Handbuch der Fallbearbeitung

Werbung
2016
Handbuch der Fallbearbeitung
LEITFADEN FÜR EINE OPTIMIERTE VERWALTUNG DER GERICHTE BEI
ZIVILVERFAHREN
Technische Universität Lappeenranta
Das Forschungsinstitut für juristische Systeme des
Nationalen Forschungsrates Italiens (IRSIG-CNR)
Universität Utrecht
Universität Brescia
Justizministerium Estlands
Justizministerium Finnlands
Inhalt
1. Einleitung ................................................................................................................................. 3
2. Gesetzgeberische Maßnahmen für die Rechtzeitigkeit in Zivilverfahren ..................................... 6
2.1. Vereinfachung der Verfahren von geringfügigen Forderungen ................................................... 6
2.2. Vereinfachung der Verfahren von unwidersprochenen finanziellen Forderungen ..................... 8
2.3. Eil- und gewöhnliche Verfahren ................................................................................................... 9
2.4. Verfahren der Einigung, Mediation und der Schlichtung ........................................................... 10
2.4.1 Einigungen ............................................................................................................................ 10
2.4.2. Mediation und Schlichtung ................................................................................................. 11
2.4.3. Die Rolle und Funktion von Rechtsanwälten bei der Mediation und der Schlichtung........ 13
2.5. Die Optimierung von gewöhnlichen Zivilverfahren ................................................................... 13
2.6. Die Reduzierung der Anzahl von Fällen in zweiten und dritten Instanzen ................................ 14
3. Juristische Fallverwaltung ....................................................................................................... 15
3.1. Die Beschleunigung der Abfolge bei gewöhnlichen Verhandlungen ......................................... 16
3.1.1. Vorläufige Verfahrensphase ................................................................................................ 16
3.1.2. Die Bearbeitungsphase........................................................................................................ 18
3.1.3. Die Phase der Entscheidung und das Nachfolgende ........................................................... 18
3.2. Die Handhabung von Sachverständigen..................................................................................... 19
3.2.1. Rolle, Berufung und Erwartungen ....................................................................................... 19
3.2.2. Überwachung, Zusammenarbeit und Ergebnisse ............................................................... 21
3.2.3. Vergütung und Anreize........................................................................................................ 23
4. Leistungsverwaltung ............................................................................................................... 24
4.1. Zielsetzungs- und Überwachungsverfahren ............................................................................... 24
4.1.1. Rollen bei der Zielsetzung ................................................................................................... 25
4.1.2. Rechtzeitigkeit bei der Zielsetzung ...................................................................................... 25
4.1.3. Die Nachbereitung der Zeitrahmen..................................................................................... 27
4.1.4. Überwachungssysteme und Verfahren ............................................................................... 27
4.2. Das Ausbalancieren und die Zuordnung von Ressourcen .......................................................... 28
4.2.1. Das Managen von Kapazitätsengpässen ............................................................................. 28
4.2.2. Schätzung und Gewichtung der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle................................... 29
4.3. Optimierungsarbeit .................................................................................................................... 31
4.3.1. Die Hervorbringung von Engagement für Wandel und Verbesserung ................................ 31
4.3.2. Die Rolle der Leitung bei der Hervorbringung von Wandel ................................................ 32
1
4.3.3. Die Suche nach neuartigen Ideen für die Optimierung ....................................................... 32
5. Der Gebrauch von Informations- und Kommunikationstechnik bei Gerichtsverfahren .............. 33
5.1. Fallbearbeitungssysteme............................................................................................................ 34
5.2. Elektronische Kommunikation ................................................................................................... 35
5.2.1. Die elektronische Zustellung von Dokumenten .................................................................. 36
5.2.2. Die elektronische Einreichung von Dokumenten ................................................................ 37
5.3. Andere IKT-Werkzeuge und -Geräte .......................................................................................... 38
5.3.1. Die Terminplanung von Gerichtsverhandlungen ................................................................ 38
5.3.2. Elektronische Vorlagen und Formulare ............................................................................... 39
5.3.3. Die Audioaufnahme von Gerichtsverhandlungen ............................................................... 39
6. Grenzüberschreitende Streitfälle in der EU .............................................................................. 40
6.1. Die europäischen Instrumente für grenzüberschreitende Streitfälle ........................................ 40
6.2. Die Spezialisierung von Gerichten für grenzüberschreitende Streitfälle ................................... 41
6.3. Elektronische Kommunikation in grenzüberschreitenden Streitfällen ...................................... 42
Verweise und weiterführende Lektüre
2
Dieses Handbuch ist ein praktischer Leitfaden, der darauf abzielt, Bemühungen zur Optimierung des
Fallbearbeitungssystems (Caseflow Management, CFM) in europäischen Zivilverfahren zu erleichtern.
Das Ziel besteht darin, den Informationsaustausch zwischen den Ländern zu vergrößern und durch die
Analyse und Beschreibung von Bereichen der Optimierung des CFM, von Bedürfnissen, von
Bemühungen und von Praktiken noch weiter zu verbessern.
Dieses Handbuch ist basierend auf Literatur, Interviews und Workshops von Experten erstellt worden.
Literaturübersichten wurden benutzt, um die Subjekte und die Bereiche der Optimierung zu
formulieren und um eine allgemeine Analyse von ihnen durchzuführen. Die Beispiele, die in diesem
Handbuch vorgestellt werden, wurden gesammelt und formuliert auf der Basis von individuellen
Interviews (Richter, Angestellte, Gerichtsverwalter und Gerichtsdirektoren) sowie von erhältlichen
Materialien zur Optimierung der Gerichte. Zu diesem Zeitpunkt enthält das Handbuch Beispiele aus
insgesamt zwölf verschiedenen europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Italien,
der Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweden und der Tschechischen
Republik). Die Aufgabe der Beispiele besteht darin, einen kurzen und lebendigen Überblick über
praktische Erfahrungen mit dem vorliegenden Thema zu geben. Beispiele sind unterschiedlich
formuliert: Sie enthalten sowohl breitere Beschreibungen von Prozeduren als auch detailliertere
Erklärungen für die Praktiken und individuelle Auffassungen. Workshops von Experten wurden
organisiert, um die Ergebnisse aus den Literaturübersichten und den Interviews zu analysieren, zu
verfeinern und zusammenzufassen. Experten für die Arbeitsweise von Gerichten (sowohl Praktiker als
auch Wissenschaftler) haben an den Workshops teilgenommen.
1. Einleitung
Die Weise, wie Zivilverfahren gehandhabt werden, wird in den Vorschriften für Zivilverfahren reguliert
und ist verknüpft mit der juristischen Tradition, der managerhaften Einstellung und der Kompetenz
des Richters sowie von der Gestaltung und dem Funktionieren von Gerichtsorganisationen.
Zivilverfahren werden traditionell durch die dominante Rolle der Parteien und die passive Rolle des
Gerichts charakterisiert. Die Prozessführer kontrollieren den Inhalt und den Fortschritt des Verfahrens,
während das Gericht das Verfahren als passiver Akteur überschaut. In Zivilverfahren gibt es auch
Anwälte, die von komplizierten Verfahrensregeln profitieren. Die Beschleunigung von Verfahren durch
den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik und durch eine Vereinfachung der Regeln
des Zivilverfahrens ist wichtig, doch dies ist auch auf Widerstand von Richtern und den
Anwaltskammern in mehreren Ländern gestoßen.
Die Logistik des Gerichts befasst sich hauptsächlich auf eine Weise mit dem Organisieren und Planen
von Operationen, welche die ungenutzte Zeit von Fallakten im Prozess reduzieren. Die Suche nach der
Effektivität von Gerichten, welche als das Niveau des Erreichens gesetzter Ziele definiert werden kann
(Verhältnis zwischen gesetzten Zielen/erreichten Zielen), und der Effizienz von Gerichten, welche als
das Verhältnis zwischen den erreichten Zielen und den Ressourcen, die genutzt wurden, um sie zu
erreichen, definiert werden kann (Verhältnis zwischen erreichten Zielen/Input von Ressourcen) ist zum
Bestandteil der Agenda in vielen juristischen Systemen geworden. Dies wird auch stimuliert durch die
Arbeit der CEPEJ, der Kommission für die Effizienz der Justiz des Europarats.
Die Arbeitsweise von Gerichten kann eine Planung mit einer effektiven Nutzung von Messdaten nicht
vermeiden. Die Zunahme der Logistik bei der Arbeitsweise von Gerichten hängt stark von der
3
Bereitschaft der Richter ab, aktiv Ziele und Vorgänge zu erfüllen, mit internen und externen
Funktionären und Akteuren zu kooperieren und eine allgemeine Verantwortung für den Fortschritt der
Fälle zu übernehmen (zum Beispiel durch die Ablehnung einer Anfrage auf Verschiebung und durch die
Forderung an die Parteien, sich an einem rechtzeitigen Austausch mit klaren Fristen zu beteiligen). Dies
beinhaltet auch eine Bereitschaft, die Anzahl von Gerichtsverhandlungen per Fall zu beschränken und
zu versuchen, eine Einigung zu erreichen, nachdem die Parteien ihre Ansichten eingereicht haben.
Prozeduren der Mediation, der Schlichtung und der Übereinkunft werden durch das Gesetz zum
Zivilverfahren in vielen Ländern unterstützt und sie müssen zunehmen insbesondere für einige Arten
von Streitfällen, die besser durch eine andere Art von Prozedur als ein volles Gerichtsverfahren
adressiert werden. Ein grundlegendes Problem bei Verfahren erster Instanz ist die Möglichkeit,
Berufung gegen einstweilige Beschlüsse bezüglich beispielsweise der Einreichung von Beweisen
einzulegen. Die Möglichkeit einer solchen Berufung sollte entmutigt werden, denn sie kann das
Verfahren verlängern, normalerweise ohne klare gemeinsame Vorteile für die Parteien, die im Fall
einbezogen sind.
Idealerweise könnte ein gut bearbeiteter Fall in einem Zivilverfahren in folgender Weise ablaufen: Vor
der Gerichtsverhandlung würden die Parteien dem Gericht ein Dokument einreichen, in dem sie den
Kern des Streits erklären, die möglichen Entgegnungen der anderen Partei, die Beweise, die im
Verfahren vorgelegt werden müssen und die Zeugen, die gehört werden sollten (das Gericht braucht
so früh als möglich ein Gesamtbild des Falls und die Parteien sollen deshalb ausreichende
Informationen in ihrer Klageschrift und ihrer Klageerwiderung liefern und die Beweise anführen, die
ihnen zur Verfügung stehen). Nach dieser schriftlichen Runde ordnet das Gericht dann ein persönliches
Auftreten der Parteien an. Die Wichtigkeit der Gerichtsverhandlung verlangt es, dass der Richter eine
aktive Rolle in den Verhandlungen übernimmt, und dem Gericht sollte die Kompetenz beigemessen
werden, Maßnahmen zu unternehmen, um den Verlauf zu beschleunigen. Diese Maßnahmen können
ex officio ergriffen werden oder auf die Anfrage einer der beiden Parteien hin. Diese Maßnahmen
können beispielsweise Folgendes enthalten: die Fixierung von zeitlichen Fristen, bestimmte zeitliche
Fristen und die Auflösung des Rechts, eine Forderung zu stellen, oder die Ablehnung von Handlungen,
die maskierte Aussagen sind. Dies könnte durch den Richter unterstützt werden, indem er eine
Geldstrafe für jede Seite erheben würde, die absichtlich versucht, den Fall zu verzögern.
Ein wichtiger organisatorischer Aspekt, die Fallbearbeitung zu verbessern, sind die Art und Weise, wie
ein Gericht Arbeit und Verpflichtungen organisiert und aufteilt. Innerhalb eines Gerichts könnte eine
gewisse Spezialisierung für Zivilverfahren helfen, das Verfahren zu beschleunigen. Die Spezialisierung
kann den Gegenstand der Fälle betreffen (z.B. Insolvenz, Handel, Familie), aber auch die Art des
Verfahrens (z.B. gewöhnliche und Eilverfahren). Dies setzt eine ausreichend große Anzahl von Richtern,
Gerichtsbediensteten und Verhandlungssälen voraus, die dem Gericht zur Verfügung stehen. Eine
Spezialisierung kann die Rechtzeitigkeit von Gerichtsverfahren verbessern, weil es für Richter und
Angestellte des Gerichts weniger Zeit nimmt, den Fall zu verstehen, und es ermöglicht Richtern und
Angestellten, Routinen zu etablieren. Diese Untersuchung zeigt auch, dass grenzüberschreitende
Streitfälle in der EU ein Bereich ist, in dem bis jetzt noch nicht ausreichend die Optimierung und das
Teilen von innovativen Verfahren und Praktiken erfolgt sind, die grenzüberschreitenden Streitfälle in
der EU sind. Diese Streitfälle werden durch spezifische Anforderungen charakterisiert, die spezielle
Lösungen benötigen würden, zum Beispiel durch Spezialisierung.
Auch die Sachverständigen, welche Beweise bewerten können oder finden, messen, testen und
interpretieren, nehmen eine empfindliche Stellung in Verfahren ein. Durch den Fortschritt von
Wissenschaft und Technologie ist die Berufung von Sachverständigen immer häufiger geworden, dies
wirkt sich auf die Rechtzeitigkeit und Effektivität der Fallbearbeitung aus. Sie können entweder einen
Engpass oder eine wertvolle Ressource darstellen, abhängig von den Bemühungen, sie anzuleiten. Es
4
ist wichtig, eindeutige Definitionen für die Aufgaben der Sachverständigen festzulegen, klare
Forderungen an ihre Qualifikation zu stellen, unzweideutige Zeitfristen für sie zu setzen und die
Prozeduren für Sachverständige für die überschaubareren Fälle zu vereinfachen. Sachverständige
können auch zur Schlichtung beitragen oder, wenn angemessen ausgebildet, sogar zur Schlichtung
zwischen den Parteien führen, wahlweise auch angeleitet von professionellen Schlichtern und
unterstützt von den Sachverständigen selbst.
Die Rolle von Gerichtsverwaltung und der Leitung bei der Schaffung von Wandel und einer innovativen
Organisationskultur müsste noch verstärkt werden. Die Optimierung der Fallbearbeitung des Gerichts
ist traditionell mit der Einführung von Zeitrahmen und der aktiven Verwaltung von ihnen verbunden.
Eine zentrale Herausforderung ist die Akzeptanz und die Ausführung von Zeitrahmen gewesen. Es ist
wichtig, dass Gerichte einen ganzheitlicheren Blick auf das Management der verschiedenen Bereiche
der Leistung und dabei auch das Kapazitätsmanagement und die Verwendung von Ressourcen haben.
Ziele für die Leistung müssen im Gleichgewicht stehen, realistisch und weit akzeptiert von den
Mitarbeitern des Gerichts und den Richtern sein, um effektiv zu sein. Einflussreiches
Leistungsmanagement ist nicht möglich ohne die Nutzung von akkuraten Angaben und OnlineBeobachtung mit klaren Verantwortlichkeiten für Richter oder eine Gruppe von Gerichtsmitarbeitern
und Richtern, um aktiv zu werden bezüglich der Fälle, die drohen, verzögert zu werden.
Deshalb liegt die Optimierung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik und
Hilfsmitteln der Digitalisierung an der Basis des Managements einer modernen Gerichtsumwelt. Ein
klarer Trend in Europa ist die Bewegung hin auf die E-Justiz, bei der die meisten Gerichtsdokumente
und die Kommunikation elektronisch geworden sind. Die Umsetzung von solchen Systemen wird
momentan in mehreren europäischen Judikativen unternommen. Die Gestaltungs- und die
Umsetzungsprozesse von diesen digitalen Justiz-Ketten sind bis jetzt weder einfach noch sehr
erfolgreich gewesen, sie benötigen mehr Zeit und Ressourcen als ursprünglich erwartet worden war.
Um in der Zukunft über gute Beispiele für den Leistungsvergleich zu verfügen, sollten diejenigen
Faktoren, die den Erfolg und das Scheitern in verschiedenen Phasen dieser Wandlungsprozesse
beeinflussen, gründlich untersucht werden. Gestützt auf die Erfahrung von den großangelegten
Informations- und Kommunikationstechnikprojekten in verschiedenen Ländern kann gesagt werden,
dass die Einführung und die Umsetzung von Informations- und Kommunikationstechniklösungen für
Gerichte schrittweise ausgeführt werden sollte. Dies lässt Raum und Zeit für die Teilnahme, das Testen
und Aneignen von neuen Arbeitsmethoden und -techniken für Richter, Mitarbeiter des Gerichts und
Anwälte.
Ein anderer Faktor für die Rechtzeitigkeit von Gerichtsverhandlungen ist das Ausmaß der Rückstände.
Der „Rückstand“ ist die Anzahl oder der Prozentanteil von schwebenden Fällen, die innerhalb eines
eingeführten Zeitrahmens noch nicht gelöst worden sind. Zum Beispiel besteht in mehreren Ländern
die Erwartung, die meisten Fälle innerhalb eines Jahres zu lösen, demnach wären die schwebenden
Fälle, die älter als ein Jahr sind, der Rückstand. In anderen Ländern kann die Erwartung zwei Jahre
betragen, demnach wäre der Rückstand die Anzahl der schwebenden Fälle, die länger als dieser
Zeitrahmen vorliegen. Eine große Anzahl von Fällen im Rückstand kann die Qualität von Verfahren und
der Beurteilung beeinflussen. Wenn Richter und Gerichtsmitarbeiter die Erfahrung gemacht haben,
dass es nicht wichtig ist, wieviel Mühe sie in die Behandlung von Fällen stecken wegen der Anzahl der
Fälle, die auf sie warten, dann macht dies ihre Arbeit entmutigend. Hohe Zahlen von schwebenden
Fällen machen die Beobachtung und die Verwendung von Beobachtungsdaten bei der Verwaltung von
Vorgängen auch viel schwieriger. Den Rückstand abzuarbeiten, erscheint als eine Notwendigkeit, bevor
Bemühungen für starke Verbesserungen effektiv begonnen werden können. Normalerweise wird es
die zeitweilige Entsendung von zusätzlichen Richtern und Gerichtsmitarbeitern benötigen zum Beispiel
5
in Form einer „fliegenden Brigade“ oder die Entfernung jener Fälle von der Liste der alten Fälle, die
irrelevant geworden sind.
Wo die Tradition vorherrscht, scheint der Weg nach vorne in Änderungen der Regeln von Zivilverfahren
zu liegen. Durch die Schaffung von Kompetenzen (und Verpflichtungen) für Richter, ihre Fälle aktiv zu
verwalten, werden sie explizit gesetzlich unterstützt, die Verfahren effektiver durchzuführen.
Abgesehen von den gesetzlichen Aspekten kann ein (pro-) aktiver Zugang zur Bearbeitung der Fälle
auch verschiedene juristische Kompetenzen im Verhältnis zu den Parteien einbeziehen. Außerdem
können die Einführung von IT-Systemen, welche die Bearbeitung der Akten des Verfahrens online
erlauben, und ein elektronisches Fallbearbeitungssystem sowie präzisere Ziele für Zeitrahmen einen
Wandel ermöglichen. Es ist entscheidend, dass Richter und Direktoren die Verantwortlichkeit für die
Rechtzeitigkeit von Verfahren übernehmen und dass dies durch eine Gesetzgebung mit eindeutigen
Kompetenzen unterstützt wird. Aus der Perspektive der Rechtzeitigkeit können Zivilverfahren nicht
länger komplett den Parteien überlassen werden mit dem Richter in einer passiven Rolle.
Eine effektive Verbesserung der Rechtzeitigkeit und der Fallbearbeitung in Zivilverfahren ist nicht eine
Angelegenheit der Umsetzung von einem spezifischen Werkzeug oder von einer bestimmten Technik.
Es handelt sich um eine vielseitige Aufgabe, mehrere prozedurale, organisatorische und
verwaltungstechnische Aspekte und Elemente einzubeziehen und zu kombinieren, welche alle in der
Optimierungsarbeit umfassend angetroffen und adressiert werden: Vereinfachung von Regeln und
Abläufen, eine praktische Aufteilung der Arbeit und die Spezialisierung, Nutzung von alternativen
Lösungen des Streits, eine aktive Anleitung der Parteien und Zeugen, die Verwendung von
angemessenen Beobachtungsdaten, um die Leistung und die menschlichen Ressourcen zu verwalten,
ein effektiver Gebrauch von Informations- und Kommunikationstechnik, ebenso wie klare Abläufe und
Regeln in Verbindung mit Fällen, welche die nationalen Grenzen übersteigen, oder Fällen, die durch
andere spezielle Anforderungen und Umstände beeinflusst werden.
2. Gesetzgeberische Maßnahmen für die Rechtzeitigkeit in
Zivilverfahren
Dieser Abschnitt beschreibt, wie die Rechtzeitigkeit der Justiz durch gesetzgeberische Maßnahmen bei
einigen ausgewählten Verfahren verbessert werden kann. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung
von gemeinsamen europäischen Modellen, insbesondere in der Vereinfachung von geringfügigen
Forderungen und nicht angefochtenen Forderungen, in der Optimierung der gewöhnlichen
Zivilverfahren, in der Förderung von Werkzeugen der Mediation und der Schlichtung sowie in der
Reduzierung der Anzahl von Berufungsverfahren.
2.1. Vereinfachung der Verfahren von geringfügigen Forderungen
Ein Bereich der Optimierung ist die Anwendung von speziellen Regeln für Zivilverfahren in solchen
Fällen, die in spezifischen und vereinfachten Verfahren behandelt werden können. Ein Beispiel für
solche Fälle sind Streitfälle über einen geringen Wert. Viele (aber nicht alle) Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union stellen in ihrer Gesetzgebung ein ad hoc-Verfahren für solche Klagen bereit. Die
nationalen Verfahren für geringfügige Forderungen sind anwendbar für jene Fälle, deren Wert sich in
einer Spannweite von 600,00 Euro bis zu 15.000,00 Euro bewegen (zum Beispiel: Spanien: 6.000,00
6
Euro, Art. 250.2 des spanischen Gesetzes Nr. 1/2000; Portugal: 15.000,00 Euro, Art. 8 des
portugiesischen Gesetzes Nr. 54/2013; Deutschland: 600,00 Euro, Art. 495a Zivilprozessordnung;
Italien: 5.000,00 Euro, Art. 7 des italienischen Codex der Zivilverfahren; Estland: 2.000,00 Euro, Art.
405 der estnischen Zivilprozessordnung; Slowenien: 2.000,00 Euro für die Fälle von Privatpersonen und
4.000,00 EUR für kommerzielle Fälle, Art. 431 und 432 der slowenischen Zivilprozessordnung).
Der Trend geht zum Stärken der Verwendung von vereinfachten Verfahren, um das Tempo des
Rechtsstreits und die Produktivität der Gerichte zu erhöhen, z.B. folgt die kürzliche Modifizierung des
italienischen und des portugiesischen Rechts eindeutig dem Trend, weil der maximale Wert für
vereinfachte Verfahren auf 5.000,00 Euro und 15.000,00 Euro erhöht worden ist. Nichtsdestotrotz,
innerhalb der EU sind die Möglichkeiten, ein solches vereinfachtes Verfahren zu nutzen, immer noch
unregelmäßig verteilt. Es wäre sehr nützlich, wenn die nationalen Regelungen und Verfahren für
geringfügige Forderungen harmonisiert werden könnten, um ein gemeinsames europäisches Modell
von Verfahren und Regeln für geringfügige Forderungen umzusetzen. Die Grundlage für das Modell
könnte dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen (EG Verordnung Nr. 861/2007)
entnommen werden, welches darauf abzielt, ein gemeinsames Modell von Zivilverfahren innerhalb der
Europäischen Union für die Verfahren geringfügiger Forderungen einzurichten. (Die EG Verordnung
Nr. 861/2007 wurde kürzlich am 24. Dezember 2015 durch die Verordnung Nr. 2421/2015 ergänzt, die
am 14. Juli 2017 in Kraft treten wird).
Dieses europäische Modell neigt dazu, die Verfahrensaktivitäten so viel als möglich auf die
Eingangsphase des Verfahrens zu konzentrieren. Der Hauptunterschied zwischen solchem
europäischen Modell und den nationalen besteht darin, dass im europäischen Verfahren für
geringfügige Forderungen eine Gerichtsverhandlung nicht benötigt wird. Eine Verhandlung wird nur
dann erfolgen, wenn eine der Parteien dies fordert oder wenn das Gericht sie als notwendig ansieht.
Die Hauptfragen bei der Nutzung der EG Verordnung Nr. 861/2007 als eine Basis für die Gestaltung
eines gemeinsamen europäischen Modells sind:

Die Verordnung stellt ein nicht verpflichtendes Modell von Zivilverfahren für geringfügige
Forderungen in den Ländern der Europäischen Union (mit der Ausnahme Dänemarks) in jeder
Amtssprache der Europäischen Union her. Geringfügige Forderungen werden hiermit als
solche Forderungen definiert, deren Wert nicht größer ist als 2.000,00 Euro (in der EG
Verordnung 2421/2015 nicht größer als 5.000,00 Euro). Dieser Betrag könnte in der Zukunft
durch die europäische Gesetzgebung jedoch überarbeitet werden.

Gemäß der Verordnung ist eine Gerichtsverhandlung nur dann erforderlich, wenn eine der
Parteien dies fordert und das Gericht dies als notwendig für die abschließende Entscheidung
erachtet. Dies bedingt, dass das Verfahren schnell ist und die Parteien nicht in das Land reisen
müssen, wo sich das zuständige Gericht befindet.

Die Verordnung führt ein gemeinsames Modell der Forderung und der Stellungnahme auf (die
hauptsächlichen Dokumente eingereicht von den Parteien in einem solchen Verfahren), um
sowohl die Aufgaben der Bürger als auch die des Gerichts zu vereinfachen.

Die Verordnung richtet ein, dass für solch ein Verfahren die juristische Unterstützung eines
Rechtsanwalts oder eines anderen Spezialisten nicht notwendig ist. Dies hilft den Bürgern,
Ausgaben für Rechtshilfe zu reduzieren, und verbessert den Zugang zum Recht. Auf der
anderen Seite empfiehlt die Regulation nachhaltig, den Nationalstaaten, effiziente
Mechanismen von öffentlicher Rechtshilfe bereitzustellen (zum Beispiel ad hoc-Büros an
jedem nationalen Gericht oder eine ad hoc-Webseite und/oder ein Callcenter, die sämtliche
7
Informationen anbieten, welche ein Bürger braucht, um einfach und korrekt seine Forderung
einreichen zu können).
2.2. Vereinfachung der Verfahren von unwidersprochenen finanziellen Forderungen
Es tritt recht häufig auf, dass einer finanziellen Forderung (z.B. eine unbezahlte Rechnung) nicht
widersprochen wird. Dies bedeutet, dass der Beklagte nicht anficht, was vom Kläger behauptet wird.
In solchen Fällen besteht keine Notwendigkeit, ein Verfahren im kompletten Umfang anzuwenden.
Viele (aber nicht alle) europäischen Länder stellen ein Verfahren bereit, welches darauf zielt
festzustellen, ob eine Forderung tatsächlich angefochten wird oder nicht (die sogenannten „Verfahren
der Unterlassungsansprüche, der Zahlungsaufträge und der Mahnungen“).
Das Modell dieser Art von Verhandlungen differiert unter den Ländern. In einigen Ländern sind solche
Verfahren auf alle Sorten von Gegenständen anwendbar (d.h. Italien, Art. 633 ff. des italienischen
Codex der Zivilverfahren; Spanien; Art. 812 ff. des spanischen Gesetzes Nr. 1/2000, Deutschland, § 689
I Satz 2, Zivilprozessordnung), während andere Länder über gewisse Einschränkungen verfügen
(Portugal, das Verfügungsverfahren ist anwendbar für Forderungen von bis zu 15.000,00 Euro gemäß
dem Art. 3 und folgende des Gesetzgeberischen Erlasses Nr. 62/2013). Der Hauptunterschied besteht
zwischen Ländern, die „reine Mahnverfahren“ annehmen, und jenen, die ein „gemischtes Modell“
annehmen.
Reine Mahnverfahren: In dem Fall zweifelt der Beklagte innerhalb einer gewissen Frist die
Verfügungsanweisung, die vom Gericht allein auf der Grundlage der Behauptungen des Klägers
ausgegeben wurde, nicht an. Diese Anweisung wird endgültig und besitzt dieselbe Bedeutung
wie eine Entscheidung, die am Ende eines regulären Verfahrens ausgegeben wurde. Der Kläger
braucht keine Beweise vorlegen, um die Anweisung für die Verfügung zu erhalten. Nur in dem
Fall, dass der Beklagte die Anweisung anficht, soll der Kläger aufgerufen werden, alle Beweise
vorzulegen (d.h. Portugal).
Gemischtes Modell: Der Kläger soll einige Beweise vorlegen (d.h. Rechnungen) zusammen mit
der Forderung, um eine Verfügungsanweisung für die Bezahlung zu erhalten (d.h. Italien).
Selbst ein drittes Modell kann identifiziert werden, das zwischen beiden liegt und in Europa genutzt
wird. Diese Art von Modell wird zum Beispiel in Deutschland angewandt (§ 689 I Satz 2,
Zivilprozessordnung). Laut diesem Verfahren wird in dem Fall, dass der Beklagte innerhalb einer
bestimmten Frist eine Verfügungsanweisung ausgegeben durch das Gericht allein auf Grundlage der
Behauptungen des Klägers nicht anficht, diese Anweisung durchsetzbar, aber sie ist noch nicht
endgültig. Wann immer der Beklagte sie nicht nach einer zweiten Frist anficht, dann wird die
Anweisung auch endgültig, ebenso wie die Entscheidung ausgegeben am Ende eines regulären
Gerichtsverfahrens. Der Kläger braucht keine Beweise vorlegen, um die Anweisung für die Verfügung
zu erhalten. Nur in dem Fall, dass der Beklagte die Anweisung anficht, soll der Kläger aufgerufen
werden, alle Beweise vorzulegen.
Es wäre sehr nützlich, wenn die nationalen Verfahren für unwidersprochene Forderungen
harmonisiert werden könnten, um ein gemeinsames europäisches Modell von Verfahrensregeln für
unwidersprochene Forderungen zu haben. Die Grundlage für dieses Modell könnte der EG Verordnung
Nr. 1896/2006 entnommen werden.
8
In dem Modell von „reinen Mahnverfahren“ wird vom Kläger nicht verlangt, irgendwelche Beweise in
der Anfangsphase des Verfahrens vorzulegen, noch braucht der Beklagte irgendwelche Beweise
vorzulegen, um den Zahlungsauftrag anzufechten. Nur wenn der Beklage den Zahlungsauftrag anficht,
soll ein reguläres Verfahren beginnen. Wenn der Beklagte dem Zahlungsauftrag nicht widerspricht,
dann wird dieser endgültig und durchsetzbar und dies nicht nur in dem Land, wo er ausgestellt wurde,
sondern in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.
Die Hauptfragen bei der Nutzung der EG Verordnung Nr. 1896/2006 als eine Basis für die Gestaltung
eines gemeinsamen europäischen Modells sind:

Der Gläubiger braucht nicht die relevanten Dokumente zusammen mit der Forderung
einzureichen. Zur selben Zeit kann der Schuldner dem Zahlungsauftrag durch eine einfache
Erklärung widersprechen. Deshalb ist ein solches Modell flexibel und einfach und erlaubt den
Parteien einen leichten Zugang zum Recht (besonders im Fall von transnationalen
Forderungen).

Gemäß der Verordnung wird eine Rechtshilfe nicht benötigt. Dies hilft, um den Zugang zum
Recht zu verbessern und um juristische Gebühren zu vermeiden, wenn das Verfahren recht
einfach ist. Auf der anderen Seite empfiehlt die Regulation nachhaltig den Nationalstaaten,
effektive Informationen durch öffentliche Institutionen bereitzustellen (zum Beispiel ad hocBüros an jedem nationalen Gericht oder eine ad hoc-Webseite und/oder ein Callcenter, die
sämtliche Informationen anbieten, welche ein Bürger braucht, um einfach und korrekt seine
Forderung einreichen zu können).
Dieses Verfahren ist auch deshalb interessant, weil es nur sehr leichte Interventionen von Seiten des
Gerichts einbezieht, weil keine Beweise zusammen mit der Forderung vorgelegt werden. Das Gericht
ist grundsätzlich aufgerufen, seine Jurisdiktion zu kontrollieren und (nahezu) automatisch (z.B.
Geldforderung online im Vereinigten Königreich) den Zahlungsauftrag auszugeben, dem irgendwann
einmal vom Beklagten widersprochen werden wird.
2.3. Eil- und gewöhnliche Verfahren
Es besteht ein wichtiger Unterschied zwischen gewöhnlichen und Eilverfahren. Juristische Verfahren
werden als Eilverfahren angesehen, wenn sie kürzer und einfacher sind als gewöhnliche Verfahren.
Diese Fälle werden normalerweise innerhalb eines kürzeren Zeitrahmens entschieden, weil der
Charakter des Problems eine schnelle Entscheidung benötigt. In vielen Ländern sind Eilverfahren
verbunden mit einem gewöhnlichen Verfahren, wobei die Eilverfahren einem gewöhnlichen Verfahren
folgen sollen, und sie dienen dem Zweck eine bestimmte Situation zu erhalten, während der endgültige
Urteilsspruch im regulären Verfahren noch abgewartet wird. Diese Verbindung mit einem regulären
Verfahren wird nicht in allen juristischen Systemen benötigt. Deshalb befolgen in einigen Ländern die
Parteien die Entscheidung des Gerichts und beginnen kein gewöhnliches Verfahren und legen keine
Berufung ein. Das Ergebnis ist ein sehr schnelles Verfahren, welches das reguläre Verfahren ersetzt. In
vielen Ländern benötigt der Beginn eines Eilverfahrens aber ein „dringendes Interesse“. Dies ist aber
unpraktisch, weil es möglich ist, dass die Parteien eine schnelle Bearbeitung ihres Falles bevorzugen
ungeachtet der Abwesenheit eines juristisch gültigen „dringenden Interesses“. Nicht dringliche
Angelegenheiten können nicht in einem schnellen Verfahren entschieden werden. Es ist ebenso
unmöglich für einen Richter, einen Fall für eine Beschleunigung zu überweisen, wenn er erwägt, dass
der Fall in einem regulären Verfahren behandelt werden sollte. Mehr Flexibilität, um der
einreichenden Partei eine Wahl zwischen entweder dem Eilverfahren oder dem regulären Verfahren
9
zu geben, könnte nützlich für das Funktionieren des Gerichtssystems sein. Insgesamt sollten
Eilverfahren deutlicher von gewöhnlichen Verfahren getrennt werden und so einfach als möglich
gemacht werden.
2.4. Verfahren der Einigung, Mediation und der Schlichtung
2.4.1 Einigungen
Frühe Einigungen verfügen über einen starken Einfluss auf die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle,
deshalb erhöhen sie die Fähigkeit der Gerichte die Zeitrahmen einzuhalten und den Verbrauch von
Ressourcen und Zeit, für beide Parteien und das Gericht, durch eine Gerichtsverhandlung zu
vermeiden. Auch der Konsultative Rat der Europäischen Richter (Consultative Council of European
Judges, CCJE) hat die Bedeutung der Verwendung von so vielen als möglichen Techniken der frühen
Einigung durch Richter betont. Dies bedeutet eine proaktive und innovative Rolle für Richter, welche
die Führung in der Fallbearbeitung übernehmen müssen.
Richter sollten, während sie den Fall studieren, solche Eigenschaften identifizieren, welche die
Einigung erleichtern könnten. Unter diesen Eigenschaften befinden sich der Gegenstand des Falls, die
Charakteristiken der Parteien, die Einstellung und die frühere Erfahrung der Rechtsanwälte, die Kosten,
welche anfallen (z.B. für technische Sachverständige und Zeugen) sowie die Länge des Verfahrens. Eine
Praxis, die als sehr vielversprechend angesehen worden ist, um eine Einigung zu erreichen, besteht in
der Teilnahme der Parteien und nicht nur der Rechtsanwälte an einem „Einigungstreffen oder einer
Anhörung“, wo der Richter die Kosten und Risiken für beide Seiten erläutern kann, wenn eine Einigung
nicht erreicht werden kann. Es ist auch sehr empfohlen, die beste Praxis mit anderen zu teilen, und
eine Ausbildung von Richtern für die Einigung von Fällen, ebenso wie Treffen mit Rechtsanwälten, um
die Einigung von Fällen zu befördern.
Die Anwaltsgebühren sind ebenfalls ein Gegenstand der Aufmerksamkeit, um die frühe Einigung von
Fällen zu fördern. Frühe Einigungen können sehr stark durch die Art und Weise, wie Rechtsanwälte
bezahlt werden, beeinflusst werden. Werden Rechtsanwälte vergütet nach der „Anwesenheit bei
Gerichtsverfahren oder für die Erzeugung von Dokumenten“, dann besteht für sie kein finanzieller
Anreiz, den Fall beizulegen. Also sollte dieses Thema vorsichtig erwägt werden, um frühe Einigungen
zu befördern, welche, dank der begrenzten, verfügbaren Ressourcen, ein Muss für ein effektives
Management von Fällen sind.
Steuerrückerstattungen der juristischen Gebühren können ein geeigneter Anreiz sein, Einigungen zu
verbessern. Es wäre noch besser, wenn geplant wird, dass Gerichtsgebühren unmittelbar
zurückgegeben werden, wenn die Parteien eine Einigung im Fall erzielen. Diese Lösung wurde von
Estland angenommen. In vorläufigen Verfahren muss das Gericht erkennen, ob es möglich wäre, den
Fall durch den Abschluss eines Kompromisses zu lösen (Art. 392 (1) der estnischen
Zivilprozessordnung).
10
Zum Beispiel muss in der Tschechischen Republik das Gericht stets versuchen, eine Einigung zu
erreichen, doch die Parteien können nicht dazu gezwungen werden. Wenn eine Einigung erreicht wurde,
dann kommen die Parteien normalerweise auch über die Erstattung der Kosten überein. Normalerweise
übernimmt jede Partei die eigenen Kosten. Das Gericht muss die Einigung nicht billigen, wenn sie den
gesetzlich vorgeschriebenen Vorschriften widerspricht. Eine gebilligte Einigung verfügt über den Effekt
eines abschließenden Urteils. Trotzdem ist das Gericht berechtigt, eine Einigung abzulehnen, wenn sie
ungültig nach den Vorschriften des stichhaltigen Rechts ist. Die Entscheidung des Gerichts, eine
Einigung zwischen Parteien zu billigen, setzt ein Hindernis für weitere Verfahren über dasselbe Thema
(reiiudicata). 50% der Gerichtsgebühren wird dem Anspruchsteller nach dem Erreichen einer Einigung
zurückgegeben und, ebenso, wenn beide Parteien das Recht auf Berufung vor dem Anhören des
abschließenden Urteils aufgeben.
In Slowenien wird eine Gebühren-Politik benutzt, um einen zusätzlichen Anreiz dafür zu schaffen, dass
der Anspruchsteller eine Einigung erzielt. Zwei Drittel der Gerichtsgebühr wird dem Anspruchsteller
erstattet, wenn der Fall mit einer Einigung endet. Normalerweise enden 15–20% der Fälle mit einer
Einigung. Ein Richter kann den Parteien eine Einigung auf jeder Stufe des Prozesses in schriftlicher Form
vorschlagen (CPA, Art. 307/4). Wenn beide Parteien den Vorschlag der Einigung des Richters
unterschreiben, dann ist die Einigung erledigt und der Fall geschlossen.
2.4.2. Mediation und Schlichtung
Die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle und die beschränkten Ressourcen des Gerichts haben die
Einführung von alternativen Streitfalllösungen durch das Gesetz beschleunigt. Es gibt ziemlich viele
unterschiedliche Methoden der Lösung von Streitfällen. In diesem Abschnitt werden wir kurz
Mediation und Schlichtung erwägen, denn sie wurden von mehreren Ländern in das Recht für
Zivilverfahren eingeführt. Normalerweise erfolgt die Mediation außerhalb des Gerichts, auch wenn es
Fälle von Mediation gibt, die von Richtern ausgeführt werden, während die Schlichtung oftmals von
Richtern während des Gerichtsverfahrens vorgeschlagen wird.
Mediation und Schlichtung verfügen über das Potential, Gerichtsverfahren erheblich zu beschleunigen.
Das Recht kann nur dann effizient funktionieren, wenn die Anzahl der Fälle sich in einer ausreichenden
Proportion zu den verfügbaren Ressourcen befindet, und die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle nicht
höher sein sollte als ein vernünftiges Niveau der Produktivität, welches das Verhältnis zwischen
Leistung und Einheiten von Personal ist, welches verpflichtet ist, diese Leistung zu erreichen. Deshalb
ist es ein klarer Trend innerhalb der europäischen Rechtssysteme gewesen, die Nutzung von
alternativen Methoden der Lösung von Streitfällen und eine aktivere Rolle von Richtern bei Einigungen
zu ermutigen (bitte das nächste Kapitel beachten). Das Ziel ist es, soweit als möglich spezielle
Kategorien von Forderungen zu reduzieren, welche wegen ihres Charakters mit anderen Methoden als
eines Gerichtsprozesses gelöst werden können.
Die Hauptwege, um Mediation und Schlichtung zu ermutigen, sind:




Finanzielle Anreize zu schaffen
Die Rolle und Funktion von Rechtsanwälten bei der Mediation und der Schlichtung
anzusprechen
Die Rolle und Funktion von anderen Parteien anzusprechen (z.B. Experten und
Sachverständigen)
Training
11
Finanzielle Anreize
Die Parteien können oder in einigen Ländern müssen versuchen, einen Streitfall durch einen Mediator
zu lösen, bevor sie den Fall vor Gericht bringen. Ein Mediator muss über spezielle Fähigkeiten und
Kompetenzen verfügen. Der Mediator kann, aber er muss nicht zum juristischen Personal gehören. Die
Mediation kann durch den Staat zum Beispiel durch Steuervorteile ermutigt werden (wenn die
Parteien eine Übereinstimmung erzielen, können sie zum Beispiel eine Steuerrückerstattung für die
Gebühren des Mediators erhalten), in Verbindung mit einer verbindlichen Anstrengung, einen
vorläufigen Versuch der Mediation zu unternehmen, bevor vor Gericht gegangen wird, sowie eine
mögliche Maßnahme im Urteilsspruch für die Partei, die ausschließlich jegliche Bemühungen
blockierte, um zu einer vermittelten Einigung zu gelangen. Zum Beispiel sind gemäß dem italienischen
Recht (Gesetzgeberische Verordnung Nr. 28/2010 und die folgenden Ergänzungen) für bestimmte
Arten von Forderungen (d.h. Versicherungsrecht, Bankenrecht, medizinische Haftung usw.) die
Parteien verpflichtet, eine Mediation zu versuchen. Wenn die Parteien innerhalb des Vorgangs der
Mediation eine Übereinkunft erzielen, dann können sie einige finanzielle Vorteile haben. Zudem, wenn
die Mediation scheitert, und dies wegen einer der Parteien, dann kann das Gericht solche Elemente in
seiner abschließenden Entscheidung in einer angemessenen Überlegung berücksichtigen.
Diese Art von alternativen Methoden der Streitfalllösung kann die Anzahl der Eingabe von
Zivilrechtsfällen reduzieren und sollte in der Europäischen Union weiter ermutigt werden.
Verschiedene Mediationsmethoden sollten für eine größere Anzahl von Fällen angewandt werden und
der Gesetzgeber sollte aus ihnen eine notwendige, vorläufige Stufe machen, welche Parteien nutzen
sollten, bevor sie einen Fall bei Gericht einreichen. Es kann empfohlen werden, die steuerlichen
Vorteile zu vergrößern, um die Verwendung von alternativen Lösungen von Streitfällen anzuregen.
Professionelle Kooperation bei der Mediation
Mediationsprozesse benötigen ein ausreichendes Wissen des Mediators, um erfolgreich zu sein. Die
Arbeit von verschiedenen Profis und Experten, die an Mediationsprozessen teilnehmen, kann
erhebliche Koordinationsbemühungen bedingen.
Eine mögliche Lösung besteht darin, dass die Mediationsverfahren durch Vertreter verschiedener
Berufe unterstützt werden. Dies kann beispielsweise Therapeuten, die Jugendfürsorge und
Rechtsanwälte miteinbeziehen. Mediation muss sorgfältig angepasst oder zugeschnitten sein auf den
speziellen Fall, um eine gute Aussicht auf Erfolg zu besitzen.
Zum Beispiel agiert bei der gerichtlichen Mediation von Sorgerechtsstreitfällen ein Richter als Mediator,
der mit dem Familienrecht vertraut ist. Er oder sie wird unterstützt von einem Experten, der auf
Kindererziehung und die Fragen der kindlichen Entwicklung spezialisiert ist (typischerweise ein
Psychologe oder ein Sozialarbeiter). Der Richter ist normalerweise verantwortlich dafür, den Prozess zu
organisieren. Der Richter bestätigt die Einigung und ist zuständig für die Durchführung. Das
sachverständige Mitglied des Arbeitspaares zielt auf eine Absicherung ab, dass die wichtigen Fragen im
besten Interesse des Kindes gehandhabt werden und dass die Einigung den Bedürfnissen des Kindes
entspricht. Als ein Paar zu arbeiten, verbessert die Fähigkeit von Richtern, soziale Fragen zu lösen, denn
das sachverständige Mitglied ist typischerweise bekannt mit der Kommunikation in Konfliktsituationen
und kann deshalb dem Richter etwas beibringen. Diese Art von System, als Paar zu arbeiten, bietet Eltern
Unterstützung sowohl bei juristischen als auch psychologischen Problemen verbunden mit der Situation
der Ehescheidung. Dies spart auch die Ressourcen der Gerichte und der Sozialfürsorge. Erfolgreiche
12
Mediationen verringern die Anzahl von juristischen Verfahren wegen Sorgerechtstreitfällen und
vermindern ebenso die Untersuchungsarbeit der Sozialfürsorge.
2.4.3. Die Rolle und Funktion von Rechtsanwälten bei der Mediation und der Schlichtung
Rechtsanwälte sollten mehr dazu neigen, die Parteien zusammenzubringen. Um die Anzahl der Fälle
zu reduzieren, die vor Gericht gebracht werden, sollen die Parteien gemäß dem italienischen Recht im
Falle von Forderungen, deren Wert bis zu 50.000,00 Euro beträgt, einen vorläufigen Versuch der
Schlichtung mit Unterstützung der entsprechenden Anwälte unternehmen (Gesetzgeberische
Verordnung Nr. 132/2014). Sollte dieser Versuch innerhalb einer per Gesetz bestimmten Frist
scheitern, dann können die Parteien den Fall bei Gericht einreichen. Falls eine Übereinkunft getroffen
wird, erkennt das italienische Recht die Möglichkeit an, eine teilweise Steuerrückerstattung der
Gerichtsgebühren zu erhalten, die jede Partei getragen hat. Solche alternativen Methoden der Lösung
von Streitfällen scheinen insbesondere nützlich für Fälle mit niedrigem Streitwert zu sein, bei denen
der Streitwert nicht proportional zu den Kosten eines vollen Verfahrens vor Gericht ist, oder für
Familien- oder Eheangelegenheiten. Parteien können es schwer finden, zu einer Übereinkunft in
Erbangelegenheiten zu kommen oder die Verpflichtungen selbst zu erfüllen. Deshalb kann die
juristische Unterstützung entscheidend für sie sein, um zu einer Übereinkunft zu kommen und einen
teuren und zeitraubenden Prozess zu vermeiden. Aus diesem Grund besteht der derzeitige Trend
darin, die Rolle der Rechtsanwälte oder von Mediatoren für Familien zu stärken, um möglichst viele
Fälle außerhalb der Gerichte beizulegen. Gemäß einem kürzlich angenommenen italienischen Gesetz
(Gesetzgeberische Verordnung Nr. 132/2014) können sich Personen beispielsweise scheiden lassen,
ohne vor Gericht zu gehen. Sie können stattdessen eine Übereinkunft mit Unterstützung ihrer Anwälte
erreichen und dann die Übereinkunft im nationalen Register eintragen lassen.
2.5. Die Optimierung von gewöhnlichen Zivilverfahren
Es ist auch wichtig, Optimierungslösungen für gewöhnliche Verfahren zu finden und für die
prozesstechnischen Regeln, die für „normale Fälle“ gelten. Die Offenlegung von Beweisen ist eine
Schlüsselfrage in zivilen Verfahren, wenn auf eine effektiv organisierte und rechtzeitige
Fallbearbeitung abgezielt wird. Es kann empfohlen werden, dass Zivilverfahren bedingen sollten, dass
die Parteien ihre Beweise so früh als möglich offenlegen sollten. Mehrere europäische Länder zielen
auf eine schnelle Offenlegung. Zum Beispiel sind in Slowenien und der Tschechischen Republik die
Parteien verpflichtet, ihre Beweise in der ersten Gerichtsverhandlung offenzulegen (andernfalls
werden diese Beweise vom Gericht nicht beachtet). Auch in Spanien und Portugal muss die
Offenlegung in der Anfangsphase der Verfahren erfolgen. In Italien beispielsweise können Parteien im
Gegensatz dazu ihre Beweise auch nach der ersten Verhandlung offenlegen (bis zu 60 Tage nach der
ersten Verhandlung). Diese Regeln können über einen starken Einfluss auf die Dauer von juristischen
Verfahren verfügen.
Gestützt auf diese Untersuchung kann ein einheitliches europäisches Verfahren empfohlen werden,
in dem die Parteien alle ihre Beweise bei der anfänglichen Forderung oder der Stellungnahme liefern
sollten. Ergänzende Beweise sollten eine Ausnahme darstellen und sie sollten nur dann zugelassen
werden, wenn sie wirklich notwendig sind, um die Stellungnahmen und Beweise der Gegenpartei
herauszufordern.
13
Die Zulässigkeit von Beweismitteln sollte auch recht strikt gehandhabt werden. Wenn auf die
Offenlegung der Beweise Bezug genommen wird, dann ist der Bedarf für die Parteien, die Nachweise
anzuzeigen, die sie einreichen oder beabsichtigen einzureichen, eine wichtige Frage. Diese Beweise
bedürfen einer Entscheidung über ihre Zulässigkeit durch das Gericht. Deshalb erfordert die
Zulässigkeit von Beweismitteln eine spezifische Bewertung und eine spezifische Entscheidung durch
das Gericht. Diese Art von Bewertung sollte in der Anfangsphase des Verfahrens erfolgen. Dies würde
es dem Verfahren erlauben, reibungslos und effektiv zu den nächsten Stufen überzugehen: der
Überprüfung von Zeugen und der Bewertung der vorgelegten Beweise.
Zum Beispiel trifft in Italien das Gericht seine Entscheidungen über die Zulässigkeit von Beweisen nach
der ersten Gerichtsverhandlung und möglicherweise ad hoc in einer zweiten Verhandlung. Dies
erscheint deutlich durch eine Analyse des Schemas von gewöhnlichen italienischen Gerichtsverfahren
in Anhang 2. Im Gegensatz dazu (siehe das spanische Schema in Anhang 2) haben Spanien (Art. 414
des spanischen Gesetzes Nr. 1/2000) und Portugal (Art. 591 des portugiesischen Gesetzes 41/2013)
ein interessantes Modell, basierend auf „vorläufigen Verhandlungen“, angenommen. Während dieser
Verhandlung untersucht das Gericht die Zulässigkeit von Beweismitteln, die von den Parteien
angefordert wurden, und begründet, wo und wann solche Beweise genutzt werden. Weiterhin werden
in solch einer Verhandlung alle vorläufigen Fragen der Forderung diskutiert (d.h. internationale
Jurisdiktion, territoriale Jurisdiktion, der Mangel von Legitimation usw.). Dies ist eine nützliche Praktik,
um das Tempo des Rechtsstreits zu erhöhen und die Nutzung von Ressourcen, denn eine Forderung
kann wegen der Abwesenheit von Jurisdiktion am Beginn des Verfahrens abgelehnt werden.
Außerdem brauchen das Gericht oder der Richter nicht den Fall in aller Tiefe vor der vorläufigen
Verhandlung studieren (nur ein allgemeines Lesen ist gefordert, um die Entscheidung über diese
vorläufigen Fragen zu treffen). Trotzdem sollte die vorläufige Verhandlung nicht die Funktion einer
Möglichkeit für eine zusätzliche Gerichtsverhandlung übernehmen.
2.6. Die Reduzierung der Anzahl von Fällen in zweiten und dritten Instanzen
Viele europäische Länder gewähren ein Recht auf Berufung nach dem Beschluss eines Gerichts erster
Instanz, um mögliche Fehler zu vermeiden und einen Urteilsspruch guter Qualität zu sichern, sowie
auch eine juristische Überarbeitung der dritten Stufe (Kassation) des Falls. In einigen Ländern ist der
Zugang zur zweiten und dritten Instanz in keiner Weise begrenzt. Trotzdem kann diese Praxis die
Gerichte erheblich überlasten, was zu Rückständen und der Überlänge von juristischen Verfahren
führt. Um dieses Problem anzugehen, haben einige europäische Länder Beschränkungen für die
Hinwendung an zweite und dritte Instanzen eingeführt und umgesetzt, um die Anzahl der einlaufenden
Fälle zu filtern.
Zum Beispiel sieht das spanische Recht (Artikel 455 des spanischen Gesetzes Nr. 1/2000) einige wichtige
Bedingungen für die Einlegung von Berufung gegen Entscheidungen der ersten Instanz vor. Gegen
Gerichtsbeschlüsse über Forderungen im Wert von unter 3.000,00 Euro kann keine Berufung eingelegt
werden. Deshalb sind solche Beschlüsse endgültig, da ein Gericht erster Instanz sie ausgegeben hat.
Gegen Beschlüsse über Forderungen, deren Wert zwischen 3.000,00 und 6.000,00 Euro beträgt, kann
Berufung eingelegt werden: doch über die Berufung entscheidet nur ein Richter anstelle von drei Richtern
(was die normalerweise anwendbare Regel ist). Dies reduziert die Ressourcen, die für Fälle zweiter Instanz
benötigt werden.
14
Das portugiesische Recht sieht einige wichtige Bedingungen für eine Berufungsklage gegen Beschlüsse
erster Instanz vor. Nur gegen Beschlüsse über Forderungen, deren Wert mehr als 30.000,00 Euro beträgt,
kann bei einem Gericht der zweiten Instanz Berufung eingelegt werden. Außerdem kann gegen
Beschlüsse der zweiten Instanz bei der dritten Instanz nur dann Berufung eingelegt werden, wenn der
Beschluss des Gerichts der zweiten Instanz nicht im Wesentlichen den Beschluss des Gerichts erster
Instanz bestätigt und wenn weitere Fragen vor dem Gericht der dritten Instanz erhoben werden (Art.
671 des portugiesischen Codex der Zivilverfahren).
Es kann bemerkt werden, dass die spanischen und portugiesischen Gesetzgeber versucht haben, einen
Kompromiss zu erreichen zwischen dem Bedarf, das Recht auf Verteidigung zu sichern, und dem
Bedarf, die Überlastung der Gerichte zu vermeiden. Sie haben einen Filter eingerichtet, der auf dem
Wert der Forderung basiert. Dennoch könnten auch andere Kriterien verwendet werden.
Die Techniken, die von Italien und Estland genutzt werden, stützen sich auf die Beurteilung des Falls
durch das höhere Gericht. Diese Techniken sind teurer und verbrauchen mehr Zeit, sind aber
gleichzeitig weniger restriktiv.
Einige Beschränkungen für die Eingabe eines Falles an die zweite und dritte Instanz müssen eingeführt
werden, um sicherzustellen, dass die höheren Gerichte über ausreichend Kapazitäten verfügen, um
ihre Rolle der Aufsichtsführung über die einheitliche Entwicklung des Rechts zu erfüllen.
In Estland wird das Recht auf Berufung indirekt begrenzt durch Art. 637 Abs. 2 des estnischen Codex
für Zivilverfahren, welcher erklärt, dass in Fällen, welche in einem vereinfachten Verfahren gelöst worden
sind, eine Berufung nur dann durch das Berufungsgericht akzeptiert wird, wenn das Gericht erster Instanz
eindeutig ein solches Recht in seinem Beschluss ausgesprochen hat oder wenn das Gericht erster Instanz
das Recht oder das rechtliche Verfahren eindeutig inkorrekt angewandt hat oder wenn es die Beweismittel
inkorrekt bewertet hat und wenn dies einen bemerkenswerten Einfluss auf seinen Beschluss hat. Wenn
es um das Recht auf Berufung beim Obersten Gericht geht, dann besteht eine zusätzliche Beschränkung
in Form eines spezialisierten Ausschusses beim Obersten Gericht, welcher darüber entscheidet, ob ein
Fall für ein Kassationsverfahren akzeptiert wird oder nicht. Solche Entscheidung (Erlaubnis für ein
Verfahren oder die Ablehnung eines Verfahrens) muss nicht begründet werden.
3. Juristische Fallverwaltung
Dieser Abschnitt behandelt das juristische Fallmanagement und die möglichen Rollen von Richtern als
Verwalter von Fällen in Zivilverfahren. Die Fallverwaltung betrifft die Art und Weise, wie das Gericht
und der Richter die Arbeitsteilung in verschiedenen Bearbeitungsphasen organisieren, den Austausch
von Informationen zwischen dem Gericht und den Parteien und wie sie die Gerichtsverhandlungen und
die Sachverständigen organisieren.
Eine aktive juristische Fallbearbeitung von Zivilverfahren setzt eine gewisse gerichtliche Bereitschaft
voraus, eine Arbeitsteilung zwischen den Mitarbeitern des Gerichts und den Richtern und auch eine
Gesetzgebung, um dem Gericht und dem Richter eindeutige Fallbearbeitungskompetenzen zu
verleihen und Kompetenzen, die Beteiligten in einem Prozess zu organisieren (z.B. Zeugen). Weiterhin
kann eine gewisse Arbeitsteilung hinsichtlich von verschiedenen verfahrensrechtlichen Wegen, die
sich sowohl auf Unterschiede im Verfahren als auch auf verschiedene Themen stützen, hilfreich sein.
Die Spezialisierung der Gerichte kann auch die gerichtliche Fallbearbeitung verbessern.
15
„Richter sind der „dritte unparteiische Spieler“ in einem Prozess der Konfliktlösung. Sie sind als einzige
in der Lage, das Tempo des Rechtsstreits unabhängig von den Interessen der Parteien festzulegen.
Deshalb sollten sie eine proaktive Rolle in der Fallbearbeitung spielen, um eine faire und rechtzeitige
Fallbearbeitung zu garantieren, entsprechend den Zeitrahmen. Es sollte auch bemerkt werden, dass die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (ECHR) sagt, dass „Inaktivität des
Gerichts“, „gerichtliche Trägheit bei der Erzeugung von Beweismitteln“ und die „komplette Inaktivität
der gerichtlichen Autoritäten“ Gründe für die Verletzung der Klausel einer angemessenen Zeit gewesen
sind (CEPEJ (2006)15: Paragraf 29, 30, 36).“
„Die Zuordnung von Fällen ist eine der Kernfragen der Gerichtsverwaltung und sie beeinflusst die Dauer
von Verfahren. Ein flexibleres System der Zuordnung von Fällen zu entwickeln, wird dem Gericht helfen,
sich besser an unvorhergesehene Änderungen der Anzahl zu bearbeitender Fälle anzupassen. In dieser
Beziehung kann eine „Arbeitsgruppe“ oder eine „Sondereinsatzgruppe“ von Richtern genutzt werden.
Auch in Ländern, in welchen die Vergabe von Fällen an einzelne Richter sich auf Regeln, die im Voraus
festgelegt wurden, stützen muss (das Prinzip des natürlichen Richters), ist es möglich, etwas Flexibilität
zu entwickeln, um unerwarteten Änderungen der Anzahl zu bearbeitender Fälle oder eine hohe Anzahl
zu bearbeitender Fälle gegenüberzutreten. Weiterhin ist es möglich die Regeln territorialer Jurisdiktion
flexibler zu machen, aber auch den Themengegenstand und die Bewertungskriterien, um eine effektivere
Vergabe von Fällen zu ermöglichen oder unerwarteten Änderungen der Anzahl zu bearbeitender Fälle
gegenüberzutreten. Flexibilität kann auch helfen, um unvernünftige Verzögerungen zu vermeiden, die
durch die Versetzung von Richtern hervorgerufen wurden (CEPEJ (2006)15, S. 30).“
3.1. Die Beschleunigung der Abfolge bei gewöhnlichen Verhandlungen
Innerhalb von gewöhnlichen Zivilverfahren kann die Rechtzeitigkeit durch die Reduzierung aller
unnötiger Wartefristen und ungenützter Zeit, nachdem der Fall bei Gericht registriert wurde,
verbessert werden. Die Wege, um die Abfolge bei gewöhnlichen Verfahren durch eine angemessene
Arbeitsteilung zu beschleunigen, können gemäß den Bearbeitungsphasen unterschieden werden:



Vorläufige Verfahrensphase
Bearbeitungsphase
Die Phase der Entscheidung und das Nachfolgende
3.1.1. Vorläufige Verfahrensphase
Richter können eine erhebliche Menge an Zeit mit verfahrensrechtlichen Fragen verbringen, die
ebenso durch Gerichtsbedienstete oder das Verwaltungspersonal erledigt werden könnten (z.B.
Registrierung des Falls, Zahlung von Gerichtsgebühren und der Beschluss über die Zulässigkeit der
Partei, die den Fall eingibt, und die Kompetenz des Gerichts). Wirtschaftlichkeitskriterien und
verbesserte Nutzung von Kapazitäten und Ressourcen können erreicht werden durch eine Änderung
der Rollen und der Arbeitsteilung bei vorläufigen Verfahren. Dies erfordert, dass Gerichtsbediensteten
und dem Verwaltungspersonal erlaubt wird, alle Aspekte der vorläufigen Behandlung des Falls zu
bearbeiten. Dies benötigt auch eindeutig definierte Rollen und eine gute Kommunikation zwischen
dem Personal untereinander.
Ein möglicher Weg, eine solche Arbeitsteilung zu organisieren, besteht in der Einführung von
vorläufigen Verfahren als eine getrennte Arbeitsaufgabe, die aus der Registrierung des Falls, dem
16
Versenden einer Quittung über die Einreichung des Falls an beide Parteien, der Überprüfung der
Bezahlung der Gerichtsgebühr und der Mitteilung der letzten Frist, in welcher die Gerichtsgebühr
entrichtet werden sollte, dem Informieren der Parteien direkt oder über ihren Vertreter besteht. Auch
die Überprüfung der Zulässigkeit des Falls und der Jurisdiktion des Gerichts kann Bestandteil dieser
Arbeitsroutine sein. Diese Arbeitsteilung trägt in sich die Möglichkeit, die Fähigkeiten und die
Arbeitsbeschreibungen der Gerichtsmitarbeiter deutlich zu verbessern (Richter können immer noch
die Abläufe beaufsichtigen).
In komplizierten Fällen kann eine Fallbearbeitungskonferenz, um einen eindeutigen Zeitplan der
Vorgänge festzulegen, ein effektives Werkzeug sein, um Einigungen zu helfen, Vertagungen zu
vermeiden, Gerichtsverhandlungen zu konzentrieren und (dann) Zeitrahmen einzuhalten. Die in einem
Treffen gefällten Entscheidungen können durch eine zwischenzeitliche gerichtliche Entscheidung
formalisiert werden.
In der Tschechischen Republik hat es ein Projekt vom April 2012 bis zum Dezember 2015 in
ausgewählten Bezirks- und Landgerichten gegeben mit der Bezeichnung „Die Verbesserung der Effizienz
von Gerichten durch eine Straffung ihrer administrativen Kapazität“, welches vom Europäischen
Sozialfonds finanziert wurde. Für diesen spezifischen Zeitraum ist neues Verwaltungspersonal
ausgewählten Gerichten zugewiesen worden. 13 Gerichte sind in diesem Projekt miteinbezogen worden,
elf Bezirks- und zwei Landgerichte mit der höchsten Anzahl von Rückständen. Eine systematische
Stärkung des Einsatzes von Verwaltungspersonal in Gerichten hilft, um mehr Fälle zu lösen und so eine
steigende Anzahl von Rückständen zu verhindern oder sogar die Rückstände zu vermindern.
In Slowenien wird ein Sichtungs-System für die Vorbearbeitung von Fällen eingesetzt. Unmittelbar
nach der Einreichung einer Forderung sieht ein Gerichtbediensteter den Fall durch und bereitet die
Entwürfe von Anweisungen für den nächsten Verfahrensschritt vor, z.B. die Korrektur von Fehlern in
der Forderung, die Entrichtung der Gebühren (wenn diese nicht anfangs gezahlt wurden), die Gewährung
staatlicher rechtlicher Hilfe oder die Verfahrensaufnahme und den Versand der Forderung an den
Beklagten zum Erhalt einer Stellungnahme. Gerichtsbedienstete können vorläufige
Verfahrensdokumente unterzeichnen, während die Entwürfe von Anweisungen von einem SichtungsRichter unterschrieben werden (einem speziellen Richter, der sich nur mit Fällen in der Sichtungsphase
beschäftigt und nicht mit den Fällen in einer späteren Phase). Danach wird ein Richter für den Fall
ernannt, der sich mit den folgenden Abläufen beschäftigt. Ein Fall wird einem Richter nur dann
zugeordnet, wenn Verfahrensentscheidungen ausgegeben worden sind und die Fallakte vorbereitet
worden ist. Die Sichtung wurde von Gerichten selbst aus der Notwendigkeit heraus entwickelt. Die
Sichtung ist gewöhnlich angemessen für größere Gerichte. Das Bestehen der Sichtung hängt von der
Struktur der Fälle ab. Die Fälle von gewerblichem Eigentum und Insolvenz sind ausgenommen von der
Sichtung, weil diese die Aufmerksamkeit von Richtern gleich von Anfang an benötigen.
In einigen Ländern kann der Staatsanwalt manchmal verpflichtet sein, aus Interesse an der Entwicklung
des Rechts an Zivilverfahren teilzunehmen. In diesen Fällen muss das Gericht auf den Standpunkt des
Staatsanwalts warten, bevor der Fall fortgesetzt werden kann. In Belgien wird diese Art des Verfahrens
abgeschafft werden und der Staatsanwalt wird in der Lage sein, eine unabhängige Entscheidung über
seine Teilnahme in Zivilverfahren zu fällen. Dies wird möglicherweise zu einer höheren
Geschwindigkeit von Zivilverfahren beitragen, weil es erwartet wird, dass der Staatsanwalt nur beim
Auftreten von außergewöhnlichen Umständen an Zivilverfahren teilnimmt.
17
3.1.2. Die Bearbeitungsphase
In der Bearbeitungsphase eines Falles kann eine Arbeitsteilung zwischen den Richtern und dem Gericht
auch helfen, um die Rechtzeitigkeit zu verbessern. Ein wichtiger Ausgangspunkt besteht darin, dass die
Parteien ihr gesamtes Material liefern und austauschen, bevor die Gerichtsverhandlung festgelegt
wird, und das in einem Zeitrahmen, der vom Richter angezeigt wird (das Gericht sollte nicht die
Verschiebung dieser Fristen leichtfertig erlauben oder es könnte sogar den Parteien mit einer
Geldstrafe drohen, wenn sie das Verfahren verzögern).
Besonders für einfachere Fälle sollten Urteile weitgehend von juristisch geschulten
Gerichtsbediensteten vorbereitet werden, um es den Richtern zu ermöglichen, sich auf die
schwierigeren Fälle zu konzentrieren. Es ist wesentlich, dass die Richter wissen, wie akkurate
Unterscheidungen zwischen Routinefällen und Fällen getroffen werden können, die eine spezielle
Aufmerksamkeit benötigen.
Auch in komplexeren Fällen können die Gerichtsbediensteten den Richtern eine vorläufige Analyse des
Falls anbieten. Der Richter würde immer noch die Gerichtsverhandlung durchführen und die
endgültige Entscheidung fällen, aber der Gerichtsbedienstete kann Ressourcen und Zeit sparen durch
ein Mitteilen von Ideen über die Angelegenheit. Es sollte auch bemerkt werden, dass diese Arten von
kooperativen Verfahren über einen Ausbildungs- und Lerneffekt für das Gerichtspersonal verfügen.
In den Niederlanden beispielsweise wird, nachdem der Fall eingereicht wurde und die Gerichtsgebühren
entrichtet wurden, der Fall einer Gruppe von Gerichtsbediensteten sowie einem oder mehreren Richtern
zugeordnet. Der Gerichtsmitarbeiter bereitet die Akte vor, aber der Richter verwaltet den Fall. Abhängig
von der Komplexität des Falls kann die gerichtliche Beteiligung mehr oder weniger intensiv sein. Die
Gerichtsverhandlung wird in Absprache mit den Parteien geplant. In den Regeln des Gerichts für
Verfahren gibt es Vorschriften, strikte Fristen für das Einreichen von Dokumenten zu setzen, strenge
Regeln für die Planung von Gerichtsverhandlungen und für Verzögerungen.
In Estland wurde 2013 ein Pilotprojekt in einem Landgericht gestartet, das jedem Richter einen
persönlichen Assistenten zur Verfügung stellte, der wenigstens über einen Magistergrad in Jura verfügte
und dessen Gehalt auf 50% der Bezüge des Richters erhöht wurde. Als ein Ergebnis konnten die Richter
mehr Funktionen an diese Assistenten delegieren und die Qualität der Unterstützung, die von ihren
Assistenten geliefert wurde, stieg an. Nach dem ersten Jahr des Pilotprojekts sank die durchschnittliche
Verfahrenszeit von Zivilfällen von 201 Tagen auf 160 Tage ab, nach dem zweiten Jahr verringerten sich
die durchschnittlichen Verfahrenszeiten weiter auf 132 Tage. Momentan ist das Projekt in vielen anderen
Gerichten ebenso eingeführt worden.
3.1.3. Die Phase der Entscheidung und das Nachfolgende
In der Abschlussphase kann der Gerichtsbedienstete auch eine wichtige Rolle durch das Entwerfen des
Urteilsspruchs spielen. Diese Praxis wird bereits in einigen europäischen Ländern genutzt. Dennoch
schreibt der Richter das Urteil in vielen Ländern ohne irgendwelche Hilfe durch unterstützendes
Personal. Dies ist kein wirtschaftlicher Weg insbesondere für die einfacheren Fälle. Des ungeachtet
sollte der Richter auch in den einfacheren Fällen das Urteilsdokument prüfen und unterschreiben,
bevor es an die Parteien versandt wird.
18
Oftmals nimmt das Schreiben des Urteils mehr Zeit in Anspruch, als ursprünglich geplant und
zugewiesen, was zu Verzögerungen für andere Fälle führt. Die Verwendung von standardisierten
Formaten für Gerichtsbeschlüsse ist eine andere Möglichkeit, um die Zeit für das Schreiben der
Beschlüsse zu verringern, doch dies geht mit einigen Risiken bezüglich der Qualität des Urteilsspruchs
einher. Obwohl Abläufe für die Beschleunigung der Entscheidungsphase genutzt werden, sollten sie
nie zum Nachteil des Inhalts und der Qualität des Gerichtsbeschlusses ausfallen.
Zahlreiche Vertagungen von Gerichtsverhandlungen entweder auf eigenen Antrieb des Gerichts oder auf
Anfrage der Parteien und lange Intervalle zwischen den Gerichtsverhandlungen sind vom Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte als Ursachen von unzumutbaren Verzögerungen eingestuft worden
(CEPEJ (2006), 36). Vertagungen müssen nur erlaubt werden, wenn sie eindeutig gerechtfertigt sind und
wenn der Termin für das nächste Ereignis festgelegt wurde. Wenn ein Gericht viele Vertagungen
gestattet, dann ermutigt es damit Rechtsanwälte, die für ihre Fälle nicht vorbereitet sind, um eine erneute
Vertagung zu bitten. Auf diesem Weg wird die Verhandlungszeit des Richters zu wenig genutzt.
„Ein Standardformat und einige flexible Begrenzungen der Seitenanzahl von Gerichtsbeschlüssen oder
Urteilen kann sinnvoll sein, um Fristen einzuhalten. Weiterhin zeigen einige Erfahrungen, dass präzise
Gerichtsurteile helfen, die Schlüsselfragen anzusprechen und die Argumentation des Richters.“
3.2. Die Handhabung von Sachverständigen
Traditionellerweise benennen im gewöhnlichen Rechtssystem die Parteien die Sachverständigen, die
deshalb auch als „Sachverständiger der Partei“ bezeichnet werden, während im zivilrechtlichen System
das Gericht die Sachverständigen aussucht, bekannt als „gerichtlicher Sachverständiger“,
„Gerichtssachverständiger“ oder „technischer Sachverständiger“. In diesem Abschnitt liegt der
Schwerpunkt auf den Sachverständigen, die eher für das Gericht arbeiten als für die Parteien.
Wichtige Bereiche der Handhabung von Sachverständigen sind:



Rolle, Berufung und Erwartungen
Überwachung, Zusammenarbeit und Ergebnisse
Vergütung und Anreize
3.2.1. Rolle, Berufung und Erwartungen
Sachverständige können berufen werden, um für den Richter oder eine Jury technische oder
wissenschaftliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese können beispielsweise über
psychologische, technologische oder medizinische Fragen sein. Mit dem Fortschritt von Wissenschaft
und Technologie wird der Bedarf nach der Einschätzung eines Sachverständigen immer häufiger. In
einigen Fällen können Sachverständige die Ursache von Verzögerungen darstellen (z.B. ist es schwierig,
einen geeigneten Sachverständigen zu finden oder weil Sachverständige auch über andere
Verpflichtungen und Termine verfügen, die aus ihrer beruflichen Haupttätigkeit entstehen). Da die
Anzahl guter Sachverständiger begrenzt sein kann, mag das Gericht eine Liste von zuverlässigen
Sachverständigen (in Bezug auf Bereitschaft, Rechtzeitigkeit und Qualität) entwerfen.
Gerichtssachverständige werden hauptsächlich auf einer ad hoc-Basis rekrutiert, entsprechend den
spezifischen Bedürfnissen einer gegebenen Verhandlung, manchmal für eine gewisse Amtszeit (z.B. in
19
Österreich). In einigen europäischen Ländern kann die Aktivität des Sachverständigen sowohl durch
eine natürliche als auch durch eine juristische Person durchgeführt werden (z.B. in der Tschechischen
Republik). Zu gewissen Zeiten kann der Richter die Parteien bitten, über einen gemeinsamen
Sachverständigen überein zu kommen (z.B. in Deutschland und Spanien). Einige Nationen (z.B. Estland,
Deutschland und die Niederlande) verfügen auch über „Rechtsexperten“, welche von dem Richter bei
spezifischen juristischen Fragen konsultiert werden können, insbesondere über ausländisches Recht.
Wenn verschiedene Disziplinen einbezogen sind, kann die vergebende Autorität mehr Sachverständige
hinzuziehen, oder den Sachverständigen autorisieren, für einen Konsultanten zu bezahlen. Zum
Beispiel schreibt in der Tschechischen Republik die Gesetzgebung die Verpflichtung direkt vor, in
einigen Fällen zwei Sachverständige zu berufen, die ein gemeinsames Gutachten abliefern müssen.
In vielen europäischen Ländern (z.B. in Österreich, der Tschechischen Republik und Italien) muss der
gerichtliche Sachverständige in ein offizielles Register eingetragen sein (Ausnahmen sind erlaubt) und
der Titel eines gerichtlichen Sachverständigen ist anerkannt und geschützt. In anderen Ländern (z.B. in
Belgien) bestehen weder diese Liste noch der Titel. Wo eine solche Liste nicht existiert, fungiert die
gegnerische Natur des Verfahrens als eine Überprüfung der Kompetenz des Sachverständigen: Die
Parteien können die Kompetenz, die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit des Sachverständigen
hinterfragen, der auch abgelehnt werden kann. Eine Ablehnung ist ebenso möglich für gerichtliche
Sachverständige, die in einer Liste eingetragen sind, wenn sie selbst ein gewisses Interesse an der
Prüfung haben oder daran scheitern, nicht unabhängig zu sein, und sie haben auf die Aufgabe nicht
aus eigener Initiative verzichtet. Sie müssen auch mitteilen, wenn eine Frage oder ein Thema außerhalb
ihres Kompetenzbereichs fällt. In beiden Systemen, mit oder ohne ein offizielles Verzeichnis, müssen
die gerichtlichen Experten normalerweise einen Eid schwören und/oder eine Stellungnahme
unterschreiben, dass sie dem Verhaltenskodex entsprechen.
Der Auftrag wird normalerweise als eine Reihe von Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen
vergeben. Der Richter kann auf eigene Initiative oder auf Verlangen der Parteien diese Anforderungen
reduzieren oder ausweiten. Es wird erwartet, dass der Experte a.) einen klaren, kompletten und gut
argumentierten Beitrag, b.) ohne Verzögerung, c.) zu vernünftigen Kosten und d.) unter
Berücksichtigung der nationalen Verfahren und der anwendbaren Gesetze liefert. Der Bericht kann in
schriftlicher und/oder mündlicher und/oder elektronischer Form angefordert werden. Das Gesetz
kann eine maximale Zeitfrist vorschreiben (z.B. in Portugal 30 Tage, in Italien von 10 bis zu 60 Tagen)
oder der Richter kann diese festlegen. Unter bestimmten Umständen kann diese Frist verlängert
werden. Der Sachverständige muss bekannt sein mit der Prozedur der Überprüfung. In einigen
europäischen Ländern (z.B. in Frankreich, Luxemburg und Italien) kann der Bericht des
Sachverständigen ignoriert werden, wenn der Sachverständige dabei versagte, den grundlegenden
Verfahrensregeln zu entsprechen wie dem Recht der Parteien, im Sachverständigenverfahren gehört
zu werden (Konfliktprinzip) oder wie der Verfügbarkeit der Beweise des Sachverständigen für alle
Parteien (Waffengleichheit).
Der Sachverständige kann erwarten: a.) schriftliche Anweisungen vom Richter zu erhalten; b.) Zugang
zu verfügbaren Informationen und Materialien zu erhalten; c.) an Untersuchungen ausgeführt vom
Richter und bei Gerichtsverhandlungen teilzunehmen; d.) eine angemessene Vergütung zu erhalten;
e.) frei zu sein, innerhalb der Europäischen Union auf Grundlage der europäischen Freizügigkeit,
Dienstleistungen anzubieten, zu arbeiten. Der letzte Punkt ist noch nicht erfüllt: Beschränkungen,
welche die Aktivität von gerichtlichen Sachverständigen in anderen Mitgliedsstaaten hemmen,
bestehen noch. Weiterhin, die meisten nationalen Gesetzgebungen unterscheiden sich voneinander
in verständlicher Erwartung: Wenn die Sachverständigen während ihrer Aufgabe feststellen, dass
zusätzliche Maßnahmen sinnvoll oder notwendig wären, um den Fall zu lösen, oder weitere Fragen
gestellt werden sollten, dann sollten sie dem Richter diese Vorschläge anbieten. Momentan können
20
sie nicht weitergehen, als die vom Richter gestellten Fragen zu beantworten (z.B. in Italien, Spanien
und Portugal).
Gestützt auf die angewandten Verfahren in verschiedenen europäischen Ländern können vier Linien
der Verbesserung in Verbindung mit der Berufung von Sachverständigen identifiziert werden:

Ein einziges europäisches Verzeichnis von Sachverständigen sollte eingerichtet werden, weil
a.) selbst die größten Länder einen Mangel an Sachverständigen in einigen Feldern erfahren;
b.) die erhältlichen nationalen Sachverständigen mit einer Partei verbunden sein können; c.)
es in Streitfällen über Grenzen hinweg nötig sein könnte, Untersuchungen in einem anderen
Mitgliedsstaat durchzuführen, selbst wenn Sprachbarrieren berücksichtigt werden müssen.
Es muss betont werden, dass eine gemeinsame europäische Liste komplett nutzlos ist, wenn
die registrierten Sachverständigen nicht das gerichtliche Verfahren in dem Land kennen, wo
sie gefragt werden, tätig zu sein. Deshalb muss eine Reihe von transnationalen
Verfahrensregeln bezüglich der Expertise auf dem europäischen Niveau definiert werden.
Zuerst könnte dieses Verzeichnis auf den derzeitigen nationalen Listen basieren, aber als ein
zweiter Schritt muss eine Übereinkunft über allgemeine Anweisungen über die Qualifizierung
von Sachverständigen innerhalb der EU erzielt werden. Diese Liste sollte nach den einzelnen
Disziplinen strukturiert sein (wie Wirtschaft) und weiter unterteilt nach Sektoren (z.B. Preise
und Schätzungen) und die Spezialisierung (z.B. die Bewertung von Unternehmen) wie im
aktuellen Register der Tschechischen Republik. Dies wäre hilfreich, die Qualität der Expertise
zu befördern.

Für komplexe Verhandlungen, die verschiedene Disziplinen mit einbeziehen, könnte eine
juristische Person, beispielsweise eine Universität oder ein Forschungszentrum, ernannt
werden. Tatsächlich können die Sachverständigen derselben Institution eine engere und
schnellere Kooperation entwickeln als unabhängige Professionelle, ein jeder mit eigenen
Verantwortlichkeiten und beruflichen Verpflichtungen. Außerdem vermögen es diese
Institutionen oder Organisationen, direkt die Instrumente, die Software und Laboratorien für
mögliche Analysen zur Verfügung zu stellen.

Der Sachverständige könnte dem Gericht Unterstützung in verschiedenen und diversen
Schritten des Verfahrens anbieten, insbesondere wenn der Fall sich sehr stark auf technische
Fragen stützt. Beispiele für diese Schritte sind die vorgerichtliche Untersuchung der
Dokumente, die von den Parteien zur Verfügung gestellt worden sind, oder die Beurteilung der
Wirksamkeit und der Dauer der Untersuchungen.

Schließlich kann es relevant oder sogar entscheidend für die Lösung des Falls sein, die
Sachverständigen mit den Befunden von ähnlichen Instanzen zu versorgen, z.B. wiederholte
Fehlfunktionen derselben Maschinen oder derselben Ausrüstung.
3.2.2. Überwachung, Zusammenarbeit und Ergebnisse
Eine effiziente Auswahl, die Überwachung und die Kontrolle von Sachverständigen würde ein System
mit einer Liste von gerichtlichen Sachverständigen, Qualitätsstandards für Sachverständige und die
Einführung von Werkzeugen erfordern, welche es den Sachverständigen erlauben, die Standards ihrer
Arbeit zu verbessern.
21
Die Überwachung von Sachverständigen schließt ein:




Eine Bewertung vor der Eintragung von Sachverständigen in das offizielle Verzeichnis oder
vor der Ernennung
Eine Kontrolle der Leistung bei der Ausführung der Aufgaben des Sachverständigen
Eine Überprüfung nach Abschluss der Aufgabe
Eine periodische Neubeurteilung
Die Liste der gerichtlichen Sachverständigen kann über Kategorien und Subkategorien verfügen mit
Beschränkungen der Registrierung in mehr als einer Abteilung. Personen, die in der Liste eingetragen
sind, sind normalerweise verpflichtet, mögliche Aufträge anzunehmen (z.B. in der Tschechischen
Republik und in Italien), wenn sie nicht über ernsthafte Gründe verfügen, diese abzulehnen (z.B. in den
Niederlanden).
Die Überwachung vor der Ernennung betrifft die Qualität und die gegenwärtige Arbeitsbelastung der
Sachverständigen. Zum Beispiel werden in Österreich einmal wöchentlich Statistiken erstellt, welche
die Sachverständigen anzeigen, die bereits über offene Fälle verfügen, um eine bessere Zuordnung von
Aufgaben zu erlauben. In der Tschechischen Republik kann die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle eines
einzelnen Sachverständigen über das elektronische Informationssystem von bestimmten Gerichten
überprüft werden. In Slowenien, wo es kein offizielles Überwachungssystem gibt, kann ein
Sachverständiger, der bereits über zugewiesene Fälle verfügt, die Übernahme eines zusätzlichen
ablehnen.
Einige europäische Länder haben Vorschriften, um sicherzustellen, dass Aufträge gleichmäßig an die
Sachverständigen vergeben werden. In Italien muss der Präsident des Gerichts die Verteilung der Fälle
überwachen: Niemand kann mehr als 10% der Ernennungen erhalten. In Spanien wird jährlich im
Januar die Abfolge der zu ernennenden Sachverständigen durch das Ziehen von Losen in Gegenwart
des Registerführers festgelegt. Der Richter ist normalerweise verantwortlich für die Kontrolle des
fortlaufenden Fortschritts eines Sachverständigen; zum Beispiel, wenn in Slowenien die Qualität des
Gutachtens des Sachverständigen problematisch ist, dann kann eine weitere oder eine wiederholte
Expertise nötig sein.
Momentan verfügt kein Staat in der Europäischen Union über ein gut strukturiertes, nationales
Überwachungssystem, um die Ernennungen ex post facto zu überprüfen oder die gerichtlichen
Sachverständigen zu bewerten, doch eine gute Praxis besteht an einigen Gerichten. Die meisten Länder
registrieren nur die negativen Leistungen, die zu Sanktionen führen. Die periodische Neubewertung
unterscheidet sich stark: von einer periodischen Überprüfung der anfänglichen Anforderungen (z.B. in
Italien jedes vierte Jahr) bis hin zu einer kompletten Erneuerung der Zulassung (z.B. in Deutschland alle
fünf Jahre).
Die Zusammenarbeit zwischen den Sachverständigen und den Gerichten könnte ausgeweitet
werden, um noch einzuschließen:



Die Durchführung einer vorläufigen Analyse des Falls (noch vor der Formulierung von Fragen
für den Sachverständigen)
Die Zurverfügungstellung eines Gutachtens über die Möglichkeit einer Mediation und/oder
einer Einigung
Eine Schätzung über die Kosten und die Effektivität der technischen Untersuchung
anzubieten
22
Das Gutachten des Sachverständigen wird gewöhnlich in der Gerichtsverhandlung kundgegeben
und/oder als ein schriftlicher Bericht (manchmal ist auch ein vorläufiger Bericht erforderlich). Das
Gutachten muss verständlich, korrekt, erschöpfend und überprüfbar sein. Als ein Minimum muss es
umfassen: die Ernennung, die Liste der Beweise und der unterstützenden Dokumente, die Methode
und die Argumentation, die befolgt wird, die Schlussfolgerung und auch das Ansprechen möglicher
Einwände, die von den Parteien erhoben wurden. Es muss einer spezifischen, juristischen Form
entsprechen sowie dem Verfahren seiner Einreichung.
3.2.3. Vergütung und Anreize
Verspätete, unzureichende oder unzuverlässige Gutachten von Sachverständigen können das
Verfahren erheblich verzögern. Deshalb erscheint es als wichtig, die Vergütung des Sachverständigen
und das Anreizsystem anzusprechen.
Der Sachverständige könnte gefragt werden, die Kosten abzuschätzen, und er könnte eine Anzahlung
erhalten. Die Summe und der verbindliche Tarif werden durch das Gesetz festgelegt und/oder durch
die Richter oder durch andere öffentliche Autoritäten. Vergütungsschemen bestehen für andere
Ausgaben, die direkt verbunden sind mit dem Gutachten (z.B. Reisekosten, Verdienstausfall für vor
Gericht verbrachte Zeit, die Bezahlung für ein Laboratorium oder für einen Konsultanten).
Normalerweise hängt die Vergütung ab von:



Der Dauer der Arbeit
Dem Streitwert
Qualitativen Parametern (z.B. Komplexität, Dringlichkeit)
Es gibt bestimmte Herausforderungen, die mit diesen Kriterien verbunden sind. Eine auf Zeit
basierende Vergütung könnte eine späte Eingabe ermutigen, wobei Strafen für Verzögerungen oder
Boni für einen frühen Abschluss Qualitätsprobleme verursachen könnten. Weiterhin kann es
problematisch sein, die Vergütung des Experten von Streitwert abhängig zu machen, wenn der Experte
gefragt wird, diesen Wert festzulegen. Letztlich kann eine Einschätzung von Qualitätsparametern von
Richter zu Richter unterschiedlich ausfallen.
In europäischen Ländern ist es der Trend gewesen, eher Sanktionen als Anreize zu verwenden.
Beispiele für Sanktionen sind: eine Reduzierung der Vergütung, die Verhängung einer Disziplinarstrafe
und die Entlassung. Das Gericht kann auch eine Entschädigung für verursachte Schäden fordern.
Sachverständige, die nicht die Regeln des Wohlverhaltens respektieren oder die ihre Aufgaben nicht
ordentlich erledigen, werden disziplinare Verfahren bis hin zur Suspendierung oder der Streichung aus
dem offiziellen Verzeichnis der gerichtlichen Experten erwarten können.
Dennoch bestehen auch finanzielle Anreize. Zum Beispiel können in Italien fixierte und variable
Vergütungen um bis zu 20% erhöht werden, wenn der Richter den Fall als dringend einstuft. Wenn die
Anforderungen für Sachverständige gut definiert sind, dann kann ein Bonus für einen schnellen
Abschluss der Aufgabe helfen, das Verfahren zu beschleunigen. Belgien verfügt über eine interessante
Praxis, um Verfahren zu beschleunigen. In Fällen des Bauwesens können kleine
Sachverständigengutachten angefordert werden, um Kosten und Zeitaufwand zu minimieren. Nach
der vorläufigen Schlussfolgerung des Sachverständigen ist es den Parteien erlaubt zu verhandeln und
sie können eine Übereinkunft ohne den Bedarf einer vollen Untersuchung finden. Diese Arten von
23
Praktiken für ein vereinfachtes Verfahren für das Gutachten des Sachverständigen sollten auf andere
Verfahren ausgeweitet werden.
In Belgien zielt das Gericht darauf ab, das Verfahren zu beschleunigen und die Kosten zu reduzieren,
durch die Bestellung von kurzen Sachverständigengutachten. Dies bedeutet, dass ein Sachverständiger
vor Ort geht und seine vorläufigen Schlussfolgerungen abgibt. Es ist den Parteien erlaubt, über diese zu
verhandeln. Wenn sie keine Übereinkunft finden, dann wird der Bericht vervollständigt, an das Gericht
versandt und das Verfahren setzt sich fort. Für kleine Fälle im Bauwesen sind die Kosten für einen
Sachverständigen relativ hoch. Die Parteien müssen diese Kosten vorschießen und viele Leute sind nicht
in der Lage, dies zu tun. Die kurze Untersuchung könnte den vollständigen Bericht vermeiden, der sehr
viel teurer ist. Um mögliche Verzögerungen zu begrenzen, werden Fristen für die Anhörung des
Sachverständigen gesetzt und überprüft.
4. Leistungsverwaltung
Dieser Abschnitt beschreibt Fragen, die mit der Leistungsverwaltung in Gerichten verknüpft sind. Die
Leistungsverwaltung schließt Aktionen ein, um Ziele zu setzen und sicherzustellen, dass Aktivitäten,
Ressourcen und Bemühungen zur Erreichung dieser Ziele beitragen.
Dieser Abschnitt spricht auch die organisatorische Verbesserung und Initiativen für den Wandel an.
Die Methoden und Praktiken für die Organisierung und das Arrangement von effektiven
Optimierungsprojekten werden überprüft.
4.1. Zielsetzungs- und Überwachungsverfahren
In Gerichtsorganisationen bestehen einige besondere Eigenschaften, welche eine Herausforderung für
das Leistungsmanagement darstellen. Diese Charakteristiken sollten in die Verfahren der Zielsetzung
und der Überwachung miteinbezogen werden. Die Eigenschaften und der Weg, dass sie Zielsetzung
und Überwachung beeinflussen, sind:

Die Vielfalt der Interessenvertreter
-

Die Verschiedenheit von Zielen für Operationen
-

Ziele sollen alle wichtigen Bereiche der Leistung miteinbeziehen und ausbalancieren
(Qualität, Rechtzeitigkeit und Produktivität).
Die Natur von autonomer, professioneller Arbeit
-

Verschiedene Rollen bei der Zielsetzung sollten angesprochen und gestaltet werden,
um die Zielsetzung angemessen und effektiv zu gestalten.
Angestellte sollten in den Prozess der Zielsetzung miteinbezogen werden. Den
gesetzten Zielen muss durch die Angestellten zugestimmt und sie sollten von ihnen
verstanden werden.
Eine Leistungsentscheidung basierend auf Echtzeit-Daten
24
-
Leistung muss kontrolliert und die Produktion muss geplant werden, gestützt auf
akkurate und Online-Überwachungsdaten.
4.1.1. Rollen bei der Zielsetzung
So wichtig wie die Ziele selbst ist der Prozess, durch den die Ziele definiert und gesetzt werden. Die
Vielfalt der Interessenvertreter vor Gericht führt zur Frage: Wer soll die Maßnahmen auswählen und
die Ziele für sie setzen und welche sollte die Rolle der verschiedenen Interessenvertreter in diesem
Verfahren sein? Insbesondere die angemessenen Rollen des staatlichen, gerichtlichen (Gerichtseinheit
oder -team) und individuellen Niveaus bei Zielsetzungsverfahren müssen angesprochen und gestaltet
werden.
Eindeutige und abgesprochene Rollen und Verantwortlichkeiten bei der Zielsetzung, ebenso wie
Kontinuität und Konsistenz in den Verfahren, machen die Zielsetzung auf längere Sicht viel effektiver
und helfen, einen Konsens der Interessenvertreter und eine effektive Umsetzung der Ziele zu
generieren. Die Effektivität der Ziele kann dadurch gesteigert werden, dass die Verantwortlichkeit für
Leistung so nahe als möglich an die tatsächlichen Operationen herangebracht wird. Wenn individuelle
Gerichte und Richter über mehr Einfluss auf die präzisen Ziele verfügen, verbessert dies die
Verpflichtung, sie auch zu erreichen.
Die hauptsächliche Rolle der Gerichtsverwaltung auf staatlicher Ebene sollte darin liegen, die
allgemeine Mission, Vision und die Zielbereiche festzulegen. Die Gerichtsverwaltung auf staatlicher
Ebene sollte auch einen allgemeinen Rahmen für Leistung zur Verfügung stellen und die Budgets sowie
die Ressourcen für die Gerichte koordinieren. Die Gerichtsverwaltung auf staatlicher Ebene sollte sich
auf die Verfolgung der generellen Ergebnisse des Gerichtssystems konzentrieren und die Situation in
Gerichtsorganisationen als Ganzes vergleichen.
Die Festlegung von präzisen Zielen sollte die Aufgabe der funktionalen Verwaltung eines gegebenen
Gerichts sein. Auf diese Weise verfügt das Gericht über die Freiheit, realistische Ziele zu setzen, die auf
seiner tatsächlichen Situation und den Möglichkeiten basieren. Selbst wenn sich die
Hauptverantwortung bezüglich der Leistungskontrolle auf der Ebene des Gerichts befände, sollte die
Gerichtsleitung über eine Rechenschaftspflicht für Leistung gegenüber den staatlichen Behörden
verfügen. Da die Leistung des Gerichts stark von Individuen abhängt, sollten Richter und andere
Gerichtsbedienstete sich engagieren und eine Rolle im Verfahren der Zielsetzung spielen.
In Schweden setzt zum Beispiel die nationale Gerichtsverwaltung einen Standardzeitrahmen
(Prozentanteil von Fällen, die in einem bestimmten Zeitraum gelöst werden sollen) für alle Gerichte fest.
Zusätzlich legt jedes Gericht jährlich spezifischere und kontextabhängigere Ziele fest, die auf dem
Format und der Struktur basieren, die von der nationalen Gerichtsverwaltung zur Verfügung gestellt
werden.
4.1.2. Rechtzeitigkeit bei der Zielsetzung
Gerichte verfügen über wenigstens drei wichtige Bereiche der Leistung: der Qualität von
Gerichtsbeschlüssen, der Produktivität und der Rechtzeitigkeit. Es besteht eine Herausforderung darin,
eine gute Balance zwischen diesen Bereichen herzustellen.
Obwohl die Qualität von Urteilssprüchen (Gleichheit, Fairness und Integrität) ein sehr schwieriger
Bereich sein kann, um präzise Ziele zu setzen, sind diese Werte gewöhnlich von allen
25
Gerichtsmitarbeitern – Richtern und Bediensteten – internalisiert worden und sie sind auch integriert
im Leistungsmanagement und den Kontrollsystemen von Gerichten.
Es ist relativ leicht, für die Produktivität Ziele zu setzen und sie zu überwachen. Normalerweise werden
die Ziele für Produktivität als die Anzahl gelöster Fälle per Personaleinheit festgelegt oder als ein Ziel
für eine Aufklärungsrate. Das Problem bei einer Überbetonung einfacher Produktivitätsmaßstäbe
(ohne die Gewichtung der gelösten Fälle) besteht darin, dass diese die effektiven Operationen auf
lange Sicht verzerren können. Die Maßnahme kann dazu führen, dass so viel Output als möglich
erzeugt wird, was es möglich macht, zu viele einfache Fälle zu lösen. Dies kann zu einer Situation
führen, in der ein Gericht über eine positive Aufklärungsrate verfügt, doch ein Teil der Fälle wird immer
noch verzögert. Deshalb wird es sehr stark empfohlen, Zeitrahmen zu setzen, welche das Alter der
schwebenden Fälle berücksichtigen sowie die Rückstände, die berücksichtigt werden müssen.
Die Länge der Verfahren wird als eine Priorität unter den Zielen des Europarats anerkannt, die
verbunden sind mit Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit. Als eine Konsequenz führen
Gerichte zunehmend Zeitrahmen für Verfahren ein. Viele Gerichtswesen haben bereits Zeitrahmen für
verschiedene Gruppen von Fällen und für Verfahrensschritte festgelegt. Eine Herausforderung besteht
in der Durchsetzung und der Einhaltung von gesetzten Zeitrahmen und es gibt noch große
Abweichungen zwischen den Ländern und innerhalb dieser bei der Behandlung von
Durchschnittszeiten und Rückständen.
Die Vorbeugung von Verspätungen und ein aktives Zeitmanagement sollte eine größere Rolle beim
Leistungsmanagement spielen. Dieses ruft nach Aufmerksamkeit für alte Fälle und eindeutigen Zielen
für eine maximale Zeit des Schwebens für Fälle. Die Einhaltung von Zeitrahmen sollte stärker betont
werden als Maßnahmen für die Produktivität, um die Bearbeitungszeiten zu standardisieren. Die
kulturelle Wahrnehmung, dass ein Widerspruch zwischen Qualität und Rechtzeitigkeit besteht, muss
angesprochen werden, denn ein großer Teil der Bearbeitungszeit besteht in der passiven Wartezeit
der Fallakte und ist deshalb nicht direkt mit der Qualität verbunden.
Die Zeitrahmen und die Definitionen für „alte, schwebende Fälle“ differieren zwischen den
Gerichtswesen. Obwohl sich auch die Verfahren, die Lage der Rückstände und die gerichtlichen
Ressourcen zwischen den Ländern unterscheiden, sollten Möglichkeiten weiter untersucht werden,
die Zeitrahmen und die Regellaufzeiten auf dem europäischen Niveau zu vereinheitlichen. Die
Entwicklung eines Leitfadens für stärker harmonisierte europäische Zeitrahmen wird momentan durch
die Europäische Kommission für die Effizienz der Justiz durchgeführt (CEPEJ, Entwurf: Towards
European Timeframes for Judicial Proceedings – Implementation Guide (Hin zu europäischen
Zeitrahmen für gerichtliche Verfahren – Leitfaden für die Einführung)).
In Estland werden beispielsweise sämtliche Fälle, die seit mehr als drei Jahren geschwebt haben als „alte“
Fälle betrachtet. Es gibt ein Benachrichtigungssystem für diese Fälle. Zu Anfang eines jeden Jahres
erhalten alle Richter eine Liste „alter“ Fälle und sie müssen Erklärungen zur Verfügung stellen, warum
es bis jetzt noch keinen endgültigen Urteilsspruch gibt. Im folgenden Quartal müssen die Richter
beschreiben, wie sich die aufgeführten Fälle seit ihrem letzten Bericht entwickelt haben. Dank dieses
Systems ist die Anzahl von „alten“ Fällen um fast das Zehnfache im Jahr 2014 gesunken. 2015 wurde
die Definition eines alten Falls ergänzt – alle Fälle, die seit mehr als zwei Jahren geschwebt haben, gelten
jetzt als „alt“.
In Österreich wird eine „Checkliste der fehlerhaften Fälle“ von Gerichtsbediensteten benutzt, um
Verzögerungen, alte Fälle und Rückstände zu identifizieren (z.B. über mehrere Monate wurde der Fall
nicht bearbeitet oder innerhalb von sechs Monaten wurde kein Urteil gefällt). Ein Fall sollte nicht
häufiger als einmal in der Checkliste auftauchen und sein Auftreten auf der Liste erfordert eine Reaktion.
Es gibt auch eine Selbstauskunft. Zum 1. Oktober jedes Jahres müssen die Richter jene Fälle angeben,
die mehr Zeit als normal für eine Lösung benötigen.
26
4.1.3. Die Nachbereitung der Zeitrahmen
Ziele sollen einen Einfluss haben und die Operation Tag für Tag anleiten. Die zugrundeliegende
Prämisse bei der Zielfestsetzung lautet, dass „du bekommst, was du misst“. Diese Wahrheit muss in
einem professionellen Arbeitsumfeld betont werden. Menschen und Organisationen mit spezifischen
Zielen für ihre Aufgaben leisten gewöhnlich mehr als solche mit vagen Zielen.
Es ist möglich, dass sich Zeitrahmen oder Leitfadenoperationenentscheidungen nicht in der
alltäglichen, operativen Arbeit effektiv konkretisieren lassen. Zeitrahmen sollten leicht zu messen und
zu überwachen sein, sie ermutigen die Durchführung von regulären Nachbereitungsaktionen und
ermöglichen frühe Warnsignale für Probleme. Um die Fähigkeit des Vorhersagens zu vergrößern und
um zu wissen, ob die Zeitrahmen einhaltbar sind oder nicht, können sie als ein „optimales Niveau“ von
schwebenden Fällen übertragen werden. Die Ziele können durch den Gebrauch von tatsächlichen,
empirischen und/oder Beobachtungsdaten umgesetzt werden. Das Setzen von Zielen, die auf
tatsächlichen, empirischen Daten beruhen, ermöglicht es, dass die Ziele realistisch und erreichbar sind.
Im schwedischen System bezieht sich beispielsweise der ausbalancierte Bestand an schwebenden
Fällen auf die Anzahl von schwebenden Fällen, die „normal“ ist und es dem Gericht immer noch
erlaubt, die Zeitrahmen einzuhalten. Wenn ein Gericht über einen Bestand an schwebenden Fällen
verfügt, dessen Niveau höher als das ausbalancierte Niveau ist, dann ist die Situation „aus dem
Gleichgewicht geraten“ und es wird erwartet, dass Zeitrahmen nicht eingehalten werden können. Der
Terminus „ausbalanciertes Bestandsverhältnis“ bezieht sich auf das Verhältnis des Bestands von
ausbalancierten, schwebenden Fällen zu der Anzahl von einlaufenden Fällen per Jahr. Die Methode
basiert auf empirischen Daten, dass es ein lineares Verhältnis zwischen der Durchlaufzeit und dem
Bestandsverhältnis gibt. Wenn ein Ziel für den Zeitrahmen gesetzt wurde, kann ein entsprechendes
ausbalanciertes Bestandsverhältnis durch die Verwendung eines linearen Regressionsmodells kalkuliert
werden. Zum Beispiel wird ein Ziel für den Zeitrahmen von fünf Monaten 0,36 als das entsprechende
ausbalancierte Bestandsverhältnis ergeben. Und weiterhin, wenn ein bestimmtes Gericht zum Beispiel
8.000 einlaufende Fälle im Jahr hat, dann sollte der ausbalancierte Bestand von schwebenden Fällen für
dieses Gericht 0,36 × 8.000 = 2.880 Fälle betragen.
4.1.4. Überwachungssysteme und Verfahren
Um sinnvoll zu sein, sollten Ziele durch Informationen über eine Echtzeit-Leistung überwacht werden,
um eine Prozesskontrolle erleichtern, das Fällen von Entscheidungen zu verbessern und OnlineReaktionen auf Leistungsänderungen oder Probleme zu ermöglichen. Normalerweise stützt sich die
Überwachung auf Informationen über vergangene Leistung, typischerweise das letzte Jahr (was wurde
produziert und wie schnell), doch oftmals gibt es kein System, um zu überwachen, wie die momentane
Situation mit den Fällen im Gericht ist – was ist der tatsächliche Status und das Alter der schwebenden
Fälle.
Die jährliche Überwachung von vergangener Leistung hat seinen Zweck, um Informationen über das
allgemeine Niveau der Leistung zu erhalten und über den Gebrauch von Ressourcen. Aber operative
Entscheidungen sollten nicht allein auf Leistungsdaten aus der Vergangenheit beruhen. Damit die
Gerichte in der Lage sind, die Erreichung der Ziele zu führen und zu beeinflussen, ist es wichtig, dass
die Überwachung und die Leistungsdaten stärker auf akkuraten und Echtzeit-Leistungsdaten basieren.
Rechtsprechungen, welche Gerichtsinformationssysteme für die Registrierung und Verarbeitung von
Gerichtsfällen nutzen, verfügen normalerweise über die Daten, die notwendig für eine OnlineÜberprüfung der Leistung des Gerichts sind. Dennoch ist es häufig problematisch, wie diese Daten in
einer Weise angezeigt werden, welche einen allumfassenden und verständlichen Überblick ermöglicht.
27
Online-Überwachungssysteme sollten die Aufmerksamkeit auf komplexe Fälle lenken, die in der
größten Gefahr einer Verzögerung stehen, und es ermöglichen, dass die Aufmerksamkeit schon in der
frühen Phase des Prozesses darauf gewandt wird. Als eine Ergänzung sollten es OnlineÜberwachungssysteme der Leitung ermöglichen, in Problemsituationen einzugreifen, und dass sie
auch bei der persönlichen Arbeits- und Terminplanung genutzt werden. In Italien hat beispielsweise
die Verbreitung einer effektiven Fallbearbeitung für alle Zivilgerichte und die Entwicklung und die
Umsetzung eines starken, nationsweiten Datenspeichers dramatisch die Qualität und Zuverlässigkeit
von Daten erhöht ebenso wie die Produktion von „Echtzeit-“Berichten über das Funktionieren der
Gerichte.
In Finnland ist ein Zeitrahmen-Warnsystem bei mehreren Gerichten eingerichtet worden, um die
persönliche Arbeitsplanung zu befördern, um Rückstände zu reduzieren und um Verzögerungen zu
eliminieren. Das System hilft dabei, die Aufmerksamkeit auf Verzögerungen zu richten, welche bereits
in vorläufigen Verfahren erfolgen, so dass Eingriffe immer noch effektiv sein können. Wenn ein Fall den
gegebenen Zeitrahmen in einer Verfahrensstufe überschritten hat, dann erscheinen Symbole des
Alarmsystems in der Falleintragung derjenigen Person, die für die nächste Bearbeitungsphase zuständig
ist. Die Eintragung von Alarmfällen wird jeden Tag erneuert. Zeitrahmen und das Niveau des Alarms
sind in einer Weise gestaltet, dass keine Fälle länger als zwölf Monate schweben sollten. Die Eintragungen
von schwebenden Fällen und Alarmen sind zugänglich für das ganze Gericht, Abteilungen, Personen,
Themengruppen, Komplexitäts-, Prioritäten- und Entscheidungsabteilungen, was den Leitern dabei
behilflich ist, die allgemeine Situation von Fällen online zu überwachen.
In Slowenien ist ein Werkzeug namens das Armaturenbrett des Präsidenten erhältlich, welches die
Leistung des Gerichts in Echtzeit anzeigt. Die Statistiken des Armaturenbrettes sind in verschiedene
Bereiche aufgeteilt: Personalwesen, Rückstände, Effizienz und die Qualität von Entscheidungen.
Informationen, die auf dem Armaturenbrett präsentiert werden, werden genutzt z.B., um
Entscheidungen bezüglich der Zuordnung von Ressourcen zu treffen und um die durchschnittlichen
Verfahrenszeiten zu überwachen.
4.2. Das Ausbalancieren und die Zuordnung von Ressourcen
Gerichtsprozesse sind nicht vorhersagbar bezüglich der Nachfrage, der Zeitdauer von Prozessen und
des Fortschritts des Prozesses. Idealerweise würde die Kapazität für diesen nicht vorhersagbaren
Umfang und das Timing der Nachfrage passen. Dies führt zu Druck auf das Kapazitätsmanagement –
es macht die ideale Gerichtsorganisation flexibel bezüglich der Größe und den Ressourcen an
Expertise, die zu verschiedenen Zeiten erhältlich sind. Die Verbesserung des Kapazitätsmanagements
in Gerichten ist verbunden mit:

Der Identifizierung und Vermeidung von Engpässen der Kapazität

Dem Finden von Wegen, um die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle quer durch die Gerichte
und Gerichtsabteilungen oder den -Arbeitsgruppen besser einzuschätzen und zu vergleichen.
4.2.1. Das Managen von Kapazitätsengpässen
Der Durchlauf eines jeden Produktionssystems wird durch seine Engpässe bestimmt. Um den
Durchfluss zu erhöhen, muss ein Schwerpunkt auf der Identifizierung und Vermeidung von Engpässen
liegen.
28
Traditionell werden Fälle gleichmäßig auf die einzelnen Richter bei Gericht verteilt. Dennoch variiert
die Kapazität, um Fälle zu verarbeiten, zwischen den Individuen zum Beispiel wegen Unterschieden in
den Arbeitsmethoden, den Fähigkeiten und anderen persönlichen Charakteristiken. Dies verursacht
Engpässe im Prozess der Bearbeitung und führt zu Verzögerungen und Rückständen bei einigen
Personen. In der Umwelt der industriellen Produktion stellt die Kapazität einer Produktionseinheit
einen offensichtlichen Faktor bei der Verteilung der Arbeit dar. Das Problem bei der Umwelt des
Gerichts besteht darin, dass Produktionseinheiten keine Maschinen sind, sondern sehr autonome
Professionelle. Somit ist das Arsenal, um die Kapazität der Engpässe zu erhöhen, auch begrenzter als
im Fall einer automatisierten Industrieproduktion. Es erscheint als offensichtlich, dass das Problem
nicht dadurch gelöst wird, die Fälle gleichmäßig zu verteilen, obwohl eine Person sie nicht abschließen
kann. Die Lösung sollte in einer Erneuerung der Vergabepraktiken bestehen (z.B. gemeinsame
Fallverzeichnisse und die Umverteilung von alten Fällen) sowie in einer Erhöhung der Kooperation
unter den Richtern und den Gerichtsbediensteten.
Die Produktionskapazität variiert auch zwischen den Gerichten. Einige Gerichte kämpfen stärker mit
Rückständen und Verzögerungen als andere. Unerwartete Änderungen beim Zufluss von einlaufenden
Fällen oder eine langwierige Erkrankung eines Richters (oder andere Gründe für eine Abwesenheit)
können ein Ansteigen der Arbeitsbelastung eines Gerichts verursachen. Die Prozesse der Ressourcenund Haushaltszuweisung berücksichtigen nicht die plötzlichen Änderungen der Kapazität. Verfahren
der Kooperation zwischen Gerichten werden benötigt, um die unpraktische Sub-Optimierung im
gerichtlichen System zu vermindern. Auch die Kooperation mit anderen Gruppen von
Interessenvertretern sollte erhöht werden.
Per Gesetzt ist in den Niederlanden jeder Richter ein Vertretungsrichter an allen anderen Gerichten auf
demselben Niveau. So können mit ihrer Zustimmung Richter zeitweilig an einem anderen Gericht
eingesetzt werden. Der Minister für Sicherheit und Justiz kann Fälle von einem Gericht auf ein anderes
für maximal drei Jahre übertragen (Art. 46 des Gesetzes über gerichtliche Organisation). Durch den
Wandel der gerichtlichen Landkarte beläuft sich die Größe der Gerichte auf eine solche, dass sie in der
Lage sein sollten, die Fluktuation bei Fällen zu bearbeiten.
In Schweden wird ein Pool von Verstärkungsrichtern durch die Schwedische Nationale
Gerichtsverwaltung koordiniert. Dieser Pool wird verwendet, um die Ressourcen in Situationen
auszubalancieren, in der Gerichte über zeitweilige Kapazitätsprobleme verfügen (wie lange
Abwesenheiten durch Krankheit, langwierige Umschulungsprogramme, internationale Besichtigungen,
außergewöhnlich komplexe Fälle usw.). Verstärkungsrichter sind normale Richter, die gewöhnlich an
ihren Heimatgerichten arbeiten, aber die einen Vertrag unterzeichnet haben, um bei Bedarf als
Verstärkungsrichter zu fungieren. Die Tätigkeit als Verstärkungsrichter ist freiwillig, aber mit einer guten
Vergütung ausgestattet. Der Pool von Verstärkungsrichtern bestand anfangs aus acht Richtern, aber ist
seitdem auf 20 Richter angestiegen.
4.2.2. Schätzung und Gewichtung der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle
Die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle kann variieren zwischen den verschiedenen Gerichten innerhalb
eines Gerichtssystems, sie repräsentieren systematische Ungleichheiten in der Arbeit von Richtern
innerhalb desselben Gerichtssystems und entsprechend eine ineffiziente Nutzung von Ressourcen. Im
Falle einer Spezialisierung kann es schwierig sein, eine angemessene Zuordnung von Fällen unter den
Richtern festzulegen, welche die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle so gleichmäßig wie möglich
belassen möchten. Deshalb kann die Anzahl der zugewiesenen Fälle je Richter gemäß den Regeln der
Spezialisierung unterschiedlich sein müssen. Eine Lösung ist ein Messsystem der Anzahl der zu
29
bearbeitenden Fälle von Richtern und die entsprechende Neuzuteilung von freien Stellen innerhalb
eines Gerichtssystems.
Ein anderes Problem kann darin bestehen, dass die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle und die
verwendete Zeit, einen Fall zu erledigen, sich erheblich zwischen Fallgruppen und Falltypen
unterscheiden kann. Dies macht es schwierig, die Leistung zu messen und die Produktivität sowie die
Nutzung von Ressourcen zu vergleichen. Die großen Abweichungen in der Arbeit mit unterschiedlichen
Fällen können Verzögerungen und Rückstände für zeitaufwendigere Fälle verursachen und zusätzliche
Kosten bewirken, die durch unsachgemäß zugewiesene Ressourcen entstehen. Als eine Lösung werden
unterschiedliche Typen von gewichteten Systemen der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle gestaltet.
Die Anwendung von Zugängen einer gewichteten Anzahl von zu bearbeitenden Fällen ermöglicht die
Schätzung und Evaluierung der Anzahl zu bearbeitender Fälle, welche durch einen bestimmten Typ von
Fällen verursacht wird, und stellt dem relevanten Gericht oder den Gerichtsabteilungen die nötigen
Ressourcen zur Verfügung. Es ist wichtig, dass Praktiker bei der Gestaltung von gewichteten Systemen
der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle miteinbezogen werden und dass Möglichkeiten während des
Gestaltungsprozesses angeboten werden, um Anleitungen und Rückmeldungen zu geben. Dies wird
das System verbessern und auch die Zustimmung dafür. Gewichtete Systeme der Anzahl der zu
bearbeitenden Fälle verschaffen neue Möglichkeiten, die Produktivität des Gerichts und die Situation
der Rückstände im Detail zu analysieren. Insbesondere bietet es Möglichkeiten, die Produktivität und
die Nutzung von Ressourcen durch unterschiedliche Gerichte zuverlässiger und detaillierter zu
vergleichen. Ein gewichtetes System der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle hilft beim
Leistungsmanagement in Gerichten durch die Versorgung mit akkurateren Daten für die Zielfestlegung
und die Zuweisung von Ressourcen.
In Estland wird die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle von Gerichten und Richtern durch die
periodische Kalkulation von Arbeitsbelastungs-Punkten gemessen. Für jeden Verfahrenstyp und
jedes Gerichtsniveau gibt es eine Kategorisierung von Fällen, welche dabei hilft, die entsprechende
Arbeitsbelastung bezüglich des „Fall-Bestands“ eines bestimmten Richters festzulegen. Jede Kategorie
trägt einen bestimmten, vordefinierten Wert in Zeit (Arbeitsstunden). Der eingesetzte Wert für die
Kategorie von Fällen hängt vom Niveau ihrer Komplexität und der damit verbundenen, geschätzten
Anzahl von Arbeitsstunden ab. Die Werte aller Fälle, die von einem Richter oder einem Gericht
bearbeitet werden, werden summiert, um die absolute Arbeitszeit in einer bestimmten Periode zu
kalkulieren. Nach der Kalkulation werden die Arbeitsbelastungs-Punkte mit der vorgesehenen normalen
Arbeitszeit eines durchschnittlichen Richters verglichen (1.600 Stunden im Jahr) und auf dieser Basis
kann die Arbeitsbelastung eines bestimmten Richters ermittelt werden.
In Finnland wird die Schätzung der Arbeitsbelastung von Gerichten durch ein gewichtetes System der
Anzahl der zu bearbeitenden Fälle gemessen, welches darauf abzielt, unterschiedliche Fälle mit
verschiedener Arbeitsbelastung vergleichbar zu machen. In diesem System werden die bestehenden
Fallkategorien (Zwangsmittel, Eilverfahren, Zivilsache, Landgericht, Bittgesuche und Insolvenzfälle)
aufgeteilt in verschiedene Kategorien der Komplexität basierend auf der ungefähren Zeit, die sie
benötigen, um bearbeitet zu werden.
Im schwedischen Gerichtssystem ist im Prozess der Haushaltszuweisung ein Werkzeug eingeschlossen
namens Modell der Zuweisung von Ressourcen. Dieses Modell wird als ein Bestandteil des
Haushaltsprozesses verwendet, um die Ressourcen der Gerichte gerecht zuzuweisen. Die Grundlage für
den Haushalt eines jeden Gerichts besteht in der durchschnittlichen Anzahl von eingereichten Fällen in
den letzten zwei Jahren. Kategorien von Fällen, die mehr Ressourcen benötigen, werden auf eine höhere
Budgetsumme pro Fall eingeschätzt. Diese Bewertung der unterschiedlichen Kategorien von Fällen
basiert auf dem Ergebnis eines Zeiterfassungssystems. Jeder Beschäftigte an den Gerichten berichtet
30
seine Zeiten wenigstens zwei Monate im Jahr an das Zeiterfassungssystem. Daten vom
Zeiterfassungssystem werden benutzt zum Beispiel, um unterschiedlichen Falltypen verschiedene
Gewichte zu verleihen, um die Kosten je Fall zu kalkulieren und um bei der operationalen Planung der
Gerichte zu helfen.
4.3. Optimierungsarbeit
Die Einführung von Bemühungen zum Wandel ist praktisch unmöglich in professionellen
Organisationen, wenn es kein Engagement für den Wandel gibt. Das macht Zugänge von unten nach
oben gegenüber Wandel zu einer inhärenten Notwendigkeit und Bedingung. Drei wichtige Bereiche in
der Ermöglichung von Wandel in professionellen Organisationen sind:

Die Hervorbringung von Engagement für Wandel

Die Rolle der Leitung bei der Hervorbringung von Wandel

Das Erhalten neuer Perspektiven für die Optimierung
4.3.1. Die Hervorbringung von Engagement für Wandel und Verbesserung
Kommunikation und Teilnahme sind die Schlüsselfragen bei der Hervorbringung von Engagement für
Wandel. Am Beginn eines Optimierungsprojekts ist es wichtig, die anfängliche Motivation für Wandel
zu kommunizieren und die Richter und die Gerichtsbediensteten dazu zu bringen, den Grund, den
Umfang und das Ausmaß des benötigten Wandels zu verstehen.
Bei der Planung der Bemühungen um Wandel sollte das Personal des Gerichts so weit als möglich
mitwirken. Auch eine sichtbare Einbeziehung und die Unterstützung der oberen Leitung ist wichtig.
Auf diese Weise sind die Personen nicht nur engagierter, sondern auch alle relevanten Informationen
können in den Plan des Wandels integriert werden.
Alle Bemühungen um Verbesserung sollten sorgfältig gestaltet werden, um systematische von Schritt
zu Schritt Zugänge zu enthalten, die Teilnahme und Engagement auf allen Stufen des Projekts betonen.
Änderungen sollten schrittweise eingeführt werden, um ausreichend Zeit zu geben, diese anzunehmen
und zu internalisieren.
Im März 2015 präsentierte in Belgien der belgische Justizminister einen neuen Plan, um das
Gerichtswesen mit Hilfe eines sogenannten Dreisprungs zu reformieren. Der erste Sprung erfolgte mit
einer Reorganisation der Landschaft des Gerichtswesens. Die zweite Phase zielt auf ein effizienteres und
faireres Justizsystem. Die dritte Phase der Reform wird eine fundamentale Reform der Gesetzgebung
beinhalten. Der Ausgangspunkt der Reform ist das Gleichgewicht zwischen Erschwinglichkeit und
Qualität. Das Projekt bezieht die Teilnahme sämtlicher Akteure im Gerichtswesen mit ein und beinhaltet
sowohl kurzfristige Maßnahmen als auch tiefgreifende Reformen, die einen positiven Einfluss auf
Arbeitsbelastung und Effizienz haben. Das allgemeine Ziel besteht in einer Verbesserung der Effizienz
von Verfahren.
Mehrere finnische Gerichte haben systematische Verbesserungsprojekte der Verwaltung der
Fallbearbeitung unternommen, um neue Verbesserungslösungen für die Operationen und Prozesse des
Gerichtssystems zu finden. Der Optimierungsprozess des Gerichtswesens und Projekte zur
Reduzierung von Verzögerungen wurden geformt und geplant, um drei wichtige Aspekte der
31
Optimierung der Arbeit zu verbessern: die Nutzung externer Expertise in der Optimierung der Arbeit,
das Annehmen eines systematischen Zugangs zum Projektmanagement ebenso wie die Betonung der
Bedeutung von Teilnahme und Engagement der Gerichtsbeschäftigten. In dem Projekt werden die
Prozesse des Gerichtssystems aus disziplinübergreifender Perspektive durch das Verschmelzen von
Wissen und Ideen der Betriebsführung und des Rechts betrachtet und analysiert. Der finnische Zugang
zu Projekten der Verbesserung des Managements der Fallbearbeitung des Gerichts war einer der
Finalisten und erreichte eine besondere Erwähnung im Rahmen des Wettbewerbs um den Preis der
Kristallwaage der Justiz im Jahr 2010.
In Schweden zielt eine Methode namens interner und externer Dialog darauf, die Schwierigkeiten zu
überwinden, die während der Optimierung der Qualität der Gerichtsfunktionen auftreten. Im internen
Dialog werden Richter und andere Mitarbeiter interviewt, um einen Vorteil aus der Expertise und dem
Wissen zu ziehen, worüber die Beschäftigten über das Funktionieren des Gerichts verfügen. Das
wichtigste Ziel des internen Dialogs besteht darin, über eine interne Perspektive auf die dringendsten
Bedürfnisse der Optimierung zu verfügen und auch einige Ideen zu erhalten, wie die Verbesserung von
Funktionen gemessen werden kann. Nach dem internen Dialog wird der Dialog ausgeweitet, um eine
externe Perspektive für das Funktionieren der Gerichte zu erhalten. In externen Dialogen werden
Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Nutzer von Gerichten über ihre Vorschläge zur Optimierung
interviewt. Diese Vorschläge werden intern durch die gesamte Belegschaft überarbeitet. Die
Beschäftigten machen dann dem Leiter ihre weiteren Vorschläge basierend auf den externen Vorschlägen
über Maßnahmen, die darauf abzielen, das Funktionieren des Gerichts zu optimieren. Der Leiter trifft
die Entscheidungen und informiert die externe Seite darüber, welche Maßnahmen ausgewählt worden
sind. Nach der Evaluierung dieser Maßnahmen werden Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Nutzer des
Gerichts eingeladen, das Ergebnis zu bewerten und weitere Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.
Durch die Nutzung dieses internen Dialogs fühlen Richter, dass ihr professionelles Fachwissen
anerkannt wird und dass ihre Meinung bei der Beratung der Leitung zählt.
4.3.2. Die Rolle der Leitung bei der Hervorbringung von Wandel
Der Stil und die Methode der Leitung spielt eine wichtige Rolle bei der Hervorbringung von einer
flexiblen, anpassungsfähigen und innovativen Organisationskultur und bei der Verringerung von
Widerstand gegenüber Änderungen. Eine gute Leitung ist nicht nur entscheidend auf dem Niveau der
obersten Führung, sondern sollte alle individuellen und Gruppenmanagement-Niveaus und Situationen miteinschließen.
Leiter können den Erfolg von Wandel in vielen Weisen beeinflussen: z.B. durch das Kommunizieren
und das Einrichten geteilter Visionen und Ziele; das Lenken der Aufmerksamkeit auf kritische
Angelegenheiten; über ihren Vorbildcharakter und die Erleichterung von Wandel; das Belohnen und
Gestalten von Systemen und Einrichtungen ebenso durch die Infragestellung alter Annahmen und
durch die Hervorbringung einer Entwicklungskultur. Gute Fähigkeiten zum Anleiten von Wandel
beinhalten auch die Vernetzung, im Verhältnis von großem Vertrauen in der Organisation, und die
Ermächtigung von Personal.
Gute Leiter verbessern auch ihre persönlichen Qualitäten: ehrlich zu sein und konsistent, mit Integrität
zu agieren ebenso wie entscheidend und anregend zu sein.
4.3.3. Die Suche nach neuartigen Ideen für die Optimierung
Bei der Optimierungsarbeit kann es nützlich sein, von auswärts Förderung und Unterstützung zu
erhalten (z.B. von Universitäten), um in der Lage zu sein, die Prozesse und Bedürfnisse für eine
32
Verbesserung zu analysieren, ohne zu sehr auf die bestehenden Arbeitsmethoden fixiert zu sein. Die
Nutzung von externer Expertise und von neuen Verbesserungsmethoden kann innovative Lösungen
für bestehende Probleme hervorbringen.
Auch die Praktiken der Leistungsvergleiche innerhalb von Gerichten, zwischen Gerichten und zwischen
Ländern sollten systematischer und effektiver gemacht werden. Neben juristischen Anforderungen
gibt es oftmals keine „weichen Mittel“ (beste Praxis, Empfehlungen der Gerichtsverwaltung), um
Gerichte bei der Verbesserung ihrer Arbeit zu unterstützen und sie davon abzuhalten, „das Rad noch
einmal zu erfinden“. Obwohl die Unterschiede von Arbeitsgewohnheiten, Kulturen und Systemen den
Leistungsvergleich von exakten Methoden zu einer Herausforderung macht, ist es stets möglich, einen
Leistungsvergleich von Ideen und Initiativen der Verbesserung durchzuführen.
In Slowenien besteht zum Beispiel die Tradition einer Konferenz der Guten Praktiken, die von den
Gerichten selbst organisiert wird. Es handelt sich um ein jährlich stattfindendes Ereignis, bei dem
Gerichte „weiche“ Maßnahmen präsentieren und erklären, welche sie unternommen und entwickelt
haben, um ihre Verfahren zu verbessern. Die Hauptziele dieser Konferenz sind der Austausch von den
besten Praktiken unter den Gerichten und die Verbreitung von positiven Entwicklungen im Bereich der
Justiz.
5. Der Gebrauch von Informations- und Kommunikationstechnik bei
Gerichtsverfahren
Diese Sektion beschreibt die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in
europäischen Ländern, welche darauf abzielt die Effizienz und die Effektivität der Gerichtswesen zu
erhöhen. Der Schwerpunkt liegt auf Systemen des Fallmanagements (elektronische Registrierung und
Bearbeitung von Fällen), Praktiken für die elektronische Zustellung und die Einreichung von
Dokumenten ebenso wie andere elektronischen Lösungen für eine Verbesserung der Nutzung der IKT.
Die IKT ist ein breiter Terminus, der Software basierte Werkzeuge, die Verwendung von Hardware und
die Kombination dieser beiden miteinschließt. Die schnelle Entwicklung auf dem Gebiet der
Informationstechnologie hat zahlreiche neue Möglichkeiten und Chancen für die Verbesserung der
Gerichtsverwaltung hervorgebracht. Die Effizienz, die Rechtzeitigkeit, die Transparenz und der Zugang
zur Justiz kann verbessert werden durch eine Neugestaltung der Prozesse und Verfahren durch eine
Verwendung der IKT. Die Verfügbarkeit der elektronischen Generierung, der Zustellung und der
Verwaltung von Gerichtsdokumenten und die Nutzung von webgestützten Systemen sind Beispiele
von solchen Lösungen.
Es ist wichtig festzuhalten, dass der Bereich der Justiz nicht stark reguliert wird, aber auch, dass
verschiedene Länder in Europa über unterschiedliche juristische und institutionelle Hintergründe
verfügen. Dies beeinflusst die Lösungen, die in verschiedenen Ländern eingeführt werden, zum Beispiel
schreibt die Regulation bezüglich der Zustellung von Dokumenten vor, welche Art von IKT-Werkzeugen
benützt werden können, um diese effizienter zu machen. Deshalb bestehen bestimmte
Herausforderungen bei dem direkten Leistungsvergleich und der Einführung verschiedener IKTWerkzeuge in unterschiedlichen Kontexten. Dennoch ist es möglich, von den verschiedenen
Erfahrungen zu lernen und die Lösungen anzupassen an die bestehenden institutionellen und
juristischen Strukturen sowohl auf nationalem als auch auf gesamteuropäischem Niveau.
33
5.1. Fallbearbeitungssysteme
Die
Verwendung
eines
elektronischen
Fallbearbeitungssystems
oder
eines
Gerichtsinformationssystems ist eine Vorbedingung für ein effizientes, effektives und transparentes
Gerichtswesen in einer modernen, juristischen Umgebung. Das grundlegende Ziel der Systeme besteht
in der Ermöglichung eines Überblicks über schwebende Fälle, ihren Bearbeitungsstatus und die
nächsten Verfahrensaktionen, die benötigt werden.
Die Funktionen von Fallbearbeitungssystemen beinhalten normalerweise zumindest die Registrierung
des Falls, die Verwaltung von Falldokumenten, die Möglichkeit für die Suche, die Nachfrage und die
Berichterstattung basierend auf den Angaben, die in das System eingegeben worden sind.
Einige der Hauptunterschiede zwischen den Systemen, die in Europa verwendet werden, sind
verbunden mit den Falltypen, die das System bearbeiten kann (nur ein Typ, z.B. nur Zivil- oder nur
Strafsachen, oder verschiedene Typen – Zivil-, Straf-, Verwaltungssachen und andere) und ob oder ob
nicht das System einen Online-Zugang zu den Datenbanken für Rechtsanwälte und andere Parteien
der Verfahren zur Verfügung stellt. Die Möglichkeit des Zugangs zu Online-Daten (hauptsächlich
Dokumente, aber auch Informationen über anstehende Vorgänge des Verfahrens) spart Zeit bezüglich
des Informationsaustausches zwischen den Parteien und den Mitarbeitern des Gerichts (z.B.
Telefonanrufe oder die Auslieferung von Akten). Zusätzlich erhöht diese Eigenschaft die Transparenz
von Gerichtsverfahren für die Beteiligten.
Wichtige Fragen bei der Entwicklungsarbeit von Fallbearbeitungssystemen sind:

Die Einführung von Fallmanagementsystemen sollte mit Geschäftsverläufen beginnen, die am
meisten Zeit verbrauchen (z.B. sich auf die Art von Verfahren mit der größten Anzahl von Fällen
wie unwidersprochenen kleinen Forderungen konzentrieren oder auf bestimmte
arbeitsintensive Schritte von mehreren Verfahrensarten, die leicht automatisiert werden
können wie die Generierung von Gerichtsvorladungen).

Die Entwicklung und die Einführung von Gerichtsinformationssystemen sollte in enger
Kooperation mit den Repräsentanten der Endnutzer unternommen werden
(Gerichtsbedienstete und Richter).

Eine Einführung Schritt für Schritt und eine Pilot-Phase sollten verwendet werden. Auf diese
Weise ist es möglich, das System zu verbessern, basierend auf den Rückmeldungen der ersten
Nutzer, bevor das System in vollem Umfang eingeführt wird.

Eine komplette Überarbeitung von Fallmanagementsystemen kommt selten vor und tendiert
dazu, weniger erfolgreich zu sein, als die Neugestaltung Schritt für Schritt und die
Modernisierung des bestehenden Systems. Ein Fallmanagementsystem ist niemals vollständig,
eine beständige Verbesserung ist notwendig, um in der Lage zu sein, die beste Unterstützung
für die Gerichte und die Beteiligten der Verfahren anzubieten.
Zum Beispiel verfügt Österreich über ein nationales Fallmanagementsystem (VJ) für sämtliche 54 Arten
von Gerichtsverfahren (Zivilsachen, Familie, Strafrecht, Insolvenz, Erbe, Staatsanwaltschaft usw.). Seine
Funktionen umfassen die Registrierung eines Falls, die Kalkulation und Einziehung der
Gerichtsgebühren, die massenhafte Generierung von Dokumenten ebenso wie die integrierte
Textverarbeitung, es ermöglicht Nachfragen und liefert Statistiken. Das System wurde in den 1980er34
Jahren entwickelt und eine Neugestaltung erfolgte 2001. Der Schwerpunkt während der Entwicklung lag
auf Massenverfahren (Geldforderungen oder Zahlungsaufträge, Vollstreckungen). Seit dem Jahr 2004
bietet das VJ einen direkten Zugang zu Zivilfällen und Fällen der Vollstreckung für die Parteien und ihre
Vertreter an. Ein neues Projekt, Recht 3.0, wird entwickelt, das komplette digitale Akten hervorbringt
(sämtliche Inhalte des Falls werden in digitaler Form erhältlich sein) und das die Arbeit von jedem Ort
aus ermöglicht sowie die Suche, Bearbeitung und Sortierung der elektronischen Inhalte der Akte
unterstützt und damit mehr sinnvolle Funktionsfähigkeiten für Richter und andere
Entscheidungsmacher im Gerichtswesen anbietet.
In Estland wurde die zweite Generation eines Gerichtsinformationssystems namens KIS2 in allen
Gerichten stufenweise von September 2013 bis zum Juni 2014 eingeführt. Sämtliche Gerichtsfälle
(einschließlich der zivilen, strafrechtlichen, verwaltungsgerichtlichen, Ordnungswidrigkeiten,
konstitutionelle Fallbesprechungen von allen drei Gerichtsinstanzen) sind im selben System registriert.
Sämtliche Informationen über den Fall müssen im System registriert werden – das Datum der
Registrierung, die Klassifizierung des Falles, der Name des Richters oder der Richter, die den Fall
bearbeiten, der Status des Falls, alle Dokumente (ebenso wie Daten über ihren Versand und ihre
Auslieferung), Gerichtsverhandlungen und die Teilnehmer. KIS2 ist auch verbunden mit dem
finanziellen Informationssystem verwendet vom Finanzministerium und dem Amt für Steuern und
Zölle, so dass die Entrichtung der Gerichtsgebühren und anderer Kosten des Gerichts ebenso wie die
Vergütung der Sachverständigen alle über KIS2 verwaltet werden (welches die Angaben automatisch zu
den finanziellen Informationssystemen sendet). KIS2 ist verbunden zum E-File Web-Portal, das für die
elektronische Kommunikation mit den Parteien gestaltet wurde, und zum Informationssystem der
Gerichtsvollzieher ebenso wie zu den Informationssystemen von Polizei, Staatsanwälten und
Gefängnissen.
5.2. Elektronische Kommunikation
Eine rechtzeitige, faire und kosteneffiziente Kommunikation zwischen dem Gericht und den Parteien
– und zwischen den Parteien selbst – ist ein wichtiger Aspekt bei einer effektiven Fallverwaltung. IKT
kann verwendet werden, um diesen Austausch viel schneller zu machen und kosteneffizient im
Vergleich zur Kommunikation basierend auf Papier. Eine elektronische Zustellung und Eingabe von
Dokumenten können auch die Portokosten reduzieren und die benötigte Zeit, einen Empfänger zu
erreichen. Zusätzlich ermöglicht die elektronische Kommunikation eine Registrierung des exakten
Zeitpunkts der Zulieferung als eine Anerkennung des Erhalts von Gerichtskorrespondenz. Dies ist eine
Notwendigkeit für die verfahrenstechnischen Fristen, die in mehreren europäischen Gerichtswesen
wirksam werden.
Die elektronische Einreichung von Dokumenten bei Gericht vermindert die Zeit, die benötigt wird für
die Registrierung von Dokumenten, und ermöglicht den Gerichtsbediensteten sich auf andere,
wesentlichere Bereiche der Arbeit zu konzentrieren. Die elektronische Einreichung von Dokumenten
ist auch eine Vorbedingung für die Verwendung von komplett digitalisierten Akten in Gerichten.
Die digitale Kommunikation kann den Informationsaustausch zwischen den Parteien verbessern und
vergrößern. Die Parteien können sich direkt gegenseitig über Dokumente informieren, die mit dem Fall
verbunden sind und dem Gericht eingereicht wurden. Dies verfügt über das Potential, die
Informationspflichten des Gerichtspersonals zu reduzieren.
Wichtige Fragen bei der Entwicklung von elektronischen Kommunikationssystemen sind:
35

Was immer auch die bevorzugte Lösung für die elektronische Zustellung von
Gerichtsdokumenten ist, sie sollte nicht die Vermeidung einer Quittung über den Empfang
zulassen. In einigen Ländern erfolgt die Bestätigung des Empfangs automatisch nach einer
bestimmten Anzahl von Tagen seit der Übermittlung, andere verlangen vom Empfänger eine
Bestätigung der Auslieferung durch eine Maßnahme.

Das Gericht sollte einen Vorteil aus der bestehenden Infrastruktur für elektronische
Kommunikation ziehen und ähnliche Lösungen verwenden wie andere staatliche Behörden.
Dies erleichtert die elektronische Kommunikation für die Parteien und erhöht ihre
Empfänglichkeit für die Nutzung von IKT-Werkzeugen, während dies auch die Kosten der
digitalen Authentisierungsmittel (Passwörter, PIN-Codes usw.) für den Anbieter der
Dienstleistung vermindert.

In Bezug auf die elektronische Eingabe von Gerichtsdokumenten besteht die einfachste Option
für individuelle Nutzer darin, Dokumente per E-Mail zum Gericht zu senden. Dennoch, selbst
wenn die E-Mails automatisch in das Fallmanagementsystem eingezogen werden, das von den
Gerichten verwendet wird, müssen die Gerichtsbediensteten immer noch die nötigen MetaDaten für die Registrierung der eingereichten Dokumente selbst hinzufügen. Auch bestehen
Begrenzungen bezüglich der maximalen Größe von eingereichten Dateien. Eine
fortgeschrittene Option – welche von Rechtsanwälten als professionelle und häufige Kunden
des Gerichts benutzt werden kann – ist die Einreichung von Dokumenten durch ein Web-Portal
mit bereits einigen der Meta-Daten, die vom Absender eingegeben werden. Einige Länder
haben Anreize wie erniedrigte, staatliche Gebühren genutzt, um solche Aktionen attraktiver
für die Nutzer der Leistungen des Gerichts zu machen; andere haben solche Form von
elektronischer Einreichung für bestimmte Gruppen wie Anwälte, staatliche Behörden usw.
verpflichtend gemacht. Eine andere Möglichkeit – genutzt für die Einreichung von großen
Mengen an Daten – ist die Entwicklung von elektronischen Dienstleistungen, welche die Daten
über Anträge und Forderungen von den Datenbanken der Unternehmen (die Elektrizität, Gas,
Mobiltelefon-Leistungen usw. anbieten) zur Datenbank genutzt vom Gericht übertragen
können. Welches auch die Maßnahme ist, der Einreichende erhält gewöhnlich eine
automatische Bestätigung über eine erfolgreiche Einreichung, aber es ist immer noch der
Gerichtsbedienstete, der die manuelle Überprüfung durchführt, bevor die nächsten Stufen im
Verfahren unternommen werden.
5.2.1. Die elektronische Zustellung von Dokumenten
Während des Verfahrens ist das Gericht gefordert, mit Dokumenten gegen eine Bestätigung der
Zustellung zu bedienen. Das Erhalten von Zustellungsquittungen auf Papier verschlingt nicht nur Zeit,
sondern es bedeutet auch höhere Kosten. Dies ist oftmals der Fall, wenn der Empfänger die Sendung
persönlich erhalten möchte (Notwendigkeit des persönlichen Kontakts). Eine vielversprechende
Alternative ist die Möglichkeit der Einführung von elektronischen Zustellungssystemen für die
Kommunikation des Gerichtswesens.
Verschiedene Länder in Europa verwenden unterschiedliche Mittel für die elektronische Zustellung
von Dokumenten abhängig vom Niveau ihrer IKT-Infrastruktur. Wenn ein Land über eine vom Staat
angebotene Lösung der Authentisierung verfügt (z.B. ID-Karte ausgestattet mit einem Chip und
persönlichen PIN-Codes oder einem mobilen ID), können Empfänger von Dokumenten gefragt werden,
36
sich selbst zu authentisieren durch ein Einloggen in einem Web-Portal, um Dokumente abzurufen und
die Zustellung zu bestätigen. In Abwesenheit einer solchen, vom Staat angebotenen Infrastruktur
können privat angebotene Dienstleistungen der Authentisierung genutzt werden, um auf persönliche,
sichere E-Mailboxen zuzugreifen, die für eine offizielle Kommunikation mit dem Staat bestimmt sind.
Zum Beispiel wird in Slowenien die elektronische Zustellung durch sichere elektronische Mailboxen
verwendet. Die sicheren elektronischen Mailboxen werden durch externe Dienstleistungsanbieter den
Endnutzern zur Verfügung gestellt. Die externen Anbieter erhalten eine festgelegte Gebühr für jede
erfolgreiche Zustellung vom Absender, der Gebrauch der Mailbox selbst ist momentan kostenlos. Die
elektronische Zustellung wird in der Kommunikation zwischen Notaren, Rechtsanwälten, Beamten des
Gerichtswesens, der Staatsanwaltschaft und Gerichten verwendet. Sie ist in Fällen des Grundbuchs, der
Insolvenz und von Vollstreckungsfällen obligatorisch. 2014 wurden etwa 13% der Schriftstücke von
Gerichten elektronisch zugestellt. Ein spezielles System (EVIP) bearbeitet sämtliche elektronische
Korrespondenz der Gerichte zusammen mit Informationen über die einlaufende und die ausgehende
elektronische Kommunikation (Dokumente, Einreichungen) und dies einschließlich mit dem Status
sämtlicher Kommunikation. Die Zustellung einer Einreichung an das Gericht (d.h. die Eingabe) wird im
Fallmanagementsystem registriert durch das Importieren und Akzeptieren der relevanten Meta-Daten
von dem EVIP durch das CMS (z.B. Zeitstempel, Art der Einreichung, Dokumenteninformation usw.).
5.2.2. Die elektronische Einreichung von Dokumenten
Das Registrieren, Unterhalten und Übertragen von Papierdokumenten verbraucht Zeit und Platz. Die
allgemeine Verwaltung und die Bearbeitung der Dokumente kann erheblich effizienter gemacht
werden, wenn die Dokumente elektronisch beim Gericht eingereicht werden. Dies hilft auch, die
Zugänglichkeit zum Recht zu erhöhen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die elektronische Eingabe
zu nutzen: beginnend mit der einfachen Einführung von offiziellen E-Mail-Adressen für Gerichte bis hin
zur Entwicklung von E-Dienstleistungen, die eine Einreichung en gros ermöglichen (verwendet in
Zahlungsauftragsverfahren, um Hunderte oder Tausende von Fällen zu beginnen).
So legt zum Beispiel das Stabilitätsgesetz von 2013 in Italien fest, dass die Einreichung von Schriftsätzen
und Dokumenten nur über das sogenannte „Zivilverfahren online“ (PCT) erfolgen darf. Um die
elektronische Eingabe von gerichtlichen Dokumenten anzubieten, ist es dann nötig, „sie
hervorzubringen“ gemäß den spezifischen technischen Anforderungen und sie elektronisch in einem
„Umschlag“ gemäß den spezifischen technischen Anforderungen zu versenden. Die elektronisch
eingereichten Dokumente werden dann von zwei robusten elektronischen Fallmanagementsystemen
bearbeitet: SIECIC (Informationssystem für individuelle und Insolvenz-Vollstreckungsverfahren) und
SICID (Informationssystem für zivile Streitfälle des Bezirks).
In Slowenien wird ein elektronisches Einreichungssystem für individuelle oder en gros-Eingaben
genutzt. Das individuelle elektronische Einreichen wird durch ein Web-Portal implementiert. Die
Mehrheit der Prozeduren benötigen ein gültiges und qualifiziertes digitales Zertifikat. Bei der
Einreichung en gros ist die Verwendung eines vorgeschriebenen XML-Formats für die Eingaben
verpflichtend (es ist öffentlich durch ein Web-Portal erhältlich) zusammen mit der Verwendung eines
gültigen und qualifizierten digitalen Zertifikats für das Unterschreiben der Einreichungen im Paket. Im
Jahr 2014 wurden etwa 57% der Eingaben in elektronischer Form empfangen. Das elektronische
Eingabesystem unterstützt strukturierte Daten, wobei die Struktur nur bei Eingaben en gros exponiert
wird (in Form des vorgeschriebenen XML-Formats), in individuellen Fällen (in denen die elektronische
Eingabe durch die Verwendung der Stufen durchgeführt wird, welche das Web-Portal anbietet) ist die
Struktur der Eingaben für das System intern.
37
5.3. Andere IKT-Werkzeuge und -Geräte
Die Verwendung von IKT-Werkzeugen und -Geräten zielt auf eine Vereinfachung und Beschleunigung
der Verfahren. Automatisierung kann die Anzahl der Fehler vermindern im Vergleich zum manuellen
Prozess und dabei eine höhere Qualität der Dienstleistungen ermöglichen. Zusätzlich können
verschiedene Werkzeuge helfen, die arbeitsintensiven Schritte in der Bearbeitung zu reduzieren oder
die Zeit zu verringern, die damit verbracht wird, diese Schritte durchzuführen. Gute Beispiele von
solchen Werkzeugen sind: die automatisierte Terminplanung von Gerichtsverhandlungen, die
Verwendung von elektronischen Vorlagen und die automatische Generierung von Dokumenten
ebenso wie Audio- und Videoaufzeichnungen von Gerichtsverhandlungen.
Wichtige Fragen in der Entwicklung und der Einführung von IKT-Werkzeugen und -Geräten sind:

Die Kosten und die Vorteile von IKT-Werkzeugen und -Lösungen müssen analysiert werden,
bevor eine Entscheidung bezüglich ihrer Einführung getroffen wird. Die Einführung von der IKT
in Gerichten ist kein Ziel in sich selbst, stattdessen müssen die geschäftlichen Vorteile
identifiziert werden (z.B. ein Rückgang der Kosten oder ein Ansteigen der Qualität).

Der juristische Rahmen muss die Verwendung von IKT-Werkzeugen ermöglichen und das
Erreichen der hauptsächlichen Vorteile unterstützen. Zum Beispiel sind die eintretenden
Vorteile einer Audioaufnahme signifikant kleiner, wenn ein vollständiges, schriftliches
Transkript der Gerichtsverhandlung gemäß dem Gesetz immer noch angefertigt werden muss.

Um automatisch generierte Gerichtsdokumente und Vorlagen zu entwickeln, müssen die
Angaben, die in Gerichtsdokumenten am häufigsten gebraucht werden, identifiziert werden
(beginnend mit den zahlenstärksten Dokumenten). Zweitens soll das Fallmanagementsystem
den Eintrag von notwendigen Daten ermöglichen, so dass diese genutzt werden können für
die automatische Generierung von Dokumenten. Drittens sollen die Möglichkeiten für die
Hervorbringung von ähnlichen Vorlagen für mehrere Richter und Gerichtsbedienstete
untersucht werden, weil die Verwaltung solcher Vorlagen weniger Zeit benötigt im Vergleich
zur Verwaltung individueller Vorlagen.
5.3.1. Die Terminplanung von Gerichtsverhandlungen
Übereinstimmungen über die Terminplanung von Gerichtsverhandlungen benötigen eine Koordination
zwischen mehreren internen Akteuren und Einrichtungen (z.B. Richter, Sekretäre,
Gerichtsbedienstete, Übersetzer, Gerichtsräume). Die Koordinierung der Zeitpläne all dieser
Individuen und das Finden eines geeigneten Zeitpunkts für alle Beteiligten verbraucht nicht nur viel
Zeit, aber es kann auch Verzögerungen und sich überschneidende Arbeitsverpflichtungen verursachen.
Eine einfache und direkte Verbesserungsmöglichkeit ist die Verwendung von gemeinsamen
elektronischen Kalendern für sämtliche Mitarbeiter des Gerichts.
In Schweden bietet beispielsweise das VERA-Fallmanagementsystem die Funktion von gemeinsamen
Kalendern an, um Gerichtsverhandlungen anzuberaumen (Reservierung von Räumlichkeiten und die
Planung der Zeit des Richters). Kalender des gesamten Personals und jedes Verhandlungsraums sind für
38
jeden im System zugänglich und zu sehen, das System erlaubt jedoch nicht den Zugang zu den Kalendern
der Anwälte. Die Gerichte können für zwei Gerichtsverhandlungen denselben Raum zur selben Zeit
reservieren, doch wenn die zweite Reservierung durchgeführt wird, wird der Nutzer gewarnt werden,
dass bereits eine Gerichtsverhandlung für diesen Raum vorgesehen ist. Sämtliche Reservierungen in
VERA können geändert werden, wenn also der Wunsch besteht, in einen anderen Verhandlungsraum
zu wechseln, muss der Gerichtsbedienstete den Kalender benutzen und einen anderen Raum finden.
Nach der Festlegung des Termins der Gerichtsverhandlung können die Vorladungen für die
Gerichtsverhandlung auch in VERA generiert werden. In der Folge können die Vorladungen durch eine
sichere E-Mail oder über den traditionellen Postweg versandt werden.
5.3.2. Elektronische Vorlagen und Formulare
Mehrere Gerichtsdokumente (z.B. Anweisungen für die Einleitung von Verfahren sowie Vorladungen)
enthalten zumeist einen standardisierten Text, bei dem nur die Namen und die persönlichen Daten
der Parteien hinzugefügt werden müssen. Für diese Art von Dokumenten sollte die automatische
Generierung angewandt werden, um sowohl Zeit als auch Kosten zu sparen.
Die automatische Generierung von Dokumenten kann Daten verwenden, die im angewandten
Fallmanagementsystem vorhanden sind (z.B. Fallnummer, Name des Richters, Bezeichnung des Falls,
Namen und persönliche Daten von Parteien, Angaben über die Zeitpunkte von Gerichtsverhandlungen
und Einladungen), und automatisch diese Daten auf vorbestimmte Vorlagen übertragen. Dieses
System ermöglicht die Hervorbringung von mehreren Dokumenten in kurzer Zeit. Abhängig von der
Art des Dokuments können die verwendeten Vorlagen ähnlich für das gesamte Gerichtswesen sein
(wie Vorladungen) oder sie können personalisiert werden, abhängig von den Vorlieben von
individuellen Richtern und Mitarbeitern.
Zum Beispiel kann das KIS2-System in Estland zur automatischen Generierung von Dokumenten
benutzt werden. Alle Gerichtsvorladungen werden automatisch generiert durch das FallmanagementInformationssystem. Die Vorlage für Gerichtsvorladungen ist zentralisiert, aber jeder
Gerichtsbediensteter kann Warnungen und Erklärungen hinzufügen (die ebenfalls standardisiert sind)
zusätzlich zu nicht standardisierten Vorladungen im „freien“ Text gemäß der Relevanz (abhängig von
der Art der Gerichtsverhandlung und der Rolle des Empfängers). Zusätzlich zu den Vorladungen kann
jeder Gerichtsmitarbeiter persönliche oder allgemeine (diese können von jedem Benutzer des
Fallmanagementsystems verwendet werden) Vorlagen von anderen Gerichtsdokumenten erstellen –
reguläre Gerichtsverfügungen, Begleitschreiben oder sogar Präambeln von Gerichtsbeschlüssen. Um die
Vorlage vorzubereiten, werden Datenfelder für die automatische Übertragung von Daten an geeignete
Stellen auf der Vorlage zwischen festgelegten Teilen des Texts kopiert und eingefügt. Abhängig vom
Gericht werden bis zu 40% der standardisierten Gerichtsverfügungen automatisch durch das
Fallmanagementsystem generiert und der Anteil steigt, da die Auswahl an bestehenden Vorlagen wächst.
5.3.3. Die Audioaufnahme von Gerichtsverhandlungen
Die Vorbereitung eines vollständigen Transkripts der Gerichtsverhandlung ist eine zeitraubende
Aufgabe. Zusätzlich können die Parteien über das Recht verfügen, Änderungswünsche bezüglich der
geschriebenen Form des Transkripts zu unterbreiten. Beides, das Transkribieren und das Korrigieren
des Transkripts, verlängert die Verfahren und erfordert Zeit und Mühe des Gerichtspersonals.
39
Eine Alternative besteht darin, dass eine Audioaufzeichnung der Gerichtsverhandlungen angefertigt
wird. Die Audioaufzeichnung kann eine Ergänzung des verschriftlichten Transkripts sein, es teilweise
oder sogar komplett ersetzen. Ein Gerichtsmitarbeiter kann Markierungen zur Audio-Datei während
des Aufnahmeprozesses durch das simple Drücken einer Taste auf der Tastatur hinzufügen. Diese
Markierungen können verwendet werden, um schnell die relevanten Teile in der Aufnahme für eine
Wiedergabe zu identifizieren, und die Markierungen können auf eine Textdatei übertragen werden,
welche die Aufnahme begleitet (und das vollständige verschriftlichte Transkript ersetzt). Die Aufnahme
kann auch den Parteien und den höheren Gerichten zum Beispiel durch eine CD zugänglich gemacht
werden, durch ein Hochladen der Aufnahme in das Fallmanagementsystem oder durch ein Web-Portal.
Portugal hat zum Beispiel vor vielen Jahren ein System der Audioaufzeichnungen sämtlicher
Gerichtsverhandlungen angenommen (sowohl zivil- als auch strafrechtliche Fälle). Dieses System erlaubt
es, jedes Element der Gerichtsverhandlung aufzunehmen, und wird besonders von den Gerichten
geschätzt. Es gibt kein verschriftlichtes Transkript der Aufnahme, noch wird irgendein anderes
schriftliches Dokument vorbereitet, nur eine elektronische Audiodatei der Gerichtsverhandlung existiert.
Die Aufnahme wird gewöhnlich auf einer CD aufbewahrt. Es besteht ein Plan, in der Zukunft mit
Videoaufzeichnungen der Gerichtsverhandlungen zu beginnen. Richter stellen fest, dass ein wichtiger
Vorteil darin besteht, dass sie jeden Teil der Gerichtsverhandlung vorsichtig überprüfen können und die
Einzelheiten erinnern.
6. Grenzüberschreitende Streitfälle in der EU
Dieser Abschnitt beschreibt Aspekte, die mit grenzüberschreitenden Streitfällen in der EU verbunden
sind, und führt Lösungen vor, die darauf abzielen, die Qualität und den Zugang zum Recht bei
grenzüberschreitenden Forderungen zu verbessern. Es ist erwähnenswert, dass während der
Feldstudie die gesammelten Informationen begrenzt gewesen sind, weil die grenzüberschreitenden
Streitfälle und die Verwendung von europäischen Regulationen immer noch als irgendwie
vernachlässigt erscheinen.
Grenzüberschreitende Streitfälle werden immer häufiger innerhalb der Europäischen Union wegen des
freien Umlaufs von Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Streitfälle, die Grenzen
überschreiten, verfügen über spezifische Charakteristiken und kritische Punkte, welche auch
spezifische Zugänge und Lösungen erfordern.
6.1. Die europäischen Instrumente für grenzüberschreitende Streitfälle
Die Europäische Union hat viele Instrumente angenommen, die darauf abzielen, die Qualität und den
Zugang zum Recht bei grenzüberschreitenden Streitfällen zu verbessern. Zwei Beispiele für solche
Instrumente sind die europäische Verordnung Nr. 1896/2006 zur Einführung eines europäischen
Mahnverfahrens und die europäische Verordnung Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen
Verfahrens für geringfügige Forderungen. (Bitte vermerken Sie, dass die EG Verordnungen Nr.
1896/2006 und Nr. 861/2007 am 24. Dezember 2015 durch die Verordnung Nr. 2421/2015 ergänzt
wurde, die am 14. Juli 2017 in Kraft treten wird).
40
Diese Instrumente sind nicht weit verbreitet in den Ländern der Europäischen Union, selbst wenn sie
vor einigen Jahren in Kraft traten. Bürger und Praktiker wissen gewöhnlich nicht um die Existenz von
solchen Instrumenten, deren ultimatives Ziel in der Vereinfachung des transnationalen Zugangs zum
Recht für transnationale Forderungen besteht. Außerdem ist es eine Herausforderung, ein eindeutiges
Bild von der Einführung dieser Instrumente innerhalb der nationalen Gerichte zu zeichnen. Ein Grund
dafür liegt darin, dass keine nationalen Mechanismen bestehen, um Fälle, die in den Bereich dieser
Regulationen fallen, zu „kennzeichnen“. Deshalb beträgt in Italien, Spanien und Portugal die ungefähre
Anzahl von entschiedenen Fällen des europäischen Mahnverfahrens jährlich in jedem der
Hauptgerichte zwischen 50 und 100 Fällen. Die Anzahl sollte höher sein unter Berücksichtigung dessen,
dass diese europäischen Verordnungen interessante Verfahren angenommen haben, die anwendbar
auf grenzüberschreitende Streitfälle sind. Zum Beispiel basieren, wie in Abschnitt 1 beschrieben, beide,
Verordnung Nr. 1896/2006 und Verordnung Nr. 861/2007 auf einem vereinfachten Modell der
Verfahren, das darauf abzielt, es den Bürgern zu erlauben, ein ausländisches Gericht zu handhaben
und ein ausländisches Gerichtsverfahren zu bearbeiten, ohne in dem Land ansässig zu sein, wo das
Verfahren erhoben wird, oder auch ohne juristische Unterstützung.
Um die Anzahl von Anträgen unter diesen europäischen Instrumenten über Zivilverfahren zu
verbessern, sollten Länder der Europäischen Union eine gemeinsame Politik implementieren, die
darauf abzielt, Bürger und Praktiker zu ermutigen, diese anzuwenden. Solch eine Politik sollte einen
detaillierten Plan von Aktivitäten der Verbreitung von Informationen durch die wichtigen
Vereinigungen der Bürger (z.B. Konsumentenvereinigungen) und der Praktiker (z.B. BARS) beinhalten.
Auch könnten die Gerichtsgebühren für Fälle, die in den Bereich der Verordnungen fallen, reduziert
werden. Dies würde Bürger und Praktiker ermutigen, sie anzuwenden. Die Reduzierung von
Gerichtsgebühren sollten in einer Linie mit der Natur der europäischen Verfahren stehen, die eine
reduzierte Anwendung von Funktionen des Gerichtswesens beinhalten. Zum Beispiel wird in einem
europäischen Mahnverfahren, im Falle von keinem Widerspruch, das Gericht nicht angerufen, um den
Fall in aller Tiefe zu untersuchen, denn die Entscheidung wird auf Basis einer einfachen Erklärung des
Anspruchstellers ausgegeben.
6.2. Die Spezialisierung von Gerichten für grenzüberschreitende Streitfälle
Internationales (Zivil-) Recht ist komplex und benötigt eine spezielle Vorbereitung und Ausbildung.
Heutzutage gibt es innerhalb der Systeme des Gerichtswesens kein internes System, um
grenzüberschreitende Fälle an spezialisierte Gerichte oder Richter zu verteilen. Dies kann zu einer
Situation führen, in der die Qualität der Entscheidungen, die sich auf die grenzüberschreitenden
Forderungen beziehen, nicht so hoch wie möglich ist. In vielen europäischen Ländern gibt es kein
System für die systematische Vorbereitung und Ausbildung von Gerichtsmitarbeitern bezüglich der
speziellen Charakteristiken von grenzüberschreitenden Fragen. Es wäre wichtig, zum Beispiel
internationales Recht, Recht der Europäischen Union, komparatives Recht und internationales
Privatrecht in die Ausbildungsprogramme von Richtern und Gerichtsbediensteten miteinzubeziehen.
Eine effektive Lösung könnte auch darin liegen, die gerichtliche Kompetenz in Verbindung mit
grenzüberschreitenden Fällen bei einem spezialisierten, nationalen Gericht zu konzentrieren.
Zentralisierte Kompetenz kann möglicherweise leichter in einem kleineren Land mit weniger
internationalen und grenzüberschreitenden Fällen eingeführt werden, dennoch wäre es von Vorteil,
wenn es ein Gericht in bestimmten Gegenden und Regionen gibt, das sich auf grenzüberschreitende
Fragen konzentriert.
41
Zum Beispiel bietet der estnische Codex für Zivilverfahren die außergewöhnliche Jurisdiktion eines
besonderen Gerichts – des Harju-Landgerichts – in internationalen Angelegenheiten an. Noch genauer,
wenn gemäß der allgemeinen Bestimmungen eine Angelegenheit nicht unter die Jurisdiktion eines
estnischen Gerichts fällt oder solch eine Jurisdiktion nicht bestimmt werden kann und eine internationale
Übereinkunft oder das Recht es nicht anders vorschreibt, dann soll die Sache durch das HarjuLandgericht entschieden werden, wenn: (i) der Fall in der Republik Estland gemäß einer internationalen
Übereinkunft entschieden werden muss; (ii) der Antragsteller ein Bürger der Republik Estland ist oder
er über einen permanenten Wohnort in Estland verfügt und der Antragsteller keine Möglichkeiten hat,
seine oder ihre Rechte in einem ausländischen Staat zu verteidigen, oder es nicht erwartet werden kann,
dass er dies tut; (iii) die Sache Estland wegen eines anderen Grundes in einem signifikanten Ausmaß
betrifft und der Antragsteller über keine Möglichkeiten verfügt, seine oder ihre Rechte in einem
ausländischen Staat zu verteidigen, oder es nicht erwartet werden kann, dass er dies tut. (Art. 72 des
estnischen Codex für Zivilverfahren).
Das estnische Recht ermittelte einen Begriff des Internen und Kriterien für „internationale
Angelegenheiten“, um festzulegen, ob das zentralisierte Gericht kompetent ist. In Zukunft könnte es
von Vorteil sein, einen gemeinsamen Begriff von einer „internationalen Angelegenheit“ einzuführen
(zum Beispiel basierend auf den bereits bestehenden europäischen Instrumenten (d.h. EU Verordnung
Nr. 44/2001 oder EU Verordnung Nr. 2201/2003)).
6.3. Elektronische Kommunikation in grenzüberschreitenden Streitfällen
Bei grenzüberschreitenden Forderungen ist normalerweise zumindest eine der Parteien in einem
anderen Land ansässig als das Land des angerufenen Gerichts, was den Zugang zum Recht erschwert.
Wenn eine Partei aufgerufen wird, mit dem Gericht zu kommunizieren, eine Forderung, eine Antwort
oder ein jegliches anderes juristisches Dokument zu versenden, dann erscheint es als wahrscheinlich,
dass sie einen Rechtsanwalt oder einen anderen Professionellen aus dem in Frage stehenden Land
beruft. Dies macht grenzüberschreitende Verfahren teurer als nötig.
Nationale, elektronische Kommunikationssysteme oder die elektronische Auslieferung von
Dokumenten sind vom Standpunkt und der Perspektive der nationalen Nutzer aus errichtet worden
und nicht von dem des Ausländers. Zum Beispiel muss eine Person in Spanien, Portugal oder Italien ein
Staatsbürger oder ein örtlicher Rechtsanwalt sein, um auf die nationalen, elektronischen
Kommunikationssysteme zugreifen zu können. Ausländische Bürger oder Rechtanwälte haben keinen
Zugang zu den Systemen. Dies ist ein echtes Problem, das eine Lösung benötigt.
Nationale Systeme der elektronischen Zustellung von Dokumenten und der Kommunikation sollten
auch für ausländische Parteien leicht zugänglich gemacht werden. Um dies zu ermöglichen, sollten die
Systeme soweit als möglich harmonisiert werden (z.B. die Mechanismen der elektronischen
Identifizierung). Bei dieser Aufgabe verfügt die Europäische Union über eine wichtige Rolle. Es gibt ein
groß angelegtes Projekt (E-Kodex – E-Justiz-Kommunikation über einen Online-Austausch von Daten),
das von der Europäischen Kommission mitfinanziert wurde, dieses zielt darauf hin, eine gemeinsame
europäische Plattform für die Übertragung von Dokumenten und der Kommunikation des
Gerichtswesens hervorzubringen).
E-Kodex wird jetzt bezüglich der europäischen Verordnungen über geringfügige Forderungen und über
Mahnverfahren getestet. Die Möglichkeit, elektronisch eine Forderung zu versenden oder eine
Kommunikation von einem ausländischen Gericht zu erhalten, spielt eine zentrale Rolle in diesen
Fällen. Dennoch haben sich E-Kodex gerichtliche und technische Herausforderungen wegen der
42
Tatsache gestellt, dass nationale Systeme der Identifizierung auf verschiedenen Kriterien beruhen.
Zum Beispiel basieren in vielen europäischen Ländern die Identifizierungssysteme auf einer
fortgeschrittenen digitalen Unterschrift, dies bedeutet eine digitale Unterschrift, auf die einige
spezifische technische Bedingungen zutreffen. Während in anderen Ländern die
Identifizierungssysteme auf einem einfachen System der vorherigen Identifizierung des Benutzers
basieren.
In der Zukunft sollte die Europäische Union eindeutigere Regeln in dieser Frage einführen. Der
elektronische Austausch von gerichtlichen Dokumenten ist bereits eine Realität in vielen europäischen
Ländern, was die Qualität und die Effizienz der Systeme verbessert. Dies sollte auch der Fall bei
grenzüberschreitenden Forderungen sein.
Verweise und weiterführende Lektüre
















Alimo-Metcalfe Beverly, Alban-Metcalfe John. More (good) leaders for the public sector.
International Journal of Public Sector Management, Vol. 19, No. 4, 2006.
Barry Turner “Civil Judicial Experts in Cross-Border Litigation: the Common Law Perspective”
in Policy Department on Citizen's Rights and Constitutional Affairs, Workshop on Civil Judicial
Experts in the EU for the Committee on Legal Affairs, 17 June 2015.
Bass Bernard M and Riggio Ronald E.: Transformational Leadership, Routledge 2006.
Gee D.J. “The Expert Witness in the Criminal Trial” [1987] Criminal Law Review 307.
Luboš Dörfl “Civil Judicial Experts in Cross-Border Litigation: towards the European Judicial
Expert” in Policy Department on Citizen's Rights and Constitutional Affairs, Workshop on Civil
Judicial Experts in the EU for the Committee on Legal Affairs, 17 June 2015.
Bourne M., Kennerley M., Franco-Santos M. Managing through measures: a study of impact
on performance. Journal of Manufacturing Technology Management, Vol. 16, No. 4, 2005.
European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ). Towards European Timeframes for
Judicial Proceedings – Implementation Guide. (Work-in-process).
European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ). Compendium of “best practices” on
time management of judicial proceedings. Strasbourg, 8 December, 2008.
Frank H.M. Verbeeten. Performance management practices in public sector organizations.
Accounting, Auditing & Accountability Journal, Vol. 21 Is. 3, 2008.
Green, L. Capacity Planning and Management in Hospitals. International Series in Operations
Research & Management Science Volume 70, 2004.
Hammergren Linn. Diagnosing Judicial Performance: toward a tool to help guide judicial reform
programs. Working draft, prepared for Transparency International. 2001.
Hassan, D. Measuring performance in the healthcare field: a multiple stakeholders’
perspective. Total Quality Management, 16 (8-9), 2005.
Hagsgård, M. Internal and External Dialogue: A Swedish Approach to Quality Work in Courts.
Oñati Socio-Legal Series, Vol. 4, No. 5, 2014.
Holbeche Linda: Understanding Change, Theory, Implementation and Success, Jordan Hill,
Oxford 2006.
Kanter, R. M. Managing the human side of change. The principles and practices of change.
2009.
Mahesh C. Gupta Lynn H. Boyd. Theory of constraints: a theory for operations management.
International Journal of Operations & Production Management, Vol. 28 Is. 10, 2008.
43












McAdam, R., Hazlett, S-A., Casey, C. (2005). Performance management in the UK public sector:
Addressing multiple stakeholder complexity. International Journal of Public Sector
Management, 18 (3), 256-273.
NCSC (National Center for State Courts). Kansas District Court Judicial and Clerk staff weighted
caseload study. 2011.
O`Mahony Mary, Stevens Philip, Stokes Lucy. Public services productivity: new approaches to
performance measurement in health sectors. Managing to Improve Public Services. Edited by
Jean Hartley, Cam Donaldson, Chris Skelcher and Mike Wallace, Cambridge University Press,
Cambridge. 2008.
Ukko J., Tenhunen J., Rantanen H. A framework to support performance measurement at the
operative level of an organization. International Journal of Business Performance
Measurement, Vol. 11, No. 4, 2009.
van Thiel Sandra and Leeuw Frans L. The performance paradox in the public sector. Public
Performance & Management Review, Vol. 25, No. 3. 2002.
O`Brien Geraldine. Participation as the key to successful change – a public sector case study.
Leadership & Organization Development Journal, Vol. 23, No. 8, 2002.
Okkonen, J. The Use of Performance Measurement in Knowledge Work. 2004.
Parry Ken W., Proctor-Thompson Sarah B. Leadership, culture and performance: The case of
the New Zealand public sector. Journal of Change Management, Vol.3, No. 4, 2003.
Paton Robert A. and Mc Calman James: Change Management, A guide to effective
implementation. Sage Publications London 2004.
Pekkanen P. Delay reduction in courts of justice – possibilities and challenges of process
improvement in professional public organizations. 2011.
Radnor Zoe and Walley Paul. Learning to Walk Before We Try to Run: Adapting Lean for the
Public Sector. Public Money & Management, vol. 28, No.1, 2008.
Schein E.H. Process Consultation Revisited – Building the Helping Relationship. 1999.
44
Herunterladen