Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung 2 H. Internationale Währungs- und Handelsordnung H.1 Währungs- und Handelsordnungen Von erheblicher Bedeutung für die Allokation der Ressourcen und die Funktionsfähigkeit von Güter- und Kapitalmärkten ist die internationale Handels- und Währungsordnung. Die internationale Wirtschaftsordnung ergibt sich aus dem Zusammenwirken verschiedener internationaler Organisationen und dem Einfluss regional oder global einflussreicher Regierungen bzw. Gruppen von Ländern (z.B. G8, G20 etc.). Zu den Pfeilern der internationalen Wirtschaftsordnung gehört die Handelsordnung, wie sie institutionell im GATT/WTO verankert ist; im Bereich der internationalen Eigentumsrechte spielt die World Intellectual Property Organization (WIPO) eine ergänzende Rolle. Hinzu kommt die internationale Währungsordnung, die primär auf den Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund: IMF, Washington DC), die Weltbank (Washington DC) und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, Basel) baut. Als wichtige Neugründung gilt in Europa schließlich die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD, London), die seit 1991 den Transformationsprozess der postsozialistischen Staaten in Mittel- und Osteuropa unterstützt. Für internationalen Handel und Direktinvestitionen – Erwerb von Unternehmen bzw. Beteiligungen oder Immobilienerwerb in unternehmerischer Absicht im Ausland – sowie Portfolioinvestitionen ist wesentlich, dass Länder hohe und andauernde Leistungsbilanzdefizite vermeiden. Denn sonst verlieren diese und dort beheimatete Unternehmen rasch an internationaler Kreditfähigkeit und müssen mit höheren Zinsen und massiver Abwertung der Währung rechnen. Wird der Außenhandel administrativ eingeschränkt, so sind Einkommens- und Beschäftigungsverluste sowie längerfristig wachsender Emigrationsdruck denkbar. Bei Beschränkungen des Kapitalverkehrs droht der Abzug von Auslandsgeldern, und zudem wird das Land Zuflüsse ausländischer Anleger in der Zukunft zu normalen Zinssätzen nicht mehr mobilisieren können; schließlich droht auch illegaler Kapitalexport, also "Kapitalflucht" – sie wurde bei Entwicklungsländern auf 165-200 Mrd. Dollar im Zeitraum 1975-85 geschätzt. In den 90er Jahren dürften Jahreswerte von etwa 100 Mrd. $ relevant gewesen sein, wobei ca. ¼ aus Russland kam. Das Land gerät – häufig durch eigene Politikfehler – in eine Handelsschrumpfungs- und Schuldenfalle. Wegen der hochgradigen internationalen Verflechtung der Finanzmärkte und der Sensibilität der Kapitalströme sowie der internationalen Kreditpyramiden (z.B. US-Bank verkauft Kreditbestände auf dem globalen Finanzmarkt an Banken in der Eurozone) gibt es besondere Anstrengungen, um massive Zahlungsbilanzprobleme und Kreditzahlungsrückstände von Ländern zu vermeiden. Zudem hat die internationale Verflechtung von Finanzmärkten und damit auch die Abhängigkeit vom Ausland auf Seiten der Industrieländer wie der Entwicklungsländer zugenommen (während im Fall der USA 1970 7% der (Bundes)Staatsanleihen in den Händen ausländischer und internationaler Akteure waren, 1988 aber bereits 17%, stieg der entsprechende Anteilswert im Fall Deutschlands von 5% auf 17%). Da auch grenzüberschreitende Finanzinvestitionen in Aktien- H.1 Währungs- und Handelsordnungen 3 märkten zugenommen haben, ergibt sich nach Untersuchungen von Salomon Brothers, dass der durchschnittliche Korrelationskoeffizient zwischen USAktienkursen und den Kursniveaus in anderen wichtigen Aktienmärkten von 0,35 im Zeitraum 1975-79 auf 0,62 in 1985-88 gestiegen ist. Als Folge intensivierten Wettbewerbs in den internationalen Kapitalmärkten sind die Spreads bei Eurowährungsanleihen für verschiedene Währungen Ende der 80er Jahre auf etwa 1/5 ihres Niveaus gesunken; in den 90er Jahren hat sich dieser Trend fortgesetzt; bei den führenden Währungen betrug zu Ende der 80er Jahre im kurzfristigen Bereich der Unterschied zwischen Einlagen- und Kreditzins gut einen Prozentpunkt (Angaben nach IWF, 1991). Handelsaustausch, Kapitalverkehr, Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung sowie die Höhe der Inflationsrate hängen mit vom internationalen Währungssystem ab. Die Weltwährungsordnung ist die Gesamtheit aller Regeln und Institutionen, die den grenzüberschreitenden Handel mit Währungen und Wertpapieren in verschiedenen Währungen beeinflussen. Die wichtigsten Institutionen sind der Internationale Währungsfonds (International Monetary Fund: IMF in Washington DC), die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, Basel) und die Europäische Zentralbank (EZB), die 1999 bei der Weiterentwicklung des Europäischen Währungssystems (EWS, gegründet 1979) entstanden ist. Die älteste Organisation ist die BIZ (gegründet 1930). In einer internationalen Geldwirtschaft werden Güter und Aktiva gegen inbzw. ausländisches Geld getauscht. Den relativen Preis zweier Währungen bezeichnet man als Wechselkurs. Wird eine Abwertung der eigenen Währung erwartet, so steigt die Rendite einer Auslandsanlage und auch der Warenexport expandiert. In Inlandswährung gerechnet steigt bei Abwertung der Wert des Auslandsvermögens bzw. der -schulden. H.2 Währungsordnung Die internationale Währungsordnung setzt Spielregeln für den Handel mit Währungen und die Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten, die naturgemäß mindestens zwei Länder betreffen; von daher ist eine internationale Akzeptanz der Regeln sowie eine Kooperation wichtiger Akteure der Wirtschaftspolitik notwendig (Abb. H.215). Ein internationales Währungssystem, das durch Dominanz oder durch multilaterale Vereinbarungen – mit unverbindlichen oder verbindlichen Regelungen (Institutionen) – festgelegt werden kann, hat drei Merkmale: • Wechselkursregime in verschiedenen Ausprägungen: Floating bzw. flexible Kurse, Dirty Floating, Bandbreitenfixierung bzw. feste Paritäten, Stufenflexibilität, Gleitparitäten (Crawling Peg). Jede Art von Parität beinhaltet die Verpflichtung der Notenbank, durch Interventionen am Devisenmarkt die Parität zu verteidigen (Ankauf von Devisen bedeutet zugleich Ausdehnung der Inlandsgeldmenge; Devisenverkauf bedeutet kontraktiver Impuls auf die Geldmenge); • Art der Währungsreserven: Währungsreserven stellen internationale Liquidität dar und sind notwendig, um am Devisenmarkt intervenieren zu können, um 4 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung ein Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren oder um eine internationale Nettovermögensposition durch Wirtschaftspolitik gezielt aufzubauen (dies könnte auch einfach Privaten überlassen bleiben). Währungsreserven können nur Währungen sein, die von Ländern mit momentanen Leistungsbilanzüberschüssen akzeptiert werden. Im Vertrauen auf die Wertbeständigkeit der Währung werden mehr Güter exportiert als importiert und entsprechend werden von Periode zu Periode Währungsreserven akkumuliert; in Zukunft sollen diese Reserven dem Kauf von Gütern oder Realaktiva im Ausland dienen bzw. temporäre Leistungsbilanzdefizite finanzieren. Gold und Sonderziehungsrechte sowie einige europäische Devisen und der Yen stellen internationale Liquidität im Sinne offizieller Währungsreserven dar. Besteht keine Konvertibilität (Umtauschbarkeit in andere Währungen), so wird dadurch der internationale Handelsaustausch beschränkt. Denn nunmehr wären bilaterale Abkommen hinsichtlich entstehender Überschüsse bzw. Defizite notwendig. Oder die einzelnen Länder würden stets eine ausgeglichene Leistungsbilanz anstreben und müssten hierzu entsprechend auch in den Gütermärkten intervenieren. Denkbar ist, dass auch private Wirtschaftssubjekte – Haushalte, Banken und Unternehmen – über internationale Liquidität verfügten; auf diese aber kann der Staat naturgemäß nicht ohne Weiteres zurückgreifen. Offizielle Währungsreserven können durch Zahlungsbilanzüberschüsse, Kreditaufnahme (Eurokapitalmärkte, andere Notenbanken, IWF), durch Goldförderung und durch Zuteilung von Sonderziehungsrechten entstehen. Ein Land, dessen Währung Reservewährung ist, kann Devisenreserven selbst schaffen (USA nach 1945: Dollar); dies setzt allerdings uneingeschränkte Konvertibilität voraus. IMF-Mitglieder haben das Recht, sich internationale Liquidität im Rahmen so genannter Ziehungen zu besorgen.1 • Mechanismen eines multilateralen Zahlungsbilanzausgleichs: (1) Zahlungsbilanzanpassung (adjustment), z.B. durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen zur Reduzierung der inländischen Absorption C+I+G: bei gegebenem Y verbessert sich dann der Außenbeitrag X-X*; (2) Zahlungsbilanzfinanzierung (finance), wobei durch Devisenmarktinterventionen bzw. Rückgriff auf Devisenreserven und internationale Kredite eine temporäre Finanzierung von Zahlungsbilanzungleichgewichten stattfindet: Durch Glättung des Konsumpfades entsteht ein Nutzen, für eine relative Nachfragereduzierung bzw. eine relative Angebotserhöhung – d.h. einen Anstieg des Produktionspotenzials – wird Zeit gewonnen; (3) Zahlungsbilanzregulierung (compensatory correction), wobei die Wirtschaftspolitik durch selektive Maßnahmen bzw. Protektionismus 1 Eine Kreditaufnahme beim IMF bis zu 1/4 der Quote betrifft die so genannte Reservetranche und entspricht dem Betrag, den das Land zunächst selbst in Gold, SZR oder anderen Devisen einzahlte; daher kann die Reservetranche ohne Auflagen in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus gehende Kreditaufnahmen werden Ziehungen genannt und können bis zu 200 % der Länderquote betragen. Hieran werden aber Bedingungen geknüpft, dass nämlich das jeweilige Land Zahlungsbilanzanpassungsmaßnahmen unternimmt. Spezialfazilitäten sind vom IWF u.a. für Entwicklungsländer mit Handelsbilanzdefiziten und für Länder mit strukturellen Wirtschaftsproblemen zusätzlich zu den normalen Ziehungsrechten bereitgestellt worden. 5 H.2 Währungsordnung die Kapital- und Güterströme beeinflussen will: Maßnahmen zur Erzielung eines kurz- oder langfristigen Nettokapitalimportes implizieren einen Nettogüterimport. Dies gilt aus saldenmechanischen Gründen streng bei flexiblen Wechselkursen. Ein multilateraler Zahlungsbilanzausgleich ermöglicht ein größeres Welthandelsvolumen und mithin ein größeres Weltsozialprodukt (Produktivitätseffekt des Außenhandels), als wenn alle Salden bilateral ausgeglichen werden müssten. Dies war Hauptmotiv der Errichtung der Europäischen Zahlungsunion 1950-58, bei der die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) als Clearing-Stelle einerseits und temporäre Kreditvergabe-Stelle andererseits im westeuropäischen Zahlungsverkehr fungierte. Abrechnungstechnisch wurden die nationalen Währungen auf Basis einer festen Dollarparität (bei fester Goldparität des Dollars) bewertet. Bei der BIZ musste jede Nation nur den Verrechnungssaldo in Devisen bzw. Gold zahlen. Wirtschaftspolitische Anpassungsmaßnahmen bzw. Paritätsänderungen waren erforderlich, um zu verhindern, dass bestimmte Länder permanent (wachsende) Nettoexportpositionen bei Gütern und Dienstleistungen verzeichneten, wobei den Defizitländern die Anpassungslasten auferlegt wurden. INTERNATIONALE WÄHRUNGSORDNUNG entstanden durch Macht/ Dominanz (UK 1870-1919) internationale Vereinbarungen (Konferenzen) 1922-1931 multilaterales, bindendes Vertragssystem, Institutionen (IMF, BIZ) 1945-1978 (Reform IMF-Status); in der EG: seit 1979 EWS WÄHRUNGSSYSTEM Wechselkursregime feste flexible Parität Kurse crawling peg und andere Formen Währungsreserven Gold Devisen SZR Abb. H.1. Internationale Währungsordnung Kriterien für Reservewährung und Konvertibilität Mechanismus für Zahlungsbilanzausgleich a) Anpassung via Geld- und Fiskalpolitik b) Zahlungsbilanzfinanzierung: Reserven/Kredite c) Zahlungsbilanzregulierung: Protektionismus bei Handel und Kapitalverkehr 6 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Von Überschussländern werden als Reservewährung in der Regel nur Devisen von solchen Ländern akzeptiert, die gegenwärtig und in Zukunft eine uneingeschränkte Konvertibilität erwarten lassen: d.h. dass Devisenguthaben gegen Güter und Dienstleistungen des betreffenden Landes eingetauscht werden können. Dies stellt bestimmte Anforderungen an Größe, Stabilität und Wirtschaftskraft eines Landes: Großbritannien im Goldstandard und die USA im Bretton-Woods-System erfüllten die Anforderungen. Ein großes Land mit leistungsfähiger Industrie, stabiler Währung, leistungsfähigen Finanzmärkten und hohem Bestand an Nettoauslandsvermögen (insbesondere Direktinvestitionen) wird bevorzugt in die Rolle eines Reservewährungslandes wachsen. Währungskonvertibilität Güterkonvertibilität (inländische Währung gegen ausländische Währung) (Geld gegen Güter eintauschbar) KONVERTIBILITÄT Inländerkonvertibilität Leistungsbilanzkonvertibilität Kapitalverkehrsbilanzkonvertibilität Ausländerkonvertibilität Leistungsbilanzkonvertibilität Kapitalverkehrsbilanzkonvertibilität Abb. H.2. Arten von Konvertibilität Güterkonvertibilität besagt, dass mit inländischer Währung Güter und Dienstleistungen grundsätzlich unbeschränkt erworben werden dürfen. In einer Marktwirtschaft mit flexiblen Preisen wirkt der Marktpreis als Rationierungs- bzw. Ausgleichsmechanismus, nicht aber etwa als administrative Beschränkung, wie sie in Notzeiten oder in sozialistischen Ländern in Form von Warenbezugsscheinen vorkommt. Güterkonvertibilität setzt voraus, dass ein funktionsfähiges Geldsystem besteht und somit dem Warenangebot ein "begrenzter" Geldbestand gegenübersteht. Letzteres gilt nicht im Fall einer Hyperinflation, bei der inländisches Geld nicht mehr länger Wertaufbewahrungsmittel sein kann, womit auch die Transaktionsmittelfunktion gefährdet wird; zumindest einige Produzenten aus Industrie und Landwirtschaft werden nur noch gegen ausländisches Geld ein Marktangebot erbringen oder aber Kompensationsgeschäfte anstreben. Letzteres ist ein Rückfall in die unproduktivere Naturaltauschwirtschaft und mit enormen Informations- und Transaktionskosten, also mit großen Wohlfahrtsverlusten, verbunden. Währungskonvertibilität bedeutet, dass Forderungen in inländischer Währung in ausländische Währung umgetauscht werden können. Dabei kann nach Ausländerkonvertibilität (nonresident convertibility) und Inländerkonvertibilität (re- H.2 Währungsordnung 7 sident convertibility) unterschieden werden, wobei der ständige Wohnsitz Abgrenzungskriterium ist. Inländerkonvertibilität bedeutet, dass Inländer legal Guthaben – einschließlich Bargeld – in ausländischer Währung halten dürfen. Ausländerkonvertibilität bedeutet, dass ausländische Unternehmen und Privatpersonen (aus Land B) Guthaben in Währung des Inlandes (Land A) unbeschränkt umtauschen können. Derartige Guthaben bzw. Forderungspositionen können grundsätzlich aus Exporten von Gütern und Dienstleistungen sowie laufenden einseitigen Übertragungen herrühren – sie betreffen also die Leistungsbilanz. Andererseits können sie im Zuge früherer oder gegenwärtiger Transaktionen im Kapitalverkehr entstanden sein. Grundsätzlich kann nach der Art der Transaktionen hier zwischen der Leistungsbilanzkonvertibilität (eingeschränkter: Handelsbilanzkonvertibilität) und der Kapitalverkehrskonvertibilität unterschieden werden. In der Realität spielt nicht nur letztgenannte Unterscheidung eine wesentliche Rolle, sondern z.T. werden auch unterschiedliche Beschränkungen für Unternehmen und Privatpersonen vorgenommen. In den IWF-Statuten sind Ausländerkonvertibilität und Leistungsbilanzkonvertibilität vorgesehen, womit primär der internationale Handel gefördert werden soll. Exporterlöse auf Auslandsmärkten können also unbeschränkt in die Währung des Ursprungslandes bzw. anderer Länder umgetauscht werden. Währungsordnungspolitik schafft daher wesentliche internationale Rahmenbedingungen für den Außenhandel. Durch die internationale Währungsordnung wird der Kapitalverkehr – Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen – also weniger geschützt bzw. gefördert als der Außenhandel mit Waren und Dienstleistungen. Da Direktinvestitionen international zum Ausgleich der Grenzprodukte von Realkapital beitragen und somit positive internationale Einkommenseffekte erzeugen sowie infolge konzerninternen Technologiehandels (Transaktionen innerhalb multinationaler Unternehmen) zu Innovation und Diffusion beitragen, bedeuten Konvertibilitätseinschränkungen in Bezug auf Kapitalverkehrstransaktionen weltweite reale Einkommens- und Wohlfahrtsverluste. Konvertibilitätsbeschränkungen sind global wohlfahrtsmindernd. Aus nationaler Sicht sind sie dabei häufig als Mittel gegen ausländischen Einfluss auf die Wirtschaft zu sehen. In der Politik wird etwa das Risiko eines "Ausverkaufs der Wirtschaft" an das Ausland als Problem herausgestellt. Konvertibilitätsbeschränkungen im Dienstleistungs- und Kapitalverkehr – z.B. Umtausch-Beschränkungen bei Gewinnrepatriierung (betrifft Dienstleistungsbilanz) und Disinvestment (Verkauf einer Beteiligung oder des Unternehmens, was die Kapitalverkehrsbilanz betrifft) – führen dazu, dass viele Investitionen von Ausländern von vornherein unterbleiben oder geringer ausfallen als sonst. Ein Land, das als Zielland für Direktinvestoren attraktiv ist, wird bei Konvertibilitätsbeschränkungen bezüglich des Kapitalverkehrs eine Währungsunterbewertung – verglichen mit voller Konvertibilität – erzeugen; damit wird die Exportwirtschaft künstlich stimuliert bzw. in Umfang und Struktur anders ausgerichtet werden, als im Fall voller Währungskonvertibilität. Zu bedenken ist aber, dass bei verstärkter Präsenz von ausländischen Direktinvestoren zumindest zeitweise mit wachsenden Importen von ausländischen Vorprodukten, Kapitalgütern und konzerninternen Dienstleistungen zu rechnen ist, so dass der Aufwertungsdruck, der von Direktinvestitionszuflüssen herrührt, phasenweise gemindert wird. Eine ein- 8 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung geschränkte Kapitalverkehrskonvertibilität wird häufig mit der Begründung vorgenommen, man wolle spekulative Kapitalzuflüsse verhindern: Ein Teil der Portfolioinvestitionen wird hier aus wirtschaftspolitischer Sicht als unerwünscht angesehen. Administrative Beschränkungen des Kapitalverkehrs sind in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch in einer Vielzahl von Industrieländern zu beobachten. Eine spezielle Modifikation der Konvertibilität stellt die in den ersten beiden Jahrzehnten nach 1945 z.T. in Westeuropa und einigen Entwicklungsländern vorgenommene Spaltung des Devisenmarktes dar. Es gibt dann zwei Wechselkurse, wobei Außenhandels- und Kapitalverkehrstransaktionen nach ihren jeweiligen Wechselkursen abgerechnet werden. H.2.1 Konvertibilitätsvoraussetzungen Für die Konvertibilität einer Währung ist eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen, die in von Kriegen, internen Konflikten und Wirtschaftskrisen geschüttelten Ländern nur schwer herzustellen sind. Handelt es sich dabei um Länder mit Auslandsschulden und Schuldendienstproblemen, so muss im Zuge eines Übergangs zur Konvertibilität häufig erst die Auslandsschuldenproblematik angegangen werden, damit das Land einerseits liquide, andererseits überhaupt wieder kreditwürdig auf den internationalen Kapitalmärkten ist. Vor dem Übergang zur Konvertibilität bestehen in der Regel Import- und Exportbarrieren sowie Kapitalverkehrsbeschränkungen und ggf. auch gespaltene Devisenkurse (z.B. für Kapitalverkehr andere Kurse als für Handelsbilanztransaktionen); zudem gibt es häufig einen Devisenschwarzmarkt, wobei der Kurs der heimischen Währung schwächer als offiziell ist. Bei dieser Konstellation ist zunächst eine Abwertung bzw. eine Angleichung von offiziellem und inoffiziellem Kurs anzustreben. Dann erst kann die Konvertibilitätsproblematik mit Aussicht auf Erfolg angegangen werden. Die nachfolgend genannten Probleme lassen sich deutlich beim Übergang zur Konvertibilität in Mittel- und Osteuropa in den 90er Jahren beobachten. Immerhin brauchten auch westeuropäische Staaten zehn Jahre, um nach 1945 wieder Konvertibilität zu erreichen. Mit der Schaffung der Europäischen Zahlungsunion von 1950-58 gelang es, zunächst im Wege eines multilateralen Clearing- und Kreditsystems (organisiert von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) den westeuropäischen Handel multilateral wieder in Gang zu bringen. Die Kernvoraussetzungen für Konvertibilität betreffen: • Grad an Währungssubstitution: Währungssubstitution bezeichnet den Sachverhalt, dass von Inländern für Transaktionszwecke (und dominant für Wertaufbewahrungszwecke) auch Devisen von Ausländern im Inland verwendet werden (z.B. US-Dollar in Ländern Lateinamerikas mit sehr hoher Inflationsrate). Diese häufig zunächst illegale Devisenhaltung kann durch den Übergang zur Inländerkonvertibilität legalisiert und ins heimische Banksystem kanalisiert werden, womit erst die Voraussetzung zu einer wirksamen Geldmengenkontrolle geschaffen wird. Bei Währungssubstitution besteht nämlich die gesamtwirtschaftlich relevante Geldmenge Mg nicht allein aus dem inländischen Geldbestand M, sondern zusätzlich aus eM* (e für Wechselkurs, M* für Auslands- H.2 Währungsordnung 9 währung im Inland): Mg = M + eM*. Konvertibilität verlangt, dass eine stabile Geld-Güterangebotsrelation hergestellt wird und Vertrauen in die Währung bzw. ihre dauerhafte Nützlichkeit entsteht. Bei hochinflationärer inländischer Geldpolitik bzw. anhaltender Abwertung bei Währungssubstitution ist dies ausgeschlossen: Inflationäre heimische Geldpolitik bedeutet eine das Potenzialwachstum übersteigende Trendwachstumsrate von M, die sich in anhaltender Inflation (und entsprechend hoher Umlaufgeschwindigkeit des Geldes) einerseits und einem anhaltenden Abwertungsdruck andererseits niederschlägt (sofern nur Preisniveaustabilität im Ausland herrscht). Hohe oder beschleunigte Inflationsraten π führen zu hohen Abwertungsraten (de/dt)/e. Infolgedessen steigt bei gegebenem Bestand an Auslandswährung M* die inlandswirksame Geldmenge weiter an, so dass bei beschleunigter Inflation sogar die elementarste Form der Konvertibilität, die Güterkonvertibilität, nicht realisierbar ist. Hier droht ein Teufelskreis: Bei hohen Inflationsraten entsteht für die Haushalte eine hohe Inflationssteuerbelastung, wobei via Bargeldhaltung Mc π und via Depositenhaltung Mh(π-i) an Inflationssteuer anfällt. Dabei müssen die Haushalte, um einen gegebenen Realkassenbestand aufrechtzuerhalten, die nominale Kasse M mit der Rate aufstocken, die der Inflationsrate entspricht. In Russland belief sich die Inflationssteuer, die die Haushalte in 1992.II-1992.IV zahlten, auf immerhin 15 % des Bruttoinlandsproduktes und 38 % des Haushaltseinkommens (Angaben nach Russian Economic Trends, 1994/1 Special Report No. 1). Hingegen unterliegen die Unternehmen zwar auch einer "Inflationssteuer", aber zugleich sind sie durch großzügig vom Staatsbankensektor zugeteilte Kredite auch die Begünstigten: Der Nominalzins i unterschreitet meist die Inflationsrate. Wenn pro Einheit nominales Sozialprodukt wegen der Entwertungsrate der Kassenbestände π>0 eine relativ verminderte Geldhaltung gewünscht wird, so erhöht sich die Umlaufgeschwindigkeit V=(PY)/M. • Höhe der Währungsreserven (Vertrauensproblem): Nur wenn für konjunkturund zufallsbedingte Schwankungen bei Exporterlösen bzw. beim Importwert genügend Devisenreserven vorhanden sind, um zumindest kurzfristig eine Zahlungsbilanzfinanzierung zu betreiben – bis dann Anpassungsmaßnahmen vorgenommen werden und wirken –, kann Vertrauen in die Konvertibilität bestehen. Daher sind Devisenkredite im Ausland oder beim IMF aufzunehmen und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass durch realwirtschaftliche Anpassung und ggf. dank realer Abwertung und Expansion des Produktionspotenzials Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschaftet werden können. Eine wiederholte nominale Abwertung bei Währungssubstitution ist aber problematisch, zumal diese Abwertung bei anhaltendem Inflationsdruck kräftig ausfallen muss. Andernfalls steigt der reale Wechselkurs P/(eP*) schon bald wieder an. • Anpassungsgrad an internationale Preisstruktur (potenzieller Preisarbitragedruck): Wenn die internen Preise wesentlich höher als die Weltmarktpreise sind, so käme es bei Außenhandelsliberalisierung und Übergang zu Konvertibilität zu massiven Importsteigerungen, die rasch zum Abschmelzen der Devisenreserven führen würden. Sind inländische Preise niedriger als die Weltmarktpreise, so steigen die Exporte stärker. Im Inland könnte es zu Versorgungsmängeln kommen. Bei Freihandel wird Arbitrage im Übrigen auch das Absen- 10 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung ken von inländischen Preisen bei handelsfähigen Gütern erzwingen, die zunächst oberhalb des Weltmarktpreisniveaus lagen. Sofern der Staat dank "überhöhter" Preise (bei Staatsunternehmen bzw. dank hoher Verbrauchssteuereinnahmen) ursprünglich sein Haushaltsdefizit begrenzen konnte, so droht mit dem Übergang zum Freihandel ein wachsendes Haushaltsdefizit. Wird eine Monetisierung bzw. inflationäre Geldpolitik als Folge dessen befürchtet, so ist die Konvertibilität wiederum gefährdet. Vor dem Übergang zur Konvertibilität ist der weitgehende Abbau eventuell bestehender Nachfrageüberschüsse durch Preisliberalisierung und Stimulierung der Produktion sinnvoll. • Frage des Wechselkursregimes: Wenn flexible Kurse eingeführt werden oder zumindest eine hohe Kursflexibilität herrscht, so können Kursänderungen eine wesentliche gesamtwirtschaftliche Anpassungsfunktion übernehmen. Angemessene Reserven sind dann nicht unbedingt erforderlich, denn im Idealfall bringen einmalige Kursreaktionen den Devisenmarkt zum Ausgleich. In einer hochinflationären Ausgangssituation besteht aber das Risiko eines Teufelskreises von Abwertung-Inflation-Abwertung. Wiederholte Abwertungen bei Währungssubstitution sind aber höchst kritisch, und zudem werden dann bei einer erwarteten Abwertungsspirale Währungssubstitution, Kapitalabflüsse und Kapitalflucht drohen. Denkbar ist eine zunächst starke Abwertung in Verbindung mit einer drastischen "Härtung" der Geldversorgung: Etwa indem man eine feste Währungsparität gegenüber der ausländischen Währung eines Landes mit Preisniveaustabilität vereinbart. Gegebenenfalls kann sogar eine "Currency-Board-Lösung" eingeführt werden, bei der die Inlandsgeldmenge nur in dem Maße expandiert, wie die Devisenreserven zunehmen. • Höhe des Wechselkurses (real und nominal): Ein "zu niedriger" Wechselkurs bzw. eine hohe Abwertungsrate werden dazu führen, dass das Ausland inländische Kapitalgüter unter dem langfristigen Kaufkraftparitätenkurs – zu Schleuderpreisen – erwerben kann. Dann dürfte eine Außenhandelsliberalisierung politisch kaum durchhaltbar und die in der Regel erwünschte Modernisierung der Wirtschaft durch ausländisches Kapital unmöglich sein. Eine Überbewertung wiederum würde die Exportwirtschaft bremsen und einen Importsog begünstigen. Wird ein zu hoher realer Wechselkurs P/(eP*) im Rahmen eines Festkurssystems bei anhaltend hohem internen Inflationsdruck zugelassen, so steigt die Relation von inländischem Preisniveau zu Importpreisniveau, was zu steigenden Nettoimporten (plus Beschäftigungsverlusten und Steuereinnahmeverlusten), der Antizipation einer Abwertung und mithin alsbald zu einer Zahlungsbilanzkrise führen wird (Chile z.B. erlebte eine reale Aufwertung um 30% in 1978-81). Da die Weltmarktpreise der Exporte für eine kleine offene Volkswirtschaft gegeben sind, bedeutet ein Anstieg des inländischen Preisniveaus bei festem Wechselkurs einen "Salami-Effekt" beim Exportsegment: Es werden letztlich bei im Ausland niedrigeren Inflationsraten im Zeitablauf immer mehr Exportindustrien unprofitabel und praktisch scheibchenweise vom Weltmarkt bzw. insgesamt der Überlebensschwelle abgehackt. Damit ergibt sich auch ein verminderter Diversifizierungsgrad in der Produktion und eine größere Schockanfälligkeit. Den Weg aus Zahlungsbilanzkrise und erhöhter Arbeitslosigkeit kann eine reale Abwertung via nominale Abwertung ermöglichen – dann aller- H.2 Währungsordnung 11 dings mit einem typischen neuen Inflationsbeschleunigungseffekt: Es droht ein Teufelskreis von Abwertung-Inflation-Abwertung. Dabei führt eine Abwertungsspekulation häufig zu einem durch einen Kreditnachfragesog bewirkten inländischen Realzinsanstieg mit negativen Effekten sowohl im Sektor der handelsfähigen wie im Sektor der nichthandelsfähigen Güter. Bei Überbewertung der Währung lohnt es sich, zusätzliche kreditfinanzierte Importe zeitlich vorzuziehen und Exportwaren-Lager kreditfinanziert aufzustocken. • Internationales Zinssatzdifferential: Wenn der Zins im Inland keine positive Realverzinsung in Höhe des internationalen Realzinssatzes erbringt, so wird es zu massiven Kapitalabflüssen kommen. Die Devisennachfrage wird zum Zweck legalen Kapitalexportes oder illegaler Kapitalflucht rasch steigen, so dass die Aufrechterhaltung der Konvertibilität gefährdet ist. Folglich wäre die Schaffung eines leistungsfähigen internen Bankensystems unter Wettbewerbsbedingungen wesentliche Voraussetzung für dauerhafte Konvertibilität; solange dies nicht geschehen ist, sind Kapitalverkehrsbeschränkungen praktisch unvermeidlich. • Auslandsschuldenproblematik: Bei hoher Auslandsverschuldung besteht die Gefahr, dass bei Zinsschocks (internationale Zinserhöhungen) wegen steigender Zinszahlungen rasch das Vertrauen in die Konvertibilität der Währung verloren geht. Umschuldungsverhandlungen vor dem erklärten Übergang zur Konvertibilität können notwendig und sinnvoll sein. Im Fall großer Länder stellen sich besondere Probleme, denn bei Konvertibilität und Außenhandelsliberalisierung (in Verbindung mit Abwertung) ist zwar mit einem Ansteigen der Exporte zu rechnen, aber ein erheblicher Verfall der terms of trade ist denkbar, so dass die außenwirtschaftlichen Konvertibilitäts- und Liberalisierungsfortschritte zunächst zu einem Wohlfahrtsverlust führen könnten. Bei starkem Wachstum der Exporte werden die Exportpreise relativ zu den Importpreisen sinken. Zahlungsunion Der politisch bedingte Zerfall von großen Ländern (z.B. Österreich-Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg, UdSSR 1991) führt dazu, dass aus nationalem Handel internationaler Handel wird und eine wachsende Devisenknappheit entsteht. Eine derartige Devisenknappheit ("Dollarlücke") bestand auch nach dem Zweiten Weltkrieg im kriegszerstörten Westeuropa, zumal in fast allen Ländern Nachfrageüberschüsse herrschten, die bei einseitigem Übergang zur Konvertibilität zum Abzug von Devisenguthaben durch importhungrige Länder führen mussten: Der frühe britische Versuch (1947) der Wiederherstellung der Konvertibilität des Pfund Sterling scheiterte. Bei Zerfall von Staaten kommt es einerseits aufgrund politischer Diskriminierung bzw. Intervention (z.B. diskriminierende öffentliche Auftragsvergabe mit Präferenz zugunsten nationaler Hersteller) zu einem Rückgang der räumlichen Austauschbeziehungen; andererseits droht eine Handelsschrumpfung wegen wachsender Devisenknappheit. Offizielle Devisenreserven müssen aus dem Vorsichtsmotiv – als Liquiditätspolster – gehalten werden. Zudem sind Devisen zur 12 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Überbrückung längeranhaltender Leistungsbilanzungleichgewichte in dem Maße notwendig (Solvenzproblem), wie keine ausreichenden Kapitalimporte bzw. Auslandskredite zur Verfügung stehen. Eine Zahlungsunion, bei der die 12 GUSStaaten sich auf Clearing und Kreditvergabe auf Basis einer festen Kursrelation ihrer Währungen gegenüber einer OECD-Währung (z.B. US-Dollar oder Euro) verständigen müssten, hätte das Liquiditäts- und Solvenzproblem zunächst auch ohne vollen Übergang zur Konvertibilität gelöst. Für die Ex-UdSSR, bei der das intrasowjetische Handelsvolumen der 15 Republiken im Verhältnis zum internationalen Handel etwa 4:1 in 1989 betrug, hätte der Übergang auf Abrechnung in konvertibler Währung beim völligen Zerfall der Rubelzone immerhin die Notwendigkeit zur Verfünffachung der Devisenreserven beinhaltet.2 Um etwa hinreichend US-Dollar zu akkumulieren, hätte jede der Republiken temporär steigende Nettoexporte gegenüber den OECD- und Schwellenländern erzielen müssen; oder aber man hätte bei unverändertem Devisenbestand eine Fünftelung des regionalen Handelsvolumens mit katastrophalem Rückgang der Wertschöpfung in den komplementär spezialisierten Ex-UdSSR-Republiken hinnehmen müssen. 1992 verließen die baltischen Staaten die Rubelzone, später vorübergehend auch andere Staaten den GUS-Verbund. Lösung des Vertrauensproblems durch Currency Board Bei der Schaffung einer konvertiblen Währung gibt es stets ein massives Vertrauensproblem, wenn die Öffentlichkeit glauben soll, dass die inländische Geldmenge nur relativ begrenzt expandieren wird. Fehlt die politische Kraft zur Schaffung einer stabilitätsorientierten Notenbank mit relativer politischer Unabhängigkeit, so bietet sich die Schaffung eines Currency Board an: Auf Basis eines festen Wechselkurses gegenüber einer stabilen Währung wird die Geldmenge nur insoweit ausgedehnt, wie die Devisenreserven zunehmen. Das bedeutet eine 100%Devisendeckung der inländischen Geldmengenexpansion (Beispiel Estland 1992; Litauen 1994). H.2.2 Leitwährungsland Die Position eines Leitwährungslandes ist mit Macht, aber auch mit besonderer Verantwortung verbunden. Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik im Leitwährungsland setzt bei fixen Paritäten andere Länder unter Druck, auch eine solche zu betreiben. Wird die Stabilitätsorientierung aufgegeben, so droht eine weltweite Inflation im Festkurssystem, oder ein Zerbrechen dieses Systems. Als Eigenschaften, die für ein Leitwährungsland erforderlich sind, gelten: 1. Unbeschränkte externe Konvertibilität seiner Währung; 2. Stabilität der Währung, also geringe Inflationsrate; 2 Auf eine Zahlungsunion konnten sich die GUS-Staaten aber zunächst nicht verständigen. Vielmehr erzielte Russland, das vor allem Rohstoffe nur noch gegen Hartwährung an GUS-Partnerländer lieferte, bei stark sinkenden Importen und weniger stark sinkenden Exporten einen Handelsbilanzüberschuss von 16 Mrd. $ in 1993. H.2 Währungsordnung 13 3. Hinreichende Tiefe der nationalen Finanzmärkte, die eine kompetitive Anbieterstruktur aufweisen müssen. Dies gewährleistet bei effizienter Bankenaufsicht eine marktgerechte Verzinsung und ein breites Anlagespektrum, so dass es für Ausländer interessant wird, zu Zwecken der (spekulativen) Vermögensanlage und Risikostreuung die Währung des Landes bzw. Aktiva in der Währung des Landes zu halten; 4. Vertrauen des Auslands in Güterkonvertibilität, was bei hinreichend großen Ländern i.d.R. unterstellt werden kann; so hat die Schweiz die Rolle eines Reservewährungslandes erreicht, kommt allerdings als Leitwährungsland kaum in Frage. Die USA nach dem Zweiten Weltkrieg und zuvor Großbritannien (uneingeschränkt vor dem Ersten Weltkrieg) spielten die Rolle eines Leitwährungslandes. Seit Ende des 21. Jahrhunderts gibt es eine Leitwährungstriade – US-Dollar, Euro, Yuan. In Europa fand in den 80er Jahren eine häufige Anbindung von Währungen an die DM bzw. Ende der 90er Jahre an den Euro statt, insbesondere in den osteuropäischen Transformationsländern. In Lateinamerika und Asien dominierte der Dollar, während der Yen nur eingeschränkt eine Führungsrolle in Asien spielt. H.2.3 Der Goldstandard Ein historisch wichtiges Währungssystem war der Goldstandard. 1821 erfolgte in Großbritannien der Übergang zum Goldstandard, der intern die offizielle Ablösung des Bimetallismus (Silber cum Gold bei fester Wertrelation) bedeutete. De facto gab es schon nach 1717 einen britischen Goldstandard. Allerdings wurde erst durch die Peelsche Bankakte von 1844 eine Umtauschpflicht der Bank von England gesetzlich verankert und mithin der Goldstandard offiziell eingeführt. Dem Greshamschen Gesetz entsprechend, wonach bei Festkursen das überbewertete (schlechtere) Geld das gute verdrängt, wurde das Silber vom Gold verdrängt. Großbritannien formte und beherrschte das internationale Währungssystem. Denn die Pfundparität zum Gold war stabil, die britische Wirtschaft industriell und mit London als Weltfinanzzentrum führend. Der Goldstandard schuf mit der Goldwährung und festen Paritäten zum Gold günstige Voraussetzungen für die Expansion von Handel, Kapitalverkehr und Realeinkommen. Es herrschten stabile Paritäten, und dank – weitgehendem – Freihandel bestand intensiver internationaler Wettbewerb; zugleich lagen dank des freien Kapitalverkehrs die Realzinssätze in Europa recht eng beieinander (1 Prozentpunkt Differenz), was für eine hohe Effizienz der Kapitalmärkte und der Kapitalallokation spricht. Erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts lagen die langfristigen Realzinssätze in Europa wieder ähnlich nahe beieinander. England etablierte einen Goldstandard, der von anderen Ländern nach 1875 nachgeahmt wurde. 1876 bis zum Ersten Weltkrieg war die Blütezeit des internationalen Goldstandards. Zahlungsbilanzsalden wurden durch internationale Goldzahlungen bzw. -transaktionen ausgeglichen, wodurch geldangebotseitige und dann makroökonomische Anpassungsmechanismen ausgelöst wurden. (Zufällige) Goldfunde und die Entwicklung der Fördertechnologie spiel- 14 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung ten für das weltweite Goldangebot neben dem Goldpreis eine wichtige Rolle; Alternative zur monetären Goldverwendung war die Nutzung von Gold für industrielle Zwecke sowie als Schmuck. Frankreich gründete 1865 die Lateinische Münzunion zur Aufrechterhaltung des Bimetallismus, von dem man aber dann später abging. In den USA gab es – getrieben von den scharfen Interessensgegensätzen zwischen Silberminenbesitzern und Goldminenbesitzern – lange Auseinandersetzungen um die Währungsordnung. 1900 erfolgte der Übergang zum Goldstandard. In Deutschland ging man offiziell 1876 mit der Gründung der Reichsbank (1875) – und durch Zugriff auf französisches Gold (fünf Mrd. "Reparationen" Frankreichs nach dem deutsch-französischen Krieg von 1871) – auf den Goldstandard über. In Deutschland galt der Goldstandard auf Basis eines Proportionalsystems, das eine Drittel-Deckung des Noten- bzw. Geldumlaufs durch Gold vorsah; denkbar wäre auch ein Fiduziärsystem, das eine Sockelbetragsdeckung vorsieht (England). Der Goldstandard wurde realisiert in der Hochblüte des internationalen Freihandels 1870-1913, als die Märkte – bei noch unbedeutendem Dienstleistungssektor bzw. geringem Sektorumfang nichthandelsfähiger Güter/Dienstleistungen – in Europa bzw. Nordamerika hochintegriert waren. Da Kartelle in Europa noch unwesentlich waren (im Gegensatz zur Zwischenkriegszeit im 20. Jahrhundert), funktionierte die internationale Preisarbitrage über einen weiten Bereich von Gütern. Der Arbitragemechanismus stellt auch einen international einheitlichen Goldpreis sicher bzw. impliziert eine feste Austauschrelation der Währungen. Aus der Goldparität zweier Währungen ergibt sich der damalige Wechselkurs: 1 kg Gold = 2.790 deutsche Mark bzw. 1 Gramm Gold = 2,79 M. 1 kg Gold = 136,57 britische Pfund, was als Parikurs 1 Pfund = 20,43 M ergibt. Goldtransportkosten, -handelskosten und -versicherungskosten plus entgangener Zinsertrag ("Gesamtkosten b") bestimmen die Bandbreite der Währungskurse, wobei die Goldarbitrage unmittelbar wirkt. Sinkt der Pfundkurs etwa auf 20 M/Pfund, so lassen sich risikolos folgende Geschäfte machen: Man kaufe englische Pfund auf dem Devisenmarkt, hier 1 Pfund für 20 Mark; das Pfund Sterling wird der Bank of England gegen 1/136,47 kg = 7,3222 g Gold verkauft, das Gold nach Deutschland importiert. Hier erhält man von der Reichsbank beim Verkauf 7,3222 mal 2,790 Mark = 20,43. Aus 20 Mark wurden 20,43. Umgekehrte Überlegungen gelten, wenn der Pfundkurs über den Parikurs steigt, z.B. auf 21 Mark/Pfund Sterling. 15 H.2 Währungsordnung e DD0 SS 0 C e‘‘ Goldexportpunkt b E b e‘ D Goldimportpunkt Devisen Abb. H.3. Der Goldstandard Bezeichnet man die Transaktions-Gesamtkosten (inkl. Opportunitätskosten) für das Goldäquivalent von 1 Pfund mit b, so ist mit Goldparität minus b der Goldimportpunkt erreicht: Wenn der Pfundkurs den Parikurs um mehr als b unterschreitet, also den Goldimportpunkt ("unterer Goldpunkt") unterschreitet, besteht ein starker Anreiz zu Goldimporten; Pfundbeträge werden in beliebigem Umfang nachgefragt, so dass die Devisennachfrage unendlich elastisch wird. Es besteht ein Anreiz für Goldexporte, wenn der Pfundkurs den Parikurs um mehr als b Mark überschreitet, d.h. den "Goldexportpunkt" (oberen Goldpunkt) überschreitet: Gegen Gold wird man bei der Bank von England beliebig viel Devisen kaufen und auf dem Devisenmarkt anbieten. Die Angebotskurve wird also unendlich elastisch. Es ergibt sich mithin eine ökonomisch bestimmte – durchaus variable, etwa zinsbestimmte – Abweichungsmarge nach oben und unten für die Goldparität. Die "automatische" Zahlungsbilanzanpassung im Goldstandard erfolgt durch eine internationale Umverteilung der Goldreserven und entsprechende gegenläufige Geldmengenänderungen im In- und Ausland (Geldmengen-Preismechanismus). Es besteht eine Tendenz zu einem stabilen Preisniveau (siehe Abb. H.218.). Sieht man bei Land I die Schritte 1A und 6A zusammen, so besteht längerfristig eine Tendenz zur automatischen Stabilisierung des Preisniveaus. Es ergibt sich eine automatische Tendenz zum Zahlungsbilanzausgleich, sofern nicht die Verbindung zwischen 3B und 4B durch eine Neutralisierungspolitik abgeschwächt wird: Z.B. könnte das Ausland von einer bestehenden Proportionaldeckung von 1/3 zu einer von 1/4 übergehen, so dass der Goldabfluss eine geringere Geldmengensenkung, ja unter Umständen sogar eine Erhöhung der Geldmenge bedingt. Denkbar ist eine Abschwächung des Automatismus auch dadurch, dass zuvor eine Goldüberdeckung erzielt wurde, die man bei Zahlungsbilanzdefiziten abschmelzen 16 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung lässt; dies ist solange möglich, bis die gesetzliche Mindestdeckungsvorschrift erreicht ist. GELDMENGEN-PREISMECHANISMUS Land I Land II (Ausland) 1A: Preisniveausenkung (z.B. durch technischen Fortschritt oder internen Nachfragerückgang) 2A:Außenbeitrag steigt 2B: Außenbeitrag sinkt 3A: Goldzuflüsse 3B: Goldabflüsse 4B: Geldmengensenkung 4A: Geldmengenerhöhung 5B:Geldmengensenkung, die 5A:Positiver Realkasseneffekt und gesamtwirtschaftlich kontraktiv via reale Geldangebotserhöhung bewirkt Nachfragesenkung wirkt 6A:Preisniveauerhöhung 6B:Preisniveausenkung was nach unten flexible Löhne und Preise bedingt Zahlungsbilanzausgleich Abb. H.4. Anpassungsmechanismus im Goldstandard Der Goldstandard beinhaltet einen gewissen Automatismus des Zahlungsbilanzausgleichs, der allerdings in der Realität nur mit Einschränkung funktionierte (EICHENGREEN, 1985). Die Währungsordnung Goldstandard verlangt, dass (1) die beteiligten Länder freien Goldverkehr zwischen den am System beteiligten Ländern zulassen, (2) der Goldwert der nationalen Währung (die Goldparität) zwecks Erwartungsstabilisierung bzw. Verhinderung spekulativer Kapitalströme "unwiderruflich" festgelegt wird und (3) die Länder bereit sind, Gold zur Goldparität anzukaufen und zu verkaufen. Die Bank von England setzte damals ggf. zinslose Kredite für Goldimporteure ein, um hinreichende Goldbestände sicherzustellen. Zudem bleibt auch das Instrument der Diskontpolitik, um Kapitalimporte und -ex-porte zu beeinflussen. Die Spielregeln verlangten, die Goldkonvertibilität einzuhalten und die Stabilität des Wechselkurses zu verteidigen. Goldzuflüsse oder Goldabflüsse – bei Zahlungsbilanzungleichgewichten – setzen Anpassungsmechanismen in Gang, die automatisch wieder zum Zahlungsbilanzgleichgewicht führen. Veränderungen der Geldmenge und des Goldbestandes werden sich beim Proportionalsystem strikt gleichgerichtet entwickeln; es sei denn, es fände eine systemwidrige Neutralisierungspolitik statt. Die Geldmengenentwicklung wiederum bestimmt die Preisniveauentwicklung, wobei die Preise nach oben und unten flexibel sind. Gemäß Quantitätstheorie bzw. der Fisher-Gleichung MV = PY wird bei gegebenem Sozialprodukt Y und konstanter Umlaufgeschwindigkeit V durch M dann P bestimmt. H.2 Währungsordnung 17 Einkommenseffekte Ergänzend zu betrachten – wie im Keynesianischen System – sind Einkommenseffekte (z.B. Exporte steigen, also erhöht sich Y, also C(Y) etc.); der Geldmengen-Preismechanismus wird abgeschwächt, aber er wirkt grundsätzlich. In der Realität funktionierte der internationale Goldstandard zufriedenstellend, wenn man die lange Periode mit konstantem Preisniveautrend bedenkt. Ein Spielraum für binnenwirtschaftliche Stabilisierungsziele existierte kaum, da eine Dominanz externer Anpassungserfordernisse bestand. Der Goldstandard stellt ein Wechselkurssystem mit festen Paritäten bei relativ hoher Kapitalmobilität dar. Aus keynesianischer Sicht gilt für die Analyse der Effizienz von Geld- und Fiskalpolitik (siehe Kapitel B). Zwischenkriegszeit Nach dem Ersten Weltkrieg waren die USA Hauptgläubigerland der Welt und Großbritanniens Macht und wirtschaftliche Stärke waren relativ gemindert. Eine Wiederherstellung der Pfund-Parität (zum Gold) war angesichts starker Preissteigerungen in England ökonomisch nicht gerechtfertigt und ließ sich nur durch Deflationspolitik durchsetzen. Ausgehend von einem vor 1914 gleichgewichtigen realen Wechselkurs P/(eP*) des Pfund Sterling gegenüber dem Dollar hätte der starke inländische (britische) Preisniveauanstieg im Krieg eine Abwertung des nominalen Kurses erfordert. Das US-Preisniveau (P*) war nur mäßig gestiegen. Großbritannien litt seit 1923 an Massenarbeitslosigkeit. 1925 erfolgte die Rückkehr zur Vorkriegspfund-Parität (das betraf alle Sterling-Block-Länder), sechs Jahre später eine 30%-Abwertung und die Aufgabe des Goldstandards. 1922 fand in Genua eine Weltwirtschaftskonferenz statt, an der die USA nicht teilnahmen. Es kam zur Empfehlung eines Übergangs zu einem GoldDevisenstandard, d.h. dass ausländische Währungen Reservemedium sein könnten. Die USA hatte gerade 1922 eine Zollerhöhung durchgeführt, sechs Jahre nachdem England mit dem McKENNA-Zoll vom Freihandel abgekehrt war. 1927 folgte eine weitere Genua-Konferenz (Völkerbund als Initiator) mit einem Aufruf zur Abkehr von Zollerhöhungen und mengenmäßigen Importbeschränkungen. 1930 erfolgte aber in den USA die Einführung des hochprotektionistischen SMOOT-HAWLEY-Tariffs. Der internationale Zollerhöhungs- und Abwertungswettlauf verschärfte sich – mit verheerenden Folgen für Welthandel, Einkommenswachstum und Beschäftigung. Es kam zur Aufhebung der Konvertibilität in vielen Ländern, insbesondere auch in Lateinamerika und Osteuropa. Insgesamt war die Zwischenkriegszeit in Europa von starken Wechselkursschwankungen und monetären wie realen Instabilitäten gekennzeichnet, die z.T. natürlich Spätfolgen der inflationären Kriegsfinanzierungen und der Kriegszerrüttungen selbst waren. Der auf Kosten der Nachbarländer gehende Abwertungswettlauf ("beggar my neighbour policy") war in Europa ein wichtiges Problem, für einige Länder auch das Problem der Abwertungs-Inflations-Spirale – insbesondere Frankreich, das auf flexible Kurse setzte. Auf den Goldstandard folgte also nach dem Ersten Weltkrieg der Golddevisenstandard. Bei diesem restaurierten Standard dienten Gold und Devisen – einige 18 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung wenige europäische Währungen plus der US-Dollar – als Reserveaktiva der Notenbanken, so dass aufgrund entsprechender Gesetze eine willkürliche Geldmengenexpansion unter normalen Umständen ausgeschlossen war. Der Golddevisenstand galt 1922-1931 (völliger Kollaps 1933), woran sich eine Phase währungspolitischer Unordnung und Unsicherheiten in den 30er Jahren anschloss. Abwertungswettläufe, Protektionismus, Versuche zu regionaler Blockbildung durch Deutschland, Frankreich und Großbritannien – in Abkehr vom freien Welthandelssystem – führten zu sinkendem Welthandel und Einkommensverlusten sowie Konvertibilitätsbeschränkungen in vielen hochverschuldeten Ländern Lateinamerikas und Osteuropas. Der Devisenhandel wurde reglementiert und vielfach beschränkt. Wenn Währungen nur noch beschränkt getauscht und ausgeführt (oder eingeführt) werden dürfen und beschleunigte Inflationsverluste eintreten, dann wirken diese monetären Störungen und Unsicherheiten auch negativ auf die realwirtschaftliche Sphäre: auf Handel, Kapitalströme und Einkommen sowie Vermögen. In der Zwischenkriegszeit gab es in einigen Ländern flexible Wechselkurse, die allerdings zeitweise sehr stark schwankten und dabei in Abwertungsphasen für Inflationsdruck sorgten und damit – der Kaufkraftparität folgend – weiteren Abwertungsdruck auslösten. H.2.4 Das Bretton-Woods-System 1944 erfolgte ein Neuanfang mit der Errichtung einer internationalen Währungsordnung – unter Führung der USA. Die USA übernahmen die Verpflichtung, eine Goldkonvertibilität des Dollars zu gewährleisten, was eine stabile Relation von Dollarforderungen außerhalb der USA zu den US-Goldvorräten verlangte. Die Dollarforderungen außerhalb der USA nahmen naturgemäß bei anhaltenden USLeistungsbilanzdefiziten stark zu. Die europäischen Länder bzw. IWF-Mitgliedsländer verpflichteten sich, eine stabile Parität zwischen ihrer Währung und dem US-Dollar aufrechtzuerhalten. Das System funktionierte solange, wie die USA keine exzessiven Leistungsbilanzdefizite über längere Zeiträume hatten und die US-Inflationsrate nicht übermäßig hoch über dem Toleranzniveau europäischer Länder lag. Dies war Ende der 60er Jahre nicht mehr der Fall, denn die Goldvorräte waren relativ gesunken und die US-Inflationsrate aufgrund einer zu expansiven Geldpolitik (zu) hoch – ein Verstoß gegen die Grundsätze von 1945. 1945 wurde das Bretton-Woods-System fester Paritäten eingeführt, das mit Bandbreiten von +/- 1% der europäischen Währungen gegenüber dem US-Dollar de facto bis 1973 galt. Danach erfolgte in den OECD-Ländern der Übergang zum Floating gegenüber dem Dollar (Kanada führte dies bereits in den 60er Jahren durch), während 1979 in der EG mit der Schaffung des Europäischen Währungssystems (EWS) zugleich ein Versuch zur Schaffung stabiler Paritäten in Europa unternommen wurde. Das EWS entstand nach einer instabilen Übergangsphase des europäischen Block-Floatings gegenüber dem Dollar, wobei verschiedene westeuropäische Länder nur zeitweise dem Block anzugehören vermochten. Die europäischen An- H.2 Währungsordnung 19 strengungen zur Erzielung von Währungsstabilität waren insbesondere darauf gerichtet, die Vorteile der EG-Zollunion zu erhalten und zu verhindern, dass über Währungsinstabilitäten bzw. spekulative Attacken auf einzelne Währungen ein Land seine Währungsreserven gänzlich zu verlieren drohte und daher nichttarifäre Handelshemmnisse erwog oder aber eine starke Abwertung vornahm. Dies konnte konkurrierende Abwertungen von Partnerländern nach sich ziehen und konnte bei der Vielzahl von EG-Ländern eine unkontrollierbare Abwertungskette hervorrufen, die weder dem Außenhandel noch den Investitionen eine stabile Entscheidungsgrundlage gegeben hätte. In allen Währungssystemen kommt den Devisenmärkten mit ihrer hohen Reaktionsgeschwindigkeiten langfristig eine wichtige Rolle zu, wobei nach 1945 die internationalen Kapitalbewegungen für die Kursbildung zunehmend an Gewicht gewonnen haben. Das Bretton-Woods-System trat in Kraft auf Basis eines internationalen Abkommens. Freier Welthandel und Konvertibilität waren zunächst nicht erreichbar, da in Europa Großbritannien den Übergang zur Konvertibilität 1947 nach wenigen Monaten aufgeben musste. Die USA akzeptierten, dass Europa eine Anpassungsfrist für den Übergang zur Konvertibilität brauchte. 1958/59 waren, nach dem Zwischenstadium der Europäischen Zahlungsunion, dann die wichtigsten europäischen Länder zur Konvertibilität übergegangen. Die USA garantierten eine Dollar-Gold-Parität von 35 Dollar pro Unze, die anderen Staaten waren zur Paritätsverteidigung bei ihrer jeweiligen Währung verpflichtet. Die USA hielten 1945 3/4 des monetären Weltgoldes, 1960 noch etwa 50 % des monetären Weltgoldes. 1964 waren die Verbindlichkeiten der US-Zentralbank so hoch wie die Goldreserven, 1970 zweimal so hoch. In den 60er Jahren wurde in Europa weitgehend freier Kapitalverkehr erreicht. Erst die Währungsturbulenzen zu Ende der Dekade und zu Anfang der 70er Jahre führten zu neuen Begrenzungen. In der BRD wurde z.B. 1972 die Bardepotpflicht zeitweise eingeführt, wonach zur Abwehr von Kapitalimporten (Kreditaufnahme im Ausland) 40 % zinslos bei der Deutschen Bundesbank – zeitweise sogar 100 % – zu hinterlegen waren. Seit Mitte der 60er Jahre hatten zunächst die Kapitalexporte der USA nach Europa zugenommen, und zwar insbesondere in Form von Direktinvestitionen (Investitionen von multinationalen Unternehmen). Zugleich nahmen die US-Goldreserven in den 60er Jahren ab, was 1968 zur Entscheidung der westlichen Notenbankgouverneure führte, dass Gold nicht länger an Private abgegeben werde (Frankreich hatte unter Präsident De Gaulle in 1965 einen Teil seiner Dollarguthaben in Gold umtauschen und nach Paris bringen wollen). Es kam zu Zahlungsbilanzdefiziten der USA, bedingt durch sinkende Leistungsbilanzüberschüsse und rasch steigende Nettokapitalexporte. Damit stiegen die Dollarguthaben außerhalb der USA an. In der BRD stiegen zwischen Anfang 1970 und Mitte 1971 die Devisenreserven von 3 Mrd. auf 14 Mrd. US-$: Notenbankinterventionen am Devisenmarkt führten dabei über den Ankauf von Devisen zu einer inländischen Geldmengenerhöhung. Ursache für den Dollarstrom nach Europa war einerseits das Inflationsgefälle zwischen den USA und Europa (reduzierte Preiswettbewerbsfähigkeit von US-Exporteuren), andererseits war der Zinssatz in Europa zeitweise höher als in den USA (ein derartiges Zinsgefälle entstand auch 1992/93 als Folge der deutschen Wiedervereinigung). Diese Konstellation zu 20 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Beginn der 70er Jahre vollzog sich bei kritisch niedrigem US-Goldbestand, was spekulative Kapitalbewegungen in Gang setzte: Je höher die erwartete Abwertungsrate des US-Dollars war, desto größer war der antizipierte Wechselkursgewinn bei einer Anlage in DM. Weit verbreitete Aufwertungserwartungen bei europäischen Währungen ließen die Spekulation in eine Richtung laufen und ließen sie gleichzeitig relativ risikolos erscheinen. Um Zahlungsbilanzüberschüsse der USA bzw. eine dahingehende veränderte Erwartung in den Güter- und Kapitalmärkten zu erreichen, wäre eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik in den USA notwendig gewesen. Hierzu konnte sich die US-Administration aber nicht wirklich durchringen. Die Maßnahmen der NIXONAdministration (90tägiger Lohn- und Preisstopp) waren nicht ursachenadäquat. Die verhängte 10%-Importabgabe war lediglich ein weiteres Instrument wirtschaftspolitischen Dirigismus, hinter dem offenkundig die Befürchtung stand, dass freie marktmäßige Anpassungskräfte nicht zu einer Überwindung der latenten Dollarschwäche führen würden. 1971 erfolgte in wichtigen europäischen Ländern der Übergang zum Floating, nicht zuletzt um den spekulativen Kapitalverkehr einzudämmen. Ende 1971 erfolgte durch den Zehnerclub (bei der BIZ) die Entscheidung, den US-Dollar in Bezug auf das Gold abzuwerten (38 statt 35 Dollar pro Unze Gold), die Währung einiger europäischer Länder aufzuwerten und zugleich zu erweiterten Paritätsbandbreiten überzugehen: 2,25 % nach oben und unten. 1973 ergab sich eine erneute Währungskrise. Die BRD griff zu dirigistischen Maßnahmen bezüglich der Kapitalimporte (Kreditaufnahmeverbot im Ausland, Restriktionen für Aktienkäufe von Ausländern, verschärfte Bardepotpflicht). Die Devisenbörsen wurden am 12. Februar 1973 – nach lawinenartigem Zustrom von US-Dollar in die BRD – geschlossen. Als Krisenlösung wurde international eine erneute Abwertung des Dollars gegenüber dem Gold durchgeführt. Letztlich wurde der Übergang zum "managed floating" vollzogen. Damit war die Währungsordnung von Bretton Woods de facto nicht länger existent. Ihre Spielregeln hatten sich in Bezug auf die Erleichterung ungehinderten Güter- und Kapitalverkehrs als disfunktional erwiesen, und von theoretischer Seite waren zahlreiche neue Argumente zugunsten flexibler Wechselkurse vorgetragen worden. H.2.5 Der IWF als Institution Nachdem die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eine Phase der Handelsdesintegration im Kontext von Zollerhöhungen und Abwertungswettläufen – mit erheblichen Negativwirkungen auf Einkommen, Beschäftigung und politische Stabilität – war, reifte in den USA, Großbritannien und einigen anderen Staaten zu Ende des Zweiten Weltkriegs der Entschluss, internationale Organisationen für den Außenhandels- und Währungsbereich zu gründen. Auf einer Konferenz in Bretton Woods wurde 1944 eine Übereinkunft über den Internationalen Währungsfonds von 45 Staaten verabschiedet. Das IWF-Abkommen trat 1945 in Kraft und wurde 1969 (u.a. Schaffung der Sonderziehungsrechte: SZR) und 1978 modifiziert. Neben dem IWF wurde 1945 als Schwesterorganisation für die Entwicklungsfinanzierung die Weltbank (World Bank, Washington DC) gegründet, wäh- H.2 Währungsordnung 21 rend die Havanna-Charta zur Errichtung einer International Trade Organisation am Widerstand des US-Kongresses scheiterte. Ersatzweise wurde das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT, Genf) verabschiedet. Das GATT hat Konsultationen mit dem IWF durchzuführen, wenn es um Fragen der Währungsreserven, der Zahlungsbilanz oder des Zahlungsverkehrs eines Landes mit IMFLändern geht. Angaben und Feststellungen des IWF sind für das GATT verbindlich, was die starke Position des IWF in der Weltwirtschaftsordnung unterstreicht. Die Schwesterorganisation des IWF, die Weltbankgruppe, besteht aus der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), der Internationalen Entwicklungsagentur (IDA, *1960), der International Finance Corporation (IFC, *1956) und der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur (MIGA; *1988). Ziel der Organisationen ist es, den Wachstums- und Entwicklungsprozess in den Entwicklungsländern zu fördern. Mitglied der IBRD kann nur werden, wer als IWF-Mitglied die Verpflichtungen der IMF-Statuten übernommen hat. Mitgliedschaften in IWF und IBRD sind Voraussetzung, um bei der IDA, der MIGA (Ausnahme für die Schweiz) und der IFC Mitglied zu werden. Die IBRD gibt projektgebundene Kredite an Entwicklungs- und Transformationsländer und nimmt zur Refinanzierung selbst kurz-, mittel- und langfristige Kredite am Kapitalmarkt auf oder erhält Mittel über private Platzierungen bei Zentralbanken, Regierungen und anderen Kreditgebern zu festen Zinssätzen. Die IDA verzichtet auf eine marktgerechte Verzinsung und ist daher auf Zuschüsse der IWF-Mitglieder oder Abführungen aus IBRD-Gewinnen sowie periodische Kapitalerhöhungen angewiesen. Die MIGA hat primär das Ziel, ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern zu stimulieren. Zu diesem Zweck bietet sie Garantien gegen nichtkommerzielle Risiken für Auslandsinvestoren. Die MIGA berät die Länder in ihrer Standort- bzw. Wirtschaftspolitik und versucht insgesamt, ergänzend zu bilateralen Investitionsschutzabkommen und privaten Versicherungen Schutz gegen politische Risiken zu bieten. Die IFC versucht in Entwicklungs- und Transformationsländern, private Investitionen durch technische Hilfestellung und Kapitalbeteiligungen zu unterstützen. Historischer Rückblick Ziel des IWF ist es, ein von Devisenbeschränkungen freies und geordnetes internationales Währungssystem zu gewährleisten. Das ursprüngliche IWFAbkommen – auf Basis der von White formulierten US-Vorschläge – errichtete ein System fester Wechselkurse, bei dem alle IWF-Mitgliedsländer ihre Währung gegenüber dem US-Dollar gemäß der festgelegten Parität (mit einer Schwankungsbreite von +/- 1%; ab 1971 +/- 2,25%) zu stabilisieren hatten. Die USA hingegen verpflichteten sich zu einer festen Goldkonvertibilität, wonach eine Parität von 35 Dollar pro Feinunze gelten sollte. Die Wechselkurspolitik wurde als Frage von internationalem Interesse betrachtet und sollte daher unter IWF-Aufsicht stehen. IWF-Mitgliedsländer sind gehalten, mit dem Fonds und den Partnerländern zu kooperieren, um geordnete Wechselkursverhältnisse zu gewährleisten und stabile Kurse ohne "erratische Schwankungen" sicherzustellen. Paritätsänderungen waren nur bei "fundamentalem Ungleichgewicht" in der Zahlungsbilanz zulässig – und nach vorhergehender Beratung mit dem Fonds. Seit der IWF- 22 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Statutenänderung von 1978 sind die Mitgliedsländer zu einer auf Stabilität gerichteten Finanz- und Währungspolitik – als Basis für Wechselkursstabilität – aufgefordert. Seit 1978 kann auch das Wechselkursregime (also fixe Parität, freies Floating, kontrolliertes Floating, Crawling Peg etc.) frei gewählt werden. Seither hat eine Reihe von Ländern eine einseitige Bindung an andere Währungen – z.B. Dollar, Euro, Yen – oder einen Währungskorb (z.B. SZR) vorgenommen. Die 1969 künstlich als Reservemedium geschaffenen Sonderziehungsrechte stellten einen Korb mit den fünf Währungen US-Dollar, D-Mark, französischer Franc, Yen und Pfund Sterling dar. Die folgende Tabelle zeigt einige realisierte Wechselkursregime auf, wobei die große Bedeutung des Floating bzw. größerer Wechselkursvariabilität deutlich wird. Dies gilt zumal, wenn man bedenkt, dass im Rahmen des Europäischen Währungssystems (EWS) – von der DM-Gulden-Parität abgesehen – 1993 Schwankungsbreiten von +/- 15% eingeführt wurden, die an die Stelle der EWSStandardbandbreiten von +/- 2,25% (Ausnahmebandbreite +/- 6%) traten. Tabelle H.1. Wechselkursregelungen der IMF-Mitglieder (Jahreswende 1991/92): Art des Wechselkursregimes Zahl der Währungen Anteil (%) am Welthandel 80 42 11.6 2.1 24 14 4 6 32 1.3 0.3 0.5 0.7 8.8 14 4 10 44.6 1.9 42.7 61 43.8 5 27 29 155 0.5 11.9 31.4 100.0 WÄHRUNG MIT BINDUNG an einzelne Währung darunter a) US-Dollar b) FF c) Sonstige an SZR an Währungskorb WÄHRUNGEN MIT BEGRENZTER FLEXIBILITÄT gegenüber einer Währung gemeinschaftl. Kursregelung(EWS) WÄHRUNG MIT GRÖSSERER FLEXIBILITÄT Anpassung des Kurses nach diversen Indikatoren sonstig kontrolliertes Floating Unabhängiges Floating Insgesamt Quelle: DEUTSCHE BUNDESBANK (1992), S. 12. Bedingungen für die Funktionsfähigkeit eines Währungssystems Ein internationales Währungssystem kann nur funktionieren, wenn im System zumindest folgende Bedingungen erfüllt sind: 1. Konsistente Regeln, die bei den Mitgliedsländern politische Akzeptanz finden. H.2 Währungsordnung 23 2. Fähigkeit des Systems zur hinreichenden Versorgung mit internationaler Liquidität (international allgemein akzeptierte Zahlungsmittel) ist gegeben. Ein wachsender Welthandel erfordert, dass für Zahlungs- und Reservezwecke notwendige Liquidität in wachsendem Maß zur Verfügung steht. 3. Vertrauen in die Stabilitätsorientierung der Geld- und Finanzpolitik des Leitwährungslandes, das als Hauptquelle von internationalen Währungsreserven (Funktion: internationale Liquidität, Wertaufbewahrung) eine inflationäre Geldpolitik unterlassen muss. Andernfalls verlieren die Währungsreserven an Wert, was insbesondere bei einer die Inflationsverluste in der Regel kaum kompensierenden Nominalverzinsung rasch zu einem Umschwenken auf andere wertstabilere Währungen führen könnte. Ein oligopolistisches Weltwährungssystem erfordert erheblichen Koordinierungsbedarf und könnte insbesondere in Krisenzeiten instabil und ineffizient sein. Nur in einem System flexibler Wechselkurse kann weitgehend auf Währungsreserven verzichtet werden. De facto geschieht dies aber kaum. 4. Mechanismen zur Erreichung von Zahlungsbilanzgleichgewichten, so dass dauerhafte Defizitpositionen und damit eine immer größere Auslandsverschuldung von Ländern (relativ zum Bruttoinlandsprodukt) vermieden werden. Bei einem Leistungsbilanzdefizit muss entweder die Absorption – die Summe von Konsum und Investitionen – reduziert werden (damit bei gegebenem Produktionspotenzial eine Erhöhung des Außenbeitrags erfolgt) Alternativ sind im Rahmen einer investiven Absorptionsrestrukturierung sind die inländischen Ausgaben verstärkt auf Investitionen und Innovationen zur wachstumsförderlichen Erhöhung des Produktionspotenzials (insbesondere der Exportwirtschaft) zu richten. Dabei sind nicht nur rechtzeitige und problemadäquate Politikmaßnahmen im Defizitland erforderlich, sondern gegebenenfalls muss auch das Überschussland – in einer einfachen Zwei-Länder-Betrachtung – zum Zahlungsbilanzausgleich durch Anpassungsmaßnahmen beitragen. Da ein Handelsbilanzüberschuss in der Regel allerdings auf eine verbesserte internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen ist, wäre im Interesse einer Stärkung der weltwirtschaftlichen Effizienz- und Wachstumskräfte in der Tat die Hauptlast der Anpassung bei den Defizitländern zu verankern. Nur für den Fall, dass der Handelsbilanzüberschuss künstlich stimulierte Nettokapitalimporte des Auslands (z.B. übermäßige Staatsverschuldung mit präferentiellen Bedingungen für ausländische Anleger) widerspiegelt, wäre eine derartige Rollenzuweisung unzweckmäßig. Nachdem das Bretton-Woods-System fixer Paritäten bis in die frühen 60er Jahre hinein recht gut funktioniert und dabei erheblich zum Wachstum von Außenhandel und Realeinkommen beigetragen hatte, geriet das System Ende der 60er Jahre in eine Krise. Da mit Ausnahme der Schweiz alle westlichen Industrieländer und auch die meisten Entwicklungsländer im IWF vertreten waren, hatte die IWFKrise weltweite Auswirkungen. 1969 kam es zu einer ersten Dollarabwertung, die allerdings wegen der übermäßig expansiven bzw. inflationären US-Geldpolitik nach 1965 und relativ sinkenden Goldbeständen zwingend war. Das Vertrauen in die Wertbeständigkeit des US-Dollars sank. In der Tat musste Präsident Nixon 24 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung 1971 die Goldkonvertibilität des Dollars – die ohnehin zuletzt nur noch gegenüber Notenbanken galt – aufheben. 1973 wurde der Dollar nochmals um 10% abgewertet, aber dies erwies sich als unzureichender Schritt, um am System fester Paritäten festzuhalten. Im März 1973 entschieden sich die EG-Länder für ein gemeinsames Floating gegenüber dem Dollar: Die Periode flexibler Wechselkurse begann. Währungsliberalisierung und Schaffung von Konvertibilität Die nach 1945 bestehenden Beschränkungen des internationalen Zahlungsverkehrs (inkl. mengenmäßiger Kontrollen) und Konvertibilitätsbeschränkungen sind zumindest auf Seiten der meisten Industrieländer aufgehoben worden. Mindestens einmal pro Jahr berät der IMF mit den entsprechenden Mitgliedern über die Notwendigkeit der Fortführung von Beschränkungen – hier liegt der Ursprung der für alle Mitglieder vorgeschriebenen jährlichen Konsultationen. Im Sinne des Artikels VII gilt eine Währung als konvertibel, wenn Zahlungen und internationale Überweisungen für laufende internationale Geschäfte unbeschränkt zugelassen sind (Leistungsbilanzkonvertibilität für Ausländer) sowie eine Verpflichtung bezüglich des Umtauschs der von anderen Ländern angesammelten Bestände seiner Währung übernommen wird. Weitergehend ist der Status der frei verwendbaren Währung nach Art. XXXf. nur US-Dollar, Euro, Yen, Pfund Sterling und Schweizer Franken sind frei verwendbar. H.2.5.1 Kapitalausstattung und Organisation Alle Mitgliedsländer haben eine so genannte Quote, woraus sich ihre Einzahlungspflichten (Subskriptionen), die Ziehungsrechte und die Stimmrechte ergeben. Neu geschaffene Sonderziehungsrechte werden anteilig nach den Mitgliedsländer-Quoten zugeteilt. Ökonomische Kennziffern – Bruttoinlandsprodukt, Währungsreserven sowie die außenwirtschaftlichen Transaktionen und deren Schwankungen – spielten für die ursprünglichen Festlegungen und Änderungen der Quoten eine bestimmende Rolle. Es gibt für jedes Mitglied eine Subskriptionspflicht in Höhe der jeweiligen Quote; gemäß der zweiten Änderung des IMFAbkommens ist 1/4 in Sonderziehungsrechten (zuvor Gold) und 3/4 in Landeswährung einzuzahlen. Statt der SZR-Zahlung kann der IMF auch eine Zahlung in fremder oder eigener Währung erlauben. Alle fünf Jahre werden Quotensumme und Quotengefüge vom IMF überprüft. Die höchsten Quoten hatten 2002 die USA (17,46 % aller SZR). Es folgten Japan und Deutschland (6,26 % bzw. 6,11 %), Großbritannien und Frankreich (je 5,05 %). Entsprechend der Höhe der Finanzierungsleistungen aus der Subskription – Gold, SZR und Fremdwährung plus der vom IMF in der Landeswährung abgerufenen und verwendeten Beiträge – kommt jedem Land ein automatisches Ziehungsrecht (ein Kreditrecht) im Rahmen der "Reservetranche" zu. Das Führungsgremium des IMF ist der Gouverneursrat, wobei jedes der über 160 Mitgliedsländer einen Gouverneur (meist Notenbankpräsident oder für Währungspolitik zuständige Minister) entsendet. Der Rat ist zuständig für die Aufnahme neuer Mitglieder, die Festsetzung oder Änderung von Mitgliedsquoten und H.2 Währungsordnung 25 die Zuteilung neuer Sonderziehungsrechte. Eine Jahresversammlung ist vorgesehen; zwischen den Jahresversammlungen wird ohne Sitzung auf schriftlichem Weg beschlossen. Nach 1972, als die SZR zur offiziellen Recheneinheit im IMF avancierten, wurden besondere Ausschüsse des Gouverneursrats mit der Beobachtung und Weiterentwicklung des Weltwährungssystems befasst. Besondere Bedeutung kommt dem 1974 gegründeten, zweimal jährlich tagenden Interimsausschuss zu, in dem hälftig Vertreter aus Industrie- und Entwicklungsländern sitzen. Die laufende IMF-Geschäftsführung liegt beim Exekutivdirektorium, dem durch den Gouverneursrat alle delegierbaren Kompetenzen zugewiesen wurden. Mitte der 90er Jahre bestand das Exekutivdirektorium aus zweiundzwanzig Direktoren: Fünf Direktoren werden von den Mitgliedern mit den höchsten Quoten ernannt, sechszehn werden alle zwei Jahre durch die Gouverneure der anderen Länder nach regionalen Gruppierungen gewählt; Saudi-Arabien stellt wegen seiner hohen Finanzierungsleistungen einen weiteren Exekutivdirektor. Abstimmungen im Gouverneursrat und im Exekutivdirektorium basieren im Wesentlichen auf der finanziellen Beteiligung: Jedes Mitglied hat 250 Grundstimmen und eine weitere Stimme pro 100000 SZR-Einheiten. Die USA vereinigten 2002 etwa 17,5%, die Zehnergruppe (ohne Schweiz) etwa 53,5% der Stimmen auf sich. H.2.5.2 Hilfe bei Zahlungsbilanzstörungen Ein freier Welthandel kann sich nur ergeben, wenn Zahlungsbilanzungleichgewichte geringfügig und nicht von Dauer sind. IMF-Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten können auf finanzielle Überbrückungshilfen des Fonds zurückgreifen. Hier gibt es Ziehungen in der Reservetranche und in regulären Kreditfazilitäten. Für Entwicklungsländer stehen darüber hinaus auch konzessionäre Zahlungsbilanzkredite zur Verfügung, für die besondere Regeln angewendet werden. Im Rahmen einer Ziehung auf den IMF erwirbt ein Land Devisen oder SZR gegen Hingabe eigener Währung. Dieser Devisenkredit muss durch Rückkäufe der eigenen Währung mit SZR oder vom IMF verwendbaren Devisen getilgt werden. Die Reservetranche entspricht der Quote des Landes und ist daher gebührenfrei. Als Kreditfazilitäten sind Kredittranchen und Erweiterte Fondfazilität plus zwei Sonderfazilitäten (Kompensations- und Eventualfinanzierung sowie Finanzierung von Rohstoff-Ausgleichslagern) verfügbar. Es gibt vier Kredittranchen zu je 1/4 der Quote. Im Rahmen der Erweiterten Fondsfazilität ist seit 1974 auch ein mittelfristiger Kredit mit 4 1/2-10jähriger Laufzeit möglich, während die normalen Laufzeiten 3 1/4 bis 5 Jahre betragen. Solche Ziehungen sind auf 140% der Quote limitiert. Es gab auch temporäre Fazilitäten, die Ausnahmesituationen gerecht werden sollten. So wurden von 1974-76 Sonderfazilitäten eingeführt, damit Länder mit Zahlungsbilanzproblemen infolge der ersten Ölpreisexplosion die Anpassungslasten mindern konnten. Die Mittelaufnahme durch den IMF erfolgte bei den Ölexportländern und (ab 1975) bei zahlungsbilanz- und reservestarken Industrieländern. Mehr als 50 Länder erhielten Kredite im Volumen von knapp sieben Mrd. SZR, wobei die letzten Kredite im Mai 1983 getilgt wurden. Für Transformationsländer wurden besondere Transformationsfazilitäten geschaffen. 26 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Für Entwicklungsländer mit geringem Pro-Kopf-Einkommen gibt es seit 1976 eine Reihe von Sonderprogrammen zu weichen (konzessionären) Bedingungen. Zu Sonderkonditionen werden Zahlungsbilanzkredite im Rahmen der Strukturanpassungsfazilität von 1986 und der ein Jahr später eingeführten Erweiterten Strukturanpassungsfazilität bereitgestellt. Diese zusätzlichen Kredite sollen helfen, langfristige Zahlungsbilanzprobleme zu überwinden und das Wachstum zu fördern. IMF und Weltbank erarbeiten mit dem Land ein mittelfristig orientiertes "Policy Framework Paper" (Rahmenplan), das Basis für dreijährige Strukturanpassungsprogramme ist. Bei der Strukturanpassungsfazilität können Kredite bis zu 70 % der IMF-Quote des Landes in drei Tranchen gewährt werden: 20% im ersten, 30% im zweiten, 20% im dritten Jahr. Bei der Erweiterten Fazilität beläuft sich das Maximum auf 250% der Quote, wobei die Anpassungsmaßnahmen vom IMF überwacht werden; bei der Erweiterten Strukturanpassungsfazilität sind die erwarteten Anpassungsmaßnahmen umfassender als bei der normalen Strukturanpassungsfazilität. In der Regel liegen die tatsächlich in Anspruch genommenen Kredite unterhalb des vereinbarten Fazilitätsvolumens. Einerseits ist denkbar, dass der IMF eine Auszahlung bei Nichteinhaltung von Vereinbarungen stoppt, andererseits kann ein Land aus verschiedenen Gründen auf die Inanspruchnahme von Fazilitäten verzichten. Konditionalität und Zahlungsrückstände Während Ziehungen im Rahmen der ersten Kredittranche und in der Ausgleichslager-Fazilität ohne Auflagen verfügbar sind (lediglich ein Nachweis über beabsichtigte Anstrengungen zur Verminderung der Zahlungsbilanzprobleme ist verlangt), kommt bei anderen Ziehungen ein besonderes Prüf- und Auflagenverfahren zum Zuge. Der IWF stellt Bedingungen an wirtschaftspolitische Anpassungsmaßnahmen im kreditnehmenden Land; dies ist die "Konditionalität", deren Sinn es ist zu sichern, dass das Land im internationalen wie im eigenen Interesse eine tragfähige Leistungsbilanzposition realisiert, die Kreditrückzahlung möglich und die revolvierende Einsetzung der IWF-Mittel gewährleistet wird. Ziehungsrechte in den Kredittranchen und der Erweiterten Fondsfazilität sind begrenzt verfügbare Liquidität. Seit 1984 hat eine Reihe von Schuldnerländern Tilgungs- und Verzinsungspflichten nicht erfüllt. Zahlungsrückstände gegenüber dem Fonds schaffen eine problematische Finanzlage für den Fonds selbst; für das betreffende Land endet damit praktisch die internationale Kreditwürdigkeit. 1988 wurde mit Blick auf diese Länder eine so genannte kooperative Strategie auf Basis dreier Elemente formuliert: Verhinderung neuer Zahlungsrückstände, intensivierte Kooperation zwischen Schuldnerländern, IMF und weiteren multilateralen und bilateralen Finanzinstitutionen zur Ablösung von Zahlungsrückständen und Sanktionen gegen kooperationsunwillige Länder. Wesentlich ist beim Kooperationsaspekt die Bildung einer Gruppe befreundeter Hilfsländer, die Extra-Finanzhilfen zur Ablösung der Zahlungsrückstände leisten, sofern das Schuldnerland ernsthafte Anpassungsbemühungen dadurch dokumentiert, dass ein vom IMF überwachtes, allerdings nicht finanziell unterstütztes Schattenprogramm umgehend realisiert wird. Mögliche Sanktionsmittel bei säumigen Schuldnern sind: Nennung des Landes in einer H.2 Währungsordnung 27 Schuldnerliste im IMF-Jahresbericht, offizieller und publizierter Entzug der Berechtigung zur Nutzung von Fondsmitteln, persönliche Unterrichtung der Leiter ausgewählter internationaler Finanzinstitutionen und öffentliche Erklärung der Kooperationsunwilligkeit, verbunden mit der Androhung zur Einleitung eines IMF-Ausschlussverfahrens. 1997/98 wurde der IMF im Kontext mit der Asienkrise aktiv, die bis 2004 überwunden war. In 2003 spielten Kredite an Argentinien und Brasilien eine besondere Rolle, wobei Argentinien in 2003/04 in große Probleme geriet: Das Currency-Board musste aufgegeben werden, wobei eine unkontrollierte Verschuldungspolitik der Regionen zur Destabilisierung führte. H.2.6 Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Vor dem Ersten Weltkrieg gab es nur gelegentlich effektive Zusammenarbeit der Notenbanken. Die BIZ hat sich als Forum für eine solche Zusammenarbeit entwickelt, obwohl ihr ursprünglicher Zweck ein anderer war, nämlich als Treuhänder bei der Regelung der deutschen Reparationsschulden nach dem Ersten Weltkrieg zu wirken. Auf der Haager Konferenz im Januar 1930 wurde beschlossen, die BIZ mit Sitz in Basel zu gründen. Die BIZ war Treuhänder, Zahlungsagent oder Pfandhalter bei einer Reihe internationaler Anleihen, so auch der Dawes- und der Young-Anleihe im Zusammenhang mit dem deutschen Reparations-problem nach dem Ersten Weltkrieg. Sie hat die Rechtsform einer Aktiengesellschaft und ist eine internationale Organisation mit speziellen Vorrechten und Immunitäten nach Völkerrecht (die BIZ ist allerdings nicht dem schweizerischen Aktienrecht unterworfen). 84% des Aktienkapitals werden von Zentralbanken gehalten, 16% von privaten Anlegern in den USA, Belgien und Frankreich. Bei der Kapitalerstbegebung war nämlich den zeichnenden Zentralbanken und entsprechenden Finanzinstitutionen überlassen, die Aktien der jeweiligen nationalen Ausgabe selbst zu zeichnen oder sie für private Anleger in ihrem Land zur Zeichnung anzubieten. Die Rechte der privaten Aktionäre sind voll dividendenberechtigt, laut BIZ-Statut aber nicht stimmberechtigt. Als BIZ-Organe fungieren die jährliche Generalversammlung und der Verwaltungsrat (mit angeschlossener Direktion) mit den Ex-officio-Mitgliedern Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, den USA und dem Vereinigten Königreich, die jeweils ein zusätzliches Mitglied ihrer Nationalität in den Verwaltungsrat berufen. Hinzu kommen durch Wahl höchstens neun Präsidenten anderer Mitgliedszentralbanken. Der Verwaltungsrat wählt aus seinem Kreis einen Vorsitzenden und beruft den Bank-Präsidenten; beide Ämter sind seit 1948 in einer Person vereinigt. Schließlich ernennt der Verwaltungsrat den Generaldirektor und die weiteren Mitglieder der Direktion. Bei der BIZ finden regelmäßige Treffen der wichtigsten Zentralbankpräsidenten der Industrieländer statt. Ziel der Konsultationen und informellen Kooperationen ist es, geordnete Verhältnisse auf den internationalen Finanzmärkten zu sichern. Eine Schlüsselrolle fällt dabei den Notenbankgouverneuren der "Zehnergruppe" zu. Mit der Errichtung des Bretton-Woods-Systems fixer Wechselkurse hatte die BIZ zunächst eine Rolle als Forum der Zentralbanken, aber auch 28 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung eine wichtige Funktion als Agent bzw. Treuhänder für die Europäische Zahlungsunion 1950-58 sowie bei deren Vorläufer, der multilateralen Zahlungsvereinbarung von 1947-50. Die BIZ war wiederholt Zahlungsagent, Pfandhalter bei internationalen Anleihevereinbarungen und Treuhänder bei der Durchführung internationaler Finanzabkommen. 1973-93 war die BIZ aktiv als Agent des Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit. Die BIZ hatte die Aufgabe, die Salden aus Devisenmarktinterventionen der am EWS-Wechselkursmechanismus beteiligten EG-Zentralbanken zu verbuchen und abzurechnen. In Phasen spekulativer Devisenmarktaktivitäten haben die Notenbankgouverneure auf ihren Treffen in der Periode 1960-71 verschiedentlich konzertierte währungspolitische Aktionen von Zentralbanken beschlossen. Im Rahmen der BIZ wurde 1962 ein Netz von Swapvereinbarungen zwischen den US-Währungsbehörden und verschiedenen Zentralbanken geschlossen. Ziel war die Stärkung des Vertrauens in den Dollar und in die Stabilität des Bretton-Woods-Systems – insbesondere sollte dem System kurzfristige Liquidität (z.B. europäischer Notenbankkredit an US Federal Reserve System) bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden können. 1971 kam es zur Bildung eines Ständigen Ausschusses der Zentralbanken der Zehnergruppe, die über die Expansion der Eurowährungsmärkte besorgt war. Eurowährungsmärkte bezeichnen Fremdwährungseinlagen außerhalb des Währungsursprungslandes (z.B. Dollarguthaben in Europa, Japan, etc.; diese entstanden als Folge der in den 60er Jahren in den USA verhängten Zinsobergrenzen). Seither gibt es periodische Ausschuss-Sitzungen in Basel. EuromarktProbleme (Fehlen eines Lender of Last Resort, Implikationen für verminderte Kontrolle nationaler Geldpolitik), Finanzinnovationen und die Auswirkungen internationaler Verschuldungsprobleme haben den Ausschuss von Zeit zu Zeit beschäftigt. In der BIZ trifft sich auch nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems regelmäßig ein von den Zentralbanken errichteter Ausschuss für Zahlungsverkehrsund Abrechnungssysteme. Die BIZ gibt technische Unterstützung für die Zentralbanken der osteuropäischen Länder und hat sich 1992 an der Errichtung des Wienerschen Schulungszentrums Joint Vienna Institute (zusammen mit EBRD, IMF, Weltbank und OECD) beteiligt. Die Kooperation der Notenbanken der Zehnergruppe wurde auch durch die Vereinbarung deutlich, einen Ausschuss für die Verbesserung der Zusammenarbeit der Bankaufsichtsbehörden einzusetzen: Es gibt seither einen Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (mit BIZ-Sekretariat). Der Ausschuss hat drei Funktionen: • Forum für die Diskussion von bankenaufsichtsrechtlichen Fragen; • zwecks Gewährleistung umfassender Bankenaufsicht wird eine Koordination der Aufteilung der bankenaufsichtlichen Verantwortlichkeit zwischen nationalen Behörden bezüglich der Auslandsniederlassungen vorgenommen. 1983 wurde ein Ausschussbericht (Basler Konkordat) hierzu vorgelegt. Zudem wurden in den frühen 90er Jahren Mindestanforderungen für die Aufsicht über internationale Bankkonzerne und deren Auslandsniederlassungen und -töchter vereinbart; H.2 Währungsordnung 29 • Verbesserung der bankaufsichtlichen Standards, vor allem mit Blick auf Solvenz, damit Bonität und Stabilität des internationalen Bankwesens gefestigt werden. 1988 erfolgte eine Übereinkunft über eine internationale Angleichung der Messung der Eigenkapitalbasis der Banken und die Vereinbarung bestimmter Mindestnormen. Währungspolitische Zusammenarbeit in Europa Die BIZ war 1964-93 Gastgeber für den Ausschuss der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (später EU); der Ausschuss der EG-Zentralbankpräsidenten hatte in der BIZ sein Sekretariat. Im Zeitraum Juni 1973-Ende 1993 war das Sekretariat für den Verwaltungsrat des Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) aktiv, der nach dem Kollaps des Bretton-Woods-Systems gegründet worden war. EFWZ und Ausschuss der EG-Zentralbankpräsidenten sind gemäß dem Maastrichter Vertrag von 1993 zum 1.1.1994 durch das Europäische Währungsinstitut ersetzt worden, das seinen Sitz in Frankfurt/M. hat. Die BIZ führt eine Reihe von Bankgeschäften durch. Dabei spielt die Anlage und Verwaltung von offiziellen Devisenreserven eine erhebliche Rolle. Etwa 100 Zentralbanken hatten Mitte der 90er Jahre Einlagen bei der BIZ. Ende des 1. Quartals 1994 betrugen die Einlagen etwa 110 Mrd. $, also ca. 10% der Weltdevisenreserven. Die BIZ vergibt auch Beistandskredite an Zentralbanken, nicht aber Kredite an Regierungen. Seit der internationalen Schuldenkrise 1982 hat sich das BIZ-Kreditgeschäft erweitert: Die BIZ half Zentralbanken in Osteuropa und Lateinamerika Überbrückungsfinanzierungen bis zur Auszahlung der von internationalen Organisationen (IMF/Weltbank) ausgezahlten Kredite zu erhalten. In der Öffentlichkeit selten im Rampenlicht, hat sich die BIZ zu einer international wichtigen Koordinierungsstelle der Zentralbanken entwickelt. Neben den Frühjahrsund Herbsttreffen beim IMF in Washington DC ist also die BIZ ein wichtiges Forum für die wirtschaftspolitische Meinungsbildung und Strategieabstimmung im Zentralbankenbereich. H.3 Internationale Handelsordnung Länder sind durch Handel mit Waren und Dienstleistungen miteinander verbunden. Man unterscheidet intraindustriellen und Interindustrieller Handel. Interindustrieller Handel ist der Austausch spezialisierter Güter (Land I exportiert etwa Agrarprodukte, Land II Industriewaren). Intraindustrieller Handel bezeichnet hingegen den Handel mit ähnlichen Waren (Land I exportiert Kleinwagen, Land II Luxus-Pkws). Der Anteil des Intraindustriehandels am Gesamthandel liegt für ärmere Länder bei etwa 25%, für reichere Länder bei etwa 60%. Bei internationalem Austausch von Gütern und Dienstleistungen ist es für einen unverzerrten Wettbewerb einerseits notwendig, dass nicht durch Verträge zwischen privaten Wirtschaftssubjekten (Unternehmen bzw. Nachfrager aus einzelnen Ländern) der Wettbewerb beschränkt wird. Andererseits gilt es zu verhindern, 30 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung dass Staaten durch tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse den internationalen Wettbewerb verfälschen. Je größer der Kreis handelsfähiger Güter und Dienstleistungen, desto wichtiger ist eine globale Handelsordnung und ein System kompatibler nationaler Wettbewerbsordnungen. Wesentlich für eine effiziente internationale Handelsordnung ist, dass alle Güterarten abgedeckt sind, Regeln konsistent, multilateral, transparent und glaubwürdig gesetzt werden und der Grad an nationaler Protektion regelmäßig untersucht, quantifiziert, veröffentlicht und auf Regelkonformität untersucht wird. Global destruktive Subventions-, Protektionsund Abwertungswettläufe sind im Interesse der internationalen Vorteile der Arbeitsteilung zu vermeiden. Die Weltexporte setzten sich 1993 zu 2/3 aus Warenexporten und 1/3 Dienstleistungen und Übertragungen zusammen (vgl. Tabelle H.31). Tabelle H.2. Zusammensetzung der Weltexporte Waren Dienstleistungen Übertragungen Kapitalerträge Kommerzielle Dienstleistungen Transport Reiseverkehr Sonstige Übrige Dienstleistungen 1980 75,4 1985 70,2 1990 66,1 1991 65,6 1992 65,7 1993 65,7 24,6 9,9 29,8 13,3 33,9 16,3 34,4 16,6 34,3 15,7 34,3 15,1 13,3 4,7 3,9 4,8 15,1 5,1 4,2 5,8 16,5 4,7 5,0 6,8 16,7 4,6 4,9 7,2 17,6 4,6 5,2 7,8 18,2 .. 5,5 .. 1,4 1,4 1,1 1,1 1,0 1,0 Quelle: BIZ (1994), Jahresbericht Ein erheblicher Teil des Außenhandels in Nordamerika und Westeuropa ist intraregionaler Handel, d.h. Handel zwischen benachbarten Ländern. In Westeuropa betrug der Anteil des regionalen Warenhandels (Durchschnitt aus intraregionalen Anteilen bei Export und Import) 1928 51 %, 1990 sogar 72 %. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, als Westeuropa in ökonomisch-politisch rivalisierende Blöcke zerfiel, aber nur 49 % (vgl. auch Tabelle H.30). In Nordamerika erreichte der Anteil des Regionalhandels 1990 31%, in 2003 etwa 40%. Der Anteil des extra-regionalen Handels (Handel relativ zum Bruttoinlandsprodukt) lag mit 13% etwas höher als in Westeuropa. Insgesamt ist also Westeuropas Abhängigkeit vom Weltmarkt so gesehen weniger bedeutend als im Fall Nordamerikas. Von daher könnte Westeuropa weniger an globalem Freihandel interessiert sein als Nordamerika. Bedingt durch den sozialistischen RGW stieg der Intraregionalhandel in Osteuropa zwischen 1950 und 1990 sehr stark an. Afrika und Lateinamerika vermochten – anders als Asien – kaum bedeutenden Intraregionalhandel zu entwickeln. 31 H.3 Internationale Handelsordnung Tabelle H.3. Trends der Regionalisierung im Warenhandel AFRIKA 1)Intra-Anteil 2)Intra-Index 3)Intra/BIP 4)Extra/BIP KANADA und USA 1)Intra-Anteil 2)Intra-Index 3)Intra/BIP 4)Extra/BIP LATEINAMERIKA u. KARIBIK 1)Intra-Anteil 2)Intra-Index 3)Intra/BIP 4)Extra/BIP ASIEN 1)Intra-Anteil 2)Intra-Index 3)Intra/BIP 4)Extra/BIP WEST-EUROPA 1)Intra-Anteil 2)Intra-Index 3)Intra/BIP 4)Extra/BIP OST-EUROPA 1)Intra-Anteil 2)Intra-Index 3)Intra/BIP 4)Extra/BIP WELT gesamta 1)Intra-Anteil 2)Intra-Index 3)Intra/BIP 4)Extra/BIP 1928 1938 1958 1979 1990 10 2,37 6 54 9 1,73 4 46 8 1,38 4 42 6 1,24 3 46 6 2,48 3 46 25 2,59 3 8 23 2,91 2 6 32 3,07 3 6 30 3,63 6 14 31 3,5 6 13 11 1,37 5 40 18 2,3 5 25 17 1,95 5 25 20 3,8 5 21 14 3,53 4 24 46 2,61 15 17 52 2,83 16 8 41 3,15 11 16 41 2,77 11 16 48 2,31 14 15 51 1,13 17 17 49 1,14 12 12 53 1,38 18 16 66 1,57 32 16 72 1,60 33 13 19 4,36 6 24 14 2,61 3 22 61 7,62 15 10 54 7,88 22 18 46 10,88 19 23 39 1,85 9 15 37 1,39 7 12 40 2,65 9 13 46 2,64 16 19 52 2,63 17 16 32 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung H.3.1 Das GATT und die Welthandelsorganisation Vor der Entstehung des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) 1947 wurden die internationalen Handelsbeziehungen durch Dominanz – vor allem Großbritanniens – sowie bilaterale Vereinbarungen bestimmt. Unter dem Druck Großbritanniens wie unter dem Eindruck wirtschaftlicher Erfolge bei Außenhandelsliberalisierung entschlossen sich zwischen 1860 und 1914 zahlreiche Länder zu einer Liberalisierung der Außenwirtschaftsbeziehungen. In der Zwischenkriegszeit kam es hingegen zu einem internationalen Zollerhöhungswettlauf und zu Abwertungswettläufen. Insgesamt fehlte international angesichts der verlorenen britischen Dominanz und des politischen Isolationismus der neuen wirtschaftlichen Führungsmacht USA eine liberale ordnungspolitische Leitfigur. Mit der Gründung des GATT und seiner Nachfolgeorganisation World Trade Organisation (seit 1995) wurde internationale Ordnungspolitik durch Organisationen vorgenommen (im währungspolitischen Bereich sind der IWF und die Weltbank zu zählen). Dabei ist anzumerken, dass im formalen Sinn das GATT keine supranationale Organisation darstellt, sondern nur ein Regierungsabkommen – de facto aber wirkte das GATT wie eine internationale Organisation. Der US-Kongress verweigerte der Havanna-Charta, mit der eine International Trade Organization gegründet werden sollte, die Zustimmung, so dass ersatzweise das GATT als Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1948 in Kraft trat. Internationale Abkommen binden nur Regierungen. Keineswegs können Bürgerinnen und Bürger direkt im Klagewege die Einhaltung internationaler Verträge erreichen, es sei denn, dass Verträge unmittelbar Gesetz sind (Beispiel: EGVerträge, deren wettbewerbsrelevante Bestimmungen natürlichen und juristischen Personen in der EU Klagemöglichkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof eröffnen). GATT-Regeln sind insbesondere für kleine Länder ein Weg, um sich möglicher Willkür großer Länder zu entziehen (z.B. Importkontingenten bei Rezessionen). Schließlich hat das GATT den Vorteil, dass es de facto als internationale Organisation Länder multilateral über bestimmte Verfahren dauerhaft zusammenwirken lässt. Im GATT kommt die Einsicht zum Ausdruck, dass Importbeschränkungen weder einem Land noch der Weltwirtschaft nützen. Importe sind häufig Vorprodukte, so dass bei verteuerten Importen auch die Exporte der Güter zurückgehen werden, die solche Vorprodukte enthalten. Wenn das Ausland Exportmärkte verliert, sinkt dort das Sozialprodukt, woraufhin weniger importiert wird. Importbeschränkungen vermindern daher automatisch auch die Exporte eines Landes. Bei flexiblen Wechselkursen gilt dies auch deshalb, weil Importbeschränkungen zu einer Aufwertung führen, die die Exporte verteuert. Ziele und Grundsätze des GATT Gemäß GATT-Präambel ist Zielsystem des Abkommens, den Lebensstandard, die Beschäftigung, die realen Einkommen und die Versorgung mit Ressourcen über ein möglichst von Handelsbeschränkungen freies Welthandelssystem zu verbessern. Diesem allgemein ausgedrückten internationalen Interesse stehen allerdings nationale Zielprioritäten zeitweise möglicherweise entgegen, so dass hier Zielkonflikte drohen. H.3 Internationale Handelsordnung 33 Die Grundsätze des GATT sollen den Welthandel als wechselseitig vorteilhaftes Netzwerk dauerhaft fördern, so dass Anreize für eine Befolgung der GATTRegeln entstehen sollen. Es wird eine Konsistenz mit dem IMF-Statut angestrebt, das ja im internationalen Zahlungsverkehr handelsrelevante Regeln verankert hat: Die Kooperation mit dem IMF bezüglich Zahlungsbilanzfragen ist explizit verankert (Art. XV). Die Vertragsparteien haben sich verpflichtet, nicht durch Maßnahmen im Zahlungsverkehr den Zweck der GATT-Bestimmungen oder durch Protektionsmaßnahmen das Ziel des IMF-Abkommens zu untergraben; denn mengenmäßige Importbeschränkungen könnten durchaus auch durch Devisenrestriktionen im Zahlungsverkehr erreicht werden. Mengenmäßige Importrestriktionen zur Zahlungsbilanzstützung durch ein GATT-Land sind insbesondere nur dann zulässig, wenn der IMF bestätigt, dass Zahlungsbilanzschwierigkeiten bestehen. Länder, die nicht IMF-Mitglied sind, haben mit den Vertragsparteien im GATT ein Sonderabkommen über Zahlungsverkehr abzuschließen, das im Kern ähnliche Verpflichtungen ausspricht wie das IMF-Abkommen. Der IMF bezieht sich seit 1989 in seinen regelmäßigen Länderanalysen gemäß IMF-Statut (Art. IV) auf den im GATT verankerten Trade Policy Review Mechanism, der eine periodische Analyse der Handelspolitik der Vertragsparteien beinhaltet. Das GATT hat das Ziel, zu einem Zollabbau und einer Verminderung von anderen Handelsbarrieren sowie zur Beseitigung von Diskriminierungen im internationalen Handel beizutragen. Das GATT gab ein Regelwerk für den internationalen Handelsverkehr vor, das bestimmte Grundsätze beinhaltete: • Meistbegünstigungsklausel bzw. Regel der Nichtdiskriminierung: Handelserleichterungen (z.B. Importzollreduzierung; so genannte Konzessionen) sollen nicht ausgewählten Handelspartnern, sondern allen Ländern zugute kommen; temporäre Handelsbeschränkungen sollen demnach ebenfalls allgemeiner Art sein. Eine Ausnahme besteht für den Fall der regionalen Wirtschaftsintegration, wie sie etwa bei einer Zollunion besteht, bei der die Unionsländer untereinander Freihandel vereinbaren, aber gegenüber Drittländern einen gemeinsamen Außenzoll festlegen. Regionale Wirtschaftsintegration fördert zwar zunächst den Intra-Unionshandelsaustausch auf Kosten von Handel mit Drittländern ("Handelsablenkung"). Doch könnten die Wachstumsgewinne einer Zollunion (oder einer regionalen Freihandelszone, bei der die Länder divergente Außenzollsätze haben) langfristig auch für den Drittlandshandel Expansionsimpulse ("Handelsschaffung") bedeuten. • Reziprozität: Mit Liberalisierungsmaßnahmen eines Landes A zugunsten der Länder B-Z wird die Erwartung verbunden, dass auch die anderen Länder allgemeine Liberalisierungsmaßnahmen vornehmen. Nach Art. 38 (GATTAbkommen) sollen Zollverhandlungen auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen, und Art. 19 geht von gleichwertigen Zugeständnissen aus. Zwar könnte auch eine einseitige Liberalisierung Wohlfahrtsgewinne im Liberalisierungsland bringen, aber der Reziprozitätsgrundsatz erzeugt einen heilsamen weltweiten Druck auf Liberalisierung hin. Da die moderne Außenwirtschaftstheorie – bei Berücksichtigung von Faktormobilität und realen Marktunvollkommenheiten – zeigt, dass Protektionismus national durchaus wohlfahrtserhöhend sein kann, global aber wohlfahrtsmindernd ist, muss der Reziprozitätsgedanke als 34 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung besonders wichtig gelten. Andernfalls könnten gerade große Länder mit internationaler Marktmacht (Weltmarktpreise sind nicht als Datum gegeben, sondern verändern sich bei veränderten Import- oder Exportmengen) versuchen, einseitige Vorteile durch Importbeschränkungen zu erreichen. • Verbot von Exportsubventionen: Exportsubventionen eines Landes verschlechtern die Exportmöglichkeiten anderer Länder, so dass möglicherweise nicht die Unternehmen mit komparativen Vorteilen den Weltmarkt bedienen, sondern die aus den Ländern mit den geduldigsten und "ergiebigsten" Steuerzahlern, denn Subventionen müssen finanziert werden. • Verminderung von nichttarifären Handelsbarrieren: Ziel des GATT war der Zollabbau und naturgemäß die Verhinderung wirkungsgleicher nichttarifärer Handelshemmnisse. Zu den problematischen GATT-Bereichen zählt der Agrarhandel, der allerdings Mitte der 90er Jahre nur gut 10% des Welthandels ausmachte; darüber hinaus der Handel mit Dienstleistungen, die etwa 1/3 des Welthandels und mehr als die Hälfte des Weltsozialprodukts repräsentierten; schließlich intellektuelle Eigentumsrechte und damit zusammenhängend der internationale Transfer von geistigem Eigentum (TRIPS), handelsrelevante Vorschriften bei Direktinvestitionen (z.B. vom Gastland festgesetzte Exporterfordernisse) sowie das Ausufern nichttarifärer Handelshemmnisse in Verbindung mit außerhalb der GATT-Regeln fallenden Grauzonenmaßnahmen (z.B. Selbstbeschränkungsabkommen). Kritisch wird bisweilen die Übermacht der großen Handelsmächte gesehen, die – insbesondere im Fall der USA – immer wieder versuchen, bilaterale Zugeständnisse bei großen Handelspartnern zu erzielen. Allerdings gilt es zu bedenken, dass gerade kleine Länder im Wesentlichen nur dank der GATT/WTO-Regeln einen gewissen Schutz vor handelspolitischer Willkür und Diskriminierung genießen. In den ersten Zollrunden – Genf: 1947, Annecy: 1949, Torquay: 1950/51, Genf: 1956 und 1961/62 – sind wechselseitige Zollzugeständnisse Tarifposition für Tarifposition langwierig durchverhandelt worden. In der Kennedy-Runde (1964-67), der Tokio-Runde (1973-79) sowie der Uruguay-Runde (1986-94) wurde statt der selektiven Zollsenkungsmethode eine lineare Strategie verfolgt, wonach alle Zolltarifpositionen bzw. bestimmte Blöcke eine lineare Zollsatzsenkung um einen festgelegten Prozentsatz vorzunehmen hatten. Das GATT hat im Bereich mengenmäßiger Beschränkungen eine Reihe von Kodizes verabschiedet, die allerdings nur für die Vertragsparteien gelten, die dem jeweiligen Kodex beigetreten sind. Für fast jeden Kodex gibt es zur Überwachung der Regeleinhaltung eingesetzte Konsultations- und Schlichtungsorgane, die eine Konsensfindung bzw. Konfliktlösung ermöglichen sollen. Es gibt einen Kodex über Subventionszahlungen und Ausgleichszölle, einen Zollwert-Kodex, einen Kodex für öffentliche Beschaffungen bzw. Regierungsaufträge, einen Kodex über die Verminderung technischer Handelshemmnisse (Normen), einen Importlizenzen-Kodex und die Neufassung des 1967 vereinbarten Antidumping-Kodex. Ex- und Import von Waren dürfen nicht durch Verbote oder Restriktionen in Form von Kontingenten, Ex- oder Importbewilligungen oder in anderer Form behindert werden. Ausnahmen gelten, wenn: H.3 Internationale Handelsordnung 35 • im Inland eine kritische Knappheit bei Lebensmitteln oder anderen wichtigen Waren verhindert werden soll; • Normen oder bestimmte Handelsvorschriften durchgesetzt werden sollen; • Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen erforderlich sind (Maßnahme nach Art. XX kann ohne Zustimmung und Notifizierungspflicht erfolgen); • Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit erforderlich sind (Art. XXI); • Maßnahmen zum Schutz von Landwirtschaft und Fischerei ergriffen werden (Art. XI, 2); • ein Zahlungsbilanzgleichgewicht gesichert werden soll (Art. XII); • oder wenn ein Entwicklungsland Protektion für Aufbau und Förderung der Wirtschaft vornimmt. Von dem auch bei Ausnahmen anzuwendenden Grundsatz der Nichtdiskriminierung darf ein Land nur abweichen, wenn Restriktionen aus Zahlungsbilanzgründen beim Import verabschiedet, fortgesetzt oder verschärft worden sind und diese dieselben Effekte bei laufenden internationalen Geschäften haben wie Zahlungs- und Transferbeschränkungen (Art. XII, XIII, XIV, XV,6). Diese zahlungsbilanzorientierten Bestimmungen entsprechen Art. VIII und XIV des IWF-Statuts. Es gibt eine Ausnahmeklausel und eine Suspendierungsklausel („Waiver"), wonach ein Land unter bestimmten Umständen von den GATT-Verpflichtungen abweichen darf. Kommt es in einem Land zu derart hohen Importmengen bei einem bestimmten Gut, dass der inländischen Industrie ernsthafter Schaden entsteht oder zu entstehen droht, dann kann die Vertragspartei gemäß Art. XIX ausnahmsweise Importbeschränkungen für die betreffende Ware vornehmen (escape clause). Eine Suspendierung (Waiver) ist möglich, falls eine 2/3-Mehrheit der abgegebenen Stimmen – und diese Mehrheit muss mehr als die Hälfte der Vertragsparteien beinhalten – eine Entbindung von bestimmten Pflichten für eine Vertragspartei ausspricht. Nach der Uruguay-Runde ist ein Waiver nur noch mit 3/4-Mehrheit möglich, und eine vereinbarte Ausnahmeregelung muss befristet sein. Instrumente des GATT Es gibt als Instrumente zur Durchsetzung der Regeln Konfliktregelungsmechanismen, mit denen eine Eskalation und Proliferation von protektionistischen Maßnahmen verhindert werden soll. Zudem können nach bestimmten Verfahrensregeln auch Retorsionszölle als Vergeltung verhängt werden. Entscheidend für das Beibehalten von liberalen Handelsregelungen dürfte aber längerfristig die internationale Erfahrung von Freihandelsländern sein, dass man gerade bei liberalisierten Importen und Exporten ökonomische Vorteile bzw. relativ hohe Wachstumsraten realisiert. Soweit die Ökonomik mit ihren bewährten Freihandelstheorien durch Politikberatung und Simulationsrechnungen die Vorteilhaftigkeit liberaler Wirtschaftsbeziehungen argumentativ untermauert, kann auch die Wirtschaftswissenschaft eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Abwehr von protektionisti- 36 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung schen Strömungen geht. Bei jeder Rezession und im Gefolge von wachsendem Nationalismus hat Protektionismus Konjunktur. Bevor eine GATT-Vertragspartei oder mehrere Länder Vergeltungsmaßnahmen („Retorsionen") durchführen dürfen, um auf diese Weise Druck zur Durchsetzung von GATT-Beschlüssen zu erzeugen, sind in strittigen Angelegenheiten Konsultationen vorgesehen. Erst wenn Konsultationen aus Sicht einer Vertragspartei keine befriedigende einvernehmliche Regelung ergeben, so besteht das Recht, zwecks Schlichtung den Fall einem zuständigen Ausschuss (z.B. für Subventionen, Antidumping-Praktiken) vorzulegen. Der Ausschuss kann eine Expertengruppe („panel") einsetzen und ggf. eine oder mehrere Vertragsparteien ermächtigen, die Erfüllung von Verpflichtungen auszusetzen. H.3.2 GATT, WTO und Welthandelsrunden Hauptgründe für die Ingangsetzung der Uruguay-GATT-Runde war, dass Mitte der 80er Jahre bereits für fast die Hälfte des Welthandels die Meistbegünstigungsklausel aus diversen Gründen nicht angewendet wurde und nichttarifäre Handelshemmnisse besonders im Rahmen der Industriepolitik – Subventionen als Stichwort – und der Agrarpolitik (350 Mrd. US-$ an Agrarsubventionen in der OECD in 1992) zugenommen hatten. Insbesondere hatten sich auch Ansätze von Bilateralismus (besonders von Seiten der USA) verstärkt, die zu Lasten der Produzenten und Verbraucher in Drittstaaten gingen. Außerhalb des GATT-Abkommens wurden schließlich auch zulässige Selbstbeschränkungsabkommen im Export verstärkt angewendet. In der Uruguay-Runde wurden nicht nur Fragen des Warenhandels, sondern auch Probleme des Agrarhandels (hier bildete sich die Cairns-Gruppe) behandelt, wo vor allem die USA Kürzungen der internen Landwirtschaftssubventionen und der Exportsubventionen forderten. Darüber hinaus wurden Fragen des im GATT ursprünglich nicht behandelten Dienstleistungshandels, Probleme handelsbezogener Direktinvestitionsregelungen von Gastländern (z.B. Exportverpflichtungen) und Fragen der Sicherung intellektueller Eigentumsrechte (TRIPS) sowie einige umweltrelevante Handelsfragen verhandelt. Als besonders wichtig erscheint in einer Weltwirtschaft mit zunehmenden F&E-Intensitäten (F&E-Ausgaben relativ zum Bruttoinlandsprodukt), dass durch verbesserte intellektuelle Eigentumsrechte die Möglichkeiten für internationalen Technologietransfer bzw. den Handel mit innovativen Produkten verbessert und der Innovationsanreiz gestärkt worden ist. Schließlich wurde das Multifaserabkommen (MFA) im Rahmen einer schrittweisen Anpassung revidiert, das ursprünglich von den USA als bilaterales Textilimportbegrenzungsabkommen 1974 etabliert wurde und dann vom Länderkreis her zu einem immer umfassenderen Quotensystem geworden war. Dabei gelten mengenmäßige Importbeschränkungen unter wohlfahrtsökonomischen Aspekten als besonders schädliche Form der Protektion. Weil Zollsätze den Preismechanismus nicht beeinträchtigen, sind sie als relativ unschädliche Staatsinterventionen mengenmäßigen Restriktionen vorzuziehen. H.3 Internationale Handelsordnung 37 Statt nach der ursprünglich auf vier Jahre angesetzten Verhandlungszeit wurde nach acht Jahren eine Reihe von Konsenspunkten erfolgreich verabschiedet, wobei die Entwicklungsländer erstmals erhebliche Zollkonzessionen gaben. Das GATTSekretariat erwartete aufgrund der Liberalisierungen einen langfristigen weltweiten Einkommensgewinn von 235 Mrd. $ bzw. einen Handelsanstieg um 20% gegenüber 1992 (Handelserhöhung um ca. 750 Mrd. $). • Die Industriegüterzölle der Industrieländer sollten von 6,3% auf durchschnittlich (ohne Gewichtung) 3,9% bis 1999 sinken; bei Textilien wird der Zollsenkungsprozess etwas länger andauern. Der Prozentanteil zollfreier Einfuhren an den gesamten Industriegüterimporten der Industrieländer wird sich von 20 auf 43% erhöhen. Produkte mit Spitzenzöllen von über 15% werden nur noch 5% – zwei Punkte weniger als vor der Uruguay-Runde – ausmachen. • Zölle auf Industriegütereinfuhren sollten in den Industrie- und Entwicklungsländern sinken, und zwar um 37-38%. Die Zolleskalation, wonach mit dem Grad der Weiterverarbeitung der Zollsatz steigt, wird vermindert, was eine technologische Höherentwicklung und Diversifikation der Entwicklungsländerproduktion erleichtern kann. • Die Europäische Union, Japan, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Hongkong, Südkorea und Singapur sind die Länder, die einen kompletten Zollabbau für zehn Produktgruppen zugesagt hatten. • Bei 72% ihrer Tariflinien bei Industrieprodukten dürfen Entwicklungsländer (LDCs) ihre Zollsätze nicht mehr unilateral über ein festgelegtes Niveau anheben, womit der Anteil der Importprodukte mit Zollbindung um 50%-Punkte gesteigert wurde. Der Anteil der Importgüter mit Zollbindung wurde in etwa auf ca. 60% vervierfacht. • Beim Agrarhandel wurde vereinbart, bis 2001 – in Entwicklungsländern bis 2005 – eine partielle Liberalisierung durchzuführen, wobei nichttarifäre Handelshemmnisse in Zollsätze umzuwandeln sind. Dies geschieht auf Basis der Divergenzen zwischen Inlandspreis (dem um 10% gesteigerten EUInterventionspreis im Fall der EU) und Weltmarktpreis im Zeitraum 1986-88. In den Entwicklungsländern sind die Zollsätze um 24%, in den Industrieländern um 36% zu vermindern. Wenn allerdings der Importpreis unter den durchschnittlichen Importpreis 1986-88 sinkt, dann können Zusatzzölle verhängt werden. Gleiches gilt für den Fall, dass die Importvolumina bestimmte, relativ niedrige Schwellenwerte übersteigen. • Die vom MFA abgedeckten Produkte werden schrittweise den GATT-Regeln unterworfen, und zwar sollten ab 1995 mindestens 16 % des Importvolumens – mit Basisjahr 1990 – im Rahmen der GATT-Regeln abgewickelt werden. 1998 und 2002 sollten weitere 17% bzw. in 2002 weitere 18% der Importe liberalisiert und die Restquoten beschleunigt angehoben werden. Bis 2005 ist die Resthälfte – 49% des Importvolumens – in das GATT-Regelwerk einzubinden. Seitens der Entwicklungsländer kann durch das Auslaufen des MFA und anderer Importrestriktionen im Textilbereich mit Handelsgewinnen von 40-50 Mrd. $ gerechnet werden, während die Verbraucher in den OECD-Ländern Preissenkungen um 5% erwarten können. 38 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung • Bei den handelsbezogenen Eigentumsrechten (Patente, Urheberrechte, Handelsmarken etc.) wurden die Eigentumsrechte weltweit verbessert. Für Industrieländer galt eine Übergangsfrist bis 1996, während Entwicklungs- und postsozialistische Transformationsländer bis 2000 eine Frist zur Anpassung der internen Gesetzgebung haben sollten; für die ärmsten Entwicklungsländer gelten Übergangsfristen bis 2006. Bei Konflikten ist der integrierte Streitschlichtungsmechanismus des GATT zu nutzen. • Erstmals wird der Dienstleistungshandel (1000 Mrd. $ in 1993) in einem Abkommen über Dienstleistungshandel (GATS) multilateralen Freihandelsprinzipien unterstellt. GATS und GATT wurden gemeinsam mit anderen Verträgen und Kodizes von der neuen World Trade Organization (WTO) übernommen. Im GATS wurde das Prinzip der Inländerbehandlung bekräftigt, das sicherstellen soll, dass ausländische Investoren wie inländische Unternehmen im Gastland behandelt werden. Damit wird eine Diskriminierung vermieden. Die Meistbegünstigungsklausel gilt, kann allerdings um 10 Jahre hinausgeschoben werden. Zulässige Schutzmaßnahmen für Krisensituationen sind noch zu regeln. Ausnahmen bei der Inländerbehandlung gelten bei Finanzdienstleistungen; zudem sind die USA hier von der Anwendung der Meistbegünstigung befreit. Im Telekombereich sollen ausländische Anbieter aus Mitgliedstaaten bei Basis-Diensten Zutritt zu den öffentlichen Netzen erhalten, während im Medienbereich wegen des USA-EU-Konflikts kein Konsens über einen freien Marktzugang erzielt werden konnte. Bei öffentlichen Ausschreibungen gilt die Meistbegünstigung nicht. • Antidumping-Maßnahmen müssen nach dem neuen Abkommen striktere Regeln befolgen, was den Schadensnachweis im Importland angeht. Antidumping-Maßnahmen müssen spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten auslaufen, es sei denn, dass eine Überprüfung nachweist, dass bei Aufhebung der Maßnahme neuerliche erhebliche Schädigungen einer Industrie zu erwarten sind. Nicht behandelt wird allerdings der Fall, dass Dumping von Industrien aus Land B in Land A zur Schädigung der Position von Industrien aus C vorgenommen wird (internationale ruinöse Konkurrenz); wenn in A keine entsprechende Industrie existiert, dann besteht gemäß GATT keine Möglichkeit gegen ein derartiges strategisches Dumping mit Verkauf unter Grenzkosten bzw. zu geringeren Preisen als im Erzeugerland vorzugehen. • Die Anwendung von Schutzklauseln ist neu geregelt worden, und zwar mit dem Ziel, die in der Praxis verbreiteten Grauzonenmaßnahmen freiwillige Export-Selbstbeschränkungsabkommen (Voluntary Export Restraint: VER) und Marktabkommen (Orderly Market Arrangement: OMA) zurückzudrängen. VERs und OMAs sind auf Export- und Importseite nunmehr explizit untersagt. Bestehende Maßnahmen dieser Art sind binnen vier Jahren abzuschaffen bzw. in GATT-konforme Regelungen umzuwandeln. In einem neuen Subventionsabkommen sind Optionen für Ausgleichsmaßnahmen festgelegt, die bei Verfahrensvorschriften und Schadensnachweisen ähnlich wie bei Antidumping-Regelungen verfahren. Exportsubventionen sind verboten (Art. 16; Ausnahme: Grundstoffe). Dem GATT-Regelwerk werden die H.3 Internationale Handelsordnung 39 spezifischen, also auf bestimmte Unternehmen und Industrien gerichteten Subventionen unterworfen. Es gibt verbotene, anfechtbare und erlaubte Beihilfen. Verboten sind Subventionen, die an das Exportverhalten bzw. die Begünstigung heimischer Güter gebunden sind. Subventionen, die eine erhebliche Schädigung der Interessen von Vertragsparteien verursachen können, sind anfechtbar. Die Vermutung besteht, wenn der Subventionssatz mehr als 5% der Wertschöpfung ausmacht. Das Subventionsland muss dann auf Antrag den Beweis erbringen, dass die Subvention keinen erheblichen Schaden für die Vertragspartei hat. Unanfechtbar sind Beihilfen für den Umweltschutz, für Regionen und für allgemeine F&EAktivitäten. Zudem gibt es Sonderregelungen in der Landwirtschaft und im Flugzeugbau. Das Subventionsabkommen ist geeignet, in vielen Bereichen den internationalen Subventionswettlauf einzugrenzen und internationale Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Theroetische Perspektive Betrachtet man ein einfaches Partialmodell für eine kleine offene Volkswirtschaft, dann lässt sich leicht verdeutlichen, inwiefern Zölle und Subventionen alternative Protektionsinstrumente sind. Aus der Gegenüberstellung von inländischer Nachfragekurve DD0 und Angebotskurve SS0 kann man bei handelsfähigen Gütern eine Nachfrageüberschusskurve ermitteln. Der Nachfrageüberschuss stellt hier zugleich die Importnachfragekurve (DIM) dar (Streckenabschnitt G'F'=GF). Wenn der Weltmarktpreis p0* beträgt, dann wird bei Freihandel q'0 importiert. Die Importmenge entspricht hier der Differenz von inländischer Nachfragemenge q0d und Angebotsmenge q0s. Wenn der Staat durch Subventionen die Angebotskurve in die Position SS1 verschiebt – und dabei einen Subventionssatz IH aufwendet –, dann ergibt sich beim Weltmarktpreis p0* kein inländischer Nachfrageüberschuss: Der internationale Handel kommt zum Erliegen, so dass man die negativen Handelswirkungen von Subventionen direkt ersehen kann.3 Nur wenn im Rest der Welt nun ebenfalls Subventionen gewährt werden, so dass der Weltmarktpreis unter p0* fällt, könnte der Rest der Welt weiterhin Güter exportieren. Alternativ hätte das Importland einen Zollsatz z verhängen können, der bei gegebenem Weltmarktpreis p0* den von der inländischen Nachfrageseite zu zahlenden Preis auf p0* (1+z) anhebt. Dies entspricht dem Autarkiepreis p1. Mit einem derartigen Prohibitivzoll sinkt der Handel auf Null, was die Autarkiesituation wiederherstellt und damit die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung verschenkt. 3 Wenn der Subventionssatz weiter erhöht würde, dann käme im Inland ein Nettoangebotsüberschuss zustande: Das Land wird trotz komparativer Nachteile zu einem Exporteur. 40 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung a) Inlandsmarkt b) Importnachfrage p p DD0 SS 0 I E p1 P0 *(1+z) G J q0 s SS 1 F G‘ F‘ P0 * H q0 d DIM q q‘0 q‘ Abb. H.5. Subventionen und Zölle als Handelsbarriere und Zahlungsbilanzausgleich Welthandelsorganisation/World Trade Organization Seit 1995 ist die neue WTO aktiv geworden, die gewissermaßen eine Liberalisierungsrunde in Permanenz ist. Der Aufbau der neuen Welthandelsorganisation stellt sich wie folgt dar (Abbildung H.221): Die politische Willensbildung erfolgt in der Ministerkonferenz, die mindestens alle zwei Jahre zusammentritt. Dieses Gremium wählt einen Generalsekretär und etabliert einen Ausschuss für Handel und Umwelt. In der Mitgliederversammlung „General Council" werden wichtige Probleme erörtert, wobei ggf. durch 3/4-Mehrheit ein Waiver ausgesprochen werden kann. Änderungen des Statuts und Neuaufnahmen von Ländern treten erst in Kraft, wenn eine 2/3-Mehrheit diese akzeptiert. Kerngrundsätze wie das Meistbegünstigungsprinzip sowie die Abstimmungs- und Schlichtungsregeln können nur einstimmig geändert werden. Permanent etabliert wird ein Stab für Handelspolitik, der die Kooperation mit dem IWF und der Weltbank sicherstellt. Zudem gibt es drei Komitees: Eins für Handel und Entwicklung, eines für Zahlungsbilanzfragen und eins für Budgetfragen. Die WTO umfasst einen dreigliedrigen Unterbau, nämlich einen Rat für Dienstleistungen, einen Rat für Waren und einen Rat für geistiges Eigentum. Letztere tritt in eine gewisse Rivalität mit der World Intellectual Property Organisation (WIPO). Zu den schwierigen Fragen für die 90er Jahre gehörte die Neuaufnahme von Transformationsländern bzw. von neuentstehenden Staaten. Unverändert sieht die Aufnahmepraxis so aus, dass ein Kandidat mit jedem Land einzeln die Anfangsliberalisierungspositionen festlegt. Wenn man an die mit wachsender Länderzahl steigenden Einigungskosten denkt, so ist die Herausbildung regionaler Integrationsräume durchaus insofern ein Vorteil, als die 41 H.3 Internationale Handelsordnung Konsensfindungskosten sinken. Ein zweistufiges Verfahren, in dem etwa die EU-Länder zunächst eine EU-Position formulieren, um anschließend nach Kompromissformeln mit anderen Ländern oder Ländergruppen für eine globale Problemlösung zu sorgen, hat für die Liberalisierung des Welthandels durchaus auch Vorteile. Ausschuß für Handel und Umwelt Minister konferenz * wählt General sekretär Schlichtungs stelle General Council (3/4, 2/3 bzw. einfache Mehrheit) Stab für Handelspolitik: Kooperation mit Weltbank und IWF Komitee für Handel und Entwicklung Komitee für Zahlungs bilanz Komitee für Budget fragen Rat für Dienstleistungen Rat für Waren Rat für geistiges Eigentum * tritt mindestens alle zwei Jahre zusammen Abb. H.6. Organisationsstruktur der WTO Nicht zu übersehen ist allerdings auch das Risiko, dass durch überproportional rasch wachsenden Regionalhandel das Interesse an Handelsbeziehungen mit dem jeweiligen Rest der Welt nachlassen könnte, so dass Regionalismus einer globalen Liberalisierung entgegenstünde. Dies ist allerdings solange zweifelhaft, wie Direktinvestitionen die Handelsblöcke im Rahmen vertikaler konzerninterner Arbeitsteilung verbinden. Die Eigeninteressen der Wirtschaft erzeugen dann Druck dahingehend, den Handel zwischen den Blöcken von Hemmnissen freizuhalten. 42 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung China wurde 2002 WTO-Mitglied, die Verhandlungen mit Russland waren Ende 2007 noch nicht abgeschlossen. Merkwürdigerweise führte die WTO auch Beitrittsverhandlungen mit Saudi-Arabien, das immerhin Führungsland des OPECKartells ist. Eine WTO-Mitgliedschaft Saudi-Arabiens ist sonderbar, es sei denn, dass das Land das OPEC-Kartell verlässt. Das WTO-Freihandelsprinzip und eine internationale Kartellmitgliedschaft widersprechen sich. Die Eingliederung in die internationale Arbeitsteilung bleibt für viele Transformationsländer und für sehr viele Entwicklungsländer auf Dauer ein schwieriges Problem. Dabei gilt für alle Länder, dass freier Außenhandel nicht nur schwer zu erreichen ist, sondern er ist auch nicht ohne Weiteres über die Zeit hinweg zu bewahren. H.3.3 Die OECD Zu den international einflussreichen Organisationen gehört übergreifend über verschiedene Politikbereiche die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Paris), in der die führenden Industrieländer sowie Mexiko und Korea vertreten sind. Eine Reihe anderer Länder arbeitet in Teilbereichen mit. Die OECD (Sitz: Paris) entstand 1961 aus der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC; *1948), die für die Abwicklung der US-Wirtschafts- und Finanzhilfe für den europäischen Wiederaufbau gegründet worden war. Zweck war zunächst ein Wiederaufbauprogramm mit den Zielen Steigerung der Produktion und Modernisierung des Produktionsapparats, Liberalisierung des Handels, Währungskonvertibilität und Herbeiführung und Wahrung eines hohen Beschäftigungsgrades bei innerer und äußerer Währungsstabilität. Die OECD hat das Ziel, die Kooperation zwischen den 30 Mitgliedsländern zu fördern. Dabei will sie zu einer optimalen Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung sowie steigendem Lebensstandard bei Wahrung der finanziellen Stabilität beitragen, das Wachstum von Mitgliedsländern und Entwicklungsländern fördern und die Steigerung des Welthandels begünstigen. Im OECD-Leitungsgremium, dem Rat, sind die Länder durch Leiter von Ständigen Delegationen („Botschafter") repräsentiert. Ratstagungen erfolgen i.d.R. einmal jährlich auf Ministerebene. Es herrscht Einstimmigkeitserfordernis, wobei Stimmenthaltung die Anwendbarkeit von Entscheidungen oder Empfehlungen auf das jeweilige Land verhindert, nicht aber Beschlüsse selbst blockiert. Die OECD hat eine Fülle von ständigen und Ad-hoc-Fachausschüssen, in denen neben der traditionellen US-Führungsrolle der Ausschuss-Vorsitz eine besonders einflussreiche Position markiert. Wichtigster Ausschuss ist das Economic Policy Committee. Dieser Wirtschaftspolitische Ausschuss diskutiert zweimal jährlich die Wirtschaftslage und untersucht die internationalen und nationalen Effekte der Wirtschaftspolitik. Angestrebt wird eine kurz- und mittelfristige Koordinierung der Politiken. Die wichtige Arbeitsgruppe 3 ist das Committee for Monetary and Foreign Exchange Matters („OECDWährungsausschuss"), der vierteljährlich die neuesten Entwicklungen in den internationalen Zahlungsbeziehungen und insbesondere die Reserve- und Wechselkursänderungen analysiert. Bei diesem so genannten „multilateral surveillance" H.3 Internationale Handelsordnung 43 (multilaterale Überwachung) geht es nicht nur um eine Beobachtung, sondern auch um das Zusammenwirken der Wirtschafts- und Währungspolitik der Mitgliedsländer bei gegenseitiger Abhängigkeit. Innerhalb der Industrieländer findet damit eine regelmäßige Informationsaufbereitung, gemeinsame Politikbewertung und konfliktmindernde Maßnahmenabstimmung statt, die auch massive Konflikte der OECD-Länder innerhalb des IMF bislang verhindert hat. In der EU gibt es aufgrund der gemäß Maastrichter Vertrag seit 1993 vorzulegenden wirtschaftspolitischen Konvergenzprogramme eine besonders enge Abstimmung, wobei die Politik einzelner Länder zudem regelmäßig im Rat der Wirtschafts- und Finanzminister diskutiert wird. Neben IMF/Weltbank und GATT (bzw. WTO) gibt es eine Reihe von Spezialorganisationen, die für die internationale Ressourcenallokation zuständig sind. Hierzu gehören etwa die unter dem Eindruck des ersten Ölpreisschocks 1974 von OECD-Staaten gegründete Internationale Energie Agentur (IEA, Wien) und eine Reihe von UN-Unterorganisationen: U.a. im Bereich von Seeschifffahrt, Satellitennutzung, Fischerei, Umwelt und Telekommunikation (ITU; Vorläuferorganisation bereits im Jahr 1865). Im realwirtschaftlichen Bereich sind internationale Organisationen weniger stark und kompetenzschwächer vertreten als im Bereich Währung und Außenhandel. H.4 Theoretische Aspekte zur Zahlungsbilanz H.4.1 Wechselkurs und Devisenmarkt Der Wechselkurs e ist der relative Preis zweier Währungen (z.B. €/$) und bildet sich auf dem Devisenmarkt. Steigt der Wechselkurs, so verteuern sich die Importe; der Anreiz zum Export nimmt zu. Beide Effekte haben einen Preisauftriebseffekt im Inland, denn importierte Konsumgüter wie Vorprodukte werden teurer, während zugleich die verfügbare Gütermenge abnimmt. Eine Abwertung macht schließlich – in Währungseinheiten des Auslandes gerechnet – den Erwerb von Realaktiva billiger, so dass sich ein Anreiz zu Direktinvestitionen ergibt. Eine erwartete positive Abwertungsrate wird Kapitalexporte im Sinne von Portfolioinvestitionen im Ausland stimulieren, weil die Abwertungsrate zusätzlich zum ausländischen Zinsertrag zur Verzinsung der Auslandsanlage beiträgt. Auf den Devisenmärkten spiegeln sich finanzwirtschaftliche und güterwirtschaftliche Transaktionen wider, wobei die rasch reagierenden Kapitalverkehrsströme mittelfristig über nominale Kursänderungen den realen Wechselkurs so verzerren können, dass gegenüber dem langfristigen Gleichgewichtswechselkurs stark veränderte internationale Handelsströme zustande kommen könnten. Devisenmärkte sind reaktionsschnelle hochsensible Märkte mit verschiedenen Segmenten (Spotmarkt, Devisenterminmarkt, Optionsmarkt). Als normale Reaktion am Devisenmarkt gilt eine solche, bei der durch Nachfrageüberschüsse eine Abwertung (Wechselkurs steigt an), durch Angebotsüberschüsse eine Aufwertung 44 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung (Kurs sinkt) herbeigeführt wird. Devisenmärkte sind nur unter bestimmten Bedingungen stabil. Zu bedenken ist hier bezüglich der Gütermärkte das Problem, dass eine Abwertung die Importangebotskurve nach oben verschiebt, so dass je nach Steigung (Elastizität) der Importnachfragekurve eine Verminderung oder eine Erhöhung des Importwertes Jn in inländischer Währung zu verzeichnen ist; eine Abwertung erhöht stets den Exportwert Xn in inländischer Währung. Es gilt für den nominalen Handelsbilanzsaldo Tn=Xn-Jn: dXn/de = -(Xn/e)[EX(1+AX)/(AX-EX)]>0 mit EX=Exportnachfrageelastizität AX=Exportangebotselastizität (Importelastizität (H.1) des dJn/de = (Jn/e)[AJ(1+EJ)/(AJ-EJ)] Auslands); (H.2) mit EJ=Importnachfrageelastizität; AX=Importangebotselastizität e SS0 (Güterexport, Kapitalimport) E e0 DD0 (Güterimport, Kapitalexport) $0 $ Abb. H.7. Devisenmarktgleichgewichte Bei völlig elastischem Exportangebot Xs (im Fall unausgelasteter Kapazitäten des Exportsektors) bedeutet eine Abwertung eine via positiven Mengeneffekt ablaufende Erhöhung des Exportwerts in der nachfolgenden Abbildung. Die Nachfragekurve des Auslands dreht sich nach oben (DD2* statt DD1*). Auf dem Importmarkt bedeutet im Fall eines kleinen Landes (Importangebotskurve X* völlig elastisch) eine Abwertung, dass sich bei gegebenem Weltmarktpreis Pw die Angebotskurve nach oben verschiebt (X1* statt X0*). Bei völlig unelastischer Importnachfrage (DD0*) ergibt sich wegen der Erhöhung des Inlandpreises (e1Pw) eine preisbedingte Erhöhung des Importwertes. Bei preiselastischer Importnachfragekurve geht die Importmenge bei gleichzeitigem Preisanstieg zurück, so dass sich 45 H.4 Theoretische Aspekte bei hoher Nachfrageelastizität eine Verminderung des Importwerts ergeben wird (DD2**). Bei geringer Elastizität (DD1**) steigt der Importwert, weil der Preiseffekt (ACFD) größer als der Mengeneffekt (FF'X0*X1*) ist. Eine nominale Abwertung kann nur dann zu einer Verbesserung des Außenbeitrags führen, wenn die Importnachfrageelastizitäten im Inland und Ausland relativ hoch sind. Ist der Außenbeitrag anfänglich ausgeglichen, so verbessert sich sowohl in inländischer wie in ausländischer Währung gerechnet der Außenbeitrag, wenn bei unendlich großen Angebotselastizitäten die Summe der Importnachfrageelastizitäten größer 1 ist (Marshall-Lerner-Bedingung). Für kleine offene Volkswirtschaften gilt, dass die Angebotselastizität beim Import unendlich ist, aber auch die Preiselastizität der Exportgüternachfrage. Der Importwert in Inlandswährung steigt bei Abwertung (siehe Abb. H.224b), wenn (Jn/e)(1+EJ) > 0. Der Außenbeitrag steigt als Folge der Abwertung, wenn Xn(1+AX) > Jn(1+EJ). (H.3) Je größer die Angebotselastizität und je größer absolut die Nachfrageelastizität ist, um so eher wird eine Abwertung im Fall eines kleinen Landes zu einer Leistungsbilanzverbesserung beitragen. Der Leistungsbilanzsaldo in ausländischer Währung lautet: (Tn/e)=(Xn/e)-(Jn/e). In ausländischer Währung gerechnet ist die Reaktion des Importwerts auf eine Abwertung eindeutig, die des Exportwerts uneindeutig. 46 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung a) Exportmarkt b) epw pX DD1* e1pw A 0 DD0** DD1** DD2* pX0 Importmarkt (kleines Land) A‘ XS X1 X0 e0pw X DD2** A D 0 c) Exportmarkt eines kleinen Landes C C‘ B E X2* F F‘ X1* X0* X1* X0* X* d) Importmarkt eines großen Landes pX epw X1* XS pX1 DD2X pX0 DD1X X0* e1pw e0pw DD0 X0 X1 X X1* X0* X Abb. H.8. Abwertungseffekt auf Ex- und Importmarkt Exchange Rate Pass Through als Hysterese-Problem im Außenhandel Ein Effizienzproblem der Abwertung stellt sich, wenn die Nachfrageelastizitäten kurzfristig gering sind und zudem die Angebotselastizitäten nicht hoch ausfallen. Letzteres könnte deshalb der Fall sein, weil Unternehmen ihre Exportmärkte auch H.4 Theoretische Aspekte 47 bei einer starken Aufwertung im Exportland nicht verloren geben wollen. Denn häufig wurde von den Unternehmen über Jahre in die Auslandsmärkte durch Werbung und Direktinvestitionen im Vertriebs- oder Servicebereich investiert. Zudem ist häufig unklar, inwiefern nur eine temporäre Aufwertung vorliegt. Die Unternehmen werden auf den Exportmärkten daher kurzfristig Gewinnschmälerungen im Interesse der Behauptung von Marktanteilen hinnehmen. Umgekehrt werden die Exportunternehmen bei einer Abwertung nicht ohne Weiteres über starke Preissenkungen auf den Auslandsmärkten nach raschen Marktanteilsgewinnen streben. Dies gilt insbesondere bei hochwertigen Gebrauchsgütern, bei denen ein Preisverfall für den Kreis bestehender Nutzer einem Vermögensverlust gleichkommen würde – der Preisverfall auf den Sekundärmärkten (z.B. für gebrauchte, in der Anschaffung sehr teure PKWs=Vermögensanlage auf vier Rädern) könnte im Fall einer Preissenkung beim Neuprodukt sogar die Nachfrage reduzieren. Wie man sieht, kommt es auf der Export- bzw. Importseite wohl zu keiner vollständigen Weitergabe von Wechselkurseffekten in die Absatzpreise; man spricht von einem unvollständigen "exchange rate pass-through". Dies ist ein so genannter Hysterese-Effekt, bei dem man von einer asymmetrischen Dauerwirkung einmaliger Preis- bzw. Wechselkursänderungen auszugehen hat. Während eine einmal erfolgte Abwertung um x% in einer Marktexpansionsphase vielleicht zu sinkenden Exportpreisen im Interesse der Marktanteilssteigerung führt, wird eine spätere größengleiche Aufwertung nicht notwendig einen gleich hohen bzw. symmetrischen Rückgang der Marktanteile auslösen. Demnach kommt es zu einer hohen Preisreagibilität der Exportpreise bei Wechselkursänderungen insbesondere dann, wenn der Anteil der Produktinnovationen bzw. Newcomer in neuen Auslandsmärkten relativ hoch ist. Empirische Werte zur Marshall-Lerner-Bedingung Als Standardannahme der Außenwirtschaftstheorie gilt, dass eine reale Abwertung langfristig zu einem erhöhten Außenbeitrag führt. Bei Annahme unendlich großer Angebotselastizitäten ist dies im Fall der einfachen Marshall-Lerner-Bedingung erfüllt, wonach die Summe der Importelastizitäten (von Land I und II) dem Betrage nach größer 1 sein muss. Die Importelastizitäten bzw. Preisreagibilität der Importe sind in den 80er Jahren gestiegen (Tab. H.33.). Dabei ist insbesondere in Ländern mit außenwirtschaftlicher Liberalisierung und hohen Direktinvestitionszuflüssen (Portugal und Spanien) eine starke Erhöhung der Importelastizitäten festzustellen. Dies könnte auch Ausdruck des wachsenden Anteils an intraindustriellem Handel sein, der eine verstärkte internationale Substitutions- und Preiskonkurrenz bedeutet. Die Erhöhung der Importelastizitäten bedeutet, dass eine reale Abwertung relativ gut in der Lage ist, das externe Gleichgewicht – im Sinne einer ausgeglichener Handelsbilanz – herzustellen. Daher erschien in der EU eine Fixierung der Wechselkurse im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion durchaus bedenklich; jedenfalls bei früher Fixierung und insbesondere dann, wenn externe Ungleichgewichte bestehen und die hohen Arbeitslosenquoten in wichtigen Mitgliedsländern nur langsam abgebaut werden können. Allerdings bedeuten hohe Importelastizitäten auch, dass von (spekulativen) Kapitalströmen her bedingte Abweichungen des Wechselkur- 48 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung ses von der Kaufkraftparität – etwa bei "overshooting" – zu einer beträchtlichen Verzerrung der Allokation im In- und Ausland führen können. Tabelle H.4. Importelastizitäten ausgewählter Länder Schweden Niederlande Portugal Spanien Italien Frankreich Deutschland (W.) Japan USA 1965-80 0.67 1.12 0.67 0.96 0.81 1.08 1.60 0.76 2.03 1980-90 1.59 1.84 3.07 2.90 1.75 1.45 1.86 1.37 2.23 Quelle: BANETH, J. 1993, "Fortress Europe" and Other Myths about Trade, World Bank Discussion Paper No. 225, Washington DC, Tab. 1 Geht man von der Annahme unendlich großer Angebotselastizitäten aus, so wird der Außenbeitrag bei Abwertung nur steigen, wenn die so genannte Robinson-Bedingung erfüllt ist. Der nominale Außenbeitrag lautet: T n = PX (q ) − eP * X *(q ), und der reale Außenbeitrag Tn 1 = X (q) − q * X *(q ); q* = P q, (H.4) (H.5) X*=Exportmenge des Auslands = Importmenge des Inlands. Hier wird also angenommen, dass die Exportmenge X bzw. die Importmenge X* vom realen Wechselkurs q=:eP*/P abhängt. Standardannahme für die partiellen Vorzeichen sind auf der Nachfrageseite Xq<0 und bei den Importen X*q>0; sich allein auf die Nachfrageelastizitäten zu konzentrieren, ist solange sinnvoll, wie die Angebotselastizitäten – wie in unterbeschäftigten Wirtschaften – sehr groß, ja im Grenzfall unendlich, sind. Den Einfluss einer Änderung des Wechselkurses auf den Außenbeitrag in ausländischer Währung (Tn/e) zu analysieren, ist wichtig für die Diskussion der Stabilität des Devisenmarktes. Nur wenn bei einem Nachfrageüberschuss nach Devisen der Wechselkurs steigt, kommt es tendenziell zu einem neuen Gleichgewicht; nur wenn bei einem Angebotsüberschuss der Wechselkurs fällt, wird ein neues Gleichgewicht erreicht. Bei Vernachlässigung des Kapitalverkehrs sind die Bedingungen hierfür – bei unendlichen Angebotselastizitäten – mit der Marshall-Lerner-Bedingung identisch. Die ROBINSONBedingung lautet: E E dT n > 0, wenn x x* (1 + Ax Ax* ) > (1 + E x E x* ) de Ax Ax* (H.6) H.4 Theoretische Aspekte 49 In einer modifizierten Exportfunktion und Importfunktion wäre zu berücksichtigen, dass die Exportmenge positiv vom ausländischen Sozialprodukt Y* und die Importmenge X* (=Exporte des Auslandes) positiv vom inländischen Sozialprodukt Y abhängen. Auch eine Abhängigkeit vom Vermögen ist denkbar, wobei sich der Wert des Gesamtvermögens bei einer Abwertung für den Fall einer Nettogläubigerposition (Nettoschuldnerposition) erhöht (vermindert). Können unendlich große Angebotselastizitäten in In- und Ausland angenommen werden, so kann man sich auf die gegenüber der Robinson-Bedingung weniger strenge Marshall-Lerner-Bedingung beschränken, wonach der Außenbeitrag steigt, wenn die Summe der Importelastizitäten im In- und Ausland dem Betrage nach größer als 1 ist. Das Elastizitätsproblem kann man sich unmittelbar verdeutlichen, wenn man bedenkt, dass der nominale Außenbeitrag Tn = PX(q)-eP* X*(q) ist, wobei X bzw. X* die Exportmengen von In- bzw. Ausland kennzeichnen. Bezüglich des Importwertes ist festzustellen, dass wenn e bei gegebenem P und P* steigt, so wird die Importmenge mittel- und langfristig zurückgehen. Dies vermindert den Importwert. Wenn die mittelfristige Mengenreaktion schwach ausfällt, so wird der Importwert eP* X*(q) wegen des höheren Wechselkurses steigen, wobei der Importwert insgesamt durch das Zusammenspiel von Preiseffekt (bzw. Wechselkurseffekt eP*) und Mengeneffekt X*(q) bestimmt wird. Insgesamt kommt es aber für die Entwicklung des Außenwertes natürlich auch auf die Reaktion des Exportwertes an. Normalerweise erwartet man, dass eine Abwertung zu einer Reduktion des realen Wechselkurses P/(eP*) führt; dies ist bei hinreichend hohen ExportAngebotselastizitäten der Fall. Der reale Kurs q steigt allerdings als Reaktion einer Wechselkursänderung gemäß folgender Bedingung: dq q = ( E x E x* − Ax Ax* ) > 0, fallsE E > A A (H.7) x x* x x*. de ( Ax − E x )( Ax* − E x* ) e Man beachte, dass der Nennerausdruck eindeutig positiv ist. Denn die Angebotselastizitäten sind positiv, die Nachfrageelastizitäten negativ. Man sieht also: Dem Betrage nach relativ hohe Preiselastizitäten der Export- und Importgüternachfrage können dazu führen, dass eine Abwertung die Terms of Trade verbessert. Bei unendlich großen Angebotselastizitäten gilt, dass sich der reale Wechselkurs als Ergebnis einer nominalen Abwertung verschlechtert: (dq/q)/(de/e) <0. Es gilt nach (H.7) aber unter Beachtung von dq/q = d[(P/P*)/(P/P*)] – (de/e) schließlich: P d P * = de 1 − ( Ax − E x )( Ax* − E x* ) (H.8) P e ( E x E x* − Ax Ax* ) P* Von Interesse ist das Vorzeichen der Elastizität Ee,P/P* = 1/E(P/P*),e, wobei sich die Vorzeichenbedingung für EP/P*,e dann ermitteln lässt als 50 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung E E E( P / P*),e > 0, wenn 2 > x* + x . (H.9) Ax* Ax Die Herleitung ergibt sich unmittelbar als Modifikation der RobinsonBedingung. Diese Bedingung ist stets erfüllt, solange die Nachfrageelastizitäten negativ sind. Unabhängig vom Vorzeichen der Nachfrageelastizität ist sie erfüllt, wenn beide Angebotselastizitäten unendlich groß sind. Ee,P/P* > 0 gilt unter derselben Bedingung; das wäre in der Tat mit der Kaufkraftparitätentheorie kompatibel, wonach ein Anstieg von P/P* zu einer nominalen Abwertung – bei flexiblen Kursen – führt. Die Kaufkraftparitätentheorie geht von internationaler Preisarbitrage auf Märkten für (handelsfähige) Güter aus, und Arbitragegleichgewicht verlangt P=eP*. Unter Elastizitätsaspekten ist die Kaufkraftparitätentheorie also insofern plausibel, als man bei gegebenen Technologien und Wettbewerb davon ausgehen kann, dass langfristig alle Unternehmen im Betriebsoptimum produzieren und somit die Angebotskurven auf allen Märkten waagerecht verlaufen. In einer relativ innovativen Welt, in der die Mehrzahl der Märkte durch ständige Produktinnovationen und Prozessinnovationen gekennzeichnet wäre, könnten jedoch Nachfrageelastizitäten zeitweise gering sein, während die mittelfristigen Angebotselastizitäten keineswegs groß sind. Ergänzende Aspekte der Robinson-Bedingung Beschränkt man sich nur auf die Robinson-Bedingung, so abstrahiert man vom Einkommenseffekt der Änderung der Terms of Trade. Zudem sind Vermögenseffekte denkbar, die über induzierte Änderungen der Ersparnis im In- bzw. Ausland die Anpassungsprozesse und das neue Gleichgewicht beeinflussen. Schließlich könnte durch eine reale Abwertung im Fall von statischen und dynamischem Economies of Scale in der Exportindustrie nur eines Landes (im Zwei-Länder-Modell) eine Wachstumsbeschleunigung – gemäß der neuen Wachstumstheorie – erfolgen, die keineswegs zu einem Leistungsbilanzdefizit bei erhöhtem Sozialprodukt führen muss. Bei dynamischen Economies of Scale in der Exportindustrie wären die Exporte z.T. als positive Funktion der kumulierten Sozialprodukterhöhungen anzusehen, was jedoch eine erhebliche Abweichung von Standard-Exportfunktionen darstellt. J-Kurven-Effekt Ex- und Importmenge sind in der Realität aber kurzfristig vorgegeben und auch die Transaktionspreise sind in Verträgen großenteils fixiert. Eine Abwertung wird zunächst nur die Importrechnung verteuern, so dass kurzfristig bei der Abwertung ein temporär wachsendes Leistungsbilanzdefizit zustande kommen kann. Somit ergibt sich eine verzögerte Reaktion des Außenbeitrages, der auch J-KurvenEffekt genannt wird. Dieser Effekt wird auch dadurch verstärkt, dass Exportgeschäfte bei führenden OECD-Ländern großenteils in Inlandswährung fakturiert sind – eine Exportwertänderung ergibt sich in inländischer Währung gerechnet zunächst nicht. Sind die Importkontrakte in Auslandswährung fakturiert, so wird H.4 Theoretische Aspekte 51 eine Abwertung den Importwert in Inlandswährung gerechnet rasch steigen lassen; doch einige Länder wie die USA und die BRD fakturieren auch einen großen Teil ihrer Importe in Landeswährung. Sozialprodukt und reale Wechselkursänderung Eine Änderung von q beeinflusst aber auch das Sozialprodukt Y über eine Änderung der Handelsbilanz T: Y= a(Y) + T(Y,q,Y*); die Absorption a sei hier nur von Y abhängig und für den realen Außenbeitrag T werden die Abhängigkeiten von q, Y und Y* (exogene Größe) berücksichtigt. Es gilt für den Einkommenseffekt einer q-Änderung: dY Y = X (1 + E x + E x* ) ; (H.10) dq Y ( s + q * j ) q s= Sparquote; j= Importquote Das Weltsozialprodukt in inländischen Gütereinheiten ist gleich Y* YW = Y + (H.11) q Wie das Weltsozialprodukt sich in Abhängigkeit von q entwickelt, kann man erst feststellen, wenn man die Auswirkungen auf Y und Y* bzw. Y*/q analysiert hat. Wechselkursregime: Fixe versus flexible Kurse Das Wechselkursregime ist ein wesentlicher Bestandteil von Währungsordnungen. Mit der Zahl der Länder mit eigener Währung wächst bei flexiblen Kursen das Informations- und Unsicherheitsproblem. Bei n Ländern gibt es zunächst n-1 Wechselkurse. Maximale internationale Preistransparenz und mithin minimale Informationskosten auf Güter- und Finanzmärkten gibt es im Fall einer einzigen Währung bzw. weltweit fester Wechselkurse. Allerdings sind Länder immer auch asymmetrischen Schocks ausgesetzt. In einem Drei-Länder-Modell könnte z.B. bei einer Ölpreiserhöhung für das rohstoffarme Land A eine Abwertung gegenüber C, für das Ölförderland B aber eine Aufwertung gegenüber C sinnvoll sein, um Vollbeschäftigung und ggf. externes Gleichgewicht zu sichern. Nur wenn die inländischen Preisniveaus nach unten hinreichend flexibel sind, könnte auch im Fall eines Nachfragerückgangs nach den Exportgütern des Landes eine reale Abwertung ohne Wechselkursbewegung erfolgen. Schließlich ist Währungswettbewerb nur bei einer Mindestzahl von Währungen möglich. Wettbewerb meint hier die Entscheidung von mobilen Anlegern, Verträge in bestimmter Währung zu fakturieren und Währung Z oder Z* als Emissionswährung und für Wertaufbewahrungszwecke sowie als Transaktionsmittel zu verwenden. Wenden sich die Nachfrager von Währung Z ab und Z* zu, so wird Z bei flexiblen Kursen (real) eine Abwertung erfahren. Importierte Güter werden relativ teuer und das Land wird an internationale Anleger einen erhöhten Realzins zahlen müssen. Dies gilt, soweit eine Abwertung zu Befürchtungen über weitere 52 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Abwertungen und mithin einem Risikozuschlag führt. Dies ist für die Wachstumsaussichten des Landes wie für die Finanzierung von staatlichen Haushaltsdefiziten problematisch, wozu noch der politische Prestigeverlust einer Abwertung kommt. Bei festen Wechselkursen könnte eine unter Abwertungsdruck (Nachfrageüberschuss am Devisenmarkt) stehende Währung nur verteidigt werden, solange noch Devisenreserven vorhanden sind; oder aber die Fähigkeit besteht, über erhöhte Nominal- und Realzinssätze dauerhaft zusätzliche Kapitalimporte zu induzieren. Der nachfolgenden polaren Gegenüberstellung von fixen vs. flexiblen Wechselkursen entspricht in der Realität ein breiteres Spektrum von Wechselkursflexibilität. Feste nominale Wechselkurse (e) reduzieren die Informationskosten, führen aber bei unterschiedlichen nationalen Preisniveauentwicklungen (P im Inland, P* im Ausland) zu "Misalignment" im Sinne ungleichgewichtiger realer Wechselkurse q*=:eP*/P. Die auf den realen Wechselkurs reagierenden Handels- und Kapitalströme können infolge verzerrter realer Wechselkurse zu einer international nicht optimalen Ressourcenallokation führen. Die Industrie in Ländern mit relativ hoher Inflationsrate verliert bei festen Wechselkursen von Jahr zu Jahr an internationaler Preiswettbewerbsfähigkeit; es sei denn, dass die Parität im Ausmaß der kumulierten Inflationsdifferenz von Periode zu Periode angepasst würde. Wenn die Parität häufiger angepasst wird, so können durch Informationen sowie aufgrund von Fundamentaldaten Abwertungserwartungen entstehen, die letztlich zu einer spekulativen Attacke mit nachfolgender tatsächlicher Abwertung führen. In der Realität erfolgt eine Abwertung – aus Furcht vor politischem Prestigeverlust – aber häufig erst verspätet und dann relativ stark: Nachdem die Wirtschaftspolitik die Parität längere Zeit verbal und ggf. durch geld- oder fiskalpolitische Maßnahmen unterstützt hatte, erfolgte ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel durch Abwertung. Dies traf für Großbritannien im Jahr 1931 zu, als das Pfund um fast 30 % abgewertet wurde, und zwar nach sechs Jahren Paritätenstabilität (Rückkehr zur Ante-Weltkrieg-I-Goldparität im Jahr 1925), aber auch für die Abwertungskrise des französischen Franc im Jahr 1983 sowie die Abwertungskrise bzw. der Übergang zum Floating bei englischen Pfund und italienischen Lira im Jahr 1993. Reale Wechselkurse können sich angesichts träger Preisniveaus nur dann rasch ändern und damit auch eine Schockabsorptionsfunktion – ggf. auch zur Aufrechterhaltung von Vollbeschäftigung – erbringen, wenn die nominalen Wechselkurse frei schwanken können. Allerdings, nur wenn die nominale Wechselkursentwicklung im Wesentlichen von der Kaufkraftparität (KKP) und mithin letztlich von Güterarbitrage bzw. Außenhandelstransaktionen bestimmt wäre, können flexible Kurse unter dem Gesichtspunkt unverzerrter realer Kurse und mithin unverzerrter Allokation als optimal erscheinen. Schwankende Kurse sind aber in der Realität oft von phasenweise kumulativen Auf- oder Abwärtsentwicklungen gekennzeichnet und zwar z.T. in eine Richtung entgegengesetzt zu der von der KKP vorgegebenen "Normalentwicklung". In inflationären Ländern kann bei expansiver Geldpolitik der kurzfristige Geldmarktzins sinken (Liquiditätseffekt), während die langfristigen Nominalzinsen aufgrund wachsender Inflationsbefürchtungen ansteigen (Inflationserwartungseffekt). Da die Kapitalverkehrsströme kurzfristig primär auf die sinkenden H.4 Theoretische Aspekte 53 Geldmarktzinsen reagieren, kommt es zu einem Abwertungsdruck, der expansiv via Steigerung des Außenbeitrages wirken kann. Weil die Anleger steigende Nominalzinsen und daher Kursverluste befürchten, werden sich ausländische Anleger zurückhalten; zumal dann, wenn zugleich Aufwertungserwartungen für die eigene Währung bestehen. Werden aber Abwertungserwartungen relevant, weil im inflationären Land die kurz- und langfristigen Zinsen steigen, dann könnte das inflationäre Land von temporären Kapitalzuflüssen profitieren. Die Kapitalflüsse drohen in einer Welt volatiler Wechselkurse und Wechselkurserwartungen auch dort kurzfristiger orientiert zu sein, wo langfristige Zinsen i die Anlageentscheidung beeinflussen. Da aber bei einer Anlage im Ausland die Effektivrendite ie sich aus i* + (de/dt)/e zusammensetzt, ist auch eine Kapitalanlage quasi zur Hälfte eine kurzfristige Anlage, wenn die Wechselkursänderungsrate etwa so hoch wie der Zinssatz ist. Werden Zinsänderungen mitberücksichtigt, ist ie=i*+ge-gi*. Solange also im Zug eines Desinflationsprozesses der Zins sinkt (gi*<0) bzw. Zinssenkungserwartungen bestehen, wäre sogar eine geringe Abwertung der ausländischen – also eine Aufwertung der eigenen Währung – kein Grund, um Anlagegelder zurückzuziehen. Wenn allerdings eine tatsächliche Abwertung zu verstärkten Abwertungserwartungen führt, droht diese Situation. Devisenmarktgleichgewicht Devisenangebot und Devisennachfrage kommen bei einem bestimmten Kurs zum Ausgleich. Das Devisenangebot resultiert aus Exporten von Gütern und Dienstleistungen sowie Kapitalimporten (z.B. Ausländer kaufen Wertpapiere im Inland), die Devisennachfrage aus Importen von Gütern und Dienstleistungen sowie Kapitalexporten (z.B. Kauf ausländischer Aktien oder Bonds). Ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage bei realen Angebots- oder Nachfrageschocks ist möglich durch • Reservenakkumulation (dR/dt>0) bzw. (dR/dt<0); dies setzt hinreichendes R voraus, wenn eine Zahlungsbilanzfinanzierung vorgenommen werden soll. • Ein Angebotsüberschuss auf dem Devisenmarkt kann durch stabilitätspolitische Intervention beseitigt werden und zwar insbesondere durch eine Zinssenkungspolitik über expansive Geldpolitik, die Y und entsprechend X* (Importnachfrage) erhöht. Steigt P relativ zu P*, wird die Güterimportnachfrage zusätzlich stimuliert, wodurch das ausländische Sozialprodukt steigt. Zinssenkungen stimulieren zudem Nettokapitalexporte. Hier drohen Zielkonflikte in der Hochkonjunktur. • Ein Nachfrageüberschuss auf dem Devisenmarkt erfordert eine kontraktive Geldpolitik. Hier kommt es möglicherweise zum Konflikt mit dem Ziel des internen Gleichgewichts (Vollbeschäftigung), falls Unterbeschäftigung in der Ausgangssituation vorlag. • Konvertibilitätsbeschränkung oder Beschränkungen des Handels- und Kapitalverkehrs, was den Verlust der Vorteile von Freihandel und freiem Kapitalverkehr mit sich bringt. • Wechselkursänderung; Hier kann insbesondere eine Abwertung als problematisch in Bezug auf das Ziel der Preisniveaustabilität erscheinen. Die Abwertung 54 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung verteuert importierte Fertigwaren und stimuliert Preiserhöhungen auch bei inländischen Substitutionsgütern; zugleich verteuern sich importierte Vorprodukte, was zu weniger Output und Beschäftigung führt. Sind Industrien mit statischen oder dynamischen Massenproduktionsvorteilen betroffen, so werden ursprünglich vorgesehene Kosten- und Preissenkungen unterbleiben. Flexible Dollar-Kurse gelten in den OECD-Ländern seit 1973 (IMF-StatutenÄnderung 1978). Der Hauptvorteil liegt darin, dass flexible Kurse den jeweiligen Ländern eine eigenständige Geldpolitik ermöglichen. Die Notenbank ist nicht verpflichtet, Angebotsüberschüsse auf dem Devisenmarkt aufzukaufen, d.h. dM/dt >0 und dR/dt>0 kann vermieden werden. Ebenso ist es nicht notwendig, Nachfrageüberschüsse zu befriedigen (dR/dt<0, dM/dt<0). Die Voraussetzungen einer monetären Stabilisierungspolitik verbessern sich mithin. Pro und Contra beim Wechselkursregime In der Debatte feste versus flexible Kurse spielen vor allem neun Aspekte eine Rolle: • die kurz- und langfristige Wechselkursentwicklung, die fundamentale Faktoren voll oder nur z.T. widerspiegeln kann und mithin bei festen Kursen wegen Misalignment (fehlende Anpassung des Kurses an internationale Zinsdifferentiale) und bei flexiblen Kursen wegen Overshooting (kurzfristige Kursreaktion größer als langfristig) zu einer verzerrten Allokation weltweit führen kann; • die internationale Zahlungsfähigkeit eines Landes. Sie ist bei flexiblen Kursen stets gegeben, da der Wechselkurs Angebot und Nachfrage nach Devisen zum Ausgleich bringt. Doch stellt sich die Frage nach den Entwicklungschancen der internationalen Arbeitsteilung und ob es jemals zu einem stabilen Wechselkurs kommt. Wechselkursvolatilität kann Zins- und Aktienkursstabilitäten sowie dadurch bedingte Verminderungen der Investitionen auslösen; • die Entwicklung von Außenhandel- und Kapitalverkehr. Geringe Unsicherheiten und fundamental unverzerrte Wechselkurse wären hier optimal, wobei Wechselkursänderungen zugleich auch wichtige Informationssignale für die Marktteilnehmer enthalten und reale Anpassungskosten in Güter- bzw. Arbeitsmärkten mindern könnten; • die nationale Autonomie in der Geldpolitik: Zumindest von der Steuerung des Geldangebots her ist eine autonome Geldpolitik bei flexiblen Kursen möglich. Es entfällt der Liquiditätsmechanismus von Devisenmarktinterventionen zur Verteidigung der Parität. Nicht zu übersehen sind aber Beschränkungen hinsichtlich des Einflusses auf die Entwicklung des Preisniveaus P, denn Wechselkursänderungen lösen via Außenbeitragsänderung einen Realeinkommenseffekt aus (bei höherem Y könnte P steigen). Eine Abwertung erhöht über den direkten internationalen Preiszusammenhang die Preise aller handelsfähigen Güter sowie die Preise von importierten Vorprodukten – negativer Angebotseffekt mit direktem kostenbedingten Preisauftriebseffekt –, und schließlich werden Wechselkursänderungen die Lohn- und Preiserwartungen beeinflussen (nominale Abwertung führt zu Lohnauftriebstendenzen); H.4 Theoretische Aspekte 55 • der Anreiz zu inflationärer Geldpolitik: Inflation reduziert über einen zeitlich verkürzten Kapitalisierungshorizont (z.B. durchschnittliche Wertpapierlaufzeit sinkt bei steigender Inflationsrate) und Unsicherheit bei der Interpretation von Preisänderungen (Zerlegung eines Preissignals in Inflationskomponente und in Ausdruck für veränderte reale Knappheitsverhältnisse) die Allokationseffizienz und vermindert die Innovationsrate, so dass negative Einkommens- und Wachstumseffekte mit Inflation verbunden sind. Allenfalls niedrige Inflationsraten könnten temporär über bei Inflation verminderte Realzinssätze zu einer Wachstumsbeschleunigung führen. Bei flexiblen Kursen ist geldpolitische Autonomie gegeben und jedes Land bzw. dessen Regierung/Notenbank ist für die Inflationsrate selbst verantwortlich. Eine verbessert sichtbare bzw. eindeutige geldpolitische Verantwortung dürfte den Widerstand in Wirtschaft und Bevölkerung gegen eine Inflationspolitik verstärken, so dass die Inflation geringer ausfällt als sonst. Bei festen Wechselkursen ist die Geldmenge endogen. Preisniveaustabilität kann letztlich nur über eine entsprechende Geldpolitik im Leitwährungsland erreicht werden; • die nationale Autonomie der Fiskalpolitik: Bei flexiblen Wechselkursen droht bei exzessiver Neuverschuldung des Staates rasch eine Abwertung der Währung, welche – in inländischen Währungseinheiten gerechnet – die Last der Auslandsschuld bzw. die durchschnittliche Verzinsung erhöht. Insgesamt zeigen makroökonomische Standardmodelle, dass das Wechselkursregime für die Autonomie bei der Fiskal- und Geldpolitik wesentlich ist; • der internationale Konjunkturzusammenhang: Standardmodelle der Makroökonomik zeigen, dass das Wechselkursregime für die Art und Geschwindigkeit der Übertragung von Konjunkturimpulsen relevant ist; • die internationale Integration: Wechselkursregime beeinflussen die Neigung zum Protektionismus bei Außenhandel und Kapitalverkehr. Flexible Wechselkurse scheinen weniger zu Protektionismus anzureizen als ein System fester Kurse, denn ein Zahlungsbilanzausgleich kann über Wechselkursänderungen erreicht werden. Es kann aber nicht übersehen werden, dass OvershootingEffekte – der Kurs überschießt seinen langfristigen (Kaufkraftparitäten-)Wert – zu beträchtlichen Anpassungsproblemen in der Exportindustrie und auch zu Effekten beim Portfoliokapitalverkehr führen können, die unter Hinweis auf langfristige Gleichgewichtskurse auf zeitweilige Protektion drängen könnte. • die Wechselkursunsicherheit: Wenn Wechselkurserwartungen darauf basieren, dass Wechselkurse einem Random Walk (Zufallsprozess) folgen, dann spielen Kursänderungserwartungen für die internationalen Kapitalmarktbewegungen keine Rolle: Zinsarbitrage wäre auf die Angleichung der Nominalzinssätze im In- und Ausland gerichtet. In einer Welt vollkommener Voraussicht hingegen erfordert Zinsparität i=i*+(e1-e0)/e0, d.h. die tatsächlich am Devisenmarkt eintretende Wechselkursänderungsrate ist relevant. Bei instabiler Wirtschaftspolitik im Ausland könnten via hoher Wechselkursvariabilitäten erhebliche Zinsschwankungen zustande kommen. Instabilitäten können auch bei adaptiven Wechselkursänderungserwartungen eintreten, wobei Kurserwartungen auf Kursänderungen der Vorperiode basieren. Paritäten mit weiten Bandbreiten könnten bei regelmäßiger Paritätsprüfung ein Kompromissarran- 56 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung gement sein, das via hohe Spekulationsrisiken die Spekulation begrenzt und Flexibilität erlaubt. H.4.2 Monetärer Ansatz der Zahlungsbilanztheorie Der monetäre Ansatz der Zahlungsbilanztheorie erklärt, warum Länder im Festkurssystem von einer expansiven bzw. inflationären Geldpolitik im Leitwährungsland gewissermaßen infiziert werden und wie dabei über Devisenmarktinterventionen eine regionale Umverteilung der Weltgeldmenge zustande kommt. Grundidee ist dabei, dass ein Anstieg des Preises handelbarer Güter im Leitwährungsland durch Preisarbitrage – also konkurrenztheoretisch begründete – Anpassungsimpulse auf höhere Preise auch in anderen Ländern auslöst. Durch den zunächst nur handelsfähige Güter, später aber das gesamte Preisniveau betreffenden Impuls wird ein temporärer Geldnachfrageüberschuss außerhalb des Leitwährungslandes ausgelöst; er wird dann letztlich über induzierte Devisenmarktinterventionen (Ankauf von Devisen) und die damit verbundene Liquiditätsschaffung befriedigt. Grundüberlegung des monetären Ansatzes der Zahlungsbilanztheorie für die Analyse von Festkurssystemen ist die folgende: Ein Angebotsüberschuss auf dem Geldmarkt in Land 1 – als Ergebnis einer inflationären Geldpolitik – löst über den direkten internationalen Preiszusammenhang einen parallelen Preisanstieg handelsfähiger (T-) Güter in Land 2 aus. Da die Geldnachfrage Md= Pm(Y,i) lautet, wobei P=(PT)ß(PN)(1-ß), kommt es via steigendem P zu einem Geldnachfrageüberschuss. Im Fall einer kleinen offenen Volkswirtschaft werden unmittelbar Kapitalimporte getätigt bzw. mehr Güter ins Ausland gegen Devisen verkauft, was das Devisenangebot erhöht und über eine Abschöpfung des Angebotsüberschusses durch die Notenbank zu einer Geldmengenerhöhung führt. Man beachte, dass ein kleines Land Preisnehmer am Weltmarkt ist und in seinen Absatzmöglichkeiten international als nicht beschränkt angesehen werden kann. Die Geldmenge außerhalb des Leitwährungslandes ist wegen der induzierten Devisenmarktinterventionen also eine endogene Größe. Der Angebotsüberschuss auf dem Devisenmarkt wird solange anhalten, bis der ursprünglich entstandene Geldnachfrageüberschuss abgeschmolzen ist. Es kommt also zu einer Umverteilung in den nationalen Anteilen an der Weltgeldmenge. Das reale Geldangebot M/P ist dann wieder so hoch wie die reale Geldnachfrage in m(Y,i). In der Tat wird in monetaristischen Modellen für Systeme fester Kurse das Preisniveau letztlich am Weltgeldmarkt bestimmt. Man kann sich bei Existenz nichthandelsfähiger Güter allerdings durchaus vorstellen, dass die nationalen Inflationsraten bei festen Wechselkursen unterschiedlich sind; doch die Preisänderungsraten handelsfähiger Güter müssten sich bei Abwesenheit von Arbitragehemmnissen weitgehend im Gleichschritt entwickeln. Schließlich sei für den Fall eines Festkurssystems noch auf ein wichtiges Freerider-Problem aufmerksam gemacht: Da jedes (kleine) Land nur marginal zur Weltgeldmenge beiträgt, besteht die Gefahr, dass alle Länder letztlich eine zu expansive Geldpolitik betreiben, so dass die nationalen Inflationsraten im Durch- 57 H.4 Theoretische Aspekte schnitt höher sind als bei flexiblen Kursen und eine eindeutig sichtbare nationale Verantwortung für die Geldpolitik und die Inflationsratenentwicklung fehlt. Sofern allerdings zumindest einige große Exportländer E1...En eine auf Preisniveaustabilität hin orientierte Politik verfolgen, ist eine inflationäre Politik in anderen Ländern L1...Lm mit erheblichen Risiken verbunden: In Hochinflationsländern führen hohe Inflationsraten zu hohen Lohnforderungen und entsprechend hohen Kostensteigerungen, die von Exporteuren auf Auslandsmärkten in der Konkurrenz mit Anbietern aus E1...En nicht über steigende Preise hereingeholt werden können. Damit verlieren Anbieter aus Hochinflationsländern Marktanteile auf den Weltmärkten, was längerfristig den Widerstand in der Wirtschaft gegen eine Inflationspolitik verstärkt oder aber eine Abwertung bzw. den Übergang zum Floating erzwingen wird. Der für das Fixkurssystem formulierte monetäre Ansatz der Zahlungsbilanztheorie geht von der Entstehungsseite des Geldangebots aus: Das Geldangebot M setzt sich von der Entstehungsseite aus Devisenreserven eR und inländischer Kreditkomponente D (Zentralbank an Geschäftsbanken) zusammen: M= eR + D; (e=Wechselkurs; R=Reservebestand) (H.12) dM = edR + dD (H.13) In Wachstumsraten gilt mit h=eR/M (kann als notenbankseitig gewünschter Parameter betrachtet werden): gM = hgR + (1-h)gD (H.14) bzw. hgR = gM - (1-h)gD (H.15) d Die Geldmarktgleichgewichtsbedingung M=M bzw. gM=gMd führt entsprechend der Geldnachfragefunktion Pm(Y,i) zu:4 gMd = gP + Em,YgY - Em,igi (H.16) In (H.15) eingesetzt ergibt sich bei annahmegemäß konstantem Nominalzins i und Em,Y=1: hgR = [gP + gY] - (1-h)gD (H.17) Wegen des Law of One Price bzw. Preisarbitrage gilt: gP = gP*, so dass die Inflationsrate bzw. Geldmenge endogen ist. Ein Zuwachs an Devisenreserven und mithin eine Erhöhung der Geldmenge M ergibt sich immer dann, wenn der Zuwachs der Geldnachfrage – der Term in eckigen Klammern – größer als die gewichtete Expansionsrate des heimischen Kredits 4 Für eine Funktion y = f(x,z) gilt in bezug auf die Wachstumsrate gy = Ef,x gx + Ef,z Gz; wenn A = B C, dann gilt gA = gB + gC. Denn dA = CdB + BdC, was als dA/A = [(CdB)/(B C)+BdC/(B C)] geschrieben werden kann. Für A = B + C gilt nach Differenzieren dA = dB + dC bzw. dA/A = (dB/B) (B/A) + (dC/C) (1-B/A). 58 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung (1-h)gD ist. Da im einfachsten Fall durch Preisarbitrage stets P=eP* (P*= Auslandspreisniveau) sichergestellt wird, gilt bei konstantem e, dass gP=gP*; durch Berücksichtigung nichthandelsfähiger Güter stellt sich das Problem leicht modifiziert, nicht aber grundlegend anders dar. Aus monetaristischer Sicht gilt, dass das Preisniveau handelsfähiger Güter quantitätstheoretisch auf dem Weltgeldmarkt bestimmt wird. Wenn man annimmt, dass das längerfristige Wachstum des realen Sozialproduktes durch exogene Faktoren – wie technischen Fortschritt und Bevölkerungswachstum bestimmt ist –, so kann eine kleine offene Volkswirtschaft keine autonome Geldpolitik betreiben. Dies ist immer dann ein besonderes Problem, wenn der Rest der Welt "RDW" eine höhere Inflationsrate wünscht als das Inland. Da alle kleinen Länder nur unmerklich zur Weltgeldmenge beitragen, besteht aber auch das Problem, dass im Festkurssystem die kleinen Länder als Free Rider agieren können. Ein System flexibler Kurse stellt nationale Autonomie der Geldpolitik sicher. Die internationale Währungsordnung entwickelt sich fast zwangsläufig in diese Richtung, wenn das Weltreserve-Währungsland (das n-te Land bei n-1 Wechselkursen und n Ländern) eine inflationäre Geldpolitik betreibt. Als die USA im Bretton-Woods-System in den 60er Jahren zu einer inflationären Geldpolitik übergingen, kam es in Europa immer wieder zu Angebotsüberschüssen bei der herrschenden Parität. Für die USA war das kein Problem, zudem generell auch nicht das Problem der Zahlungsbilanzfinanzierung bestand, weil die US-Währung dominante Reservewährung war. Bei flexiblen Kursen ist geldpolitische Autonomie sichergestellt. Zu prüfen ist allerdings, ob es Gründe für die Annahme gibt, der gewichtete Durchschnitt der nationalen Inflationsraten werde niedriger sein als bei fixen Kursen. Wenn dem so wäre, führte ein System flexibler Kurse zu weltweiten Wohlfahrtsgewinnen. Denn mit steigender Inflationsrate ergeben sich wachsende allokative Ineffizienzen und mithin Einkommensverluste. Flexible Kurse können als Grundlage einer Politik gesehen werden, die nicht aus Zahlungsbilanzgründen tarifäre oder nichttarifäre Handelshemmnisse aufzubauen gedrängt ist. Die Gegenposition wurde von NURSKE unter dem Eindruck der instabilen Währungsordnung in der Zwischenkriegszeit und insbesondere der Währungsturbulenzen in Frankreich 1922-26, in einer Studie für den Völkerbund formuliert. Demnach drohten drei Risiken flexibler Kurse: 1. Eine Beseitigung außenwirtschaftlicher Gleichgewichte wird nicht geleistet; der Wechselkursmechanismus als Anpassungsinstrument führt, so die Beobachtung fortlaufend instabiler Kurse, nicht zu einem neuen Gleichgewicht – die Kurse sind relativ instabil. Anomalitäten bei Handelsbilanzreaktionen sind denkbar, so dass die Kurse sich weiter von ihrem hypothetischen Gleichgewichtswert entfernen. Würden z.B. Importüberschüsse zur Abwertung führen, die als Signal für eine weitere Abwertung aufgefasst wird, dann werden höhere Importpreise erwartet, denen man durch vorgezogene Importe zu entgehen sucht. Zugleich werden Exportgeschäfte hinausgeschoben, so dass die Devisennachfrage auf erhöhtem Niveau bleibt und keineswegs eine Abwertung direkt zu einem neuen Gleichgewichtskurs führt. Der Nachfrageüberschuss wirkt fort. H.4 Theoretische Aspekte 2. 3. 4. 5. 59 Spekulative Kapitalbewegungen spielen eine besondere Rolle. Wenn Spekulanten einen von "Fundamentalfaktoren" nicht abgestützten Wechselkurs erwarten, besteht ggf. eine Tendenz zu einer Verselbständigung der Kursentwicklung, so dass kumulative Ungleichgewichte entstehen können. Kaufen Spekulanten in Erwartung steigender Kurse Devisen, so treibt dies den künftigen Kassakurs tatsächlich nach oben. Ähnliches gilt für den Fall der Erwartung sinkender Kurse, so dass "Übertreibungen nach oben und unten" zu erwarten sind. Damit bestehen wechselkursbedingte Unsicherheiten, die den Welthandel beeinträchtigen können. Als Lösung bietet sich ein Festkurssystem mit preisniveaustabilisierender Geldpolitik im In- und Ausland an. Die Volkswirtschaften werden destabilisiert. Es droht bei flexiblen Kursen eine Abwertungs-Inflations-Abwertungsspirale. Der sich ergebende internationale Inflationsratendurchschnitt könnte dadurch relativ hoch ausfallen, was zu entsprechenden Wohlfahrtsverlusten führt. Auch eine realwirtschaftliche Destabilisierung ist möglich, da starke Wechselkursfluktuationen zeitweise eine starke Expansion des Exportsektors – verbunden mit Faktorzuwanderung – und zeitweise eine starke Kontraktion (mit Abwanderung) erwarten lassen. Hieraus ergeben sich zusätzliche Wohlfahrtsverluste. Es gibt die These, dass verstärkter Protektionismus gerade durch flexible Kurse ausgelöst wird. NURSKE argumentierte mit Blick auf die Zwischenkriegszeit, dass destabilisierende Spekulation letztlich Beschränkungen des Kapitalverkehrs und des Handelsverkehrs fördere. Es lässt sich hinzufügen, dass die Entwicklung seit 1973 zeigt, dass durchaus Misalignment (Abweichung von Kaufkraftparität) zustande kommen kann: Probleme sind die hohe kurzfristige Volatilität und mittelfristige Wechselkurszyklen (z.B. massive nominale und reale Aufwertung des Dollars gegenüber der DM 1980-85, zwischen 1985 und 1990 massive Abwertung). Kommt es bei flexiblen Kursen zu einer Umkehr von Kapitalflucht – die Kapitalimporte steigen also massiv –, dann kann es zu einer erheblichen Überbewertung der Währung kommen. Verschärfte Importkonkurrenz (bei sinkenden Importpreisen) erschwert dann die Expansion der inländischen Unternehmungen. Fixiert man den Kurs auf überhöhtem Niveau, so droht insbesondere bei einem Zinsschock im Ausland – der Auslandszins steigt, womit der Inlandszins unter Druck gerät –, dass eine Abwertung notwendig wird, um die Wirtschaft zu stimulieren. Erklärt ein Land zugleich den Übergang zu flexiblen Kursen (wie Mexiko 1995), dann kann die Abwertung zu weiteren Abwertungserwartungen und massiven tatsächlichen Abwertungsraten mit nachfolgender Inflationsbeschleunigung, mit Verteilungskonflikten und Wachstumsverlusten führen. Realistisch festgesetzte und frühzeitig angepasste Paritäten wären von daher erwägenswert. Zinsparität Die Zinsbildung ist Teil von Gleichgewichtsprozessen bzw. Anpassungen auf Bestandsmärkten, wobei ein einfacher Fall die vollständige Substituierbarkeit von inund ausländischen Bonds ist. Dies setzt eine vollständige Kapitalmobilität voraus. 60 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Es gilt bei Risikoneutralität, dass im Arbitragegleichgewicht der inländische Nominalzins i = i* + (e'-e)/e bzw. e' e= (H.18) 1 + (i − i*) Wenn die Wechselkurserwartung e' (für t+1) selbst instabil ist, so führen auch stabile Zinsen nicht zu stabilen Wechselkursen. Es gilt die Hypothese effizienter Märkte und die Annahme der Rationalität der Akteure am Devisenmarkt. Neue Informationen haben Zufallscharakter, deren "Zufluss" zu Wechselkursänderungen führen. Zudem bestehen Erwartungsunsicherheiten. Statt mit Einschränkungen auf die Geltung der (spekulativen) offenen Zinsparität, kann man auf die "gedeckte Zinsparität" als Bedingung für ein Arbitragegleichgewicht abstellen. Bezeichnet man mit F den Terminkurs (und mit (F-e)/e den Swapsatz), so gilt bei Anlage im Inland bzw. Ausland: (1+i) = (1/e)(1+i*)F. Da ln(1+"kleine Zahl") = "kleine Zahl" gilt, ergibt sich i = ln (F/e) + i*; dabei kann statt lnF-lne auch (F-e)/e geschrieben werden. Bei der gedeckten Parität wird also der Ertrag einer Inlandsanlage (1+i) mit dem Ertrag verglichen, den das Umtauschverhältnis einer Währungseinheit zum Kassakurs ([1/e][1+i*]) und Rücktausch des Betrages zum Terminkurs erbringt. Es gibt ein "Overshooting-Problem": Nach DORNBUSCH erfolgen Preisanpassungen auf Gütermärkten immer mit Verzögerung, auf Finanzmärkten umgehend. In- und ausländische Bonds sind im Modell perfekte Substitute, erwartete und tatsächliche Wechselkurse differieren nicht systematisch; der langfristig erwartete Kurs wird von der Kaufkraftparität bestimmt, die Preisniveauentwicklung langfristig von der Geldmengenentwicklung determiniert. Betrachtet sei ein expansiver geldpolitischer Impuls: dM>0; es sinkt daraufhin der Inlandszins (P noch konstant) als Bestandteil des Gleichgewichtsanpassungsprozesses auf dem Geldmarkt. dM>0 impliziert langfristig – aus quantitätstheoretischer Sicht – eine Abwertung der Währung (e und e' werden im neuen Gleichgewicht höher sein als ursprünglich). Aber wegen i<i* muss gelten, dass die erwartete Wechselkursänderungsrate negativ ist (Aufwertung). Die negative Differenz zwischen erwartetem und aktuellem Kurs impliziert, dass die Akteure am Devisenmarkt von einer Kurssenkung ausgehen. Es muss nun eine so starke Aufwertung zustande kommen – solange noch fließt Kapital ins Ausland –, bis eine der PPP-Theorie bzw. dem langfristigen Kursniveau entsprechende Abwertungserwartung zustande kommt. Der aktuelle Kurs muss demnach über den langfristigen Kurs hinausschießen, denn sonst kommt keine auf Kurssenkung gerichtete Erwartung zustande. H.4.3 Finanzmarktansatz der kurzfristigen Wechselkursbestimmung In einem Modell mit kurzfristigen inländischen Bonds B und ausländischen Bonds (Bestand F*) kann das kurzfristige Zusammenspiel von Wechselkurs und Zinsniveau einerseits und die Rolle der Finanzmarktintegration andererseits dargestellt werden. Langfristige Bonds werden deshalb nicht betrachtet, weil ihr Bestands- 61 H.4 Theoretische Aspekte wert vom Zinssatz und Preisniveau abhängt und dies eine unnötige Komplizierung der Analyse bedeuten würde. Der Finanzmarktansatz der Wechselkursbestimmung erklärt den Wechselkurs sowie den Zinssatz als Ausdruck eines kurzfristigen Bestandsgrößengleichgewichts. Die in der Analyse untersuchten Finanzmärkte sind als sehr schnelle Märkte zu betrachten, wobei der Wechselkurs e in der Realität noch rascher reagiert als der (durchschnittliche) Nominalzinssatz i. Betrachtet werden der gesamtwirtschaftliche Geldmarkt, der Markt für Inlandsbonds und der Markt für Auslandsbonds, wobei das Anlegerverhalten sich in gewünschten Anteilen n, b bzw. f – für Geld, Bonds und Auslandsbonds – am Gesamtfinanzvermögen ergibt. N kann als gewünschte Relation von Nominalkasse M zu nominalem Finanzvermögen An oder als gewünschter Anteil der Realkasse M/P am Realvermögen A (A=An/P) betrachtet werden; Entsprechendes gilt für f und b. Der gewünschte Anteil b hängt positiv vom Eigenzins i, negativ von der Alternativrendite bei einer Anlage in Auslandsbonds (Auslandszins i* plus erwartete Abwertungsrate aE) sowie positiv vom kurzfristig gegebenen Bruttosozialprodukt Y ab. Die Bestandsnachfrage nach Auslandsbonds hängt positiv von i*+aE, negativ von i und positiv von Y ab. Die gewünschte nominale Geldmenge hängt gesamtwirtschaftlich negativ von den Opportunitätskosten der Kassenhaltung – also i bzw. i*+aE – sowie positiv vom Einkommen Y ab. Nachfolgend sind die Gleichgewichtsbedingungen für die drei Finanzmärkte formuliert, wobei links das Bestandsangebot und rechts die Bestandsnachfrage stehen. Da die Auslandsbonds in ausländischer Währung denominiert sind, ergibt sich das in inländischen Währungseinheiten ausgedrückte Angebot als eF*. Dabei wird von der Situation einer kleinen offenen Volkswirtschaft ausgegangen. Soweit Inflation außer acht bleibt, kann i mit dem Realzinssatz r gleichgesetzt werden. Geldmarktgleichgewichtsbedingung (MM-Kurve) M/P = n(i,i*, aE,Y)A (H.19) Gleichgewichtsbedingung für Bonds (BB-Kurve) B/P = b(i,i*, aE,Y)A (H.20) Gleichgewichtsbedingung für ausländische Bonds (FF*-Kurve) eF*/P = f(i,i*, aE,Y)A (H.21) Es gilt die Vermögensrestriktion, dass die Bestandswerte von B, eF und M sich zum nominalen Finanzvermögen An addieren (wenn also die Gleichgewichtswerte von n und b bestimmt sind, so ist automatisch der Gleichgewichtswert von f bestimmt). Wegen der Vermögensrestriktion sind nur zwei der obigen drei Gleichungen voneinander unabhängig, so dass für die Wechselkurs- und Zinsanalyse nur zwei der drei Finanzmärkte zu berücksichtigen sind. Schließlich ist zu beachten, dass der Bestand (F*) an ausländischen Wertpapieren zunimmt (abnimmt), wenn ein Leistungsbilanzüberschuss (Leistungsbilanzdefizit) vorliegt, denn dem muss spiegelbildlich ein Nettokapitalexport (Nettokapitalimport) entsprechen. A = B/P + eF*/P + M/P; (H.22) 62 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Vermögensrestriktion, was impliziert b+f+n = 1. (H.23) Zunächst ist es sinnvoll, sich den Verlauf der drei Gleichgewichtskennlinien MM (Geldmarkt), BB (Markt für Inlandsbonds) und FF* (Markt für Auslandsbonds) klar zu machen. Die MM-Linie hat im Normalfall eine positive Steigung, die BB-Linie und die FF*-Linie eine negative Steigung im Wechselkurs-ZinssatzDiagramm. Da nachfolgend Inflation nicht betrachtet wird, kann die Darstellung im e-r-Diagramm erfolgen. Das Finanzmarktmodell (von BRANSON) dient der kurzfristigen Bestimmung des Wechselkurses und des Zinssatzes im Rahmen eines Bestandsgleichgewichts auf den Finanzmärkten. Geht man vom allgemeinen Gleichgewichtspunkt E aus und nimmt – bei konstantem Zins – eine Erhöhung von e, also eine Abwertung (e1) an, dann bedeutet dies eine erhöhte Geldnachfrage (Punkt F). Denn die Abwertung erhöht eF* bzw. den Wert des Vermögens. Annahmegemäß ist das Land international in einer Nettogläubigerposition, sonst wäre F* negativ. Der sich ergebende Geldnachfrageüberschuss kann durch einen Zinsanstieg (Bewegung von F nach G) beseitigt werden, denn der Zinsanstieg führt zu einer Verminderung des gewünschten Anteils von Geld im Portfolio. Nimmt man, wieder von Punkt E ausgehend, eine Abwertung (e1) an, so steigt mit Blick auf den inländischen Bondsmarkt die Nachfrage an. Denn die Abwertung hat den Wert des Vermögens in inländischen Währungseinheiten erhöht. Gleichgewicht auf dem inländischen Bondsmarkt kommt dann wieder zustande, wenn über eine Zinssenkung (Bewegung von Punkt F nach H) die Bondsnachfrage soweit abgeschwächt wird, dass das Bestandsangebot mit dem Wunschbestand übereinstimmt. Wieder ausgehend von Punkt E sei eine Abwertung (e1) nunmehr in ihrer Wirkung auf den Markt für ausländische Bonds F* betrachtet: Zwar führt die Abwertung zu einer Vermögenserhöhung und daher einer Mehrnachfrage nach ausländischen Wertpapieren. Aber der dominante Effekt der Abwertung ist die proportionale Wirkung auf der Angebotsseite dieses Marktes: In inländischen Währungseinheiten ausgedrückt steigt nämlich durch die Abwertung der Angebotswert eF*, so dass die Nettowirkung ein Angebotsüberschuss ist. Oberhalb der FF*-Kurve herrscht ein Angebotsüberschuss auf dem Markt für Auslandsbonds. Der Angebotsüberschuss wird nur dann eliminiert, wenn es zu einer starken Senkung des Inlandszinssatzes (Bewegung von F nach I) kommt. Weil die Auslandsbondsnachfrage auf den Eigenzins – hier i*+aE – stark, aber auf den Zins des Substitutionspapiers (hier i bzw. r) nur schwach reagiert, muss eine relativ starke Senkung des inländischen Zinssatzes erfolgen, damit ein Angebotsüberschuss auf dem F*- Markt verschwindet. 63 H.4 Theoretische Aspekte a) Portfoliomodell e BB0 FF* I e1 F H e0 MM0 G E r r0 b) Zinsparität e C B e0 MM0 M = m(i) An , mit An = M+B+eF* A IP0 e1 IP1 i = i* + 0 i1 i0 e‘ - e e‘ bzw. e = e (1-i*) + i i, r Abb. H.9. a) Portfoliomodell und b) Zinsparität Man kann nun eine Reihe interessanter wirtschaftspolitischer Eingriffe analysieren, wozu insbesondere eine expansive Offenmarktpolitik (Notenbank kauft inländische Bonds gegen Hingabe von Inlandsgeld) gehört. Es genügt, die BBKurve und die unveränderte FF*-Kurve zu betrachten. Bei gegebenem Wechselkurs bedeutet eine Verminderung des Bestands an Bonds bei wertmäßig gleich großer Erhöhung der Geldmenge zwingend, dass der Zinssatz sinkt: Die BB- 64 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Kurve könnte sich etwa nach links durch den Punkt I auf der FF*-Kurve verschieben; die MM-Kurve wäre entsprechend auch nach links – durch den Punkt I laufend – zu verschieben. Ein weiterer interessanter Fall ist der einer erwarteten Erhöhung der Abwertungsrate. Falls im Ausgangsfall die erwartete Abwertungsrate a gleich Null war, kann einfach eine erwartete Abwertung betrachtet werden. Im Übrigen ist eine erwartete Abwertung analytisch im Wesentlichen gleich zu behandeln wie eine Erhöhung des Auslandszinssatzes i*. Da die Geldmarktgleichgewichtslinie unverändert bleibt, muss der neue Gleichgewichtspunkt auf der MM-Linie liegen. Es gilt, dass eine Abwertungserwartung zu einer Zinserhöhung und einer tatsächlichen Abwertung führt. Denn die FF*-Kurve und die BB-Kurve verschieben sich nach rechts. Sind in- und ausländische Bonds perfekte Substitute, so bewirkt Zinsarbitrage i = i* + (e'-e)/e. Wenn erwarteter künftiger Kassakurs (e') und gegenwärtiger Kassakurs (e) übereinstimmen, muss i = i* gelten, während im Portfoliomodell dauerhafte Unterschiede bestehen können. Sind in- und ausländische Bonds perfekte Substitute, so fallen die BB- und FF*-Linien in Gestalt der IP-Linie zusammen. Die Geldmarktlinie (MM0) und die Zinsparitätenlinie (IP0) bestimmen Zinssatz und Wechselkurs. Finanzmarktintegration und Weltkapitalmarkt Als Vorüberlegung zur Wirkung einer erwarteten (höheren) Abwertung ist es sinnvoll, sich kurz dem Weltkapitalmarkt zuzuwenden. Der Weltkapitalmarkt ist analytisch die Gegenüberstellung von Angebotsüberschuss an inländischer Ersparnis und Nachfrageüberschuss an ausländischer Ersparnis; oder inländischem Nachfrageüberschuss und ausländischem Angebotsüberschuss. In der folgenden Abbildung ist im Teil a) das Sparangebot Ss und die inländische Sparnachfrage Sd in inländischer Währung (hier Euro) dargestellt, während im Teil c) Sparangebot und Sparnachfrage in ausländischer Währung ($) eingezeichnet sind. Im Abbildungsteil b) soll der Angebotsüberschuss des Inlands der Nettosparnachfrage aus dem Ausland gegenübergestellt werden. Der Nettoangebotsüberschuss des Inlandes muss bei einer Darstellung in ausländischen Währungseinheiten mit 1/e multipliziert werden, wobei e anfänglich gleich 1 sei. In dieser Darstellung eines globalen Stromgrößen-Gleichgewichtes bestimmt der Schnittpunkt von Sparangebotskurve auf dem Weltmarkt (SsW) und Sparnachfragekurve auf dem Weltmarkt (SdW) den weltweit einheitlichen Realzinssatz r0. Wie wirkt sich nun eine erwartete Abwertung aus? Zur Beantwortung dieser Frage ist der Devisenmarkt (Teil d) und das Bestandsmarkt-Portfoliomodell zu betrachten. Eine (erhöhte) Abwertungsrate bedeutet, dass sich bei der Anlage in Auslandsbonds die zu erzielende Effektivrendite i*+a erhöht, so dass der gewünschte Nettokapitalexport und mithin die Devisennachfrage zunimmt: Die Erhöhung der Devisennachfrage führt von einem Wechselkurs e0 auf e1, also zu einer Abwertung. Im Portfoliomodell stellt sich der Sachverhalt so dar, dass die BB-Kurve und die FF*-Kurve sich nach rechts verschieben. Es stellt sich der neue Gleichgewichtspunkt E1 ein, der eine Zinserhöhung und eine Abwertung anzeigt. Bei sofortiger Reaktion des Wechselkurses und zunächst noch gegebenem Inlandszins r0 ergibt sich sogar ein Overshooting-Effekt (e2). 65 H.4 Theoretische Aspekte b) Weltmarkt a) Inland S1SW S0s r0 C‘ r1 A S0SW = S0s- S0d e0 D‘ c) Rest der Welt S0s* C D B S0dW S0d* S0d $ ECU e d) Devisenmarkt e SS0 e) Portfoliomodell bei (erhöhter) Abwertungsrate BB0 BB1 e2 e1 MM0 E01 E1 e1 e0 e0 FF*1 E0 DD1 DD0 FF*0 $ r0 r1 r Abb. H.10. Weltkapitalmarkt Man kann sich aus Vereinfachungsgründen die Aktivitäten auf den Bestandsmärkten temporär getrennt von den Stromgrößenmärkten vorstellen, wobei allerdings die Analyseergebnisse konsistent sein müssen. Die Abwertung bedeutet bei der Betrachtung der laufenden Ersparnis, dass auf dem Weltkapitalmarkt das Sparangebot – in ausländischer Währung gerechnet – gesunken ist, so dass es zu einer Realzinssatzerhöhung kommt. Die dargestellte Stromgrößenbetrachtung ist nun allerdings insofern nicht völlig konsistent mit dem Portfoliomodell, als letzteres nur als Sonderfall zu dr=dr* führt, was ja Ergebnis des Weltkapitalmarktansatzes ist. Allerdings wird für den Fall, dass in- und ausländische Bonds perfekte Substitute sind, regelmäßig die Übereinstimmung von nunmehr modifiziertem Portfolioansatz und StromgrößenModell auftreten. Denn es gibt bei Existenz eines einzigen Bondsmarktes (mit Angebot B+eF*=f[..]) nur eine beide Bonds-Märkte gemeinsam charakterisierende Zinsparitätenlinie: Sie verläuft als Hyperbel mit negativer Steigung – sie stellt gewissermaßen die Verschmelzung von FF*-Linie und BB-Linie dar – und bringt die Zinsparität i=i* + (e't1-et0)/et0 zum Ausdruck. Im Portfoliomodell sind in- und ausländische Bonds nur unvollkommene Substitute, wobei jede Bondsnachfrage als Bestandssparangebot anzusehen ist. Bei unvollkommener Substitutionalität 66 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung führt demnach im Stromgrößenmodell ein Angebotsüberschuss von 1 bei konstantem Wechselkurs nur zu einem unterproportionalen Anstieg des Angebots auf dem Weltkapitalmarkt. H.4.4 Theorie optimaler Währungsgebiete Der nominale Wechselkurs ist der relative Preis zweier Währungen für jeweils ein bestimmtes Währungsgebiet. Kursänderungen beeinflussen das Preisniveau direkt über die Preisentwicklung handelsfähiger Güter sowie indirekt über Vermögenseffekte (in der Abgrenzung des Finanzmarktansatzes ist Vermögen An = eF* + B + M) und Außenbeitragseffekte, die über die gesamtwirtschaftliche Nachfrage die Preisentwicklung mitbestimmen. So gesehen können von Wechselkursänderungen bedeutende Anpassungsimpulse auf Güter- und Faktormärkte sowie Finanzmärkte ausgehen. Der Wechselkurs ist bei flexiblem Kurs zugleich ein Ventil, das Anpassungsdruck auffängt. Eine Abwertung in einer Rezession stimuliert Exporte, Sozialprodukt und Beschäftigung. Alternativ könnte bei festen Kursen hierzu eine Senkung der Nominallöhne bzw. Preise dienen. Je geringer Preis- und Lohnflexibilität sind, desto wichtiger ist die Wechselkursflexibilität. In der Theorie optimaler Währungsräume werden Kriterien dafür formuliert, unter welchen Bedingungen flexible Kurse zwischen Ländern A, B und C bzw. feste Kurse zwischen D, E und F sinnvoll sind. In einem einheitlichen Währungsgebiet scheiden allerdings Wechselkursänderungen als Anpassungsinstrument der Wirtschaftspolitik aus. Informations- und Transaktionskostenvorteile eines größeren Währungsgebietes bzw. einer Ländergruppe mit festen Kursen sind zu erwarten (extremer Gegensatz hierzu wäre, dass jedes Wirtschaftssubjekt eigenes "Geld" emittiert); ggf. gibt es auch eine verminderte Notwendigkeit zur Währungsreservehaltung. Zugleich entfällt die für geldpolitische Vernunft wichtige Währungskonkurrenz bzw. das Nebeneinander von in verschiedenen Währungen (des betrachteten Raumes) denominierten Aktiva. Dies könnte die "durchschnittliche Währungsstabilität" vermindern und so gesehen gesamtwirtschaftliche Kosten der Währungsvereinheitlichung entstehen lassen – Kosten in Form erhöhter Inflation. Hier ist die wohlfahrtsökonomische Analyse der Geldnachfrage zu beachten. Bei höherer Inflationsrate steigt der Nominalzinssatz i, was zu einer Reduktion der gewünschten realen Kassenhaltung führt. Bei Grenzkosten der Geldschöpfung von nahe Null ergeben sich entsprechende Wohlfahrtsverluste H, die aus dem Anstieg des Nominalzinses i und der dadurch bedingten Verminderung der gewünschten Realkasse m (m = M/P) resultieren, wobei hier ein unveränderter Realzins angenommen wird. Im einfachsten Fall eines Übergangs von Preisniveaustabilität mit Realzinssatz r=i gilt für H: H= σ(m0/i0)п(п/2 + r) (H.24) mit σ = Zinselastizität der Geldnachfrage (dem Betrage nach), m = Realkasse (m0= ursprüngliche Realkasse), п= Inflationsrate. Ein weiterer Wohlfahrtsverlust entsteht dadurch, dass bei inflationsbedingtem Rückgang des Sozialproduktes sich die Geldnachfragekurve nach links verschiebt. 67 H.4 Theoretische Aspekte i, r, π π0 +r0 =i A B Y h(i) C r0 F D H m1 G m0 M/p Abb. H.11. Wohlfahrtsverlust bei Inflation Optimale Währungsräume gemäß stabilitätspolitischer Aspekte Ein optimales Währungsgebiet kann als Raum definiert werden, innerhalb dessen eine optimale Anpassung mit Fixkursen vor sich geht, während die optimale Anpassung mit Blick auf Wirtschaftsbeziehungen des Gebietes zu anderen Regionen zweckmäßigerweise über flexible Kurse läuft. Unter stabilitätspolitischen Aspekten ist die Notwendigkeit von Wechselkursflexibilität in der Theorie optimaler Währungsräume diskutiert worden. Dabei geht es um die Frage, inwieweit unterschiedliche Währungen bzw. die Option einer Abwertung für ein Land unabdingbar sind, um bei widrigen "Schocks" ein Anpassungsinstrument zur Beschäftigungssicherung zu haben. Als optimaler Währungsraum gilt eine Kombination von Ländern, die mit festen Wechselkursen (Extremfall: Währungsunion) miteinander verbunden sind, gegenüber dem Rest der Welt aber flexible Kurse aufweisen. Ausgangspunkt ist hierbei, wie bei einem asymmetrischen externen Schock Zahlungsbilanzgleichgewicht bzw. Vollbeschäftigung wiederhergestellt werden kann. Wenn Länder ähnlich strukturiert sind und sie ähnlichen technologischen oder nachfrageseitigen externen Schocks ausgesetzt sind, so bietet sich eine Parallelpolitik an. Jedenfalls wird dann nicht ein Land (I) eine Aufwertung, das andere Land (II) aber eine Abwertung gegenüber einer Drittlandswährung wünschen (in letzterem Fall können natürlich auch die Wechselkurse zwischen I und II nicht stabil sein). Bei asymmetrischen Schocks kann eine Wiederherstellung der Vollbeschäftigung durch Migration zustande kommen. Denkbar wären aber auch nachfrageumlenkende Effekte durch eine koordinierte Geld- und Fiskalpolitik beider Länder 68 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung oder Regionen. Wenn regionale Transfers gezahlt werden, so dämpft dies die Schockwirkung. Auch langfristige nachfrage- oder angebotsseitige Änderungen (shifts) können Anpassungsprobleme verursachen. Wie kann der Symmetriegrad von Schocks erfasst werden? EICHENGREEN verglich die Aktienkursrelationen Montreal ("Quebec-Aktien") und Toronto (RestKanada-Aktien) mit der Aktienkursrelation Paris/Düsseldorf. Es zeigt sich hierbei, dass die entsprechenden Variationskoeffizienten für Kanada geringer ausfallen, als für Frankreich/Deutschland. Da sich asymmetrische Schocks in einer unterschiedlichen Entwicklung der diskontierten Unternehmensertragserwartungen niederschlagen werden, sieht man hieran, dass Deutschland/Frankreich stärker asymmetrischen Schocks ausgesetzt sind als der französischsprachige und der englischsprachige Teil Kanadas. Für die beiden europäischen Länder könnte Wechselkursflexibilität daher ein wichtiges Schock-Absorptionsinstrument sein. Angebotsseite Nachfrageseite SCHOCKS FAKTORMOBILITÄT asymmetrisch Reale Wechselkursänderung Preisniveau Inland nominaler Wechselkurs Preisniveau Ausland Absorptionsänderung Finanzierung von Importen mit Regionaltranfers ohne Regionaltransfers symmetrisch Internationale Koordination der Politik Reserven Fiskalpolitik private Kapitalimporte Geldpolitik öffentliche Kapitalimporte Wachstumspolitik Abb. H.12. Symmetrische und asymmetrische Schocks Optimalitätskriterien MUNDELL, McKINNON und KENEN haben Kriterien für optimale Währungsräume vorgestellt, deren Problematik u.a. darin besteht, dass eine bestimmte Abgrenzung eines Währungsraums mit festen Wechselkursen (Land A+X) für ein Kriterium erfüllt sein mag, dass aber eine andere Währungsraum-Abgrenzung bei Betonung eines der anderen Kriterien sinnvoll sein könnte. VAUBEL hat darüber hinaus das Kriterium der realen Wechselkursstabilität in die Diskussion eingeführt. Die Kriterien lauten im Einzelnen wie folgt: H.4 Theoretische Aspekte 69 1. MUNDELL (1961): Eine Einheitswährung oder vollkommen feste Kurse sind zweckmäßig bei Regionen, zwischen denen hohe Faktormobilität besteht, was insbesondere für den Faktor Arbeit relevant ist. Angenommen wird hierbei, dass in der Realität Preise und Löhne nach unten nur begrenzt flexibel sind, so dass Faktorwanderung bei Schocks ein Vollbeschäftigungsgleichgewicht gewährleisten kann. West-USA plus West-Kanada und Ost-USA plus Ost-Kanada wären unter dem Aspekt der Faktormobilität (und der Schocksymmetrie) möglicherweise eher ein optimaler Währungsraum als Kanada und die USA es selbst sind. 2. McKINNON: Entscheidend ist hier der Offenheitsgrad der Wirtschaft im Sinne der Relation von handelsfähigen Gütern zu nichthandelsfähigen Gütern; eine Wirtschaft mit hohem Offenheitsgrad kann Festkurse haben, denn durch eine Abwertung lässt sich die Preiswettbewerbsfähigkeit kaum verbessern. Ein Anstieg von e führt wegen des hohen Anteils handelsfähiger Güter rasch zu allgemein erhöhten Lohnforderungen und damit einem Anstieg von P, so dass die Relation P/(eP*) durch Abwertung kaum gesenkt werden kann und mithin auch keine verbesserte relative Preiswettbewerbsfähigkeit erreichbar ist. 3. KENEN: Liegt ein hoher Diversifikationsgrad in Produktion und Export vor, dann kann auf das Abwertungsinstrument insofern verzichtet werden, als sich positive und negative Schocks tendenziell gegenseitig neutralisieren werden. Liegt eine starke Spezialisierung im Export vor – häufig eher bei kleinen Ländern vorzufinden –, dann kann ein ungünstiger Nachfrageschock oder Angebotsschock vom Weltmarkt voll auf den Außenbeitrag durchschlagen, so dass eine Abwertungsmöglichkeit zur Verbesserung der Preiswettbewerbsfähigkeit der Exportgüter sinnvoll bliebe. Wenn die Nachfrage nach Exportgütern im Zuge eines Präferenzwandels auf den Weltmärkten oder wegen des Vordringens konkurrierender Billiganbieter zurückgeht, so kommt es automatisch zu einem Nachfrageüberschuss auf den Devisenmärkten und mithin zu einer Abwertung. In der Literatur wird bisweilen auch das Kriterium der finanzwirtschaftlichen Integration (INGRAM, 1959) als wesentlich genannt. Demnach erlauben integrierte Finanzmärkte die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in Schockregionen schon bei kleinen Zinsänderungen, so dass man auf das Wechselkursinstrument eher verzichten könnte. H.5 Das Europäische Währungssystem EWS und der Euroraum Eine eigenständige EG-Koordinierung der Geld- und Währungspolitik entwickelte sich erst in den 70er Jahren, so dass der schon 1964 gegründete Ausschuss der Notenbankgouverneure (Zentralbankpräsidenten) der EWG-Länder lange ein Schattendasein führte. Ausgangspunkt für die Währungsintegration in der EU war die Den Haag-Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EWG 1969, als über die 70 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Idee einer Wirtschafts- und Währungsunion diskutiert wurde. 1970/71 wurde das Instrument eines kurzfristigen/mittelfristigen Währungsbeistandes in der EWG geschaffen. 1972 begann das "Block-Floating" verschiedener EG-Länder, d.h. feste Kurse zwischen diesen Ländern, aber gemeinsame Kursflexibilität gegenüber dem US-Dollar. Diese "Schlange" beinhaltete unterschiedliche Länder zu verschiedenen Zeitpunkten, wobei Italien, Großbritannien und Irland vor Einsetzen der Ölkrise ausschieden. Später schieden auch Frankreich sowie die assoziierten Schlangenländer Schweden und Norwegen aus. Zu groß waren die Divergenzen in den Kosten- und Preisentwicklungen sowie den stabilitätspolitischen Konzeptionen. Der 1973 geschaffene EFWZ – „Europäischer Fond für währungspolitische Zusammenarbeit" – war allenfalls Ausdruck einer gewünschten geldpolitischen Kooperation in der EG, aber es fehlte in der praktischen Geld- und Währungspolitik an einer institutionellen und politisch-konzeptionellen Harmonisierung. Das EWS I (bis zur Einführung des Euro) beinhaltete: (1) relativ feste Kurse mit Interventionsmechanismus („Wechselkursmechanismus"); (2) die Europäische Währungseinheit ECU, die ein Währungskorb der EU-Währungen mit (periodischer) Festlegung der Anteile einzelner Währungen war; (3) das Europäische Währungsinstitut EWI (1994-99), das den EFWZ und den EG-Notenbankgouverneursausschuss ersetzt hatte. Eine Reihe von Gutachten bzw. Reports zur EG-Währungskooperation ist im Laufe der Zeit entstanden. Dem Auftrag der Haager-Konferenz folgend, wurde zunächst der WERNER-Bericht zur Währungsintegration in der EG erarbeitet; andere Berichte (Marjolin-Report 1975, Optica-Reports 1975/1977) folgten Mitte der 70er Jahre, doch erst der DELORS-Bericht von 1989 brachte einen Durchbruch: Der vom Europäischen Rat auf seiner Hannover-Konferenz in Auftrag gegebene "Delors-Bericht" – später so nach seinem Vorsitzenden benannt – war Grundlage für die Maastrichter Beschlüsse zur Bildung einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Mitglieder des Delors-Komitees waren neben externen Experten die Notenbank-Chefs der EG-Länder plus der Chef der EG-Kommission, J. Delors. Auf Basis des Delors-Berichtes beschloss der Europäische Rat im Juni 1989, dass die erste Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion zum 1. Juli 1990 beginnen sollte (Kapitalverkehrsliberalisierungen) und danach eine Regierungskonferenz die weiteren Stufen der WWU und die notwendigen EG-Vertragsänderungen ausarbeiten sollte. Der Maastrichter Vertrag setzte dann den Kurs für eine WWU, deren 2. Stufe am 1. Januar 1994 begann. Die WWU baut auf das seit 1979 geltende European Monetary System (EMS; EWS) auf. Es umfasste in der Zwölfer-Gemeinschaft 11 Währungen (Luxemburg und Belgien hatten eine gemeinsame Währung) und eine besondere Recheneinheit und Reservewährung, die European Currency Unit "ECU". Die EWSNotenbanken haben 20% ihrer Geld- und Devisenreserven im Wege revolvierender dreimonatiger Swaps auf den EFWZ übertragen, der im Gegenzug ECUGutschriften leistet – also ECU schafft. In der Praxis erwiesen sich ECU, DM und Dollar als wichtige Währungsreserven in Europa. Zum EMS gehörte neben der ECU, die alle EG-Währungen im Währungskorb enthält, der ERM: "Exchange Rate Mechanism" (Wechselkursmechanismus), was eine Verpflichtung zur Paritätsverteidigung bei Standardabweichungsmargen H.5 Das Europäische Währungssystem EWS und der Euroraum 71 von +/- 2,25 % beinhaltet. Außer Griechenland waren bis 1992 alle EG-Länder im ERM – zuletzt Portugal (1992), wobei der Beitritt Großbritanniens zum 8. Oktober 1990 auf Schwankungsbreiten von +/- 6 % basiert. Italien ging zum 8. Januar 1990 – nach 3,7 v.H.-Abwertung der italienischen Lira – von dieser weiten Bandbreite auf die Standardschwankungsmarge über. 1992/93 kam es zu einer EWSKrise, bei der die italienischen Lira und das englische Pfund sowie später andere Währungen unter Druck gerieten. Im August 1993 wurde eine Verbreiterung der Bandbreite auf +/- 15 % beschlossen; nur der DM-Gulden-Kurs blieb stabil in der Standardmarge. Lira und Pfund werteten ab und verließen den Wechselkursmechanismus. Die Einheitliche Europäische Akte von 1987 bildet die Grundlage zur Schaffung eines Binnenmarktes bis Ende 1992, einschließlich eines liberalisierten EU-Finanzmarktes. Nach dem CECCHINI-Bericht sollte etwa 1/3 der Binnenmarkt-Einkommensgewinne aus der Liberalisierung von Finanzdienstleistungen herrühren. Die nationalen Finanzmärkte blieben dabei solange in Grenzen voneinander separiert, wie eigene nationale Währungen bestünden. Mit der Gründung von Euro und EZB zum 01.01.1999 durch 11 Länder (Griechenland ist seit Anfang 2001 das 12. Mitglied der Eurozone) entstand ein hochintegrierter Finanzmarkt. Slowenien stieß zum 01.01.2007 als 13. Land in die Eurozone, Malta und Zypern zum 01.01.2008. Dominanzrolle der DM im EWS Lange kam der DM im EWS die Rolle einer Ankerwährung zu: Andere Notenbanken orientierten sich an der Bundesbank, die DM-Zinssätze waren die niedrigsten in Westeuropa – auch wegen der wachsenden Rolle der DM als internationale Reservewährung. Die stabilitätsorientierte Geldpolitik der Deutschen Bundesbank hat zu einem parallel gerichteten Disinflationsprozess in allen EGLändern geführt. Diese Anker- und Dominanzrolle ergab sich infolge • der starken Stellung deutscher Exporteure auf den EG-Märkten (mehr als die Hälfte der deutschen Exporte gingen in die EG-Partnerländer); • der Bedeutung des deutschen Marktes für EU-Exporteure: Exporteure aus Hochinflationsländern wurden zunehmend auf dem deutschen Markt (und in allen anderen preisniveaustabilen Ländern) weniger preiswettbewerbsfähig, wenn keine dem Inflationsratendifferential entsprechende Abwertung stattgefunden hatte. Zwischen 1987 und 1992 gab es praktisch kein Realignment mehr im EWS, und die zuvor stattgefundenen Paritätsänderungen (Realignments) waren stets nur partiell ein Ausgleich für kumulierte Inflationsdifferentiale. Ein Anreiz zur Vermeidung von Abwertungen ergibt sich nicht nur aus politischen Prestigegründen, sondern insbesondere auch, weil eine nominale Abwertungserwartung – also relative Aufwertung der Auslandswährungen – einen erhöhten inländischen Nominalzins via Zinsparität impliziert. Hieran besteht insbesondere in Ländern mit relativ hoher Staatsverschuldungsquote (Schuldenstand zu Sozialprodukt) bzw. hoher Neuverschuldungsquote (Neuverschuldung zu Sozialprodukt) naturgemäß kein Interesse. Gleichwohl, langfristig 72 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung können unrealistische Paritäten bei Kapitalverkehrsfreiheit und Finanzmarktintegration nicht gehalten werden; • der Bedeutung deutscher Direktinvestitionen: Jedenfalls kann die Hypothese aufgestellt werden, dass bei konzerninternem Bezug von relativ preisstabilen Vorleistungen aus deutschen Lieferbetrieben die Wettbewerbsposition von Konkurrenten im Gastland geschwächt wurde, so dass seitens der Wirtschaft im Gastland ein verstärktes Interesse an niedrigen Inflationsraten entsteht. Nicht von ungefähr war der DELORS-Report durch eine Orientierung am Modell der Deutschen Bundesbank bestimmt. Dies galt noch mehr für die Maastrichter Beschlüsse zur WWU bzw. zur Errichtung einer Europäischen Zentralbank. Die bewusste Orientierung verschiedener EU-Partner an der deutschen Geldpolitik verstärkte die deutsche monetäre Führungsposition, die nur temporär durch Probleme der Wiedervereinigung geschwächt wurde. Das bedeutete aus Sicht der meisten Partnerländer, dass de facto die Inflations- und Zinspolitik in Frankfurt für die gesamte EU durch die Deutsche Bundesbank bestimmt wurde. Ein starker Angleichungsprozess (Konvergenz) der Inflationsraten und der Nominalzinsniveaus in Richtung auf das bundesdeutsche Niveau war in den 80er Jahren festzustellen. Seit Mitte der 90er Jahre ergab sich dann im Kontext der Beschlüsse zur Einführung von Euro und EZB in 1999 ein verstärkter nominaler Konvergenzprozess in der EU. Es kam zu einer Annäherung der Zinssätze der offenbar eurowilligen EULänder auf das niedrige deutsche Zinsniveau. Die EZB drückte dann 2003 den Zinssatz auf ein in Westeuropa historisch niedriges Niveau – und zwar nominal. Sehr niedrige Inflationsraten in Deutschland und Frankreich bedeuteten für diese Länder ein gleichwohl relativ hohes Realzinsniveau. Innerhalb der Eurozone bestanden zwischen den Mitgliedsländern anfänglich Inflationsunterschiede von bis zu 4 Prozentpunkten. Ist die EU ein optimaler Währungsraum? Bis Ende 1992 war das EG-Binnenmarktprogramm weitgehend vollendet. Es stellt sich die Frage, ob die reale Wirtschaftsintegration (Binnenmarkt) eine Währungsunion als Ergänzung verlangt. Hier stellt sich aus theoretischer Sicht die Frage, inwieweit die EU ein optimaler Währungsraum ist. Bezogen auf das MUNDELLKriterium der Faktormobilität ist die EU nicht als optimaler Währungsraum anzusehen, da insbesondere die Mobilität des Faktors Arbeit in der EU gering ist (in jedem Fall dürfte die regionale Mobilität geringer als etwa in den USA oder Japan sein). Bei begrenzter Faktormobilität käme es aus stabilitätspolitischer (Vor-)Sicht vor allem darauf an, die Mechanismen zur Vermeidung von dauerhafter Arbeitslosigkeit in allen Staaten bzw. Regionen zu verbessern; z.B. durch die Einführung einer nach Versicherungsprinzipien – ähnlich wie die PKW-Haftpflichtversicherung etwa mit regional deutlich differenzierten Beitragssätzen und Beitragsrückerstattungsoption – ausgestatteten Arbeitslosenversicherung auf nationaler Ebene (WELFENS, 1985; 1994/95). Die EU-Staaten erfüllen am ehesten das McKINNON-Kriterium eines hohen Offenheitsgrades (relative Größe des Sektors handelsfähiger Güter und Dienstleistungen ist beträchtlich). Mehr als die Hälfte des Außenhandels findet jeweils mit H.5 Das Europäische Währungssystem EWS und der Euroraum 73 anderen EU-Partnerländern statt. Die technologisch bedingte zunehmende Handelbarkeit von Dienstleistungen, die im Binnenmarktprogramm vorgesehene EUweite Öffnung staatlicher Ausschreibungen und der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse dürften den Offenheitsgrad in allen EU-Ländern noch vergrößern. Ob das EU-Binnenmarktprogramm die internationale EU-Wettbewerbsfähigkeit stärkt und dabei langfristig auch eine Erhöhung der Extra-EU-Exporte bringt, ist eine offene Frage: Die Extra-EU-Exportquote betrug Mitte der 90er Jahre etwa 11 % im Durchschnitt. Das KENEN-Kriterium einer starken Diversifizierung in der Produkt- und Außenhandelspalette erfüllten die EU-Staaten i.d.R. nicht; mit dem EU-Binnenmarkt ist eine regional eher zunehmende Spezialisierung zu erwarten gewesen. Das Kriterium einer hohen Finanzmarktintegration wurde hingegen – insbesondere bei fortschreitendem "going European" der Banken verschiedener EU-Länder (EU-weit operierende Banken) – nach 1992 zunehmend erfüllt. Politisch-ökonomische Aspekte des Notenbankstatus Aufgrund historischer Erfahrungen und gemäß den Überlegungen der Neuen Politischen Ökonomie ist nur bei einer politisch unabhängigen Notenbank eine nichtinflationäre Geldpolitik zu erwarten. Die Unabhängigkeit der Notenbank hat verschiedene Aspekte: • politische Unabhängigkeit der Notenbank, die bedingt, dass das NotenbankGesetz zumindest nicht mit einfacher Mehrheit geändert werden kann. Gemäß den Maastrichter Beschlüssen ist Einstimmigkeit erforderlich. In der Realität kann die Unabhängigkeit der Notenbank durch eine im Zeitablauf akkumulierte Reputation bzw. ein hohes Ansehen in Öffentlichkeit und Banken-/Finanzwelt gestärkt werden (ähnlich wie im Fall der Deutschen Bundesbank); • funktionelle Unabhängigkeit der Institution Notenbank, welche instrumentelle Souveränität verlangt und die Notenbank insbesondere von Weisungen der Regierung und dem Zwang zur monetären Alimentierung staatlicher Haushaltsdefizite freistellt sowie die Verfolgung eines prioritären Ziels erlaubt (z.B. Preisniveaustabilität). Dies ist laut Maastrichter Beschlüsse gegeben; • personelle Unabhängigkeit, welche im Kern bedeutet, dass für das Leitungsgremium der Notenbank ernannte Mitglieder/innen in ihren Entscheidungen für eine vorbestimmte längere Amtsdauer von politischen Gremien unabhängig sind. Eine starke politische Abhängigkeit der Notenbank schafft die Gefahr einer monetären Alimentierung von staatlichen Haushaltsdefiziten, einer – bei hoher Staatsverschuldung – für den Staat attraktiven Niedrigzinspolitik (im Extremfall mit expliziten oder impliziten Kapitalexportbeschränkungen) und einer auf hohe Notenbankgewinne gerichteten Politik (indirektes Interesse an Aufrechterhaltung der Mindestreservepolitik etc.); letztlich besteht die Gefahr einer inflationären Neigung der Geldpolitik. Inflation aber reduziert das Wirtschaftswachstum und führt zu unerwünschten Umverteilungseffekten; GRIMES (1991, 632-644) zeigte in einer empirischen Untersuchung für industrialisierte Länder, dass sich aus einer 9-prozentigen Inflationsrate eine Reduzierung der Wachstumsrate um 1 Prozent- 74 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung punkt ergäbe. Sollte bei einem stabilitätsfördernden Notenbankstatut eine Inflationsrate von 2 vH als längerfristiger EU-Durchschnitt entstehen, während bei einem inadäquaten Notenbankstatut eine Inflationsrate von 11 vH als längerfristiger Durchschnitt einträte, so wäre bei einem EU-Bruttosozialprodukt von 6.000 ECU [bzw. Euro] ein jährlicher inflationsbedingter Realeinkommensverlust von 60 Mrd. ECU [bzw. Euro] zu verzeichnen (etwa 240 ECU [bzw. Euro] pro Kopf); eine hohe Inflationsrate würde die Länder mit starker Anti-Inflationspräferenz überdurchschnittlich schädigen. Zudem dürfte bei dauernder EU-Wachstumsschwäche die Forderung der ärmeren Länder nach regionaler Einkommensumverteilung in der EU sich verstärken, womit auf die reicheren Länder zusätzliche Finanzierungsbelastungen zukämen. MAASTRICHTER Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs Der geänderte EWG-Vertrag weist in Art. 2 der Gemeinschaft die Aufgabe zu, durch die WWU "...beständiges, nichtinflationäres und umweltverträgliches Wachstum, einen hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern." Laut Art. 3a sollen die Mitgliedstaaten zur Erreichung dieser Ziele ihre Wirtschaftspolitik koordinieren und eine einheitliche Geld- und Wechselkurspolitik betreiben, die primär auf das Ziel der Preisstabilität auszurichten ist. Zudem sollen die Mitgliedstaaten Haushaltsdisziplin wahren und außenwirtschaftliches Gleichgewicht anstreben. Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt der Union sollte durch einen neuen „Kohäsionsfonds" gefördert werden, der neben die bestehenden Strukturfonds (Regional-, Sozial- und Agrarfonds) treten soll. Transferzahlungen aus den Fonds können aber realwirtschaftliche Anpassungen und Entwicklung zu erhöhter Flexibilität langfristig nicht ersetzen. Die zweite WWU-Stufe (seit 1.1.94) sollte neben der EWI-Gründung eine erhöhte monetäre, fiskalische und wirtschaftliche Konvergenz der Mitgliedstaaten auf Basis der Preisstabilität bringen. Damit sollte die Bedingung für den Übergang zur dritten Stufe geschafft werden. Falls in Mitgliedstaaten Stabilitätsanforderungen der WWU noch nicht erfüllt gewesen wären, sollten Konvergenzprogramme aufgestellt werden. Als Regelfall galt, dass die Kapitalverkehrsliberalisierung bis dahin abgeschlossen werden sollte. Monetäre Defizitfinanzierung war nicht länger erlaubt. Die Beurteilung der Haushaltsdisziplin der einzelnen Länder sollte anhand des für die Endstufe fixierten Katalogs erfolgen, aber noch ohne Sanktionsmöglichkeiten. Ab Stufe II entfiel die Möglichkeit der Notenbanken, dem Staat kurzfristige Kassenkredite zu gewähren (das galt auch für die BRD). Für die Geldpolitik in Stufe II waren nach wie vor die nationalen Notenbanken verantwortlich. Es wurde 1994 ein Europäisches Währungsinstitut (EWI) eingerichtet, dessen wesentliche Aufgaben weitgehend denen des bisherigen abgelösten EUGouverneursausschusses ähnlich waren: Stärkung des geldpolitischen Koordinierungsprozesses zwischen den EU-Notenbanken, Überwachung des Funktionierens H.5 Das Europäische Währungssystem EWS und der Euroraum 75 des EWS, Vorbereitung auf die Endstufe sowie die Erleichterung der ECUVerwendung und Überwachung der ECU-Entwicklung. Zudem konnte auf Ersuchen nationaler Zentralbanken das EWI Währungsreserven als deren treuhänderischer Agent halten und verwalten (Reservehaltung sollte aber nationale Geld- und Wechselkurspolitik nicht beeinträchtigen). Das Institut konnte Empfehlungen an die nationalen Regierungen, den Ministerrat und die nationalen Währungsbehörden richten, falls das Ziel der Geldwertstabilität und die Kohärenz der Geldpolitik gefährdet schien. Die Mitgliedstaaten sowie der EU-Ministerrat mussten das EWI bei kompetenzrelevanten Gesetzgebungsmaßnahmen konsultieren. Technisch und operativ nahm das EWI die Funktionen von Governeursausschuss und EFWZ wahr. Eine Auflösung dieser beiden Institutionen erfolgte mit Gründung des EWI. Jährlich wurde vom EWI ein Konvergenz-Bericht als Informationsgrundlage beim Weg auf die Endstufe dem Ministerrat erstellt. Der Bericht sollte auch die für eine einheitliche Geldpolitik in Stufe III notwendige vorbereitende Anpassung bzw. Harmonisierung der geldpolitischen Instrumente aufzeigen und insbesondere die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen zur Herstellung der Unabhängigkeit der Zentralbanken darlegen – als Voraussetzung für jede Zentralbank zur Mitgliedschaft im ESZB (Europäisches System der Zentralbanken). Mit der Bildung einer Europäischen Zentralbank wurde das EWI aufgelöst. Ab Beginn der zweiten Stufe (1.1.1994) sollte der EU-Rat eine koordinierte Wirtschaftspolitik betreiben und hierzu gemeinsame Grundlagen der Wirtschaftspolitik erarbeiten, die er an die EU-Mitgliedsstaaten weiterleiten konnte. Das bestehende System der multilateralen Politiküberwachung im Rat der EUWirtschafts- und Finanzministern (ECOFIN) wurde ausgebaut, wobei der Rat regelmäßig auf der Basis von Kommissionsberichten die Wirtschaftsentwicklung der Mitgliedsstaaten beobachtete, die Konsistenz der Wirtschaftspolitiken untersuchte und eine Gesamtbewertung erstellte. Der Rat konnte Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten richten und diese u.U. auch veröffentlichen (Sanktionsmittel). Die Fiskalpolitik sollte, anders als die Geldpolitik, zunächst nicht vergemeinschaftet werden. Vielmehr ist hier ein stufenweiser Abstimmungsprozess vorgesehen, wobei im Fiskalbereich gemeinsame Handlungsgrundsätze eingehalten werden sollen. Hierzu gehört, dass es verboten ist, Haushaltsdefizite monetär zu finanzieren; weder soll es einen präferentiellen Zugang zu Finanzinstituten geben (Art. 104 und 104a EGV), noch eine monetäre Haushaltsfinanzierung durch das Europäische System der Zentralbanken. Es gibt einen Haftungsausschluss der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten öffentlicher Haushalte anderer Gemeinschaftsländer (Art. 104b EGV) und eine Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Haushaltsdefizite. Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte soll dabei anhand von zwei Indikatoren durch die Kommission überprüft werden: Die Neuverschuldungsquote eines Mitgliedsstaates soll 3 % nicht überschreiten, und die Bruttoverschuldungsquote (Staatsschuld relativ zum Bruttoinlandsprodukt) unter 60 % bleiben. Vom Rat – ggf. unter Berücksichtigung der mittelfristigen Entwicklungsaussichten – als übermäßig eingestufte Defizite konfrontieren den betreffenden Staat mit einem Katalog denkbarer Empfehlungen und Maßnahmen, die ab der Endstufe des EWS auch Sanktionen vorsehen (Überprüfung der Darlehensvergabe der Europäischen 76 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Investitionsbank, Pflicht zur Hinterlegung einer unverzinslichen Einlage und die Verhängung angemessener Geldbußen). Irland, dessen Schuldenquote über 100 % in 1994 lag, erhielt 1994 nur deshalb keinen "blauen Mahnbrief", weil es binnen vier Jahren immerhin beträchtliche Fortschritte auf dem Weg zur 60%-Marke erreichte. Es reduzierte die Schuldenquote um 15%-Punkte. Griechenland, Italien und Belgien sind weitere EU-Länder mit Problemen bei der Schuldenquote. Endstufe III Die Mitgliedstaaten verpflichteten sich, vor Eintritt in die WWU-Endstufe erforderliche Schritte einzuleiten, um die Unabhängigkeit ihrer Zentralbanken zu verankern. In der Endstufe wurde ein ESZB errichtet und eine unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse im Hinblick auf die Einführung einer einheitlichen Währung vorgenommen (Art. 3a). Vom ESZB wurde die Geldpolitik festgelegt und ausgeführt, mit dem prioritären Ziel der Preisstabilität. Eine Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft war nur insoweit zwingend, wie keine Beeinträchtigung des Preisstabilitätsziels hierdurch erfolgte. Das ESZB setzt sich aus den nationalen Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank zusammen. Rückblick auf den Start der Eurozone Ein zu erstellender Bericht über die Konvergenzfortschritte der Mitgliedstaaten beurteilte nach den folgenden vier Kriterien für die Konvergenz: 1. Preissteigerungsrate, die niedrig sein soll und nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate der – höchstens drei – stabilsten Länder liegen darf; hier liegt eine wichtige Einwirkungsmöglichkeit für die BRD als traditionell führendem (jedenfalls bis zur deutschen Einheit von 1990) Stabilitätsland in der EU. Denn mit der BRD und den typischerweise nahe an ihrer Inflationsrate liegenden Niederlande sowie Belgien-Luxemburg oder Österreich könnte hier die Messlatte für die Anfangsinflationsrate im System auf niedrigem Niveau fixiert werden. 2. Das Haushaltsdefizit darf – gemessen an dem bekannten Doppelkriterium – nicht exzessiv sein. 3. Die Mitgliedschaft im engen EWS-Band soll mindestens zwei Jahre lang ohne größere Spannung und Abwertung bestanden haben. 4. Der Zinsabstand im langfristigen Bereich darf gegenüber den stabilsten Ländern nicht mehr als 2 Prozentpunkte betragen. Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) berät mit qualifizierter Mehrheit, inwieweit a) ein Land die Konvergenzkriterien erfüllt und b) ob für die Mehrheit der Mitgliedstaaten die Konvergenzkriterien erfüllt sind; der EU-Rat auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs entscheidet mit qualifizierter Mehrheit bis 31.12.96, ob eine Mehrheit der Staaten die notwendigen Voraussetzungen für Stufe III erfüllt und ob es für die Gemeinschaft zweckmäßig ist, in die Stufe III einzutreten. Der Rat würde bei positivem Entscheid dann den Eintrittszeitpunkt festlegen. Staaten, die die Konvergenzkriterien nicht erfüllen, werden als "Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung" betrachtet. Sofern bis Ende 1997 der Ein- H.5 Das Europäische Währungssystem EWS und der Euroraum 5. 6. 7. 8. 77 tritt in Stufe III nicht festgelegt worden ist, beginnt diese am 1.1.1999. Rechtzeitig vor dem 1. Juli 1998 wird ein analoger Prüfprozess (wie oben skizziert) durchgeführt. Der Rat der Staats- und Regierungschefs beschließt mit qualifizierter Mehrheit – entsprechend der ECOFIN-Länderliste – über die Länder, welche die Konvergenzkriterien erfüllen; eine Mehrheit der Mitgliedstaaten ist hier nicht länger erforderlich und auch nicht, dass die Zweckmäßigkeit eines Eintritts in Stufe III erklärt wird. Die EZB wird dann am 1. Juli 1998, also mit halbjähriger Vorlaufzeit zum Beginn der Stufe III errichtet. Das EZB und die nationalen Notenbanken werden zur Ausgabe von Banknoten berechtigt sein. Welche stabilitätspolitischen Anpassungsmechanismen verbleiben nach Übergang zur Währungsunion? Innerhalb der EU entfällt mit dem Übergang zur Endstufe faktisch das Instrument der Wechselkurspolitik im EU-Innenverhältnis; damit könnten verschärfte und stärker dauerhafte Arbeitsmarktprobleme entstehen. Dies gilt zumal dann, wenn bei einheitlicher EU-Währung infolge der erhöhten Markttransparenz und des zu erwartenden lohnpolitischen Nivellierungsdrucks innerhalb der EU höhere Arbeitslosenquoten realisiert werden. Wechselkursmechanismus gegenüber Drittländern; hier haben die Regierungen auch nach Errichtung der ESZB die Verantwortung. Geldpolitik, und zwar nach Errichtung der Endstufe in vergemeinschafteter Form; die Geldpolitik dürfte nur problemadäquat wirksam sein bei die EULänder gemeinsam treffenden externen Schocks. Eine Phase der Hochzinspolitik, die aus Gründen des externen Gleichgewichts erforderlich sein könnte, würde vermutlich rasch zu Konflikten mit den nationalen Trägern der Fiskalpolitik bzw. den Regierungen führen. Eine expansive Fiskalpolitik in wichtigen EU-Ländern könnte die Preisüberwälzungsmöglichkeiten der Unternehmen verbessern und die Voraussetzungen einer auf Preisniveaustabilität ausgerichteten Geldpolitik einschränken. Hier drohen Zielkonflikte zwischen ESZB und den nationalen Regierungen. Zusätzliche Probleme für die Geldpolitik könnten von der Wechselkurspolitik der EU ausgehen. Fiskalpolitik auf nationaler Ebene; supranational wird auf EU-Ebene kaum eine eigenständige Fiskalpolitik möglich sein, weil nur etwa 1.5 vH des EUBruttoinlandsproduktes über Brüssel laufen. Denkbar wäre allerdings, einen Teil der Umweltpolitik, der Verteidigungsausgaben sowie der Bildungs- und F&E-Ausgaben auf die EU-Ebene zu verlagern, was zu einer EUStaatsverbrauchsquote von 5-6 vH führen könnte. Problematisch wäre hierbei, dass zum einen das Subsidiaritätsprinzip – in den Maastrichter Beschlüssen verankert – nur begrenzt eine Aufgaben- und Ausgabenverlagerung auf die EUEbene ermöglicht. Zum anderen ist die Kontrolle durch den Wähler auf EUEbene vermutlich noch schwächer als auf nationaler Ebene, so dass eine erhöhte Gefahr von Politikversagen besteht. Die Rationalität des politischen Prozesses auf EU-Ebene könnte verbessert werden, insbesondere durch eine verbesserte Politikberatung; ein unabhängiges Gremium von Sachverständigen (ähnlich dem deutschen Sachverständigenrat) könnte hier bezüglich EUKommission, Europäischem Parlament und EU-Öffentlichkeit positiv im Sinne 78 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung von Informationsverbesserung und Versachlichung der Wirtschaftspolitik wirken. Wenn der EU-Ebene eine eigene Steuerhoheit in entsprechendem Umfang zukäme, so könnte auf EU-Ebene im Rahmen der Fiskalpolitik auch die Steuerpolitik eingesetzt werden. Nach den Erfahrungen der Bundesrepublik Deutschland stellt sich aber das Problem der Abstimmung der Gebietskörperschaften bei den Staatsausgaben gerade bei der Konjunkturpolitik in schwieriger Form. Um so wichtiger ist es, auf nationaler Ebene Mechanismen für eine verbesserte Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte umzusetzen. Chancen und Risiken einer EU-Währungsunion Nachteile einer Währungsunion könnten sich ergeben in Form: • temporär erhöhter Arbeitslosenquoten, • einer erhöhten Inflationsrate bzw. einer nachhaltigen Abwertung, • schwachen Wirtschaftswachstums bei sehr restriktiver Geld- und Fiskalpolitik in der EU sowie • ggf. einer Wechselkursänderung gegenüber Drittländern bzw. einem kursbedingten Verlust bei der EU-Nettoauslandsvermögensposition. Vorteile könnten sein: • Die Reduzierung der EU-internen Transaktionskosten, die im Fall einer Währung ceteris paribus geringer wären als sonst. • Unternehmensinterne Kosteneinsparungen finden statt, wenn nicht länger in mehreren Währungen gerechnet werden muss. Die EU-Kommission beziffert die Vorteile aus den beiden vorgenannten Punkten auf 0,5 % des EUSozialproduktes. • Da das Wechselkursrisiko entfällt, könnten Investitionsströme leichter als bisher in ihre jeweils produktivsten Verwendungsbereiche fließen. Hier besteht aber das Gegenrisiko, dass (eine im Maastrichter Vertrag explizit verankerte) EU-Industriepolitik erwartete Effizienz- und Wachstumsgewinne aus wachsendem Intra-EU-Kapitalverkehr reduzieren könnte. Möglicherweise entwickelt sich eine EU-weite Industrie- und Subventionspolitik gerade zugunsten der standortschwächeren Regionen und zu Lasten von Anstrengungen einer wettbewerbskonformen Standortpolitik. • Die Notwendigkeit zur Haltung von Devisenreserven vermindert sich, was einen einmaligen Ertrag beim Übergang auf eine verminderte Dollarhaltung und einen periodisch anfallenden Gewinn in Form reduzierter Devisenreserven ergibt. Dabei wird hier davon ausgegangen, dass Dollarguthaben von EUNotenbanken einen geringeren Ertrag abwerfen als bei freier Anlage an den internationalen Kapitalmärkten (z.B. Kauf von Aktien). Spiegelbildlich hierzu ergäbe sich ein Seignorage-Effekt, wenn ausländische Notenbanken vermehrt Euro-Bestände als Währungsreserven hielten. • Ein Vorteil könnte eine gegenüber dem EWS-System weiter verminderte EUweite Inflationsrate sein. Bei vermindertem Nominalzinssatz würde ein positiver Wohlfahrtseffekt über die Erhöhung der pro Kopf gewünschten Realkas- H.5 Das Europäische Währungssystem EWS und der Euroraum 79 senhaltung zustande kommen. Zudem könnte ein indirekter positiver Wohlfahrtseffekt sich dadurch ergeben, dass sich die Effizienz der Ressourcenallokation infolge einer geringeren Varianz der Inflationsrate (und mithin verminderter Konfusion relativer Preisänderungssignale und von inflationsbedingten Preisänderungen) verbessert. Ein dadurch bedingter Realeinkommenszuwachs erhöht die gewünschte Realkassenhaltung. Eine anreizkompatible Entlohnung des Leitungsgremiums der EZB wäre notwendig. Negative Sanktionen sind vorstellbar (VAUBEL-Vorschlag) oder positive Anreize, z.B. automatisch eine Verlängerung der Amtszeit, solange die Inflationsrate im Vierjahresdurchschnitt unter 3 % bleibt. ESZB und Europäische Zentralbank: Organisation, Ziele, Strategie Die Europäische Zentralbank ist Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), wobei die EZSB keine eigene Rechtspersönlichkeit hat. Das ESZB handelt durch die EZB oder durch die nationalen Zentralbanken (”NZB”). Die nationalen Zentralbanken des Euroraums bilden zusammen mit der EZB das Europäische System der Zentralbanken; es gibt drei geldpolitische Entscheidungsorgane des ESZB: • EZB-Rat: bestehend aus Direktoriumsmitgliedern und den Präsidenten der NZB der Eurozone (Kompetenz in geldpolitischen Entscheidungen: Zwischenziele, Leitzinssätze); Abstimmungsmodus in der Regel ein Land = eine Stimme, nur bei Gewinnverwendungsentscheidung und Kapitalerhöhung wird nach Kapitalanteilen gewichtet abgestimmt – Direktoriumsmitglieder haben dann keine Stimme. • EZB-Direktorium: Präsident plus Vizepräsident plus vier weitere Mitglieder, bei Stimmengleichheit im EZB-Rat entscheidet die Stimme des Präsidenten. Das Direktorium ist das ausführende Organ des ESZB, das Direktorium führt die laufenden Geschäfte der EZB. In diesem Zusammenhang können Weisungen an nationale Notenbanken ergehen. • Erweiterter EZB-Rat: zusätzlich zum EZB-Rat sind hier auch die Präsidenten der Nationalbanken aus EU-Ländern aktiv, die noch nicht Mitglied der Eurozone sind. Die EZB ist kein Organ der EU, sondern eine eigenständige Institution der europäischen Gemeinschaft; die EZB hat eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die nationalen Zentralbanken sind der EZB untergeordnet, allerdings ist die EZB aus ökonomischer Sicht ein Tochterunternehmen der nationalen Zentralbanken. Denn diese halten das Grundkapital der EZB. Geldpolitische Kernaufgaben des ESZB nach Art 105 des Maastrichter Vertrags: • Prioritätsziel: Gewährleistung von Preisniveaustabilität: also Vermeidung von Inflation, aber auch von Deflation; Inflation führt zur Konfusion von absoluten mit relativen Preisänderungen und vermindert damit die Effizienz des marktwirtschaftlichen Systems. Inflation benachteiligt in der Regel Sparer, deren Geldvermögenshaltung real an Wert verliert, während die Realkapitaleigner re- 80 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung ale Vermögenswertgewinne realisieren (unerwünschte Umverteilungseffekte der Inflation). Inflation kann zu wachstumsschädlicher Reduzierung der Sparquote bzw. Kapitalabflüssen oder gar zu Kapitalflucht führen, zudem droht – zumindest bei festen Wechselkursen gegenüber dem Rest der Welt – eine Verschlechterung der internationalen Preiswettbewerbsfähigkeit, soweit die inländische Inflationsrate die Inflationsrate vom Rest der Welt übertrifft. Inflation kann auch zur Reduzierung der durchschnittlichen Laufzeiten am Kapitalmarkt führen (Verkürzung des wirtschaftlichen Entscheidungshorizonts) und zu einer Erhöhung des Realzinssatzes sowie zu hoher realer bzw. – bei flexiblen Kursen – nominaler Wechselkursvariabilität beitragen, was ebenfalls wachstumsschädlich ist. • Sekundärziel: Unterstüzung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaft – soweit das Prioritätsziel nicht gefährdet ist. Pragmatisch interpretiert bedeutet dies, dass das ESZB nicht in Phasen niedriger Inflationsraten und hoher Arbeitslosigkeit bzw. schwachen Wachstums durch eine unnötig restriktive Geldpolitik einem Wirtschaftsaufschwung entgegenstehen soll. Mehr noch: Das ESZB soll Möglichkeiten vertretbarer Zinssenkungen bzw. geldpolitischer Expansion aktiv nutzen. • Ordnungspolitische Nebenbedingung: Die Ziele werden in einer offenen Marktwirtschaft mit Wettbewerb auf den Märkten verfolgt, d.h. dass die Geldpolitik der Allokationseffizienz und dem Freiheitsziel nicht entgegenstehen soll. • Politische Nebenbedingung: Die EZB gibt keine Kassenkredite an den Staat, Staatspapiere werden allenfalls auf dem offenen Markt im Rahmen der geldpolitischen Strategie gekauft oder verkauft. Die EZB ist unabhängig in mehrfacher Hinsicht: (i) Funktionale Unabhängigkeit, d.h. unterliegt keiner Weisung der Wirtschaftspolitik von Mitgliedsstaaten oder EU-Organen. (ii) Personelle Unabhängigkeit: Amtsdauer acht Jahre, ohne Wiederernennungsmöglichkeit (man beachte: Amtsdauer der nationalen Zentralbankpräsidenten mindestens fünf Jahre, Wiederwahl möglich). (iii) Finanzielle Unabhängigkeit, d.h. keine Einbindung in die Etats der Mitgliedsstaaten. (iv) Währungspolitisches Verordnungsrecht, d.h. es besteht eine Rechtssetzungsbefugnis bei bestimmten währungspolitischen Fragen – nicht bei der Wahl des Wechselkursregimes bzw. der Frage des Mitwirkens in internationalen Währungsabkommen; hier haben die Regierungen der Mitgliedsländer gemeinsam zu entscheiden. Man beachte, dass es ein Teilnahmerecht der Europäischen Kommission an EZB-Ratsitzungen gibt (ohne Stimmrecht). Die EZB muss sich Anhörungen vor dem Europäischen Parlament stellen. In der Eurozone gilt der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der auch nach dem Start der Währungsunion eine Fortdauer der fiskalischen Begrenzungskriterien vorsieht: Demnach soll mit Ausnahme einer Rezession – mit Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um mindestens 2% – eine maximale Defizitquote von 3% und eine maximale Schuldenquote von 60% gelten. Die Defizitquote von 3% als Obergrenze in Verbindung mit der Vorgabe, dass mittelfristig ein Haushaltsausgleich anzustreben ist, soll ein Überschreiten der 60%-Marke bei der Schulden- H.5 Das Europäische Währungssystem EWS und der Euroraum 81 quote verhindern. Grundsätzlich gilt ja in einer Währungsunion, dass es einen gemeinsamen Zinssatz gibt, weshalb bei Abwesenheit institutioneller Beschränkungen für die Neuverschuldung die Neigung einzelner Mitgliedsländer, relativ hohe Defizitquoten in Normalzeiten zu realisieren, hoch sein könnte. Die ersten Defizitsünderländer in der Eurozone waren Portugal, gefolgt von Deutschland und Frankreich. Deutschland war erkennbar unwillig, die 3%-Grenze einzuhalten, da in 2002/2003/2004/2005 diese Obergrenze überschritten wurde. Hierfür sind Bund und (einige) Bundesländer gleichermaßen verantwortlich. Erst in 2006 wurde die 3%-Defizitgrenze von Deutschland wieder eingehalten. Es fehlt ein bindender nationaler Stabilitätspakt, der auch eine Beteiligung der Bundesländer mit relativ hohen Haushaltsdefiziten an etwaigen Strafzahlungen für eine Defizitüberschreitung beinhalten müsste. Da die langfristige Schuldenquote sich als Quotient von trendmäßiger Defizitquote und realem Wachstum ergibt, würde eine Defizitquote von langfristig 2% und eine Trendwachstumsrate von 2% zu einer langfristigen Schuldenquote von 100% führen. 82 Kapitel H. Internationale Währungs- und Handelsordnung Anhang H.1: Laffer-Kurve T 0 Z’ τ1 Z 0,5 1 τ Abb. H.13. Laffer-Kurve: Zusammenhang von Steueraufkommen und Steuersatz Literatur Zum GATT und zur WTO siehe: BARFIELD, C.E.; HEIDUK, G.; WELFENS, P.J.J., Hg. (2003), Internet, Economic Growth and Globalization: Perspectives on the New Economy in Europe, Japan and the USA, Heidelberg: Springer. GROSSMANN, H.; KOOPMANN, G. und MICHAELOWA, A. 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