NGOs appellieren an die Europaabgeordneten, den Schutz von

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September 2004
NGOs appellieren an die Europaabgeordneten, den Schutz von Umwelt und
Gesundheit in den Mittelpunkt der europäischen Chemikalienreform
(REACH) zu stellen
REACH – zum Schutz der Gesundheit unserer Bürger und der Umwelt
Umwelt-, Gesundheits- und Frauenorganisationen fordern die Mitglieder des Europäischen
Parlaments dazu auf, Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Umwelt in den Mittelpunkt
der Reform der europäischen Chemikalienpolitik zu stellen. In Übereinstimmung mit 93 % der
Europäer sind wir davon überzeugt, dass Chemikaliensicherheit für die Bewahrung von
Gesundheit und Umwelt von größter Bedeutung ist.
Chemikalien haben der Gesellschaft großen Nutzen gebracht, doch wissenschaftliche
Untersuchungen bringen viele Substanzen in zunehmendem Maße in Zusammenhang mit dem
Auftreten von verschiedenen Krebserkrankungen, Allergien und einer verringerten Fruchtbarkeit.
Die derzeitige Gesetzgebung hat es bislang nicht geschafft, den Umgang mit tausenden von
Chemikalien effektiv zu regulieren: Ohne öffentlich zugängliche Daten sogar ihrer
grundlegendsten Eigenschaften befinden sich diese Chemikalien auf dem Markt. Viele dieser
Substanzen wirken nachgewiesenermaßen schädlich auf Tiere und Menschen.
REACH – der Entwurf für eine Reform des EU-Chemikalienrechts
Nach einem fünfjährigen Beratungsprozess hat die Europäische Kommission im Oktober 2003
den Vorschlag für eine neue EU-Verordnung für Chemikalien (REACH) vorgelegt
(COM(2003)644). Wir sind davon überzeugt, dass REACH der Industrie die richtigen
Rahmenbedingungen für eine verantwortungsvolle Produktion und nachhaltige Entwicklung
bietet. Die negativen Auswirkungen von Chemikalien werden minimiert, während gleichzeitig
Innovationen gefördert und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die chemische Branche erhöht
werden.
Allerdings hat die Europäische Kommission ihren Gesetzesvorschlag extrem abgeschwächt - als
Antwort auf den enormen Druck von Seiten der chemischen Industrie. Nur wenn REACH in den
Kernbereichen gestärkt wird, werden sich auch die Vorteile für den Umwelt- und
Gesundheitsschutz verwirklichen lassen.
Für die bevorstehende Debatte und Abstimmung im Europäischen Parlament zu REACH,
fordern Umwelt-, Gesundheits- und Frauenorganisationen die Europaabgeordneten dazu
auf, REACH in den fünf folgenden wichtigsten Bereichen nachzubessern:
1. Besonders gefährliche Stoffe dürfen keine Vermarktungserlaubnis bekommen, es sei
denn, es existieren zur Zeit keine sichereren Alternativen und ihre Verwendung ist für die
Gesellschaft unabdingbar.
2. Das Anmeldungsverfahren muss verschärft werden, um die zur Zeit noch existierende
Lücke bei den Sicherheitsinformationen für Chemikalien zu schließen, die ein jährliches
Produktionsvolumen von 1-10 Tonnen nicht überschreiten.
3. Die von der Industrie herausgegebenen Daten sollten einer unabhängigen Qualitätsprüfung
unterzogen werden.
4. Für Chemikalien in importierten Artikeln müssen dieselben Informationsanforderungen
gelten wie für EU-Produkte – zum Schutze der Verbraucher und um eine Verzerrung des
Wettbewerbs zu vermeiden.
5. Ausreichende Informationen über die Gefährlichkeit der Chemikalien müssen öffentlich
zugängig gemacht werden, so dass nachgeschaltete Anwender, Händler und Verbraucher sich
kundig darüber machen können, welche Chemikalien das von ihnen gekaufte Produkt enthält,
und sie so in der Lage sind, ihre eigene Risikoeinschätzung vorzunehmen.
September 2004
Gegenwärtige Lücken und Mängel im vorliegenden REACH-Entwurf würden es z.B.
zulassen, dass:
das Flammschutzmittel deca-BDE aus der Gruppe der polybromierten
Diphenylether (PBDE) weiterhin in Alltagsprodukten wie Elektronikgeräten,
Möbeln und Textilien eingesetzt werden darf. Nach unserer Überzeugung sollte
dieses Flammschutzmittel hingegen kenntlich gemacht und seine Produktion
eingestellt werden, da die Belastung mit deca-BDE heute bereits ein globales
Problem ist: es reicht von den Industrieländern bis in die weitentlegenen
arktischen Lebensräume. Denn mittlerweile lässt sich die Substanz nicht nur im
Blut der Brüsseler Europaabgeordneten, sondern auch im Fettgewebe von
Eisbären nachweisen. Trotz alledem und obwohl Alternativen vorhanden sind,
auf die manche Unternehmen (wie z.B. IKEA) mittlerweile umgestellt haben, ist
deca-BDE nach wie vor im Umlauf.
Babyflaschen aus Polycarbonat weiterhin produziert werden dürfen. In
Produkten aus Polycarbonat steckt als Kunststoff-Baustein Bisphenol A, das
z.B. bei Erwärmung der Babyflasche über die Milch in den Körper gelangen
kann. Diese Substanz ist als hormonähnlich wirkender Schadstoff bekannt und
kann bereits in sehr geringen Mengen Wachstum und Entwicklung des Babys
stören. Ungeachtet dessen werden für eine breite Palette von Anwendungen
(u.a. zur Beschichtung von Konservendosen) in Europa jährlich mindestens an
die 140.000 Tonnen Bisphenol A verkauft.
bei der Herstellung von alltäglichen Konsumprodukten wie z.B.
Kinderspielzeug, Teppichen und vielen anderen Haushaltsgegenständen
weiterhin Chemikalien verwendet werden dürfen, die sich im menschlichen
Körper anreichern und in Blut und Muttermilch nachweisbar sind.
Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass manche dieser
Chemikalien einen schädigenden Einfluss auf Fruchtbarkeit und geistige
Entwicklung haben können und/oder Krebs erregend sein können.
September 2004
Die fünf NGO-Hauptforderungen zur Verbesserung von REACH
1. Besonders gefährliche Chemikalien dürfen nicht zugelassen werden, wenn sicherere
Alternativen vorhanden sind bzw. ihr Gebrauch keine zwingende Notwendigkeit für die
Gesellschaft darstellt. Das Substitutionsprinzip im Zulassungsverfahren sollte verpflichtend sein.
Erst wenn die Hintertür der sogenannten „adäquaten Kontrolle“ verschlossen wird, kann mit REACH tatsächlich
geregelt werden, welche Chemikalien nur noch bedingt bzw. gar nicht mehr verwendet werden dürfen. Andernfalls
würden vollkommen akzeptable Alternativen außer Acht gelassen und vor potentiellen Anwendern zurückgehalten
werden, und die Verbraucher wären nach wie vor unannehmbaren Risiken ausgesetzt.
2. Das Anmeldeverfahren muss die Lücke bei den Sicherheitsinformationen schließen.
Im vorliegenden Kommissionsentwurf sind insgesamt 20.000 Chemikalien von einer angemessenen
Sicherheitsbeurteilung ausgenommen worden. Ohne ausreichende Informationen, wie Tests zur biologischen
Abbaubarkeit oder Studien zur Belastung, können Chemikalien nicht nach ihrer Gefährlichkeit eingestuft oder für
weitergehende Maßnahmen ausgewählt werden.
3. Die von der Industrie herausgegebenen Daten brauchen eine unabhängige Qualitätsprüfung.
REACH gibt der Industrie die einmalige Gelegenheit, Verantwortung für die Sicherheit ihrer Chemikalien zu
übernehmen. Dies wird jedoch nur mithilfe einer ausreichenden Qualitätssicherung und einer offiziellen
Qualitätskontrolle gelingen, um die Verlässlichkeit der eingereichten Daten zu prüfen. Die Qualitätssicherung für
sämtliche Registrierungsdossiers sollte deshalb von einem unabhängigen Dritten übernommen werden. Generell
sollten mindestes 5 % aller Registrierungsdossiers von den nationalen Behörden der Mitgliedsstaaten bewertet
werden.
4. Chemikalien in importierten Produkten müssen denselben Informationsanforderungen
unterliegen wie Produkte aus der EU.
Die schwachen Anforderungen des vorliegenden REACH-Entwurfs würden es Unternehmen außerhalb der EU
erlauben, Produkte mit Chemikalien, die nicht unter REACH registriert wurden, zu importieren. Ein ausreichender
Verbraucherschutz vor gefährlichen Chemikalien kann auf diese Weise nicht gewährleistet werden und hätte für
bestimmte Industriesektoren in der EU eine Verzerrung des Wettbewerbs zur Folge. Europa ist der weltgrößte
Markt und sollte nicht davor zurückschrecken, neue globale Sicherheitsstandards zu setzen.
5. Mehr Transparenz - Informationen müssen in ausreichender Weise der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden.
Öffentlich zugänglich gemachte, ausreichende Informationen über die Gefährlichkeit von Chemikalien würden es
Dritten erlauben, eigene Risikobetrachtungen anzustellen. Anwender von Chemikalien sollen sich zwischen
Alternativen entscheiden können, und Verbraucher müssen in der Lage sein, sich über gefährliche Chemikalien in
Produkten zu informieren. Deshalb muss die Liste der nicht-vertraulichen Geschäftsinformationen um die Namen
der registrierten Firmen, die Produktionsmengen und das Gefahrenenpotential (Expositionsabschätzung) erweitert
werden. Die Sicherheitsdatenblätter müssen in der Produktkette weitergegeben werden, um Händlern wie
Verbrauchern zu ermöglichen, sich darüber zu informieren, ob Produkte gefährliche Chemikalien enthalten. Das
derzeitig vorgesehene Prozedere zur Informationsbeschaffung bei der Chemical Agency ist viel zu zeitaufwendig
und ineffizient – auch in diesem Punkt muss REACH verbessert werden.
Für weitergehende Informationen wenden Sie sich bitte an:
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND):
WWF Deutschland
Patricia Cameron: ++49-30-27586426, [email protected]
Dr. Ninja Reineke: ++49 421-6584615, [email protected]
Ulrike Kallee: ++49-30-27586422, [email protected]
Women in Europe for a common future (WECF):
Greenpeace:
Sonja Haider: ++49-89-20232390, [email protected]
Andreas Bernstorff, +49-171-8780838,
Daniela Rosche: ++31-302310300, [email protected]
[email protected]
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