Feldzug 1432 in der Mark Brandenburg

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Fakultät I Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik Fachgebiet Geschichte Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium (M.A.) Die kriegerischen Einfälle der Hussiten in die Markgrafschaft Brandenburg und die Lausitz unter besonderer Betrachtung des Feldzuges im April 1432 Eingereicht von: Stefan Sacharjew (Matrikelnummer: 210661) Berlin, 6. August 2010 Im Fach mittelalterliche Geschichte bei Professor Doktor Wolfgang Radtke Inhaltsverzeichnis
Einführung........................................................................................................................2
I. Die Mark Brandenburg und die Niederlausitz............................................................5
2. Brandenburg und Niederlausitz im frühen 15. Jahrhundert......................................5
2.1 Brandenburg: Luxemburger und Quitzows. 5
2.2 Die Niederlausitz.........................................8
3. Wirtschaftliche und soziale Strukturen......................................................................9
4. Friedrich I. von Hohenzollern.....................................................................................11
II. Das Heerwesen während der Hussitenkriege...........................................................14
5. Kriegsführung des Kreuzfahrerheeres.......................................................................14
5.1 Der erste Kreuzzug: Niederlage des traditionellen
Feudalheeres...................................................14
5.2 Wiederaufbau des Heeres: Bewaffnung, Reichsaufgebote
und Hussitenpfennig........................................19
6. Kriegsführung der Hussiten.......................................................................................25
6.1 Die Grundlagen des hussitischen Heerwesens..................25
6.2 Ausrüstung, Ordnung und Taktik der Hussiten...................29
III. Die Kriegszüge nach Brandenburg und in die Niederlausitz................................35
7. Die herrlichen Fahrten (spanile jizdy)......................................................................35
7.1 Das Ende des dritten Kreuzzuges und die ersten Einfälle
der Hussiten....................................................35
7.2 Die Feldzüge von 1429 und 1430 ............39
8. Der Feldzug gegen Brandenburg im Frühjahr 1432..................................................49
8.1 Von Taus nach Eger..................................49
8.2 Der Einfall in die Lausitz und die Mark Brandenburg im März
und April 1432..................................................52
9. Das Ende der Hussitenkriege Basel, Lipany, Iglau..................................................60
Schlussbetrachtungen....................................................................................................63
Bibliographie..................................................................................................................66
Abbildungsverzeichnis:.................................................................................................69
1
Einführung
Am 6. Juli 1415 wurde der böhmische Magister, Rektor, Priester und Reformer Jan Hus
auf dem Konstanzer Konzil wegen seiner Lehren und seiner Kritik an der Kirche als
Ketzer verurteilt und noch am gleichen Tag auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Damit
begann in Europa eine Phase des politischen und militärischen Kampfes zwischen den
Anhängern des Jan Hus, die später Hussiten genannt werden sollten, und der
katholischen Partei, geführt vom deutschen König und späteren Kaiser Sigismund. In
den Jahren nach der Verbrennung des Jan Hus spitzte sich die Situation in Böhmen zu.
König Wenzel war nicht in der Lage, das aufkeimende hussitische Lager im Zaum zu
halten. Nach seinem Tod war das Feuer geschürt. Am 30. Juli 1419 kam es in Prag zum
Aufstand. Nachdem Hussiten in das Neustädter Rathaus eingedrungen waren, warfen
sie die Ratsherren aus dem Fenster. Der erste Prager Fenstersturz war der Beginn der
Hussitenkriege. Von 1419 bis 1436 kämpften Hussiten und Katholiken in Böhmen und
den benachbarten Gebieten Deutschland, Schlesien, Österreich, Mähren, der Slowakei
und sogar auf dem Deutschordensland gegeneinander. Den Hussiten ging es dabei um
die Durchsetzung der vier Prager Artikel: Freiheit für die Predigt, Freiheit für den Kelch,
Freiheit von säkularer Kirchenherrschaft und Freiheit von ungerechter weltlicher
Herrschaft. Die katholische Seite hatte sich das Ziel gesetzt, die ketzerische Bewegung
zu zerschlagen. Während der Hussitenkriege entstanden eine Vielzahl von politischen
und militärischen Neuerungen. Die Kriegführung der Hussiten war revolutionär. Die
katholische Seite musste sich der neuen Art des Krieges immer wieder geschlagen geben
und nach möglichen Antworten suchen. Dennoch wird diese Epoche in der
Geschichtswissenschaft immer noch spärlich behandelt. Lediglich die tschechischen
Historiker befassen sich umgehend mit diesem Thema, wobei die meisten Arbeiten in
tschechischer Sprache verfasst, aber nicht übersetzt wurden. Dabei geht es aber stets
um die politischen Aspekte, um den revolutionären Charakter der hussitischen
Bewegung und um die vor allem Böhmen betreffenden Ereignisse. Ab 1427 kam es
innerhalb der Kriege zu einer Wende. Die Hussiten begannen in die benachbarten
2
Gebiete einzufallen, der Krieg überschritt die böhmische Grenze. Das Interesse an
diesen Feldzügen scheint in der Geschichtswissenschaft jedoch nur zweitrangig. Man
untersuchte stets das gesamte Konstrukt und dabei die Feldzüge im Bezug auf den
Verlauf der hussitischen Bewegung. Die vorliegende Arbeit soll einige der
außerböhmischen Kriegsereignisse behandeln. Genauer gesagt, die Einfälle der
Hussiten in die Markgrafschaft Brandenburg und die Lausitz. Dabei soll ein Feldzug
besonders Betrachtung finden. Im April 1432 fiel ein hussitisches Heer in Brandenburg
ein, verwüstete innerhalb einiger Wochen die Gebiete zwischen Frankfurt/Oder und
Bernau und kehrten dann nach Böhmen zurück. Die Geschehnisse im April 1432 sollten
für die Identität der Brandenburger - und vor allem der Bernauer - von großer
Bedeutung werden. Legenden und Feste konnten sich bis zur Gegenwart halten. Von
einer offenen Feldschlacht und der größten Niederlage der Hussiten außerhalb
Böhmens ist die Rede. Erst Ende des 19. Jahrhunderts konnte diese Legende widerlegt
werden. Dennoch blieben viele Fragen offen, die diesen Feldzug betreffen. Die
wichtigste Frage ist die nach dem Grund für den Einfall. Verschiedene Theorien und
Ansätze wurden diskutiert, blieben aber weitestgehend offen. Der Grund dafür ist der
Quellenmangel. Nur wenige Briefe und Urkunden, vor allem von den Städten der
Oberlausitz und der Mark Brandenburg, sind aus der Zeit des Aprilzuges erhalten
geblieben. Die meisten davon wurden Ende 19. Jahrhundert von Frantisek Palacky 1 und
Anfang des 20. Jahrhunderts von Richard Jecht2 editiert. Die Chroniken geben ebenfalls
kaum Aufschluss über die Ereignisse in Brandenburg. Von hussitischer Seite ist außer
einem Brief von Friedrich von Straßnitz kein Zeugnis überliefert. Das zweite große
Problem bei der Betrachtung des Aprilfeldzuges kommt in der bisherigen
wissenschaftlichen Bearbeitung dieses Themas auf. Es gibt genau drei Arbeiten, die sich
mit dem Aprilfeldzug befassen. Die erste Arbeit von Sello aus dem Jahr 1882 räumte mit
der Feldschlachtslegende auf. Die zweite Arbeit von Max Goerlitzer aus dem Jahr 1891
versuchte den Hergang des Feldzugs zu rekonstruieren. Mit der dritten Arbeit von
Richard Jecht aus dem Jahr 1911, die sich eigentlich mit den Oberlausitzer
1
Palacky, Frantisek: Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges in den Jahren 1419-1436,
Prag 1873
2 Jecht, Richard (Hg.): Codex Diplomaticus Luatiae superioris (CDL) Görlitz 1902.
3
Hussitenkriegen befasst, aber unter Beachtung der Arbeiten von Sello und Jecht auf die
Ereignisse im April 1432 eingeht, ist das Kontingent ausgereizt. Alle folgenden Arbeiten
beziehen sich stets auf einen dieser drei Autoren. Hauptsächlich werden Jecht oder
Goerlitzer zitiert, da Sello ja in beiden Arbeiten aufgeht. In erster Linie soll geklärt
werden, was die Hussiten dazu veranlasste diesen Feldzug zu führen und warum dieser
Zug nach Brandenburg führte. Drei Haupttheorien wurden aufgestellt. Die erste besagt,
dass die Hussiten nach Brandenburg gingen, um es auszuplündern und ihr hungriges
Heer zu ernähren. Die zweite Theorie geht von einem Rachefeldzug gegen den
brandenburgischen Kurfürsten Friedrich I. aus, da dieser als Oberbefehlshaber der
Kreuzfahrer einer der Hauptgegner der Hussiten war. Die dritte Theorie wiederum will
in dem Aprilfeldzug lediglich eine Machtdemonstration der radikalen hussitischen
Bruderschaften im Bezug auf anstehende Verhandlungen in Eger im Mai 1432 sehen.
Um diesen Theorien näher nachzugehen, werden im ersten Teil der Arbeit die
Verhältnisse in Brandenburg und der Lausitz im frühen 15. Jahrhundert betrachtet.
Denn nur mit einer Grundkenntnis über die wirtschaftlichen und politischen
Strukturen dieser Gebiete kann man erwägen, inwiefern diese Theorien der Wahrheit
entsprechen. Dabei sollen im ersten Abschnitt die Mark und die Niederlausitz im 15.
Jahrhundert auf politischer Ebene betrachtet werden. Der zweite Abschnitt beschäftigt
sich mit den wirtschaftlichen Strukturen Brandenburgs, um festzustellen, ob die
Sandbüchse Brandenburg ein lohnendes Gebiet für einen Plünderungszug darstellt. Der
dritte Abschnitt beschäftigt sich mit dem Werdegang Friedrichs I., um die Person selbst
kennenzulernen. Leider ist der Forschungsstand bei Friedrich I. genauso veraltet wie bei
den Feldzügen. Erst im Mai 2010 erschien zwar eine Biographie über Friedrich, der
Autor bezieht sich allerdings hauptsächlich auf Arbeiten aus dem 19. Jahrhundert.
Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit befasst sich mit dem Heerwesen und der
Kriegsführung der gegnerischen Parteien. Dies geschieht aus dem einfachen Grund,
dass man die Durchführung der Feldzüge besser verstehen und einschätzen kann, wenn
man sich mit der Taktik der Krieg führenden Heere auseinandersetzt.
Marschgeschwindigkeiten, taktische Winkelzüge und Strategien sind von enormer
Wichtigkeit bei der Betrachtung der Hussitenkriege, vor allem, da eine völlig neue Art
4
der Schlachtführung durch die Hussiten ihren Siegeszug begann: die Wagenburg.
Der dritte Teil beschäftigt sich dann mit den Feldzügen. Der erste Abschnitt soll die
Einfälle vor dem April 1432 darstellen. Dabei werden vor allem die Züge in die Lausitz
betrachtet. Die dabei gezeigte Chronologie der Ereignisse soll helfen den Weg der
Ereignisse bis zum April 1432 zu verstehen, um daraufhin klären zu können, was zum
Einfall in die Mark führte. Der zweite Abschnitt befasst sich dann ausführlich mit den
Geschehnissen im April 1432. Dabei soll festgestellt werden, dass die bisherigen
Theorien als ein Ganzes gesehen werden müssen, um die Ereignisse rekonstruieren zu
können, dass also alle oben genannten Möglichkeiten zu einem Bild verschmelzen
müssen. Die bisherige Forschung schloss oftmals eine Theorie zu Gunsten der anderen
aus oder verwies auf Jecht beziehungsweise Goerlitzer. Außerdem soll der Frage nach
der hussitischen Führerschaft während des Feldzuges nachgegangen werden. Dies ist
deshalb von Belang, da die Durchführung des Feldzuges und in diesem Zusammenhang
die Theorie im Bezug auf die Verhandlungen in Eger mit der Teilnahme Prokops des
Großen steht oder fällt. War er dabei, erklärt es die Kürze des Feldzuges und die
Schnelligkeit des hussitischen Abzuges aus Brandenburg, da er nach Eger musste. In
diesem Zusammenhang wird eine weitere Möglichkeit für den Feldzug in Betracht
gezogen. 1432 waren die radikalen Bruderschaften stark zerstritten. Um den
katholischen Verhandlungspartner aber die Möglichkeit zu geben, den Konflikt zu
ihrem Vorteil zu nutzen, sollte mit dem Zug durch Brandenburg Einigkeit und Kraft
bewiesen werden. Der letzte Abschnitt soll einen kurzen Überblick über das Ende der
Hussitenkriege geben, um zu klären, ob der Feldzug von 1432 auf Dauer erfolgreich war.
Der gesamte Überblick soll auch dazu dienen festzustellen, inwieweit die Angst vor den
Hussiten die Kriegsführung und das Bewusstsein der katholischen Staaten beeinflusste.
I. Die Mark Brandenburg und die Niederlausitz
2. Brandenburg und Niederlausitz im frühen 15. Jahrhundert
2.1 Brandenburg: Luxemburger und Quitzows
Mit dem Vertrag von Fürstenwalde von 13733 trat Otto V. der Faule die Mark
3 Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 1574
5
Brandenburg für 500.000 Gulden an Karl IV. ab. Damit ging diese in den Besitz der
Luxemburger über. Die Mark Brandenburg bestand aus den fünf Gebieten: Altmark,
Prignitz, Mittelmark, Uckermark und der Neumark. Im Oktober desselben Jahres
belehnte Karl IV. seine Söhne Wenzel, Sigismund und Johann „zur gesamten Hand mit
Brandenburg“.4 Bereits 3 Jahre später, Anfang 1376, belehnte Karl IV. seinen Sohn
Sigismund mit der Mark Brandenburg und ließ ihm dort von den Ständen huldigen.5
Obwohl im Vertrag von Fürstenwalde Otto V. die Kurwürde auf Lebenszeit zuerkannt
wurde, war es Sigismund, der bei Wenzels Wahl zum römischen König 1376 seine
Stimme abgab. Nach dem Tod Karls IV. 1378 hielt sich Sigismund abwechselnd in
Brandenburg und Ungarn auf, wo er als Bräutigam Marias, der Tochter des ungarischen
Königs Ludwig I. , mit der er 13806 verlobt wurde, auf die ungarische Krone vorbereitet
werden sollte. Sich mehr und mehr auf die ungarische Krone konzentrierend,
verpfändete Sigismund 1385 die Altmark an seine Vettern Jobst und Prokop und trat die
Mark Brandenburg an seinen Bruder Wenzel ab.7 1388 wurde die Mark samt der
Kurfürstenwürde für 565.263 Gulden wieder an Jobst von Mähren verpfändet. Die
Neumark ging 1402 an den Deutschen Orden als Pfand und 1429 in dessen Besitz über.
1397 setzte Jobst Sigismund als Erben ein, nachdem die Herrschaft über die Mark
Brandenburg endgültig in dessen Hände gekommen war.
Die Herrschaft Karls IV. bedeutete für Brandenburg eine kurze Blütezeit, in der unter
anderem Tangermünde zur Residenzstadt ausgebaut und der Landfrieden wieder
hergestellt wurde. Nach den wirtschaftlich und sozial desaströsen Jahren im Anschluss
an die großen Pestepidemien Mitte des 14. Jahrhunderts war Brandenburg auf die Hilfe
eines starken Herrschers angewiesen. 1375 ließ Karl IV. zudem das Landbuch erstellen,
ein detailliertes Verzeichnis der Brandenburgischen Städte und Dörfer und deren
Abgaben. Unter Jobst dagegen begann wieder der Abstieg der Mark, wirtschaftlich wie
politisch. Die Sicherheit des Landfriedens war nicht mehr gewährleistet, was zum Ende
4 Baum, Wilhelm: Kaiser Sigismund - Hus, Konstanz und Türkenkriege, Graz 1993, S. 18.
5 Ebd. S. 22.
6 Aschbach, Joseph von: Geschichte Kaiser Sigmunds, Bd. 1, Aalen 1964, S. 9.
7 Baum, S. 26.
6
des 14. Jahrhunderts Ritterfamilien wie den Quitzows8, einem Rittergeschlecht aus der
Prignitz, die Möglichkeit gab ihre Macht auszubauen und mit Gewalt durchzusetzen.
Der von Jobst eingesetzte Landeshauptmann Lippold von Bredow lag in ständiger Fehde
mit dem Erzbischof von Magdeburg, Albrecht III. von Querfurt.9 So wurde 1394
Rathenow durch den Erzbischof belagert und eingenommen, jedoch zwei Jahre später
durch Lippold von Bredow zurückerobert. Seiner eigentlichen Aufgabe als
Landesverweser kam er jedoch nicht nach.10 Im Jahr 1400 übergab Lippold von Bredow
sein Amt an seinen Schwiegersohn Johann von Quitzow. Wie Wusterwitz in seiner
Chronik beschreibt, wurden die Hoffnungen des Brandenburgischen Volkes je zunichte
gemacht.11 So ließ Quitzow bereits 1401 die Fehde mit dem Erzbischof von Magdeburg
wieder aufleben und beutete, um die Fehde unterhalten zu können, die Mark aus.12
Während Jobst dem nichts entgegenzusetzen hatte, nutzen nun weitere Ritter
Brandenburgs geschwächte Lage aus, um über Dörfer und Städte herzufallen. Die
Quitzow'schen Brüder Johann und Dietrich taten sich dabei besonders hervor.13 Nach
und nach erwarben sie die Schlösser und Burgen Plaue, Köpenick, Friesack, Teupitz,
Strausberg, Rathenow, Neustadt/Dosse und weitere. 1402 zog Dietrich plündernd durch
den Barnim, wobei Strausberg und umliegende Dörfer „genommen und angesteckt“ 14
wurden. Jobst verlegte sich mehr und mehr auf reines Geldeintreiben. 1403 kam er in die
Mark, sammelte die Steuern ein, um sich daraufhin sofort wieder nach Mähren
zurückzuziehen und die Märkischen Bewohner weiterhin dem Willen und Unwillen der
8 Des weiteren seien genannt: von Arnim, von Bredow, Gans von Putlitz, von Rochow und von
Stechow
9 Vgl.: Engelbert Wusterwitz: Berichte über Ereignisse seiner Zeit, in: Riedel, Adolf Friedrich: Codex
Diplomaticus Brandenburgensis (im folgenden CDB), IV. Hauptteil, S. 23ff
10 Flocken, Jan von: Friedrich I. von Brandenburg – Krieger und Reichsfürst im Spätmittelalter, Berlin
2009, S. 60.
11 „Denn da die Märcker verhoffeten, Johan von Quitzaw solte in abwesen des Markgrafen Jodoci zu
glück der Marck zu inen kommen sein; so haben sie es doch viel anders befunden, daß er den Vater
aufs angeborner Natur in allen sitten nicht allein nachgeahmet, besondern noch weit übertroffen.“
CBD IV. S. 27.
12 Ebd.
13 Ebd. Sowie: Flocken, S. 61ff
14 CBD IV. S. 29.
7
Quitzows auszuliefern.15 Nachdem sich 1404 auch Berlin und Cölln den Quitzows
unterstellen mussten16, schien ihnen niemand mehr etwas entgegenstellen zu können.
Sie plünderten, überfielen und raubten in den nächsten Jahren wie es ihnen passte.17
Brandenburg hatte seit der Zeit der Wittelsbachischen Herrschaft kaum eine Periode
des Aufschwungs erlebt. Selbst die fünf Jahre unter Karl IV. konnten den erhofften
Aufschwung in der Mark nicht bringen. Nach Pest, schwachen Markgrafen und
ausbeutenden Ritterfamilien sollte mit den Kriegszügen der Hussiten eine weitere
Katastrophe über die Mark hereinbrechen. Jobst von Mähren starb 1411, sein Erbe
Sigismund setzte noch im selben Jahr den Nürnberger Burggrafen Friedrich von
Hohenzollern als Statthalter in der Mark ein.
2.2 Die Niederlausitz
Am 8. August 1353 gingen mit dem Vertrag von Luckau die Lausitzer Gebiete in den
Pfandbesitz der Wettiner über. Karl IV. war daran interessiert, diese Gebiete in sein
böhmisches Herrschaftsgebiet einzubringen und schloss deshalb mit den
Wittelsbachern, die nicht in der Lage waren den Pfand auszulösen, eine
Erbvereinbarung, nach der die Lausitz in Wenzels Besitz übergehen sollte.18 Am 11.
Oktober 1367 kaufte er die Lausitz für 21.000 Mark Silber und 21.000 Schock Prager
Groschen.19 Am 1. August 1370 besiegelte er die endgültige Übernahme der Lausitz in das
Herrschaftsgebiet der böhmischen Krone. Wie in Brandenburg setzte sich Karl IV. auch
in der Niederlausitz für einen wirtschaftlichen Aufschwung ein. Kurz vor seinem Tod
teilte er die Niederlausitz unter Wenzel und Johann auf. Nach Karls Tod kam es in der
Niederlausitz ähnlich wie in Brandenburg zum Aufstieg einiger Familien.
1382 beanspruchten die Brüder der Familie Biberstein Beeskow und Storkow für sich
15 Ebd. S. 30.
16 Flocken, S. 63.
17 Die Liste an Quitzow'schen Gräueltaten bei Wusterwitz nimmt ganze Seiten ein, prägend aber scheint
der Satz: „ist das Land widerumb voller Räuber worden, also daß je näher jemand der Marck
kommen, je fährlicher er gereiset und gewandert hat.“ CDB IV. S. 34.
18 Lehmann, Rudolf: Geschichte der Niederlausitz, Berlin 1963, S. 64f.
19 Ebd.
8
und bekamen nach kurzer kriegerischer Maßnahme diese Gebiete zugesprochen.20 In
den darauf folgenden Jahren konnten sie zudem die Herrschaften Forst, Triebel und
Schloß und Stadt Sommerfeldt in Besitz nehmen. Johann starb 1396, worauf Wenzel
Herr über die gesamte Lausitz wurde. Bereits ein Jahr später überschrieb er die
Oberlausitz an Jobst von Mähren, die bis zu dessen Tod 1411 in seinem Besitz blieb.
Unter der Herrschaft Jobsts gedieh das Raubrittertum in der Niederlausitz. Hans von
Cottbus war hier ähnlich wie die Quitzows in Brandenburg eifrig bei der Sache. 21 Das
Land wurde von Fehden heimgesucht. Als Sigismund 1419 zum Herrscher der Lausitz
wurde, dauerten diese Fehden noch an. Am 6. September 1422 verpfändete er das
„Fürstentum zu Lausitz“22 an den Landvogt Hans von Polenz. Bis zu seinem Tod im
Januar 1437 blieb die Lausitz im Besitz des Hans von Polenz.
3. Wirtschaftliche und soziale Strukturen
Die wichtigste Quelle für die Brandenburgische Wirtschaft in 14. und 15. Jahrhundert ist
das Landbuch Karls IV. von 1375.23 Darin wurden sämtliche Besitzungen und deren
Abgaben aufgelistet. So ist die jährliche Orbede24 in böhmischen Groschen für die
märkischen Städte wie folgt angegeben:
Altlandsberg: 17 Schock
Berlin / Cölln: 170 Schock
Bernau: 34 Schock
Brandenburg: 45 Schock
20 Ebd. S. 69.
21 Ebd. S 71.
22 Ebd. S 73.
23 Fidicin, Ernst (Hg.): Kaiser Karls IV. Landbuch der Mark Brandenburg – nach den handschriftlichen
Quellen, Berlin 1856.
24 Orbede: Laut Kruenitz Oeconomischer Encyclopaedie: Eine gewisse Abgabe.
Siehe: Oeconomische Encyclopaedie Online, online Abrufbar unter: http://www.kruenitz1.uni-trier.de
9
Eberswalde: 34 Schock
Köpenick: 5 Schock
Kyritz: 56 Schock
Potsdam: 3 Schock
Pritzwalk: 56 Schock
Rathenow: 16 Schock
Spandau: 22 Schock
Strausberg: 68 Schock
Tangermünde: 45 Schock
Für Frankfurt ist keine Orbede angegeben, stattdessen der Hinweis: „Si dominus aliquit
ibi habet, queratur numerus iste,“25 an anderer Stelle „Orbetam non dat.“26 Frankfurt war
demnach von der Orbede befreit. Vergleicht man diese Abgaben mit böhmischen
Steuerlisten, bei denen von 22 Städten ein Durchschnitt von etwa 137 Schock böhmische
Groschen pro Stadt aufgelistet ist27, lässt sich der wirtschaftliche Unterschied beider
Regionen nicht leugnen. Die als Sandbüchse bekannte Mark Brandenburg befand sich
am Ende des 14. Jahrhunderts in einer landwirtschaftlichen Misere, aus der die
Bevölkerung erst im 15. Jahrhundert wieder Aufschwung erfuhr.28 Seit dem 14.
Jahrhundert trat eine vermehrte Wüstung auf dem Land auf. Viele Bauern- und
Kossätenhöfe, aber auch Dörfer wurden zu Gunsten der Stadtflucht aufgegeben. Im
neumärkischen Landbuch von 1337 wurden bereits ein Drittel aller Hufen als nicht
bestellt aufgelistet, während für die Uckermarck, dem Landbuch Karls IV. zufolge,
bereits 50% der Hufen als Wüstungen angegeben wurden. Für die Altmark galten
ähnliche Ausmaße, während die Mittelmark erst wenige Wüstungen aufzuweisen
hatte.29 In Teltow und Barnim setzte die Wüstungsentwicklung sogar erst im 15.
25 Fidicin: S. 17.
26 Ebd.: S. 28.
27 Vgl.: Smahel, Frantisek: Die Hussitische Revolution Bd. I, Hannover 2002, S. 142, Tabelle III.
28 Vgl.: Assing, Helmut: Die Veränderung in den Sozialbeziehungen. Neuansätze und Krisensymptome
in Wirtschaft, Verfassung und Rechtsprechung, in: Materna, Ingo / Ribbe, Wolfgang (Hg.):
Brandenburgische Geschichte, Berlin 1995, S. 152.
29 Vgl.: Helbig, Herbert: Gesellschaft und Wirtschaft der Mark Brandenburg, Berlin 1973, S. 78ff.
10
Jahrhundert ein.30 Während für das frühe 14. Jahrhundert die großen Pestepidemien für
den landwirtschaftlichen Abstieg verantwortlich zeigten, müssen für die späteren
Jahrzehnte andere Faktoren von Bedeutung gewesen sein. Die märkischen Sandböden
waren schnell erschöpft und konnten unter den anhaltenden landesherrschaftlichen
Problemen kaum so bewirtschaftet werden, dass der Wüstungsbildung entgegengewirkt
werden konnte. Wie wichtig allerdings die ökonomische Qualifikation der Landes- wie
Grundherren war, zeigt das Beispiel des Klosters Chorin, dessen umliegende Dörfer
keine Wüstungen aufwiesen, sogar voll besetzt waren.31 Die Zisterzienser wiesen ein
wirtschaftliches Geschick auf, das nicht nur dem vermeintlich schlechten Boden,
sondern auch städtischer Preispolitik32 sowie der grundherrschaftlichen Willkür
entgegenwirken konnte. Dennoch gab es wenig solche Beispiele, um der Aufgabe von
Dörfern und Kulturlandschaften in der Mark Einhalt gebieten zu können. Während die
Agrarkrise auf dem Land zum Ende des 14. Jahrhunderts zunahm, beschleunigt durch
die Raubzüge derer von Quitzow und der anderen märkischen Ritterfamilien, setzte
eine Landflucht ein und so konnte sich die städtische Wirtschaft ungeachtet der
ländlichen Probleme langsam weiterentwickeln. Noch im 14. Jahrhundert kam es so
zwischen Stadt und Land zu einer wirtschaftlichen Diskrepanz. Die Städte nutzten
diese Diskrepanz, um auf die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse Einfluss zu
nehmen und diese zu ihrem eigenen Vorteil niedrig zu halten.33 Der Aufschwung der
Städte sollte während der Zeit der Hussitenkriege zu einem Konflikt mit Markgraf
Johann von Brandenburg führen, der ihn so sehr schwächen sollte, dass er beim Einfall
der Hussiten 1432 nicht in der Lage war, eine erfolgreiche Gegenwehr zu organisieren.
4. Friedrich I. von Hohenzollern
Friedrich I. von Hohenzollern sollte der Begründer der brandenburgischen
Hohenzollerndynastie werden, die seit dem 17. Jahrhundert das Land soweit aufbaute,
30 Assing, S. 153.
31 Enders, Lieselott, Die Uckermark – Geschichte einer kurmärkischen Landschaft von 12. bis zum 18.
Jahrhundert, Weimar 1992, S. 124.
32 Assing, S. 153.
33 Ebd.
11
dass die brandenburgische Geschichte im Königreich Preußen ihren Höhepunkt
erreichen sollte. Nach dem Tod seines Vaters 1398 wurde Friedrich als Friedrich VI. zum
Burggrafen von Nürnberg.34 In dieser Position sollte er für Sigismund zum
Königsmacher werden. Während der Regentschaft Ruprechts sank die königliche
Autorität und Unmut machte sich in den Kreisen der Kurfürsten breit. Ruprechts Tod
am 18. Mai 1410 verschonte ihn möglicherweise vor dem gleichen Schicksal der
Absetzung wie 10 Jahre zuvor Wenzel.35 Kurz nach dessen Tod Ende Juli 1410 begann
Friedrich im Auftrag Sigismunds mit den Verhandlungen um die deutsche Krone.36 Mit
dem Erzbischof von Trier Werner von Falkenstein und dem Pfalzgrafen Ludwig III.
wurde Friedrich schnell einig. Probleme machten die Erzbischöfe von Mainz und Köln
und vor allem Jobst von Brandenburg, der auf seine Stimme als Kurfürst bestand. 37 Die
Uneinigkeit der Fürsten führte in Frankfurt/Main am 20. September zu einer
Königswahl Sigismunds durch Werner von Falkenstein, Ludwig III. und Friedrich VI. 38
als Repräsentant Sigismunds und somit der brandenburgischen Kurwürde, denn, so
Friedrichs Argumentation: Jobst hatte zwar das Land, aber nicht die Kurwürde
gepfändet.39 Die Antwort der anderen Kurfürsten folgte am 1. Oktober ebenfalls in
Frankfurt. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln wählen Jobst zum König, der sich als
vermeintlicher Kurfürst von Brandenburg die eigene Stimme gab. In diese Situation
mischte sich dann auch noch Wenzel, der sich als legitimer König sah und gegen seine
Absetzung von 1400 angehen wollte. Damit hatte das deutsche Reich drei vermeintliche
Könige gleichzeitig.40 Am 18. Januar 1411 starb Jobst. Friedrich begann erneut mit den
Verhandlungen und erreichte, dass Wenzel auf die Krone verzichtete. Am 21. Juli 1411
wurde Sigismund dank der Arbeit Friedrichs einstimmig zum römisch-deutschen König
34 Flocken, S.
35 Engel, Evamaria / Holtz, Eberhard (Hg.): Deutsche Könige und Kaiser des Mittelalters, Leipzig 1989, S.
340.
36 Ebd. S. 342.
37 Ebd.
38 Die Königswahl fand auf dem Friedhof hinter der Bartholomäuskirche statt, was zur Vers führte: „In
Frankfurt hinderm chor, habent gewelt ein kunig ein chind und ein tor.“ siehe Baum, S. 78.
39 Flocken, S. 55.
40 Engel/Holtz, S. 342.
12
gewählt und am 5. November 1414 gekrönt. Als Dank erhielt Friedrich die
Verweserschaft über Brandenburg.41
Als Friedrich im Juni 1412 in Brandenburg eintraf, sah er sich nicht nur mit den
unruhigen Zuständen in der Mark, sondern auch mit der Opposition der
brandenburgischen Familien konfrontiert. Auf einer Ständeversammlung am 10 Juli in
Brandenburg an der Havel verkündete er, dass „das Recht gestärket und das Unrecht
gekränkt“ werde.42 Die nächsten zwei Jahre nutzte Friedrich dazu, Brandenburg zu
befrieden. In mehreren Feldzügen gegen die Quitzows schwächte er deren Macht, bis er
sie im Februar 1414 bei Friesack besiegte.43 Nun kehrte er zurück zu Sigismund, auf dem
Konstanzer Konzil kam es zum Eklat mit Johannes XXIII. und Herzog Friedrich IV. von
Österreich-Tirol44 Der Burggraf von Nürnberg wurde beauftragt den flüchtigen
Johannes XXIII. gefangen zu nehmen. Am 30. April 1415 verkündete Sigismund, dass er
Friedrich von Hohenzollern zum Kurfürsten von Brandenburg ernennen wolle.45 In den
nächsten Jahren war Friedrich nicht nur mit Brandenburg beschäftigt, sondern in erster
Linie mit seinem Amt als „Statthalter und Verweser des Heiligen Römischen Reiches“ 46
was ihn Sigismund am 2. Oktober 1418 übertrug. Im Frühjar 1420 musste er in
Brandenburg gegen die Herzöge Kasimir und Otto von Pommern-Stettin vorrücken, die
seine Länder bedrohten. Er besiegte die Herzöge in der Schlacht von Angermünde im
März 1420. Die Vermählung seines Sohnes Friedrich mit der Tochter des polnisches
Königs Wladislaw führte zum Bruch mit Sigismund. Dieser sah Wladislaw als
Konkurrenten auf die böhmische Krone, vor allem, nachdem die Hussiten Wladislaw
die Wenzelskrone angeboten hatten.47 Der Konflikt verschärfte sich 1423, als der
Kurfürst von Sachsen Albrecht III. starb. Die Kurwürde und das beachtliche
Reichslehen fielen an das Reich zurück. Friedrich I. stellte Ansprüche darauf, da sein
41 Ebd. S. 343.
42 Flocken, S. 72.
43 Ebd. S. 86.
44 Ausführlich dazu siehe: Baum, S. 112 – 120.
45 Flocken, S. 94.
46 Ebd. S. 114.
47 Baum, S. 161.
13
Sohn Johann mit der Nichte Albrechts verheiratet war. Sigismund übertrug die
Kurwürde jedoch am 6. Januar 1423 an den Markgrafen Friedrich von Meißen.48 Mitte
Januar 1424 schlossen die Kurfürsten den Binger Kurverein. Man wollte gemeinsam
gegen die Hussiten vorgehen. Dabei wurde der König zum Helfer der Kurfürsten
herabgesetzt.49 Innerhalb dieses Bundes hatte sich Friedrich mit dem Meißener
ausgesöhnt und verbündet. Der Binger Kurverein war ein herber Rückschlag für
Sigismund, und ein Sieg für Friedrich, der als Initiator der Kurvereins gilt.50 Sigismund
belehnte daraufhin die Herzöge von Pommern mit der Uckermark. Es kam erneut zu
einem offenen Schlagabtausch mit den Herzögen, diesmal sollten die Herzöge
erfolgreich sein. Friedrichs Reaktion darauf war die Übergabe der Regentschaft über die
Mark Brandenburg an seinen Sohn Johann.51 Fortan sollte Friedrich vor allem seine
Aufgabe als Oberbefehlshaber gegen die Hussiten erfüllen. Auch wenn er der
militärische Führer der kommenden Kreuzzüge war, so sollte er auch einer der
wichtigsten Verhandlungspartner mit den Hussiten werden.
II. Das Heerwesen während der Hussitenkriege
5. Kriegsführung des Kreuzfahrerheeres
5.1 Der erste Kreuzzug: Niederlage des traditionellen Feudalheeres
Mit der am 17. März 1420 ausgerufenen Kreuzzugsbulle „Zur Ausrottung der Wiclifisten
und Hussiten“52 begann für Sigismund der Krieg gegen die Hussiten. Sein
Kreuzzugsheer basierte größtenteils auf den althergebrachten feudal-herrschaftlichen
Wurzeln. Im feudalen Europa bestand das Heer nicht aus einer Schicht von
Berufssoldaten, die für Bezahlung kämpften, so wie es ab dem 16. Jahrhundert in den
absolutistischen Staaten der Fall war, sondern aus den Vasallen der jeweiligen Herrscher
48 Rieder, Heinz: Die Hussiten, Gernsbach 1998, S. 142ff.
49 Ebd. S. 148.
50 Flocken, S. 133.
51 Ebd. S. 135.
52 Stökl, Günther / Bujnoch Josef (Hg.): Laurentius de Brezova: Die Hussiten – die Chronik des
Laurentius von Brezova 1414-1421, Graz 1988, S. 70.
14
und deren Gefolgschaften. Der Stand der Ritter, der nach mittelalterlicher Auffassung
die Krieg führende Klasse darstellte, kann gewiss als Pendant zu den oben erwähnten
Söldnerheeren gesehen werden, jedoch nur bezüglich des Kriegsführens an sich. Den
wohl größten Unterschied macht die Tatsache aus, dass es sich bei den mittelalterlichen
Rittern um einen elitären Kreis handelte, der bereits personell gesehen nicht die Größe
antiker oder späterer Volksheere erreichen konnte. Ein römischer Legionär, wie auch ein
Söldner im Dreißigjährigen Krieg, kämpfte für seinen Lebensunterhalt – und das
ausschließlich. Der mittelalterliche Lehnsmann hingegen musste darüber hinaus
zusätzlich seine Ländereien verwalten. Zudem bestand seine Vergütung nicht aus
direkten Geldzahlungen, die Landgabe verpflichtete ihn zu Kriegszügen. Seine
Ausrüstung und Bewaffnung wurden nicht wie zu anderen Zeiten zur Verfügung
gestellt. Es war seine eigenverantwortliche Aufgabe, sich für den Krieg zu wappnen. Die
Ausrüstung umfasste grundsätzlich ein Pferd, Waffen wie das Schwert, eine Lanze und
ein Schild sowie Rüstungsgegenstände wie das Kettenhemd oder später den
Plattenpanzer. Der Umfang dieser Ausrüstung variierte einerseits in den einzelnen
Jahrhunderten, andererseits in den unterschiedlichen Abstufungen des Adels. In der
Realität kam es jedoch wiederholt vor, dass sich die Vasallen dem Kriegsdienst unter
dem Vorwand der nötigen Verwaltung des Lehens entzogen, was dazu führte, dass die
Heeresgröße stark schwankte. Die Unbeständigkeit der von den Feudalherren
aufzubringenden Männer führte immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Planung
eines Heereszuges.53 Wenngleich Sigismund 1420 ein großes Heer aufbringen konnte, so
zeigten doch schon 1419 die Gefechte in Prag und bei Nekmer, dass die Hussiten unter
Jan Zizka durch eine neuartige Kriegsführung auch in Unterzahl schwer zu besiegen
schienen. Sigismund konnte die Kreuzzugseuphorie dieses ersten Aufrufes für sich
nutzen und innerhalb kurzer Zeit ein Heer aufbieten, mit dem er bereits Ende April in
Böhmen einmarschierte, dort erst Königgrätz und dann Mitte Mai Kuttenberg
einnahm.54 Am 7. Mai verriet der bis dahin prohussitische böhmischen Adlige Cenek
von Wartenberg, der bis dahin die Prager Burg besetzt hielt, das hussitische Lager und
übergab die Prager Burg den königlichen Gesandten Wilhelm Zajic, Wenzel von Duba
53 Vgl.: Prietzel, Malte: Krieg im Mittelalter, Darmstadt 2006.
54 Baum, S. 156.
15
und Hynek Hlavac.55 Laut Brezova versammelten sich im Juni 1420 „Böhmen, Mährer,
Ungarn und Kroaten, Dalmatiner und Bulgaren, Walachen und Szekler, Hunnen, Jasen,
Ruthenen, Leute von Raca, Slawonier, Preußen, Serben, Thüringer, Steiermärker,
Meißener, Bayern, Sachsen, Österreicher, Franken, Franzosen, Engländer, Brabanter,
Westfalen, Holländer, Schweizer, Lausitzer, Schwaben, Kärntner, Aragonesen, Spanier,
Polen, Deutsche vom Rhein und andere […] deren Zahl über mehr als
hundertfünfzigtausend Bewaffnete hinausging.“56 Diese Vielzahl an Völkern bildeten
sich zum größten Teil aus den Kontingenten des römischen Reiches, Ungarns und den
Ländern der luxemburgischen Hausmacht, also Böhmen und Mähren. 57 Die Zahl von
150.000 Kämpfern ist dabei der dichterischen Freiheit Brezovas zu schulden. Alles in
allem werden auf Seiten des Kreuzfahrerheeres etwa 30.000 Mann gestanden haben.58
Wie in allen Heeren des europäischen Mittelalters verstand sich das Heer vor allem als
ritterliches Aufgebot von schweren Reitern. Die Taktik der schweren Kavallerie war seit
dem frühen Mittelalter der Grundpfeiler aller militärischen Aktionen auf europäischem
Boden. Jedoch begann im 14. Jahrhundert diese Form des Angriffs mehr und mehr
Schwächen zu zeigen. Schlachten wie Moorgarten, Sempach, Crecy, Azincourt,
Nikopolis und Tannenberg endeten mit Niederlagen für die schwer gerüsteten
Ritterheere. Es waren vor allem die disziplinierten Infanterieheere, die,
professionalisiert durch das aufkommende Söldnersystem, an Bedeutung für den Krieg
im Spätmittelalter gewannen.59 Gerade Azincourt zeigte in seinem Verlauf, in dem die
stark dezimierten englischen Truppen durch den Einsatz ihrer Bogenschützen gegen
den arrogant wirkenden und auf eigenen Ruhm bedachten französischen Hochadel
gewannen60, dass eine neue Art von Kriegsführung entstanden war. Jedoch schien dies,
wie die ersten Kriegsjahre zeigten, noch nicht für Sigismund und seine Kreuzfahrer zu
gelten. Natürlich waren auch hier schon Veränderungen aufgetreten, wie der Einsatz
55 Smahel, Bd. II, S. 1080
56 Brezova, S. 100f.
57 Eine genaue Darstellung des Kontingents siehe: Brezova, Anmerkungen Nr. 107, S. 312ff.
58 Smahel, Bd. II, S. 1092.
59 Jestice, Phyllis C. : Mittelalter – Strategie und Kriegskunst, Königswinter 2009, S. 166f.
60 Vgl. Bennett, Matthew: Agincourt 1415 - Triumph against the odds. Oxford 1991. S. 14 und 16.
16
von Schusswaffen am deutlichsten zeigt. Gegenüber dem revolutionären61 hussitischen
Heerwesen waren Sigismunds Truppen jedoch vollkommen überholt. Die in schwere
Eisenpanzer gerüsteten Reiter waren in erster Linie auf den Zweikampf mit
Gleichgesinnten und ordentliche Beute aus. Von einer militärischen Disziplin, wie sie
sich auf Seiten der Hussiten entwickelte, konnte keine Rede sein.62 Eine Mischung aus
veralteten Führungsansätzen und Taktiken sowie einer inkonsequenten und unsicheren
Entscheidungspolitik63 Sigismunds führte beim ersten Kreuzzug bereits zum Scheitern.
Die schwer gepanzerten Reiter konnten nicht die gewünschten Erfolge erzielen. Die
anderen Truppenteile wurden nicht effizient genug eingesetzt. Sigismund konnte in
seinem Heer auf Schützen mit Bogen, Armbrust und Feuerwaffen zurückgreifen, meist
Söldner, die sich mit dem Handwerk auskannten. Sein Fußvolk dagegen bestand aus
unerfahrenen Bauern.64 Jedoch hätte Sigismund auch auf seine ungarischen Reiter,
besonders die leichten Reiter der Kumanen zurückgreifen können, die, mit Bogen und
Hiebwaffe ausgerüstet, durch ihre leichte Panzerung schlagkräftig und wendig zugleich
waren.
Die Vorteile eines Söldnersystems überwogen zwar bereits in den frühen Jahren des 15.
Jahrhunderts die Vorteile des Feudalheeres, konnten sich jedoch erst nach 1427 auf
Seiten der Kreuzfahrer ergebnisbringend durchsetzen.65 Söldner waren vor allem
verarmte Bauern, Landlose, Angehörige der Stadtarmut, aber auch verarmter Landadel.
Eine Schicht also, die sich in das militärische Selbstverständnis des Adels als der
einzigen Krieg führenden Schicht hineindrängte. Die Probleme der Feudalen im späten
Mittelalter lassen sich kaum besser erkennen als im militärischen Alltag. Dass sich das
Söldnerwesen am Beginn der Hussitenkriege nicht durchsetzen konnte, mag auch aus
dem Unwillen des Adels heraus geboren sein, den unter ihnen stehenden sozialen
61 Gemeint ist eine rein kriegstechnische Revolution.
62 Delbrück, Hans: Geschichte der Kriegskunst – Teil I das Mittelalter, Nachdruck der Neuausgabe,
Berlin 2000, S. 564.
63 Vgl.: Baum, S. 158. und Seibt, Ferdinand: Vom Vitkov zum Vysehrad – Der Kampf um die böhmische
Krone 1420 im Licht der Prager Propaganda in: Seibt, Ferdinand: Hussitenstudien – Personen,
Ereignisse, Ideen einer frühen Revolution, München 1991, S. 198.
64 Durdik, Jan: Hussitisches Heerwesen, Berlin 1961, S. 17.
65 Vgl.: Durdik, S. 16.
17
Schichten jegliche Kompetenz zuzusprechen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das
Kreuzfahrerheer, das 1420 in Prag lag, nur aus Angehörigen des Adels bestand. Die
städtischen Aufgebote, die ebenfalls zahlreich vorhanden waren, rekrutierten sich fast
ausschließlich aus Söldnern66 , die vor allem als Schützenabteilungen eingesetzt
wurden.
Die Taktik des voll gerüsteten Frontalangriffs blieb während des ersten Kreuzzuges
dennoch die Prämisse. Während die Taboriten unter Zizka den Vitkov67 befestigten,
spähten die königlichen Truppen das Spitalsfeld am Fuß des Berges aus. Am 14. Juli kam
es zur ersten Schlacht zwischen Hussiten und Kreuzfahrern. Bereits einen Tag zuvor war
es zwischen königlichen Truppen und einem Prager Aufgebot zu einem Gefecht
gekommen, das von königlicher Seite eher als Nadelstich zu verstehen ist, bei dem die
städtischen Kämpfer im Chaos versanken.68 „Gegen vier Uhr nachmittags wiederholten
die Kreuzfahrer das Manöver.“69 Während so die Aufmerksamkeit der Verteidiger
abgelenkt wurde, zog eine Abteilung unter Friedrich von Meißen gegen den Vitkov.
Sigismund blieb auf der Kleinseite der Stadt zurück. Der Angriff wurde jedoch unter
Zizkas Führung zurückgeschlagen, das Heer unter Friedrich von Meißen geriet in Panik
und flüchtete den Berg hinab. Sigismund griff nicht ein, sondern zog sich auf den
Hradschin zurück. Der Angriff dauerte etwa eine Stunde, die Verluste auf Seiten der
Kreuzfahrer beliefen sich auf etwa 500 Mann.70
Zizka ließ die Stellungen weiter ausbauen, ein erwarteter Hauptangriff blieb jedoch aus.
Sigismunds zögernde Haltung, die in den kommenden Jahren noch zu weiteren
Niederlagen führen sollte, führte zum Stillstand des Kreuzzuges. Stattdessen ließ sich
Sigismund am 28. Juli 1420 zum böhmischen König krönen. Im August zogen die
Taboriten aus Prag ab und Sigismund zog sich nach Kuttenberg zurück, was die Prager
66 Ebd.
67 St. Veitsberg, ein Berg, der mit den Burgen Hradschin und Vysehrad einen Ring um Prag bildete, den
Sigismund für die Belagerung der Stadt als strategischen Punkt hätte einnehmen müssen. Siehe: Seibt,
S. 187.
68 Brezova, S. 104.
69 Smahel, S. 1094.
70 Seibt, S. 187.
18
dazu nutzten den Vysehrad zu belagern. Der Versuch Sigismunds, den Vysehrad zu
entsetzen, führte zu Allerheiligen 1420 zur zweiten großen Niederlage des
Kreuzfahrerheeres und dessen Auflösung. Der erste Kreuzzug war damit ergebnislos
gescheitert.
5.2 Wiederaufbau des Heeres: Bewaffnung, Reichsaufgebote und Hussitenpfennig
Während Sigismund für Februar 1421 einen Reichstag in Eger ausschrieb, den er dann
auf den 13. April nach Nürnberg verlegte, trafen die vier rheinischen Kurfürsten am 31.3.
1421 den Entschluss, ein eigenes Bündnis gegen die Hussiten zu schließen.71 Sigismund
blieb dem Reichstag wie viele andere Fürsten fern, was dem Bündnis jedoch nicht
schadete. Nach und nach traten dem Bund, der als „Selbsthilfemaßnahme“ 72 zu sehen
sein könnte, die Bischöfe von Würzburg, Speyer, Bamberg, Straßburg und Augsburg, der
Erzbischof von Magdeburg, der Landgraf von Hessen sowie Friedrich von Meißen bei.
Im Juni erklärten zudem 86 Reichsstädte ihre Bereitschaft, am geplanten Feldzug gegen
die Hussiten teilzunehmen. Sigismund gab sein Einverständnis und sagte zu, mit
Herzog Albrecht von Österreich von Mähren aus nach Böhmen einzumarschieren. Ende
August begann der Heereszug unter Führung der Kurfürsten von Köln, Trier und der
Pfalz von Eger aus Richtung Prag. Ohne Sigismunds Führung, der noch immer in
Preßburg weilte und dort der Hochzeit Albrechts mit seiner Tochter Elisabeth
beiwohnte, herrschte Uneinigkeit im Lager der Kreuzfahrer. Anfang September stand
das Heer vor Saaz und wartete auf Sigismund, der sich weiterhin Zeit ließ. Die
Erstürmung Saaz wollte nach mehreren Versuchen nicht gelingen. Als dann noch die
Nachricht eintraf, Zizka hätte sich mit seinen Taboriten auf den Weg gemacht, floh das
Reichsheer aus Böhmen und löste sich ein zweites Mal auf. Sigismund brach erst Ende
Oktober auf, blieb aber in Mähren, um dort den hussitischen Kräften Einhalt zu
gebieten. Erst im Dezember rückte er während des dritten Kreuzzugs in Böhmen ein
und auf Kuttenberg zu, welches von Zizkas Taboriten besetzt gehalten wurde. Am 21.
Dezember konnte Sigismund die Stadt mit Hilfe seiner ungarischen Reiterei und der
71 Baum, S. 163f.
72 Rieder, S. 122.
19
königstreuen Bürgerschaft Kuttenbergs einnehmen. Die nächsten Wochen waren die
königlichen Truppen eher mit Plündern beschäftigt73, als sich für weitere
Kampfhandlungen zu rüsten. Zizka nutzte dies gekonnt aus, indem er am 6. Januar 1422
so überraschend mit neuen Truppen auftauchte, dass das königliche Heer die Flucht
antrat. Die Tatsache, dass es sich dabei wieder um einen ungeordneten, fast panischen
Rückzug handelte74, rührte nicht nur von den taboritischen Erfolgen der letzten Monate
her, sondern vor allem vom desolaten Zustand der Kreuzfahrertruppen, die disziplinlos
und demoralisiert eher auf Beute als auf einen Sieg gegen die Hussiten aus waren. Die
Flucht führte das Heer nach Deutsch Brod, wo Zizka sie einholen konnte. Am 9. Januar
1422 griff Zizka das übriggebliebene Kreuzfahrerheer an. Als am 11. Januar die
Kirchenglocken vom Sieg Zizkas zeugten, hatten die Königlichen nicht nur eine weitere
schwere Niederlage hinnehmen müssen: Im Laufe des Gefechtes um Deutsch Brod
hatte sich der Kampf in ein Massaker an königlichen aber auch an der Zivilbevölkerung
der Stadt verwandelt. Nachdem der zweite Kreuzzug noch verheerender für Sigismund
geendet hatte und er mit Mühe und Not entkommen war75, schien sein Mut
gebrochen.76
Beide Kreuzzüge bewiesen, dass eine Reform innerhalb des feudalen Heerwesens
notwendig war, wollte man den Hussiten noch etwas entgegensetzen. Daher rief
Sigismund unter Druck der Kurfürsten für Ende Mai einen Reichstag nach Regensburg
aus. Doch wie schon beim Reichstag von 1421 blieb Sigismund wieder fern und verschob
den Reichstag auf Anfang Juli.77 Die Fürsten hatten sich jedoch bereits auf einen
eigenen Reichstag in Nürnberg geeinigt. Sigismund war außer sich. Als König den
Fürsten nachzureisen, wäre nicht angemessen. Der Streit zwischen Kurfürsten und
König konnte nach Meinung der königlichen Berater nur an der Frage des Vorgehens
gegen die Hussiten geschlichtet werden. Sigismund musste diese Demütigung
73 Ebd. S. 130.
74 Smahel, S. 1232.
75 Baum, S. 166.
76 Smahel S. 1233.
77 Baum, S. 169.
20
hinnehmen und nach Nürnberg ziehen.78 Auf dem Reichstag wurde der
brandenburgische Kurfürst Friedrich I. zum „Hauptmann wider die Ketzer die man
Hussen nennet“79 ernannt. Ende August wurde die erste Reichsmatrikel 80 verabschiedet.
Diese Matrikel legte fest, welche Truppen die einzelnen Fürsten und Städte für den
Krieg gegen die Hussiten zu stellen hatten. Die Kurfürsten mussten jeweils 50 Gleven81
stellen, die Herzöge und Bischöfe zwischen 5 und 20 Gleven. Bei den Städten mussten
Lübeck und Nürnberg 30 Gleven und 30 Schützen, Hamburg, Köln und Metz 20 Gleven
und 20 Schützen stellen.82 Die einseitige Verteilung der Schützenkontingente auf
städtischer Seite lag vor allem in der Tatsache begründet, dass nur die Städte die
wirtschaftlichen und arbeitstechnischen Mittel zu Herstellung von Feuerwaffen
hatten.83 Eine Bombarde mit einem Kaliber von 50 Zentimetern, die sich Frankfurt am
Main 1394 bauen ließ, kostete an Material und Lohn 1067 Gulden, 14 Solidi und 5
Heller.84 Ein ungarischer Gulden lag 1402 bei 20 böhmischen Groschen85, was in etwa
der Preis für ein Schwein war und dem zwanzigfachen Tageslohn eines Tagelöhners
entsprach.86 Der Preis für die Bombarde von 1394 lag laut Durdik bei 20.289
böhmischen Groschen, eine Kuh kostete im selben Zeitraum um die 46 Groschen. Die
Bombarde hatte demnach den Gegenwert von rund 442 Kühen. Im Jahr 1432 lag der
Gegenwert für ein Geschütz dieser Größe immer noch bei 418 Kühen.87 Nun sei dabei
nicht außer Acht gelassen, dass es sich hierbei um sehr große Geschütze mit einem
Durchmesser von 80 bis 90 Zentimetern handelte, die nur in geringer Stückzahl
78 Ebd. S. 170. Rieder: S. 133.
79 Rieder, S. 134.
80 Moraw, Peter: Staat und Krieg im deutschen Spätmittelalter, in: Rösener, Werner (Hg.): Staat und
Krieg – Vom Mittelalter bis zur Moderne, Göttingen 2000, S. 97.
81 Eine Gleve entspricht 4 voll ausgerüsteten Reitern.
82 Fahlbusch, Friedrich Bernward: Städte und Königtum im frühen 15. Jahrhundert, Köln 1983.
83 Durdik, S. 27.
84 Rathgen, Bernhard: Das Geschütz im Mittelalter, Berlin 1928, S. 35.
85 Vgl.: Bahrfeldt, Emil: Das Münzwesen der Mark Brandenburg unter den Hohenzollern bis zum großen
Kurfürsten, Berlin 1895.
86 Macek, Josef: Die hussitische revolutionäre Bewegung, Berlin 1958, S. 99.
87 Durdik, S. 27.
21
produziert wurden. 1433 wurden von der Stadt Görlitz für ein Feldgeschütz mit einem
Kaliber von 20 Zentimetern insgesamt 55 Schock böhmische Groschen bezahlt. 88
Handfeuerwaffen lagen im Preis weit darunter.89 Damit wären die Kosten jedoch noch
lange nicht abgedeckt. Ein Schuss kostete an Schwarzpulver und Lohn für die
Geschützmannschaft rund 430 Groschen.90 Diese Summen konnten nur die Städte und
Fürsten, jedoch nicht der Landadel aufbringen. Mit Sicherheit waren in den ersten
Kreuzzügen auch Feuerwaffen im Arsenal der Kreuzfahrer, jedoch war die Taktik mit
Feuerwaffen auf eine reine Belagerungstaktik begrenzt und nicht für die offene
Feldschlacht gedacht. Im Laufe der Hussitenkriege stieg die Anzahl an Gleven und
Geschützen stark an. Verzeichnet die Matrikel von 1422 noch 754 Gleven91, so sind es
laut des im Jahr 1431 auf dem Nürnberger Reichstag verabschiedeten Matrikels 8417
Gleven.92 Um den Krieg gegen die Hussiten unterhalten zu können, wurde bereits auf
dem Reichstag in Nürnberg 1422 der hundertste Pfennig als allgemeine Steuer
beschlossen.93 Da aber die Möglichkeiten fehlten, die Eintreibung der Steuer zu
überwachen, konnte nicht viel eingenommen werden. Ein zweiter Versuch, eine
allgemeine Steuer auszuschreiben, wurde am 2. Dezember 1427 auf dem Frankfurter
Reichstag verabschiedet. Der Hussitenpfennig sollte von allen Einwohnern des Reiches
eingezogen werden , die über fünfzehn Jahre waren. Auch hier kam es zu anhaltenden
Schwierigkeiten, da die Fürsten sich teilweise weigerten das Geld an das Reich
abzuführen. Dennoch war ein erster großer Schritt zur Finanzierung des Krieges
gelungen.
Sigismund zog sich aus dem Kampfgeschehen mehr und mehr zurück und überließ
Friedrich I. von Brandenburg die Aufgabe, ein militärisches Mittel gegen die Hussiten
zu finden. Im Oktober 1422 zog er mit knapp 4000 Mann Richtung Karlstein, kam
88 Rathgen, S. 334.
89 Der Lohn für eine Handbüchse lag bei etwa 12 Groschen, dazu kommen jedoch noch Materialkosten.
90 Vgl.: Durdik, S. 29 und Rathgen, S. 52.
91 Zeumer, Karl: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und
Neuzeit, Tübingen 1913, S. 234.
92 Ebd. S. 246.
93 Baum, S. 171.
22
jedoch nie dort an. Die schlechte Versorgung des größtenteils aus Söldnern94
bestehenden Heeres und mangelnde Moral führten noch im selben Monat zur Aufgabe
des Feldzuges. Friedrich I. zog sich zurück und gab die Festung Karlstein den Hussiten
preis, die sie jedoch nicht einnehmen konnten. Die nächsten fünf Jahre sollte es keinen
weiteren Kreuzzug gegen die Hussiten geben. Die militärischen Auseinandersetzungen
blieben in den Jahren bis 1427 jedoch bei der gleichbleibenden Schablone: Die Hussiten
nutzen ihre Wagenburgtaktik, um ihren Feinden das Leben schwer zu machen,
während die anti-hussitischen Truppen weiterhin der Frage nach einer neuen Taktik aus
dem Weg gingen. Zizka war im Oktober 1424 der Pest erlegen, seine Truppen nannten
sich fortan „die Waisen“. Neuer Hauptmann der vereinten radikalen Hussiten wurde
Prokop Holy. 1426 bewies er in einer ersten großen Schlacht sein Führungstalent 95. Bei
Aussig besiegte er am 16. Juni ein deutsches Heer unter Führung des Kurfürsten
Friedrich von Sachsen. Den eigentlichen Verlauf zu rekonstruieren, ist bisher nicht
gelungen.96 Betrachtet man jedoch die bisherige Taktik der deutschen Kräfte und einige
Beschreibungen der Schlacht vom Ende des 15. Jahrhunderts, kann man ein ähnliches
Bild wie bei vorherigen Schlachten erahnen. Die Hussiten konnten ihre Stellungen auf
einem Plateau mit dem Namen Behani97 sichern. Die sächsisch-meißnerischen Truppen
werden mit dem Frontalangriff auf die hussitische Wagenburg ein weiteres Mal in ihr
Verderben gerannt sein. Es mutet merkwürdig an, dass die Kreuzfahrerheere über so
viele Jahre hinweg mit einer gleichbleibenden Taktik Niederlage um Niederlage
einstecken mussten, ohne den Versuch einer Änderung in ihrer Kriegsführung zu
unternehmen. Wie bereits erwähnt, waren schon im 14. Jahrhundert durch
schweizerische Verbände den feudalen Heeren schwere Niederlagen beigefügt worden.
Es war im besonderen Maße die feudalherrschaftliche Ideologie, der Unwille, eine
anders geartete, nicht adelsherrschaftliche Idee im militärischen Bereich zuzulassen. 98
94 Rieder, S. 141.
95 Jedoch noch nicht als hussitischer Hauptmann, sondern als Teil des Rates der Ältesten. Smahel, Bd. 2,
S. 1387.
96 Ebd. S. 1388.
97 Ebd.
98 Vgl.: Durdik, S. 35.
23
Bisher waren die militärischen Operationen jedoch innerhalb Böhmens durchgeführt
worden. Trotz der zahlreichen Niederlagen war es vor allem für die Kurfürsten, die unter
Friedrich I. von Brandenburg mehr und mehr die Initiative im Kampf gegen die
Hussiten übernommen hatten, nicht zwingend notwendig etwas zu ändern. Die Gefahr
war noch nicht unmittelbar. Dies änderte sich schlagartig, als die Hussiten begannen
den Krieg aus Böhmen herauszutragen und mit ihren herrlichen Fahrten die
kurfürstlichen Länder anzugreifen.99 Am 4. Mai 1427 wurde auf dem Frankfurter
Reichstag eine Kriegsordnung in 28 Punkten verabschiedet. Die Rangfolge des
Oberkommandos wurde festgelegt, um damit dem Befehlschaos der letzten Jahre zu
entgehen. Für die Fehden im Reich wurde ein Verbot für die Dauer des Kreuzzuges
ausgesprochen. Der fehlenden Disziplin sollte durch diverse Maßnahmen wie die
Todesstrafe für das Niederbrennen von Dörfern sowie zügelloses Plündern und Morden
ein Riegel vorgeschoben werden. Verbrechern, streitsüchtigen Trunkenbolden und
Falschspielern wurde es verboten, die Heere auf dem Kreuzzug zu begleiten.100 Die
Reichstagsbeschlüsse schienen aufzugehen. Als sich das Kreuzzugsheer zum dritten Zug
versammelte, kam rasch eine große Truppenzahl zustande. Den Oberbefehl hatte der
Trierer Kurfürst Otto von Ziegenhain inne, der am 9. Juli 1427 den Marschbefehl gab.
Die Nominierung Ottos von Ziegenhain stellte jedoch eher ein politisches als ein
militärisches Kalkül dar, so kam es zwischen dem Hohenzollern Friedrich und Otto
anfänglich zu Unstimmigkeiten, die sich dadurch klärten, dass sich Friedrich dem
Oberbefehl letztlich doch unterstellte, obwohl er die größere Erfahrung mit den
Hussiten hatte.101 Ende Juli 1427 begann die Belagerung der Stadt Mies. Als am 1. August
Nachricht vom Anrücken der Hussiten eintraf, suchte der Kriegsrat der Kreuzfahrer
nach den optimalen Bedingungen für die kommende Schlacht. Bei Tachau wurden die
Truppenteile in einer dermaßen ungeordneten Weise verlegt, dass sich am 3. August,
geschürt durch ein Feuer im Lager, Panik ausbreitete. Wieder einmal begannen die
Kreuzzugstruppen sich aufzulösen. Die verbliebene Streitmacht sollte sich nach
99 Vgl.: Rieder, S. 163.
100 Palacky, Frantisek: Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges in den Jahren 1419-1436,
Prag 1873, Bd. I. S. 503-509 Nr. 440.
101 Vgl.: Smahel, S. 1419f.
24
hussitischer Tradition mit einer Wagenburg auf einem Hügel verschanzen. 102 Man
versuchte also die Taktik zu kopieren. Das Problem, welches dabei auftrat, war jedoch,
dass kein Befehlshaber auf Seiten der Kreuzfahrer mit dieser Taktik vertraut war. Hinzu
kam wiedereinmal die Uneinigkeit zwischen den Fürsten. Als am 4. August die Schlacht
ausgetragen werden sollte, diskutierten die Fürsten, unter ihnen der Generallegat des
Papstes Kardinal Beaufort, ob man angreifen oder sich lieber zurückziehen sollte. Ohne
dass eine Einigung zustande kam, lösten sich die verbliebenen Haufen auf und
flüchteten vom Schlachtfeld. Die Hussiten holten die Nachhut des Heeres ein und
konnten nach „harten Kämpfen“103 Tachau am 11. August 1427 einnehmen.
Die Kriegsführung der Kreuzfahrerheere war durchzogen von der inkompetenten
Eigenwilligkeit ihrer Heerführer, die weder auf dem Schlachtfeld noch während der
gesamten Feldzüge eine Einigung zuließ. Sie krankte an der Disziplinlosigkeit ihrer
Truppen und am sinnlosen Festhalten an alten feudal-herrschaftlichen Taktiken. Auch
in späteren Jahren sollten diese Probleme bestehen bleiben. Die siegreichen Schlachten
am Ende der Hussitenkriege waren darauf zurückzuführen, dass sich die Hussiten in
ihrer eigenen Uneinigkeit selbst bekriegten, was die Kreuzfahrer, und hier sei zumindest
die politische Kompetenz Sigismunds und seiner Fürsten erwähnt, zu ihrem Vorteil zu
nutzen verstanden.
6. Kriegsführung der Hussiten
6.1 Die Grundlagen des hussitischen Heerwesens
Die Strukturen des hussitischen Heerwesens unterschieden sich grundlegend von der
Kriegsführung der Kreuzfahrer. Schon in der sozialen Zusammensetzung der Truppen
sind diese Unterschiede nicht von der Hand zu weisen. Das hussitische und besonders
das taboritische Heer bestand vor allem aus der Land- und Stadtarmut, aus Knechten,
Bauern, einfachen Handwerkern und ganzen Dorfgemeinschaften, zu dem sich die pro102 Rieder, S. 169.
103 Smahel, S. 1426.
25
hussitischen Adeligen Böhmens hinzu gesellten.104 Eine ständige zentrale Führung aller
hussitischen Streitkräfte, ob städtischer Herkunft oder Feldheer gab es jedoch gerade
wegen der unterschiedlichen Zusammensetzung nicht.105 In bestimmten Momenten
jedoch, wie bei der Schlacht am Vitkov oder bei Kuttenberg und Deutsch Brod, wurden
die vereinten Heere von einer zentralen Befehlsgewalt geführt. Als einer von vier
Oberbefehlshabern der Feldheere tat sich bereits in den ersten Monaten der
Hussitenkriege Jan Zizka hervor, der bis zu seinem Tod als Hauptmann der Taboriten
und später der neuen Brüderschaft, die sich nach seinem Tod die Waisen nannten,
einen Sieg nach dem anderen erringen sollte. Er war es auch, der während der
Schlachten mit vereinten Heeren als Oberbefehlshaber und „Verwalter der dem Lande
Böhmen geneigten und die Gesetze Gottes erfüllenden Gemeinden“106 die zentrale
Befehlsgewalt inne hatte. Zizka achtete sehr auf die Disziplin innerhalb seines Heeres.
Dies war notwendig, da die angewandten Taktiken ohne eine streng eingehaltene
Ordnung nicht hätten funktionieren können, was ja die Fehlversuche der Kreuzfahrer
zeigten. In seiner 1423 verfassten Militärordonanz107 bezeichnet er das gesamte
Taboritenheer als Feldgemeinde, die er wiederum in die Gemeinden der Herren, Ritter,
Knappen, Städte, Bauern und die Gemeinde der Ältesten aufteilte.108 Die Ältesten waren
eine Art Oberkommando, bestehend aus dem obersten Hauptmann, den Hauptleuten
und den Vertretern der einzelnen Gemeinden. Die Bauerngemeinde hatte demnach das
gleiche Recht, den Kriegszug mitzubestimmen wie die Gemeinden der herrschaftlichen
Klassen. Auch unter den Hauptleuten selbst fanden sich Handwerker und Bauern.
Während die Kreuzfahrer durch die Klassenunterschiede in ihren Heeren mit Beutegier
und Desorganisation zu kämpfen hatten, setzten sich die hussitischen Gruppen über
diese Unterschiede hinweg und bildeten ein gleichberechtigtes, seinen eigenen Zielen
104 Macek, S. 72f
105 Durdik, S. 49.
106 Durdik, S. 50.
107 Seibt, Ferdinand: Hussitischer Kommunalismus, in: Frantisek Smahel (Hg.): Häresie und vorzeitige
Revolution im Spätmittelalter, München 1998, S. 210.
Seibt datiert diese Militärordnung zwar auf 1424, Durdik (S. 55) dagegen auf 1423, Smahel
konkretisiert sogar auf Anfang September 1423, siehe weiter unten.
108 Ebd.
26
nachgehendes Heer. Dazu kamen noch die vor allem von Prager Seite aus gestellten
Söldnerkontingente, auf die auch die Hussiten nicht verzichten konnten. Zizkas
Militärordnung für die von ihm neu gegründete Bruderschaft gilt nicht nur als eine der
ersten Quellen ihrer Art, sondern auch als Hauptquelle zur militärischen Organisation
bei den Hussiten. Laut Smahel109 entstand die Ordnung zwischen dem 22. August und
dem 19. September 1423, da bei den Namen der ausstellenden Personen zwei Personen
nicht genannt werden, die vor dem 22. August gefallen waren, bzw. erst am 19.
September zu der neuen Brüderschaft stießen. Die Heeresordnung besteht aus zwölf
Artikeln, von denen fünf Artikel genaue Vorschriften über die Disziplin während des
Marsches, im Feld und beim Wachdienst enthalten. Drei Artikel befassen sich mit
Ordnung und Sittenleben innerhalb des Heeres, die restlichen Artikel reglementieren
die Aufteilung der Beute, den Umgang mit Deserteuren und der „moralischen“110
Vorbereitung auf den Kampf. Die disziplinarischen Artikel verbieten unter anderem das
Verlassen der Marschordnung, bestimmen, dass zum Marsch stets ein gemeinsamer
Sammelpunkt festzulegen ist und legen die genaue Marschordnung fest. So heißt es in
der Ordnung: „Dann aber sollen sie das Volk in Reih und Glied stellen oder Ordnen,
jede Rotte unter ihrem Banner, die Parole soll ausgegeben werde, und dann
marschieren, wie jede Rotte an diesem Tag in Reih und Glied aufgestellt wurde […] Es
soll aber keine Rotte sich unter die anderen Mischen, auch sollen sie einander nicht
behindern oder sich lostrennen.“111 Die Flanken sollten, wie auch die Vorhut, unter
ständiger Bewachung stehen. Wer sich nicht an die Ordnung hielt, wurde mit
drakonischen Strafen belegt. So hatten die Mitglieder der Bruderschaft die Pflicht „an
uns und in uns alle Todsünden und läßlichen Sünden erkennen, vernichten und
ausmerzen; hernach an den Königen, den Fürsten und den Herren, den Bürgern, den
Handwerkern, den Fronsmännern und an allen Menschen männlichen und weiblichen
Geschlechts und jeden Alters.“112 Der Strafenkatalog sah „töten, enthaupten, aufhängen,
109 Smahel, S. 1299.
110 Smahel, S. 1297f.
111 Heeresordnung des Jan Zizka (im folgenden HO), zit. nach: Durdik, S. 62f.
112 HO zit. nach: Macek, S. 111.
27
ertränken (und) verbrennen“113 für schwerwiegende Missachtungen der Ordnung und
„Stockschläge oder Rügen“114 als mindere Disziplinarstrafen vor. Bereits fünf Jahre vor
der auf dem Frankfurter Reichstag verabschiedeten Ordnung für das Kreuzfahrerheer
legte Zizka in seiner Militärordonanz fest: „auch wollen wir unter uns nicht dulden
solche, die ungetreu und ungehorsam sind, die Lügner, Diebe, Würfelspieler, Plünderer,
Betrunkene und Schmähbuben, Unzüchtige und Ehebrecher.“115 Auffällig ist, dass die
Bestrafung nicht von einem dafür vorgesehenen Richter, sondern von den
Gemeindemitgliedern, egal welcher sozialen Schicht angehörig, durchgeführt werden
konnten. Die Disziplin wurde demnach nicht von einigen Vorgesetzten, sondern von
allen Heeresmitgliedern überwacht. Ein Aspekt, der den herrschaftlichen Heeren der
Kreuzfahrer geradezu einen weiteren Beweis für die ketzerische Verderbtheit der
Hussiten liefern musste. Wurde ein Deserteur gefasst, wurde er „an seinem Halse und
an seinem Hab und Gut gerichtet.“ 116 Es sei noch auf den siebten Artikel eingegangen,
der das Aufteilen der Beute regelte. Das gesamte Beutegut sollte „zusammengetragen,
gefahren und geführt und auf einen Haufen geschichtet werden, dorthin wo der Platz
dafür von den Ältesten genannt wurde.“117 Danach sollten „die Ältesten aus allen
Gemeinden gewählt werden, um diese Dinge treu zu verwalten und gerecht, wie es
jedem zukommt, an Arme und Reiche zu verteilen, damit keiner etwas für sich selbst
erhasche oder einer etwas für sich beiseite bringe.“118 Wer dennoch etwas für sich
einbehielt, wurde zum Tode verurteilt. Auch hier wurde die Gemeinschaft über die
sozialen Herkünfte der Gemeindemitglieder gestellt. Unterstrichen wurden diese
Punkte durch das hussitische Kampflied: Die da Gottes Streiter sind. Darin heißt es:
„Die Feinde aber fürchtet nicht
und achtet ihrer Menge nicht,
traget Gott in eurem Herzen,
wollen für und mit ihm kämpfen,
113 Nach Smahel, S. 673.
114 Ebd.
115 HO zit. nach: Durdik, S. 64.
116 Ebd. S. 64f.
117 HO zit. nach: Durdik, S. 66.
118 HO zit. nach: Macek, S. 112.
28
und vor dem Feinde weichet nicht.
Seid der Losung eingedenk,
die euch ward gegeben,
achtet euren Hauptmann stets,
rettet einander das Leben,
und weiche niemand aus Reih und Glied.
Wegen Raub, aus Gier nach Gold,
lasset euer Leben nicht,
und bei Beute haltet euch nicht auf.“119
Damit stellt das Lied, welches vor Zizkas Heeresordnung entstand, eine Heeresordnung
im Kleinen dar. Zizkas Heeresordnung basierte auf einer älteren Ordnung aus dem Jahre
1420. In dieser Ordnung werden die Grundsätze wie: Kampfordnung einhalten, Beute
aufteilen und das Vermeiden von Unrecht120 bereits aufgeführt. Der große Unterschied
jedoch besteht in der kompromisslosen Auswahl der Gemeindemitglieder im Bezug auf
ihre ständische Herkunft. Während Zizka die sozialen Strukturen durch die
Aufsplittung in die jeweiligen Gemeinden aufrecht hält und in seinem Heer Adlige und
Bauern gleichstellt und demnach Adelige zulässt, warnt die ältere Heeresordnung
davor, Mitglieder aus der feudalen Klasse aufzunehmen.121 Dieser Artikel lässt auch den
Schluss zu, dass sich die Heeresordnung im Kreis der ersten Taboriten herausbildete, in
welchem die Land- und Stadtarmut noch das Übergewicht innerhalb der Gemeinde
hatte.122
6.2 Ausrüstung, Ordnung und Taktik der Hussiten
Die Bewaffnung der hussitischen Heere unterschied sich kaum von derjenigen der
Kreuzfahrer. Der Erfolg im Kampf basierte auf dem taktischen Vermögen der
119 Durdik, S. 61.
120 Ebd. S. 56.
121 Ebd. S. 57.
122 Ebd.
29
Heerführer, die vorhandenen Mittel vorteilhaft zu nutzen. In erster Linie waren dies der
Gebrauch bäuerlicher Arbeitsgeräte als Waffen sowie die vermehrte Anwendung der
Feuerwaffen. Während die Kampfkraft vor allem von den armen Schichten aus Stadt
und Land gestellt wurde, kamen die taktischen Anreize in erster Linie aus dem
städtischen Umfeld. Wie bereits erwähnt, waren es besonders die städtischen
Aufgebote, die innerhalb der Kreuzfahrerheere den Gebrauch von Feuerwaffen
vorantrieben. Während jedoch die städtische Macht bei den Kreuzfahrern vor allem in
den ersten Jahren nicht ausreichte sich taktisch durchzusetzen, waren die böhmischen
Städtebünde, ausgehend von Prag, später von Tabor123, von vornherein stark genug, um
innerhalb der hussitischen Heere einen wichtigen und für ihre Gegner gefährlichen
Beitrag zur Kampfesweise zu leisten. Durch die wirtschaftliche Macht des Prager
Städtebundes, der 1421 nicht weniger als 22 Städte umfasste sowie später dem vereinten
Städtebund der Taboriten und Waisen124 war es möglich, die Mittel für diese Art von
Bewaffnung aufzubringen. Die Vielzahl von Feuerwaffen in den hussitischen Heeren
war für das frühe 15. Jahrhundert eine ungeheuerliche Neuerung. Bei einem
durchschnittlichen hussitischen Heer von 6000 bis 7000 Mann Fußvolk wurden etwa
300 Wagen mitgeführt. In den späteren Heeresordnungen der außerhussitischen
Parteien wurden durchschnittliche 2 Handfeuerwaffen pro Wagen festgelegt. Dazu
kamen „zu je fünf Wagen eine Haubitze und zu jedem fünfundzwanzigsten Wagen eine
besonders große Steinbüchse zu achtzehn oder zwanzig Pferden.“ 125 Zieht man die
Proviantwagen ab, erhält man eine durchschnittliche Bewaffnung von 360
Handfeuerwaffen wie den Hakenbüchsen, 36 kleinkalibrigen Geschützen wie den
Tarasbüchsen und 6 großen Haubitzen. In den späteren Jahren, als sich die hussitischen
Heere zu den herrlichen Heerfahrten zusammenschlossen und dabei bis zu 2500
Wagen126 mit sich führten, stieg auch die Zahl der Feuerwaffen drastisch an. Die
Geschosse bestanden bei den Handbüchsen aus Blei, die größeren Kaliber verschossen
zumeist Steinkugeln, später auch geschmiedete Eisenkugeln. Die Handbüchsen waren
123 Macek, S. 126f.
124 Dem Städtebund der Taboriten und Waisen gehörten 1427 sogar 33 Städte an.
125 Schlesischer Beschluss von 1429 und Nürnberger Beschluss (ca. 1430) zit. nach: Durdik, S. 89.
126 Ebd. S. 90.
30
unzuverlässig, ungenau und in ihrer Reichweite stark eingeschränkt, während die
Geschütze, insbesondere die Tarasbüchsen, mit einer Reichweite von etwa 250 Meter
eher eingesetzt werden konnten. Diese Tarasbüchsen mit einer Lauflänge von 1000 bis
1300 Millimetern und einem Durchmesser von 40 bis 46 Millimetern konnten aus Eisen
oder Bronze gegossen sein.127 Die großkalibrigen Haubitzen128 hatten zwar eine ähnliche
Reichweite wie die Tarasbüchsen, hatten jedoch den großen Vorteil, auf kurze
Distanzen eine verheerendere Wirkung zu entfalten. Einige Beschreibungen über die
Wirkung der hussitischen Geschütze sowie die kurz nach den Hussitenkriegen
entstandenen Beschreibungen und Vorschriften, so das Feuerwerkbuch von 1445, lassen
darauf schließen, dass für die Haubitzen eine Art Vorläufer der Kartätschen genutzt
wurde: „... lade die Büchse mit einer hölzernen Kugel, worauf du Blech legst und darauf
Steine und Eisenstücke, die miteinander durch Pech verbunden sind.“129 Während die
Tarasbüchsen auf starren Lafetten montiert waren, wurden Haubitzen auf Lafetten
gesetzt, die mit zwei Rädern ausgestattet wurden. Zu diesen Feldgeschützen kamen bei
Belagerungen noch die großen Bombarden, von denen bereits im Kapitel über das
Heereswesen der Kreuzfahrer berichtet wurde. Mit diesen teilweise extrem
überdimensionierten Geschützen sollten Breschen in Mauern geschossen werden. Die
durchschnittliche wirkungsvolle Reichweite lag bei etwa 300 Metern.130 Während die
Kreuzfahrer den militärischen Nutzen einer gezielten Anwendung der Geschütze auf
angreifende Truppen nicht erkannten, nutzen die Hussiten ihre Feuerwaffen genau
dazu, in die Linien der Angreifen „breite Straßen und Bahnen“131 zu schießen.
Überhaupt wurden die Feuerwaffen vor allem defensiv genutzt, was auch eine
Beschreibung über das Gefecht bei Horic von 1423 zeigt: „Zizka lagerte sich mit ihnen
bei der Kirche […] damit er sich mit seinen Geschützen auf der Höhe aufstellen könne,
und damit sie, die zu Pferde heranzogen, von den Pferden absitzen müßten […] durch
die Rüstung mehr beschwert als die Fußgänger. Sie rückten bergauf und ermüdeten, die
127 Rathgen, S. 334.
128 Haubitze leitet sich vom tschechischen houfnice ab.
129 Zitiert nach Doletschek, Anton: Die Geschichte der österreichischen Artillerie, Wien 1887, S. 41.
130 Rathgen, S. 45ff. Sowie Durdik, S. 102ff.
131 Durdik, S. 109.
31
Wagen stürmend. […] und bevor sie die Wagen stürmen konnten, erlegte er (Zizka)
ihrer nach Belieben.“132 Daneben nutzten die hussitischen Verbände als Schusswaffen
vor allem Armbrüste. Die kurzen Bolzen der Armbrust konnten je nach Zugkraft der
Waffe die schweren Plattenrüstungen der Gegner brechen. Die hussitischen
Armbrustschützen gingen, wenn sie nicht auf dem Kriegswagen stationiert waren,
hinter Pavesen in Deckung. Diese großen, rechteckigen Schilde verbreiteten sich rasch
in ganz Europa, da sie, auf dem Rücken getragen, ausreichend Schutz für die
Armbrustschützen lieferten.133 Das Arsenal der Nahkampfwaffen bestand neben dem
klassischen Schwert vor allem aus Stangenwaffen wie Hellebarde, Lanze und Spieß.
Waffen, die auch auf Seiten der Kreuzfahrer zum Einsatz kamen. Den Unterschied
machten jedoch die zu Waffen umgewandelten bäuerlichen Arbeitsgeräte aus. Der
wichtigste Vertreter hierfür war der Kriegsflegel, ein Flegel, der durch Eisenbeschläge
und Eisendornen verstärkt wurde.
Die hussitische Kriegsführung wäre ohne die Wagenburgen kaum denkbar. Der
Streitwagen war anfänglich sicherlich ein einfacher Bauernwagen, der in den Jahren der
Kriege mit Brettern und Beschlägen zum verstärkten Kampfwagen ausgebaut wurde.
Besonders die späteren Verordnungen der Kreuzfahrerparteien geben ein genaues Bild
dieser Wagen. „Ein guter, starker Wagen, der etwas weiter sei denn andere Wagen.“ 134 An
dem seitlich ein starkes Brett befestigt wurde so dass die Kämpfer im Wagen besser vor
Beschuss geschützt waren.135 Hinzu kam eine Kette, um die Wagen zur Wagenburg
zusammenschließen zu können136 . Die Besatzung eines Kampfwagens, welche
gleichzeitig die kleinste taktische Einheit innerhalb des hussitischen Heeresverbandes
war, setzte sich wie folgt zusammen: Zwei Schützen mit Handbüchsen, vier
Armbrustschützen, vier Flegler, vier Hellebardiere, zwei Pavesner und zwei gerüstete
132 Zit. nach: Delbrück, S. 568.
133 Ebd. S. 114.
134 Aus einer Verordnung des deutschen Ordens von 1435; zit. nach Durdik, S. 116. siehe auch Delbrück,
S. 556.
135 Ebd.
136 Delbrück, S. 555.
32
und gewappnete Fuhrleute.137 Diese Wagenbesatzung war einem Hauptmann
unterstellt. Je zehn Wagen schlossen sich zu einem Verband zusammen, der von einem
Zehnerschaftsführer geleitet wurde, dann zu einer von einem Zeilmeister befehligten
Wagenreihe, die wiederum dem Hauptmann aller Wagen unterstanden. Die
Marschordnung der Wagen bestand aus zwei äußeren (krajni) und zwei inneren
(placni) Reihen.138 Diese Reihen wurden zur Wagenburg zusammengekettet und
ermöglichten so eine Art Feldfestung aufzubauen. Nun ist die Wagenburg keine
Erfindung der Hussiten. Bereits in antiker Zeit gab es Beschreibungen von
Wagenburgen.139 Die Germanen nutzten die Wagenburgen als Nachtlager140, während im
Verlauf des Mittelalters die Lager durch das Zusammenziehen der Wagen vor allem als
eine Art Rückendeckung dienen sollten.141 Die hussitische Taktik ging jedoch weit über
den Schutz des Lager hinaus. Die Wagenburgen waren Verteidigungsanlage für das
Fußvolk, Basis der Artillerie sowie der Ausgangspunkt für die verheerenden
Gegenangriffe der hussitischen Reiterei und Fußtruppen. Diese Neuerung war so
überraschend für die Kreuzfahrer, dass sie, wie bereits gezeigt, Jahre brauchten, um
diese Taktik nachzuahmen. Bereits in den Gefechten bei Nekmer und Sudomer kamen
unter Zizkas Führung Wagen zum Einsatz. Bereits bei Kuttenberg und Deutsch Brod
waren die Wagenburgen soweit ausgereift, dass sie den Hussiten - trotz einer
oftmaligen zahlenmäßigen Unterlegenheit - die Erfolge der nächsten Jahre brachten.
Eine offensive Verwendung in der Schlacht schließt sich jedoch bis auf einige
137 Diese Aufstellung ergibt sich wie auch die Zusammensetzung der Wagen selbst aus den
verschiedenen Verordnung der Kreuzfahrerparteien. So vor allem die schlesische Verordnung von
1429, die stark von der hussitischen Tradition beeinflusst zu sein scheint. Dazu die Heeresordnung des
Hodetin aus den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts, die Nürnberger Verordnungen von 1428 und 1430
und die österreichische Ordnung von 1431. Die Zahlen schwanken zwar, jedoch kann man von einer
durchschnittlichen Wagenbesatzung von 18 bis 21 Mann ausgehen. Die stetigen Versuche, das
hussitische Kriegswesen zu kopieren, kamen in diesen Verordnungen besonders zum Ausdruck. Vgl.:
Durdik, S. 145.
138 Delbrück, S. 556. Reihen wurden auch Zeilen genannt, daher der Begriff Zeilmeister.
139 Delbrück, S. 562. Zitiert wird Euripides.
140 Ebd.
141 Durdik, S. 152.
33
Ausnahmen aus.142 Das Manövrieren unter Feindeseinwirkung war allein schon deshalb
ein schwieriges Unterfangen, da die Pferde so kaum geschützt werden konnten. In der
Schlacht von Kuttenberg wird zwar ein Ausbrechen der Wagenordnung beschrieben,
dies geschah jedoch in der Nacht, auf dem Überraschungsmoment aufbauend. 143 Die
geschlossene, offensiv ausgerichtete Marschordnung, bei der die Kraijni über die Placni
hinausgingen und so in den Flügeln zwei Spitzen entstanden, in dessen Deckung
Fußtruppen lauerten, war langsam und stärker vom Terrain beeinflusst als die offene
Marschordnung. Dennoch gibt es Berichte, nach denen die Hussiten in geschlossener
Ordnung 12 (im Winter) bis 30 Kilometer (bei optimalen Witterungsverhältnissen) am
Tag zurücklegen konnten. Eine Geschwindigkeit, an die kein Heer dieser Zeit
herankam. Ein Verdienst sicherlich von Zizka, der so stark auf Disziplin und
Ausbildung achtete.
Zu den Kampfwagen, der Artillerie und den Fußtruppen kam die hussitische Reiterei.
Nach Zizkas Ordnung sollten sie „vorsichtig reiten, vorne, hinten und auf den Seiten das
Heer bewachen gleich wie sich selbst.“144 Neben diesem Schutz der Truppen hatten sie
vor allem die Aufgabe, als Aufklärer und Kundschafter tätig zu sein. So schickte Zizka
im Jahr 1420 eine Reitereinheit in ein 40 Kilometer entferntes Gebiet, um dieses
auszukundschaften. Die Ergebnisse der Aufklärung sorgten dafür, dass die
Angriffspläne Zizkas fallen gelassen wurden.145 Es gibt noch weitere Beispiele, die später
aufgeführt werden sollen, wie die hussitische Reiterei als aufklärende Vorhut gewirkt
hat. Auch in der Schlacht wurde die Reiterei als leichte und schnelle Operationen
ausführender Teil des Heeres eingesetzt, was zur schweren Reiterei der Kreuzfahrer
einen starken Gegensatz bildete.
Diese Waffengattungen bildeten in der Schlacht ein geeintes, in allen Abläufen geübtes
Ganzes. Die Wagenburgen bildeten den Schutz gegen das angreifende feindliche Heer.
An einer bestimmten Feuerlinie angekommen, kamen die Feuerwaffen zum Einsatz, die
neben tödlichen Schüssen vor allem Rauch und Lärm über das Schlachtfeld und so
142 Delbrück, S. 559ff.
143 Durdik, S. 155.
144 HO zit. nach: Durdik, S. 170.
145 Ebd.
34
einen moralischen Bonus brachten. Es folgten die Armbrustschützen, die weitere
Löcher in die Reihen der Angreifer schossen. Im Nahkampf erwiesen sich die
Wagenburgen wiederum als schwer einnehmbare Befestigung, von der aus die Flegler
und Hellebardiere ihr Werk taten. Waren die angreifenden Truppen stark genug
geschwächt, brachen die Fußtruppen aus der Wagenburg heraus. Die Reiterei setzte mit
Einfällen in Flanke und Rücken des Feindes den Endpunkt eines taktischen Uhrwerkes,
das die Flucht der Kreuzfahrer und deren Verfolgung verursachte. Jedoch blieb die
Taktik der Hussiten über die gesamte Zeit der Kriege, selbst während der herrlichen
Heerfahrten, eine hauptsächlich defensive Taktik, die erfolgreich für offensive Feldzüge
genutzt wurde. Diverse Belagerungen zeigen, dass die Hussiten nicht auf langwierige
Operationen, sondern auf schnelle, kurze Aktionen ausgerichtet waren. Die
Kreuzfahrer hatten den Hussiten bis zur Schlacht von Lipan 1434 nichts
entgegenzusetzen und auch hier gewannen sie nur durch die Hilfe der gemäßigten
hussitischen Truppen, die sich durch die im Laufe der Jahre vollzogene Spaltung der
Hussiten mit der katholischen Partei zusammengeschlossen hatten.
III. Die Kriegszüge nach Brandenburg und in die Niederlausitz
7. Die herrlichen Fahrten (spanile jizdy)
7.1 Das Ende des dritten Kreuzzuges und die ersten Einfälle der Hussiten
Nach Zizkas Tod 1424 war seine Bruderschaft, die sich fortan die Waisen nannte, mit
den Taboriten eine Union eingegangen. Dieses vereinte radikale Heer stand gegen die
gemäßigten Utraquisten und Katholiken Böhmens. Der innere Konflikt wurde jedoch
von den Kreuzfahrern nicht genutzt. Nach dem hussitischen Sieg bei Aussig im Juni
1426 jedoch wuchs die Gefahr, dass das radikale Feldheer nun auch in die Nachbarländer
einfallen könnte. Nach der Schlacht von Aussig kam es zwischen den radikalen
Bruderschaften und dem hussitischen Adel zum Streit um das weitere Vorgehen.
Prokop, auf Seiten der Taboriten und Waisen, war für die gnadenlose Verfolgung und
35
Zerschlagung des Kreuzfahrerheeres, während Hynek Bocek von Podiebrad auf Seiten
des Adels für den Rückzug stimmte.146 Das Heer trennte sich im Zuge dieser
Auseinandersetzung und ging nun gegeneinander vor.147 Nach dreimonatiger
Belagerung Podiebrads durch das Feldheer der Radikalen mussten diese den Rückzug
antreten. Die Prager Herren dagegen verbündeten sich mit Prinz Sigmund Korybut,
einem litauischen Fürsten, der in den Jahren zuvor des öfteren den Versuch
unternommen hatte, die böhmische Krone zu erlangen 148. Korybut suchte einen
politischen Ausgleich mit den katholischen Parteien, was die radikalen Bruderschaften
zu unterbinden suchten. Am 27. April 1427 kam es in Prag zum Aufruhr, Korybut und
einige Prager Stadtherren wurden gefangen genommen und neue Ratsherren eingesetzt.
Gleichzeitig stieg unter der Führung Prokops die Macht des taboritischen
Städtebundes. Nach dem Aufstand trat auch Prag wieder auf die Seite der Radikalen
über.149 Die Gefahr einer hussitischen Offensive außerhalb Böhmens wurde immer
größer, besonders nachdem die Taboriten in Österreich, der Oberpfalz und Schlesien
eingefallen waren.150 Auf dem Frankfurter Reichstag wurde deshalb am 27. April 1427 ein
neuer Kreuzzug ausgerufen. Wie weiter oben beschrieben, endete dieser Kreuzzug in
der Niederlage bei Tachau. In den nächsten Monaten nach Tachau festigte sich die
Macht der radikalen Bruderschaften insoweit, dass mit dem Bündnis mit Prag, nach der
endgültigen Vertreibung Korybuts und einem Waffenstillstand mit den Adligen
Parteien151 der innere Konflikt vorerst ruhte. Auf Seiten der deutschen Gebiete begannen
die Vorkehrungen für einen vermeintlichen Einfall, die Städte wurden befestigt, das
Nachrichtennetz zwischen den Regionen ausgebaut und das Vorgehen in Böhmen noch
strenger beobachtet. Innerhalb dieser Phase mehrten sich die Nachrichten über Verräter
in den eigenen Reihen - Männer, die den Hussiten ihre Städte hätten ausliefern wollen.
So wurden Ende November 1427 in Eger vier Männer auf dem Scheiterhaufen
146 Smahel, S. 1389ff.
147 Macek, S. 125.
148 Rieder 136ff.
149 Macek, S. 127.
150 Smahel, S. 1408.
151 Smahel, S. 1428.
36
verbrannt.152 Angst und Misstrauen wuchsen soweit, dass selbst Unschuldige als Verräter
angeklagt wurden. Dies kam jedoch nicht von ungefähr. Die mährischen Städte hatte
bereits wiederholt Erfahrungen mit Verrätern gemacht, auch später nahmen die
Feldgemeinden bei ihren Feldzügen den Dienst von Spionen und Verrätern in
Anspruch. Das Klima war angespannt, fast täglich gingen Warnungen über Einfälle bei
den Städten und Fürsten ein. Selbst die Gemahlin Sigismunds warnte die Stadt
Pressburg am 30. November vor einem hussitischen Angriff.153 Das hussitische Heer ließ
sich jedoch Zeit. Erst nach der Einnahme der Stadt Kolin am 16. Dezember 1427 begann
ein Feldzug Richtung Mähren. Am 18. Februar 1428 erreichten sie sogar Preßburg,
brandschatzten die Vororte und zogen über Böhmen nach Norden ab.154 Danach
wandten sie sich Schlesien zu, womit der Krieg endgültig über die böhmischen Grenzen
getreten war. Am 30. März plünderten die Hussiten das Zisterzienserkloster Kamenz,
am 1. Mai überfielen sie die Vorstädte Breslaus, um dann bis Mitte Mai zurück nach
Böhmen zu ziehen. Laut Macek waren die herrlichen Fahrten als Missionierungsfahrten
geplant. Die außerböhmische Landbevölkerung sollte vom hussitischen Glauben
unterrichtet und auf deren Seite gezogen werden. Die Hussiten hätten sich dabei als
einfache, unterdrückte Menschen präsentiert.155 Geht man jedoch von der
rücksichtslosen Härte aus, mit der die Feldheere ihre Züge durchführten, die brennend
und raubend durch die Länder zogen156 und dabei eher den Hass als das Verständnis der
Landbevölkerung hervorriefen, ist diese Überlegung eher unwahrscheinlich. Ende Mai
bis Mitte Juni 1428 zogen hussitische Abteilungen durch die Oberpfalz und überfielen
Bärnau und Falkenberg und kamen nach einigen Angaben bis kurz vor Regensburg.157
Währenddessen fielen taboritische Verbände über die Donau in Österreich ein, drangen
bis Nußdorf unweit von Wien vor und ließen auch hier eine Spur der Verwüstung
152 Ebd. S. 1432.
153 Ebd. S. 1433.
154 Ebd. S. 1435.
155 Macek, S. 134.
156 Die Liste der den Hussiten zum Opfer gefallenen Orte ist lang und wird im weiteren Verlauf noch
durch Beispiele konkretisiert.
157 Smahel, S. 1439.
37
zurück.158
Noch Ende 1427 erließ der Frankfurter Reichstag neben dem Hussitenpfennig auch
einen Beschluss über einen erneuten Feldzug gegen die Hussiten. Friedrich I. von
Brandenburg wurde zum Oberbefehlshaber ernannt. Der Feldzug wurde jedoch auf
unbestimmte Zeit verschoben, da die benötigten Geldmittel trotz der Steuer nicht
eingetrieben werden konnten. Sigismund musste Ende Mai 1428 bei der Burg Golubac
eine herbe Niederlage gegen die Türken einstecken, die ihn zu einem Waffenstillstand
mit dem osmanischen Sultan Murad II. zwang159. Die desolate militärische Lage an den
Fronten gegen die Türken und die Hussiten in dieser Zeit ließ Sigismund deshalb auf
eine Einigung mit den Hussiten auf dem nächsten Konzil drängen. Im November 1428
folgte der nächste hussitische Feldzug. Diesmal unter der Führung Johann Kralovecs in
die Oberlausitz. Friedland ging in Flammen auf, die Umgebung von Zittau und Löbau
wurde geplündert. Die Truppen des Sechsstädtebundes stellten sich den Hussiten
entgegen und konnten einen Erfolg erringen, indem sie das Beutegut sicherstellten. 160
Kralovec zog daraufhin ins Glatzer Land, brannte dort unter anderem Habelschwerdt
nieder und fiel letztlich in Schlesien ein, wo nach Brieg auch Ohlau fiel. Nach einigen
weiteren Plünderungen zogen sie sich erst Ende Januar 1429 nach Böhmen zurück. Die
hussitischen Kriegszüge der nächsten Jahre sollten von Seiten der Hussiten den Namen
spanile jizdy – herrliche Fahrten bekommen. Bereits im September 1428 suchte
Sigismund den Kontakt mit den Hussiten, um eine politische Lösung abseits des
Schlachtfeldes zu finden. Prokop Holy erklärte sich im Februar 1429 zu Verhandlungen
bereit. Das Treffen der Delegation wurde auf den 6. März nach Mährisch Kromau
festgesetzt.161 Sigismund befand sich zu dieser Zeit in Luck, um dort mit dem polnischen
König Wladislaw und dem litauischen König Witold über die Situation mit dem
deutschen Orden und den Grenzfragen im osteuropäischen Gebiet zu verhandeln. In
der Kontinuität seines Handelns gegenüber der Hussitenfrage sollte er auch diesmal, wie
158 Ebd.
159 Baum, S. 213.
160 Jecht, Richard: Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechsstädte unter Kaiser Sigmund,
Görlitz 1911, S. 190ff.
161 Smahel, S. 1452.
38
er es bei den Reichstagen so oft tat, nicht zum vereinbarten Termin nach Mährisch
Kromau kommen. Stattdessen ging er nach Buda und ließ die hussitische Delegation
warten. Erst Ende März kam eine Einladung nach Preßburg, die Prokop entgegennahm,
um dort am 4. April 1429 einzutreffen.162 Das erste Mal trafen Sigismund und Prokop
persönlich aufeinander, das erste Mal seit dem Beginn der Hussitenkriege suchte man
durch Verhandlungen eine politische Basis für eine Einigung. Die Hussiten bestanden
auf der Durchsetzung der Prager Artikel, was Sigismund strikt ablehnte. Die
Verhandlungen wurden auf das kommende Konzil verlegt. Lediglich ein
Waffenstillstand lag in der Luft, jedoch behielt es sich Prokop vor, darüber mit einem
hussitischen Landtag zu reden.163 Am 23. Mai 1429 begann in Prag der Landtag. Nach
einer Woche wurden folgende Beschlüsse getroffen: Ein Konzil sollte einberufen
werden, an dem auch die Griechen und Armenier und vor allem die Patriarchen von
Konstantinopel teilnehmen sollten. Der Waffenstillstand sollte nicht für Meißen und
Bayern, sowie für die katholischen Parteien innerhalb Böhmens gelten. Diese
Bedingungen waren jedoch für Sigismund nicht akzeptabel, weshalb er die
Gesandtschaft Prokops im Juli 1429 ein zweites Mal nach Hause schickte.
7.2 Die Feldzüge von 1429 und 1430
Während die Verhandlungen in Preßburg Prokops volle Aufmerksamkeit in Anspruch
nahmen, blieb das taboritische Feldheer nicht tatenlos. Unter dem Hauptmann Jakob
Kromesin drang das Heer im Juni 1429 nach Zittau vor „unde czogen vor den lawban weg
unde neichinten sich dem Buntczil czu“.164 Nachdem Bunzlau gefallen war, bezahlte
Herzog Hans von Saban 600 rheinische Gulden für einen Waffenstillstand, der bis Ende
1429 gelten sollte.165 Während sich in Prag ein weiterer Konflikt zwischen Alt- und
Neustadt anbahnte, versuchte Prokop weiterhin eine Einigung mit Sigismund zu
finden, scheiterte jedoch am Widerstand der Waisen und der Prager Neustädter. Am 25.
162 Baum, S. 216.
163 Macek, S. 135f.
164 Martin von Bolkenhain: Von den Hussitenkriegen in Schlesien und der Lausitz in: Scriptores Rerum
Lusaticarum – Sammlung Ober- und Niederlausitzischer Geschichtschreiber, Goerlitz 1839, S. 360.
165 Jecht, S. 125.
39
September endete dieser Konflikt. Die Neustädter traten dem Bund der Waisen bei,
während sich die Altstädter weiter den Taboriten annäherten. Kromesin zog im
September wieder gegen die Lausitz. Nachdem er am 17. September die Burg Landsberg
eingenommen hatte, führte er das Feldheer der Taboriten gegen Zittau. Am 28.
September versuchte er erfolglos das Kloster Oybin einzunehmen, verwüstete
stattdessen aber das Umland.166 Bereits am 25. September hatte sich Prokop mit einem
weiteren taboritischen Heer auf den Weg gemacht, um sich mit Kromesins Truppen
und einem dritten Verband, der von den Waisen gestellt wurde, zu vereinen. Insgesamt
standen am 1. Oktober 6000 Mann Fußvolk, 800 Reiter und 260 Wagen in der
Oberlausitz.167 Von Olbersdorf, wo sich die drei Heere zusammenschlossen, zogen die
Hussiten an Zittau vorbei Richtung Görlitz. Eine Rechnung des Görlitzer Stadtrates vom
9. Oktober 1429168 lässt auf die unmittelbare Gefahr schließen. Darin heißt es: „Item
Heincze Wachin louffinde bote, als her schreib, das dy ketzer obir das gebirge komen
weren, 6gr. - Item meister Nickel dem bochssenmeister 6 gr. - Item von des pulvers
wegen zu machen 12 gr. - Item dem pheilanschefter von 50 sch. pheil anzusetzin ½ sch.
gr.“169 Der hier genannte Heincze Wachin, war nach Zittau geschickt worden, um
Bericht über die Vorgänge zu erstatten.170 Am 3. Oktober steckten die Hussiten die
Görlitzer Vorstadt in Brand. Dem Geständnis des Hans Pilgram nach stürmten die
Hussiten unter Zuhilfenahme einiger Görlitzer Stadtbewohner das „slosse“171 Der Sturm
konnte zurückgeschlagen werden. Die Hussiten zogen wieder ab. Schon hier lässt sich
erkennen, dass die Belagerungstaktik während der herrlichen Fahrten im Bezug auf gut
befestigte Städte eher als ein Anklopfen zu sehen ist. Die Heere kamen vor die Stadt,
versuchten einen Ansturm und zogen, wenn der Ansturm misslang, wieder ab. Dieses
Anklopfen wird bei der Betrachtung des Feldzuges durch die Mark Brandenburg im Jahr
166 Jecht, S. 226.
167 Chronik des Bartosek von Drahonitz in: Goll (Hg.) Fontes Rerum Bohemicarum,
http://www.clavmon.cz/clavis/FRRB/chronica/CRONICA%20BARTOSSII%20DE
%20DRAHONICZ.htm.
168 Jecht, Richard (Hg.): Codex Diplomaticus Luatiae superioris (CDL) Görlitz 1902. Bl. 111a
169 Ebd.
170 Jecht, S. 227.
171 CDL: Bekenntnis des Hans Pilgram vom November 1429. S. 121f.
40
1432 noch einmal von Interesse sein. Plündernd zog das Feldheer weiter über
Ebersbach-Kunnersdorf, Arnsdorf-Döbschitz und Weissenberg172, kam „vor das haws
Barud, das mochten sy nicht gewynnen.“173 Am 7. Oktober 1429 standen die Hussiten
vor Kamenz. Ohne großen Widerstand, da sich die Bewohner von Kamenz der
drohenden Gefahr durch Flucht entzogen hatten174, nahmen die Hussiten die Stadt ein,
zerstörten die umliegenden Orte und brannten das Zisterzienserkloster Marienstern
nieder. Am 12. Oktober 1429 ging diese große herrliche Fahrt weiter nach Bautzen.
Wieder brannten die Vorstädte. Der Ansturm auf die Stadt aus verschiedenen
Richtungen dauerte wohl um die 8 bis 10 Stunden. Die Bautzener konnten, nachdem sie
die Verteidigungen ähnlich wie in Görlitz in den letzten Wochen ausgebaut hatten, den
Angriff zurückschlagen. Auch hier kam es zu keiner Belagerung, stattdessen beließen
die Hussiten es bei ihrer Taktik des kurzen Angriffs. Jedoch konnten sie einen Erfolg
verbuchen, da die Bautzener 300 Schock Groschen für einen Waffenstillstand zahlten,
der bis April 1430 halten sollte.175 Eine besondere Rolle während des Kampfes um
Bautzen spielte Peter Preischwitz, ein Bürger Bautzens, der am 3. Februar wegen Verrats
hingerichtet wurde.176 Er soll sich mit Friedrich von Hakeborn verschworen haben, um
den Hussiten den Einfall in die Stadt zu ermöglichen.177 Da zwischen Oktober 1429 und
Februar 1430 doch einige Zeit liegt, scheint es so, als wären seine Taten erst spät bekannt
geworden. Jecht schließt nicht aus, dass sich Preischwitz' Geständnis auf einen späteren
Verrat bezog.178 Zumindest unterstreicht dieses Vorkommnis, dass die Hussiten die Hilfe
von Verrätern und Spionen in Anspruch nahmen. Bereits am 16. Oktober durchzog das
Feldheer das Meißner Land, verwüstete die Städte Bischofswerda und Königsbruck,
vereinigte sich mit einem weiteren, von Pirna, Stolpen und Dresden aus kommenden
hussitischen Verband und zogen die rechte Elbseite über die Klöster Seusslitz und
172 Jecht, S. 230.
173 Bolkenhain, S. 360.
174 Laut Jecht teilweise bis nach Dresden, siehe Jecht, S. 232.
175 Jecht, S. 234f.
176 Smahel, S. 1486.
177 Jecht, S. 237.
178 Jecht, S. 235.
41
Mühlberg nordwärts .179 Als nächstes fielen sie in die Niederlausitz ein. Dieser Einfall ist
auf Grund mangelhafter Quellen kaum gesichert. Luckau und Lübben konnten sich
halten, Calau und Drebkau kauften sich für 80 und 20 Schock frei.180 Ein Ansturm auf
Cottbus konnte zurückgeschlagen werden. Die Belagerung blieb wie in den anderen
Fällen aus. Am 27. Oktober 1429 eroberten und zerstörten die hussitischen Truppen die
Stadt Guben.181 Auch hier soll wieder ein Verräter beteiligt gewesen sein. Diesmal
handelte es sich um den Zolleinnehmer Spilberg, der den Hussiten die Botschaft
brachte, dass Guben nur wenig Kampfkraft entgegen zu bringen hatte.182 Es lässt sich
jedoch schließen, dass sich die meisten niederlausitzischen Ortschaften auf Anweisung
des Landvogtes Hans von Polenz durch Geldzahlungen dem Niederbrennen entziehen
konnten.183 Von Guben aus sollen sich die Hussiten in zwei Abteilungen geteilt haben.
Die erste Abteilung ging gegen das Zisterzienserkloster Neuzelle vor. Das Kloster wurde
geplündert und niedergebrannt. Nach einigen Angaben soll der Abt Peter umgebracht
worden sein.184 Jedenfalls findet er sich urkundlich das letzte Mal am 27. Juli 1429
erwähnt.185 Weiter soll der Zug nach Krossen und Freistadt gegangen sein, während sich
die zweite Abteilung der Hussiten dem Ort Sommerfeld bemächtigt haben soll.186 Der
Angriff auf Forst wurde zurückgeschlagen, wahrscheinlich handelte es sich auch hier
wieder nur um ein kurzes Anrennen der Tore. Bolkenhain erwähnt auch die Stadt
Spremberg.187 Da dieses etwas abseits von Sommerfeld und Forst liegt, könnte es sich
dabei um einen Aufklärungstrupp der hussitischen Reiterei gehandelt haben, die das
verlassene188 Spremberg ohne große Probleme ausräumen konnten. Bei Sagan sollen
sich die Abteilungen wieder vereinigt haben und über Bunzlau und Lauban abgezogen
179 Ebd. S. 238.
180 Bolkenhain, S. 360.
181 siehe: Lehmann, S. 75.
182 Ebd.
183 Vgl.: Jecht, S. 240.
184 Ebd. S, 241.
185 Ebd.
186 Lehmann, S. 75.
187 Bolkenhain, S. 361.
188 Lehmann, S. 75.
42
sein. Am 4. November 1429 standen die Hussiten noch einmal vor Görlitz. Die von
ihnen in die Stadt geschickten Unterhändler, welche die Kapitulation der Stadt
verlangten, wurden vom Rat gefangen genommen und hingerichtet. 189 Nach nun knapp
sieben Wochen zog das Feldheer wieder Richtung Böhmen ab.
Zurück in Böhmen plante Prokop bereits die nächsten Heerfahrt. Es sollte die größte
der herrlichen Fahrten werden. Am 14. Dezember brachen mehrere Marschkolonnen mit
einer gesamt Stärke von etwa 15.000 bis 20.000 Mann190 von Prag Richtung Meißen und
Sachsen auf. Nach mehreren Tagen des ungebremsten Vormarsches, vorbei an Pirna,
Dresden und Meißen, wandte sich der Tross nach Leipzig. Am 29. fiel Oschatz den
Hussiten zum Opfer. Kurz vor Leipzig wendeten sich die Hussiten dann Richtung
Süden. Das hussitische Heer teilte sich in mehrere Verbände. Den ersten Teil bildete die
taboritische Feldgemeinde unter der Führung Prokops und Kromesins. Die taboritische
Heimatgemeinde, zusammen mit den verbündeten städtischen Aufgeboten, standen
unter Andreas von Rimovice. Den dritten Verband stellte das Feldheer der Waisen unter
dem ehemaligen Hauptmann der Garde Zizkas Jira von Recice. Weiter folgten das
Aufgebot der Prager Altstadt unter Siegmund von Kotencice und die Mitglieder des
Städtebundes der Waisen unter Johann Kralovec.191 Diese fünf Abteilungen zogen nun
von Leipzig aus bis nach Plauen, welches am 25. Januar 1430 erobert wurde. Die Größe
des Heereszuges ermöglichte es den Hussiten, von ihrer bisherigen Taktik bei
Stadtangriffen abzuweichen und die Städte während dieser herrlichen Fahrt ohne
Ausnahme zu erobern. Nach Plauen folgten Hof, Münchberg und in der Nacht vom 29.
auf den 30. Januar Bayreuth und Kulmbach.192 Nun ging es vereint nach Bamberg, wo am
2. Februar ein Brief Prokops eintraf: „Wir fordern euch auf, zunächst zu den
Wahrheiten des Evangeliums zurückzukehren, denn für diese Wahrheiten kämpfen wir
ohne Unterlass. Wenn ihr diese Forderung annehmt, stellen wir sofort alle
Plünderungen ein, und wir werden von euch wahrlich keine Gelder in mutwilliger Weise
189 Smahel, S. 1468.
190 Smahel, S. 1469.
191 Ebd. S. 1472f.
192 Ebd. S. 1474.
43
erzwingen.“193 Die geballte Kraft der Hussiten führte ohne deren Eingreifen in Bamberg
zu einer Panik. Das Patriziat verließ fluchtartig die Stadt, während die Armen sich in
den Häusern der Reichen gütlich taten und plündernd durch die eigene Stadt zogen.194
Nun griff der Hohenzollern Friedrich I. ein und verhandelte mit den Hussiten über
Lösegelder. Das Bistum Bamberg verpflichtete sich zu einer Zahlung von 12.000
Gulden.195 Kurze Zeit später kam es zum Beheimsteiner Vertrag, in dem sich die Stadt
Nürnberg zu einer Zahlung von 12.000 Gulden, der Kurfürst zu 9000 Gulden und
Pfalzgraf Johann zu 8000 Gulden verpflichteten.196 Der zweite Teil des Vertrages sah vor,
dass Prokop mit einer Gesandtschaft von mehreren hundert Mann nach Nürnberg
ziehen durfte, um dort öffentlich über die Prager Artikel zu verhandeln. Mit dieser
Vereinbarung trat ein Waffenstillstand in Kraft, der bis zum 25. Juli 1430 gelten sollte. 197
Die Hussiten zogen sich nach Böhmen zurück, nicht ohne jedoch am 13. Februar vor
Eger aufzutauchen und die Stadt um 900 Gulden zu erleichtern. Am 21. Februar 1430
endete dieser für die Hussiten so erfolgreiche Feldzug mit dem feierlichen Einzug in
Prag. Friedrich I. machte sich daran, die Vereinbarungen zu halten, stieß jedoch auf den
Widerstand von Kaiser und Kirche. Papst Martin V. war noch immer gegen eine
politische Lösung, denn mit „schändlichen und verstockten Ketzern durfte nicht
verhandelt werden.“198 Friedrich I. und die Kurfürsten drängten auf die Eröffnung eines
Konzils, wogegen sich Martin V. weiterhin beharrlich weigerte. Während die
hussitische Delegation in Prag auf einen Geleitbrief des Kurfürsten wartete, musste sich
dieser nicht nur dem Papst, sondern auch Sigismund geschlagen geben. Der Kaiser
wandte sich gegen Friedrich und versuchte selbst eine Verhandlungsbasis in Böhmen
aufzubauen: „Es dünkt uns, dass es für sie wesentlich ehrenvoller wäre, wenn diese
Angelegenheiten durch uns als dem natürlichen Herrn und durch die Böhmen selbst
193 Macek, S. 137.
194 Ebd. S. 137f.
195 Baum, S. 220.
196 Ebd. : Macek (S. 138) spricht von 11.000, 14.000 und 10.000 Gulden, Smahel (S. 1479) von 12.000, 9000
und 7000 Gulden
197 Smahel, S. 1479f.
198 Rieder, S. 190.
44
geregelt würden als durch andere.“199 Friedrich konnte seine Versprechen nicht
einhalten, er lud zwar die Delegation nach Eger ein, kam dort aber selbst nie an. In
dieser Zeit veröffentlichten die Hussiten eine Reihe von Manifesten, unter anderem in
deutscher Sprache, die Verbreitung in ganz Europa fanden.200 Diese Manifeste, in denen
neben den Prager Artikeln auch die Grundsätze des Hussitismus erläutert wurden,
führten zu einer weiteren Diskussion über die Notwendigkeit eines Konzils. Der Druck
auf die Kurie nahm nun auch aus den eigenen Reihen zu.201 Der Waffenstillstand
brachte zwar für die Gebiete westlich von Böhmen erst einmal Ruhe, die Kriegszüge zu
unterlassen widerstrebte den Hussiten jedoch, die durch die Beutezüge ihr eigenes Heer
unterhielten. Ende März 1430 fiel das taboritische Feldheer unter Führung Kromesins
erneut in Schlesien ein. Dort vereinigten sie sich mit den Truppen von Prinz Sigismund
Korybut, der zwar keinen Anspruch mehr auf die böhmische Krone hegte, sich nun
jedoch einen eigenen Machtbereich mit Hilfe der Hussiten aufzubauen erhoffte.202 Dazu
kamen polnische Truppen unter Dobeslav Puchala, einem Vertrauten des polnischen
Kanzlers Johannes Szaffraniec, der mit den Hussiten einen Bund eingegangen war.
Offiziell konnte Wladislaw die Hussiten natürlich nicht unterstützen, da aber Litauen
und der deutsche Orden ein Bündnis eingegangen waren und sich Wladislaw mehr und
mehr von Sigismund entfernte, suchte der polnische König die Nähe der Hussiten. 203 Am
17. April wurde Gleiwitz und kurze Zeit später Beuthen erobert. Puchala eroberte mit
seinen Truppen von Polen aus die schlesischen Ortschaften Kreuzburg und Pitschen.
Kromesins Truppen zogen nun auf Nimptsch zu, das am 23. April 1430 fiel.204 Die
Waisen hatten sich derweil unter Velek von Breznice aufgemacht, um gegen Sigismund
in der Slowakei und Ungarn anzugehen. Nach Gefechten bei Kostel im mährischösterreichischen Grenzgebiet stießen die Waisen am 23. April auf Sigismunds Truppen.
Nach einigen Tagen des Vorrückens und Austarierens kam es im Sumpfgebiet zwischen
199 Aus einem Brief an Ulrich von Rosenberg vom 16. März 1430 in Smahel, S. 1484.
200 Macek, S. 139ff.
201 Rieder, S. 192.
202 Smahel, S. 1488.
203 Baum, S. 221.
204 Rieder, S. 191.
45
Tyrnau und der Waag zum offenen Schlagabtausch. Dem ungarischen Heerführer
Stibor von Stiborze gelang es, in die hussitische Wagenburg einzudringen. Velek fiel
während der Schlacht, bevor sich die Waisen in der Nacht davonstehlen konnten. 205
7.3 Der letzte Kreuzzug gegen die Hussiten
Die nächsten Monate blieben von großen militärischen Aktionen verschont.
Hauptsächlich konzentrierten sich die Kräfte auf Nimptsch und einige kleinere
Überfälle auf Münsterberg am 8. September, Namslau am 28. November und
Ottmachau am 4. Dezember 1430. Im Dezember kam es zu einem kleinen Feldzug der
Waisen in die Oberlausitz. Am 25. Dezember fiel Bernstadt, um Neujahr Reichenbach.
Nach dem 9. Januar zogen sie sich jedoch, wahrscheinlich im Hinblick auf einen nach
Kuttenberg einberufenen Landtag, wieder zurück nach Böhmen.206 Auf diesem Landtag,
der am 11. Februar 1431 stattfand, wurde ein zwölfköpfiger Ausschuss gewählt, der als
eine Art „provisorische Regierung“ agiert haben soll.207 Prokop Holy hatte sich derweil
mit einer Gesandtschaft nach Krakau aufgemacht, um dort mögliche Verhandlungen
mit Wladislaw aufzunehmen. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Polen und
Litauen beeinträchtigten jedoch dieses Unternehmen, so dass die Verhandlungen in
einer Sackgasse zu enden drohten.208 Am 20. Februar 1431 starb Papst Martin V., was die
Chancen einer möglichen hussitischen Beteiligung am Konzil steigen ließ. Über die
Vorschläge Wladislaws, dass sich die Hussiten auf dem Konzil einem Schiedsspruch
unterstellen sollten, meinte Prokop, erst auf einem Landtag mit den Hussiten reden zu
müssen, bevor er irgendwelche Zusagen machen wollte.209
Kromesin bereitete seit dem Landtag im Februar einen erneuten Feldzug in die
Oberlausitz vor. Ab dem 19. Februar berannten die Taboriten erfolglos Bautzen. Am 21.
205 Siehe: Grünhagen, Colmar: Hussitenkämpfe der Schlesier 1420-1435, Breslau 1872, S. 183-190.
206 Jecht, S. 255ff.
207 Smahel, S. 1498.
208 Ebd.
209 Ebd. S, 1500.
46
Februar traf das Heer der Waisen ein, gemeinsam nahmen sie am 27. Februar Löbau ein,
einen wichtigen Verkehrspunkt zwischen den Sechsstädten.210 Es folgte ein vergeblicher
Versuch, Zittau einzunehmen, bevor das hussitische Feldheer am 19. März Lauban
eroberte. Der taboritische Teil des Heeres zog nach Schlesien, um dort Goldberg und
Lüben dem Erdboden gleich zu machen, dann ging es wieder zurück nach Böhmen. 211
Sigismund hatte für Februar 1431 einen Reichstag nach Nürnberg einberufen. Im
Gegensatz zu vielen vorherigen Reichstagen war dieser gut besucht, und selbst
Sigismund erschien pünktlich.212 Kardinal Cesarini, den Papst Martin V. kurz vor seinem
Tod zum Legaten für einen weiteren Hussitenkreuzzug ernannt hatte, trat vehement für
diese Aufgabe ein. Sigismund, der genauso wie Friedrich I. von Brandenburg gegen
einen Kreuzzug war, überließ die Entscheidung den Fürsten und Städten, die am 18.3.
den Beschluss zur Heerfahrt verabschiedeten.213 Das Heer sollte nach dem Plan des
Reichstags in sieben Abteilungen im Juli aufbrechen. Das Oberkommando wurde
wieder dem brandenburgischen Kurfürsten überlassen. Am 9. Mai 1431 brach Sigismund
gemeinsam mit Friedrich I. nach Eger auf, um erneut mit den Hussiten zu verhandeln.214
Prokop nahm diesmal nicht an den Verhandlungen teil. Die hussitische Gesandtschaft
forderte wie schon in Polen freies Gehör vor dem Konzil. Sigismund schlug wie auch
Wladislaw vor, dass sich die Hussiten dem Urteil des Konzils zu unterwerfen hatten. Die
Chancen auf eine Einigung waren größer als noch im März in Polen.215 Als jedoch der
Gesandte des Kardinallegaten Johannes von Ragusa eintraf und ein vehementes
militärisches Vorgehen forderte, scheiterten die Verhandlungen abermals.216 Die
Parteien zogen sich am 28. Mai 1431 zurück und begannen mit den jeweiligen
Vorbereitungen für den kommenden Kreuzzug. Prokop war während der
Verhandlungen in Eger mit Kromesin erneut in die Oberlausitz eingefallen. Grund dafür
210 Jecht, S. 281ff.
211 Smahel, S. 1501.
212 Rieder, S. 192.
213 Baum, S. 227.
214 Smahel, S. 1508ff. Jedoch bezieht sich Smahel hierbei großenteils auf Bezold, Friedrich: König
Sigismund und die Reichskriege gegen die Hussiten, München 1877, Bd. 3, Kap. 5.
215 Baum, S. 230.
216 Ebd.
47
war der Versuch der Görlitzer, Löbau zurückzuerobern. Innerhalb von 13 Tagen legte das
Feldheer eine Strecke von 200 km zurück. Dieser schnelle Vorstoß hinderte die Görlitzer
an ihren Rückeroberungsplänen.217 Damit hatte Prokop eine weitere militärische
Operation erfolgreich abgeschlossen und zog sich zurück.
Am 28. Juni traf das taboritische Feldheer unter Prokop in Pilsen ein, wo es sich mit den
restlichen hussitischen Verbänden vereinte und das Kreuzfahrerheer erwartete.
Friedrichs Kreuzfahrer versammelten sich in Weiden, von wo aus sie am 1. August 1431
mit einer wahrscheinlichen Stärke von 40.000 bis 90.000 Mann218 die böhmische Grenze
Richtung Tachau überschritten. Schon in den ersten Tagen zeigten sich auf Seiten der
Kreuzfahrer die alten Muster. Kardinal Cesarini drängte darauf, Tachau im Sturm zu
nehmen, dem widersetzte sich Herzog Johann von Bayern, der hoffte Tachau nach dem
Sieg gegen die Hussiten als Beute beanspruchen zu können.219 Die Plünderungen durch
die Kreuzfahrer hatten schon in den letzten Jahren erheblichen Schaden angerichtet,
nun überstiegen sie jedoch das bisherige Maß um ein Vielfaches.220 Der
Versorgungsengpass, der sich durch das ausgehungerte Land um Tachau auf die
Kreuzfahrer auszuwirken begann sowie die Uneinigkeit in der Führung führte zum
Abbruch der Belagerung Tachaus und zum Weitermarsch des Heeres. Nachdem das
Heer der Kreuzfahrer Taus erreicht hatte, begannen sie die Stadt zu belagern. Das
hussitische Heer hatte sich weiter ins Landesinnere zurückgezogen und begann am 12.
August mit einem Eilmarsch Richtung Taus. Während die Kreuzfahrer für den Marsch
von Weiden an die Grenze- etwa 55 Kilometer - drei Tage benötigten, legten die
Hussiten eine Entfernung von 85 km in zwei Tagen zurück.221 Eine Meisterleistung, die
dem hussitischen Heer ein Überraschungsmoment brachte. Am 14. August trafen
Katholiken und Hussiten aufeinander. Friedrich I. versuchte die durch Plünderungszüge
um Taus verstreuten Truppenteile zusammenzuziehen.222 Jedoch hatte die plötzliche
217 Jecht, S. 297-302.
218 Durdik, S. 237.
219 Ebd. S. 238.
220 Macek, S. 144.
221 Durdik, S. 239.
222 Ebd. S. 240.
48
Verlagerung einiger Truppenteil im Zusammenhang mit den herannahenden Hussiten
nur das Ergebnis, dass wieder Chaos und Panik in den Reihen der Kreuzfahrer überhand
nahmen. Noch bevor es zu einer Schlacht kommen konnte, verließen die
Kreuzzugstruppen wieder einmal fluchtartig das Gelände. Eine Wagenburg der
katholischen Truppen versuchte den Rückzug zu sichern, konnte allerdings von
hussitischen Abteilungen eingenommen werden. Bis tief in die Nacht hinein verfolgten
die Hussiten die flüchtenden Truppen und nahmen dabei „Mengen von Waffen,
Büchsen und Pulver, Geld, Fässer voll Gold und Silber, kostbare Gewänder und andere
Güter“223 als Beute. Die größte Schmach an diesem Tag erlitt jedoch Kardinal Cesarini.
Nachdem er noch am Morgen versucht hatte die Massen gegen die Hussiten
aufzubringen, flüchtete er in Verkleidung vom Schlachtfeld, um nicht von den eigenen
Leuten aufgegriffen zu werden.224 Die päpstliche Fahne, die Kreuzzugsbulle und
Cesarinis Kardinalsmantel fielen in hussitische Hände. Cesarini, heil aus diesem
Feldzug herausgekommen, änderte danach seine Ansichten und trat für eine friedliche
Lösung mit den Hussiten ein. Im Januar 1432 drängte er auf einen Kompromiss beim
Konzil, bevor sich die hussitische Revolution auf Deutschland ausweitete. 225 Der
Kreuzzug, der in Taus ein so klägliches Ende gefunden hatte, blieb der letzte große
Versuch, mit einem Feldzug gegen die Hussiten anzugehen. Nach Friedrich I. von
Brandenburg, Sigismund und zuletzt Kardinal Cesarini war den katholischen Parteien
bewusst geworden, dass man auf dem Konzil, welches am 23.7.1431 in Basel eröffnet
wurde, eine Einigung mit den Hussiten würde finden müssen.
8. Der Feldzug gegen Brandenburg im Frühjahr 1432
8.1 Von Taus nach Eger
Kaum in Prag angekommen, zog das taboritische Heer wieder in den Kampf. In der
Oberlausitz hatte der Sechsstädtebund einen erneuten Versuch begonnen, Löbau
223 Prälat Andreas von Regensburg über die Niederlage bei Taus, zit. nach Durdik, S. 240f.
224 Baum, S. 230.
225 Macek, S. 145.
49
zurückzuerobern. Die Belagerung begann am 17. Juli 1431 und dauerte bis zum 12.
August 1431 an. Die hussitische Besatzung konnte ausbrechen und entkommen, damit
war die Stadt wieder in den Händen der Lausitzer.226 In Schlesien drohte Nimptsch
ebenfalls verloren zu gehen. Prokop zog der Stadt entgegen, die Belagerung wurde aber
am 8. September beendet.227 Nach zweiwöchigem Zug durch Schlesien konnten sie den
Troppauer Herzog Premek zu einem Waffenstillstand zwingen, der vom Herzog
verlangte, die Prager Artikel anzunehmen oder 4000 Schock Groschen zu zahlen. 228 In
der Führung der Feldheere hatte sich in dieser Zeit eine Veränderung vollzogen.
Kromesin war tot, sein Nachfolger bei den Taboriten wurde Otik von Loza. Das
Waisenheer, welches im September 1431 in Mähren einen Feldzug Albrechts von
Österreich zurückgeschlagen hatte, wurde von Jan Capek ze San geführt. Im Oktober
mussten die Hussiten sich in Österreich geschlagen geben. Nikolaus Sokol von Lamberg
fiel mit einem hussitischen Aufgebot in Niederösterreich ein. „Nachdem sie viele Fässer
Wein und anderes requiriert hatten und sich schon auf dem Rückweg befanden, griffen
die Kriegsvölker des Herzogs von Österreich […] unter dem Kommando des Herren
Krayg […] die Wiclefiten in der Nähe der Stadt Waidhofen an.“229 Krayg konnte die
hussitische Wagenburg am 14. Oktober 1431 erfolgreich angreifen, die Verluste der
Hussiten sollen an diesem Tag ein Fünftel betragen haben.230 Ohne Kenntnis der
Niederlage Sokols durchzogen taboritische Truppen und Verbände der Waisen die
slowakischen Gebiete. Nach den Einnahmen der Burg Likava in der Nacht vom 27. auf
den 28. September und der bischöflichen Stadt Neutra Mitte Oktober 1431 231 kam es
zwischen Prokop und Capek ze San zum Disput. Prokop bestand auf dem
unverzüglichen Abzug während Capek ze San den Feldzug weiterführen wollte. Die
Taboriten zogen dennoch über Neustadt an der Waag nach Ungarisch Brod ab.
Sigismunds Truppen hatten sich bereits auf die Verfolgung der Hussiten gemacht. Um
226 Jecht, S. 300ff.
227 Grünhagen, S. 216.
228 Smahel, S. 1524.
229 Aus einer tschechischen Chronik, zit. nach: Rieder, S. 194.
230 Smahel, S. 1527.
231 Ebd. S. 1528.
50
deren Rückzug zu sichern, ließ Prokop eine Brücke über die Waag abreißen.232 Das Heer
der Waisen wurde immer stärker von den Truppen Sigismunds bedrängt. Da die Brücke
nicht mehr vorhanden war, mussten die Waisen einen Umweg über Illau antreten, der
das schon abgekämpfte Heer noch mehr ermüdete. Um den 19. November 1431 kam es
zu einem Gefecht, bei dem die gesamte Reiterei der Waisen aufgerieben wurde. Am 20
Dezember erreichte der Rest des Heeres endlich Prag.233
Auf politischer Ebene sollte es für die Hussiten besser laufen. Die Niederlage des
Kreuzheeres lag schwer auf der katholischen Partei. Auf dem Basler Konzil verfestigte
sich die Bereitschaft, den Hussiten die Anhörung vor dem Konzil zu gewähren. Am 15.
Oktober sandte das Konzil drei Einladungsschreiben zu den Hussiten. In ihnen war von
einer „seit jeher gehegten Liebe der Väter des Konzils zu Böhmen und dem
tschechischen Volke“234 die Rede. Die Hauptziele des Konzils wurden am 14. Dezember
1431 verkündet: Die Ausrottung der Häresie, die Herbeiführung eines allgemeinen
Friedens und eine grundlegende Kirchenreform.235 Eugen IV. jedoch nutzte die Haltung
des Konzils dazu aus, am 12. November und erneut am 18. Dezember eine
Auflösungsbulle für das Konzil zu erlassen. Der Konflikt zwischen Papst und Konzil
spitzte sich zu. Als die zweite Auflösungsbulle Mitte Januar 1432 in Basel verkündet
wurde , gab es kein Halten mehr. Am 15. Februar 1432 wurden die Dekrete des
Konstanzer Konzils Haec santa- wonach das Konzil über dem Papst steht- und Frequens
über die Abhaltung der Konzilien feierlich erneuert.236
Die Einladung den Konzils wurde in Prag Mitte November mit Erleichterung und
Freude aufgenommen. Die Hoffnung auf eine friedliche Lösung wuchs. Allerdings
führte das Schreiben auch zum Konflikt mit Prokops Taboriten. Nachdem die Waisen
von ihrem missglückten Feldzug zurückgekehrt waren, verschärfte sich die antitaboritische Haltung auf Seiten der Neustadt, die durch die Kritik der Waisen, Prokop
232 Ebd. Nach andere Angaben sei die Brücke allein eingestürzt.
233 Ebd. S. 1529.
234 Zit. nach Rieder, S. 218.
235 Baum, S. 238.
236 Ebd.
51
habe die alleinige Schuld am Ausgang des Feldzuges, noch gefüttert wurde. 237 Die
Bündnisse innerhalb Prags wechselten. Die Altstädter, bisher auf taboritischer Seite,
wechselten auf die Seite der Waisen und der bis dahin so verhassten Neustädter. Im
Januar trat der Landtag in Prag ohne die Anwesenheit Prokops und der Taboriten
zusammen. Die Stellung der Radikalen wurde mehr und mehr geschwächt. Der sich in
den Feldheeren ausbreitenden Disziplinlosigkeit der letzten Jahre sollte durch neue
Beschlüsse Einhalt geboten werden. Prokop stand kurz vor der Isolierung und musste
handeln. Er schloss einen Waffenstillstand mit dem katholischen Hauptmann Ulrich
von Rosenberg, zog das gesamte taboritische Heer bei Beneschau zusammen und zog,
gestärkt durch seine Truppen, in Prag ein.238 Am 10. Februar trat der gesamte
hussitische Landtag zusammen. Prokop bekundete die Bereitschaft der Taboriten, die
Einladung zum Basler Konzil anzunehmen, sofern man sich über die Bedingungen für
die Konzilsreise einigen könne. Die Einigung sah vor, dass man sich in Eger mit einer
Gesandtschaft des Konzils traf, um konkrete Vorkehrungen für die Anhörung auf dem
Konzil zu verhandeln. Dem Basler Konzil wurde dieser Beschluss am 27. Februar 1432
überbracht.239 Das Treffen in Eger wurde auf den 27. April 1432 angesetzt.
8.2 Der Einfall in die Lausitz und die Mark Brandenburg im März und April 1432
Der innerhussitische Konflikt war den Augen des Konzils nicht verborgen geblieben.
Eifrig hatte man Nachrichten über den Streit zwischen Taboriten und Waisen
zusammengetragen. So schrieb der Konzilsbeauftragte Johannes Nider von einem
Gerücht, nach dem die Prager auf Bitten Prokops, ihm einen Arzt zu schicken,
antworteten, dass sie ihm lieber den Henker nach Kuttenberg schicken würden.240
Dieser Konflikt, so hoffte das Konzil, würde die hussitischen Parteien gegeneinander
ausspielbar machen.241 Prokop begann mit den Vorbereitungen für einen weiteren
237 Smahel, S. 1531.
238 Ebd. S. 1534f.
239 Ebd. S. 1536f.
240 Ebd. S. 1531.
241 Flocken, S. 148f.
52
Feldzug. Dieser Feldzug, der die Heere von Taboriten und Waisen vereinte, sollte über
die Lausitz nach Brandenburg gehen. Über die Gründe, warum die Hussiten nach
Brandenburg gingen, gab es bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts eine lebhafte
Diskussion.242 Die erste Theorie besagt, dass es sich bei dem Feldzug um einen Beutezug
handelte. Diese Theorie basiert auf der Aussage eines Gefangenen in Görlitz. Dieser gab
an, dass die Hussiten „eine Reise in die Mark nach Speise tun […] wollten.“243 Wie bereits
dargestellt, war die Mark kein wohlhabendes Land. Die „Speise“ demnach dürftig.
Böhmen war durch die langen Jahre des Krieges verwüstet und die umgebenden Länder
inzwischen zur Genüge ausgeraubt, Brandenburg dagegen von bisherigen Einfällen
verschont geblieben. Als alleinigen Grund für einen Zug kann man „Speise“ jedoch
ausschließen. Nachdem die Feldzüge in die Slowakei und nach Österreich Ende 1431
schief liefen, schienen die hussitischen Führer davon abzusehen, dort noch einmal
einzufallen. Die Oberlausitz blieb beim kommenden Einfall nicht verschont. Man hätte
demnach, wie beim großen Feldzug von 1429, weiter nach Westen ins Meißner Land
oder bis nach Thüringen gehen können. Hier hätte sich sicherlich mehr Beute machen
lassen als in Brandenburg. Die zweite Theorie besagt, dass die Hussiten aus Rache an
Friedrich I. wegen seines Amtes als Oberbefehlshaber bei den letzten Kreuzzügen in
Brandenburg einmarschierten. Da Prokop jedoch spätestens seit dem Zug 1429 wusste,
dass Friedrich I. ein guter Verhandlungspartner war, der zudem als einer der Ersten für
eine friedliche Lösung eintrat, wäre es politisch unverständlich, die kommenden
Verhandlungen, bei denen Friedrich I. ein wichtige Rolle übernahm, durch
Rachegelüste zu erschweren. Viel wahrscheinlich ist dagegen die Überlegung, dass
Prokop auf das Konzil und vor allem die Verhandlungen Druck ausüben wollte, indem
er einen erfolgreichen Kriegszug durchführte.244 Brandenburg schien
erfolgversprechend zu sein. Friedrich I. hatte die Mark seit Jahren nicht mehr betreten,
242 Sello, G.: Die Einfälle der Hussiten in die Mark Brandenburg und ihre Darstellung in der märkischen
Geschichtsschreibung in: Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde 19, ohne Angabe
des Ortes 1882, S. 614 – 666. Goerlitzer, Max: Der husitische Einfall in die Mark im Jahre 1432 und die
„Husitenschlacht“ bei Bernau in 2 Teilen, Berlin 1891. Jecht, S. 322 – 341.
243 Jecht, S. 322.
244 Goerlitzer, 1 S. 5.
53
die Amtsgeschäfte seinem Sohn Johann übergeben. Johann war als Markgraf vor allem
mit den Städten beschäftigt. Allein 1429 kam es zweimal zum offenen Konflikt, im
Stendaler Aufstand und den Unruhen in Salzwedel.245 Noch im selben Jahr verlor er ein
Kräftemessen mit Frankfurt/Oder.246 Der Konflikt mit den Städten führte 1431 zu einem
Bündnis zwischen Berlin, Cölln, Brandenburg an der Havel und Frankfurt/Oder. 247
Johann war durch diese Konflikte geschwächt, ein ideales Angriffsziel.248 Eine weitere
Überlegung für den Feldzug war sicherlich darin begründet, dass man dem Konzil
demonstrieren wollte, dass die innerlichen Konflikte überwunden werden konnten. Die
Hoffnung auf eine selbstzerstörerische Spaltung der Hussiten also unbegründet war. 249
Eine letzte Theorie, warum gerade Brandenburg als Ziel auserkoren wurde, ist die
mögliche Rache am Bischof von Lebus, der 1431 am Kreuzzug teilgenommen hatte.
Die Rachetheorien scheinen jedoch zu sehr der romantischen Vorstellung des 19.
Jahrhunderts entsprungen zu sein. Hätten sich die Hussiten an allen rächen wollen, die
im Laufe der 16 Jahre Krieg gegen sie ins Feld gezogen waren , wären die
Kampfhandlungen wahrscheinlich weitere 16 Jahre weitergeführt worden. Fasst man
jedoch diese vielen Theorien zusammen, ergibt sich ein mögliches Ganzes, was zum
Kriegszug nach Brandenburg geführt haben könnte. Prokop wird als politischer Denker,
der er war,250 mit Sicherheit daran gedacht haben, Druck auf die Verhandlungen in Eger
auszuführen und dem katholischen Europa eine hussitische Geeintheit zu
demonstrieren. Da Friedrich I. in Eger als Verhandlungspartner auftrat, mochte der Zug
auch die Nachgiebigkeit des Kurfürsten fördern wollen. Letztlich wird die Tatsache,
dass Brandenburg bisher verschont geblieben war und demnach doch einiges zu holen
war sowie die Schwierigkeiten des Markgrafen mit den eigenen Städten den letzten
245 Böcker, Heidelore: Die Festigung der Landesherrschaft durch die hohenzollerschen Kurfürsten und
der Ausbau der Mark zum fürstlichen Territorialstaat während des 15. Jahrhunderts, in: Materna (Hg.):
Brandenburgische Geschichte, S. 181.
246 Ebd.
247 Ebd. S. 182. Am 28. Juni 1432 verkündeten die Stadträte von Berlin und Cölln den Beschluss zur
Union.
248 Flocken, S. 154.
249 Goerlitzer, 1 S. 5.
250 Smahel, S. 1537.
54
Zweifler unter den Hussiten davon überzeugt haben, in die Mark einzufallen. Mitte
März brachen vier hussitische Abteilungen mit einer Gesamtstärke von 7000 bis 8000
Mann251 , in eine westliche und eine östliche Gruppe geteilt, von Böhmen aus auf. Die
westliche Gruppe mit einer Stärke von etwa 5000 Mann überfiel am 17. März 1432 die
Stadt Friedland und zog von dort aus über Lauban und Bunzlau ins Glogauer Land. Die
östliche Gruppe war zu gleichen Zeit von Königgrätz und Jaromir aufgebrochen und
teilte sich in Ihre Abteilungen. Während die eine Abteilung durch das Glogauer Land
auf Guben zuging, schwenkte die zweite Abteilung Richtung Lauban. Heinrich von
Glogau zog seine Truppen zusammen und wollte von Parschwitz aus Richtung
Löwenberg ziehen, um dort die Hussiten aufzuhalten.252 Die westliche Gruppe hatte sich
am 25. März bei Freystadt getrennt.253 Der eine Teil ging auf Guben zu, der andere
schwenkte unerwartet zurück Richtung Löwenberg und Lauben, wo er sich mit der
vierten Abteilung, der Reiterei der Schlesischen Besatzung unter Friedrich von
Straßnitz, vereinte.254 Die Führerschaft Friedrichs von Straßnitz scheint auf Grund eines
Briefes, den dieser an Anna von Biberstein schrieb, gesichert.255 Jan Capek ze Sans'
Teilnahme am Feldzug scheint ebenfalls höchstwahrscheinlich. 256 Nur bei Prokop ist
sich die Forschung nicht einig. Für Sello steht außer Frage, dass Prokop teilnahm 257,
Goerlitzer schließt dies wiederum völlig aus258, Jecht lässt diese Frage vollends offen und
für Smahel scheint Prokops Teilnahme wiederum unumgänglich.259 Am 8. Mai traf
Prokop mit der Begründung, er habe auf den Geleitbrief warten müssen, verspätet in
Eger ein, noch um den 3. Mai standen die Hussiten jedoch in der Niederlausitz.260
Innerhalb von 5 Tagen von der Niederlausitz nach Prag und von dort aus nach Eger zu
251 Goerlitzer, S. 6.
252 Vgl.: Brief es Herzogs Heinrich von Glogau an die Sechsstädte vom 19. März 1432 in: Palacky, S. 278.
253 Jecht, S. 327.
254 Smahel, S. 1538.
255 Goerlitzer, 1 S. 8. Der Brief findet sich in: CDL, S. 383 f.
256 Ebd. S. 9.
257 Sello, S. 639.
258 Goerlitzer, 1 S. 7.
259 Smahel, S. 1538.
260 Jecht, S. 340.
55
reiten, war selbst bei der hohen Geschwindigkeit des hussitischen Heeres kaum zu
bewerkstelligen. Jedoch spricht die Eile des durchgeführten Feldzuges wieder dafür,
dass man den Termin in Eger einhalten wollte. Es ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, dass Prokop am Feldzug durch die Mark teilnahm, sich jedoch noch vor
dem 27. April vom Heer trennte, um nach Eger zu gelangen. Dafür spricht auch der
Brief Friedrichs von Straßnitz, der um diese Zeit geschrieben wurde, nämlich als Hans
von Polenz im hussitischen Lager verweilte.261 Die Rückwärtsbewegung von Freystadt
nach Löwenberg sollte die Rückzugslinien sichern262, indem die Abteilung drohend nah
an Görlitz herankam, um es „einzuschüchtern“.263 In einer eilig ausgeführten Operation
brannten die Hussiten die Vorstädte nieder und zogen wieder Richtung Guben. Der
vermeintlich chaotische Zug der vier Abteilungen hatte seine verwirrende Wirkung
nicht verfehlt. Der Herzog von Glogau konnte aufgrund der Schnelligkeit der Hussiten
seinen Plan nicht durchsetzen. Die Rückzugwege waren gesichert. Alle 4 Abteilungen
sollten sich am 6. April 1432 in Guben vereinen.264 Der Landvogt Hans von Polenz
versuchte seine Truppen zusammenzuziehen und gegen die Hussiten vorzugehen,
wurde aber, wie zuvor der Herzog von Glogau, durch die Schnelligkeit der hussitischen
Streitmacht an seinen Plänen gehindert. Stattdessen handelte er um den 10. April einen
Waffenstillstand für die Niederlausitz aus.265 Guben hatte sich kampflos ergeben und
die Tore der Stadt für die Hussiten geöffnet. Ein erster Vorstoß in die Mark Brandenburg
erfolgte um den 6. und 7. April. Am 7. April266 überfiel die hussitische Abteilung die
Gegend um Seelow, welches sich immerhin 70 km nördlich von Guben befindet,
rückten von dort aus wieder südlich auf Frankfurt/Oder zu und bezogen ihr Nachtlager
in Müllrose. Ein Aufgebot der Frankfurter griff nun, etwa um den 10. April267, die
Hussiten in Müllrose an. Der Vogt der Neumark beschrieb dieses Ereignis in einem Brief
an den Hochmeister vom 12. April: „Und weren am montage [7. April] negest
261 Ebd. S. 339.
262 Laut Smahel, S. 1538, hatten die Hussiten damit ein Ergebnis wie im Winter zuvor verhindern wollen.
263 Jecht, S. 328.
264 Ebd. S. 332.
265 Jecht, S. 334.
266 Ebd. S. 335.
267 Jecht, S. 335.
56
vorgegangen herab gerugket wol halbwege ken Franckenfort zu Selow, das sie pochten
dem hern bischophe von Lubus und sunte Johannis orden gepocht eynen guten hoff
und eyne stat genant Milraze. Do wurden die von Frankfort und ander erbar lute gereit
und obirvilen die ketczer im ste[t]chen by nachte und haben do ere reisige zug und
beste have dirniddergeleet, also das der ketczer bie drenhundert sint geblebin, die tod
sint geslagen und vorbrant, sunder die von Frankfort mit eren helferen die zit nicht wen
eynen man haben verloren.“268 Ein Brief der Stadt Frankfurt/Oder an Görlitz vom 17.
April wiederholt die Aussage des Vogtes: „Thun wir euch wissin, das wir mit der Hülffe
Gotis der Ketzir na by 400. tot geslagin und vorbrant haben zur Melrosen im
Stetchin.“269 Der erste Brief weist auf den Bischof von Lebus hin, hiermit sei das Motiv
der Rache auf eine kurze Plünderung der bischöflichen Länder beschränkt, der gesamte
Feldzug scheint damit aber nicht wegen des Bischofs geführt worden zu sein. Die Zahl
der getöteten Hussiten von 300-400 Mann weist darauf hin, dass es sich um ein relativ
kleines Kontingent handelte. Das Hauptheer lag zu diesem Zeitpunkt noch in Guben
und handelte mit Hans von Polenz den Waffenstillstand aus. Die
Marschgeschwindigkeit der hussitischen Abteilung, nämlich 120 km in 4 Tagen
inklusive Plünderung des Seelower und Lebuser Gebiets, lag sehr hoch. Dies und die
bereits beschriebene Nutzung der Reiterei als Vorhut lässt nur den Schluss zu, dass es
sich bei diesem ersten kurzen Einfall um eine Aufklärungsoperation der hussitischen
Reiterei handelte. Den Aufklärungscharakter beweist zudem der Verlauf des nun
folgenden Zuges des Gesamtheeres, bei dem Lebus angegriffen wurde. Um den 11. April
herum zog das Hauptheer von Guben nordwärts und erreichte am 13. April Frankfurt.
„Sie woren am Palmtag vor vnser Stad, vnd schickten sich zu storme, vnd das bequome
in nicht.“270 Nach dem zurückgeschlagenen Ansturm zogen die Hussiten weiter. Hier
wiederholt sich die bereits des öfteren aufgezeigte Gepflogenheit des Anklopfens. Es
268 Zit. nach: Jecht, S. 335f Anmerkung 2.
269 CDL, S. 297.
270 Ebd. Siehe auch einen weiteren Brief des Vogtes der Neumark vom 14. April 1432: „und liggen mit erer
wagenburg dovor (Frankfurt) und stormen und haben iczund die vorstete und die dorphere do umb
lang gepocht und vorbrant.“ Jecht, S. 336, Anmerkung.
57
folgte Lebus „das haben sy zubrochin gantz weg.“271 In diesem Zusammenhang lässt sich
eine weitere taktische Leistung der Hussiten erkennen. Während ihr Zug auf Frankfurt
dafür sorgte, dass die Verteidigung der Stadt mit Truppen verstärkt wurde, entstand in
den umliegenden Städten, wie in diesem Falle Lebus, ein Kräftevakuum. Das schnelle
Umschwenken von Frankfurt auf Lebus sorgte für eine hussitische Übermacht und die
damit erfolgreiche Einnahme der Stadt. Am 17. April272 überrannten die Hussiten
Müncheberg. Es folgten auf ihrem Zug Buckow und Strausberg.273 Der nördlichste Punkt
der hussitischen Expedition scheint Gersdorf, 8 km südlich von Eberswalde, gewesen zu
sein.274 Was diesen Umweg im Hinblick auf das Erreichen der Stadt Bernau verursacht
hat, lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren. Wahrscheinlich sollte der Feldzug
ursprünglich nach Eberswalde und weiter zum Zisterzienserkloster Chorin gehen. Die
Klöster dieses Ordens waren zuvor ja schon öfter Ziele hussitischer Plünderung
gewesen. Der Zeitdruck könnte dem ursprünglichen Plan jedoch ein Ende gesetzt
haben, so dass die Hussiten wieder nach Süden schwenken mussten. Am 23. April stand
das Feldheer vor Bernau. Die alte Legende von einer offenen Feldschlacht vor der Stadt
konnte bereits Ende des 19. Jahrhundert durch Sello und Goerlitzer widerlegt werden.
Die „Schlacht um Bernau“ lief letztlich wie die vorherigen Stadterstürmungen.
Nachdem die Vorstädte niedergebrannt wurden, namentlich sei hier das St.
Georgshospital275erwähnt, begannen mehrere Erstürmungsversuche, die
zurückgeschlagen werden konnten.276 Am selben Tag noch sollen die Hussiten
abgezogen sein.277 Markgraf Johann plante derweil einen Gegenschlag. In einem Brief an
die Görlitzer Truppen vom 19. April 1432 erklärte er: „so sein wir mit unsern mannen
und steten eintrechtiglich zu rath worden etc., das wir mit etlicher unser trefflicher
herren und fründen hilffe und beistande streites mit den obgenanten ketzern pflegen
271 Ebd.
272 Jecht, S. 336. Goerlitzer, 2 S. 8. Dies geht aus dem bereits zitierten Brief der Stadt Frankfurt vom 17.
April hervor: „vnd legin itzund Hueten zu Münchberg 5. milen von vns.“ CDL, S. 278.
273 Goerlitzer, 2 S. 9.
274 CDB I Bd. 24 S. 422f.
275 Sello, S. 652.
276 Ebd.
277 Goerlitzer, 2 S. 12.
58
wullen. Und haben desselben streites under sammunge etc. den sunabend vor dem
sontage misericordia domini [3. Mai].“278 Am 28. April 1432 teilte der Kurfürst von
Sachsen in einem Schreiben an das Konzil mit, dass er beabsichtige Hilfstruppen nach
Brandenburg zu schicken. Auf Grunde der hohen Geschwindigkeit des hussitischen
Zuges verlief aber jeder Gegenplan im Sande. Von Bernau aus verließen die Hussiten die
Mark Brandenburg, wobei sie wahrscheinlich noch Altlandsberg und Fürstenwalde um
jeweils 300 Gulden erleichterten279. Durch die Niederlausitz zogen sie sich dann über die
Oberlausitz nach Böhmen zurück. Während Prokop nach Böhmen zurückkehrte, wurde
die Gesandtschaft des Konzils in Eger wie bereits erwähnt mit dem angeblich fehlenden
Geleitbrief hingehalten. Der Sieg bei Bernau sollte in den nächsten Jahrhunderten zu
einer Legende werden, die für die brandenburgische und besonders die Bernauer
Identität von Bedeutung war. Aus der kurzen Berennung Bernaus wurde im Verlauf der
Zeit eine offene Feldschlacht, bei der die Bernauer in Unterzahl das hussitische Heer
vernichtend schlugen. So schrieb der Berliner Historiker Brecht im 19. Jahrhundert:
„Zuerst und allein sind die furchtbaren, bis dahin noch nie besiegten Kriegsschaaren der
böhmischen Glaubensstreiter von den mannhaften Bewohnern der Mark in offener
Schlacht wie in kraftvoll zurückgewiesenen Belagerungen überwältigt worden. […] Mit
Stolz konnten die Bernauer auf ihre That zurückblicken, da durch dieselbe die andern
Städte der Marken von der Vernichtung verschont blieben.“280 Bis heute hält sich der
Spruch: Bernauer Brei macht die Mark hussitenfrei. Der Spruch spielt auf die Legende
an, dass die Belagerer durch heißen Brei von den Mauern gedrängt wurden, was auf
Grund fehlender Quellenzeugnisse eine Legende bleiben muss. Nur ein paar Jahre nach
dem erfolgreichen Zurückschlagen der Feldgemeinde begannen die Bernauer Bürger
den Tag des Sieges zu feiern. In einer Urkunde des Bischofs Stephan von Brandenburg
aus dem Jahr 1441 beschreibt dieser „... dass im Jahre des Herrn 1432 am Tage des
heiligen Georg, ihre (die Ratsherren von Bernau) Stadt durch die Hussiten aus Böhmen
belagert und bedrängt war, und dass die Einwohner die Einnahme und Zerstörung der
Stadt als augenscheinlich bevorstehend stark befürchteten. [...] Und dass die Einwohner
278 CDL: S. 382f.
279 Sello, S. 637 Anmerkung 2.
280 Zit. nach: Sello, S. 615.
59
derselben von der Gefahr dieser Zerstörung der Stadt durch die Hussiten befreiet
wurden, einstimmig versprochen und gelobet haben, den Tag des heiligen Georg […] so
hoch wie das Osterfest zu feiern.“281 Bis heute wird in Bernau der Ausgang der Schlacht
gefeiert. Anfänglich nur mit einer Prozession und einem Gottesdienst begangen, hat
sich das Fest zu einem dreitägigen Stadtfest mit Umzug, Mittelalterspektakel,
Rummelplatz und diversen Festspielaufführungen verändert.
9. Das Ende der Hussitenkriege Basel, Lipany, Iglau
Prokops Plan schien aufgegangen zu sein. Am 18. Mai wurde in Eger ein Vertrag
geschlossen, der den Hussiten „das volle und freie Recht des öffentlichen Gehörs vor
versammelten Konzils […] so oft, als sie es während ihres Aufenthaltes in Basel
wünschen“282 zugestand. Das freie Geleit galt ausdrücklich für die An- und Abreise, man
wollte eine Situation wie 1415 verhindern. Den Hussiten wurde weiterhin zugestanden,
ihre Gottesdienste in ihren Unterkünften abzuhalten. Eine Kommission sollte den
Hussiten ermöglichen an den Verhandlungen des gesamtkirchlichen Gremiums
teilzunehmen.283 Der Egerer Richter, wie die Hussiten den Vertrag nannten, war
wahrscheinlich der größte Erfolg, den die Hussiten gegenüber der Kirche erringen
konnten.284 Ein zweiter großer Erfolg des Jahre 1432 war der im Sommer geschlossener
Bündnisvertrag mit Polen. Jan Capek ze San und Otik von Loza waren mit Wladislaw
zusammengetroffen und hatten die bereits bestehenden Beziehungen ausgebaut. Mit
diesem Bündnis wollte sich der polnische Könige vor allem die Hilfe der Hussiten gegen
den Deutschen Orden sichern. Der erfolgreiche Feldzug an die Ostsee sollte ihm im
Folgejahr recht geben. Auf dem Kuttenberger Landtag im September 1432 wurden die
Bedingungen des Bündnisvertrages sowie ein auf zwei Jahre festgesetztes
Waffenstillstandsabkommen mit Sigismund von Thüringen und Friedrich II. von
281 Zit. nach: Das Bernauer Hussitenfest – Sammlung von Urkunden über Hussitenfeiern (1441 – 1911).
Bernau, ohne Angabe von Autor und Jahr, S. 3. Dort angeheftet ist ein Foto der original Urkunde.
282 Macek, S. 146.
283 Der Vertrag von Eger bei: Palacky, S. 281 – 283.
284 Macek, S. 146.
60
Sachsen angenommen. Ein weiterer Waffenstillstand mit Schlesien sorgte dafür, dass
zum Jahresende nur noch mit dem Sechsstädtebund und Albrecht von Österreich
offiziell Krieg bestand.285 Am 6. Dezember 1432 traf die hussitische Delegation in Taus
zusammen, um den Weg nach Basel anzutreten. Am 4. Januar 1433 trafen sie in Basel
ein. Dieses Ereignis beschrieb Enea Silvio Piccolomini später so: „Die Bevölkerung der
Stadt strömte vor die Wälle, auch ungemein viele Teilnehmer am Konzil erwarteten vor
den Toren die Ankunft der Vertreter des tapfersten und berühmtesten Volkes. […] sie
bewunderten die fremden Sitten und die vordem nie gesehene Tracht […] am meisten
aber blieben ihre Blicke auf einem haften, auf Prokop; […] den seine Landleute ebenso
fürchteten wie seine Feinde – als unbesiegbaren, tapferen, unerschrockenen […]
Anführer.“286 Die Verhandlungen dauerten bis Mitte April 1433, jedoch ohne Ergebnis.
Man einigte sich darauf, die Verhandlungen in Prag weiterzuführen.287 Ende April 1433
begann der Feldzug gegen den Deutschen Orden. In zwei Abteilungen durchzogen die
Hussiten das Land auf dem Weg an die Ostsee. Um den 7. Juni erreichten sie die
Neumark, wo sie Friedeberg eroberten. Am 6. Juli begann die erfolglose Belagerung der
Festung Konitz, von dort aus ging es Mitte August 1433 nach Dirschau, was am 29.
August fiel. Am 4. September stand das hussitische Heer an der Ostsee, am 13.
September schlossen die Hussiten und der Deutsche Orden einen Waffenstillstand. 288
Damit endete die letzte herrliche Fahrt mit einem weiteren Erfolg für die radikalen
Bruderschaften. Auf den Verhandlungen in Prag versuchten die Gesandten des Konzils
zu gleicher Zeit den Zwiespalt zwischen Utraquisten und Radikalen für sich zu nutzen.
Man verhandelte gesondert mit dem Vertreter der Utraquisten Jan Rokycana und stellte
ihm das Amt des Prager Erzbischofs in Aussicht.289 Die Radikalen unter Prokop
beharrten weiterhin auf den Prager Artikeln, was im Juli 1433 zur Abreise der
Konzilsgesandten ohne Ergebnis führte.290 Das Feldheer begann Anfang Juli mit der
285 Smahel, S. 1556.
286 Zit. nach: Macek, S. 147f.
287 Macek, S. 148f.
288 Ausführlich dazu: Smahel, S. 1579 – 1582.
289 Baum, S. 252.
290 Macek, S. 158.
61
Belagerung der Stadt Pilsen. Dort hatte sich die innerböhmische katholische Partei ein
Zentrum aufgebaut. Während der fast einjährigen Belagerung kam es unter den
Hussiten immer wieder zu Übergriffen auf die eigenen Leute. So wurde Prokop im
September bei Handgreiflichkeiten von Seiten der eigenen Kämpfer verletzt.291 Die
Disziplin, von jeher eine Hauptwaffe der Hussiten, zerfiel immer mehr. Am 22. Oktober
1433 traf erneut eine Gesandtschaft des Konzils in Prag ein. Mit Erfolg schaffte es diese
Gesandtschaft diesmal, Adelige und reiche Bürger auf ihre Seite zu ziehen, die nun
offen gegen die radikalen Bruderschaften auftraten.292 Im November kam es auf einem
erneuten Prager Landtag zum ersten Umsturz. Die bisherigen zwölf Regenten der
böhmische-hussitischen Regierung wurden durch den Adeligen Ales von Riesenburg
ersetzt.293 Am 30. November wurden die Prager Kompaktaten vereinbart. Die Punkte
lauteten wie folgt: „das Abendmahl unter beiderlei Gestalt; die freue Verkündigung des
Evangeliums durch verordnete Priester unter der höchsten Gewalt des Papstes; kein
Güterbesitz der Geistlichkeit, sondern nur Verwaltung von Gütern durch Geistliche;
Bestrafung von Todsünden nach dem göttlichen Gesetz, jedoch nur von Personen, die
dazu obrigkeitliche Macht haben.“294 Der Konflikt zwischen Utraquisten auf der einen
Seite und Taboriten und Waisen auf der anderen spitzte sich im Zuge der Kompaktaten
zu. Während die gemäßigten weiterhin für Frieden eintraten, stellten sich Prokop und
seine Anhänger dagegen. Für sie schien es nur noch um Krieg zu gehen.295 Nur mit aller
Mühe konnte Capek ze San auf dem Herbstlandtag in Prag gegen eine Beendigung der
Kämpfe um Pilsen angehen.296 Die offizielle Bestätigung der Kompaktaten zerbrach an
der Opposition der Radikalen. Die Belagerung von Pilsen zog sich hin. Die katholische
Partei wurde durch die kirchliche Diplomatie, namentlich durch Johannes Palomar,
heimlich durch Gold und Proviant unterstützt.297 Das Gold wurde genutzt, um
hussitische Adelige zu bestechen, nach und nach traten diese unter der Führung
291 Ebd.
292 Ebd. S. 160.
293 Baum, S. 252.
294 Rieder, S. 223.
295 Ebd. S. 224.
296 Smahel, S. 1605.
297 Macek, S. 162.
62
Menharts von Hradec auf die katholische Seite über.298 Es formierte sich ein
Herrenbund, der gegen die radikalen Feldheere angehen sollte. Am 6. Mai nahm der
Herrenbund die Prager Neustadt ein. Am 9. Mai wurde die Belagerung von Pilsen
abgebrochen. Die Feldheere der Taboriten und Waisen, isoliert von ihren städtischen
Verbündeten, begannen damit, sich zu verstärken um gemeinsam gegen die Herrenliga
anzugehen. In der Nähe von Böhmisch Brod besetzte das Feldheer einen Hügel bei
Lipany.299 Am Nachmittag des 30. Mai begann die letzte Schlacht der radikalen
Feldgemeinde. In einem ausgeklügelten Manöver setzte sich die Wagenordnung der
Herrenbundes auf die Flanke der radikalen Wagenburg, um dann in einem
vorgetäuschten Rückzugsmanöver die Gegner zum Ausbrechen aus der eigenen
Ordnung zu provozieren.300 Die offene Schlacht konnten die Herren für sich
entscheiden und die Radikalen zurückdrängen. In den Reihen der eigenen Wagenburg
wurden Taboriten und Waise nun niedergemacht. Prokop Holy fiel genauso wie
Prokupek, Jan Capek ze San dagegen floh noch bevor er an den Kämpfen teilnahm vom
Schlachtfeld, was ihm den Ruf des Verräters einbrachte.301 Die militärische Macht der
radikalen hussitischen Bruderschaften war vernichtet, der Weg zu einer friedlichen
Einigung frei. Diese Einigung gelang nach langen Verhandlungen, als im Sommer 1436
in Iglau die endgültige Fassung der Kompaktaten verkündet wurde. Die Böhmen wurde
feierlich wieder in den Schoss der Kirche aufgenommen. Rokycana wurde als Erzbischof
von Prag bestätigt und Sigismund bekam endlich seine böhmische Krone. 302 Die
Hussitenkriege waren damit beendet. Die Hussitenfrage jedoch nicht.
Schlussbetrachtungen
Die Hussiten waren für die Bevölkerung des deutschen Reichs im 15. Jahrhundert eine
298 Ebd.
299 Durdik, S. 243.
300 Ebd. S. 245.
301 Ebd.
302 Rieder, S. 232.
63
ähnliche Bedrohung wie die Ungarn im 10. Jahrhundert. Die Angst vor den Ketzern
führte zu Panik auf dem Schlachtfeld, zu Verleumdungen und Misstrauen innerhalb der
städtischen Gesellschaft und zu Massenfluchten vor dem hussitischen Heer. Kein
Kreuzfahrerheer war den Hussiten auf dem Schlachtfeld gewachsen. Nach den
anfänglichen Erfolgen, die vor allem auf der revolutionären Taktik der Hussiten
beruhten, stieg die Moral auf der einen Seite proportional zur Angst auf der anderen
Seite. In den späteren Auseinandersetzungen kam es, wie gezeigt, kaum zu kompletten
Schlachten. In den meisten Fällen flohen die Kreuzfahrer noch bevor die Schlacht
begann. Diese Angst wurde vom Schlachtfeld mitgenommen und übertrug sich auf die
Städte und Dörfer der katholischen Länder. Die Geschehnisse in Bamberg 1429 zeigten,
dass die Bewohner, vor allem die Patrizier, lieber ihre Stadt aufgaben und flüchteten, als
sich den Hussiten entgegenzustellen. Erst in den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts
kam es zum Umschwung. Die Städte begannen sich zu wehren, an erster Stelle stand
dabei der Oberlausitzer Sechsstädtebund. Das Umdenken der katholischen Partei
führte zu umfassenden Maßnahmen in der Reichspolitik. Die Matrikel der Reichstage
sorgten für eine Heeresordnung, die sich den Umständen anpasste. Mit dem
Hussitenpfennig kam es zur ersten allgemeinen Steuer im Reichsgebiet. Im Heereswesen
selbst wächst die Macht der städtischen Aufgebote und ihrer auf Feuerwaffen
basierenden Kriegsführung. Die hussitische Wagenburg wurde übernommen und blieb
bis ins 16. Jahrhundert ein Mittel des Krieges. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht waren
die radikalen Bruderschaften unbesiegt, sie nahmen Bamberg ein, ließen Nürnberg
11.000 bis 12.000 Gulden zahlen, um die Stadt nicht anzugreifen und marschierten
ungebremst bis zur Ostsee, während König Sigismund tatenlos zusehen musste. Das
Ende der Hussiten kam durch ihre eigenen Zerwürfnisse. Die Uneinigkeit innerhalb der
eigenen Reihe, das ausgeblutete Böhmen und das intrigante Spiel der Kurie führten zur
großen Niederlage bei Lipany und damit dem Ende der Hussitenkriege. Fast 20 Jahre
Krieg hatten ihre Spuren hinterlassen. Das vorher wirtschaftlich starke Böhmen war
zerstört. In den deutschen Gebieten entstanden Legenden von großen Schlachten die,
wie gezeigt, so nie stattfanden. Die Stadt Naumburg feiert noch heute jährlich ein
Hussitenfest auf Grund einer Legende, in der die Hussiten vor Naumburg
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zurückgeschlagen werden konnten. Allerdings kamen die Hussiten im Laufe ihrer
Feldzüge nie an Naumburg vorbei. Bernau dagegen hat eine hussitische Geschichte. Die
vier betrachteten Aspekte: Die Situation Brandenburgs und der Lausitz Anfang des 15.
Jahrhunderts, das Heerwesen der Krieg führenden Parteien und die Betrachtung der
herrlichen Heerfahrten geben Auskunft darüber, wie der Feldzug zustande kam,
durchgeführt wurde und warum die Hussiten im April 1432 in Brandenburg einfielen.
Der Feldzug nach Brandenburg 1432 war ein Feldzug, der verschiedene Aspekte
hussitischer Politik und Kriegsführung vereinte. Da Brandenburg ein wirtschaftlich
schwaches und von Raubrittern heimgesuchtes Land war, wird es für die ersten
Heerfahrten uninteressant gewesen sein. Nach vielen Jahren Krieg jedoch war
Brandenburg eines der wenigen von Einfällen verschonten Gebiete, in denen noch
einiges an Beute und Nahrung zu holen war, wenn auch nicht viel. Die politischen
Hintergründe, der Druck auf das Treffen in Eger und die Demonstration der Einigkeit
der Bruderschaften erweisen sich im Kontext der Geschehnisse von 1431 und 1432 als
plausibel und sind daher anzunehmen. Die Frage, ob Prokop am Feldzug teilnahm,
kann auf Grunde der Quellenlage zwar nicht eindeutig bewiesen werden, es weist aber
viel darauf hin, dass er zumindest bis kurz nach Bernau mitzog, bevor er sich auf den
Weg nach Eger machte. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Kämpfe um Bernau nach
dem gleichen Muster abliefen wie viele hussitische Stadtangriffe in den Jahren zuvor.
Deshalb muss dieser Schlacht ein besonderer Status abgesprochen werden, es war
nichts weiter als das übliche hussitische Verhalten bei befestigten und
verteidigungsbereiten Städten außerhalb Böhmens. Für die Bewohner Bernaus dagegen
wurde der 23. April zum Tag des Triumphs. Die kleine märkische Stadt konnte die
unbesiegbaren Hussiten bezwingen und läuteten deren Untergang ein, so die Legende.
Erst die Arbeiten von Sello, Goerlitzer und Jecht konnten der Legende eine historische
Tatsächlichkeit entgegenstellen. Dass diese drei Arbeiten demnach wichtig für die
Rezeption der Hussitenkriege sind, steht außer Frage. Jedoch muss hier gesagt werden,
dass mit den Arbeiten noch immer zu leichtfertig umgegangen wird. Vor allem
Goerlitzer, der in der Brandenburgischen Geschichtswissenschaft als Einziger genutzt
wird, wurde in strittigen Punkten von Jecht widerlegt. Es scheint also unverständlich,
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wenn sich regionale Historiker und Stadtkommissionen bei Fragen der Hussiten in
Brandenburg ausschließlich auf Goerlitzer beziehen. Hier kann und muss noch einiges
an Aufklärungsarbeit erfolgen. Zudem betrachten vor allem Sello und Goerlitzer den
Feldzug nicht aus dem Kontext der Hussitenkriege heraus. Die herrliche Heerfahrt nach
Brandenburg kann jedoch nur verstanden werden, wenn sie mit den anderen Fahrten
verglichen wird, wie es das Anliegen der vorliegenden Arbeit war.
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Abbildungsverzeichnis:
Karte 1: Der Einfall der Hussiten in Brandenburg im April 1432 mit freundlicher
Unterstützung von Holger Herzog, Bernau.
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