besonderes wahrgenommen, die von ihrer Provenienz her an
Glanz gewohnt, wie chinesische Gesandte, die mehrmals im 7. Jahrhundert in die Kaiserstadt gekommen
waren. In einem zusammenfassenden Bericht in den Reichannalen der T’ang-Dynastie aus dem 9. Jahrhundert heißt es: „An der Mauer befindet sich das Große Tor. Von oben bis unten ist es mit Gold geschmückt.
Es leuchtet und glänzt und erstrahlt mehrere Li weit [d.h. etwas mehr als 1000 Meter].“42 Es spielt dabei
keine Rolle, dass bekanntlich nur die Torflügel vergoldet waren. Ebenso wenig wird die Wirklichkeit ganz
genau genommen, wenn derselbe Bericht an anderer Stelle behauptet, dass die Fußböden der Paläste gleichfalls aus Gold waren43. Auch ein arabischer Berichterstatter, Hārūn ibn Yāhyā (um 900), dem höfischer
Glanz nicht unbekannt sein konnte, trifft recht allgemeine Beobachtungen zur Hofkapelle (die Theotokos tou
Pharou), die demnach vier goldene und sechs silberne Tore besitzt, und deren Decken sämtlich aus Gold und
Silber waren44. Auch im Blachernenpalast des 12. Jahrhunderts fehlte es Besuchern zufolge nicht an Gold:
Kaiser Manuel ließ Säulen und Wände mit reinem Gold und Silber belegen, lesen wir im Bericht des Benjamin von Tudela, dem sein Pyrenäen-Städtchen keine solchen Schönheiten bot45. Das oft zitierte gefälschte
Schreiben des Kaisers Alexios an den Grafen von Flandern hebt diesen fiktiven Goldreichtum mit einem
zentralen Satz hervor: „In der Stadt werden sie mehr Gold finden als in der ganzen Welt“46.
Neben dieser Märchenwelt des byzantinischen Goldes bleiben aber auch Tatsachen: die goldenen Siegel
der byzantinischen Kaiser, die nur wenige Auserwählte zu Gesicht bekamen und heutigen Generationen weit
besser bekannt sind, und die Goldmünzen, die erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von anderen
Metallen abgelöst wurden. Auch sie waren (zu den besten Zeiten) nicht in Jedermanns Hand, da ihr Wert die
normalen Bedürfnisse des Alltags weit überschritt. Zum ideellen Wert der Goldmünze überliefert Kosmas
der Indienfahrer im 6. Jahrhundert eine anschauliche Geschichte, die in allen byzantinischen Jahrhunderten
ihren symbolischen Wert behält. Ein persischer und ein byzantinischer Händler stehen vor dem König von
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Reallexikon für Antike und Christentum XI. Stuttgart 1981, 895–930, s.v. Gold.
C. DE BOOR (ed.), Theophylacti Simocattae Historiae. Leipzig 1887, 46, 3–13 (= Theophylaktos Simokates, Geschichte. Übersetzt und erlautert von P. SCHREINER. Stuttgart 1985, 47).
P. Schreiner, Eine chinesische Beschreibung Konstantinopels aus dem 7. Jahrhundert. Istanbuler Mitteilungen 39 (1989) 493–
505, bes. 494 (= DERS., Byzantinische Kultur I. Rom 2006, Beitrag XVI).
Ibid.
P. SCHREINER, Zu Gast in den Kaiserpalästen Konstantinopels, in: BAUER, Visualisierungen (wie Anm. 8), 120.
ibid. 124.
Epistulae et chartae ad historiam primi belli sacri spectantes. Die Kreuzzugsbriefe aus den Jahren 1088–1100. Mit Erläuterungen
herausgegeben von H. HAGENMEYER. Innsbruck 1901, 127–136, bes. 135, 20: ... et aurum in ea plus invenient quam in toto mundo. Zur Fälschung s. P. SCHREINER, der Brief Alexios I. Komnenos an den Grafen Robert von Flandern, in: G. DE GREGORIO –
O. KRESTEN (Hrsg.), Documenti medievali greci e latini. Studi comparativi. Spoleto 1998, 111–140, und Chr. GASTGEBER, Das
Schreiben Alexios’I. Komnenos an Robert I. von Flandern. Sprachliche Untersuchungen. In: ibid., 141–185.
Byzanz – die Brücke zum Osten
19
Ceylon. Der Perser preist den Großkönig, der Byzantiner sagt nichts. Auf die verwunderte Frage, warum er
schweige, gab er zur Antwort: „Wenn du die Wahrheit wissen willst, so hast Du beide Könige hier. Prüfe
jeden, und schaue selber, welcher glänzender und mächtiger ist ... Du hast von beiden die Münzen, von einem das Nomisma, vom andern die Drachme. Das Nomisma war aus reinem Gold, glänzend und wohlgestaltet, die Drachme dagegen war ein Silberstück, und das genügt, um es nicht mit dem Gold zu vergleichen.
Dann sagte der König (von Ceylon): In der Tat, die Rhomäer sind prächtig, machtvoll und verständig“47.
Die Frage, woher das byzantinische Gold gekommen ist, danach hat die Forschung kaum gefragt und
noch weniger recherchiert. Provenienz und Gewinnung der Bodenschätze, auf denen ein Großteil des byzantinischen Reichtums beruhte, lassen sich von der Quellenlage her kaum eruieren48. Den Untersuchungen von
Maurice Lombard zufolge ist Gold ein Metall des Ostens par excellence (Armenien, Ägypten, Soudan), dessen Transport und Einfuhr auch in hohem Grad von politischen Bedingungen bestimmt war49.
Seide
Eine zentrale Bedeutung als Handelsware und Wertgegenstand besitzt die Seide, die, im Gegensatz zum
Gold gewissermaßen jederzeit herstellbar, mehr als Gold das Luxusprodukt des byzantinischen Reiches
schlechthin war50. Während es aber Gold, unabhängig von Menge und Qualität, an zahlreichen Fundstellen
gab, war Seide, ehe das Geheimnis ihrer Produktion anderen Völkern der Mittelmeerwelt bekannt geworden
war, ganz auf Byzanz, in der Eigenherstellung oder in der Vermittlung des Fernhandels, beschränkt. Aber
selbst dann, als Seide anderswo hergestellt wurde, blieb der „Seide aus Byzanz“ ihr mystischer Ruf. Als Ergebnis einer eindeutigen Wirtschaftsspionage, wie man in unserer Zeit sagen könnte, wurde im 6. Jahrhundert die Seidenraupe aus Mittelasien, nicht China, nach Byzanz gebracht. Man hat naturwissenschaftlich
ermittelt, dass der Kokon im Wanderstab eines Mönches auch gar keinen längeren Weg durchgehalten hätte,
ohne Schaden zu nehmen51. Die Seide übernahm eine Markt beherrschende Position, die auch von der späteren arabischen Konkurrenz nicht entscheidend gebrochen werden konnte, was auch mit einer speziellen byzantinischen Handelsstrategie verbunden war. Während, wie schon betont, Herkunft, Produktion und Verarbeitung des Goldes noch weitgehend im Dunkeln liegen, sind wir über viele Einzelheiten der Seidenherstellung und des Seidenhandels mehr oder weniger gut unterrichtet. Seide war ein Produkt, das nicht nur als
bloßer Stoff, sondern in künstlerischer Veredlung wieder in den Osten zurückwanderte. Dafür haben die
Grabungen in der Moščevaja Balka, der Reliquienschlucht, im oberen Vorgebirge des Nordwestkaukasus
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Cosmas Indicopleustes, Topographie chrétienne, III. Paris 1973, Buch XI, 17–19. Diesem Gesichtspunkt hat F. DE ROMANIS, Sul
prestigio della moneta aurea-bizantina in Oriente (secc. I–VI D.C.), in: La Persia e Bisanzio. Rom 2004, 291–308, auch unter
Heranziehung dieser Textstelle, eine ausführliche Untersuchung gewidmet.
J. KODER, Der Lebensraum der Byzantiner. Historisch-geographischer Abriß ihres mittelalterlichen Staates im östlichen Mittelmeerraum. Wien 2001, 59–60: „Die Ausbeutung der Bodenschätze des byzantinischen Reiches ist noch weitgehend unerforscht
und bedürfte – da neue schriftliche Quelleninformationen nicht zu erwarten sind – vor allem archäologischer Vorarbeiten“. Einige Hinweise, doch nur wenige zum Gold bei K.-P. MATSCHKE, Mining, in: A.E. LAIOU (Hrsg.), The Economic History of Byzantium, Bd. 1. Washington 2002, 115–120, und M.K. PAPATHANASSIOU, Metallurgy and Metallworking Techniques, in: ibid. 121–
127.
M. LOMBARD, Les métaux dans l’Ancien Monde du Ve au XIe siècle. Paris 1974, 195–235. Diese vor allem auf orientalischen
Quellen basierenden Untersuchungen sind in der byzantinistischen Forschung kaum beachtet worden. Siehe besonders auch die
beigegebene Karte IV zu den „wertvollen Metallen“ und deren Fundstellen, die in ihrer graphischen Präsentation klarer sein
müssten und im begleitenden Text nicht immer begründet werden.
Aus der kaum mehr zu überblickenden Literatur (vor allem von Anna Muthesius) über die Seide aus Byzanz werden an dieser
Stelle keine Titel ausgewählt, zumal die Aspekte in sehr unterschiedlicher Weise (überwiegend Handel und Motivik) dargestellt
sind und eine Überblicksdarstellung bis jetzt nicht vorliegt.
Die beiden unterschiedlichen Quellenberichte sind überliefert in Prokops De bello Gothico IV 17, 577, lin. 14–20 (HAURY) und
dem fragmentarisch erhaltenen Theophanes von Byzanz, in: Photios, Bibliotheke, cod. 64 (HENRY, vol. I. Paris 1959, 77–78). Zur
Interpretation s. H. WADA, Prokops Rätselwort Serinda und die Verpflanzung des Seidenbaus aus China nach dem Oströmischen
Reich. (Diss.) Köln 1970, und DERS., Serinda. Ein Abschnitt aus der byzantinischen Seidenkultur. Orient 14 (Tokyo 1978) 53–
69.
20
Peter Schreiner
Beweise geliefert, weil sich dort immerhin 34 Objekte fanden, die aus dem Westen in den Osten gebracht
wurden, während rund 170 den umgekehrten Weg gingen, nämlich aus Sogdien, Ostturkestan oder China in
den Westen52. Die Seide war zudem Träger einer orientalischen Motivwelt, die auch in Byzanz nur dem bekannt war, der die Möglichkeit hatte, antike Autoren zu lesen, in denen von Amazonen die Rede war (Ilias,
Herodot, Strabo) und der im Hippodrom kämpfende Löwen sehen oder in Gehegen exotische Tiere erleben
konnte53. Aber die Welt der chinesischen Greifen und Drachen war in Byzanz ebenso fremd wie im Westen.
In jedem Fall bewahrte die Motivik des Seidenstoffes eine Welt, die auch in Byzanz überwiegend der Vergangenheit angehörte.
IV. DER ÖSTLICHE CHARAKTER DES HOFES
Die Bauten
Die Bauten des byzantinischen Kaiserhofes sind uns, von Substruktionen abgesehen, nur in Beschreibungen
durch Reisende oder aus Hinweisen in byzantinischen Texten, vornehmlich Chroniken, bekannt. Fast jeder
byzantinische Kaiser hat dort Paläste errichtet oder erneuert, aber vielfach fehlen genauere Angaben. Trotz
verschiedener Behauptungen in der Literatur lässt sich nicht sicher ausmachen, ob die sehr detailliert beschriebenen luxuriösen Bauten des Kaisers Theophilos (827–842) wirklich, etwa im Innenausschmuck, einen
arabischen Stil nachahmen54. Häufig wird für ein Landschloss, den Bryas-Palast auf dem asiatischen Ufer
(Kücikyali), ein arabisches Modell vermutet, doch spricht vieles dafür, dass der Bau gar kein Kaiserpalast
gewesen war (sondern ein Kloster)55. Mit Sicherheit war die Imitation östlicher, genauer seldschukischer
Architektur unter Kaiser Manuel I. (1143–1180) gegeben. In allgemeinen Worten brachte dies Niketas Choniates zum Ausdruck, wenn er sagt: „Aber auch die meisten der herrlichen Gebäude an der Propontis, in
denen die Kaiser der Rhomaier die Sommer zubringen und ihre Sorgen vergessen, hat Manuel aufgeführt
und weiter ausgeschmückt, so wie einst die Herrscher der Perser in Susa und Ekbatana.“56 Der Historiker
denkt hier nicht an die Perser der Antike, sondern an die Seldschuken, die in den meisten byzantinischen
Quellen als „Perser“ bezeichnet werden. Die neuere Forschung hat in einem Bericht des Palastklerikers Nikolaos Mesarites einen pavillonartigen Bau ermittelt, der schon im Namen „Machrutas“ seine seldschukische
Herkunft erkennen lässt. Er geht auf die architektonischen Aktivitäten Kaiser Manuels zurück, der ihn durch
einen seldschukischen Baumeister errichten ließ57.
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A.A. ERUSALIMSKAJA, Die Gräber der Moščevaja Balka. Frühmittelalterliche Funde an der nordkaukasischen Seidenstraße. München 1996. Siehe dazu auch den Ausstellungskatalog Von China nach Byzanz. Frühmittelalterliche Seiden aus der staatlichen
Ermitage Sankt Petersburg. München 1996. Die Zahlen mahnen jedoch zu einer gewissen methodischen Vorsicht. Es handelt sich
um Funde in Gräbern aus verschiedenen Epochen, einst im Besitz der dortigen Bevölkerung, und es ist ungeklärt, wie sie an diese
Stoffe herankam (Naturalzahlung durch Händler für Transporthilfe im Gebirge, Geschenke, Diebstahl). Die Herkunft ergibt sich
aus der technischen Produktionsweise und teilweise der Motivik. Die Funde zeigen nur, dass byzantinische Seide in den Osten
transportiert wurde und „östliche“ Seide ins byzantinische Reich kam.
Zu realen Möglichkeiten, exotische Tiere zu erleben N.P. ŠEVČENKO, Wild Animals in Byzantine Parks, in: A. LITTLEWOOD u.a.,
Byzantine Garden Culture. Washington 1996, 69–86.
Theophanes Continuatus, cap. 42–44 (I. BEKKER, Bonn 1838, 139–148), übers. C. MANGO, The Art of Byzantine Empire 312–
1453. Eaglewood Cliff 1972, 160–165. Vorsichtig urteilt auch W. MÜLLER-WIENER, Byzanz und die angrenzenden Kulturkreise,
in: XVI. Int. Byzantinistenkongreß. Akten I/2. Wien 1981, 575–609, bes. 696: „So wurden unter Theophilos im großen Palast in
Konstantinopel mehrere, wohl kleinere, pavillonartige Bauten errichtet, deren Namen arabische Kultureinflüsse andeuten.“ Die
Namen der Bauten allein scheinen mir aber keinen Hinweis darauf zu geben.
A. RICCI, Palazzo o monastero, Islam o Occidente: Il complesso mediobizantino a Kücükyali (Istanbul), in: Il III Congresso
Nazionale di Archeologia Medievale. Salerno 2004, 515–519.
Nicetas Choniates, Historia (I.A. VAN DIETEN. Berlin 1975, 206, 52–56).
N. ASUTAY-EFFENBERGER, „Machrutas“. Der seldschukische Schaupavillon im Großen Palast von Konstantinopel. Byzantion 74
(2004) 313–329; vgl. DIES., Spuren seldschukischen Lebensstils in der imperialen Architektur Konstantinopels im 12. Jhd., in:
U. KOENEN – M. MÜLLER-WIENER, Grenzgänge im östlichen Mittelmeerraum. Byzanz und die islamische Welt vom 9. bis 13.
Jahrhundert. Wiesbaden 2008, 169–184. Im Text des Berichts (A. HEISENBERG, Programm des k. Alten Gymnasiums zu Würz-
Byzanz – die Brücke zum Osten
21
Im vorliegenden Beitrag wurden im Rahmen der Architektur nur diese beiden Beispiele aus Konstantinopel ausgewählt, obwohl es kaum einen anderen Bereich gibt, in dem der Osten so stark auf Byzanz eingewirkt hat, etwa Kirchengrundrisse, Kuppelkonstruktion, aber auch Einzelheiten von Bauplastik und Baudekor. Dieser Sektor müsste aber Gegenstand einer ganz eigenen Untersuchung sein58.
Abb. 2: : Elfenbeinkästchen im Schatz der Kathedrale von Troyes
Jagd
Paradigmatisch für die höfische Welt ist die Jagd, die in dieser Form ihren Ursprung im Alten Orient hat und
in Byzanz auf das sasanidische Vorbild zurückgreift59. Die Jagd ist in der Realität des höfischen Lebens im————–
58
59
burg 1907, cap. 27) heißt es: „Der Bau ... wurde von Persern aufgeführt, was ihm auch das Aussehen und die Buntheit eines persischen Prunkgewandes gibt.“
Zahlreiche Hinweise, besonders zu Profanbauten bei MÜLLER-WIENER, Byzanz (wie Anm. 54).
P.O. HARPER (Hrsg.), The Royal Hunter. Art of the Sasanian Empire. London 1978.
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Peter Schreiner
mer ein Einzelkampf, eine Auseinandersetzung des Herrschers mit dem wilden Tier. Sie findet ihre schriftliche Darstellung in der höfischen Literatur60 und ihre sichtbare Wiederspiegelung in der Kunst, die die östliche Provenienz der kaiserlichen Jagd besonders deutlich zum Ausdruck bringt. Als Beispiel wählen wir das
Elfenbeinkästchen im Schatz der Kathedrale von Troyes61 (Abb. 2). Die Vorderseite zeigt zweimal den Kaiser, links, wie er das königliche Tier, den Löwen, angreift, rechts, wie er ihn tötet, ein Recht, das nur dem
Herrscher zukam, in der Folge einer Tradition, die bereits der Alte Orient kannte und in byzantinischer Zeit
auf den sasanidischen Silberschalen dargestellt wurde62. Nicht minder bemerkenswert ist in unserem Zusammenhang die rechte Seitenfläche. Man kann von einem stilisierten Hahn sprechen, doch ist es eher, unter
dem Einfluss chinesischer Seidenstoffe, der Vogel Fenghuang, das Symbol der ewigen Dauer der Herrschaft.
Die Oberseite weist wieder ganz nach Byzanz und zeigt den adventus eines Kaisers63. Das Kästchen, zwischen dem 9. und dem 11. Jahrhundert in Konstantinopel hergestellt, ist künstlerisch ein Pasticcio aus verschiedenen Elementen des Ostens und als solches charakteristisch für einen Großteil der byzantinischen
Kunst.
Sport
Während die Spiele im Hippodrom das Element der antiken römischen Tradition im byzantinischen Staat
zum Ausdruck brachten und eine Institution für die Masse der städtischen Bevölkerung darstellten, war das
Polospiel (gr. σφαιρισμός oder τζυκάνιον) ein der Hofgesellschaft vorbehaltenes Ballspiel zu Pferde, dessen
Übernahme vom sasanidischen Hof durch das Fremdwort τζυκάνιον ← čōγān zweifelsfrei feststeht64. Die
Anlage des entsprechenden Sportfeldes (τζυκανηστήριον) unter Theodosios II. (408–450) zeigt, dass dieser
Sport schon früh in Byzanz Interesse gefunden hat und noch im 13. Jahrhundert unter Kaiser Michael VIII.
Palaiologos praktiziert wurde65. Ob zu dieser Zeit das Tzykanesterion des Großen Kaiserpalastes noch benutzbar war oder im Bereich des Blachernenpalastes ein neues Areal geschaffen wurde, wissen wir nicht.
Geschenke nach dem Osten und aus dem Osten
Geschenke an den Kaiser waren ebenso wie solche des Kaisers an andere Herrscher kein Ergebnis des Zufalls oder der Überraschung, sondern beruhten auf Forderung66, Wunsch oder im Voraus getroffener Konsultation. Das arabische „Buch der Geschenke“ hat Listen aus der Zeit zwischen 900 und 1070 zusammengefasst67. Eine davon, die die Namen der Kaiser Romanos, Stephanos und Konstantinos trägt, stammt demzu————–
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Der Jagd sind in der byzantinistischen Forschung nur wenige Untersuchungen gewidmet, am umfassendsten E. PATLAGEAN, De
la chasse et du souverain. DOP 46 (1992) 257–263.
Das Kästchen, das in kaum einer Ausstellung byzantinistischen Inhalts fehlt, hat eine Fülle von Kurzinterpretationen erfahren, die
an dieser Stelle ebenso wie die Datierungen nicht zur Diskussion stehen. Ich folge den Ausführungen von G. DE FRANKOVICH,
Persia, Siria, Bisanzio e il medioevo artistico europeo. Neapel 1984, 78–105.
Unter den vielen Beispielen vgl. eine Schale in der Ermitage mit Šapur III., der einen Leoparden tötet (Splendeur des Sassanides
[ wie Anm. 5], 202 Tafel 58).
Zum adventus des Kaisers, der auf dem Bamberger Gunthertuch seine bekannteste Darstellung gefunden hat (vgl. jetzt M. RESTLE, Das Gunthertuch im Domschatz zu Bamberg, in: Byzantina Mediterranea. Festschrift für Johannes Koder. Wien 2007, 547–
568) siehe H. Hunger, Reditus imperatoris, in: G. PRINZING – D. SIMON (Hrsg.), Fest und Alltag in Byzanz. München 1990, 17–
35.
Zur Wortgeschichte A. PAGLIAZZO, Un gioco persiano alla corte di Bisanzio. Studi bizantini e neoellenici 5 (1939) 521–524.
Zum historischen Ablauf Ph. KUKULES, Byzantinon bios kai politismos, III. Athen 1949, 139–142.
Einer „Forderung“ entsprach das goldene Bett an den awarischen Kaghan, von dem oben (Anm. 41) die Rede war, oder der
Elefant, den sich derselbe Khan wünschte (Theophylaktos Simokattes, Historiae [C. DE BOOR. Leipzig 1887, 45, 20–23]).
Die Byzanz betreffenden Beispiele bei O. GRABAR, The Shared Culture of Objects, in: H. MAGUIRE, Byzantine Court Culture
from 829 to 1204. Washington 1997, 115–129. Zur Weite des arabisch-byzantinischen Kunstaustausches, der auch die Anwerbung von erfahrenen Handwerkern einschließt, siehe A. CUTLER, The Parallell Universes of Arab and Byzantine Art (with Special Reference of the Fatimid Era), in: M. BARRUCAUD (Hrsg.), L’ Égypte Fatimide. Son Art et son histoire. Paris 1999, 635–648,
und DERS., Significant Gifts. Patterns of Exchange in the Late Antique, Byzantine and Early Islamic Diplomacy. The Journal of
Medieval and Early Modern Studies 38 (2008) 79–101. Ich danke Mabi Angar, Köln, für den Hinweis auf diese beiden Titel.
Byzanz – die Brücke zum Osten
23
folge aus den Jahren 923–945 und enthält 28 verschiedene Gegenstände, davon einzelne in mehrfacher Anzahl, die aus Konstantinopel an den Hof des Kalifen geschickt wurden. Darunter gibt es Objekte, die, obwohl
in Konstantinopel hergestellt, sicher ganz den Wünschen und Bedürfnissen des Kalifenhofes entsprachen,
etwa „drei Turbane aus Rohseide, deren Ränder mit Gold verziert sind“, „zehn Samtübergewänder mit Elefanten in den Streifen“, „ein Brokattuch mit einem Vogel, der mit seinen zwei Flügeln gegen einen Löwen
kämpft“ oder „zwei Prokatbezüge mit der Darstellung eines Jägers in einem Medaillon auf weißen Grund,
zwei mit kauerndem Löwen auf gelbem Grund, zwei mit Adlern in Medaillons“. Man braucht nicht anzunehmen, dass diese Gegenstände eigens für den arabischen Handel oder nur für Gesandtschaften hergestellt
wurden, auch wenn es auffallen mag, dass man Turbane nach Bagdad schickte. Sie entsprachen ebenso dem
Geschmack der aristokratischen byzantinischen Gesellschaft, und man findet sie auf Fresken und Miniaturen
in der byzantinischen Kunst.
Geschenklisten der arabischen Gegengesandtschaften besitzen wir aus Byzanz nicht. Aber orientalische
Gegenstände in europäischen Sammlungen, besonders in den Kirchenschätzen, erlauben Rückschlüsse auf
Objekte, wie sie auch am Kaiserhof in Konstantinopel entgegengenommen und aufbewahrt wurden. Besonders leicht ist es, solche Stücke im Schatz von San Marco in Venedig aufzufinden. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, dass sie alle aus Byzanz nach Venedig gekommen sind, aber man darf behaupten, dass
Kunstwerke ähnlicher Art in Konstantinopel, von den Kontakten mit dem Osten herrührend, vorhanden waren68.
Gerade als ehemalige Geschenke erhaltene Kunstgegenstände zeigen vielfach unabhängig von ihrer Anfertigung, sei es im byzantinischen Reich, im Kalifat oder im Seldschukenstaat, eine große Ähnlichkeit an
Formen und Motiven, die „Zeugnis ablegt von dem regen kulturellen Austausch im östlichen Mittelmeergebiet in einer Zeit der ständig verschwimmenden Grenzen“69.
V. DER ÖSTLICHE CHARAKTER DER BYZANTINISCHEN KIRCHE
Die byzantinische Kirche wird meist nur im Gegensatz zur lateinisch-römischen („westlichen“) gesehen,
ohne hinreichend zu bedenken, dass die fundamentalen Unterschiede gerade auf den östlichen Grundlagen
der byzantinischen Kirche beruhen. Die wichtigsten Gesichtspunkte können hier nur summarisch aufgelistet
werden:
(1) Mit Konstantin dem Großen wurde der Kaiser vom Beschützer der heidnischen Religion und dem
Bewahrer und Hüter eines heidnischen Glaubens zu dem des christlichen, der sich einer staatlichadministrativen Ordnung unterwarf, während der Verfall des Kaisertums im Westen die östliche Idee der
Verkettung von Staat und Glaube (Kirche) schwächte und bald völlig verschwinden ließ.
(2) Die von den östlichen Kirchenvätern entwickelte und in Konzilien gefestigte Dogmatik beruht auf der
in den Normen der antiken griechischen Philosophie fundierten Kirchenlehre der östlichen Provinzen Syrien,
Palästina und Ägypten.
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Beispiele sind etwa eine türkisfarbene Schale mit einem laufenden Hasen (Der Schatz von San Marco in Venedig. Ausstellungskatalog Köln. Mailand 1984, Nr. 28 = Il tesoro di San Marco, opera diretta da H.R. HAHNLOSER. Florenz 1965, Nr. 140), eine
Bergkristallschale (Der Schatz, Nr. 29 = Il tesoro, Nr. 102), eine Kanne aus Bergkristall (Der Schatz, Nr. 30 = Il tesoro, Nr. 80)
oder ein Pokal aus Bergkristall, der mit Gewissheit aus Konstantinopel stammt, weil der Becher eine byzantinische Arbeit darstellt, für die ein Bergkristallfuß aus den persischen Provinzen des Kalifats verwendet wurde (Der Schatz, Nr. 21 = Il tesoro, Nr.
73)
U. KOENEN, Die Artukidenschale im Innsbrucker Ferdinandeum als Zeugnis der Grenzgänge im östlichen Mittelmeergebiet.
Bemerkungen zur Methodik der byzantinischen Kunstgeschichte, in: KOENEN –MÜLLER-WIENER, Grenzgänge (wie Anm. 57)
121–145. Das Zitat aus diesem methodisch grundlegenden Aufsatz auf S. 141. Diese Mischkultur ist jüngst Gegenstand umfangreicher Beobachtungen geworden: M. BORGOLTE, J. DÜCKER, M. MÜLLERBURG, B. SCHNEIDMÜLLER (Hrsg.), Integration und
Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter. Berlin 2011, dort besonders der Beitrag von U. RITZERFELD, Mamlukenarchitektur des 13. und 14. Jahrhunderts in Kairo – Hybridisierung in hybrider Umgebung (S. 503–544). Diese Vermischung
der Stile, die auch die exakte Bestimmung von Provenienzen erschwert, zeigt sich auch bei früheren Begegnungen der Steppenvölker mit Byzanz, worauf jüngst Cs. BÁLINT, Der Schatz von Nagyszentmiklós. Budapest 2010, 325–331 (Einführung zu „Über
Ähnlichkeiten der Bildtypen“) hingewiesen hat.
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Peter Schreiner
(3) Die Beibehaltung eines freien Mönchtums nach dem Prinzip der frühen Kirche ohne Institutionalisierung (Orden).
(4) Die überwiegende Verehrung von Heiligen aus den östlichen Provinzen des Römischen Reiches.
(5) Die Schaffung einer eigenen Liturgie in Konstantinopel unter Berücksichtigung palästinensischer
Formulare70, einer zunehmenden Verbindung von zentralem Baukörper, wie er in den östlichen Provinzen
entwickelt worden war, mit der zeremoniellen Ausgestaltung der Liturgie und der Einwirkung des Kaiserzeremoniells auf jenes der Kirche. Dazu tritt in der inhaltlichen Ausgestaltung der Liturgie die zentrale Rolle
der Hymnik, deren syrisch-palästinensische Provenienz unbestritten ist71. Die genannten Punkte (und weitere
darüber hinaus) werden unter dem Gesamtbegriff der Orthodoxie zusammengefasst, die nicht nur eine wesentliche Komponente der byzantinischen Kultur (und nicht allein der Kirche) darstellt, sondern überwiegend
auf Faktoren beruht, die in den orientalischen Provinzen des römischen und später des byzantinischen Reiches beheimatet sind72.
VI. BYZANZ ALS KATALYSATOR: LITERATUR UND SPRACHE
Byzanz hat, vom Transport der bloßen Handelswaren abgesehen, die Gegenstände, Motive und Ideen des
Ostens verändert und dem eigenen Selbstverständnis, soweit nötig und erwünscht, angepasst. In dieser Form
sind sie uns in Byzanz erhalten geblieben oder, oft mit weiteren Veränderungen, in andere Teile des Mittelmeerraumes und Europas gekommen.
Deutliche Spuren dieser Bewegungen hat die Literatur hinterlassen, auf die hier nur mit einigen Titeln
eingegangen werden kann. Es war bereits davon die Rede, welches Interesse viele Kreise der byzantinischen
Gesellschaft der altorientalischen Orakelkultur beimaßen. Eng mit diesem Bereich ist, trotz kirchlicher Proteste, die Traumdeutung verbunden. Ein zentrales Werk stellt das Traumbuch des Achmet dar. Es vermittelt
die Trauminterpretation der Inder, Perser und Ägypter73. Trotzdem liegt keine Übersetzung vor. Das Werk
beruht vielmehr auf der selbständigen Kompilation eines christlichen Arabers, der die arabischen Quellen las
und einen griechischen Text schuf74. Wenigstens zu erwähnen sind an dieser Stelle auch einige andere Werke, deren Stoff und Originaltext jenseits der östlichen Grenzen entstanden75: Stephanites und Ichnelates, als
Fürstenspiegel dienende Fabeln, die aus dem Sanskrit (Pañcatantra) und dem Arabischen (Kalilah ve Dimnah) den Weg zur griechischen Übersetzung fanden, und die Novellensammlung des Syntipas („Sindbad“),
an dessen Beginn eine Pehlevi-Version stand, die mit vielen Veränderungen über das Arabische schließlich
ins Griechische übersetzt wurde.
Etwas ausführlicher ist auf das wohl bedeutendste Opus mit vollständig östlichem Hintergrund, das von
Konstantinopel aus seine weltweite Verbreitung fand, einzugehen, nämlich die Legende von Barlaam und
Joasaph, von der der belgische Byzantinist Henri Grégoire sagte, es verdiene sicherlich den ersten Nobelpreis der Weltliteratur76. Es ist seit einigen Jahren gewiss, dass nicht Johannes von Damaskus der Autor ist,
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R.F. TAFT, Le rite byzantin. Paris 1996; E. BENZ, Geist und Leben der Ostkirche. München 1971, 21–36; H.-J. SCHULZ, Die
byzantinische Liturgie. Trier 1980, und vom selben Autor die eindrucksvolle Zusammenfassung zur byzantinischen Liturgie im
Lexikon des Mittelalters. Bd. 5, 2029–2033.
Aus der Fülle der Literatur nur zwei Titel: Chr. HANNICK, Zur Metrik des Kontakion, in: W. HÖRANDNER, J. KODER, O. KRESTEN,
E. TRAPP (Hrsg.), Byzantios. Festschrift für Herbert Hunger. Wien 1984, 107–119, und J. KODER, Romanos der Melode. Die
Hymnen. Stuttgart 2005/6.
Zur politischen Bedeutung der Orthodoxie s. H. AHRWEILER, L’idéologie politique de l’empire byzantin. Paris 1975.
Z. B. „Über den Aussatz nach der Lehre der Inder, Perser und Ägypter“.
Dies hat M. MAVROUDI, A Byzantine Book on Dream Interpretation: The Oneirocriticon of Achmet and its Arabic Sources.
Leiden 2002, klar nachgewiesen. Der griechische Text ist nach der Zusammenstellung in der kritischen Ausgabe (Achmetis Oneirocriticon, rec. F. DREXL. Leipzig 1925) in 16 Handschriften überliefert (S. X–XIII), was hochgerechnet auf eine nicht unerhebliche Verbreitung schließen lässt. Deutsche Übersetzung von K. BRACKERTZ, Das Traumbuch des Achmet. München 1986.
Hier sei bibliographisch nur auf H.-G. BECK, Geschichte der byzantinischen Volksliteratur. München 1971, 35–48 („Orientalische Stoffe“) hingewiesen, ohne Arbeiten aus den dazwischen liegenden 40 Jahren zu berücksichtigen.
H. GREGOIRE, Le monastère d’Iviron et le rôle des Géorgiens du Mont d’Athos. Epeteris Hetaireias Byzantinon Spoudon 32
(1963) 420–426, bes. 420: « le livre qui certainement mérite le premier prix Nobel de la littérature universelle ».
Byzanz – die Brücke zum Osten
25
sondern der georgische Mönch Euthymios, der am Ende des 10. Jahrhunderts im Iviron-Kloster auf dem
Athos einen georgischen Text, das Balavariani, die christliche Version der Vita Buddhas, als Vorlage für die
Abfassung eines griechischen Textes genommen hat77. Wenngleich manchen Zwischenstufen auf dem Weg
von Indien nach Georgien noch nachzugehen ist, bleibt als Faktum, dass Joasaph, alias Buddha, seit dem 11.
Jahrhundert in literarischer Form seinen Eingang in die christliche Hagiographie gefunden hat.
Abb. 3:
Alexander auf dem Thron
(Venedig, Istituto Ellenico, cod. gr. 5, f. 35r)
Die bisher erwähnten Texte warfen Licht auf literarische Werke, die im Osten außerhalb des Reiches ihren Ursprung hatten. Die Geschichte Alexanders des Großen – von der Textgestaltung her die verschiedenen
Versionen des spätantiken Pseudo-Kallisthenes – spiegelt dagegen den Traum der eigenen Größe und Bedeutung eines vergangenen, aber nie vergessenen griechisch-hellenistischen Ostens wider. Die zahlreichen Varianten der Erzählung stellen eine östliche Welt dar, die im Denken der Byzantiner immer präsent war und die
Grundlage für die genuin byzantinische Bewältigung des Alexander-Stoffes, seine bildlichen Darstellungen
und seine Tradierung in der Literatur bildet. Ohne die Gestalt Alexanders des Großen, seine Eroberung und
Unterwerfung des Ostens ist die ideelle Größe des Römischen Reiches nicht denkbar und in seiner Nachfolge
jene des Römerreichs der Byzantiner. Schon von dieser Vergangenheit her konnte sich Byzanz als eine
Macht des Ostens fühlen und jederzeit den Anspruch darauf erheben, es zu sein. In Alexander drückte sich
die Apotheose eines profanen Kaisertums aus, auch wenn dieses im Laufe der Jahrhunderte immer mehr
zugunsten eines christlichen Kaisertums zurückgedrängt und zu einer literarischen und ideologischen Fiktion
wurde. Die Bedeutung Alexanders im Denken der Byzantiner sowie seine Präsentation in Literatur und
Kunst bedürfen einer umfassenden Darstellung, die hier nicht einmal in ihren Grundlinien angedeutet werden
————–
77
R. VOLK, Die Schriften des Johannes von Damaskos. VI,1 Historia animae utilis de Barlaam et Ioasaph (spuria). I. Berlin 2009,
mit der Beweisführung über den Autor. Bd. 2 (Text). Berlin 2006. Dieser Text liegt jetzt auch der zweiten Auflage der italienischen Übersetzung Storia di Barlaam e Ioasaph. La vita bizantina del Buddha, a cura di P. CESARETTI e S. RONCHEY. Turin 2012
zugrunde.
26
Peter Schreiner
kann78. In dem unter dem Namen des Georgios Kodinos überlieferten Traktat über die Hofämter (aus der
Mitte des 14. Jahrhunderts) findet sich auch ein Kapitel, das der Kontinuität des byzantinischen Reiches seit
Alexanders Zeiten Rechnung trägt: Da Alexander als König von Makedonien sich der Reiche des Ostens
bemächtigt hatte und Makedonien unter der Herrschaft Konstantins des Großen gestanden habe, „ehren die
Völker des Ostens (τὰ ἐῷα ἔθνη) den Kaiser als Nachfolger des väterlichen Hauses Alexanders“79. In ihren
Triumphaltiteln nennen sich die Kaiser von Konstantin bis Justinian Medicus und Persicus80. Diese östliche
Tradition der byzantinischen Kaisermacht findet ihre gewissermaßen summarische Zusammenfassung in den
Miniaturen der in Venedig aufbewahrten Handschrift des Alexanderromans81. Aus der Fülle der Alexanderrepräsentationen dieser Handschrift ragt eine Darstellung der Huldigung des jungen Alexander hervor, die
den Gedanken des profanen Kaisers als Realität oder Wunschbild zum Ausdruck bringt (Abb. 3)82. In Kleidung, Kopftracht und Körperschmuck wird hier ein Orient lebendig, der in Trapezunt, wo die Handschrift
(wann?) kopiert und unter Mitwirkung georgischer Künstler illustriert wurde, stärker präsent war als in Konstantinopel83. Spätere osmanisch-türkische Texte in dieser Handschrift interpretieren die Illustrationen und
zeigen das Weiterleben im Osmanischen Reich.
Ein im Gegensatz zur Literatur weitgehend unerforschtes Feld ist dagegen die Übernahme fremder Lexik
im zeremoniellen und militärischen Bereich oder in den Realien des Handels aus den iranischen Sprachen,
dem Arabischen und besonders den Turksprachen. Dieser Sachverhalt kann hier nur erwähnt, aber nicht vertieft werden84.
VII. BYZANZ IM EXIL
Der Osten an den Grenzen und jenseits der Grenzen war aber nicht nur ein Raum der Gefahren und der
feindlichen Völker, die es abzuwehren galt. Hier liegt auch die Welt des christlichen Ostens, der in unsere
Betrachtungen an dieser Stelle miteinbezogen werden muss. Dieser weite Bereich steht nur sehr gering und
meist überhaupt nicht mit der politischen Geschichte und der politischen Entwicklung in Byzanz in Verbindung. Er ist aber in seinen ideellen Wurzeln mit Byzanz gewissermaßen geschwisterlich verbunden, eine
„sibling culture“, wie sie Geanakoplos im Westen evident machte85. Man könnte von einem „Byzanz im
Exil“ sprechen oder einem „Byzanz außerhalb von Byzanz“86. Ihm wurde als Gesamtphänomen , als einem
facettenreichen, eigenständigen Byzanz im Osten bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Es können an
dieser Stelle nur einige Stichworte herausgegriffen werden.
Der geographische Umfang: Es sind zunächst jene Provinzen, die bis zur arabischen Eroberung Teile des
Römischen und dann des byzantinischen Reiches waren – Syrien, Palästina, die Siedlungen in Ägypten, in
denen stets griechische Bevölkerung lebte. Dieses Byzanz hat im Rahmen der Übersetzungsliteratur, aber
auch der Liturgie, der mönchisch-asketischen und theologisch-dogmatischen Literatur immer einen unverzichtbaren Beitrag zur geistigen Entwicklung im byzantinischen Reich selbst geleistet87. Aus einer Begeg————–
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Auch hier verweisen wir auf die Zusammenfassung bei BECK, Volksliteratur (wie Anm. 75), 31–32, sowie H.-J. GLEIXNER, Das
Alexanderbild der Byzantiner, eine unter der Leitung von Franz Dölger entstandene Dissertation (ersch. München 1961), die
auch nach 50 Jahren noch die einzige Zusammenfassung bietet.
Pseudo-Kodinos, Traité des offices (J. VERPEAUX. Paris 1976, 205, 1–207, 8). Vgl. auch die Hinweise bei TREITINGER, Kaiserund Reichsidee (wie Anm. 6), 163 und Anm. 17.
G. RÖSCH, Onoma Basileias. Wien 1978, 60.
N.S. TRAHOULIAS (Hrsg.), The Greek Alexander Romance. Athen 1997.
Ibid. f. 29r. Ausrufung Alexanders und Huldigung oder f. 35r Alexander auf dem Thron.
Zum östlichen Hintergrund in Trapezunt s. R.M. ŠUKUROV, Velikie Komniny i Vostok (1204–1261). Sankt Peterburg 2001.
Beispiele aus dem Iranischen sind etwas das τζυκάνιον, das Polospiel (wie Anm. 64), oder κλιβάνιον für den Panzer (A.D.H.
BIVAR, Cavalry Equipment. DOP 26, 1972, 277 A. 28). Umfangreichste Sammlung von turksprachiger Lexik bei Gy. MORAVCSIK, Byzantinoturcica II. Sprachreste der Turkvölker in den byzantinischen Quellen. Berlin 1958.
D.J. GEANAKOPLOS, Interaction of the „Sibling“ Byzantine and western Cultures in the Middle Ages and Italian renaissance
(330–1600). New Haven 1976.
G. CAVALLO (Hrsg.), Bisanzio fuori Bisanzio. Palermo 1991.
B. FLUSIN, Le regioni orientali. Egitto, Siria, Palestina, in: G. CAVALLO (Hrsg.), Lo spazio letterario del medioevo III. Le culture
circostanti. I. La cultura bizantina. Rom 2004, 61–92, und W. BRANDES, Der frühe Islam in der byzantinischen Historiographie.
Byzanz – die Brücke zum Osten
27
nung im Jahr 1204 in Konstantinopel zwischen den Kreuzfahrern und dem König von Nubien („der eine
vollständig schwarze Haut hatte“) von der Robert de Clari berichtet88, hat man geschlossen, vielleicht zu
Unrecht, dass er die Unterhaltung in griechischer Sprache geführt habe. Für einen kurzen Moment wird dabei
ein fast vergessenes christliches Königreich lebendig, in dem auf Fresken und in Stein zahlreiche griechische
Inschriften von einer spätantiken und byzantinischen Tradition zeugen89. Arabische Berichte zeigen, dass das
Zeremoniell am nubischen Königshof Züge des byzantinischen aufweist und die gemeinsame Wurzel am
persisch-sasanidischen Königshof zu suchen ist90. Ein besonderes Augenmerk verdient aber die nestorianische Kultur in Zentralasien, die durch das System der Handelswege (Seidenstraßen) immer Kontaktmöglichkeiten zu Byzanz hatte. Dieser Bereich muss hier ausgeklammert bleiben, da er eine Welt sui generis darstellt, obwohl die byzantinischen Wurzeln, die über Kirchengeschichte und Dogmatik hinausgehen, nie zu
vergessen sind91. Die konkreten diplomatischen Beziehungen zwischen Byzanz und China, die allein im 7.
und 8. Jahrhundert mehrfach in beiden Richtungen belegt sind, verdienen es längst, besser (oder überhaupt)
in das Licht der byzantinistischen Forschung gerückt zu werden
VIII. WOHIN FÜHRT DIE BRÜCKE?
Es war Aufgabe dieses Beitrags, die östlichen Komponenten in Staat, Kirche, Literatur und – marginal – der
Kunst hervorzuheben. Ein ganz eigenes Kapitel wäre es aufzuzeigen, in welcher Form, auf welchen Wegen,
mit welchen Mitteln Ideen, Gegenstände und schriftliches Gut Byzanz wieder verlassen hat, also eine translatio im weitesten Sinn, vor allem in den lateinischen Westen, aber auch in die slavischen Länder des Balkans und nach Russland, das indes seinen eigenen, von Byzanz unabhängigen Osten hatte in den Ländern der
Steppenvölker und der Tataren.
Die unmittelbare Brücke aus dem Osten war viele Jahrhunderte lang im byzantinischen Reich zu Ende,
spätestens in Konstantinopel, oder zumindest war dort eine ganz deutliche Barriere. Erst am Ende des 11.
Jahrhunderts haben die Kreuzzüge die Grenzen nach Osten geöffnet, und seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts werden die Möglichkeiten einer Kontrolle durch das byzantinische Reich zunehmend geringer. Genua
und Venedig übernahmen die Herrschaft im Schwarzen Meer und über die dorthin einmündenden Wege aus
dem Osten. Das Trapezuntinische Kaiserreich stand mit Genua in stärkerem Austausch als mit Konstantinopel. Dies gilt nicht nur für den materiellen, sondern auch für den geistigen Warenverkehr. Zudem existierte
seit dem 12. Jahrhundert eine weitere Brücke aus dem Osten nach Europa, die über Sizilien und besonders
Spanien führte, während das byzantinische Unteritalien kaum Impulse nach außerhalb in den Bereich der
nicht-griechischen Welt abgab. Die unter arabischem Einfluss stehenden Länder vermittelten die Kenntnis
der aristotelischen Philosophie92, die Methoden der Papierverfertigung93, sie lieferten seit dem 12. Jahrhundert auch Seide und gaben Anregung für Bauornamentik und Bauformen94.
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Anmerkungen zur Quellenproblematik der Chronographia des Theophanes, in: A. GOLTZ, H. LEPPIN, H. SCHLANGE-SCHÖNINGEN
(Hrsg.), Jenseits der Grenzen. Beiträge zur spätantiken und frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung (= Millenium-Studien 25).
Berlin 2009, 313–343.
Roberto di Clari, La conquista di Costantinopoli (1198–1216). Studio critico, traduzione e note di A.M. NADA PATRONE. Genua
1972, 186–187 (cap. 54).
Diesen Fragen widmete sich in verschiedenen Studien THOMAS HÄGG, etwa Some remarks on the use of Greek in Nubia, in:
Nubian Studies. Proceedings of the Symposium for Nubian studies (Cambridge 1978). Warminster 1982, 103–107. Besonders
hingewiesen sei auf eine griechische Inschrift auf der Grabstele des Bischofs Ignatios aus der Südnekropole von Faras, datiert um
802, die der alexandrinischen Majuskel folgt (Das Wunder von Faras. Ausstellung Villa Hügel. Essen 1969, Abb. 39).
K. MICHAŁOWSKI, Faras. Dresden 1974, verweist auf U. MONNARET DE VILLARD, Storia della Nubia cristiana. Rom 1938, 185–
186.
Gerade im Hinblick auf die Verbindungslinien zu Byzanz sei hingewiesen auf die (schwer erreichbare) Studie von M.S. KORDOSIS, T’ang China, the Chinese Nestorian Church and „Heretical“ Byzantium (AD 618–845). Ioannina 2008.
Die Thesen oder besser „Phantasiebilder“ von S. GOUGHENHEIM, Aristote au Mont Saint Michel. Les racines de l’Europe chrétienne. Paris 2008, sind zu Recht von verschiedensten Seiten als falsch und unhaltbar zurückgewiesen worden.
M.L. AGATI, Il libro manoscritto da Oriente a Occidente. Per una codicologia comparata. Rom 2009, 88–91.
H. BELTING, Florenz und Bagdad. Eine ost-westliche Geschichte des Blicks. München 2008.
28
Peter Schreiner
Eine Vielzahl östlicher Errungenschaften ist also nicht über Byzanz in den Westen gekommen. Nur hohe
gesellschaftliche Schichten im Westen hatten auch schon in früheren Jahrhunderten von den Stoffen und
Metallen aus Byzanz durch diplomatische Geschenke Kenntnis95. Erst Raub- und Beutestücke aus den
Kreuzfahrerstaaten und dem byzantinischen Reich (nach 1204) vermehrten die Zahl solcher Gegenstände
auch im Westen. Dynastische Verbindungen westlicher Höfe führten nicht über Byzanz hinaus in den Osten.
Erst im 13. Jahrhundert hat der geheimnisvolle Priesterkönig Johannes, der irgendwo im Osten lebte, Interesse erweckt96, aber auf ernsthafte diplomatische Interessen in den Ländern jenseits von Byzanz treffen wir erst
ab der Mitte des 13. Jahrhunderts97. Westliche Höfe ahmten das byzantinische Zeremoniell nach, weil es als
pompös erschien und Prestige brachte, für Eunuchen und Proskynese gab es keinen Raum. Die östlichen
Wurzeln der Kirche breiteten sich, von der gemeinsamen frühchristlichen Basis abgesehen, nur in den Missionsgebieten der Kirche von Konstantinopel aus (südöstliches Europa, Russland) und gehören zu den geistigen Grundlagen des von der byzantinischen Kirche abhängigen orthodoxen Commonwealth. Es blieben einige Häresien, die über die byzantinische Brücke im Westen Verbreitung fanden: der Arianismus zwischen
dem 4. und 6. Jahrhundert (dessen Verbreitung von der Hämus-Halbinsel bis Spanien der byzantinischen
Gotenmissionierung zu verdanken ist), und das Katharertum, dessen thrakisch-bulgarische Provenienz unbestritten ist. Darüber hinaus fanden einige bedeutende literarische Werke dank ihrer griechischen Übersetzung
in den Ländern romanischer und germanischer Sprache Eingang und Verbreitung: das Traumbuch des Ahmet, das Leo Tuscus 1176 im Quartier der Pisaner in Konstantinopel ins Lateinische übersetzte98, die Fabeln
des Stephanites und Ichnelates, der Syntipas (Die Fabeln der Sieben Weisen) und besonders der BarlaamRoman, der schon 1048, bald nach seiner Übersetzung ins Griechische, im konstantinopolitanischen Viertel
der Amalfitaner eine lateinische Version erhielt99.
Weitaus größer war dagegen die Anzahl an Objekten und Motiven genuin byzantinischer Herkunft, also
ebenfalls aus dem Osten, die im Westen rezipiert wurden. Sie waren nicht Gegenstand dieser Überlegungen.
*
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*
Auch wenn die heutige Forschung das byzantinische Reich überwiegend als einen integrierenden Teil des
christlichen Europa sieht und einige neuere Gesamtdarstellungen die okzidentale Komponente mit übergroßem Nachdruck hervorheben100, so ist es ein Anliegen dieses Beitrages gewesen, seine überwiegend östlichen Wurzeln als wesentliche Grundlagen der politischen und kulturellen Welt des byzantinischen Reiches
zu unterstreichen. Sie sind es gerade, die den Zeitgenossen im Westen und der Nachwelt bis heute das Verständnis des Phänomens Byzanz so schwer gemacht haben, einschließlich vieler ideeller Komponenten, die
auf die Nachfolgerstaaten im Balkan und auf Russland übergegangen sind.
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P. SCHREINER, Diplomatische Geschenke zwischen Byzanz und dem Westen. Eine Analyse der Texte mit Quellenanhang. DOP
58 (2004) 251–282.
W. BAUM, Die Verwandlungen des Mythos vom Reich des Priesterkönigs Johannes. Rom, Byzanz und die Christen des Orients
im Mittelalter. Klagenfurt 1999.
F. SCHMIEDER, Europa und die Fremden. Die Mongolen im Urteil des Abendlandes vom 13. bis in das 15. Jahrhundert. Sigmaringen 1994.
Ch.H. HASKINS, Leo Tuscus. BZ 24 (1923/24) 43–47; P. SCHREINER, Der Austausch von literarischen Motiven und Ideen zwischen Ost und West im Mittelmeerraum, in: DERS., Byzantinische Kultur II. Rom 2009, Beitrag V (S. 76–77).
Ibid., Beitrag V (S. 75–76). Der lateinische Text aus dieser Handschrift ist jetzt ediert von J. MARTÍNEZ GÁZQUEZ, Hystoria Barlae et Ioasaphat. Madrid 1997. Dort auf S. XIV Anm. 3 weitere Hinweise zu lateinischen Übersetzungen. Aufstellung aller lateinischen Übersetzungen bei J. SONET, Le roman de Barlaam et Josaphat. Recherches sur la tradition manuscrite latine et française.
Louvain 1949. Sonet bringt eine nützliche Auflistung der Handschriften (die nach 60 Jahren sicher erweitert werden kann), aber
keinen Vergleich dieser Handschriften, die auf sichere Abhängigkeiten schließen lassen. Ohne die erst jetzt gegebene Basis des
griechischen Textes (s. oben Anm. 77) wären solche Untersuchungen allerdings auch verfrüht gewesen.
Ohne mit dieser Feststellung eine negative Wertung auszusprechen scheint mir dies der Fall zu sein bei W. TREADGOLD, A History of Byzantine State and Society. Stanford 1997, und R.-J. LILIE, Byzanz. Geschichte des Oströmischen Reiches 326–1453.
München 1999.
Byzanz – die Brücke zum Osten
29
Es ist die Aufgabe des Historikers, politische Gewichtungen an der Realität der historischen Situation der
Vergangenheit und nicht aktuellem Wunschdenken zu messen. Unter diesem Gesichtspunkt verkörpert Byzanz immer, auch als sein politischer Stern gesunken war, die Traditionen des Ostens. Viele der hier berührten Themen, hätten eine gründlichere Ausführung und Erläuterung verdient, aber es wurde versucht, in einem breiten Horizont möglichst viele Argumente zu berühren. Der Osten sollte als eine immanente Kraft der
byzantinischen Welt begreifbar werden, die er auch für die Byzantiner war. Wenn Lukas Notaras, angesichts
der Katastrophe der Stadt und des Reiches kurz vor dem Untergang das berühmte Dictum ausspricht, er sähe
in der Kaiserstadt lieber den Turban als die Krone des lateinischen Kaisers (wie die korrekte Übersetzung
lautet)101, so manifestiert sich darin keine Untergangsstimmung, sondern eine Jahrhunderte alte Mentalität.
Als die Tage gezählt waren, hatte der Osten auch das byzantinische Reich wieder heimgeholt.
————–
101
V. GRECU (ed.), Ducas, Istoria turco-bizantina (1341–1462). Bucarest 1958, 329,11–12. Die richtige Übersetzung mit ausführlicher Begründung bei D.R. REINSCH, Lieber der Turban oder was? Bemerkungen zum Dictum des Lukas Notaras, in: Philellen.
Studies in Honour of Robert Browning. Venedig 1986, 377–389. Auch wenn die philologische Übersetzung korrekt ist, so gebe
ich doch eher Gilbert Dagron (Orthodoxie byzantine et culture hellénique autour de 1453. Mélange de l’Éclole française de
Rome. Moyen Âge 113 [2001] 767–791) recht: nous pensons, d’après le contexte, qu’il s’agit bien de la tiare ou mitre pontificale
(Anm. 38). Siehe dazu auch Seite 296 zu Anm. 22.
MIHAILO ST. POPOVIĆ
Mit Karl May unterwegs auf byzantinischen Landwegen in Südosteuropa
In memoriam Prof. Dr. Ştefan Duţu
Aus Anlaß des Karl-May-Jahres 20121 widmet sich der vorliegende Beitrag dem Orientzyklus des berühmten
Schriftstellers, bestehend aus den Büchern Durch die Wüste2, Durchs wilde Kurdistan3, Von Bagdad nach
Stambul4, In den Schluchten des Balkan5, Durch das Land der Skipetaren6 und Der Schut7, welche allesamt
in ihrer endgültigen Form 1892 erschienen sind8 und welche auf das Territorium des vormaligen Byzantinischen Reiches Bezug nehmen, um anhand einschlägiger Textpassagen Übereinstimmungen bzw. Abweichungen zwischen den Verkehrswegen des Mittelalters und der Neuzeit herauszuarbeiten.
1. ÜBER DIE KONGRUENZ DER ROUTEN KARL MAYS
MIT BYZANTINISCHEN VERKEHRSWEGEN
Im ersten Teil des Beitrages lautet zunächst die Fragestellung, auf welchen Routen Karl May seinen Helden
Kara Ben Nemsi Effendi durch den Orient hat reisen lassen und ob er hierbei auf Trassen byzantinischer
Verkehrswege zurückgegriffen hat.
Mannigfaltig sind die wissenschaftlichen Publikationen zu den Landwegen im Byzantinischen Reich
(Abb. 1)9. Bestimmte byzantinische Quellengruppen wurden bereits in der Vergangenheit über Gebühr aus————–
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Diese Forschung wurde vom Adolf Holzhausen-Legat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert. Zahlreich
sind einschlägige Publikationen aufgrund des Karl-May-Jahres 2012. Beispielhaft sei an dieser Stelle auf folgende mit weiterführender Sekundärliteratur verwiesen: P. GENSLER, Deutscher Orientalismus im Orientzyklus von Karl May. Studienarbeit. München 2011; F. GÜNDOGAR, Trivialliteratur und Orient: Karl Mays vorderasiatische Reiseromane (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur 684). Frankfurt/M., Bern, New York 1983; H. SCHMIEDT, Karl May oder die Macht
der Phantasie. Eine Biographie. München 2011. Zu den tatsächlichen Weltreisen Karl Mays: L. SCHMID – B. SCHMID (Hrsg.), In
fernen Zonen. Karl Mays Weltreisen, Orient 1899–1900, Amerika 1908 (Karl May’s Gesammelte Werke 82). Bamberg, Radebeul
1999; S. BENEKE – J. ZEILINGER (Hrsg.), Karl May – Imaginäre Reisen: eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums,
Berlin. Vom 31. August 2007 bis 6. Januar 2008. Berlin 2007; J. HEIMANNSBERG, Karl May auf Reisen. Mit dem Erfinder von
Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand unterwegs. Mannheim 2012. Vor kurzem hat Frau Natalie Sontopski eine Master-Thesis
mit dem Titel „Die Wieder-Verzauberung der Welt. Eine Analyse von Karl Mays Orientzyklus“ an der Universität Leipzig vorgelegt, welche das wissenschaftliche Feld zusätzlich bereichert. Ich danke Frau Sontopski für ihre überaus nützlichen bibliographischen Hinweise zu Karl May und dem Orientalismus.
K. MAY, Durch die Wüste. Ungekürzte Ausgabe. Bamberg 1962.
DERS., Durchs wilde Kurdistan. Ungekürzte Ausgabe. Bamberg 1962.
DERS., Von Bagdad nach Stambul. Ungekürzte Ausgabe. Bamberg 1962.
DERS., In den Schluchten des Balkan. Ungekürzte Ausgabe. Bamberg 1962.
DERS., Durch das Land der Skipetaren. Ungekürzte Ausgabe. Bamberg 1962.
DERS., Der Schut. Ungekürzte Ausgabe. Bamberg 1962.
Siehe zur Datierung des Orientzyklus: H. PLAUL, Illustrierte Karl-May-Bibliographie. München 1989, passim.
Vgl. dazu folgende Auswahl an Sekundärliteratur: A. AVRAMEA, Land and Sea Communications, Fourth–Fifteenth Centuries, in:
A.E. LAIOU (Hrsg.), The Economic History of Byzantium. From the Seventh through the Fifteenth Century, Vol. 1. Washington
D.C. 2002, 57–90; Kl. BELKE, Roads and Travel in Macedonia and Thrace in the Middle and Late Byzantine Period, in: R.
MACRIDES (Hrsg.), Travel in the Byzantine World. Aldershot 2002, 73–90; M. FASOLO, La Via Egnatia I. Da Apollonia e Dyrrachium ad Herakleia Lynkestidos (Viae Publicae Romanae 1). Roma 2005; F. HILD, Das byzantinische Straßensystem in Kappadokien (VTIB 2). Wien 1977; C.J. JIREČEK, Die Heerstrasse von Belgrad nach Constantinopel und die Balkanpässe. Eine historisch-geographische Studie. Prag 1877 (Nachdruck Amsterdam 1967); E. KISLINGER, Reisen und Verkehrswege in Byzanz. Realität und Mentalität, Möglichkeiten und Grenzen, in: I. ILIEV (Hrsg.), Proceedings of the 22nd International Congress of Byzantine
32
Mihailo St. Popović
gewertet und interpretiert, während andere – auf den ersten Blick nicht naheliegende – kaum Berücksichtigung erfahren haben. Dabei vermögen gerade neuzeitliche Quellen zum östlichen Mittelmeerraum, die vor
den landschaftlich tiefgreifenden Maßnahmen der Industrialisierung verfasst wurden, zusätzliche bereichernde Einblicke in die oben genannte Thematik zu geben. Den Begriff „neuzeitliche Quelle“ fasse ich an dieser
Stelle bewusst sehr breit, indem ich auch den Orientzyklus von Karl May als solche an- und ihm somit Quellenwert zuspreche. Dass diese Denkweise gerechtfertigt ist, wird den folgenden Ausführungen zu entnehmen
sein.
Der rote Faden in Karl Mays Orientzyklus ist die Verfolgung von Mitgliedern einer verschwörerischen
Geheimgesellschaft von Räubern und Mördern unter der Führung des Schut durch Kara Ben Nemsi und seinen treuen Begleiter Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah quer
durch das damalige Osmanische Reich von Nordafrika bis an die Adriaküste Montenegros in den 70er Jahren
des 19. Jahrhunderts.
Zu meiner ersten Fragestellung liefern die Bücher Durch die Wüste, Durchs wilde Kurdistan und Von
Bagdad nach Stambul keine tauglichen Anhaltspunkte. Im Zuge der Verfolgungsjagd gelangt Kara Ben
Nemsi nach zahlreichen Abenteuern auf der arabischen Halbinsel und im Zwischenstromland über die Ruinenstätte von Baalbek nach Beirut, wo er mit Hadschi Halef Omar ein Schiff nach Istanbul besteigt10.
In einem Stadtviertel Istanbuls räuchert Kara Ben Nemsi mit seinen Gefährten, zu denen ab diesem Zeitpunkt neben Hadschi Halef auch der Araber Omar und der Montenegriner Osko zählen, eine Räuberhöhle
der obgenannten Geheimgesellschaft aus.
Es entwickelt sich eine wilde Verfolgungsjagd zu Pferd durch Rumelien, also durch den europäischen
Teil des Osmanischen Reiches:
„Als die Sonne sich im Osten erhob, hatten wir beinahe schon Tschataldscha [Çatalca] erreicht, durch das
die Straße über Inedsche [İnece] und Wise [Vize] nach Adrianopel [Edirne] führt.“11
————–
10
11
Studies. Sofia, 22–27 August 2011. Volume I: Plenary Papers. Sofia 2011, 341–387; J. KODER, Der Lebensraum der Byzantiner.
Historisch-geographischer Abriß ihres mittelalterlichen Staates im östlichen Mittelmeerraum. Nachdruck mit bibliographischen
Nachträgen (Byzantinische Geschichtsschreiber Ergänzungsband 1N). Wien 2001, 66–68, 196f.; E. KOYTCHEVA, Civitates et
Castra on Via Militaris and Via Egnatia: Early Crusaders’ View. RESEE 44/1–4 (2006) 139–144; W. KUBITSCHEK, Rezension zu
Konrad Miller, Itineraria Romana (s. u.). Göttingische gelehrte Anzeigen 179 (1917) 1–117; K. MILLER, Itineraria Romana. Römische Reisewege an der Hand der Tabula Peutingeriana dargestellt. Mit 317 Kartenskizzen und Textbildern. Stuttgart 1916,
493–610; G.Α. Lolos, Via Egnatia / Εγνατία οδός. Athena 2008; Κ.P. Moustakas, Το οδικό δίκτυο της Δυτικής Μακεδονίας κατά
το Μεσαίωνα (11ος–15ος αιώνας), in: E.P. DIMITRIADIS – A.Ph. LAGOPOULOS – G. TSOTSOS (Hrsg.), Historical Geography.
Roads and Crossroads of the Balkans from Antiquity to the European Union. Thessaloniki 1998, 145–154; M. NYSTAZOPOULOUPELEKIDOU, Le réseau routier du Sud-Est européen et son apport à l’évolution historique des peuples balkaniques au Moyen Âge,
in: Arta istoriei, Istoria artei. Academicianul Răzvan Theodorescu la 65 de ani. Bucureşti 2004, 27–36; N.A. OIKONOMIDES, The
Medieval Via Egnatia, in: E.A. ZACHARIADOU (Hrsg.), The Via Egnatia under Ottoman Rule (1380–1699). Halcyon Days in
Crete II. A Symposium Held in Rethymnon, 9–11 January 1994. Rethymnon 1996, 9–16; M. POPOVIĆ, Zur Lokalisierung des
„Trajansweges“ des Theophylaktos Simokattes. JÖB 53 (2003) 83–95; DERS., Von Budapest nach Istanbul. Die Via Traiana im
Spiegel der Reiseliteratur des 14. bis 16. Jahrhunderts. Leipzig 22010; DERS., Towards a Mathematical Evaluation of the Significance of the Via Egnatia within the Transport Network of the Historical Region of Macedonia, in: Proceedings of the Conference
„Makedonija niz vekovite“. Skopje 2012 [im Druck]; G.A. ŠKRIVANIĆ, Monumenta cartographica Jugoslaviae. I. Antičke karte
(Istorijski institut. Posebna izdanja Knj. 17). Belgrad 1974, 39–55; DERS., Roman Roads and Settlements in the Balkans, in:
Fr.W. CARTER (Hrsg.), An Historical Geography of the Balkans. London, New York, San Francisco 1977, 115–145; DERS.,
Putevi u srednjovekovnoj Srbiji. Belgrad 1974, 43–131; Tr. STOIANOVICH, A Route Type: the Via Egnatia under Ottoman Rule,
in: The Via Egnatia under Ottoman Rule, 203–216; N. VULIĆ, Le Strade Romane in Jugoslavia. Con 2 tavole fuori testo (Le
Grandi Strade del Mondo Romano XII). Spoleto 1938, 4–14; M.W. WEITHMANN, Zur Geschichte der Erforschung der Römerstraßen in Südosteuropa. Eine Übersicht der älteren Forschung, in: Serta Balcanica-Orientalia Monacensia in honorem Rudolphi
Trofenik septuagenarii (Münchner Zeitschrift für Balkankunde. Sonderband I). München 1981, 17–31.
Die Reiseroute des Kara Ben Nemsi lässt sich sehr gut anhand des Karl-May-Atlas nachvollziehen: H.-H. GERLACH, Karl-MayAtlas. Bamberg, Radebeul 32009.
MAY, Von Bagdad nach Stambul 343.
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