wissenschaft & forschung | Begutachtetes Original Eingereicht: 8. 12. 2007 Akzeptiert: 4. 4. 2008 Die HIV-Infektion ist eine unheilbare, chronische Infektionskrankheit. Sie fordert Millionen von Toten und beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vieler Schwellen- und Entwicklungsländer, vor allem in Afrika. Es gilt daher, sowohl die weitere Ausbreitung des HI-Virus einzudämmen als auch die Beschwerden der bereits Betroffenen zu lindern und deren Lebensqualität und Arbeitskraft möglichst lange zu erhalten. Schlüssel dazu ist u. a. eine auf die Krankheitsphase abgestimmte Ernährung. Zur Umsetzung von Ernährungsempfehlungen für HIV-infizierte Menschen in Schwarzafrika Einleitung Dipl.-Ing. (FH) Estelle Anaëlle Nguewo1 Bisher lagen nur allgemeine Ernährungsempfehlungen zur Ernährung HIV-Infizierter vor [1, 2, 3]. Empfehlungen und konkrete Speisenvorschläge, die die spezifische Ernährungs- und Versorgungssituation in Afrika berücksichtigen, fehlten. In diesem Beitrag werden Ernährungsempfehlungen und beispielhafte Speisepläne vorgestellt, die auf die Verhältnisse in Schwarzafrika abgestimmt sind [4]. Die grundlegenden Aussagen gelten selbstverständlich generell. Interaktion zwischen Ernährung und HIV-Infektion Die Interaktionen zwischen Ernährung und HIV-Infektion sind vielfältig. Ein Mangel an Vitamin A kann beispielsweise bereits den Durchtritt des HI-Virus in der Vaginalschleimhaut durch Störungen im epithelialen Gewebe begünstigen [5]. Gleiches gilt für Selenmangel [6]. Die auf die Ansteckung folgende asymptomatische Phase kann jahre- bzw. jahrzehntelang andauern, abhängig von der allgemeinen gesundheitlichen Konstitution und der Ernährungssituation der frisch infizierten Person [2]. Je höher 334 Ernährungs Umschau | 6/08 die Viruslast ist, desto schneller wird das Immunsystem zerstört und die Anzahl von CD4-Helferzellen sinkt ab. In der folgenden symptomatischen Phase können beim geschwächten Immunsystem verschiedene Erkrankungen und Symptome allgemeiner Art auftreten, die im Vollbild AIDS enden. Das Immunsystem ist so beeinträchtigt, dass es nicht mehr vor Krankheitserregern schützen kann. So können sich bestimmte AIDS definierende Krankheiten entwickeln (z. B. Infektionen, Tumore), die das Immunsystem schließlich zusammenbrechen lassen und zum Tode führen [7]. Auch diese Zeit bis zum Zusammenbruch des Immunsystems ist individuell unterschiedlich [8]. Nach einer Infizierung sichert eine langfristig ausgewogene Ernährung die optimale Widerstandfähigkeit des Körpers gegenüber Krankheitserregern, indem sie beispielsweise dazu beiträgt, krankheitsbedingte Energieverluste zu kompensieren und die Funktionsfähigkeit der Organe zu erhalten. Vor allem muss der Organismus ausreichend mit jenen Nährstoffen versorgt werden, die in der Immunabwehr oder beim Aufbau von Körpersubstanz wirksam sind. Bei den Mikronährstoffen sind dies v. a. die Vitamine A sowie β-Carotin, Thiamin, Ribo- Weitere Autoren Gertrud Winkler1, Lazare Kaptué2 1 Hochschule AlbstadtSigmaringen, Fakultät Life Sciences, Sigmaringen 2 University of Yaoundé I, Faculty of Medicine and Biomedical Sciences, Yaoundé, Kamerun Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Gertrud Winkler Hochschule AlbstadtSigmaringen Fakultät Life Sciences Anton-Günther-Str. 51 72488 Sigmaringen E-Mail: winkler @fhs-albsig.de Glossar Viruslast = Konzentration infektiöser Viruspartikel im Blut bzw. im Gewebe flavin, Niacin, Vitamin B6, Folsäure, Pantothensäure, Biotin, Vitamin B12 und E und die Spurenelemente Zink, Selen, Kupfer, Eisen und Mangan [3, 9, 10]. Bei je etwa einem Drittel der HIV-Infizierten konnte ein Mangel an Vitamin B12 sowie an Vitamin B6 bereits in der asymptomatischen Phase nachgewiesen werden [10]. Wenn ein Mangel an Vitamin A, B12, aber auch Zink behoben wurde, konnte eine Verzögerung des Auftretens von AIDS beobachtet werden [11]. Weiterhin wurde gezeigt, dass eine hohe Einnahme von Vitamin E den HIV-Infektionsverlauf verzögert [12]. Da die Reaktion des Immunsystems bei der Virusvermehrung zu erhöhtem oxidativem Stress führt, ist generell eine ausreichende Versorgung mit antioxidativen Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen anzuraten [9, 10]. Die Einnahme von Multivitaminen verlangsamte bei schwangeren HIV-infizierten Frauen in Tansania das Fortschreiten der HIV-Infektion, stabilisierte die CD4-Zahlen und reduzierte die Viruslast und die Mortalität [13]. Vitamin A dagegen schien die Wirkung der Multivitamine zu reduzieren und hat bei alleiniger, hoch dosierter Gabe negative Auswirkungen. Eine übermäßige Einnahme von Vitamin A aber auch von Zink erhöht die Mortalität HIV-Positiver [12, 13]. Mangelernährung und Wasting-Syndrom sind Hauptfolgen einer HIV-In- fektion. Sie sind entweder direkt durch die Krankheit bedingt oder indirekt durch die zur Behandlung der Krankheit eingenommenen Medikamente [14]. Häufige Ursachen für eine Mangelernährung bei HIV-Infizierten sind eine verminderte Nahrungsaufnahme sowie Malabsorption und Stoffwechselveränderungen, u. a. bedingt durch systemische Regulationsstörung des Immunsystems, sekundäre opportunistische Infektionen, direkte Organschädigung des Nervensystems oder des Gastrointestinaltraktes und soziale und psychische Folgen der Erkrankung wie z. B. Diskriminierung und Ausgrenzung, Verarmung, Depression etc. Außerdem haben die meisten HIV-Infizierten einen erhöhten Grundumsatz mit parallel steigendem Nährstoffbedarf, vor allem in der symptomatischen Phase. Dies kann eine Folge von Fieberschüben, Infektionen oder bestehenden HIV-assoziierten Tumoren sein [9]. Beim Wasting-Syndrom ist die Gewichtsabnahme durch einen Verlust von Körperzellmasse – vor allem Muskelzellprotein – charakterisiert. Das Wasting-Syndrom tritt bei 10–30 % der infizierten Personen bereits am Anfang der Infektion auf, entwickelt sich aber fast immer im Endstadium der Infektion (mehr als 90 % der Fälle gehen mit einer hochgradigen Kachexie einher). Daraus folgt eine Reduzierung der Überlebenszeit sowie eine Ver- schlechterung der Lebensqualität, die gekennzeichnet ist durch Schwäche und Müdigkeit [10, 14]. Interaktion von HIVMedikation und Ernährung Das primäre Ziel der HIV-Medikation besteht darin, die Replikation des HIVirus zu hemmen, das Auftreten von opportunistischen Infektionen und AIDS definierender Krankheiten zu bremsen und zu einer besseren Immunrekonstitution zu führen. Auf diese Weise werden die Progression der Krankheit verzögert und die Lebensqualität verbessert [15]. Allerdings beeinträchtigen die Medikamente die Nahrungsaufnahme der HIV-infizierten Personen erheblich (쏆 Tabelle 1; alle aufgeführten Medikamente werden, neben weiteren, auch in Deutschland angewendet.). Weiterhin haben auch viele der gegen opportunistische Infektionen eingenommenen Medikamente einen Einfluss auf die Ernährung. 쏆 Tabelle 2 zeigt die Nebenwirkungen von in Afrika häufig eingesetzten Medikamenten. Ziele der Ernährungstherapie Die obersten Ziele der Ernährungstherapie bei HIV-Infektion sind der Erhalt des Gewichtes im Frühstadium bzw. die Gewichtszunahme in der symptomati- Substanzgruppe Wirkstoff (Handelsname) Nebenwirkungen mit Bezug zur Ernährung Dosierung (Kapseln / Tabletten pro Tag) Nukleosidanaloga oder Nukleosidische Reverse-TranskriptaseInhibitoren (NRTI) Emtriva (Emtricitabin) Übelkeit, Diarrhö 1 × 200 mg, mahlzeitenunabhängig Retrovir (Zidovudin) Übelkeit, Magen-DarmBeschwerden 2 × 250 mg 2 × 300 mg mahlzeitenunabhängig, mit Flüssigkeit Videx (Didanosin) Übelkeit, Diarrhö 2 × 200 mg 2 × 100 mg, nüchtern Ziagen (Abacavir) Übelkeit, Erbrechen, Fieber 2 × 300 mg, mahlzeitenunabhängig Nukleotidanaloga (NtRTI) Viread (Tenofovir) Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen 1 × 300 mg, zu fettreichem Essen Proteaseinhibitoren (PI) Crixivan (Indinavir) Nierensteine, Fettstoffwechselstörungen 3 × 800 mg, nicht mit fettund eiweißreichem Essen Norvir (Ritonavir) Übelkeit, orale Parästhesien, Diarrhö, Geschmacksveränderung 2 × 600 mg, zu den Mahlzeiten Viracept (Nelfinavir) Diarrhö 2 × 1 250 mg, zu den Mahlzeiten In Deutschland befinden sich neben diesen auch weitere Medikamente auf dem Markt Tab. 1: Ausgewählte, in Afrika verwendete HIV-Medikamente und deren Nebenwirkungen mit Bezug zur Ernährung [nach 4, 9, 16] Ernährungs Umschau | 6/08 쑺 335 wissenschaft & forschung | Begutachtetes Original Glossar CD4 = T4-Lymphozyten, Subtyp weißer Blutkörperchen; hier Maß für schen Phase sowie die bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr, um ernährungsabhängige Beschwerden zu lindern, die Aktivität zu steigern sowie Krankenhausaufenthalte zu vermeiden oder zu verkürzen [18]. die Funktionsfähigkeit der Immunantwort Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr bei HIV-Infektion Wasting-Syndrom = Symptomenkomplex aus Auszehrung (Kachexie), Diarrhö und Fieber bei AIDS und anderen Immunschwächen Der Energiebedarf HIV-Infizierter steigt um 10–15 %, insbesondere in der symptomatischen Phase [17]. Der Proteinbedarf bei HIV-Positiven liegt zwischen 1,2 und 2,0 g/kg Körpergewicht und Tag, kann aber in der symptomatischen Phase bis auf 3,0 g/kg Körpergewicht und Tag steigen [19, 20]. Eine schwangere HIVInfizierte in der symptomatischen Phase braucht sogar 20–30 % mehr Energie und 50–100 % mehr Protein [21]. Kohlenhydrate sollen circa 60 % der Gesamtenergiezufuhr decken und die Zufuhr von Fetten sollte zwischen 1,2 und 1,8 g/kg Körperge- wicht liegen [19] (Details siehe 쏆 Tabelle 3). Je akuter das Wasting-Syndrom, desto energiereicher sollte die Ernährung sein. Generell wird empfohlen, die Nährstoffzufuhr vom Krankheitsstadium und Individuum abhängig zu machen und je nach Medikation zu variieren [9, 10]. Praktische Umsetzung der Ernährungstherapie in Schwarzafrika Da die Prävention von Lebensmittelinfektionen vorrangig ist, wird hier zuerst auf die Trinkwasser- sowie die Lebensmittel- und Küchenhygiene und dann auf die Umsetzung der Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr eingegangen. Trinkwasserhygiene In vielen afrikanischen Ländern verfügen insbesondere auf dem Land nur wenige Haushalte über Leitungswasser. Verunreinigtes Wasser ist eine der Hauptursachen für bakterielle Infektionen [22]. Bei HIV-Infizierten sollte daher besonders auf die Trinkwasserhygiene geachtet werden. Beispielsweise sollte der Brunnen sauber und immer zugedeckt sein. Um schädliche Mikroorganismen abzutöten, sollte das Wasser mindestens 5 Minuten lang sprudelnd abgekocht werden. Danach sollte es erkalten und dann filtriert werden, um chemische Verunreinigungen zu entfernen. Anleitungen zum Bau einfacher, aber wirksamer Wasserfilter sind vorhanden (z. B. in [1]). Zur Lebensmittel- und Küchenhygiene Zum Schutz vor Lebensmittelinfektionen sind Regeln zur Lebensmittelund Küchenhygiene insbesondere für HIV-Infizierte äußerst bedeutsam. So sollten möglichst frische Lebensmit- Wirkstoff (Handelsname) Indikation Nebenwirkungen mit Bezug zur Ernährung Einnahme-Empfehlungen Chloroquine Malaria Magenschmerzen, Diarrhö, Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen. zum Essen; nicht empfohlen für Stillende Fluconazole orale Candidose Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö. (Candidose buccale) Isoniazide Tuberkulose Mögliche Unverträglichkeit mit Lebensmitteln wie nüchtern, z. B. Bananen, Bier, Avocado, koffeinhaltigen Getränken, mindestens 1–2 Std. Schokolade, Wurst, trockenem Fisch, Hefe und Jogurt. vor dem Essen Kann die Aufnahmefähigkeit des Körpers für Vitamin B6 stören und eine Supplementierung mit Vitamin B6 nötig machen. Nystatine Soor (Selten) Diarrhö, Erbrechen, Übelkeit zum Essen Chinin Malaria Bauch- oder Magenbeschwerden, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Senkung des Blutzuckerspiegels zum Essen Rifampicine Tuberkulose Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Appetitverlust nüchtern, mindestens 1–2 Std. vor dem Essen Sulfadoxine und Pyrimethamine (Fansidar) Malaria Übelkeit, Erbrechen. zum Essen, nicht empfohlen bei Folsäuremangel und für Stillende, viel Wasser trinken Sulfamide, Sulfamethoxazole, Cotrimoxazole (Bactrim, Septra) Pneumonie und Toxoplasmose Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen zum Essen zum Essen; kann von Stillenden eingenommen werden Tab. 2: Ausgewählte, in Afrika gängige Medikamente gegen opportunistische Infektionen und deren Nebenwirkungen mit Bezug zur Ernährung [nach 4, 17] 336 Ernährungs Umschau | 6/08 tel gewählt werden, die beispielsweise von den Erzeugern am frühen Morgen auf dem Markt angeboten werden. Vor allem. Lebensmittel, die roh gegessen werden (z. B. Obst, Gemüse), sollten vor der Zubereitung mit sauberem, gefiltertem Wasser gewaschen werden. Alle Fleisch- und Fischspeisen müssen durchgekocht sein. Speisen sollen nicht lange warm gehalten werden. Speisereste sollen gut abgedeckt und – wenn vorhanden – im Kühlschrank oder in sauberen Kühlgruben aufbewahrt werden. Bei der Zubereitung von Lebensmitteln müssen rohes Fleisch, Fisch und Geflügel von verzehrfertigen Lebensmitteln ferngehalten werden. Lebensmittel sollen in einer sauberen Umgebung vorbereitet werden, d. h. die Kochstelle (meist Holzfeuer) sollte an einem sauberen Ort liegen, das verwendete Geschirr und Besteck müssen sauber sein, Küchenlappen müssen ebenfalls sauber sein und sollten regelmäßig ersetzt werden. Der Mülleimer muss möglichst weit von gelagerten Lebensmitteln und der Stelle, an der Lebensmittel zubereitet werden, entfernt stehen und zugedeckt sein. Auf die persönliche Hygiene ist zu achten, vor allem wenn – wie traditionell bei vielen Speisen üblich – mit den Händen gegessen wird [3, 4]. Praktische Umsetzung der Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr Biologisch hochwertige Proteine dürfen in der täglichen Ernährung der HIV-positiven Personen nicht fehlen, wobei hochwertige pflanzliche Proteine bevorzugt werden sollten. Neben Fleisch, Fisch und Milchprodukten können als Proteinquellen kostengünstige lokale Lebensmittel (z. B. getrocknete Raupen mit einem Proteingehalt von 71 g/100 g) und Kombinationen pflanzlicher Lebensmittel mit hoher biologischer Wertigkeit herangezogen werden (z. B. Bohneneintopf mit Erdnuss-Soße und Mais) sowie Soja, das zusätzlich Flavonoide und hochwertige Fettsäuren liefert. Es sollten reichlich (Voll- Zufuhrempfehlungen pro Tag WHO/FAOD-A-CH-Referenzwert HIV-Infizierter Referenzwert 2000 Nährstoff Energie 24–42 kcal/kg KG 25–35 kcal/kg KG >25 - 35 kcal/kg KG1 Protein 10–15 en% 0,8 g/kg KG 1,2 bis 2 g/kg KG Kohlenhydrate 55–75 en% 55 en% 2–5 g/kg KG (60en%) Fette 15–30 en% 25–30 en% 1,2–1,8 g/kg KG2 Flüssigkeit 1,04–1,63 Liter 3 1,5–2 Liter 2–3 Liter Vitamin A 0,5–0,85 mg Ä Vitamin E 7,5–10 mg Ä 4 Vitamin C 45–70 mg 100 mg 200–500 mg Vitamin B1 (Thiamin) 1,1–1,5 mg 1–1,3 mg 3,0–7,5 mg Vitamin B2 (Riboflavin) 1,0–1,6 mg 1,2–1,5 mg Vitamin B3 (Niacin) 14–18 mg Ä 5 0,8–1,5 mg Ä 3 12–17 mg Ä 13–17 mg Ä 4 1,3–3,0 mg 30–300 mg 3,4–8,5 mg 5 38–95 mg Vitamin B6 (Pyridoxin) 1,3–2,0 mg 1,2–1,5 mg 4–10 mg6 Vitamin B12 (Cobalamin) 2,4–2,8 μg 3 μg 4–10 μg Zink 4,9–10 mg 7–10 μg 15 mg 1 beim Wasting-Syndrom. Allerdings sollte tierische Fette vermieden werden wegen Gefahr von zu hoher Cholesterinzufuhr. 30 en% beim Wasting-Syndrom und überwiegend aus pflanzlichen Fetten und Omega-3/6-Säuren. 3 Retinol mg-Äquivalent 4 Tocopherol mg-Äquivalent 5 Niacin mg-Äquivalent 6 empfohlen vor allem für HIV-Infizierten, die unter Tuberkulose leiden und Isoniazide nehmen. 2 Tab. 3: Aktuelle Empfehlungen zur Zufuhr ausgewählter Nährstoffe für HIVinfizierte Personen verglichen mit den D-A-CH Referenzwerten 2000 [9, 19, 20, 23] korn-) Getreideprodukte und stärkereiche Lebensmittel (z. B. Kartoffeln, Süßkartoffeln, Yams, Maniok, Kochbananen) verzehrt werden, die außerdem reichliche Ballast- und Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe enthalten. Die WHO-Empfehlung „Nimm 5 am Tag“ für Obst und Gemüse deckt den Bedarf an Antioxidanzien. Als Fette sollten vorwiegend Pflanzenöle (Sojaöl, Erdnussöl) verwendet werden. 쏆 Tabelle 4 zeigt Speisepläne auf der Basis lokaler Lebensmittel, die diese Empfehlungen umsetzen. Tipps bei speziellen Ernährungsproblemen Im Laufe einer HIV-Infektion können diverse Probleme und Erkrankungen auftreten, die die Ernährungssituation negativ beeinflussen, u. a. Appetitlosigkeit, Kau- und Schluckbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Laktoseintoleranz, ungewollte Gewichtsabnahme (WastingSyndrom) und weitere Stoffwechselstörungen. Vielen dieser Probleme kann mit relativ einfachen Mitteln begegnet werden [1, 3, 17], was hier an drei Beispielen verdeutlich werden soll: ■ Appetitlosigkeit tritt oft sehr früh auf und kann bedingt sein durch die Krankheit selbst, durch Medikamente oder emotional (z. B. durch den in einigen afrikanischen Gesellschaften noch üblichen gesellschaftlichen Ausschluss HIV-Infizierter). Besser als vollgeladene, aber nicht leer gegessene Teller sind häufige kleine Mahlzeiten. Sie sollten abwechslungsreich und appetitlich angerichtet sein. Der Appetit kann stimuliert werden, indem persönliche Lieblingsspeisen angeboten werden. Essen in der Gesellschaft lenkt vom Leidensdruck ab und erhöht die Nahrungsaufnahme. Ernährungs Umschau | 6/08 337 쑺 wissenschaft & forschung | Begutachtetes Original ■ Bei Kau- und Schluckbeschwerden eignet sich eine dickflüssige, pürierte Kost. Die Komponenten sollten einzeln gestampft, püriert oder zerkleinert sein. Eine hochkalorische Zubereitung durch eine gezielte Auswahl energie- und stärkereicher Lebensmittel wie Avokado, Süßkartoffeln u. a. ist dabei besonders wichtig, da aufgrund der Beschwerden nur kleine Mengen gegessen werden können. Als Hausmittel bei Kau- und Schluckbeschwerden werden auch Sauermilch oder Naturjogurt empfohlen. Bei oralen Parästhesien sind Alkohol, säuerliche Fruchtsäfte sowie scharf gewürzte Speisen (z. B. „Sauce jaune“) zu vermeiden, die die Mundschleimhaut zusätzlich irritieren könnten. ■ Bei Übelkeit und Erbrechen sind alle Speisen, die individuelle Aversionen verursachen, zu meiden. Übelkeit und Erbrechen können durch langsames Essen und gründliches Kauen reduziert werden. Auf zu süße, fettige (z. B. frittierte Le- bensmittel wie Beignets) oder stark gewürzte Speisen sollte verzichtet werden. Gut verträglich sind häufig trockene Lebensmittel wie altbackenes Weißbrot, säuerliche Lebensmittel (Ananas, Brei aus eingeweichtem Maniok) oder klare Brühen, Hirsebrei oder Kartoffelpüree. Bewegung kann in vielen Fällen die Übelkeit reduzieren. Fazit Neben der zentralen Bedeutung der Trinkwasser-, Lebensmittel- und Küchenhygiene ist die bedarfsgerechte, abwechslungsreiche und protein- und energiereiche Ernährung eine wichtige Voraussetzung, um bei einer HIVInfektion möglichst lange leistungsfähig zu bleiben. Der lange Erhalt der Leistungsfähigkeit HIV-Infizierter ist insbesondere in afrikanischen Ländern von höchster Priorität, da dort ein hoher Anteil an Menschen mittlerer Alters infiziert ist, deren Ausfall die Versorgung der jüngeren und älteren Generation sowie die gesamtwirt- schaftliche Entwicklung gefährdet. Die gezeigten Speisepläne und Tipps zeigen, dass bedarfsgerechte Ernährung mit lokalen Lebensmitteln und beschränkten finanziellen Mitteln möglich ist. Dazu müssen allerdings die Empfehlungen Verantwortlichen und Betroffenen zugänglich gemacht werden. Angedacht ist, in Kooperation mit dem Gesundheitsministerium Kameruns zu dieser Thematik ein dezentrales Multiplikatorensystem zu etablieren. Danksagung und Anmerkungen Ein mehrmonatiger Forschungsaufenthalt in Kamerun wurde durch ein Baden-Württemberg-Stipendium gefördert. Für die freundliche Zusammenarbeit sei dem kamerunischen Gesundheitsministerium herzlich gedankt. In der Hoffnung, diese Empfehlungen und Speisepläne in Afrika zugänglich zu machen, werden sie auch im Panafrican Medical Journal online veröffentlicht. Frühstück VormittagsSnack Mittagessen NachmittagsSnack Abendessen AbendSnack Maisbrei mit Milch Tee Beignets Obst Jogurt oder fermentierte Milch Banane geröstete Erdnüsse Krautsalat Kürbiskernsoße Rindfleisch Vollkornreis Obst Kochbananenchips Sojamilch Blattgemüse mit Tomaten Trockenscampis Maniok Milch Obst* Sojabrei mit Erdnusscreme Milch Brot Avocado, Tomate Obst* Fruchtsaft Sojabohnenkeime Karotte Bunter Salat Kartoffeln gebratene grüne Bohnen mit Karotten Fisch Obst* Obstsalat Beignets Gemüsesuppe Brot Tee Obst* Beignets Bohnensoße Fruchtsaft Milch Joghurt oder fermentierte Milch Brot Margarine Tomate Karottensalat Grünes Blattgemüse in Tomatensoße mit Trockenfisch Obst Sojabohnenkeime Banane Gemüserisotto Grüner Salat Tee Obstsalat* Brot Avocado Milch Obst* Kochbananenchips Fruchtsaft Couscous aus Vollkornmais Grünes Blattgemüse in Erdnuss-Soße Fleisch und Trockenscampis Tomatensalat Gegrillte Maiskolben Gebratenes Gemüse Tomatensoße Nudeln Milch Obstsalat* *Obst der Saison/Region Tab. 4: Speisepläne für HIV-infizierte Personen, abgestimmt auf die Ernährungsgewohnheiten und Versorgungslage in Schwarzafrika [4], die die Zufuhrempfehlungen erfüllen. (Die Speisenvorschläge für eine Mahlzeit können getauscht werden) 338 Ernährungs Umschau | 6/08 Literatur 왎 1. Epstein L: Une alimentation saine pour les personnes vivant avec le VIH/SIDA. Reseau africain des personnes vivant avec le VIH/SIDA. Dakar, Nairobi: Hope Production, 1995 2. FANTA: HIV/AIDS: A Guide For Nutrition Care and Support. Washington: Academy for Educational Development. 2001 3. FAO, WHO: Vivre au mieux avec le VIH/SIDA: Un manuel sur les soins et le soutien nutritionnels á l´usage des personnes vivant avec le VIH/SIDA. Rome: FAO, 2003 4. Nguewo EA: Ernährungsempfehlungen für HIV-infizierte Menschen – Entwicklung eines praktischen Leitfadens für Kamerun. Diplomarbeit an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, 2007 5. Semba R (1998) The role of vitamin A and related retinoids in immune function. Nutr Rev 56: 38–48 6. Baeten JM, Mostad S, Hughes M et al. (2001) Selenium deficiency is associated with shedding of HIV-1-infected cells in the female genital tract. 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Neben der Vermeidung von Neuinfektionen ist es daher wichtig, u. a. durch eine adäquate Ernährung die Lebensqualität und Arbeitskraft HIV-Infizierter möglichst lange zu erhalten. Zur vorrangigen Prävention von Lebensmittelinfektionen wurden praktikable Tipps zur Trinkwasser-, Lebensmittel- und Küchenhygiene erarbeitet. Um die Zufuhrempfehlungen für HIV-Infizierte praktisch umsetzen zu können, wurden weiterhin bedarfsgerechte Speisenvorschläge mit lokalen Lebensmitteln und für beschränkte finanzielle Mittel entwickelt, die die spezifische Ernährungs- und Versorgungssituation in Schwarzafrika berücksichtigen. Sie könnten über ein dezentrales Multiplikatorensystem verbreitet werden. Summary Implementation of nutritional recommendations for HIV-infected individuals in black Africa Estelle Anaëlle Nguewo, Gertrud Winkler, Lazarre Kaptué, Hochschule AlbstadtSigmaringen and University of Yaoundé, Kamerun The HIV infection affects the economic strength of many countries, predominantly of those in Africa. Besides the prevention of new infections it is essential therefore to ensure life quality and capacity for work of HIV-infected individuals for a period as long as possible. To prevent food-related infections, practicable recommendations for drinking water-, foodand kitchen hygiene have been developed. For the use of recommendations for nutrient supply in practice, diets for restricted financial means, meeting individual requirements and consisting of locally available food have been prepared which take the specific nutritional and supply situation in black Africa into account. They may be disseminated via a decentralized system of multiplicators. Keywords: AIDS, HIV, prevention of infections, Africa, food hygiene, emaciation Ernährungs Umschau 55 (2008) S. 334–339 Ernährungs Umschau | 6/08 339 쎱