Leibniz Universität Hannover Fakultät für Mathematik und Physik Prof. Dr. M. Erné, Dr. Marcos Soriano Solá 10. Januar 2011 Übungen zur Algebra I Wintersemester 2010/2011 Lösungsvorschläge zu Blatt 9 Aufgabe 1. (a) Zunächst vermerken wir, dass N multiplikativ ist, d.h. N (wz) = N (w) N (z): √ √ √ N ((a + b d)(c + e d)) = N ((ac + bed) + (ae + bc) d) = (ac + bed)2 − (ae + bc)2 d √ √ = a2 c2 + b2 e2 d2 − a2 e2 d − b2 c2 d = (a2 − b2 d)(c2 − e2 d) = N (a + b d) N (c + e d). √ √ √ Zu u = a + b d ∈ Z[ d]× gibt es w = c + e d mit uw = 1, also N (u) N (w) = N (uw) = N (1) = 1 und folglich N (u) = ±1 (da N (u) und N (w) in Z liegen), d.h. N (u) ∈ Z× . √ √ √ √ √ Umgekehrt √ folgt aus N (a + b d) = (a + b d)(a − b d) = ±1, dass a + b d invers zu a − b d oder zu −a + b d, also jedenfalls eine Einheit ist. √ √ (b) 2 ist irreduzibel in Z[ d], falls N (w) 6= ±2 für w ∈ Z[ d]. (Dieser Fall tritt z.B. für alle d < −2 ein.) Denn aus 2 = zw folgt nach (a): 4 = N (2) = N (w) N (z), und da N (w) = ±2 ausgeschlossen ist, bleibt nur N (w) = ±1 oder N (z) = ±1, d.h. w oder z muss nach (a) eine Einheit sein. √ √ √ Im Falle d 6≡4 1 ist √ 2 kein Primelement von Z[ d]. Denn für √ gerades d ist 2 ein Teiler von d = d d, jedoch nicht √ von √d, da N (2) = 4 kein Teiler von d = N ( d)√ist; siehe (a).√Für d ≡4 3 ist 2 ein Teiler √ von (1 + d)(1 − d) = 1 − d, aber wegen 4 6 | (1 − d) = N (1 + d) = N (1 − d) kein Teiler von 1 ± d. Speziell für d = −17 ist N (w) = a2 + 17b2 = ±2 offensichtlich unlösbar, und es ist d ≡4 3. Der Spezialfall d = 10 ≡4 2 geht ähnlich: Versuchen wir, a2 − 10b2 = ±2 ganzzahlig zu lösen, so muss a gerade und b ungerade sein, etwa a = 2m und b = 2n + 1; aber dann ist a2 − 10b2 = 4m2 − 40n(n + 1) − 10 modulo 16 kongruent zu 6 (für m gerade) oder zu 10 (für m ungerade), also sicher nicht gleich ±2. In beiden Fällen ist 2 irreduzibel, aber nicht prim. Insbesondere können diese Ringe nicht faktoriell sein. √ (c) w = 21 (1 + d) ist Nullstelle des normierten Polynoms f (x) = x2 − x + 41 (1 − d) = (x − 12 )2 − d4 , das im Falle d ≡4 1 ganzzahlige Koeffizienten hat. Jedes Element von Z[w] ist von der Form g(w) für ein Polynom g ∈ Z[x]. Division mit Rest liefert Polynome h, r ∈ Q[x] mit f = g h + r und deg(r) ≤ 1. Da f normiert ist, zeigt ein induktiver Koeffizientenvergleich, dass h und folglich auch r sogar in Z[x] liegt. Somit ist g(w) = f (w)h(w) √ + r(w) = r(w), und es folgt Z[w] = {a + bw | a, b ∈ Z}. Setzen wir ŵ := 21 (1 − d), so gilt N (w) = wŵ = 1−d 4 und w + ŵ = 1. Das Element a + bw ∈ Z[w] ist offensichtlich Nullstelle des folgenden normierten Polynoms vom Grad 2 mit ganzzahligen Koeffizienten: (x − (a + bw))(x − (a + bŵ)) = (x − a)2 − (x − a)b(w + ŵ) + b2 wŵ = x2 − (2a + b)x + (a2 + ab + b2 1−d 4 ). Aufgabe 2. (a) Ist ν(u) = 1, so schreiben wir 1 = uw + r mit ν(r) < ν(u) = 1, d.h. r = 0. Folglich ist uw = 1 und u ∈ E(R). Umgekehrt folgt aus uw = 1 wegen der Multiplikativität ν(u)ν(w) = ν(uw) = ν(1) = 1, also aufgrund der Voraussetzung ν(u) ∈ N0 notwendigerweise ν(u) = 1. (b) a | b ⇒ ∃ c ∈ R (ac = b) ⇒ ∃ c ∈ R (ν(a)ν(c) = ν(ac) = ν(b)) ⇒ ν(a) | ν(b) ⇒ ν(a) ≤ ν(b) oder b = 0 (da ν(a) und ν(b) in N0 liegen). (c) Aus a ∼ b, d.h. a | b und b | a, folgt nach (b) ν(a) | ν(b) und ν(b) | ν(a), also ν(a) = ν(b). Wird umgekehrt ν(a) = ν(b) und a | b vorausgesetzt, etwa ac = b, so erhalten wir ν(b) = ν(a)ν(c) = ν(b)ν(c), was nur für ν(b) = 0 oder ν(c) = 1 geht. Im ersten Fall ist a = b = 0, und im zweiten gilt nach (a) c ∈ E(R), also a ∼ ac = b. Aufgabe 3. √ √ (a) Sei w = 12 (1 + −3) (wie in Aufgabe 1). Sowohl für R = Z[ 3] als auch für R = Z[w] funktioniert dieselbe Idee: Es genügt zu zeigen, dass es für beliebige a ∈ R∗ , b ∈ R stets eine Zahl q ∈ R existiert mit (?) ν( ab − q) < 1. Denn: Die euklidische Norm ν = | · | ◦ N ist multiplikativ als Verkettung multiplikativer Funktionen, daher gilt für den Rest r = b − aq: (?) ν(r) = ν(b − aq) = ν(a( ab − q)) = ν(a)ν( ab − q) < ν(a) , wie für Division mit Rest erforderlich. √ In R = Z[ 3] argumentieren wir wie folgt: Wir schreiben die komplexe Zahl r, s ∈ Q. Dies ist immer möglich (“Nenner rational machen”): b a = √ b1 +b2 √3 a1 +a2 3 = √ √ (b1 +b2 3)(a1 −a2 3) √ √ (a1 +a2 3)(a1 −a2 3) = √ (b1 a1 −3a2 b2 )+(a1 b2 −a2 b1 ) 3 N (a) = b1 a1 −3a2 b2 N (a) b a + √ in der Form r + s 3 mit a1 b2 −a2 b1 N (a) √ √ 3 =: r + s 3 . Hierbei beachte man, dass a 6= 0 eine Norm N (a) 6= 0 hat, da d = 3 quadratfrei ist. Wählt man √ nun √ ganze Zahlen x, y ∈ Z mit |r − x|,√ |s − y| ≤ 12 (auf- bzw. abrunden) und setzt q := x + y 3 ∈ Z[ 3], so folgt für ab − q = (r − x) + (s − y) 3: ν( ab − q) = |(r − x)2 − 3(s − y)2 | ≤ 3 4 < 1. Die vorletzte Abschätzung folgt aus den Bedingungen |r − x|, |s − y| ≤ 21 . Für R = Z[w] argumentieren wir geometrisch. Hierzu ist zunächst einmal zu bemerken (d = −3 < 0), dass ν das Quadrat der komplexen Betragsfunktion ist. Die Menge Z[w] ist ein Gitter in C (siehe Knacky), welches die komplexe Zahlenebene in Dreiecke parkettiert, die sämtlich kongruent zum Dreieck ∆ mit Ecken 0, 1, w ist (suchen Sie in der englischen Wikipedia nach dem Stichwort “triangular tiling”, um schöne Bilder hiervon zu sehen). Als Quotient q zum Paar a ∈ R∗ , b ∈ R kommt jeder der (höchstens drei) Gitterpunkte mit minimalem Abstand zu ab ∈ C in Frage. Den größtmöglichen Abstand zu einem Gitterpunkt haben gerade die Schwerpunkte der Dreiecke, die die Ebene C unterteilen. Der Schwerpunkt 1 1 von ∆ ist S = 12 + 2√ ı mit ν(S) = |S|2 = 14 + 12 = 13 < 1. Damit ist die Eigenschaft (?) nachgewiesen. 3 (b) Nach (a) ist Z[w] = {a + bw | a, b ∈ Z} ein euklidischer Ring, also bestehen die Einheiten von Z[w] nach Aufgabe 2(a) genau aus den Elementen mit euklidischer Norm 1. Es gilt: √ √ b 3b2 b 2 2 2 ν(a + bw) = ν(a + 2b + 2b −3) = |N ( 2a+b 2 + 2 −3)| = |a + ab + b | = (a + 2 ) + 4 . Der letzte Ausdruck ist nur dann 1, wenn a = ±1 und b = 0 bzw. a = 0 und b = ±1 bzw. a = −b = ±1. Die sechs Einheiten von Z[w] sind also: Z[w]× = {w, w − 1, −1, −w, 1 − w, 1} = {wk | k ∈ 6}. Die letzte Gleichung folgt aus der Tatsache, dass w eine primitive sechste komplexe Einheitswurzel ist (nach Aufgabe 1(c) ist w Nullstelle von x2 −x+1, Teiler von x6 −1 = (x−1)(x+1)(x2 +x+1)(x2 −x+1)). √ (c) Nach (a) ist Z[ 3] euklidisch, damit erhält man den gewünschten ggT mit dem euklidischen √ Algo√ 2 2 rithmus. Die Zahl b = 6 + 3 hat Norm N (b) = 6 − 3 · 1 = 33 und die Zahl a = 7 + 3 3 Norm N (a) = 72 − 3 · 32 = 22. Teilt man das Element größerer Norm durch das Element mit kleinerer Norm, √ √ √ √ so erhält man √ 3 (6+ 3)(7−3 3) 6+ √3 b = (42−9)−(18−7) = 32 − 12 3 . a = 7+3 3 = 22 22 Um einen Quotienten q bei Division mit Rest von b durch a zu erhalten, können √ wir jetzt (siehe (a)) die √ 3 1 beiden Koeffizienten 2 , − 2 sowohl auf- als auch abrunden, so dass q ∈ {2, 2 − √3, 1, 1 − 3} möglich ist. Wir erschweren die√Rechnung und √uns mit Absicht √ √ wählen zunächst q = 2 − 3. Dies legt den Rest r = b − qa = (6 + 3) − (7 + 3 3)(2 − 3) = 1 + 2 3 fest. Nun ist r selbst ein Teiler von a, da √ √ √ √ √ (7+3 3)(1−2 3) 7+3√3 a = 1 + 3 ∈ Z[ 3] . r = 1+2 3 = −11 √ Also bricht der euklidische Algorithmus hier ab und d = 1 + 2 3 ist ein ggT der Zahlen a und √ b. Hätten wir q = 1 im ersten Divisionsschritt gewählt, so hätten wir √ den ggT a − qb = a − b = −1 −√2 3 = −d erhalten, offensichtlich assoziiert zu d. Die Wahl von q = 1 − 3 hätte dagegen zum ggT 8 + 5 3 geführt. √ √ √ (!) √ × 8+5√3 Die Assoziiertheit zu d ist hier nicht mehr sofort erkennbar: 8+5d 3 = 1+2 = 2 + 3 ∈ Z[ 3] . 3 (d) Nach Aufgabe 1(b) müssen assoziierte Elemente dieselbe euklidische Norm haben. Tatsächlich ist √ die euklidische Norm ν multiplikativ (siehe (a)), daher gilt für assoziierte a, b ∈ Z[ 3] mit a = bu und √ × u ∈ Z[ 3] : ν(a) = ν(b)ν(u) = ν(b)|N (u)| = ν(b) · 1 = ν(b) . Alternativ kombiniere man die Teilaufgaben 3(a) und 2(c). Die euklidische Norm der sechs Elemente a1 , . . . , a6 kann der folgenden Tabelle entnommen werden: ν a1 a2 13 11 a3 a4 a5 11 11 13 a6 13 Es bleibt nur noch, die Teilbarkeitsrelation zwischen den Zahlen a2 , a3 , a4 bzw. a1 , a5 , a6 zu prüfen. Dies erledigt man mit der Berechnung der Brüche a2 a3 a5 a1 = = √ 4+3√3 = 14 11 1+2 √ 3 11−6√ 3 =7 5+2 3 √ √ 3∈ / Z[ 3], √ √ − 4 3 ∈ Z[ 3], + 5 11 a4 a3 a5 a6 = = √ √ √ 116+67 √ 3 = 26 + 15 3 ∈ Z[ 3], 1+2√ 3 √ √ 11−6 √ 3 = 62 − 35 3 ∈ / Z[ 3]. 13 13 4+ 3 Da Assoziiertheit eine Äquivalenzrelation ist, gilt a2 6∼ a4 sowie a1 6∼ a6 , und wir müssen die Brüche aa24 bzw. aa61 nicht mehr berechnen. Also sind a3 , a4 und a1 , a5 die einzigen zwei Paare assoziierter Elemente. Knacky 9 (a) Nennt man eine abelsche Gruppe A frei n-erzeugt, wenn sie isomorph zu Zn ist, so kann man (mit mehr induktivem Aufwand) zeigen, dass alle Untergruppen von A frei m-erzeugt für ein m ≤ n sind. Wir tun das hier nur für den Fall n = 2, was uns ein paar Induktionsargumente erspart. Der wesentliche Schritt ist jeweils eine Reduktion mit Hilfe des euklidischen Algorithmus, so wie man die Hauptidealeigenschaft von Z und allen euklidischen Ringen beweist. Offenbar reicht es zu zeigen, dass jede Untergruppe U von Z2 für ein m ≤ 2 m-erzeugt ist. Hat jedes a ∈ U die Form (a1 , 0), so ist U vermöge der Projektion (a1 , 0) 7→ a1 isomorph zu einer Untergruppe von Z und damit isomorph zu Z selbst oder zu 0Z ' Z0 . Andernfalls wählen wir b2 > 0 minimal, so dass ein b1 mit (b1 , b2 ) in U existiert. Für beliebiges a = (a1 , a2 ) ∈ U dividieren wir mit Rest und erhalten ein q ∈ Z mit |a2 − b2 q| < b2 . Es folgt a − bq ∈ U , und wegen der Minimalität von b2 ist a2 − b2 q = 0. Daher liegt a − bq in der Untergruppe U ∩ (Z × {0}) von Z × {0} ' Z, die von einem Element (c, 0) erzeugt wird. Insgesamt sehen wir, dass jedes Element a ∈ U in Z(c, 0) + Z(b1 , b2 ) ⊆ U liegt, also die Abbildung F : Z2 → U, (r, s) 7→ r(c, 0) + s(b1 , b2 ) ein Homomorphismus von Z2 auf U ist. Bleibt zu verifizieren, dass der Kern nur die Null enthält. Aber (rc + sb1 , sb2 ) = (0, 0) impliziert s = 0 (da b2 > 0), also rc = 0 und im Falle c 6= 0 auch r = 0. Der Fall c = 0 führt aber wieder auf eine frei 1-erzeugte Gruppe U = Z(b1 , b2 ). (b) Ist w Nullstelle eines normierten Polynoms f ∈ Z[x], so zeigt die gleiche Argumentation wie in Aufgabe 1 (c), dass der von w erzeugte Ring Z[w] aus allen a + bw mit a, b ∈ Z besteht. Wegen w ∈ C \ R sind 1 und w sicher linear unabhängig über Q; erst recht kann es keine nichttriviale Linearkombination von 1 und w über Z geben. Mit anderen Worten: Der Homomorphismus F : Z2 → Z[w], (a, b) 7→ a + bw ist sogar ein Isomorphismus, und Z[w] ist ein Gitter.