Segen oder Fluch für unsere Branche?

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AutomatenMARKT | November 1999 | Praxis
Elektronische Zahlungssysteme
Segen oder Fluch für unsere Branche?
Nach Ansicht von Hans H. Rosenzweig muss sich die Automatenwirtschaft
schnellstens mit dem Thema Electronic Cash befassen.
Münzen waren und sind die Lebens-ader des Münzautomaten, daher ja auch der
Name. Am Anfang war der Groschen und sukzessive mit steigenden Preisen oder
fortschreitender Geldentwertung kam das Silbergeld: 50 Pfennig, eine Mark, zwei
Mark und fünf Mark. Und so ist es bis heute geblieben.
In Deutschland standen meist genügend Münzen zur
Verfügung. Deshalb hat sich auch die Automatenbranche
über Jahrzehnte hinweg positiv entwickelt. Wie abhängig
die Branche von Münzen in guter Stückelung, genügender
Menge und entsprechender Qualität ist, zeigt sich in
Ländern wie den USA. Dort hat man es in langen Jahren nie
geschafft, eine Münze zu schaffen, die größer als 25 Cents
ist, also etwa 50 Pfennig.
Das beherrschende Zahlungsmittel in den USA ist die
Dollar-Note. Sie ist in ausreichender Stückzahl vorhanden,
benötigt aber zur Annahme und zur Verarbeitung erheblich
mehr Aufwand. Deshalb war es in Amerika auch nie
möglich, sich im Preis pro Spiel oder auch beim Verkauf
Auch unsere Branche
von Waren den Marktgegebenheiten anzupassen. Häufig
muss sich mit dem
wurde einfach weiter für 25 Cents gespielt, obgleich man
Thema elektronische
eigentlich 50 oder 75 Cents für die Rentabilität der Geräte
Zahlungsmittel
gebraucht hätte.
befassen.
Natürlich kann man sagen, weshalb wirft man dann nicht
einfach mehrere 25 Cent-Stücke ein. Aber wir kennen das
noch aus der Vergangenheit, als vorwiegend mit Groschen
gespielt wurde: Wenn für ein Spiel mehrere Münzen einer Sorte nötig sind, gibt es
erheblich mehr Störungen. Und wer hat schon große Mengen einer einzelnen Münze
in der Tasche?
Eine ähnliche Situation herrscht seit Jahrzehnten in Italien. Dort waren lange Zeit
eigentlich nur 100-Lire-, später 500- und in kleinen Stückzahlen in den letzten
Jahren auch 1 000- Lire-Stücke verfügbar. Aber 1 000 Lire sind nur erst eine Mark
oder 0,50 Euro. In Italien hat sich neben der Lira für Automaten deshalb eine zweite
Währung entwickelt, und zwar in Form von Weiterspielmarken. Es gibt Hunderte
oder sogar Tausende verschiedener Weiterspielmarken und fast jeder Aufsteller
verwendet seine eigenen Sorten. Man ist damit zwar in der Preisgestaltung pro Spiel
manchmal flexibler. Auf der anderen Seite bedeutet dies jedoch einen enormen
Aufwand. Außerdem werden viele Spieler gehen, sobald ihre Münzen zu Ende sind.
Denn ihnen ist es zu müßig, Geldscheine in Weiterspielmarken umzutauschen und
beim Verlassen der Spielstätte die verbliebenen Marken wieder zurück in Bargeld zu
tauschen.
Auch in Italien – einem recht spielfreudigen Land – hat sich die Branche nie so
entwickelt, wie sie es eigentlich verdiente.
Viel besser ist es dagegen in Spanien gelaufen, wo man über 100-Peseten- (etwa
0,60 Euro), aber auch 200- und 500-Peseten-Stücke verfügt. Spanien erfreut sich
nicht zuletzt aufgrund der Münzsituation einer florierenden Automatenwirtschaft. Das
Gleiche gilt auch für Holland und, last not least, natürlich für Großbritannien.
Ungeachtet von teilweise recht komplizierten Münzen, die manchmal viel zu groß
oder sechseckig waren, hat sich dennoch ein solides Automatengeschäft entwickelt,
das auf einer gesunden Basis steht.
Doch nun soll am 1. Januar 2002 alles anders werden. Die alten Währungen werden
innerhalb von sechs bis acht Wochen ihre Gültigkeit verlieren. Darauf haben sich
zumindest die Finanzminister der Europäischen Währungsunion geeinigt. Eine
Ausnahme macht noch Italien, das sich einige Monate mehr Zeit erbeten hat. Dort
wird die Lira neben dem Euro noch einige Monate länger Gültigkeit haben. Aber
letztlich wird zwischen Februar und Juni 2002 der Euro einziges Zahlungsmittel
werden.
Hier beginnt das Problem, denn die Münzdirektoren der Länder haben sich bereits
darauf geeinigt, keine größere Münze als zwei Euro zu prägen. Die Deutschen
verlieren also ihr Fünf-Mark-Stück, die Holländer ihr Fünf-Gulden- und die Briten,
sollten sie letztlich beitreten, ihr Zwei-Pfund-Stück. Damit nicht genug, es werden
auch von der Stückzahl her erheblich weniger Münzen geprägt werden als im
Moment in den verschiedenen Ländern in Umlauf sind.
Man braucht kein großer Prophet zu sein, um vorauszusehen, dass es gerade in den
ersten Monaten der neuen Währung enorme Engpässe bei den Münzen geben wird.
Es müssen ja auch die Sparstrümpfe wieder aufgefüllt werden. Aber auch die
Reserven im Portmonee des einzelnen Bürgers und nicht zuletzt auch in den
Zahlröhren der Automaten. Dies alles wird die schon vorhandene Knappheit an
neuen Münzen weiter verstärken. Wobei noch nicht sicher ist, ob die Prägeanstalten
bis zum Stichtag genügend Münzen herstellen können und ob diese mit staatlicher
Logistik auch an den richtigen Ort zur richtigen Zeit gebracht werden können.
Schon vor Jahren, als die Automatenwirtschaft, und vor allem der Euromat, bei den
Behörden vorstellig wurde, um auf die künftigen Schwierigkeiten hinzuweisen,
konterte man sofort mit dem Hinweis auf elektronische Zahlungssysteme.
„Die Automatenwirtschaft bezeichnet sich doch immer als Hightech-Branche“, so
meinte zumindest ein Beamter im damaligen Bonner Finanzministerium. Und deshalb
dürfte es keine Schwierigkeiten machen, rechtzeitig elektronische Systeme zu
entwickeln, die Münzen weitgehend überflüssig machen.
Sollte dieses Argument nur ablenken vom Nichtwollen der Staaten, mehr Münzen zu
prägen, da dies ja Geld kostet? Oder hat man damals schon wirklich fortschrittlich
gedacht? Das wird wohl niemand mehr herausfinden.
Ob man will oder nicht, die Automatenbranche wird sich aber nun mit dieser
Alternative der elektronischen Zahlungssysteme schnells-tens befassen müssen. Eine
Fünf-Euro-Münze werden wir wahrscheinlich in absehbarer Zeit, vielleicht sogar
niemals bekommen. Aber auch die Umlaufmenge der Münzen lässt sich nicht
kurzfristig erhöhen. Manchmal hat man einfach das Gefühl, die Finanzminister wollen
es darauf ankommen lassen und wenn nötig eben einfach mehr Banknoten drucken.
Dies ist allemal billiger und geht schneller als Münzen zu prägen.
Es ist also heute nicht mehr die Frage, ob man elektronische Zahlungssysteme
befürwortet oder sie boykottiert. Der Automatenwirtschaft bleibt einfach nichts
anderes übrig. Sie wird sich mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.
Die Europäische Kommission hat bereits im April 1999 den Thors-Report
angenommen, um eine Direktive für die Einführung von elektronischen
Zahlungssystemen zu verabschieden. Man denkt dabei an einen gemeinsamen Markt
für elektronisches Geld, im Rahmen dessen auch Nichtbanken die Erlaubnis erhalten
werden, elektronisches Geld unter bestimmten Bedingungen auszugeben oder zu
verarbeiten. Der Entwurf einer Direktive für elektronische Zahlungssysteme wird nun
vom Ministerrat beraten. Nach seiner zweiten Lesung soll die Direktive bereits in der
zweiten Hälfte des Jahres 2000 verabschiedet werden.
Die wichtigsten Punkte, die für die Automatenwirtschaft noch geklärt werden
müssen, sind: eine europaweite Gültigkeit des neuen Geldes. Es muss genügend
Konkurrenz geschaffen werden, damit das „Cyber-Geld“ nicht bereits durch hohe
Gebühren in den ers-ten Anfängen scheitert. Letztlich ist es außerordentlich wichtig,
die möglichen kriminellen Aktivitäten im Hinblick auf das neue Geld auf ein Minimum
zu begrenzen.
Es hilft auch nicht, dem Gewesenen nachzutrauern und zu hoffen, dass die guten
alten Zeiten wiederkommen. Die Branche muss sich den neuen Aufgaben stellen.
Noch ist Gelegenheit, einen gewissen Einfluss zu nehmen. Aus diesem Grund hat
auch der Euromat den elektronischen Zahlungssystemen bei seinen strategischen
Zielen erste Priorität eingeräumt. Schon auf der nächsten Sitzung des EuromatExekutiv-Komitees wird man sich intensiv vor allem mit diesem Thema befassen.
Intelligente Handhabung bringt eine Menge Vorteile
Es gibt aber nicht nur Negativaspekte bei diesem modernen Hightech-Geld, sondern
sicher auch viele Vorteile. Rein logistisch ergeben sich sicher erhebliche
Einsparungen. Man braucht nur einmal zu rechnen, wie viele Tonnen Kleingeld große
Spielstättenketten täglich bewegen müssen. Ein zweiter Vorteil dürfte sein, dass der
Spieler beim Hantieren mit Chip-Karten eine bestimmte Beziehung zum wirklichen
Geld verliert. Dies ist ähnlich wie mit Chips im Kasino oder wie beim Einkauf mit
Kreditkarten. Dies kann den Automaten eigentlich nur nützen, auch wenn es am
Anfang hier und dort Probleme geben wird.
Langfristig ist diese Entwicklung nicht aufzuhalten und wird allen Beteiligten bei
entsprechend intelligenter Handhabung eine Menge Vorteile bringen. Man braucht
nur einmal an die Geldautomaten der Banken zu denken. Hier wurden in den
Anfängen enorme Gebühren verlangt: mindestens zehn Mark oder ein Prozent der
Auszahlsumme. Heute propagieren die Banken ihre Geldautomaten. Sie sind
kostenlos geworden, zumindest wenn man bei einer Bankengruppe bleibt. Da die
Banken kaum etwas tun, das ausschließlich dem Kunden zugute kommt, sollte man
bedenken, dass damit die Geldauszahlschalter, die außerordentlich personalintensiv
sind, erheblich entlastet wurden.
Die Banken wissen also schon, weshalb sie einen gewissen Service kostenlos
anbieten. Sie sparen es auf der anderen Seite dreifach wieder ein.
Dies ist nur ein Beispiel, wie sich moderne Zahlungssysteme nach anfänglichen
Schwierigkeiten als segensreich für alle Beteiligten erweisen, zumindest erweisen
können.
Gesetzliche Barrieren, die im Moment noch existieren, sollten dabei kein großes
Hindernis sein. Die Staaten der EU sind daran interessiert, dem Euro schnellstens
zum Durchbruch zu verhelfen. Auf der anderen Seite haben sie keineswegs die
Absicht, mehr Münzen als nötig zu prägen oder Banknoten zu drucken. Deshalb
kann man eigentlich erwarten, dass alle gesetzlichen Hemmnisse, die sich vor allem
bei Geldspielgeräten, aber auch auf anderen Gebieten ergeben, möglichst schnell
und unproblematisch beiseite geräumt werden.
Auch hier liegt es natürlich an den Verbänden der Europäischen
Automatenwirtschaft, rechtzeitig auf diese Hemmnisse hinzuweisen und Lösungen
aufzuzeigen, mit denen die Branche leben kann. Der Staatsdiener ist sicher
überfordert, wenn er an alle Probleme, die in der Praxis für die Automatenwirtschaft
auftreten können, denken soll. Diese praxisnahen Konzepte müssen von der
Automatenwirtschaft kommen, und dies möglichst nicht zu spät.
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