Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas Kurzer Einblick in die Geschichte 1. Vorwort Meine Neugier und die ewige Frage 'warum...?', simpel gesagt: 'warum ist die Banane krumm?' hat mich einiges zusammen tragen lassen, was ich hier wiedergebe. Es ist kein Anspruch auf Wissenschaft, sondern eine Sammlung von Antworten auf die vielen Fragen 'warum?', welche Zusammenhänge kann ich finden; wie kann ich mir erklären, wie sich das Land, in dem ich reise und jetzt lebe, entwickelt hat. Zu jeder Aussage habe ich unterschiedliche Beurteilungen gefunden oder von hier lebenden gehört. So ist es sicher richtig, die Antworten selbst zu suchen. Ich will hier nur einen Überblick über die damalige Situation und die Zusammenhänge mit europäischen Rivalitäten geben. Die Berichte Cartiers und erst Recht die von Champlain, der nach Cartier folgte und die ersten Siedlungen aufbaute, sind alleine schon lesenswert. Alles zusammen ist ein sich über Jahrhunderte hinziehender Krimi mit Intrigen, Mord und Totschlag und letztlichem Untergang ganzer Kulturen in Amerika. Die Berichte der Jesuiten (Jesuit Relations) hingegen zeigen den guten Willen, eine echte Beziehung mit den Indianern auf zu bauen, auch wenn Unverständnis und Arroganz der Europäer vielfach diese Beziehungen wieder zerstörten. Inhalt 2 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 2. Die Besiedlung des Kontinents Nach bisherigen Kenntnissen erfolgte die Zuwanderung aus dem asiatischen Raum über die zeitweise bestehende Landbrücke zwischen Ostsibirien und dem heutigen Alaska (Beringstraße). Diese Wanderung erfolgte in zwei Schüben: die erste vor ca. 40.000 Jahren vorwiegend an der Westküste entlang Richtung Süden. Die zweite nach Zurückweichen des riesigen Eisschildes über Kanada und den nördlichen Gebieten der heutigen USA. Hierbei erfolgte langsam die Besiedlung Richtung Osten, auch mit Zuwanderung einzelner Völker, die aus dem Süden wieder nordwärts wanderten, Richtungen die von sich nordwärts ausbreitenden Wildherden (Bison, Antilopen und Mammuts) vorgegeben waren. Die kleinen Jagdtrupps wurden zum Teil sesshaft, wenn genügend Nahrung erreichbar war. So hat sich ca. vor 7.000 Jahren eine Gruppe an der Westküste niedergelassen, die vom Fischfang, vor allem Lachs und Wal lebte. Inzwischen konnte man wesentlich frühere Kulturen nachweisen. Die Clovis Kultur liegt etwa 12.000 Jahre zurück. Noch ältere wurden durch Radiokarbon Nachweise bis 50.000 Jahre vor unserer Zeit datiert. Die Frage, wer war zuerst hier ist also noch lange nicht entschieden. Diese Frühzeit ist zum Teil noch in Gesängen überliefert. Eigentlich sind diese eher mit gesungenen Gebeten zu bezeichnen. Die einzelnen Stämme hatten oft kaum Kontakt mit einander, so daß sich im Laufe der Zeit allein in Nordamerika ca. 200 verschiedene Sprachen entwickelten, die kaum noch eine Verwandtschaft mit einander vermuten lassen. Die größte Sprachgruppe in Nordamerika ist das Algonquin, benannt nach einem Indianerstamm, der im heutigen Ontario lebte. Nach neueren Erkenntnissen geht man aber davon aus, daß sich letztlich die verschiedenen Sprachen auf einige wenige zurückführen lassen, die von den ersten Einwanderungsgruppen gesprochen wurden. Trotz der sehr verschiedenen Sprachen hat sich im Laufe der Zeit eine allgemein verständliche Handelssprache herausgebildet, die den Handel zwischen den einzelnen Stämmen über tausende von Kilometern - meist komplizierte Wasserwege - ermöglichte. Man hat ca. 4.000 Jahre alte Funde gemacht, die dies belegen. 3 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas Die einzelnen Handels- und Jagd-Trupps waren oft Monate lang unterwegs, besonders, wenn es galt, in den Great Plains mit anderen Stämmen Bisons zu jagen. An einem dieser sog. 'Buffalo-Jump' in North Dakota war ich. Diese Klippe, über die die Bisons zu Massen in den Abgrund getrieben wurden, wurde schon vor 2.000 Jahren von mehreren Stämmen gemeinsam genutzt. Übrigens eine Jagdmethode, die auch schon die Neandertaler für ihre Mammutjagd am Rheingraben und die Ureinwohner Schwedens für die Rentierjagd nutzten. Inhalt 4 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 3. Das Stammesgefüge Die einzelnen Stämme hatten eine feste Sozialstruktur. Zum Teil waren es kleine Trupps, die recht isoliert lebten, aber auch große Gemeinschaften mit zentralen Dörfern, manchmal 2.000 Einwohner und mehr. Die Huronen zum Beispiel zählten beim Eintreffen der ersten Weißen noch ca. 30.000 Angehörige, die im Bereich zwischen der Georgian Bay und Lake Simcoe lebten. Die Irokesen waren sicherlich ebenso viele. Sie lebten vorwiegend auf der Südseite des Lake Ontario bis in das Gebiet des heutigen New York. Diese beiden Stämme waren Erzfeinde und versuchten immer wieder, sich ihre Beute und die Ertrüge der Feldarbeit ab zu jagen. Zu dieser Rivalität später mehr. Beide Völker hatten strenge Sozialgesetze, die alles regelten, was für das Gemeinwohl und vor allem für das Überleben in diesem rauen Land von Bedeutung war. Die Huronen hatten einen Bund gegründet - Bund der drei Feür, das heißt der drei Lager der wichtigsten Stämme. Alle Zwistigkeiten zwischen den einzelnen Unterstämmen wurden vor dem Ältestenrat beraten und zwar so lange, bis eine einstimmige Entscheidung getroffen werden konnte. Das konnte Tage dauern. Auf diese Weise wurde vermieden, daß sich die einzelnen Gruppen in Kleinkriegen aufrieben. Da die Huronen auf diese Weise ein geeintes mächtiges Volk wurden, haben die Irokesen einen ähnlichen Bund gegründet: Bund der fünf Stämme (später waren es sechs Stämme). Auch die Irokesen hatten ein ausgeklügeltes Sozialsystem. Die Männer waren für Jagd, Revierverteidigung und Kriegführung zuständig, die Frauen für die Arbeit im Dorf und vor allem für den Schutz der Traditionen zuständig. Im Ältestenrat saßen die erfahrensten Männer aber die Häuptlingswürde wurde auf mütterlicher Seite weiter gegeben, so daß im Hintergrund eigentlich eine matrilineare Machtübergabe bestand. Die soziale und politische Struktur der Irokesen fand früh das Interesse europäischer Gelehrter und ging in die Wissenschaftsgeschichte ein, nachdem die Untersuchungen des Ethnologen Lewis Henry Morgan in die Theorien von Friedrich Engels und Karl Marx eingeflossen waren. 5 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas Die sesshaften Völker, zum Beispiel die der Irokesen und ihrer Verwandten und die der Huronen-Gruppe, aber auch andere an der Westküste, lebten in Dörfern mit festen Häusern und meist großen Langhäusern, die gemeinsam genutzt wurden. In manchen dieser Häuser war Platz für über 200 Menschen. Sie haben eine ausgedehnte Feldwirtschaft - meist Kornanbau - betrieben und waren nicht nur auf die Jagd angewiesen. Die Jagd war offenbar durch strenge Vorschriften geregelt und von vielen Ritualen begleitet und wurde außerdem von etlichen Geistern - Manitou - überwacht, so daß ein Überjagen bestimmter Gebiete verhindert wurde. Die Prärieindianer hingegen waren eher Wandervölker, abhängig von den Wildwanderungen und lebten isolierter. Man schützt, daß auf 25 Quadratkilometer ein Indianer kam. Dennoch hatten auch sie irgendwo ein geschütztes Zentrallager, in das sie sich in den strengen Wintern zurück zogen. Eigentum in Form von Landbesitz gab es nicht. Das Land, die Erde, gehörte keinem, das war eine gewaltige Gottheit, die die Menschen mit allem versorgte, was sie benötigten. Eine Gottheit kann man nicht besitzen. Diese Einstellung war eins der größten Hindernisse für die Indianer im Verständnis für den christlichen Glauben. Die Kämpfe zwischen den einzelnen Völkern wurden mit aller Brutalität geführt. Es ging nicht wie in Europa oder auch in den ostasiatischen Kriegen um Land- und Machtbesitz sondern um die Lebensgrundlagen, vor allem Nahrung, Jagdgründe. Ein Teil der Gefangenen wurde jedoch in den eigenen Stamm eingegliedert, was immer wieder für frisches Blut sorgte. Ansonsten wurden Gefangene gefoltert und massakriert und besonders tapfere Krieger wurden auch verspeist, was eine besondere Ehre für den Delinquenten war. In den Methoden war man sehr erfinderisch: da wurde geschmort, in Streifen gehäutet oder scheibchenweise abgetragen. Nur kein vorschnelles Urteil! In Europa war man mindestens ebenso erfinderisch: da wurde aufs Rad geflochten, verbrannt, geteert und gefedert, gevierteilt, langsam ertränkt mit Jauche aufgepumpt (Schwedentrunk) und so weiter. Mit einem gewaltigen Unterschied: es geschah im Namen Gottes! Man denke an den Dreißigjährigen Krieg, der zunächst mit religiösen Motiven geführt wurde, im Grunde aber nur eine Umverteilung der Macht in Europa zum Ziele hatte. 6 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas Ein Wort zu den 'skalpierenden Indianern'. Ich hörte hier mehrere Versionen: Die Indianer haben das Skalpieren erfunden; nein, die Siedler haben die Methode aus Europa mit gebracht. Beides ist nicht richtig. Skalpieren ist seit gut 3000 Jahren bekannt, besonders aus dem Vorderasiatischen Raum. Langes Haupthaar galt als Zeichen der Stärke und Macht. Siehe Altes Testament: Samson und Dalilah. Die Skythen haben das Skalpieren ebenfalls praktiziert. Und selbst in Mittel- und Südamerika war es eine bekannte, aber eher religiöse Handlung. Ein Augenzeuge der Eroberung des Inkareiches durch Hernan Cortez beschreibt dies. Der Ursprung war also eher eine religiöse Zeremonie da man im Scheitel unter dem Kopfhaar den Sitz für Stärke, Tapferkeit und Weisheit vermutete. In der Nordamerikanischen Eroberung ist dies dann allerdings entgleist und oft eine Begleitung eines brutalen Gemetzels geworden. Die Verwaltung von Massachusetts z. B hatte Prämien für jeden Indianerskalp ausgesetzt von 100 Pfund dem zigfachen eines normalen Jahreseinkommens. Dies führte dazu, dass selbst Frauen und Kinder skalpiert wurden für den Profit. Geld , das goldene Kalb. Inhalt 7 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 4. Europa in Not Das einschneidende Ereignis, das die ganze Welt, und besonders die der Indianer in dramatischer Weise verändern sollte, war im Jahre 1453 die Eroberung von Byzanz durch die Türken. Dieses Ereignis war ein Schock für sämtliche Machthaber Europas einschließlich des Papstes in Rom: der Zugang zum Osten, Jerusalem, aber vor allem zur Seidenstraße und den Reichtümern Persiens, Indiens und Chinas war versperrt. Kaum noch Gewürze, keine Seide mehr, kein Weihrauch, keine Myrrhe, vor allem keine Juwelen aus Indien für die Insignien weltlicher und kirchlicher Macht! Ein unerträglicher Zustand! Die Eroberung von Byzanz war der endgültige Schlußstrich unter die Kreuzzüge und Folgekriege um den vorderen Orient und Jerusalem wieder unter 'christliche' Herrschaft zu bringen. Inhalt 8 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 5. Der Ausweg nach Westen Da nach maßgeblicher kirchlicher Meinung die Erde immer noch eine Scheibe war, von deren Rändern man ins ewige Verderben stürzen würde, sollte man ihnen zu nahe kommen, hat es gut 40 Jahre gedauert, bis jemand auf die Idee kam, einen anderen Weg nach Asien zu suchen. Dies war Cristoforo Colombo aus Genua, oder auf spanisch Cristobal Colon, eben Kolumbus. Sein Vater war Weber in Genua und wegen des regen Hafenbetriebes dort hat Kolumbus schon früh die Seefahrt kennen gelernt. Auf einer Seefahrt mit einem Konvoi nach England wurde dieser vor Portugal von Seeräubern vernichtet. Kolumbus überlebte und gelangte nach Lissabon, wo bereits sein Bruder als Kartograph arbeitete. Das Studium seiner Karten und alter Beschreibungen griechischer Weltbilder, nach denen die Erde eine Kugel war - was anzunehmen in Italien, sprich Rom, verboten war - kam er zu der Überzeugung, daß man auch auf einem Westweg nach Asien kommen müsse. Der Weg rund um Afrika war zwar bekannt, wurde aber wegen der Länge und Gefährlichkeit nicht genutzt. Er konnte 1484 König Johann II. von Portugal von seinem Vorhaben überzeugen, und so begann mit seiner Ankunft 1492 in der Karibik die neuere Geschichte Amerikas. Inhalt 9 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 6. Die Entdeckung Die ersten Weißen, die das Land betraten waren wohl die Vikinger unter Leif Eriksson. 1963 fanden Archäologen die Ruinen einer Vikingersiedlung in L'Anse aux Meadows (im Norden Neufundlands), die derjenigen in Leifs Beschreibung von Vinland entspricht und etwa auf das Jahr1000 datiert wird. Die nächsten waren Baskische Fischer, die die reichen Fischgründe vor Neufundland entdeckt hatten. Auch der irische Mönch Brendan soll im 6.Jahrhundert an der Küste Neufundlands gewesen sein. Der Begriff 'Entdeckung Amerikas' suggeriert einen Entdeckergeist, den Wunsch, neue Ufer zu finden. Aber das war 1492 gar nicht der Sinn dieses Abenteuers. Das einzig Neue sollte der Weg nach Asien und zu dessen Reichtümern sein. Das eigentliche Motiv war purer Merkantilismus, Geld und Machtgier. Nachdem zunächst Mexico erobert worden war drängten weitere Siedler und Abenteurer in das 'Neue Spanien'. Es war die Zeit der Conquostadores', Eroberer, der Auftakt zur Vernichtung des Inkareiches. Die Kolumbus folgenden Conquistadores waren den Inkas zwar zahlenmäßig weit unterlegen, wegen ihrer Ausrüstung (Waffen, Rüstungen und vor allem Pferde) aber doch im Vorteil, den sie durch Ausnutzung der Rivalitäten einzelner Volksgruppen noch weiter aus bauten. Bemerkenswert ist, dass Pizarro's erste zwei Expeditionen entlang der Pazifikküste eher friedlicher Natur waren. Nachdem er bei diesen Erkundungen aber Gold und Silber gesehen hatte, entschloss er sich zur dritten und damit für die Inkas vernichtenden Expedition. Inhalt 10 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 7. Die Weltenteilung Um die mögliche Beute gleich richtig zu verteilen hat dann schon im Jahre 1493 Papst Alexander VI - im Namen Gottes - die Welt neu aufgeteilt: alle Länder, die westlich der Azoren lagen wurden den 'Allerkatholischsten und Wahrern der Kirche', den Königen von Spanien zu gesprochen, alles was östlich dieser Linie lag, den katholischen Königen von Portugal - später ohnehin in Personalunion. So waren die zu erwartenden Reichtümer schon mal dem Papst als damaliger oberster Machtinstanz und seinen engsten Verbündeten gesichert. Nicht streng Rom-Gläubigen wurde der Aufenthalt in diesen Gebieten untersagt.Und so fielen die Europäer denn auch wie die Raubtiere über ihre Beute her und metzelten im Laufe der nächsten Jahre alles nieder, was sich ihnen in Weg stellte. Es wurden unendliche Reichtümer nach Spanien geschafft, das dadurch zur reichsten und deshalb auch bedeutendsten Macht in Europa aufstieg. Inhalt 11 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 8. Europa im Aufruhr Es gärte schon lange in Europa. Das Machtgehabe und die Verschwendungssucht Roms und großer Teile des Klerus hatte viele kleine 'abtrünnige' Glaubensgruppen entstehen lassen. Die Kirchenfürsten pressten hohe Steuern aus dem Volk. Am Besten ging es den Fürstbistümern: sie kassierten den 'Zehenten' als weltliche und noch mal das gleiche als kirchliche Macht. Fürsten und Könige versuchten, sich der Macht Roms zu entziehen. Heinrich VIII von England gar brach völlig mit Rom, da er seine Scheidung von Katharina von Aragonien nicht durchsetzen konnte. Kaiser Karl V, gleichzeitig Karl II von Spanien, ein Neffe Katharinas, war gegen die Scheidung. Papst Clemens VII hätte wohl der Scheidung zugestimmt, wenn er nicht gerade zu der Zeit Gefangener Karls V gewesen wäre, den er natürlich, um seine eigene Haut zu retten, nicht verärgern wollte. Allein diese Geschichte zeigt, wie zerrissen durch Machtintrigen Europa damals war. Dies gipfelte Mitte 16. Jahrhundert im Dreißigjährigen Krieg, in dem weite Teile Mitteleuropas verwüstet und teilweise entvölkert wurden. Der katholische König von Frankreich bezahlte protestantische schwedische Truppen um deren Marsch bis nach Süddeutschland und die dortigen Zerstörungen zu finanzieren. Es ging letztlich darum, die Macht Habsburgs zu brechen. In dieser Zeit wurde auch durch Papst Paul III der Grundstein für die Inquisition gelegt, nachdem der Versuch, den bescheidener, christlicher lebenden 'Abtrünnigen' eine Konkurrenz durch Gründung der 'Bettelorden' zu schaffen, gescheitert war. Inhalt 12 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 9. Frankreich, Holland und England - Piraten In diesem Chaos bildete sich natürlich ein gewaltiger Neid auf die Reichtümer Spaniens unter den übrigen Herrschern. Frankreich war mehr oder weniger ruiniert durch die Glaubenskriege (Hugenotten, Bartholomäusnacht), England ging es nicht viel besser, da die Eskapaden Heinrichs VIII das Land ebenfalls in ein Chaos gestürzt hatten. Da beide Länder keine den Spaniern vergleichbare Flotte hatten, mussten sie also andere Wege suchen, um an Reichtum zu kommen. Der Ausweg waren die Piraten, ansonsten eine lüstige Plage, aber sehr gut geeignet, den Spaniern ihre Beute ab zu jagen. Und das taten sie zum Teil mit sehr großem Erfolg, meist inoffiziell im Auftrag ihrer Landesherren. Zum Beispiel Francis Drake. Erfolg adelt! (Pirat Drake --> erfolgreicher Pirat --> Sir Francis Drake). Noch ausgeprägter als bei den Engländern war der Seeraub bei den Holländern privatwirtschaftlich organisiert. Der bekannteste holländische Seeräuber war Piet Heyn, der im Jahre 1629 allein Waren im Wert von 12 Millionen Gulden erbeutete. Inhalt 13 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 10. Armada - die Wende Solch enorme Verluste wollte die spanische Krone natürlich nicht hinnehmen, das ging über den normalen Schwund hinaus, und schickte die gesamte Flotte, um England zu bestrafen. doch die schweren, klobigen Galeonen der Spanier wurden von den kleineren, wendigeren Schiffen Englands in die Enge getrieben und strandeten oder wurden versenkt. Damit war Spaniens Macht gebrochen und hat sich von diesem Schlag nie mehr ganz erholt. Inhalt 14 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 11. Nordamerika Schon kurz nach der Reise des Kolumbus versuchte England ebenfalls einen Seeweg nach China zu finden. Giovanni Caboto (1455-1499) , wie Kolumbus aus Genua, war nach Bristol in England gezogen, wo er den Namen John Cabot annahm. Er war ebenso wie Kolumbus von der Möglichkeit überzeugt, über die Westroute China erreichen zu können. Er wurde von Kaufleuten aus Bristol unterstützt und erhielt 1496 von Heinrich VII von England den Auftrag, diesen Seeweg zu finden. Er landete wahrscheinlich auf Cape Breton (Nova Scotia) und erkundete weite Teile der Ostküste. Er erhob im Namen des Königs Anspruch auf das gesamte angrenzende Land. Auf einer zweiten Expeditionsreise ist er mit gesamtem Schiffsverband verschollen. Die Franzosen versuchten natürlich das gleiche, wenn auch Jahre später. Sie waren zu lange mit internen Auseinandersetzungen beschäftigt. Jacques Cartier (1491-1457) erhielt 1534 von Franz I von Frankreich den Auftrag, die Passage zu finden. Er entdeckte den St. Lorenz-Strom und drang auf diesem bis ins Inland vor. Diese beiden Reisen - Cabot und Cartier hatten schon eher den Charakter einer Entdeckungsreise, zumal besonders Cartier einen friedlichen Kontakt mit den Indianern aufnahm und einen Winter in einer ihrer Städte (Stadacona, heute Quebec) verbrachte. Von Cartier existieren ausführliche Schilderungen des in den Indianerstädten angetroffenen Lebens. Ein friedlicher Kontakt war also möglich. Ein Ereignis ist besonders kennzeichnend für die Arroganz der christlichen Abenteurer: eins der größten übel für die Seeleute war der Skorbut (Vitamin-C-Mangel). Ganze Expeditionen siechten dahin. Die Leute starben wie die Fliegen. In einem Winter war eine ganze Fort-Besatzung betroffen. Nur wenige konnten sich auf den Beinen halten. Die Indianer erkannten das Übel und verabreichten 15 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas der Mannschaft ihren Medizintrunk, einen Sud aus Weißfichtennadeln. Stunden spüter trat bei allen eine Besserung ein, am nächsten Tag konnte wieder gearbeitet werden. Dies hat man aber nicht den Indianern und ihrer Medizin zu geschrieben, sondern in der Überzeugung, daß Gott ohnehin pausenlos für sie als Christen zuständig ist, an ein Wunder geglaubt. Da ja nun der Sinn dieser Reisen nur der Gewinn von Reichtümern ähnlich den spanischen und weit und breit kein Gold und Silber zu finden war, nahm Cartier kurzerhand einen Häuptling, seine beiden Söhne und Gefolge gefangen und schleppte sie als Attraktion nach Frankreich, nachdem er, ebenso wie Cabot für den englischen König, das ganze Land für die französische Krone in Anspruch genommen hatte. England hatte lange gezögert und war außerdem immer noch in Religionskriege verwickelt, hatte Verschwörungen der Katholiken im eigenen Land zu bekämpfen und lag mit Spanien wegen der von England unterstützten holländischen Protestanten im Krieg. Phillip II von Spanien wollte England unterwerfen und der römischen Kirche wieder zu führen. Inhalt 16 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 12. England wacht auf Mit nicht allzu großer Hoffnung gab Elisabeth I von England Martin Frobisher den Auftrag, die Westpassage zu finden. Frobisher war von Richard Haklyt inspiriert, einem englischen Scholar, der Visionen von neuen Reichen und vielen dem protestantischen Glauben zu zu führenden Seelen hatte, aber auch an die Größe Englands dachte. Frobisher landete in Neufundland - Labrador, wo er als Beweis für seinen Fund dort lebende Inuit gefangen nahm und nach England schaffte. Sie starben kurz darauf. Nach Frobishers Reisen waren die Engländer für die nächsten 30 Jahre vom Pech verfolgt. Schiffe gingen unter, Mannschaften meuterten, machten auf halbem Wege kehrt und gingen ihrer gewohnten Beschäftigung nach - der Piraterie. Immer noch geisterten Geschichten von Unmengen Gold durch die Hafenkneipen und Sir Humphrey Gilbert, ein wegen des englischen Erbrechts landloser Edelmann (Zweitgeborener), hatte die Idee, seinen Leidensgenossen, also anderen Landlosen, Ländereien in Amerika zu verschaffen. Elisabeth I stimmte zu und so machte sich die nächste Expedition 1578 auf den Weg. Die einzige Seemacht mit geschulten Seeleuten hatte aber Spanien. Die englische Expedition bestand aus zehn Schiffen und 570 Mann Besatzung, die aber allesamt von Piratenschiffen und aus Gefängnissen rekrutiert waren. Vier Schiffe meuterten und fuhren als Piraten weiter, zwei waren leck und mussten umkehren, die übrigen hatten zu wenig Proviant an Bord. Keins erreichte Neufundland. Wieder ein Rückschlag. Aber der Drang nach Westen wuchs in England und als 1588 endlich die Armada geschlagen war, fühlte England sich zur Seefahrt berufen und wurde später die größte Seemacht. Der nächste Versuch wurde 1584 von Sir Walter Raleigh unternommen, einem Günstling der Königin. Er reklamierte einen drei tausend Kilometer langen Küstenstreifen für die Krone und nannte ihn Virginia. Er ließ 225 Kolonisten zurück, von denen aber kurze Zeit später keine Spur mehr zu finden war. Inhalt 17 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 13. Erste Kolonien Erst nach 1605 kann man von einer Kolonisation sprechen. Die Franzosen saßen in Port Royal an der Bay of Fundy, fünf Jahre später folgte eine Kolonie der Engländer in New Foundland; die Holländer saßen in der Gegend des heutigen New York. Allen gemein war der Wille, durch den Pelzhandel reich zu werden. Unterschiede lagen in der Motivation der Koloniegründung: die Holländer hatten nur den Handel und den Gewinn im Sinn. Die Engländer wollten ebenfalls den Gewinn, aber auch Spanien schädigen und seit 1603 mit König James I, dem Nachfolger Elisabeths, Seelen für den Protestantischen Glauben gewinnen. Die Franzosen hatten ebenfalls den Gewinn und die Schwächung der spanischen Macht im Sinn, dann aber auch, nach Beendigung der Religionskonflikte die Bekehrung möglichst vieler Indianer zum römischen Glauben. Später, unter Ludwig XIII vor allem durch Kardinal Richelieu und unter Ludwig XIV das Bemühen durch Reichtum und Macht zur führenden Nation in Europa zu werden und die Übermacht der Habsburger in Österreich, Deutschland, Spanien und Italien zu brechen. Im Jahre 1537 hatte Papst Paul III in seiner 'Sublima Dei' entschieden, daß die Bewohner der neuen Länder auch Menschen seien, die demnach auch zum rechten Glauben bekehrt werden müssten. Mit der ab 1600 beginnenden Plünderung der neuen Länder - etwa um das Jahr1630 gab es in Ontario keine Biber mehr! - und auch der mit Gewalt voran getriebenen Missionierung war das Ende einiger Indianervölker besiegelt. Inhalt 18 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 14. Die Toten kommen Die Ersten Weißen, die die Indianer zu Gesicht bekamen galten als Tote. Da die Indianer zeitlebens ihre Haut mit farbstoffhaltigem Lehm und Pflanzensäften gegen Sonnenbrand und Insekten schützten (Rothäute) wussten sie nur, daß ein Mensch, der so bleich ist wie die Ankömmlinge, in der Regel tot ist. Wie sich herausstellte, waren es keine Toten, aber sie brachten den Tod mit sich. Ohne es zu wissen brachten die Neuankömmlinge Krankheiten, gegen die sie selbst meist schon immun waren mit in das neue Land, die für die hier lebenden Menschen tödlich waren. Masern, Röteln und Pocken (Variola, hier: Smallpocks) rafften dann auch ganze Familien, ja Dorfgemeinschaften dahin. Man geht davon aus dass ca 90% aller Indianer durch die Ankunft der 'Weißen' umkamen. Eine große Anzahl durch diese Krankheiten und endlos viele, die umgebracht wurden. Die Jesuiten in ihren schwarzen Kutten bekamen vielerorts im jetzigen Ontario den Beinamen 'Der Schwarze Tod' da den Indianern allzu bald auffiel dass der Tod nach dem Besuch der Jesuiten in ihrem Zelt oder Langhaus kam. Den Jesuiten fiel das leider nicht auf. Wahrscheinlich galt da die allgemein gültige Erklärung 'das ist Gottes Wille' ähnlich wie die oben erwähnte Heilung vom Skorbut. Inhalt 19 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 15. Zerfall der Kultur Der oben erwähnte Konkurrenzkampf um die Reichümer des Landes trieb zum Teil wilde Blüten bis hin zur Pervertierung des christlichen Glaubens dessen Verbreitung ja angeblich eins der Ziele der Kolonisation war. Da die Irokesen zu oft den Huronen ihre Beute auf dem Weg nach Quebec abjagten um sie an die Holländer zu verkaufen kam man auf folgende Idee: wer sich bekehren ließ bekam ein Gewehr natürlich um Irokesen, (die von den Holländern mit Gewehren versorgt wurden) abwehren und erschießen zu können. Die Religion also im Dienste des Kommerz und der Gewinnsucht. Innerhalb der Familienverbände und Clans kam es durch diese Methode zusätzlich zu Auseinandersetzungen da diejenigen mit Gewehr (also die 'guten Christen') jetzt versuchten den Ton an zu geben. Wer kein Gewehr hatte war also plötzlich in dem vorher intakten Stammesgefüge eine Art Untermensch. Inhalt 20 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 16. Friedliche Kontakte In 'Sainte-Marie among the Hurons' war ein friedliches Zusammenleben möglich dank der Benutzungen von zwei Jesuiten, Pater Jean de Breboef und Jerome Lalemont. Sie haben jahrelanger Arbeit ein befestigtes Dorf aufgebaut in dem sie mit getauften und ungetauften Indianern und Hilfskräften wie einem Zimmermann,Schmied usw. lebten. Aus ihren Berichten geht hervor, dass sie auch die ungetauften Indianer respektierten und die indianische Weltansicht und Religion nicht als zu verdammenden Irrglauben ansahen. Wegen der vielen krankheitsbedingten Todesfülle und der Zersplitterung der Stämme in getaufte und nicht getaufte waren die Huronen (oder Wendat, wie sie sich selber nannten) mehr und mehr geschwächt und konnten sich kaum gegen die überlegenen und gut mit Waffen versorgten Irokesen wehren, so dass das Fort 1649 von den Missionaren aufgegeben und nieder gebrannt wurde. Die Missionare und ihre Anhänger, ca 300 getaufte Indianer, flohen nach 'Christian Island', wo ein Teil der Indianer verhungernd am neün Glauben festhielt, ein anderer Teil abwanderte und sich anderen Stämmen anschloss. Die Jesuiten wurden gefangen genommen und zu Tode gefoltert. Ein Gerücht besagt, dass sie auch verspeist wurden. Sie wurden später, gemeinsam mit sechs weiteren Jesuiten als Martyrer selig gesprochen. Inhalt 21 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 17. Weitere Dezimierung Die Kolonisierung ging im Bereich der heutigen USA und dem heutigen Kanada unterschiedliche Wege. Manche John Wayne und ähnliche Filme zeigen in etwa den 'Amerikanischen Weg': take it, take it all. (nimm gleich alles) Diese Mentalität ist erschreckender Weise auch heute noch erhalten und wird von maßgeblichen Leuten sogar offen propagiert. Donald Trump, Kandidat der Republikaner z. B. meinte während eines Interviews zum Thema Lybien : 'I would go in there, take the oil and stuff the baby' (Ich würde da reingehen, das Öl nehmen und ...?) Keiner weiß was 'stuff the Baby' bedeutet. (stuff up: make a mess of something, etwas verwüsten) oder im gleichen Interview: 'normalerweise, wenn ich irgendwo einen Krieg mache und gewinne, dann gehört das Land mir'. Aber diese Sprüche waren Gott sei Dank selbst vielen Amerikanern zu viel, so dass Trump weniger in der Öffentlichkeit auftaucht. Inhalt 22 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 18. Der Amerikanische Weg Oder nehmen wir die Geschichte General Custer, leider immer noch von vielen als Nationalheld verehrt. Nachdem der Civil War beendet war brauchte man neü Feinde. Das waren natürlich die Indianer. Die Black Hills in South Dakota waren als Indianer Reservat (d.h. Ghetto) ausgewiesen. Kundschafter Custers, die dort eigentlich nichts zu suchen hatten fanden aber Gold in dem Gebiet. So Rückte Custer mit seiner Kavallerie an. Zu der Zeit hatten aber einige Stämme der Cheyenne und Lakota ein Treffen um über ihr zukünftiges Leben zu beraten. Mit vereinten Kräften konnten sie Custer vernichtend schlagen, wobei er selbst um kam. Folgende Rachefeldzüge der Armee haben dann allerdings die Indianer besiegt. Das Gebiet war folglich für die Ausbeutung durch Weiße gesichert. (s. Entstehung von dem Ort 'Deadwood'. Im Süden der USA ging man genauso mit den Apachen um bis sie halb verhungernd in ihren Reservaten aufgaben und ihr Anführer 'Geronimo' mit Gefolge nach Florida deportiert wurde. Angeblich für zwei Jahre, aus denen dann aber 22 Jahre wurden. Durch die ganze Geschichte zieht sich ein Wortbruch und Betrug nach dem anderen. Bei einem Treffen Geronimos mit Captain Henry Lawton, der Respekt vor der Tradition der Indianer hatte, fragte Geronimo: 'das Land ist so groß,warum wollt Ihr alles?' Lawton wusste keine Antwort. Er hatte seine Befehle und nahm Geronimo gefangen. Er wurde anschließend auf einen unbedeutenden Posten im Norden versetzt und die indianischen Scouts die ihm geholfen hatten Geronimo auf zu spüren wurden verhaftet und in Gefängnisse gesteckt. Wahrscheinlich sollte so wenig wie möglich über die Vorgänge in die Öffentlichkeit gelangen. Inhalt 23 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 19. Und Canada Die 'Eingliederung' oder 'Umfunktionierung' der Indianer hier verlief anders. Es fällt mir schwer ein geeignetes Wort dafür zu finden. Der Unterschied zu den Staaten mag auch in der Natur des Landes liegen. Hier fanden die Siedler, von Osten kommend, zunächst nur fast undurchdringliche Wälder, Seen und Sümpfe vor. Weitere Entfernungen wurden fast ausschließlich auf Wasserwegen zurück gelegt. So wurden an die Siedler deutlich kleinere Parzellen vergeben als im Süden. Zunächst ausschließlich entlang der Wasserwege. Die ersten Kriege fanden zwischen Franzosen und Engländern statt und nicht gegen die Indianer. Diese wurden zwar durch Bündnisse wie man es gerade brauchte mit hinein gezogen und dabei natürlich auch auf gerieben, aber nach Beendigung dieser Kriege ging die Besiedlung langsam zwar, aber relativ friedlich voran. Es fand ein reger Handel zwischen Siedlern und Indianern statt. Viele der Siedler - es herrschte ein ständiger Männer überschuss heirateten eine Indianerin. Als Beispiel sind die 'Metis' zu nennen, ein Indianerstamm, dessen Mitglieder eindeutig 'nativ' und 'eurasisches' Erbgut haben. Viele dieser Indianer haben französische Vorfahren. In einer solchen Vermischung sind natürlich Kriege weniger häufig. Auch hier gibt es Reservate, die offiziell 1876 eingerichtet wurden. Immer noch gibt es Streitereien bis hin zu Aufständen wenn einzelne 'Bands' sich um ihre Rechte betrogen fühlen. Zu dem Verhältnis Bevölkerung-Indianer später mehr. Inhalt 24 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas 20. Umerziehung - Entwurzelung Ein riesiges Problem haben die 'Umerziehungsmaßnahmen' der Engländer geschaffen. Möglicherweise haben sie in gutem Glauben aber bar jeder Menschenkenntnis und ohne Blick für die Zukunft gehandelt. Sie haben die Kinder der Indianer eingesammelt wie Obst oder Kartoffeln, entführt und fernab ihrer Heimat in Umerziehungsheime gesteckt. Dies waren mehr oder weniger Gefängnisse. Die Heime standen unter Aufsicht der Römischen und der Anglikanischen Kirchen. Die Kinder bekamen 'christliche' Namen, durften bei Strafe ihre Sprache nicht benutzen und natürlich ihr Gefängnis nicht verlassen. Mit ca. 16 Jahren wurden sie dann in eine ihnen völlig fremde Welt entlassen. Sie wussten nicht wie sie wirklich hießen, wo sie geboren waren, kannten ihre Eltern und Geschwister nicht. Das heißt, sie waren entwurzelt und zudem ohne Zukunft, da sie auch keine Vergangenheit hatten außer den zum Teil schrecklichen Erinnerungen an ihr Gefängnis, wo viele von ihnen von den Personen, denen sie ausgeliefert waren missbraucht wurden. Erst nach und nach kamen diese schrecklichen Geschichten in die Öffentlichkeit. Wie ist es möglich, von einem Baum, dem man die Wurzeln abschneidet noch Früchte zu erwarten? Ich sprach mit einem dieser Entwurzelten auf einem Pow Wow zu dem ich eingeladen war. Er heißt Josef, obwohl ihm das nicht gefällt; er wüsste lieber seinen richtigen Namen; er wüsste gerne wo er her stammt und wer seine Eltern sind, ob sie überhaupt noch leben. Wenn er wenigstens wüsste, welches sein eigener Stamm war. Er wurde auch mit 16 auf die Straße gesetzt, von einer jüdischen Familie adoptiert. 'Was soll ich jetzt glauben? An was kann ich glauben? Welcher Gott ist der richtige?' Für mich ist es kein Wunder, dass das Alkoholproblem in den Reservaten weit verbreitet ist. Das hat zumindest zwei Gründe: zum einen die Entwurzelung und zum zweiten, wie man die einzelnen Tribes in ihren Reservaten für ihr verlorenes Land entschädigt: mit Geld. Das heißt, sie bekommen regelmäßig Geldzahlungen ohne dass eine Leistung erforderlich ist. Dies ist in jedem Land 25 Hubert Latzel, kurzer Einblick in die Geschichte Kanadas dieser Welt der Tod jeden Ehrgeizes, etwas zu schaffen. Das Gefühl für den Zusammenhang Arbeit-Lohn-Leben geht absolut verloren oder kommt gar nicht erst auf. Das Interesse an einer Ausbildung um einen Beruf ausüben zu können um sich selbst und Familie zu versorgen ist dann auch erschreckend gering. Die einst geschlossenen Verträge sind im Nachhinein gesehen ein großer Fehler, dass weiß hier mittlerweile jeder. Aber wie da heraus kommen? Siehe Griechenland: keiner will die Rente, die er nach des Vaters Tod einfach weiter kassiert hat aufgeben. Es ließ sich so gut damit leben. Inhalt 26