HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT III Fakultätsinstitut Sozialwissenschaften Stadt- und Regionalsoziologie Working Paper Carsten Benke Kleinstädte in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Historische Entwicklungslinien eines Stadttyps vom Mittelalter bis zur DDR Dezember 2001 Fragestellung Kleinstädte prägen seit Jahrhunderten die Entwicklung und das Siedlungsbild vieler deutscher Regionen. Dieser Siedlungstyp ist trotz seiner Bedeutung von der historischen Forschung lange Zeit stiefmütterlich behandelt worden. In den letzten Jahren hat sich die Geschichtswissenschaft jedoch mit Studien zu Kleinstädten vermehrt diesem Stadttyp gewidmet, womit in Deutschland eine Entwicklung nachvollzogen wird, die sich auch in anderen europäischen Ländern seit geraumer Zeit zeigt. Überblicksdarstellungen, die die historische Entwicklung von Kleinstädten im Rahmen einer ganzen Region und über einen 1 längeren Zeitraum betrachten, existieren bisher jedoch erst in geringer Zahl. Die folgende Darstellung wendet sich mit Nordostdeutschland einem Gebiet zu, das - historisch und bis in die Gegenwart hinein - sehr stark durch kleine Städte geprägt ist. Da Großund Mittelstädte weitgehend fehlen, repräsentieren die Kleinstädte hier in besonderer Weise die städtische Lebensrealität und sind auch für das ländliche Umfeld der entscheidende Bezugspunkt. Dem Untersuchungsraum haftet von jeher der Nimbus der „Rückständigkeit“ an. Diese Einschätzung verknüpft sich traditionell mit der Vorstellung eines rein ländlich geprägten, modernisierungsfeindlichen Gebietes. Die kleinen Städte wurden, wenn man sie überhaupt wahrnahm, bestenfalls als „Ackerbürgerstädtchen“ charakterisiert. Soweit man die Bewohner der Städte als Stadtbürger identifizierte, waren es vor allem die angebliche Stagnation und die „Spießbürgerlichkeit“ des Kleinstadtlebens, die thematisiert wurden. Die historische Betrachtung der Entwicklung der Kleinstädte in diesem Raum, der sich in die drei Teilbereiche Brandenburg, Mecklenburg und Vorpommern gliedert, soll im Folgenden die Entstehung, die Bedeutung und Wandel dieses Stadttyps seit dem Mittelalter, die internen - sozialen, wirtschaftlichen und baulichen - Strukturen und die Beziehungen zum ländlichen Umfeld aufzeigen. Die überblicksartige Darstellung wird sich dabei vor allem auf neuere Forschungen stützen, die zumindest ansatzweise die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Kleinstädte, ihre „städtische Qualität“ und ihre Rolle als Mittler von Modernisierungsprozessen nachzeichnen. Dabei ist vor allem interessant, welche - aktive oder passive - Rolle diese Städte in der historischen Entwicklung ihrer Territorien spielten oder ob sie nur Elemente der „Stagnation“ waren. Ein zentraler Aspekt ist: Wer bewohnte die Kleinstädte? Wie differenziert zeigten sich hier städtische Bevölkerungsstrukturen und Verhaltensweisen? Im Folgenden werden vor allem neue sozialgeschichtliche Forschungsansätze die Grundlage der Beschreibung bilden, die allerdings noch bei weitem nicht ausreichen, um ein umfassendes Bild der sozialen Entwicklung der Kleinstädte zu zeichnen. Der Frühen Neuzeit wird ein breiter Raum eingeräumt, da diese Epoche insbesondere für die später nicht von einer intensiven Industrialisierung betroffenen Städte prägend war. Die Entwicklung der Kleinstädte des Untersuchungsraums wird im Rahmen der allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Geschichte der Territorien analysiert, wobei auf unterschiedliche historische Voraussetzungen der drei Landschaften eingegangen wird. Die Kleinstadt wird nicht als einheitlicher Siedlungstyp beschrieben, sondern in ihren vielfältigen Erscheinungsformen dargestellt. Auch nach den Gründen für unterschiedliche Entwicklungsverläufe einzelner Kleinstädte ist dabei zu fragen. Im Ausblick soll auch in Bezug auf aktuelle Problemlagen skizziert werden, welche negativen oder positiven Prägungen durch die historische Entwicklung heute noch Relevanz besitzen. Insgesamt kann die Arbeit angesichts des langen Betrachtungszeitraums und der schwierigen Forschungslage nur 1 Die Studien konzentrieren sich vor allem auf die Frühe Neuzeit und reichen teilweise bis zum Beginn der Industrialisierung: z.B. für Sachsen: Katrin Keller 2001; für Hessen: Holger Th. Gräf 1995; für Nordwestdeutschland: Oliver Barghorn-Schmidt 2000; der Sammelband: Thomas Rudert und Hartmut Zückert 2001 mit zahlreichen Beiträgen zu Mecklenburg, Brandenburg und Vorpommern; ausführlich zum ostbrandenburgischen Kreis Lebus: Klaus Vetter 1997. 2 einen kursorischen Überblick geben. Das Betrachtungsobjekt „Kleinstadt“ ist zudem nicht einheitlich zu definieren. Die Bezugsgröße verändert sich über den langen Zeitraum der Darstellung. Im 19. und 20. Jahrhundert wird die Entwicklung von Städten betrachtet, die 2 unter 20.000 bzw. unter 15.000 Einwohnern haben. Im Mittelalter sind dagegen nur Städte unter 2.000 oder unter 1.000 Einwohner als Kleinstädte zu charakterisieren. Der Stand der Stadtgeschichtsforschung macht es zudem erforderlich, dass bei einigen grundlegenden stadthistorischen Fragestellungen auch auf Erkenntnisse aus mittleren und größeren Städten zurückgegriffen wird. Der Aufsatz wurde im Wesentlichen im Rahmen des Forschungsprojektes „Kleinstädte in Ostdeutschland - Welche Zukunft hat dieser Stadttyp?“3, das 2000 und 2001 an der Humboldt Universität zu Berlin, Stadt- und Regionalsoziologie durchgeführt wurde, erarbeitet. Die historische Betrachtung der Kleinstadt in der Region Nordbrandenburg und im Binnenland von Mecklenburg-Vorpommern wurde als wichtiger Bestandteil des vor allem sozialwissenschaftlich orientierten Forschungsprojektes angesehen, um aktuelle Probleme und zukünftige Entwicklungschancen der Kleinstädte in einen längeren Zeitablauf einordnen und die bestehenden historischen Prägungen der baulichen, ökonomischen, sozialen und mentalen Strukturen - im positiven wie im negativen Sinne - deutlicher erkennen zu können. Die für den Zwischenbericht erarbeitete Untersuchung wurde weiter ausgebaut, räumlich auf die gesamte Fläche der beiden nordostdeutschen Bundesländer ausgedehnt und durch weitere eigene Forschungen zu brandenburgischen Kleinstädten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und zu Städten in der DDR-Zeit ergänzt. Forschungsstand Der Stand der historischen Kleinstadtforschung ist je nach Zeitepoche und Teilraum sehr uneinheitlich und noch defizitär.4 Insgesamt stellt sich die Forschungslage für Brandenburg günstiger dar. Die brandenburgische Geschichte wurde allerdings häufig zugunsten der Geschichte des Gesamtstaates Preußens vernachlässigt. Zudem zog die größte Stadt Brandenburgs - Berlin - einen großen Teil der Aufmerksamkeit auf sich. Der Stadtgeschichte wurde lange Zeit - insbesondere in Hinblick auf die kleineren Städte - nur begrenzte Aufmerksamkeit gewidmet. Lediglich für das Mittelalter sind schon früh zahlreiche Studien entstanden. Die Frühe Neuzeit wurde für die brandenburgischen Städte - wie in den meisten anderen deutschen Territorien (vgl. Schilling 1993:1f) - lediglich als Epoche des wirtschaftlichen Niedergangs und des politischen Bedeutungsverlustes thematisiert. Die Stadtbewohner erschienen dabei lediglich als passives Objekt der Geschichte. (vgl. Meier 1999: 231) Für das 19. und 20. Jahrhundert beschränkte sich die Forschung auf die Residenzen und die von der Industrialisierung betroffenen größeren Orte, während Kleinstädte kaum untersucht wurden. (vgl. Engel 1999: 82f) Auch nach 1945 blieb die brandenburgische Stadtgeschichte, abgesehen von einigen 5 wenigen Arbeiten , ein zunächst vernachlässigtes Feld. Das überkommene Klischee der brandenburgischen Städte als unbedeutende „Ackerbürgerstädtchen“ setzte sich so lange 2 3 4 5 Die Statistik des Deutschen Reiches bezeichnete Städte (bzw. alle Gemeinden) zwischen 2.000 und 5.000 Einwohner als Landstädte und bis 20.000 als Kleinstädte. Diese Begriffe finden sich teilweise auch in der bundesrepublikanischen und der DDR-Statistik. Diese rein statistisch begründete begriffliche Unterscheidung wird im Folgenden nicht verwendet. Wird der Begriff „Landstadt“ genutzt, so in seiner anderen traditionellen Bedeutung als Bezeichnung für kleine binnenländische Städte. Das Forschungsprojekt wurde finanziert von der Fritz-Thyssen-Stiftung. Projektleitung Hartmut Häußermann und Christine Hannemann, Wissenschaftliche Bearbeitung: Christine Hannemann und Carsten Benke, siehe: Zusammenfassung der Ergebnisse: http://www2.rz.hu-berlin.de/stadtsoz/Forschung/ZF_Kleinstadt.pdf. Siehe dazu auch Überblick bei: Rudert 2001. Als Grundlagenarbeit war die Herausgabe des brandenburgischen Ortslexikons seit 1962 wichtig. Erster Band: Enders 1962. Eine der wenigen Arbeiten speziell zu brandenburgischen Kleinstädten in den 1980er Jahren der westlichen Forschung: Anderlik 1987. 3 6 Zeit fort. Seit den 1980er Jahren entstand jedoch eine Reihe von Arbeiten. Nachdem zunächst vor allem das Mittelalter im Vordergrund stand, hat sich insbesondere zur Stadt- und Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit die Forschung in den letzten Jahren weiterentwickelt.7 Gleichwohl fehlen noch wichtige Erkenntnisse zur Kultur und Lebensweise in den Städten des Mittelalters und der Neuzeit. (vgl. Enders 1999: 75) Das Interesse der Forschung verschiebt sich aber immer mehr zu den kleinen Städten der Mark. Für größere Kleinstädte und Mittelstädte sind schon Monographien erschienen, die deutlich über eine reine historische Chronik hinausgehen und die Wirtschafts- und Sozialgeschichte eingehend untersuchen.8 Für das 19. Jahrhundert und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bestehen weiterhin große Defizite in der Stadtforschung. Die Bedeutung der Erforschung der Sozial- und 9 Politikgeschichte der kleinen Städte ist jedoch erkannt. Ein noch weitgehend unbehandeltes Feld bleibt die Kleinstadtforschung für die Zeit der DDR. (vgl. Hannemann 1999: 13) Insgesamt kann man der Bilanz von Lieselott Enders noch zustimmen: „Besonders vernachlässigt erweist sich die wissenschaftliche Erforschung der Kleinstädte [in Brandenburg]“. (Enders 1999: 70) Die geschilderten Grundtendenzen der Forschung gelten auch für die anderen beiden historischen Landschaften. Pommern wurde seit dem 17. Jahrhundert nur noch als ein Teil Brandenburg-Preußens beschrieben. Mecklenburg wurde, obwohl es immer ein eigenständiges - zumeist zweigeteiltes - Territorium war, ebenfalls vergleichsweise wenig behandelt. Forschungen über Mecklenburg und Vorpommern befassten sich vorrangig mit dem ländlichen Raum (z.B. Entwicklung der Gutswirtschaft, „Bauerlegen“).10 Ein anderer Schwerpunkt der historischen Forschung lag auf den großen Küsten- bzw. Hansestädten. Die Stadtgeschichte, soweit sie nicht die Hansestädte Rostock, Stralsund, Greifswald oder Wismar betraf, wurde vernachlässigt. Die zahlreichen Landstädte stellen jedoch die Mehrheit in beiden Territorien, gegen die die wenigen - meist an der Küste gelegenen - größeren Städte wie Sonderfälle erscheinen. Seit 1990 sind einige neue Überblicksdarstellungen zur Geschichte Mecklenburgs bzw. Mecklenburg-Vorpommerns erschienen, die auch neue Forschungsergebnisse zur Stadtgeschichte aufzeigen.11 Anders als in Brandenburg ist die Kleinstadtgeschichte bis heute noch kaum als Forschungsobjekt erkannt worden. Einzelne Beispiele solcher Forschung gab es jedoch auch zu DDR-Zeiten. Der Schwerpunkt lag hier bei der mittelalterlichen Stadtgeschichte.12 Vergleichsweise wenig ist bis heute zur Geschichte der Landstädte im 19. Jahrhundert geforscht worden.13 Ein Manko ist vor allem, dass die städtische Sozialgeschichte außerhalb der Hansestädte kaum untersucht wurde. In den letzten Jahren sind zumindest für die größeren Städte einige ausführliche wissenschaft14 liche Lokalgeschichten entstanden. Aufgrund der eingeschränkten Forschungslage wird sich die nachfolgende Darstellung stärker auf Brandenburg konzentrieren müssen und für Mecklenburg und Vorpommern nur einen kursorischen Überblick geben. 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Zahlreiche Arbeiten von Evamaria Engel (z.B. 1984: Zur Autonomie brandenburgischer Hansestädte im Mittelalter, in: Konrad Fritze u.a.: Autonomie und Kultur der Hansestädte. Hansische Studien VI. Weimar). Zu einzelnen Städten siehe z.B. zu Straußberg: Barthel 1985. Für Mediatstädte in der Neuzeit: vgl. Göse 1996. Sozial- und Wirtschaftsstruktur von Kleinstädten am Beispiel der Städte Friesack und Freienwalde: vgl. Pröve 1997a. Für Mediatstädte speziell im Kreis Lebus: vgl. Vetter 1996; weitere Arbeiten von Engel z.B. 1997, 1999 und Enders 2001. Beispielhaft zu Neuruppin siehe: Brigitte Meier 1993. In Arbeit ist beispielsweise von Peter Franke: Bürger in der kleinstädtischen Provinz des 19. Jahrhunderts. Sozialhistorische Studien über die Verbürgerlichung ostelbischer Kleinstädte, dargestellt anhand der Provinz Brandenburg (1830-1914) [Arbeitstitel], siehe auch Franke 2001: 416. Schon früh zum Thema „Bauernlegen“ siehe Nichtweiß 1954. Vor allem Mast 1994; Karge/Schmied/Münch 2000 und die Sammelbände Karge 1995; Erichsen u.a. 1995. Z.B. zu Hanse und Kleinstadt: Heidelore Böcker 1989 (sowie 1998a und 1998b). Zur Autonomie von Kleinstädten im Mittelalter: Fritze 1984. Als Beispiel für eine der wenigen Darstellungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert: Heitz 1997 sowie eher zur Politik- und Wirtschaftsgeschichte: Heitz 2001. Sehr umfangreich z.B. für Greifswald: Wernicke 2000. 4 Die Grundlegung des Siedlungssystems: Stadtgründungen des Hochmittelalters Das Gebiet der heutigen Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wurde im frühen Mittelalter von slawischen Völkern bewohnt. In Brandenburg siedelten die Heveller (um Berlin), Ukranen (Uckermark), Sprewanen (Oberspree), Dossanen (an der Dosse in der Prignitz) und Lusizi (Lausitz). (vgl. Schrage 1995: 75) Das Gebiet des heutigen Mecklenburg war ursprünglich besiedelt von den slawischen Stämmen der Obodriten und Luitizen, Vorpommern von den Pommoranen. In dem dünnbesiedelten Raum gab es noch keine Städte im engeren Sinne, jedoch Kaufmanns- und Handwerkersiedlungen bei den zahlreichen Burgen mit durchaus „vorstädtischen“ Qualitäten. Die Michelenburg (Mecklenburg) war Mittelpunkt des Reiches der Obodriten. Im brandenburgischen Gebiet war die Burg Brennaburg (Brandenburg) ein wichtiges Zentrum. Im 12. Jahrhundert erfolgte im Rahmen der Ostsiedlung die Inbesitznahme des Gebietes zwischen Elbe und Oder durch weltliche und geistliche Fürsten aus dem deutschen Reich in Konkurrenz zu pommerschen und polnischen Herren im brandenburgischen und dänischen Herren im mecklenburgischen Bereich. Als wichtigster Herrschaftsträger etablierte sich in Brandenburg das Geschlecht der Askanier. Bis zum 14. Jahrhundert entwickelte sich die Mark Brandenburg zu einem der größten Territorien im Reich. (vgl. Assing 1995: 85f) Nach ihrer Christianisierung waren auch pommersche Herren am Ostsiedlungsprozess beteiligt. In Konkurrenz zur dänischen Expansion im Ostseeraum wurde 1181 Bogislaw I. durch den Kaiser mit Pommern belehnt. Nach Herausbildung des Territoriums Mecklenburg kam hier schließlich das ebenfalls slawische Herrschergeschlecht der Obodriten an die Macht - bis zum November 1918. Im Wesentlichen bilden bis heute die Flüsse Recknitz und Trebel die naturräumliche Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Der häufig gewaltsamen Inbesitznahme folgte die Christianisierung, die Herrschaftssicherung, der Landesausbau mit der Gründung von Dörfern und Städten sowie die Neubesiedlung durch Einwanderer und die ursprünglich ansässige Bevölkerung. Dieser Vorgang war Teil der Ostsiedlung des Mittelalters, die weite Gebiete Mittel- und Osteuropas erfasste, zu umfangreichen Bevölkerungswanderungen und Landesausbau führte und die Entwicklung des europäischen Städtewesens bis weit nach Osten und Süden trug und deshalb keinesfalls nur als ein Aspekt der deutschen Geschichte anzusehen ist. (vgl. Higounet 1990: 282) Zu den ansässigen Slawen kamen Siedler u.a. aus dem niedersächsischen, rheinischen und flämischen Raum. Diese wurden im Auftrag der Markgrafen, der Bischöfe und kleinerer Fürsten durch sogenannte Lokatoren, meist niederadlige Herren, angeworben und in den neu gegründeten Dörfern und Städten angesiedelt. (vgl. Assing 1994: 113) Die Herrscher förderten nach der ersten Etappe der ländlichen Besiedlung vor allem die Entstehung von Städten zur herrschaftlichen Durchdringung des neu gewonnenen Raums. Sie hatten als Vorbild für das Ostsiedlungsgebiet die positive Entwicklung der Städte westlich der Elbe vor Augen, die eine wichtige Einnahmequelle und ein sicherer Aufenthaltsort ihrer Stadtherren geworden waren. (vgl. ebd.: 109) Die Gründung von Städten in Brandenburg erfolgte, beginnend mit 1170 in der Altmark, vor allem zwischen 1232 und 1267. Insgesamt entstanden in diesem Zeitraum etwa 100 Städte. Die Städte entwickelten sich entlang der Heerund Handelsstraßen in einem mittleren Abstand von 15 bis 35 km. (vgl. Wipprecht 1999: 6) Fast alle Städte dieses ursprünglichen Netzes haben sich bis heute erhalten. Nur einige 15 wenige sanken in den folgenden Jahrhunderten zu Dörfern oder Flecken hinab. Bei der mittelalterlichen Stadtentstehung in Brandenburg sind im Wesentlichen folgende Typen zu unterscheiden: 15 Z.B. Jagow, Fahrland, Potzlow, Stolpe, Wildberg (Schulze 1937: 467), siehe ausführlich Engel 2001: 11f. 5 − Die frühen slawisch-deutschen Stadtkerne d.h. Handwerker- und Händlersiedlungen vor Burgen, die zu Städten erhoben wurden (z.B. Havelberg), − von Lokatoren neben alten Kernen gegründete Städte (z.B. Angermünde), − völlige Neugründungen („aus wilder Wurzel“, z.B. Neubrandenburg) und − spätere Stadterhebungen dörflicher Siedlungen (z.B. Wilsnack). Die Stadtgründung war nicht unbedingt ein punktueller Akt. Oft entwickelte sich vor einer Burg eine Handwerkersiedlung, die stückweise mit städtischen Rechten ausgestattet wurde. Auch in Mecklenburg und Vorpommern sind fast alle Städte, außer den Residenzstädten Ludwigslust und Neustrelitz, den Badeorten und wenigen weiteren Stadtgründungen, Schöpfungen der hochmittelalterlichen Siedlungszeit. In diesem Gebiet entstanden zwischen 1200 und 1350 insgesamt 65 der heute 85 Städte. Sie wurden ebenfalls zumeist planmäßig angelegt, häufig befand sich jedoch eine Vorgängersiedlung oder ein „fester Platz“ bereits an ihrer Stelle. In etwa 75 % der Fälle war die Keimzelle der Stadtgründung eine Burg. (vgl. Richter 1989a: 109) In Pommern entstanden die ersten Städte im Westen des Landes, so z.B. Stralsund 1234, Loitz 1242, Treptow (später Altentreptow) 1295, Demmin 1249 und Pasewalk 1250. Die Stadtgründungen in Hinterpommern folgten in den nächsten Jahrzehnten. (vgl. Holsten 1939: 127) Die an diese Epoche anschließende spätere Siedlungsphase seit dem 14. Jahrhundert wird auch als Zeit der Kleinstadtgründungen bezeichnet. (vgl. Stoob 1970: 239) Der abnehmende Bevölkerungsdruck und die erstarkenden Landesherren, die den Städten weniger Freiheiten gaben, führten zur Entstehung von zum Teil sehr kleinen Städten oder sogar städtischen „Kümmerformen“. Im hier untersuchten Raum ist das jedoch kaum festzustellen. In Brandenburg entstanden solche Städte eher im zuletzt besiedelten Bereich jenseits der Oder, in der Neumark, und in Pommern ausschließlich im östlichen Hinterpommern. Bei der Neugründung einer Stadt vermaßen die beauftragten Lokatoren zunächst den Grundplan nahe des zukünftigen Marktplatzes, steckten eine Stadtbegrenzung ab und teilten 16 Hausparzellen ein. (vgl. Assing 1995: 112f) Der Bau der einzelnen Häuser blieb den neuen Bewohnern überlassen, während die öffentlichen Gebäude von den Bürgern in ihrer Gesamtheit errichtet wurden. (vgl. Köpping/Wipprecht 1992: 263) Die Stadterhebung eines bestehenden Siedlungskerns verlief ähnlich. Unter der Weiternutzung älterer Teile entstand auch hier eine weitgehend neue städtebauliche Anlage. (vgl. Schulze 1956: 90) Die einst sehr häufigen Burgen bei den Städten zerfielen, da die Städte die Festungsaufgaben übernahmen und darauf bedacht waren, auf Dauer keine herrschaftlichen Burgen an ihren Stadtmauern zuzulassen. Bei den Städten, die den stadtherrlichen Einfluss zurückdrängen konnten, wurden die Burgen bald geschleift. Wo sie blieben, hemmten sie die städtische Entwicklung. Insbesondere bei den späteren adligen Mediatstädten (z.B. Freyenstein und Meyenburg) ist dies festzustellen. (vgl. für die Prignitz: Schulze 1956: 98) Die Stadtanlagen des Nordostens weisen weitgehend regelmäßige Grundrisse auf. Häufig finden sich Parallelstraßensysteme mit zwei Hauptstraßen, die den Marktplatz einschließen (z.B. Jüterbog). Die späteren Stadtgründungen der Ostsiedlung weisen z.T. ein sehr strenges Schachbrettmuster auf (z.B. Neubrandenburg). Den meisten kleinen Städten reichte über Jahrhunderte diese mittelalterliche Stadtbegrenzung für ihre Entwicklung aus. Nur einige wichtige Handelsstädte und vor allem die Küstenorte konnten schon im Mittelalter mehrere Neustädte anlegen. 16 Zu neueren Thesen bezüglich der konkreten Vorgehensweise bei der mittelalterlichen Stadtgründung siehe vor allem in bezug auf süddeutsche Städte: Humpert/Schenk 2001. 6 Stadtrecht und Selbstverwaltung Die Stadtgründungen und die Verleihung eines Stadtrechtes bedürften in der Regel eines 17 Aktes des Landesherren. Später entstanden einzelne Städte auch durch Initiative niederadliger Herren. Das Autonomiestreben der Stadtbewohner äußerte sich in der Pflege, Aufzeichnung und Weiterentwicklung einmal gewährter Privilegien. (für Mecklenburg: Theuerkauf 1995: 36) Die Städte wurden bei ihrer Gründung zumeist mit Magdeburger Stadtrecht ausgestattet (vgl. Engel 1993: 86), bzw. mit den Unterformen SchwerinGüstrower, Parchimer und Brandenburg-Stendaler Recht. (vgl. Hamann 1962: 24) An der Küste übernahmen die Städte bei ihrer Gründung häufig lübisches Recht. (vgl. Richter 1989a: 110) In einigen Fällen kam es nicht zu einer offiziellen herrschaftlichen Ausstattung mit Rechten. Vielmehr vollendete ein eigenständiges Siedlungswachstum und die gewohnheitsmäßige Anwendung eines Stadtrechts die Stadtwerdung ohne direkte herrschaftliche Belehnung. (vgl. Assing 1995: 112) Besonders die Hansestädte konnten ihre Rechtstradition lange bewahren: In Rostock und Wismar galten Teile des lübischen Rechts bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900. (vgl. Hamann 1962: 152) Im Spätmittelalter entstanden im Rahmen der sogenannten „kommunalen Bewegung“ die Grundlagen der Organisation der Stadtbewohner. Zeitlich verschoben, bildete dieser Vorgang auch im ostelbischen Raum die Voraussetzung für die Bildung der relativ autonomen Stadtgemeinde mit eigenem Rechtsbezirk, zur Konstituierung des Stadtbürgertums und zur Entstehung der kommunalen Selbstverwaltung. (vgl. Engel 1993: 51) Im „Neusiedelland“ war die Entwicklung autonomen Handels in weitaus kürzerer Zeit abgeschlossen als im „Altsiedelland“, wo die autonomen Rechte erst nach langen Kämpfen erworben werden konnten. Als Verfassungsinstitutionen besaßen die Städte zumeist einen Stadtschulzen, der aus dem Lokator hervorgegangen war, dem Stadtherren unterstand und die niedere Gerichtsbarkeit sowie die Polizeigewalt innehatte. Außerdem findet sich früh ein städtischer Rat, der aber in den einzelnen Städten sehr unterschiedliche Formen annehmen konnte. Die Institution des landesherrlichen Vogts war zunächst allein für Verwaltung und Gericht zuständig. Viele Städte konnten bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts diese Rechte übernehmen. (vgl. Hamann 1962: 25) Der Schulze entwickelte sich auf Dauer zu einem städtischen Amt und auch die Hochgerichtsbarkeit konnten viele Städte erwerben. (vgl. Assing 1995: 115, vgl. auch Engel 1993: 78) Diese genannten städtischen Institutionen finden sich auch in den kleineren Städten. Wenn sie auch nicht so ausdifferenziert waren wie in großen Städten wie Nürnberg oder Lübeck, müssen auch diese Kleinstädte als „Vollstädte“ im Rechtssinne gelten. Zur wichtigsten Institution entwickelte sich der Rat, dem häufig ein oder zwei Bürgermeister vorstanden. Überall in Deutschland setzte sich am Ende des 13. Jahrhunderts solch ein Stadtrat als Selbstverwaltungsorgan durch. (vgl. Planitz 1996/1954: 297) Für Rostock ist bereits 1218, für Schwerin, Güstrow und Parchim 1228/1230 ein Rat bezeugt. (vgl. Ennen 1987: 143) Auch in kleinen Städten lässt sich diese Institution früh nachweisen (Malchin 1236, Boizenburg 1241, Goldberg 1281, Gnoien 1287). (vgl. Keyser 1939: 305, 277, 290, 288) Der Rat, ursprünglich ein Selbstverwaltungsorgan der Bürgergemeinde, entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte tendenziell zum Herrschaftsinstrument einer kleinen Elite. Die neuen Mitglieder des Rates - zumeist die reichen Kaufleute - wurden nicht mehr gewählt, sondern von den Ratsangehörigen selbst ernannt (Kooptation), so dass sich die Ratsmitgliedschaft bald auf eine enge Gruppe privilegierter Familien, später häufig als „Patrizier“ bezeichnet, beschränkte. (vgl. Assing 1995: 113) Der Rat blieb aber trotz seiner 17 Kaiserliche Privilegierungen gab es im behandelten Raum kaum noch. 7 sozialen Exklusivität gegenüber dem Landesherrn durchaus weiterhin Wahrer der Interessen der gesamten Bürgergemeinde. (vgl. ebd.: 115) Den Städten gelang es ihre Rechte im Laufe des Mittelalters bis zu einer weitgehenden Autonomie auszubauen. Gegenüber dem Stadtherrn konnten die Städte - auch viele kleine Städte - weitgehend selbständig agieren. „Die politische Autonomie fand im 14. Jahrhundert ihren besonderen Ausdruck in den zahlreichen Städtebünden, die die verschiedenen Städte seit 1308 schlossen, vor allem gegen das adlige Fehdewesen [...] aber auch zur Durchsetzung städtischer Interessen gegenüber dem Landesherren“. (Schich/Heinrich 2000: XXXV) Im Mittelalter und insbesondere in der Frühen Neuzeit sind grob zwei Gruppen von Städten zu unterscheiden: die Immediatstadt und die Mediatstadt. (vgl. ausführlich: Vetter 1997: 147f) Die Immediatstädte standen unmittelbar unter dem Landesherren und waren neben den Prälaten, Herren und der „Ritterschaft“ auf dem Landtag vertreten. In der Regel genossen sie eine relativ weitgehende Autonomie, die sich mit wachsender wirtschaftlicher Bedeutung insbesondere im 14. Jahrhundert entwickelte. Nur die kleineren Flecken und „Ackerbürgerstädte“ blieben amtssässig oder Eigentum eines ritterlichen Gutsherren. (vgl. Hamann 1962: 25) Diese Mediatstädte (in der Prignitz waren das z.B. Putlitz, Freyenstein, Meyenburg, Lenzen, Wittenberge) wurden in der Landstandschaft durch ihre Herren indirekt vertreten (vgl. Schulze 1956: 133) und befanden sich unter deren Gerichtsbarkeit. (vgl. Schulze 1939: 467) Sie entstanden zumeist aus Stadt- und Burganlagen, die nicht vom Landesherren, sondern von niederen Adligen begründet bzw. später an sie verpfändet worden waren. Eine besondere Form der Mediatstadt waren die Dominal- oder Amtsstädte, die dem Landesherren als direktem Stadtherren als Zubehör landesherrschaftlicher Domänen gehörten. (vgl. Schulze 1939: 467) Städtische Bevölkerungsstruktur im Mittelalter Die Sozialstruktur der Städte, auch der kleinsten, unterschied sich fundamental von der Struktur der ländlich-feudalen Gesellschaft. Die Stadtbevölkerung des Mittelalters setzte sich im Wesentlichen aus den Fernhändlern und kleineren Händlern, den Handwerkern Meistern und Gesellen - und den Ackerbürgern zusammen. Außerhalb der rechtlichen Stadtgemeinde standen die unterbürgerlichen Schichten und Sondergruppen. Innerhalb des Stadtgebietes differenzierte sich die Bewohnerschaft, ohne dass es regelmäßig zu einer strengen Segregation einzelner Bevölkerungsgruppen kam, vor allem nicht in den kleineren Städten. Die Kaufleute besaßen innerhalb der Stadt ihre Grundstücke zumeist in der Nähe des Marktes, während die Ackerbürger ihre Wirtschaftshöfe und Scheunen in der Nähe der Stadttore hatten. (vgl. Köpping/Wipprecht 1992: 263) Spätere Namensgebungen wie „Schustergasse“ etc. deuten eher stärkere Ballungen eines Berufszweiges an und weniger eine ausschließliche Prägung durch diese städtische Teilgruppe. Die sozial am höchsten stehende Gruppe innerhalb der Bürgerschaft waren die „ratsfähigen Geschlechter“ bzw. die „Patrizier“, die mit dem Rat die Stadtregierung beherrschten. Insbesondere in den größeren Städten bildeten die Fernhandelskaufleute den maßgebenden Bestandteil dieser Führungsschicht. (vgl. Planitz 1996/1954: 263) Sie versuchten sich gegen Aufsteiger aus anderen Bürgergruppen abzuschotten und adlige Qualität zu gewinnen. Neuaufnahmen wurden abgewehrt, selbst wenn neue Fernhändler oder reiche Zunftmeister gegenüber den ursprünglichen Patrizierfamilien materiell aufgestiegen waren. Die großen Hansestädte mit ihren zahlreichen Fernhändlern unterschieden sich jedoch deutlich von den übrigen binnenländischen Städten. In vielen kleinen Städten war die Gruppe der ratsfähigen Geschlechter nicht so deutlich von den sonstigen Bürgern abgegrenzt und neu aufgestiegene Händler wurden durchaus ratsfähig. In weniger durch Fernhandel geprägten Städten konnten auch andere Schichten in diesen Kreis eindringen, z.B. die Meister be8 stimmter Zünfte. (vgl. ebd.: 263) Insbesondere in Kleinstädten bildete sich in der Regel kein klassisches Patriziat aus (vgl. ebd.: 274), schon wegen einer kaum ausgeprägten Schicht von großen Fernhändlern. Eine patrizische Führungsschicht ist in Mecklenburg noch eher als in Brandenburg festzustellen. Betrachtet man die Zusammensetzung des Rates von kleineren Städten im Untersuchungsraum, so zeigen sich häufig größere Anteile von Nahhändlern und Handwerkern. Versuche einer exklusiven Schicht von Bürgern, sich gegenüber der restlichen Bürgergemeinde abzuschotten, gab es jedoch auch in den Kleinstädten regelmäßig. Neben der exponierten Gruppe der reichen Händler stand die große Masse der Stadtbürger: die Handwerker - Meister, Gesellen, Lehrlinge - der verschiedensten Zünfte. Außerdem waren in den Städten die Nahhändler und Einzelhändler ansässig, die lokalen oder regionalen Handel betrieben. In kleineren Städten, ohne Fernhändlerschicht prägten diese Gruppen in besonderem Maße die städtische Lebensrealität - auch weit über das Mittelalter hinaus. Spätestens seit Mitte des 13. Jahrhunderts waren Zünfte in Brandenburg allgemein verbreitet und gewannen immer größere Bedeutung. (vgl. Assing 1995: 114) Das späte Mittelalter ist durch häufige Konflikte zwischen Zünften und kaufmännischem Patriziat um die Teilhabe an der Stadtherrschaft gekennzeichnet. (vgl. Schich/Heinrich 2000: XXXV) In den Hansestädten des Nordens gab es ursprünglich im Gegensatz zu süd- oder westdeutschen Handelsstädten eine vergleichsweise große Oberschicht und eine breite Mittelschicht. (vgl. Ziegler 1994: 243) Im 14./15. Jahrhundert wuchsen im allgemeinen die sozialen Unterschiede in der städtischen Gesellschaft an. Vor allem in den größeren Städten vergrößerte sich der Abstand zwischen den reichen Kaufleuten und einigen wohlhabenden Handwerkermeistern auf der einen Seite und der Masse der Handwerker und der städtischen Unterschichten auf der anderen Seite stetig. (vgl. für Brandenburg: Assing 1995: 150) Auch die Zünfte schlossen sich nach unten ab, verlangten eheliche Geburt und deutsche Abstammung. (vgl. ebd.: 150f) Zwischen dem reichen Handelspatriziat und den wichtigen Handwerkerzünften mehrten sich insbesondere im späten Mittelalter die Spannungen. (vgl. Richter 1989a: 111) Die Zunfthandwerker in Brandenburg versuchten gegen die Vorherrschaft der Ratsgeschlechter - hier meist die Gewandschneider-Kaufleute - die Mitsprache in der kommunalen Selbstverwaltung zu erlangen. Die Vertreter der wichtigsten Zünfte („Viergewerke“) erreichten langfristig die Berücksichtigung ihrer Interessen, nicht jedoch die Masse der anderen Zünfte. Die Gesamtheit der Bürgerschaft in den brandenburgischen Städten, in denen solche Zunftbegehren erfolgreich waren, gliederte sich nun in die ratsfähigen Familien, die Viergewerke und die übrige Gemeinde. Darunter standen die nichtbürgerlichen Unterschichten. (vgl. Schich/Heinrich 2000: XXXV) Innere Konflikte waren auch in den mecklenburgischen Landstädten häufig. Vielfach sind auch Kämpfe zwischen Rat und bürgerlicher Opposition festzustellen (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 58), an denen sich auch Gesellen und unterbürgerliche Schichten beteiligten. In Mecklenburg und in Pommern kam es jedoch nicht so häufig wie in anderen deutschen Ländern zu einer Beteiligung der Zünfte am Stadtregiment, zumindest nicht in den Seestädten. (vgl. für Mecklenburg: Hamann 1968: 319) Während in den Landstädten durchaus eine stärkere Beteiligung der Handwerker festzustellen ist, wurden diese Bewegungen in den Seestädten immer wieder zurückgedrängt. In Stralsund gab es beispielsweise große Oppositionsbewegungen von bürgerlichen Schichten außerhalb des Patriziats. Die Hanse schützte jedoch hier, wie in den anderen Hansestädten, die Vorherrschaft der Patrizier sowohl wirtschaftlich wie auch militärisch. (vgl. Ennen 1987: 238) 9 18 Ackerbürger waren für viele Kleinstädte eine charakteristische Bevölkerungsgruppe. Diese Bürger betrieben in selteneren Fällen ausschließlich Ackerbau auf Land innerhalb der Gemarkungsgrenzen der Stadt. In der Regel übten sie auch zusätzlich ein städtisches Handwerk aus. Insbesondere im Spätmittelalter nahm das ackerbürgerliche Element in den Kleinstädten durch Zuzug von Bauern zu, die die umliegenden Dörfer verließen. (vgl. Stoob 1979: 160f) Die Bestellung erfolgte häufig nebengewerblich oder die Bürger - Handwerker und Händler - überließen dem Gesinde und Tagelöhnern die Bestellung. (vgl. Assing 1995: 114) Max Weber definierte Ackerbürgerstädte19 als Orte, „welche als Stätten des Marktverkehrs und Sitz der typischen städtischen Gewerbe sich vom Durchschnitt der Dörfer weit entfernen, in denen aber eine breite Schicht ansässiger Bürger ihren Bedarf an Nahrungsmitteln eigenwirtschaftlich decken und sogar für den Absatz produzieren.“ (Weber 1999: 67) Vom Dorf unterscheiden sie sich insbesondere durch die Art der Grundbesitzverhältnisse, die in der Ackerbürgerstadt ohne grundherrschaftliche Abhängigkeiten geregelt waren. (vgl. ebd.: 73) Generell sollte der Anteil der Ackerbürger, vor allem der ausschließlichen Ackerbürger, an der Stadtbevölkerung der kleinen Städte im Mittelalter nicht überschätzt werden. 20 Reine Ackerbürgerstädte waren selten. Eine ähnliche Bedeutung wie den Ackerbürgern konnte in Städten an größeren Gewässern den Schiffern und Fischern zukommen.21 Als untere Statusgruppen lebten in der mittelalterlichen Stadt die „Unterbürgerlichen“, die keine vollen bürgerlichen Rechte besaßen. Ihre Lebensexistenz bestritten sie durch unselbständige und nicht-zünftige Berufstätigkeit, als Tagelöhner oder Bettler. (vgl. Engel 1993: 240f) Die Stadtarmen wurden durch den Zuzug von ländlicher Bevölkerung, die unter der Agrarkrise des späten 14. Jahrhunderts litt, vermehrt. (vgl. Assing 1995: 151) Am Rand der mittelalterlichen Stadtgesellschaft standen weitere Sondergruppen, die kaum in das städtische Rechtssystem eingegliedert waren. Dies betraf vor allem die Juden. Sie lebten nahezu ausschließlich in den städtischen Zentren, da nur hier die Möglichkeit ihrer Berufsausübung und - bedingt - ihr Schutz gewährleistet war. Hauptsächlich waren sie im Handel und Geldverleih tätig und hatten z.T. einige städtische Rechte, ohne jedoch jemals ihren Sonderstatus zu verlieren. Ihr Anteil und ihre Lebensverhältnisse in den nordostdeutschen Kleinstädten ist bis heute nur wenig erforscht. In sehr vielen kleinen Städten 22 der Region sind heute noch - zumindest in Resten - jüdische Friedhöfe und ehemalige Synagogen23 zu finden. Am Ende des Mittelalters wurden viele Gemeinden durch Verfolgung und Vertreibung zerstört und erst nach erneutem Zuzug im 18. und 19. Jahrhundert neu begründet. Nach der Gewährung völliger Freizügigkeit lösten sich am Ende des 19. Jahrhunderts oder Anfang des 20. Jahrhunderts viele kleinstädtische Gemeinden endgültig auf24, da die jüdische Bevölkerung nun tendenziell in die größeren Städte abwanderte. Die verbliebenen Gemeinden wurden während des Nationalsozialismus vernichtet. Fast alle 18 19 20 21 22 23 24 Baulich ist die stärkere Prägung durch ackerbürgerliche Bevölkerung in den Kleinstädten häufig noch heute anhand der Bebauungsstruktur (breite Parzellen, niedrige Bebauung mit großen Hofdurchfahrten) oder anhand von sogenannten Scheunenviertel der Ackerbürger am Stadtrand festzustellen, z.B. in Kremmen oder sehr eindrucksvoll in Altlandsberg. Max Weber wendet den Terminus jedoch nicht vorrangig auf das Mittelalter, sondern vor allem auf die Antike an. (Weber 1999: 13). Zur Relativierung dieses Begriffes, insbesondere in Bezug auf die brandenburgischen Städte der Frühen Neuzeit, siehe auch S. 18. Kleinstädte mit hohem Anteil von Fischern waren z.B. Lychen und Fürstenberg/Havel. Zehdenick zeichnete sich insbesondere in der Frühen Neuzeit durch zahlreiche Havelschiffer unter den Bewohnern aus. Die folgende Liste der noch teilweise erhaltenen kleinstädtischen Friedhöfe ist noch unvollständig, zeigt aber die Verbreitung jüdischer Gemeinden bis in die kleinsten Städte: Dargun, Sternberg, Plau, Neubukow, Teterow, Perleberg, Lindow, Zehdenick, Biesenthal, Bützow, Anklam, Luckenwalde, Wilsnack, Krakow, Grevesmühlen, Wittstock, Vierraden. Siehe die Hinweise zu den einzelnen Städten in Endlich u.a. 1999. Erhalten blieben Synagogen, die schon vorher von ihren Gemeinden aufgegeben und anders genutzt wurden: z.B. in Goldberg: heute katholische Kirche, Luckenwalde: heute neoapostolische Kirche, Crivitz: heute Wohnhaus, Krakow: Turnhalle, heute Museum. Z.B. Goldberg 1917, Crivitz 1922, Gnoien 1923, Dargun 1923. 10 kleinstädtischen Synagogen und viele Friedhöfe wurden in der Pogromnacht 1938 oder kurz danach verwüstet, die letzten jüdischen Bewohner seit 1941 in die Vernichtungslager deportiert. Viele beschädigte Synagogen und geschändete Friedhöfe wurden nach 1945 nicht wieder hergestellt, sondern abgeräumt und überbaut (z.B. die Friedhöfe z.B. in Röbel und Lübben und die Synagogenruinen in Angermünde und Wriezen). Handel und Handwerk: Städtische Wirtschaft im Mittelalter Die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs war bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts ausgesprochen positiv, wenn auch häufige Stadtbrände und Pestepidemien für einzelne Städte immer wieder zeitweilige schwere Einbrüche bewirkten. Einige Städte wurden Mitglieder der Hanse - auch Kleinstädte wie Kyritz, Perleberg, Pritzwalk zählten dazu - und hatten eine wichtige Rolle im binnenländischen Handel entlang der zahlreichen Flussläufe der Region inne. Zum wirtschaftlichen Aufstieg trug der Handel - vor allem mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen der Region - mehr bei als das städtische Handwerk, das zunächst nur wenige exportfähige Güter produzierte. (vgl. Assing 1995: 116) „Der Handel spielte in den älteren und größeren Städten von Anfang an eine wesentliche Rolle. [...] Die Kaufleute beherrschten zudem weite Bereiche des innerstädtischen Wirtschaftslebens.“ (Schich/Heinrich 2000: XXXIII) Die Wirtschaftsstruktur war in den einzelnen Regionen durchaus unterschiedlich: Die Städte der Prignitz standen von Anbeginn im Schatten der aufstrebenden Handelsorte westlich der Elbe. Das Bürgertum beschränkte seine wirtschaftliche Tätigkeit deshalb vorwiegend auf Kleinhandel und Handwerk. (vgl. Schulze 1956: 90) Die ersten Prignitzstädte wurden mit wenig Land ausgestattet, da es ihre Hauptaufgabe in der Frühzeit der Besiedlung war, Handel, Handwerk und Gewerbe regional zu konzentrieren. (vgl. ebd.: 97) Die Städte, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet wurden, z.B. in der Uckermark, wurden dagegen grundsätzlich mit einer größeren Feldmark ausgestattet, um von Vieh- und Getreidekäufen in den umliegenden Dörfern unabhängiger zu sein. Einige dieser Städte entwickelten sich später zu Ackerbürgerstädten. (vgl. Assing 1995: 112) Mit dem Aussterben der Askanier kamen für die Mark seit 1323 unruhige Zeiten mit zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen, Wirtschaftskrisen und häufigen Herrschaftswechseln. Die Städte konnten aus der Schwäche der Landesherrschaft zunächst noch Nutzen ziehen und im Gegensatz zum ländlichen Raum, der von der Agrarkrise betroffen wurde, ihren Aufstieg fortsetzen. (vgl. ebd.: 152) Unter den relativ schwachen Wittelsbacher Markgrafen bauten die schon unter den letzten Askaniern einflussreichen größeren Landstände ihre Stellung als wichtiger Träger der Landherrschaft aus. Nach der Herrschaft der Wittelsbacher kam die Mark 1373 an das Geschlecht der Luxemburger. Zumindest für kurze Zeit entwickelte sich unter Karl IV. eine letzte mittelalterliche Blüte. Mit jedem der kurzfristigen Herrscherwechsel konnten sich die Städte erneut erweiterte Privilegien zusichern lassen. Ihr wirtschaftlicher Aufstieg unterstützte diesen Anspruch. (vgl. Böcker 1995a: 178) Die Zeit zwischen 1388 und 1411 unter den Nachfolgern Karls IV. war von Unruhen und dem Verfall der politischen Ordnung (Raubritterunwesen) geprägt. Die Städte waren zwar weitgehend frei von Eingriffen durch die schwache Territorialherrschaft, jedoch litt ihr Handel am Ende des Mittelalters erheblich. Zahlreiche Städte kamen in die Gewalt der „Raubritter“ der Familie Quitzow. Zum gemeinsamen Handeln zur Befriedung des Landes kam es durch die Städte nicht, „obwohl sie in der Mark die einzigen waren, die dazu fähig gewesen wären“. (Assing 1995 164f.) Auch in Mecklenburg blühten während des späten Mittelalters zahlreiche Städte auf und entwickelten sich zu wichtigen Handelszentren. (vgl. Struck 1939: 270) Für die pommerschen Städte ist das 14. Jahrhundert ebenfalls eine Blütezeit, die insbesondere durch die Hanse ausgelöst wurde. (vgl. Holsten 1939: 126) Im Vergleich mit Brandenburg hatte in Mecklenburg und Pommern der Fernhandel im Mittelalter eine noch größere Be11 deutung, wenn er sich auch vor allem auf die Küstenstädte konzentrierte. In der Hanse spielte der städtische Exporthandel eine eher zweitrangige Rolle (abgesehen vom Bier). Wichtiger war die großräumige Vermittlung von Waren. (vgl. Ennen 1987: 194) Insbesondere die Hafenstädte sollten in den nächsten Jahrhunderten prosperieren, während viele binnenländische Orte auf dem Status von kleinen Handwerker- und Ackerbürgerstädten blieben. (vgl. Richter: 1989a: 109) 1348 wurde Mecklenburg zum Herzogtum erhoben und konnte so dauerhaft seine Unabhängigkeit gegen die Vereinnahmungsansprüche Brandenburgs bewahren. Auch Pommern blieb ein eigenständiges Herzogtum. Die Landesherrschaft konnte in beiden Territorien die Oberhoheit über die bedeutenden Städte im Mittelalter nicht erringen. Die Städte festigten ihre Stellung gegenüber den Landesfürsten und handelten politisch auch nach außen selbständig. Durch den Rückhalt, den insbesondere die Hansestädte in ihrer mächtigen Organisation besaßen, weiteten sich ihre städtischen Rechte gegenüber dem Landesherrn während des Mittelalters beständig aus. Im Privileg von 1452 wurden beispielsweise den wichtigen pommerschen Städten Stralsund, Greifswald, sowie den kleineren Städten Demmin und Anklam vom Herzog umfangreiche Rechte zugesichert. (vgl. bei der Wieden 1996: 365) Rostock wuchs auf über 10.000 Einwohner an und begann mit Lübeck in Konkurrenz zu treten. Wismar, Stralsund und Greifswald folgten in der Wichtigkeit. Auch kleine Hansestädte wie Anklam und das binnenländische Demmin besaßen große Autonomie und wurden zeitweise sogar auf Reichsebene zusammen mit Reichsstädten aufgeführt. (vgl. Engel 1993: 301) Die meisten Städte waren aber wesentlich kleiner: In den 21 Städten, die in Vorpommern im 15. Jahrhundert existierten, lebten etwa 42.000 Einwohner, davon allerdings 60 % in den drei größten Städten (Stralsund, Greifswald und Stettin). Die übrigen Städte hatten eine durchschnittliche Größe von 840 Einwohnern. (vgl. Böcker 1995b: 129) Ebenso wie Mecklenburg besaß Vorpommern kaum Großstädte, jedoch auch keine Minderund Zwergstädte, die sich eher in Hinterpommern finden. (vgl. ebd.: 130) Neben dem Handel spielte auch die Landwirtschaft eine wichtige Rolle im städtischen Leben. Selbst große Städte wie Rostock besaßen ausgedehnte landwirtschaftliche Flächen vor den Stadtmauern. (vgl. Ziegler 1994: 223) Noch stärker war - angesichts des geringeren Ausmaßes des Fernhandels - die Bedeutung der Landwirtschaft in den Landstädten. Das 25 Binnenland lag vom Mittelalter bis in die Neuzeit eher abseits der wichtigen Verkehrswege , doch selbst für die Landstädte kann das späte Mittelalter als Blütezeit gelten. (vgl. Struck 1939: 270) Kleinstädte nahmen an der spätmittelalterlichen Wirtschaftsverflechtung teil: Sie importierten Güter des täglichen Bedarfs und ihre Kaufleute besuchten auch entfernte Märkte. (vgl. für ganz Deutschland: Ennen 1987: 228; vgl. für Vorpommern: Böcker 2001: 220f) „Handwerk und Handel gelangten zu einer bescheidenen, hinter dem Glanz der Hansestädte weit zurückbleibenden Blüte.“ (Uwe Heck in: Karge 1995: 236) Die binnenländischen Städte nahmen vor allem Zentralortfunktionen für ihr Umland wahr. Neben der Marktfunktion waren sie auch durch die Vogteiburgen Gerichts- und Verwaltungssitze, aber nur etwa ein Drittel der Städte konnte über ihr engeres Umfeld hinaus Bedeutung erlangen. (vgl. ebd.: 236) Das Ende des Mittelalters und die Frühe Neuzeit in Brandenburg bis 1600 Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit entstanden in Brandenburg nur noch wenige neue Städte (z.B. Wilsnack, das vor 1500 vom Dorf zur Stadt wurde, Luckenwalde zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert, Neustadt/Dosse 1525 bzw. 1664, sowie 1515 Vierraden und 25 „Das Land bildet einen toten Winkel zwischen Hauptverkehrslinien, die das Binnenland mit dem Meere verbinden, zwischen der Elbestraße im Westen und der Oderstraße im Osten.“ Ule nach Richter 1989: 145. 12 1604 Joachimsthal). Für einen großen Teil der brandenburgischen Städte wird die Frühe Neuzeit traditionell als eine Phase der Stagnation und des Niedergangs beschrieben. Die nach 1500 in vielen Orten entstehenden imposanten Rathäuser und Stadttore wirken wie eine letzte Erinnerung an die einstige Bedeutung und städtische Freiheit. Insgesamt hat die neuere Forschung gezeigt, dass man die Frühe Neuzeit bis zur Industrialisierung - immerhin 300 Jahre - stärker nach Phasen und nach einzelnen Stadtschicksalen differenzieren muss und sich trotz vieler Stagnationen in einigen Kleinstädten durchaus Wachstums- und 26 Modernisierungsprozesse vollzogen. Stärker als in anderen Regionen erfolgte in der Neuzeit im nordostdeutschen Raum die Brechung der „mittelalterlichen Freiheit“ durch die erstarkende Landesherrschaft - in Brandenburg ausgeprägter als in Mecklenburg - und verringerte die Autonomie der städtischen Entwicklung nachhaltig. Nach dem Übergang Brandenburgs 1411/15 an die Hohenzollern wurden die städtischen Rechte zurückgedrängt. Zunächst begrüßten die Städte die Befriedungsmaßnahmen der Hohenzollern, insbesondere die Unterbindung des Raubritterwesens.27 Die Kurfürsten griffen nun jedoch häufiger in städtische Konflikte ein, zunächst noch vermittelnd ohne selbst Vorteile daraus zu ziehen. (vgl. Böcker 1995a: 179) Bei städtischen Unruhen stellte sich der Kurfürst in der Regel auf die Seite der Ratspartei gegen die Zünfte. (vgl. ebd.: 181) Später wurde das Verhältnis spannungsreicher und die Hohenzollern erkannten den Vorteil, bei innerstädtischen Konflikten die beiden städtischen Parteien gegeneinander auszuspielen. (vgl. Göse 1996: 67) Die weitgehend autonome Stellung der Städte innerhalb des Territoriums war gegen die sich - weitaus schneller als in Mecklenburg oder Pommern - stärkende Territorialherrschaft nicht mehr zu halten. Zunächst wurde die selbstbewusste Handelsstadt Frankfurt und später Berlin unterworfen. Die märkischen Städte mussten nach 1442 aus der Hanse ausscheiden. (Schulze 1956: 133) Kurfürst Johann Cicero (1486-99), der als erster ausschließlich in Berlin residierte, setzte nachdrücklich seine Landeshoheit über die Städte der Mark durch. Die Ratsmitglieder mussten nun zumeist vom Kurfürst bestätigt werden. Gleichzeitig begann der Aufbau einer neuzeitlichen Verwaltung des Territoriums. Insbesondere nach 1474 wurde der Widerstand der Städte massiv bestraft. (vgl. Böcker 1995a: 217) Die meisten Städte verloren im 16. Jahrhundert nacheinander Münzrechte und Gerichtsbarkeit. (vgl. ebd.: 220) Obwohl die ständische Vertretung der Städte fortbestand, hatte die Landesherrschaft die Landeshoheit gegenüber den Städten zur Geltung gebracht. (vgl. Böcker 1995a: 221) Die Unterstellung der Städte unter die Zentralgewalt war jedoch nicht so umfassend wie in der älteren Literatur konstatiert. Trotz der Macht staatlicher Beamter blieben die alten Institutionen - mit eingeschränkten Rechten - erhalten und konnten durchaus als Ausdruck städtischen Selbstbehauptungswillens fungieren. Viele Immediatstädte konnten noch Reste der alten mittelalterlichen Rechte erhalten, vor allem eigene Gerichtsbarkeit, ihre alte Selbständigkeit hatten sie jedoch eingebüßt. (vgl. Schulze 1956: 242) Die wirtschaftliche Bedeutung der Städte nahm insbesondere im Fernhandel seit dem späten 15. Jahrhundert stark ab, während sich gleichzeitig die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Adel positiver gestalteten. (vgl. Escher 1995: 249) Die kriegerischen Ereignisse im Verlauf der Reformation beeinträchtigten die Städte zusätzlich. Die ehemals große Ausfuhr von Tuchen kam zum Erliegen. (vgl. Schulze 1956: 173) Nur in einigen Regionen, z.B. in den größeren Prignitzstädten, blieb die Tuchmacherei bedeutend. (vgl. 26 27 Vgl. hierzu die Studie zu Kleinstädten in Sachsen: Keller 2001: „Kleine Städte (...) befanden sich im Zeitraum zwischen Dreißigjährigem Krieg und Industrialisierung in einem vielfältigen Entwicklungsprozess, der innerhalb der einzelnen Städte wie für die Menge derselben wirtschaftliche, soziale, administrative und kulturelle Elemente umfasste. (...) Die Epoche zwischen Dreißigjährigem Krieg und Industrialisierung dagegen war [im Vergleich zur spätern Industrialisierung] in Kursachen ein Zeitalter der Kleinstadt“ (S. 349) Zur Unterstützung der Städte gegen die Quitzows, vgl. Heinrich 1985: XLIII und Böcker 1995a: 171f. 13 ebd.: 244) Die ländlichen Erzeugnisse entzogen sich immer mehr dem bürgerlichen Handel. Der Adel dehnte seine Gutsherrschaften auf ehemals bäuerliches Land aus und nahm verstärkt den Handel in die eigenen Hände. (vgl. ebd.: 176) Schon seit 1470 hatte das Vordringen holländischer und englischer Kaufleute im nördlichen Europa den brandenburgischen Städten ihre Rolle im Fernhandel streitig gemacht. Nur die größeren Städte Frankfurt und Stendal behaupteten sich längere Zeit. (vgl. Heinrich 1985: XLV) Während des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts verschlechterte sich auch die Lage der größeren Städte ständig, da sie von der allgemeinen Wirtschaftskrise, die vor allem eine Krise der Hanse war, betroffen waren. (vgl. Schich/Heinrich 2000: XXXIX) Die Frühe Neuzeit in Mecklenburg und Vorpommern Im 16. und 17. Jahrhundert endete die Blütezeit der Städte im Norden. Die Verlagerung des Fernhandels betraf insbesondere die mecklenburgischen Städte sehr stark. „Mecklenburg und Vorpommern selbst waren zu klein, zu wenig bevölkert und von zu geringer Wirtschaftskraft, um die Städte und ihren Handel auch nach Ende der Fernhandelsfunktion prosperieren zu lassen“. (vgl. Richter 1989b: 146) Nach der Stagnation des 16. Jahrhunderts sorgten Pestepidemien und die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert für einen weiteren starken Bevölkerungsrückgang. Im Dreißigjährigen Krieg litten Mecklenburg und Pommern im deutschlandweiten Vergleich besonders stark. Viele langfristige strukturelle Probleme des Landes resultieren aus dieser Zeit. Das Land war nachhaltig 28 verarmt und entvölkert. Der Niedergang der Städte, der sich seit 1500 angekündigt hatte, beschleunigte sich nach dem Krieg. (ebd.: 94) Im Ergebnis des Westfälischen Friedens 1648 gingen mecklenburgische Gebiete an Schweden verloren. Auch Teile Vorpommerns kamen an Schweden, während Hinterpommern an Brandenburg-Preußen überging. Damit endete Pommerns Geschichte als unabhängiges Territorium. Brandenburg bzw. Preußen war seither bestrebt auch die restlichen pommerschen Gebiete von Schweden zu erwerben, was endgültig erst 1814/15 erfolgen sollte. In Mecklenburg führte die zweite Landesteilung von 1621 zur Entstehung der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow. Nach dem Aussterben der Güstrower Linie im Jahre 1695 entstanden als Folge des Hamburger Vergleiches 1701 die Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Diese territoriale Struktur blieb bis 1933 erhalten. Nach dem Krieg hatten sich die Städte nicht nur gegen den geschwächten Landesherrn zu erwehren. Vor allem die strukturelle Rückständigkeit, die aus den Verwüstungen und der unterbliebenen rechtlichen Modernisierung resultierte, die Machtposition des Landadels und der Niedergang des Fernhandels in der Ostsee behinderte die Entwicklung des Landes bis ins 20. Jahrhundert. Der bäuerliche Abnehmerkreis für städtische Waren verringerte sich außerdem durch die sinkende Bevölkerungszahl und die Verarmung der Landbewohner, damit sank auch die Bedeutung von Handel und Handwerk. Seit dem späten 15. Jahrhundert hatte der Prozess des „Bauernlegens“ und die Entstehung der großen Güter begonnen, der erst nach dem Dreißigjährigen Krieg seinen Abschluss finden sollte. Der große Gutsbesitz setzte sich nun völlig durch, während die ehemals freien Bauern - bis auf wenige Ausnahmen - zu Hörigen, Leibeigenen oder Landarbeitern herabsanken. Heirat und Ortswechsel mussten vom Gutsherren genehmigt werden. Am Ende des 18. Jahrhunderts war zwischen 50 und 75 % der Bevölkerung leibeigen. „Ein so strukturiertes Umland konnte den Städten keine Wachstumsimpulse vermitteln.“ (Richter 1989a: 111) 28 „[In Mecklenburg] weit und breit, do nichts alls sand und lufft und gar genau eub wenig dürre gars übrig, sondern alles vom feinde bis auff den erboden verheeret und verzehret, auch kein bürger oder bauer am leben oder in seinem haus zu finden“ Johan Banér, um 1640, schwedischer General (zitiert nach: bei der Wieden 1997: 175). 14 Die mecklenburgischen Herzöge konnten sich - anders als in Brandenburg - nie voll gegen Städte und insbesondere den Adel durchsetzen. Die Verfassungsgeschichte Mecklenburgs stellt damit einen Sonderfall in Deutschland dar. Absolutismus hat es deshalb in Mecklenburg niemals gegeben. Bereits im 16. Jahrhundert waren die Ansätze zu absolutistischen Tendenzen weitgehend gescheitert. In Jahren anhaltender Schwächung der landesherrlichen Gewalt erstarkten die Adelsgeschlechter. Schon 1523 bildeten sie die „Landständische Union“, die 1755 den „Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich“ beschloss. (vgl. ausführlich: Heitz 2001: 381f.) Anders als in allen anderen deutschen Ländern blieben in Mecklenburg diese landständischen Strukturen bis 1918 erhalten. Auf den Landtagen konnten die Stände ihre Interessen gegenüber dem Landesherren vertreten: Die meisten Vertreter entstammten der „Ritterschaft", der Vertretung der adligen Gutsbesitzer. Der kleinere Teil der Stände wurde von der „Landschaft“ gestellt, in der die Bürgermeister der Städte vertreten waren. Unter den Städten hatten die drei sogenannten Vorderstädte Güstrow, Parchim und Neubrandenburg sowie die Seestädte Rostock und Wismar und darüber hinaus die Residenzstadt Schwerin eine Sonderstellung. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 94) Die Vorderstädte hatten gegenüber der Masse der Kleinstädte zumeist eine deutlich größere Bevölkerungszahl und durch die Qualifizierung ihrer Bürgermeister und Magistrate auch weitaus größeren Einfluss im Landtag. (vgl. Heitz 2001: 383) Die landständische Verfassung sicherte zwar eine gewisse Mitwirkung der Stände an der Landesherrschaft, allerdings wurden so auch alte Verfassungszustände zementiert. Unter diesen Voraussetzungen unterblieb auch im 18. und 19. Jahrhundert eine Modernisierung der Verfassung und damit auch der gesellschaftlichen Struktur gänzlich. Der große Einfluss der Ritterschaft auf die Landesverfassung und zunehmend auch auf das ökonomische Leben, hemmte die Wirtschaft der Städte. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 95) Im Vergleich mit westeuropäischen Städten blieben Handwerk und Gewerbe unterentwickelt. Der Anteil der Ackerbürger an der Bevölkerung der mecklenburgischen Landstädte nahm dagegen zu. (vgl. ebd.: 95f) Adel und Bauern verdrängten die Städter von der lukrativen Bierbrauerei. Wollhandel und der Verkauf der Handwerksproduktion erfolgte vielfach über die großen Güter. Selbst ursprünglich städtische Handwerke siedelten sich auf den Gutsherrschaften an. Noch 1790 deckte Mecklenburg seine Einnahmen zu zwei Dritteln aus Getreideexporten, die jedoch zumeist über die Gutsherren und nicht über die Städte erfolgten. (vgl. Struck 1939: 270f.) Eine wichtige Teilfunktion der städtischen Wirtschaft ging somit verloren. Die kleinen binnenländischen Städte wurden auf Verwaltungsfunktionen und den Warenaustausch mit dem Umland beschränkt. In den Landstädten spielte die landwirtschaftliche Komponente bis in das 19. Jahrhundert hinein eine wesentliche Rolle im städtischen Leben. (vgl. Ruder 2001: 206; Heitz 2001: 390) Die großen Städte wahrten relativ lange ihre Autonomie. Noch im 16. Jahrhundert konnten Wismar und Rostock ihre Häfen für ihren Landesherrn verbieten. (vgl. Ziegler 1994: 251) Die Stellung freier Reichsstädte erlangten sie jedoch nie, so das ihre Unabhängigkeit auch nur solange währte wie die Hanse wirtschaftlich florierte. (vgl. Richter 1989a: 111) Rostock und Wismar konnten im 16. Jahrhundert von einem kurzzeitigen Aufschwung des Ostseehandels profitieren. Den Weg zur einer neuen, frühkapitalistischen Entwicklung mit Verlags- und Manufaktursystem konnten jedoch auch diese beiden wichtigsten mecklenburgischen Städte nur in engen Grenzen nehmen. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 67) Der Konflikt mit dem Herzog führte die großen Seestädte häufig auf die Seite des niederen Adels und brachte sie damit in einen Gegensatz zur Mehrzahl der kleineren binnenländischen Städte, die sich ihrerseits gegen die Ansprüche des niederen Adels erwehren mussten und Verständigung mit dem Herzog suchten. (Heitz 2001: 382) Im Ergebnis konnte der Adel aus dem Gegensatz zwischen Städten und Landesherrn seinen Vorteil ziehen. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 57) Die Städte konnten zumeist Teile ihrer alten Magistrats15 verfassung erhalten, ihre Autonomie verloren aber auch sie. (vgl. Hamann 1962: 141) Schon im 16. Jahrhundert hatten die Städte ihre Obergerichtsbarkeit verloren. (vgl. Heitz 2001: 384) Spätestens seit dem 18. Jahrhundert konnten die Stadt- bzw. Landesherren relativ weitgehend die städtischen Verfassungen verändern. (vgl. Struck 1939: 271, ausführlich: Heitz 2001: 385f.) Während die Seestädte ihre Autonomie gegenüber der Landesherrschaft in der Frühen Neuzeit verloren, gelangten die kleineren Landstädte häufig sogar in direkte Herrschaft niederadliger Herren. Der Unterschied in der Lebensrealität zwischen Mediatstadt und Immediatstadt schwindet in Mecklenburg jedoch zusehends. (vgl. Hamann 1962: 145) Die Städte Pommerns wurden in den brandenburgisch-preußischen Staat mit seinem im Vergleich zu Mecklenburg weitaus stärkerem Landesherrn und seiner zentraleren Verwaltung eingeordnet. Die Städte behielten kaum autonome Rechte, während die Adligen zwar ihre Mitwirkung an der Landesherrschaft einbüßten, auf ihren Gütern jedoch weitgehend autonome Rechtsbezirke erhielten. Nach dem Mittelalter sind in Mecklenburg nur wenige neue Städte begründet worden: z.B. Hagenow 1754, Rehna 1791, Bergen/Rügen 1613. (vgl. Richter 1989a: 111) Auch in den bestehenden Städten gab es kaum Erweiterungen über den mittelalterlichen Kern hinaus. In Pommern wurde mit der Gründung der Stadt Franzburg 1587 versucht, eine neue wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und eine wichtige neue Handelsstadt zu schaffen. Das Ergebnis blieb jedoch bescheiden. Franzburg stagnierte als kleines Städtchen mit einer Tuchmanufaktur. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden viele ländliche Herrensitze aufwendig barock ausgestaltet, während die bauliche Entwicklung der Städte stagnierte. Nur wenige Städte profitierten in der Frühen Neuzeit durch die Anlage fürstlicher Residenzen wie Schwerin, Güstrow und Neustrelitz und zeitweilig auch Gadebusch und Ludwigslust. Wirtschaftlich blieben sie jedoch von untergeordneter Bedeutung. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 96) Die seit dem späten 17. Jahrhundert durch die Landesherren immer wieder unternommenen Versuche, die städtische Wirtschaft zu fördern, blieben im Vergleich mit Brandenburg bescheiden und scheiterten weitgehend am Widerstand des Adels. Während die Ritterschaft steuerfrei blieb, waren die Städte durch Steuern und Gesetze in ihrem Handel mit auswärtigen Partnern eingeschränkt. (vgl. Struck 1939: 271) Wirtschaft und Stadtentwicklung nach dem Dreißigjährigen Krieg in Brandenburg Im Dreißigjährigen Krieg war Brandenburg über lange Jahre erheblichen Zerstörungen ausgesetzt. Der Krieg bedeutete einen Tiefpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung der Städte. Er führte zu erheblichen Schrumpfungsprozessen, Bevölkerungsverlusten und baulichen Zerstörungen für die meisten Städte Brandenburgs. Stadt und Land wurden zu einem großen Teil entvölkert. Die Bevölkerungsrückgänge vieler kleiner Städte sollten erst im 19. Jahr29 hundert wieder ausgeglichen werden können. Die Zerstörungen der städtischen Gewerbe und der landwirtschaftlichen Strukturen im städtischen Umland wirkten lange nach. Das Städtenetz blieb aber durch die erneute Bevölkerungszuwanderung vom - ebenfalls stark zerstörten - Land dauerhaft stabil. Nur wenige Städte sanken in dieser Zeit zu Dörfern oder Flecken hinab.30 Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm konnte das Land nach dem Frieden von 1648 wieder einem mühsamen Aufstieg beginnen. Gleichzeitig wurde der absolutistische Staat ausgebaut und 29 30 Als Beispiel soll hier die Stadt Pritzwalk dienen, die 1556 etwa 2.000, 1620 etwa 4.000, 1650 aber nur noch etwa 1.100 Einwohner hatte. Sie stagnierte um 1770 bei 1.647 Einwohnern. Erst 1858 wurde mit etwa 5.000 Einwohnern die Bevölkerungszahl von 1620 wieder deutlich überschritten. (Zahlen nach: Enders 1997: 688) Insbesondere in der Uckermark verschwanden einige Städte. Z.B. Fürstenwerder, das sich nach den Zerstörungen des Krieges nicht mehr dauerhaft gegen die Konkurrenz der nahgelegenen Städte Templin, Lychen und Prenzlau behaupten konnte (Engel 2001: 13). 16 die verbliebene Macht des Adels und der Städte auf die Landespolitik zurückgedrängt. 1653 fand der letzte märkische Landtag statt. Die preußische Variante des Staatsbildungsprozesses zeigte für die kleinen Städte negative Auswirkungen. Das Arrangement der Hohenzollern mit dem niederen Adel brachte diesem als Gegengewicht für den Verzicht auf Mitwirkung in gesamtstaatlichen Angelegenheiten große ökonomische und soziale Zugeständnisse auf lokaler Ebene. In ihren ausgedehnten Gutsherrschaften, die sich nach dem Dreißigjährigen Krieg überall in Brandenburg durchsetzten, und in ihren Mediatstädten wurden sie losgelöst von staatlichen Organen in lokalen Fragen weitgehend unbeschränkte Herren. (vgl. Pröve 1998: 155) Der Ausbau der Gutswirtschaft und die Übernahme vieler Handelsfunktionen durch die Ritter beschnitt wichtige wirtschaftliche Grundlagen der Städte. (vgl. Wipprecht 1999: 9) Seit dem späten 17. Jahrhundert konnten einige Städte durch die merkantilistische Politik der Landesherren langsam wieder aufsteigen. Die Verkehrswege - Chausseen und Kanäle wurden im 18. Jahrhundert stark verbessert. In viele Städten, insbesondere in jenen mit Residenzfunktion, wurde die Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen und die Errichtung von Manufakturen gefördert und landesherrliche Ämter eingerichtet. Der Absolutismus führte in Brandenburg zur Entstehung eines neuen Stadttypus: der Residenzstadt. Vor allem Berlin, konnte vom kurfürstlichen Hof profitieren. (vgl. Heinrich 1985: XLV) Durch zahlreiche Neustädte wurde die Hauptstadt planmäßig erweitert. Residenzen entstanden außerdem in weiteren alten Städten oder in Neugründungen. (vgl. Wipprecht 1999: 10) In Brandenburg gewann insbesondere das Textilgewerbe - durch die Nachfrage des Militärs - neue Bedeutung, während das früher sehr wichtige Braugewerbe zurückging. (vgl. Schulze 1939: 468) Ein weiterer wichtiger Entwicklungsfaktor kam ebenfalls vom Militär: Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wurden viele Städte mit Garnisonen belegt, was für die von den Einquartierungen betroffenen Bürger sehr negative, für die Stadt insgesamt jedoch 31 durchaus positive Folgen haben konnte. Einige Städte - insbesondere diejenigen mit fürstlichen Residenzen und Manufakturbetrieben - verzeichneten bis 1800 ein deutliches Bevölkerungswachstum. Eine Landschaft mit großen Handels- und Gewerbestädten entstand im Gegensatz zu anderen Regionen Deutschlands jedoch nicht. Nur wenige Orte überschritten die Schwelle zu Mittelstädten. Die Masse der Kleinstädte stagnierte eher. Ein Hemmnis war die rigide Sozialverfassung des Landes mit Schollenpflicht und Gutsuntertänigkeit, die die Abwanderung vom Land in die Städte erschwerte. (vgl. Pröve 1998: 155) Einzig in Berlin begann eine großstädtische Entwicklung, begünstigt durch seine Funktion als brandenburgisch-preußische Hauptstadt und Standort zahlreicher Gewerbe- und Handelseinrichtungen sowie von Kultur und Wissenschaft. „Gegenüber diesem enormen Aufstieg fiel die Mehrzahl der meisten brandenburgischen Städte gleichsam zurück oder sie verharrten doch auf dem Stande von Landstädten mit unverändert starker Ackerbürgerschaft und klassischen Gewerken.“ (Schich/Heinrich 2000: XLII) Die Sozialstruktur der Kleinstädte wandelte sich nur langsam, die alten mittelalterlichen Strukturen und Institutionen blieben - obwohl weitgehend inhaltsleer geworden - lange konserviert. Die wenigen Fern- und Großhändler verschwanden aus den Kleinstädten, während der Anteil von Ackerbürgern zunahm. Die alten führenden bürgerlichen Schichten aus dem Handel und dem zünftigen Handwerk erhielten langfristig Konkurrenz durch ein neues „Honoratiorentum“ bzw. ein „Gelehrtenpatriziat“. (vgl. für ganz Deutschland: Schilling 1993: 35) Mit dem Ausbau des Territorialstaates wurden die Kleinstädte als Verwaltungs- und Garnisonsstädte auch Wohnorte von Beamten und Militärs. Der „Schulmeister“, der Landrat, 31 Das Militär in den Städten, insbesondere das Verhältnis von Bürgern und Militärangehörigen, ist noch ein weitgehend unerforschtes Feld. (vgl. Meier 1999: 235f.) 17 der kleine Fabrikbesitzer oder der Garnisonskommandeur wurden Teil der kleinstädtischen Elite. Seit dem 15. Jahrhundert waren die landesherrschaftlichen Eingriffe in die städtische Autonomie noch situationsbedingt und punktuell erfolgt. Mitte des 17. Jahrhunderts fand mit der Durchsetzung des Absolutismus eine systematische, flächendeckende Einordnung der Städte in den fürstlichen Verwaltungsstaat statt. (vgl. für ganz Deutschland: Gerteis 1986: 76) Die Städte mussten zunehmend landesherrliche Eingriffe in ihre Verfassung hinnehmen, bis hin in die Niederungen städtischen Lebens. Der Staat versuchte jedoch gleichzeitig die niedergegangene städtische Wirtschaft in seinem Sinne wieder zu beleben und zu nutzen. (vgl. Göse 1996: 62) Unter König Friedrich Wilhelm I. waren die Städte weitgehend in die einheitliche Behördenstruktur der staatlichen Verwaltung eingeordnet. (vgl. Schulze 1939: 468) Das Stadtwesen geriet unter die Kontrolle der staatlichen Kriegs- und Steuerräte, so dass eine eigenständige Handels- und Wirtschaftspolitik der Städte nicht mehr möglich war. (vgl. Schulze 1956: 242) Viele Steuerräte wirkten in ihren Städten jedoch nicht nur als Vollstrecker zentralstaatlicher Macht, sondern setzten sich für die Belange der Städte ein und förderten ihre eigenständige Entwicklung. (vgl. Meier 1999: 229) Trotz aller Eingriffe des absolutistischen Staates hatten sich auch bis an das Ende des 18. Jahrhunderts in vielen Städten Brandenburgs noch stadtrepublikanische Traditionen und Relikte alter Rechtstraditionen bewahrt. (vgl. Pröve 1998: 163) Die Städte waren nicht bloße Befehlsempfänger der staatlichen Macht, wie es die frühere Forschung zumeist sah. Die Allmacht des absolutistischen Staates hatte auf lokaler Ebene - insbesondere in den immediaten Städten, aber auch in den Mediatstädten - durchaus ihre Grenzen. (vgl. Göse 1996: 63) Die Bewohner der Städte verstanden sich weiterhin als selbstbewusste Stadtbürger. Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts wurde von den Bürgern selbst der kleinsten Städte rezipiert, die nun vermehrt ihre Rechte gegenüber dem Staat einforderten. (vgl. Meier 1999: 224) Keinesfalls kann man die brandenburgischen Kleinstädte dieser Zeit pauschal als Ackerbürgerstädte bezeichnen, genauso wenig wie während des Mittelalters. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war fraglos ein wichtiger Anteil der Bewohner der Kleinstädte in der Landwirtschaft tätig, dennoch blieb ein bedeutender Anteil von Handwerkern erhalten. (vgl. Göse 1996: 69f) Der Anteil der Ackerbürger war zumeist weitaus geringer, als pauschal angenommen wird. (vgl. Pröve 1997a: 214f) Die meisten Kleinstädte bestritten weiterhin ihren Unterhalt im Wesentlichen aus Handwerk und Handel, wenn diese Gewerbe auch auf enge regionale Grenzen beschränkt blieben. „Hervorzuheben ist die für die Kleinstädte mit wenigen hundert Einwohnern erstaunliche Zahl von Gewerbetreibenden - neben Textilgewerben besonders die Schuhmacherei -, was vor allem mit entwickelter Marktproduktion und ausgebildeten Stadt-Land-Beziehungen zu erklären ist.“ (vgl. Engel 1999: 84) Die kleinen Städte boten gegenüber dem Land immer noch Modernität und Urbanität. „So wird man vor allem mit der voreiligen Bezeichnung ‚Ackerbürgerstadt‘ zurückhaltender sein müssen und vielmehr stärker den urbanen Charakter der kleinen und mittleren Städte zu berücksichtigen haben.“ (Pröve 1997a: 215) Wahrscheinlich nahm der Anteil der Ackerbürger in den kleinen Städten gegenüber dem Mittelalter zu, um dann im 19. Jahrhundert wieder abzusinken. Am ehesten kann die Bezeichnung Ackerbürgerstadt für viele der kleinen Mediatstädte 32 gelten, die z.T. sogar auf den Status eines „Fleckens“ hinabgedrückt wurden. Auch die 32 Für die Prignitz vgl. Schulze 1956: 245, für die Uckermark z.B. Biesenbrow, Boitzenburg und Freienwalde, vgl. Enders 1990: 98f. 18 33 Immediatstädte blickten mit Überlegenheitsgefühlen auf diese Mediatstädte herab. Aber selbst ein großer Teil der Mediatstädte - zumeist als Paradebeispiel des „städtischen Jammertals“ der Frühen Neuzeit angeführt - besaß zwar eine geringere wirtschaftliche Differenzierung als die Immediatstädte, behielt aber urbane Strukturen, Bürgermeister und Rat, die Einteilung nach Zünften, Marktrechte und Braurecht bei. Die Bewohner dieser Städte waren selbstbewusst, legten großen Wert auf die Bezeichnung „Bürger“ und verstanden es den entehrenden „Handdienst“ für ihre Herren zu vermeiden. Die Stadtherren versuchten die Mediatstädte in eine Abhängigkeit gleich derer der Dörfer hinabzudrücken und die alten Privilegien schrittweise abzubauen und durch die Einsetzung auswärtiger Amtsträger die 34 Ratsherrschaft der alten Familien zu brechen. Dies und der drohende Verlust des Stadttitels wurde von den Bewohnern der Mediatstädte vehement bekämpft. (vgl. Göse 1996: 60f sowie Göse 2001) Auch sehr kleine Mediatstädte verteidigten ihre verbliebenen städtischen Rechte und es war „die Rückbesinnung der Bürger auf die eigene Vergangenheit, ihre Stadtgeschichte, aus der die Kraft und Selbstbewusstsein schöpften.“ (Enders 2001: 288, für das Beispiel Freyenstein). Diese hier konstatierte städtische Qualität von Mediatstädten zeigt sich jedoch nicht bei allen Einzelfallstudien. In jedem zweifelhaften Einzelfall ist die Frage „Kleine Stadt oder großes Dorf?“ (Engel 1997, für das Beispiel Märkisch-Buchholz) zu untersuchen. Unter den kleinen Mediatstädten gab es durchaus viele Orte, die „zwischen Dorf und Stadt“ anzusiedeln waren und kaum noch städtische Qualität und Differenziertheit, dafür aber eine starke landwirtschaftliche Prägung besaßen.35 Der Bürgermeister der Mediatstädte konnte im Einzelfall zum reinen Vollzugsorgan des Stadtherren werden. Vielfach agierte er jedoch gemeinsam mit der Bürgergemeinde zur Wahrung der städtischen Interessen. (vgl. Göse 1996: 66) Die Beseitigung der Kriegsfolgen dauerte unter den erschwerten Bedingungen in den adligen Mediatstädten zumeist länger als in den immediaten Städten, so dass im 17. und 18. Jahrhundert der Entwicklungsabstand zwischen ihnen wuchs. (vgl. ebd.: 72) Die Verteilung von Ober-, Mittel und Unterschicht war in den Mediatstädten relativ ausgewogen, was die geringer ausgeprägten innerstädtischen Konflikte im Vergleich zu den Immediatstädten und die gemeinsame Frontstellung gegen den Stadtherren erklärt. (vgl. ebd.: 70) Die Mediatstädte auf landesherrlichem Besitz nahmen seit dem 18. Jahrhundert einen anderen Entwicklungsweg und konnten sich zu Amtsstädten entwickeln und zum Verwaltungszentrum des engeren Umlandes werden. In den Immediatstädten - die insgesamt eher größer waren, aber in ihrer Mehrzahl ebenfalls Kleinstädte blieben - kam es auch in der Neuzeit zu zahlreichen Konflikten innerhalb der Bürgerschaft. Neben Auseinandersetzungen mit dem Landesherren und wirtschaftlichen und privaten Streitfällen in der Gemeinde, ging es innerhalb der Bürgerschaft auch um Fragen der Mitbestimmung, „die besonders in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts, politischen Charakter [hatten], nicht zuletzt unter dem Eindruck der französischen Revolution.“ (Enders 1999: 77) Auch unterbürgerliche Schichten waren vermehrt beteiligt. Brandenburg im frühen 19. Jahrhundert: „Reformen von Oben“ und beginnende Industrialisierung Eine wesentliche Neuerung für alle brandenburgischen Städte waren die sogenannten „Stein-Hardenbergschen Reformen“. Neben der Aufhebung des Zunftsystems im Jahre 1810 33 34 35 Nach Ansicht der Bürger der „mittelgroßen“ Kleinstadt Angermünde war es den Einwohnern des benachbarten, kleinen Greiffenbergs gleichgültig „ob sie Bürger seyen oder nicht“. (zitiert nach: Enders 1992: 564) So z.B. - weitgehend erfolglos - in Wilsnack. (vgl. Göse 1996: 65) Am Beispiel der Mediatstädte des ostbrandenburgischen Kreises Lebus: Vetter 1997: 148f. Diesen „Schwebezustand zwischen Stadt und Dorf“ konstatiert Radtke (2001: 63) auch für weitere kleine Städte um 1700, die er als „Minderstädte“ einschätzt (z.B. Saarmund, Zossen, Trebbin, Teltow). 19 wurde insbesondere die Städteordnung von 1808 entscheidend für die weitere innere Entwicklung der brandenburgischen Städte und die Überwindung vieler Erstarrungen. Die Städte erhielten wieder weitgehende Selbstverwaltungsrechte und Autonomie in inneren Angelegenheiten. Der königliche Steuerrat als Leiter und Aufsicht der städtischen Verwaltung verschwand. Andererseits verloren sie aber auch die Reste ihrer mittelalterlichen Sonderrolle, verbliebene Gerichts- und Polizeirechte wurden verstaatlicht. (vgl. Schulze 1939: 469) Die Städte wurden zur untersten Verwaltungseinheit des Zentralstaates und kamen unter die Rechtsaufsicht der Landräte. Gleichwohl war der Gewinn an autonomen Handlungsmöglichkeiten durch die Städtereform erheblich. Alle Städte Brandenburgs besaßen nun im Wesentlichen das gleiche Stadtrecht, das sich wie im Mittelalter grundsätzlich vom Recht der Landgemeinden unterschied. Die Neuordnung kam auch den Mediatstädten zugute, lediglich Orte, die ihr Stadtrecht bereits verloren hatten, blieben ausgeschlossen. (vgl. Schulze 1956: 275) Allerdings hatten gerade die kleinen Städte erhebliche Schwierigkeiten die vorgeschriebenen Organisationen (z.B. die Anzahl von Magistratsmitgliedern) aufzubauen. Der Sinn und die Wirksamkeit der Städteordnung wurde von den Bürgern der Kleinstädte - teilweise abgesehen von den alten Ratsgeschlechtern jedoch nicht in Frage gestellt. (vgl. Meier 2001: 148) In den Zeiten des Umbruchs machten sich gerade in den Kleinstädten auch konservative Tendenzen breit. Im Mittelstand, im „Kleinbürgertum“, klammerte man sich an sozial und wirtschaftlich überkommene Formen und Ansprüche. (vgl. für ganz Preußen: Matzerath 1985: 69) Heute wird jedoch auch vermehrt die modernisierungsfördernde Rolle des brandenburgischen Stadtbürgertums betont. Brigitte Meier vertritt die These, dass der Übergang von der alten Gesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft sich auch in den brandenburgischen Städten zwischen 1750 und 1850 nicht in einer Sonderentwicklung, sondern ebenso konfliktreich und vielgestaltig wie in anderen deutschen Regionen vollzog und das „brandenburgische Stadtbürgertum als Mitgestalter der Moderne“ auftrat. (vgl. Meier 36 1999: 242 und ausführlich Meier 2001 ) Die Städteordnung schuf ein neues Verwaltungssystem, belebte aber auch in gewisser Weise alte stadtrepublikanische Traditionen neu. Die Erinnerung an alte städtische Freiheit gewann besonders in Verbindung mit der Städtereform und mit den bürgerlichen Emanzipationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts wieder an Bedeutung. (vgl. Pröve 1998: 151f) Alte städtische Vereine - insbesondere die Schützengilden - wurden Träger dieses bürgerlichen Selbstbewusstseins, nicht nur in einem altstädtischen - vormodernen Sinne. Sie trugen auch in erheblichem Maße zur Entstehung einer bürgerlichen Gesellschaft in den Klein- und Mittelstädten bei. (vgl. Pröve 1999: 296) Das Idealbild in der Vorstellung blieb die mittelalterliche Stadt. Die aufgeklärten und liberalen Historiker des 19. Jahrhunderts überzeichneten das positive Bild der Städte des Mittelalters ebenso wie das Negativimage der Städte der Frühen Neuzeit. Die Stadtbürger griffen nun diese Vorstellung bereitwillig auf und verwendeten Bilder mittelalterlicher Stadtfreiheit bei den Auseinandersetzungen mit der staatlichen Macht im Vormärz und der Revolution von 1848.37 36 37 Allerdings sind die durchaus umstrittenen Aussagen vor allem auf mittlere und größere brandenburgische Städte wie Frankfurt und Neuruppin bezogen. Hahn äußert sich zum klein- und mittelstädtischen Bürgertum ähnlich: „Das Bürgertum der deutschen Klein- und Mittelstädte verharrte somit nicht störrisch und rückwärtsgewandt im immer wieder angeprangerten Philistertum. Es trug vielmehr durchaus selbst zu den Veränderungsprozessen bei, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf neue Grundlagen stellten.“ (Hahn 2001: 33) Allerdings argumentiert er vorwiegend anhand von Beispielen aus süd- und westdeutschen Regionen. Mit unterschiedlicher Intension wirkten die „Staatshistoriker“ des späten 19. Jahrhunderts, die die brandenburgisch-preußische Geschichte als die Erfolgsgeschichte eines Herrscherhauses schrieben. Die Eingriffe in die städtische Selbstverwaltung erscheinen hier notwendig, um die Staatsbildung zu erreichen. Die stadtgeschichtlichen Kontinuitäten zwischen 1500 und 1800 wurden dabei von beiden Seiten weitgehend vernachlässigt und die Allmacht des Absolutismus überschätzt. (vgl. Pröve 1998: 149) 20 Insgesamt traten die Stadtbürger selbstbewusster auf. Auch in den kleinen brandenburgischen Städten kam es im Laufe des 19. Jahrhundert, häufig im Rahmen der Ereignisse von 1848, zu demokratischen Bewegungen, „Tumulten“ gegen die Obrigkeit und „Selbsthilfen“ der Bürger zur Sicherung ihrer Rechte. (zum Beispiel Templin: Franke 2001) Die neue Gewerbefreiheit wirkte sich zunächst ungünstig auf die städtischen Handwerker aus, da neben neuen Gewerben in der Stadt nun auch vermehrt Handwerk auf den Dörfern entstehen dürfte. Das alte Tuchmachergewerbe geriet zudem in die Konkurrenz zur frühen Tuchindustrie. (vgl. Schulze 1956: 305) Insbesondere nach 1830 musste sich das alte Textilgewerbe zur Industrie wandeln oder es konnte langfristig nicht bestehen. So kam es regional 38 zu sehr unterschiedlichen Entwicklungen. (Adamy 1995: 439f) Heimgewerbe und weite Teile des produzierenden Handwerks in den Klein- und Mittelstädten wurden durch die industrielle Entwicklung verdrängt. (vgl. Adamy 1995: 508) Das kleinstädtische Handwerk hatte erhebliche Anpassungskrisen zu durchlaufen, bevor es sich im Laufe des Jahrhunderts vom produzierenden zum „reparierenden“ und dienstleistenden Gewerbe wandelte. Insgesamt schuf die Gewerbefreiheit jedoch zusammen mit den weiteren Reformen und den neuen Infrastrukturen auch für die Kleinstädte zahlreiche Möglichkeiten. Seit 1840 schloss ein forcierter Eisenbahnbau immer mehr Städte an das moderne Verkehrsmittel. Auch Ansätze früher kleinstädtischer Industrialisierung wurden dadurch befördert. Die Bauernbefreiung hatte die Voraussetzung für die Wanderung vom Land in die Städte geschaffen, wovon zunächst die neuen Gewerbestädte und Verwaltungszentren profitierten. Das 19. Jahrhundert brachte so für viele Städte einen erheblichen Wachstumsschub. Die geographische Verteilung des industriellen Wachstums war jedoch ungleich. Innerhalb Brandenburgs gelang die Umwandlung der wirtschaftlichen Basis hin zu industriellen Strukturen bei weitem nicht allen Städten: Neue frühindustrielle Standorte etablierten sich, während andere Kleinstädte mit dem Zerfall altgewerblicher Strukturen und einem steigenden Anteil unterbürgerlicher Schichten konfrontiert waren. Ein Ausweg aus diesen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bot die Wanderung in die neuen Industriestädte, allen voran Berlin. Bei den Ackerbürgern traten die neuen sozialen Probleme in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch nicht in dieser Schärfe in den Vordergrund, da sie durch ihre Tätigkeit weitgehend außerhalb dieser neuen Entwicklungen standen. Allgemein stieg auch in den kleinen Städten durch das Anwachsen der Fabrik- und Behördenbeschäftigten der Anteil von unselbständigen Arbeitern. (vgl. Schulze 1956: 307) Das 19. Jahrhundert in Mecklenburg und Pommern: Verpasste Modernisierungen? Die letzten schwedischen Besitzungen in Pommern kamen nach 1815 an Preußen. Auf dem Wiener Kongress wurden die beiden mecklenburgischen Herzogtümer zu Großherzogtümern erklärt. Eine Reformperiode wie in Brandenburg - die auch Pommern zugute kam erlebte Mecklenburg am Anfang des 19. Jahrhunderts nicht. Im 19. und 20. Jahrhundert fiel Mecklenburg weiter hinter das sich modernisierende Preußen zurück, wobei sich innerhalb Preußens der Landesteil Vorpommern langsamer entwickelte als Brandenburg. Als Folge der bürgerlichen Revolution wurde 1849 ein modernisiertes Staatsgrundgesetz eingeführt. Im Jahre 1850 wurde es jedoch bereits wieder aufgehoben und die alte Ständeverfassung wieder eingesetzt. Dieser Verfassungszustand blieb weitgehend bis 1918 erhalten. Das Siedlungsbild der beiden Territorien wurde auch über das Mittelalter hinaus auf dem Lande durch eine reine Dominanz der Großlandwirtschaft und wenige größere 38 Ein Beispiel für eine Stadt mit ausgeprägtem vorindustriellen Tuchgewerbe, das sich jedoch rechtzeitig hin zu industriellen Strukturen wandeln konnte, ist die Stadt Luckenwalde, die bis 1900 von einer Kleinstadt zu einer kleinen Mittelstadt wachsen konnte. In Neuruppin, Peitz und Züllichau starb das traditionelle Textilgewerbe fast völlig ab. 21 Handelsstädte und vor allem durch viele kleine Städte geprägt. In Mecklenburg-Schwerin gab es beispielsweise 1821 noch 21 kleine Kleinstädte unterhalb von 2.000 Einwohnern und 15 Städte bis unter 5.000 Einwohner, nur zwei binnenländische Städte hatten über 5.000 Bewohner. Bis 1841 war die Zahl der kleinen Kleinstädte auf acht gesunken, die Anzahl der Städte zwischen 2.000 und 5.000 Einwohnern war immerhin auf 27 gestiegen. Aber immer noch hatten lediglich drei binnenländische Städte die Grenze von 5.000 Einwohnern überschritten. (vgl. Heitz 2001: 384) 1827 wurde erstmals eine Stadtrechtsreform in Mecklenburg durchgeführt, eine umfassende Städteordnung wie sie in Preußen durchgesetzt werden konnte, scheiterte in Mecklenburg jedoch am Widerstand der Stände. Modernisierungen ließen sich nur in wenigen Städten durchsetzen, so dass die alten Verfassungen zumeist bis zur Städteordnung von 1919 bestehen blieben. (vgl. Struck 1939: 271) Der Unmut in den Städten gegen die alten Strukturen führte in den 1830er und 40er Jahren in einigen Städten zu Unruhen. In immerhin 16 Städten konnten bis 1840 liberalere Verfassungen durchgesetzt werden. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 122) Das „alte“ Handwerk war in den Städten bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts um die Wahrung seiner Privilegien bemüht und verhinderte so zusätzlich eine moderne wirtschaftliche Entwicklung. Auch in den Neuabfassungen der Zunftordnungen wurden die strengen mittelalterlichen Beschränkungen beibehalten. (vgl. ebd.: 123) Trotz aller Behinderungen zeigten sich um 1850 erste Ansätze der Industrialisierung in den größeren Städten. (vgl. ebd.: 124) „Der durch die ständestaatliche Verfassung gezogene Entwicklungsrahmen gestattete zwar die Anfänge kapitalistischer Industrialisierung in Rostock, Wismar und Schwerin, ließ in den Landstädten jedoch die kleingewerblichen Strukturen bestehen. (...) Ihre Entwicklung blieb durch Stagnation und Hemmnisse geprägt.“ (Heitz 1997: 127) In Pommern erfolgte durch die Stein-Hardenbergschen Reformen ebenso wie im Kernland Brandenburg eine Modernisierung, die den Städten wieder mehr Freiheit auf Grundlage einer neuzeitlichen Verfassung gewährte. Ein wesentlicher Teil der Entwicklung konzentrierte sich jedoch auf die Hafenstadt Stettin, die zum größten Hafen Preußens ausgebaut wurde, der Rostock und Lübeck in den Schatten stellte. Mecklenburg und Vorpommern blieben vor allem Produzenten von Agrargütern. Das lange Fortbestehen des Zunftzwanges erschwerte die Industrialisierung in den Städten. (vgl. Karge/Rakow 1995: 75) Die rückständige Verfassung (z.B. waren Aktiengesellschaften nicht zulässig) behinderte die Entwicklung erheblich. (vgl. ebd.: 78) Erst seit den 1860er Jahren gab es in Mecklenburg einige Reformen, die die Stadtwirtschaft wieder förderten. (vgl. Struck 1939: 271) Viele althergebrachte städtische Handwerke konnten jedoch nach dem Wegfall der ständischen Schutzbestimmungen kaum noch mit den neuen industriellen Waren konkurrieren. Insgesamt profitierten die Städte jedoch von den Entwicklungen des 19. Jahrhunderts. Insbesondere die Abschaffung der Leibeigenschaft im Jahre 1820 und die Einführung der völligen Gewerbefreiheit und der Freizügigkeit 1867 sorgten wieder für Bevölkerungszuwachs aus den ländlichen Gebieten. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts begann in Mecklenburg die industrielle Revolution langsam Wirkung zu zeigen. Gegen die Konkurrenz der mittlerweile etablierten Standorte in Preußen und Hamburg hatte die mecklenburgische Industrie und der Handel jedoch nur geringe Entfaltungsmöglichkeiten. (vgl. Karge/Rakow 1995: 79) Der Ausbau des Verkehrsnetzes schadete deshalb durch die verbesserte Einfuhr fremder Waren zunächst mehr als er nützte. (vgl. Buthe 1937: 54) Das Fehlen von Rohstoffen und die ungenügende Verkehrsinfrastruktur machte sich negativ bemerkbar. Sowohl die Auswanderung nach Amerika als auch die Binnenwanderung in die Großstädte Deutschlands wie Berlin und Hamburg prägten den Nordosten. (vgl. Richter 1989a: 112) Die Abwanderung führte zu erheblichem Arbeitskräftemangel auf dem Land, so dass zunehmend polnische Saisonarbeiter 22 („Schnitter“) auf den großen Gütern zu Einsatz kamen. Zwischen 1871 und 1900 zogen 80.000 Menschen vom Land in die Städte, während weitere 120.000 auswanderten. (vgl. Witte 1989: 33) Eine breite Schicht eines besitzenden, politisch interessierten Bürgertums entstand unter diesen Bedingungen nicht. „So blieb Mecklenburg bis 1918 politisch ein museales Land.“ (ebd.: 35) Außerhalb der Küste gab es kaum wichtige Industrien oder ausgeprägte Industriestädte. In Mecklenburg-Strelitz galt bezeichnender Weise das kleine Friedland mit seinen Stärke-, Zucker- und Fliesenfabriken als größte Industriestadt um 1900. Nur etwa ein Dutzend Städte konnte von Eisenbahnbau und Industrieansiedlung nachhaltig profitieren. Zu den Städten, die deutliche Bevölkerungszuwächse verzeichneten, zählten neben den großen Städten Rostock, Wismar und Schwerin auch Neubrandenburg, Demmin, Malchin, Teterow, Waren und Güstrow. Ein neuer Industrieort entstand um 1900 mit Torgelow. (vgl. Richter 1989a: 112f) Die größeren Kommunen wuchsen durch die Zuwanderung der Landbevölkerung und konnten neue Vorstädte vor den Stadttoren anlegen, einerseits mit Mietshäusern, andererseits entstanden auch Villengebiete. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 134) Langsames Wachstum, Stagnation oder zeitweise Abnahme waren jedoch eher die Regel für die kleinen Städte. Mehr als ein Viertel der rund 70 Städte schrumpfte in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg. Zumeist waren es Kleinstädte in abseitiger Lage. (vgl. Richter 1989a: 113) Die wachsenden Verarbeitungsindustrien der Lebensmittel- und Holzbranche schufen auch Standorte in den kleinen Städten, von denen jedoch keine wesentlichen Wachstumsimpulse ausgingen. (vgl. Richter 1989b: 143) Die Agrarkrisen des 19. Jahrhunderts konnten durch die fehlende Industrialisierung der Städte nicht innerhalb Mecklenburgs gelöst werden. Folge waren Pauperisierung und immer neue Auswanderungswellen. (vgl. Karge/Rakow 1995: 75) Neue Stadtrechtsverleihungen waren in dieser Zeit selten: 1875 wurde Dargun, 1876 Ludwigslust und 1879 Doberan zur Stadt erklärt. (vgl. Richter 1989a: 113) Fluch und Segen Berlins: Brandenburg im späten 19. und im 20. Jahrhundert Während die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts in anderen Regionen Deutschlands auch kleinen Städten zu gute kam und einen Entwicklungsschub bescherte, lässt sich das in Brandenburg wie in Mecklenburg und Vorpommern nur sehr bedingt beobachten. Da sich weder besondere Rohstoffvorkommen noch Bevölkerungskonzentrationen oder Verkehrsknoten in diesem Raum befanden, boten sich keine idealen Bedingungen für Industrieansiedlungen. Ein Sonderfall, der die Entwicklung in Brandenburg wesentlich bestimmte, war der wirtschaftliche Aufstieg Berlins. Die Entwicklung Brandenburgs konzentrierte sich seitdem immer mehr auf diese Stadt. Die Berlin benachbarten Siedlungen erfuhren durch Wohn- und Gewerbeansiedlungen erhebliche Umformungen. Die neuentstandene Bevölkerungskonzentration ließ für die Orte der weiteren Region einen umfangreichen Markt für Güter und Dienstleistungen entstehen. Neben der alten auf merkantilistischen Strukturen beruhenden Industrie entwickelten sich in Brandenburg vor allem mit Berlin absatzverbundene Industrien landwirtschaftlicher Produkte, der Steine und Erden und des Holzgewerbes, der Brennstoffe und der Textilien. (vgl. Pfannschmidt 1937: 21-23) Nach der „Sättigung“ des engeren Berliner Stadtgebietes mit Industrie siedelten sich immer mehr Unternehmen anderer Bereiche im weiteren Umland an. (vgl. Adamy 1995: 528) Viele spezialisierte Produktionen, z.B. des Metallbereiches, 39 verlagerten ihren Standort nach 1900 auch von Berlin in andere brandenburgische Städte. Für ganz Preußen gilt, dass sich bis 1900 in den Mittelstädten eher Metall- und Chemieindustrie ansiedelte, in den Kleinstädten über 5.000 Einwohner Bergbau, Hüttenwesen und 39 Viele Betriebe der Herstellung von Blechwaren und Kleineisenwaren wanderten beispielsweise nach Luckenwalde, Finsterwalde, Eberswalde, Oranienburg und Brandenburg/Havel (Pfannschmidt 1937: 31). 23 Textil und in den Landstädten unter 5.000 bis 2.000 Einwohner Nahrungs- und Genussmittel sowie Steine und Erden. (vgl. Matzerat 1985: 264) Insgesamt wuchsen zwischen 1871 und 1914 vor allem die Städte mit mehr als 5.000 Einwohner überdurchschnittlich. (vgl. für ganz Preußen: Matzerath 1985: 255) Am stärksten reichte die durch Berlin bedingte Industrieentwicklung im Verlauf der Wasserstraßen Havel und Spree in das brandenburgische Umland hinein. Zur „hauptstadtgebundenen Wirtschaftsregion“ (Otto Büsch) kann das Berliner Umland bis hin zur industriellen Region im Finowtal (Eberswalde, Finow u.a.) gerechnet werden. Eigenständigere Industrieentwicklungen erfolgten darüber hinaus an der Unterhavel (Rathenow, Kirchmöser, Brandenburg), auf dem östlichen Fläming (Luckenwalde, Jüterbog) und in der Lausitz (zuerst Textil, später Braunkohle). Industrieansiedlungen in der Uckermark und der Prignitz blieben sehr vereinzelt. (vgl. Materna 1999: 95f) Die größte einzelne Industriestadt wurde Brandenburg/Havel (Metallverarbeitung). Neben einigen wenigen kleineren und mittleren Industriestädten (z.B. Rathenow, Wittenberge, Zehdenick, Luckenwalde, Forst) blieben die meisten kleineren brandenburgischen Städte, vor allem in der Peripherie der 40 Provinz, weitgehend ohne Industrie und gerieten in den Windschatten Berlins. Die Wirtschaftsstruktur der meisten kleinen Städte wandelte sich nur wenig im Sinne der Industrialisierung. (vgl. Wipprecht 1999: 13) Nur kleinere Betriebe des sehr konjunkturanfälligen und von Berlin abhängigen Nahrungsmittelgewerbes und der Baustoffindustrie waren häufiger vertreten. Durch spezialisierte Produktionen für den baulichen Aufbau der Hauptstadt wurden viele kleine Orte aus ihrer Stagnation geführt: z.B. Velten mit Kachelöfen, Baruth mit Glas und Ketzin, Mittenwalde und Zehdenick mit Ziegeln. (vgl. Benke 2001: 213) Die Provinz profitierte zwar von der Nachfrage der Hauptstadt, musste sich jedoch deren wechselnden Bedürfnissen anpassen. So blieb die Ausrichtung häufig sehr einseitig und vielfach entwickelte sich in berlinfernen Räumen keine nachhaltige industrielle Struktur. Eine Besonderheit der Stadtentwicklung in den preußischen Provinzen Pommern und Brandenburg war die große Rolle des Militärs. Schon seit dem frühen 18. Jahrhundert wurden viele Städte mit Garnisonen belegt. Die im 19. Jahrhundert immer stärker wachsenden Militärstandorte bestimmten die wirtschaftliche und soziale Struktur ganzer Städte oder Landschaften über Jahrzehnte (z.B. die Regionen um Jüterbog oder Neuruppin). Der weitere Ausbau des Militärs bis zum Ersten Weltkrieg, die Hochrüstung im Nationalsozialismus und die Konzentration von Nationaler Volksarmee und sowjetischen Streitkräften im brandenburgischen Raum verstärkte diese Prägung bis 1989 tiefgreifend. Schon im Laufe des 19. Jahrhunderts verloren viele Landstädte Bevölkerung an den Berliner Raum. Die märkischen Kleinstädte waren aus der Sicht der neuemporgekommenen Großstadt Berlin - die vor nicht allzu ferner Zeit nicht viel anders aussah - nur die rückständige Provinz. Zwischen den modernisierungswilligen und den traditionellen Städten entstand in der Phase der Hochindustrialisierung ein immer größerer Abstand. Weite Teile der altbürgerlichen Schichten der kleinen Städte waren schon durch die Neuerungen der Stein-Hardenbergschen Reformen stark verunsichert worden. (vgl. Meier 1999: 239) Die städtischen Eliten in den einzelnen Kleinstädten reagierten im Übergang zur Industrialisierung sehr unterschiedlich. Manche Städte bemühten sich sehr vehement um Industrieansiedlungen und einen Eisenbahnanschluss41, während andere Städte alles taten, um 40 41 „Die alten brandenburgischen Städte Prenzlau, Angermünde, Lychen, Gransee, Neuruppin, Pritzwalk, Wittstock, Perleberg sind zwar Standorte kleiner und mittlerer Betriebe verschiedener Branchen, keinesfalls aber als Industriestädte zu bezeichnen“ Materna 1999: 96. Z.B. das Bemühen der Bürger Zehdenick um Bahnanschluss bis 1888 und die weitere Industrialisierung bis 1914 (siehe Benke 2001b, vor allem 216 und 243). 24 42 diese neuen Entwicklungen zu verhindern. Viele Kreisstädte sahen sich nicht veranlasst neben ihrer administrativen Funktion eine weitere wirtschaftliche Grundlage - zumal der vielfach negativ besetzten Industrie - zu fördern. Einige Städte nutzen selbst eine optimale Ver43 kehrslage nicht zur Industrialisierung, sondern verharrten in vormodernen Strukturen. Die meisten Städte, die in den ersten Phasen des Eisenbahnbaus - durch eigene Handlungen oder zumeist durch Entscheidungen von außen - nicht erschlossen wurden, erhielten um 1900 doch noch Anschlüsse an Nebenbahnen, die aber aufgrund geringerer verkehrlicher Bedeutung nur teilweise Entwicklungsschübe verursachten.44 Die Städte, die keine gewerbliche oder industrielle Entwicklung erreichten - soweit nicht durch touristische oder administrative Einrichtungen begünstigt - verharrten auch im 20. Jahrhundert auf dem Stand der Frühen Neuzeit. „Wo Wachstum und Mobilität ausblieben wie in den stagnierenden Kleinstädten -, erstarrten auch die gesellschaftlichen Strukturen, erfolgte zunehmend eine Abschließung nach außen.“ (Matzerath 1985: 380) Vielen kleinen Städten mit neuen Ansiedlungen gelang dagegen die Modernisierung ihrer Infrastruktur und die partielle Angleichung an den Lebensstandard der Großstädte, unter Teils erheblichen finanziellen Anstrengungen für Wasserwerke, Gastanstalten, Straßenbeleuchtung und Schlachthäuser.45 Die industriellen Entwicklungen veränderten die Bevölkerungszusammensetzung in den brandenburgischen Städten. Auch in vielen kleinen Städten entstand eine Arbeiterschicht. Neben den traditionellen Mittelstand aus Handwerk und Handel traten die Beamten, Angestellten und freien Berufe. (vgl. ebd.) Die neuen Fabrikbesitzer und Unternehmer wurden an der Seite der alten bürgerlichen Oberschicht führend in den Städten. Trotz der starken Konzentration auf Berlin bildeten sich bis in die 1930er Jahre auch an anderen Orten der Mark industrielle Zentren heraus. Als mittlere und kleinere Industriestädte außerhalb des engeren Berliner Raumes mit verstärkter Entwicklung nach 1900 sind vor allem Brandenburg/Havel, Rathenow, Wittenberge, Jüterbog, Luckenwalde, Cottbus, Eberswalde, Forst, Guben und Spremberg zu nennen. (vgl. Adamy 1995: 529) Andere Städte profilierten sich als Rentnersitze (z.B. Oderberg), Kurorte (z.B. Wilsnack), Ausflugsstädte für Berliner (z.B. Werder seit 1860 Blütenfest), Verwaltungszentren (vor allem die Kreisstädte) oder Militärstandorte. Die alte bauliche Struktur, einschließlich der Festungsanlagen blieb aufgrund des begrenzten Wachstumsdrucks in vielen Kleinstädten lange erhalten. Mittelalterliche Bausubstanz war auch im 19. Jahrhundert aufgrund der häufigen Stadtbrände nur noch in geringem Umfang in den Kleinstädten zu finden, jedoch blieb die Bindung an den historischen Stadtgrundriss und die kleinteilige Parzellenstruktur über die Jahrhunderte eine wesentliche Kontinuität. Nach 1900 wurden die alten Baubestände auch unter denkmalpflegerischen Aspekten bewusst bewahrt. Zahlreiche Vereine zur Erhaltung des historischen Erbes bildeten sich in den kleineren brandenburgischen Städten. (vgl. Wipprecht 1999: 14) Dennoch wuchsen die Städte nach der Jahrhundertwende verstärkt über ihre alten Grenzen 42 43 44 45 Z.B. die Stadt Wusterhausen, die sich erfolgreich gegen den Anschluss an die Hamburger Bahn wehrte. (vgl. Heinrich 1985: 400) Als Beispiel kann die Stadt Gransee dienen, die trotz ihrer Lage an der wichtigen Fernstraße 96 und dem frühen Anschluss an die Nordbahn und einer Berlin nahen Lage kaum Ziel von Industrieansiedlungen wurde und zwischen 1860 und 1939 nur von 3.168 auf 4.521 Einwohner anwuchs. (Zahlen nach: Engel 2000: 214) Ähnlich z.B. die Stadt Friesack, die zwar an den wichtigen Straßen und Bahnverbindungen zwischen Hamburg und Berlin lag, aber nur von 1.300 Einwohnern im Jahr 1800, 2.850 im Jahr 1933 auf 3.271 im Jahr 1964 anwuchs. (Zahlen nach: Heinrich 1985: 192) Heute sind insbesondere diese Nebenstraßen von Streckenstillegungen betroffen. So kann eine im 19. Jahrhundert „verpasste“ Entwicklung noch mehr als 100 Jahre später negative Folgen für die Städte zeigen. Der Landrat von Templin urteilte 1911 über Zehdenick, dass „alle die zeitgemäßen Neuerungen und Einrichtungen, die man von einer Stadt mit annähernd 10.000 Einwohnern wohl verlangen kann, bereits getroffen waren und andererseits für Zehdenick in pekuniärer Hinsicht eine längere Zeit der Ruhe dringend notwendig geworden ist.“ Brandenburgisches Landeshauptarchiv [BLHA], Rep 2 A I Pers. Nr. 2319/1, Schreiben vom 12.6.1911 des Landrates Arnim an den Regierungspräsidenten Potsdam (ohne Bl.). 25 hinaus. Zwischen den neuen Bahnhöfen und den Altstädten entwickelten sich bis zum Ersten Weltkrieg zumeist kleine „Bahnhofsviertel“ mit Mietshäusern, Postgebäuden und gewerblichen Einrichtungen. Einzelne Straßenzüge mit repräsentativen Villen und Landhäusern entstanden am Rande der Altstadt. Die Durchgangsstraßen der Altstädte wurden zu kleinen „Hauptstraßen“ mit Ladenlokalen, teils kleinen Kaufhäusern und Sparkassengebäuden. Vor allem in den Kreisstädten wurden moderne Krankenhäuser, weiterführende Schulen und Einrichtungen der Kreisverwaltung erbaut. Nach 1918 wurden in 46 den größeren Kleinstädten auch Siedlungen für Beamte oder Arbeiter angelegt. Typisch sind die „Stadtrandsiedlungen“ der 1930er Jahre, die sich zumeist in Form von Doppelhausanlagen an der Peripherie zahlreicher Kleinstädte finden. Kleinere Städte im Berliner Raum wurden durch Wohn- und Gewerbeansiedlungen in die Vorortentwicklung miteinbezogen (z.B. Bernau, Oranienburg) oder entwickelten sich zu Ausflugsorten der Berliner. Gleichzeitig blieben andere ebenfalls Berlin benachbarte Kleinstädte im Windschatten der Metropole - vor allem wegen schlechterer Bahnanbindung - und von Überformungen dadurch weitgehend unbeeinflusst (z.B. Altlandsberg). In der Weimarer Zeit verlangsamte sich das Stadtwachstum. Einige Kleinstädte waren durch die Schließung von Garnisonen betroffen (z.B. Angermünde). Der Nationalsozialismus brachte vor allem durch die in Brandenburg konzentrierte Rüstungsindustrie einen erneuten kurzfristigen - Entwicklungsschub für viele Städte, auch außerhalb des Berliner Raums. Neue Städte entstanden dagegen bis 1945 kaum: Neben den neuen Städten um Berlin (die 1920 eingemeindeten Städte Neukölln, Lichtenberg, Wilmersdorf etc.) erhielten bis zum Zweiten Weltkrieg nur wenige Städte Stadtrecht. (z.B. Velten, Finow, Königswusterhausen und Vietz, vgl. Schulze 1939: 467) Novawes erhielt 1924 Stadtrecht, 1938 wurde es in Babelsberg umbenannt, um dann 1939 nach Potsdam eingemeindet zu werden. (vgl. Engel 2001: 10f) Der Beginn des Zweiten Weltkriegs unterbrach die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs und sorgte für eine weitgehende Stagnation der Stadtentwicklung. Die Kriegswirtschaft und die luftkriegsbedingten Verlagerungen von Industrien schufen jedoch noch in den 1940er Jahren neue Standorte. Brandenburg war „geradezu vollgestopft mit Rüstungsindustrie“. (Eichholtz 1993: 63) In den letzten Kriegsjahren kam es zu einigen Zerstörungen von Kleinstädten durch Luftangriffe (z.B. Templin). Die Zerstörungen bei vielen weiteren kleineren Orten waren vor allem durch die Bodenkämpfe der letzten Kriegswochen erheblich. (vgl. Topfstedt 1992: 238) Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Mecklenburg und Vorpommern Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Mecklenburg zahlreiche Ansätze zur Reform der alten ständischen Verfassung, die jedoch letztlich alle scheiterten. Erst die Novemberrevolution beseitigte die vormoderne rechtliche Struktur. Die Zweiteilung des Landes setzte sich in der Weimarer Republik fort. Pommern blieb auch nach 1918 preußische Provinz. Wirtschaftlich hatte sich die Küsten- und Agrarregion bis 1914 zumindest partiell weiterentwickelt. Es etablierte sich eine moderne Nahrungsmittelindustrie (z.B. Stärkefabriken, Zuckerfabriken) und der Fremdenverkehr war zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. In Pommern entwickelte sich die Hafenwirtschaft weiter. Wirkliche Industrialisierung blieb jedoch weitgehend aus. In der Weimarer Republik waren Mecklenburg und Vorpommern von Inflation, Stagnation und Weltwirtschaftskrise erheblich betroffen. Die Schifffahrt und die Landwirtschaft und die wenigen Industriestandorte bauten Arbeitsplätze ab. Auch der Fremdenverkehr erlebte Einbrüche. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 191) Die Struktur der kleinen Städte wandelte 46 Besonders zahlreiche Beispiele z.B. in Luckenwalde. 26 sich in der Weimarer Republik nur wenig, die Bevölkerungszuwächse blieben gering. Kleinstädte wurden von den Ansätzen der Industrialisierung, die es in der Phase der Stabilisierung der Republik nach 1924 durchaus gab, kaum betroffen. Noch in den 1930er Jahren waren sie vor allem Umschlagplätze landwirtschaftlicher Waren. Das durch die Industrialisierung der Küstenregion, insbesondere Rostocks, angestiegene Gefälle bewog viele Bewohner der kleinen Städte zur Abwanderung. (vgl. Buthe 1937: 55f) Nur wenige Städte konnten der Stagnation der kleinen Landstädte entgehen, wozu vor allem touristische Standorte rechneten (z.B. Teterow, Doberan). (vgl. ebd.: 56) Für die meisten Landstädte hatte noch in den 1930er Jahren die folgende Aussage Berechtigung: „Die Städte sind Mittelpunkte kleiner Wirtschaftsgebiete, deren Bedürfnisse durch einen einzigen Marktplatz vollauf befriedigt werden. Es sind zum größten Teil echte Landstädte in dem Sinne, daß der Stallgeruch noch bis in das Innere dringt, und daß unter den Bewohnern sich zu dem Kaufmann, Handwerker und Beamten auch der Bauer gesellt.“ (Ole 1930 nach: Richter 1989b: 144f) In beiden mecklenburgischen Landesteilen erreichte die NSDAP bereits 1932 die Regierungsbeteiligung. 1933 vollzog sich die Gleichschaltung und Vereinigung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin mit Mecklenburg-Strelitz zum Land Mecklenburg mit der Hauptstadt Schwerin. In den 1930er Jahren begann die Bevölkerung in den mecklenburgischen Städten wieder leicht anzusteigen, konzentrierte sich jedoch zumeist auf die mittleren und großen Städte. (vgl. Richter 1989a: 113) Im Nationalsozialismus wurden zahlreiche Unternehmen der Rüstungswirtschaft in Mecklenburg und Vorpommern angesiedelt, u.a. bei Neubrandenburg, Rostock und Wismar. (vgl. Karge/Schmied/Münch 2000: 159) Auch in Kleinstädten wie Malchow, Dömitz, Waren und Hagenow entstanden Betriebe der Rüstungsindustrie. (vgl. ebd.: 160) Das Städtenetz blieb in der Zwischenkriegszeit weitgehend konstant. Um 1919 gab es sechs Stadtrechtsverleihungen (u.a. Feldberg, Mirow). Sieben Orte - darunter Rerik, Zarrentin, Neukloster und der Badeort Kühlungsborn - wurden 1938 zu Städten erklärt. (vgl. ebd.: 161) Die kleinen Städte des Nordostens in der Nachkriegszeit und in der DDR Besonders in Vorpommern, Ostmecklenburg und im östlichen Brandenburg wurden zahlreiche kleine Städte noch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges zerstört. (vgl. für Mecklenburg und Vorpommern: Richter 1989a: 116) Hinterpommern und die vorpommerschen Gebiete um Stettin und Swinemünde und die brandenburgische Neumark noch mehr durch Kleinstädte geprägt als die Mittelmark - fielen an Polen. Die Bevölkerungszahl nahm allein in Mecklenburg durch Flüchtlinge um etwa die Hälfte zu. Die Zuwanderer kamen zumeist aus Hinterpommern und Ostpreußen, viele jedoch auch aus dem Sudetenland und Schlesien, so dass die Städte der typisch protestantischen Landschaft erstmals starke katholische Minderheiten erhielten. Die Flüchtlingsströme nach 1945 bescherten zahlreichen kleinen Städten ein erhebliches Bevölkerungswachstum: Während es 1939 in Mecklenburg noch sieben Städte unter 2.000 und 35 Städte von 2.000 bis 5.000 Einwohnern gab, existierten 1964 keine Städte mehr mit weniger als 2.000 Einwohnern und nur noch 26 Städte zwischen 2.000 und 5.000 Einwohnern. (vgl. ebd.: 114) 1952 erfolgte die Auflösung der Länder in der DDR. Mecklenburg wurde in die Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg, Vorpommern in die Bezirke Rostock und Neubrandenburg aufgeteilt. Neubrandenburg und Schwerin umfassten auch einige Kreise brandenburgischer Gebiete (z.B. Kreis Perleberg, Templin, Prenzlau). Brandenburg zerfiel vor allem in die Bezirke Potsdam, Frankfurt und Cottbus. Die DDR veränderte das Städtenetz nicht mehr wesentlich. In den drei Nordbezirken erhielten nur noch drei Orte Stadtrecht: die Hafen- und Fischereistadt Saßnitz (1957), der 27 durch Fremdenverkehr geprägte Ort Putbus (1960) und die fast reine Militärstadt Eggesin (1966). (vgl. ebd.: 113) Noch 1945 hatte der gewerblich geprägte Ort Torgelow das Stadtrecht erhalten. Im brandenburgischen Bereich wurden alte Industriestädte weiter gefördert, auch ältere Standorte in peripheren Kleinstädten wie Wittstock (Textil) oder Zehdenick (Ziegel, Elektronik) wurden ausgebaut. Außerdem wurden auch aus einigen kleinen Industrieorten neue Städte entwickelt und vor allem in den 1960er Jahren mit Stadtrecht ausgestattet, deren „Urbanisierung“ letztlich jedoch sehr unvollständig blieb (z.B. Hennigsdorf 1962, Premnitz 1962, Ludwigsfelde 1965, Großräschen 1965, Schwarzheide 47 1967, Döbern 1969 und Welzow 1969) . Nur wenige zerstörte Städte wurden nach Kriegsende wieder im alten Maßstab hergestellt. Die ersten Wiederaufbaumaßnahmen orientierten sich noch an alten Baufluchten und Dachformen und integrierten die Neubauten weitgehend in den Bestand. (vgl. Kärgel 1995: 57) Eine der wenigen zerstörten Kleinstädte, die in dieser Art schon seit 1947 wiederhergestellt wurde, war Beeskow. (vgl. Topfstedt 1992: 238) In der Regel wurden kriegszerstörte Stadtzentren seit den 1960er Jahren mit Gebäuden in industrieller Bauweise bebaut (z.B. in Demmin, Anklam, Strasberg). Die an die altstädtische Struktur angepassteren Bauformen der ländlich-kleinstädtischen Bauweise (z.B. „Typ Kyritz“) kamen vergleichsweise wenig zum Einsatz. Zu der für die 1980er und 90er Jahre geplanten stärkeren Hinwendung zum innerstädtischen Bauen in Kleinstädten (vgl. für Brandenburg: Kohlschütter 1986: 542) kam es bis 1990 kaum noch. Obwohl die Bezirke des Nordens und der Mitte der DDR Schwerpunkte des Wohnungsbaus waren (vgl. Kotsch 1995: 777), blieben die meisten Kleinstädte, vor allem in der Peripherie, weitgehend vernachlässigt. Mit der unklaren Entwicklungsperspektive der kleinen Städte, ihrer schwierigen Einordnung in das Planungs- und Siedlungssystem der DDR und der unzureichenden Reproduktion ihrer Bausubstanz zeigen sich im Nordosten Probleme, mit denen die Kleinstädte in der gesamten DDR konfrontiert waren und die trotz zahlreicher Ansätze in Forschung und Politik nie gelöst werden konnten. (vgl. Hannemann 2002) Die Wohnungsbauvorhaben konzentrierten sich auf die großen Städte, die Industriezentren und die Kreissitze. Neben den historischen Altstädten entstanden in den Kreisstädten, Militär- und Industriestandorten Neubaugebiete in Plattenbauweise, zumeist in Größenordnungen von einigen 100 Wohneinheiten, zwar ohne Hochhausbauten, doch überragten die 4 bis 5-geschossigen „Plattenbauten“ die historischen Stadtzentren deutlich. Diese Baugebiete bilden z.T. deutlich abgegrenzte „Nebenstädte“ mit geringer stadträumlichen Anbindung an die Altstadt. In vielen Städten wurde altstädtische Bausubstanz in Teilen abgeräumt, aber nur in einigen wenigen Städten (z.B. Bernau und Calau) erfolgte ein fast vollständiger Abriss und anschließender Neuaufbau. (vgl. Topfstedt 1992: 254) Für zahlreiche Städte in Brandenburg, z.B. Lychen und Templin, waren seit den späten 1950er Jahren ebenfalls Totalabrisse geplant, die jedoch zumeist an fehlenden finanziellen Möglichkeiten scheiterten. (vgl. ebd.: 252) Auch die zahlreichen Planungen zum völligen Abriß und Neuaufbau von Stadtzentren in industrieller Bauweise, die es selbst für die kleinsten Städte gab, blieben fast alle unrealisiert. Zumindest partielle Abrisse nahmen in Kleinstädten bei fortschreitendem Verfall der Substanz in den 1970er und 80er Jahren aber wieder zu. „Abgesehen von den Städten der östlichen Regionen Brandenburgs haben jedoch die Neubauten der Nachkriegszeit die Stadtkerne der Klein- und Landstädte Brandenburgs nicht gravierend beeinflusst.“ (Kärgel 1995: 57) Insgesamt gab es Ansätze einer zunehmenden Zersiedlung der Landschaft , wenngleich bei vielen Kleinstädten zumindest stellenweise noch immer die alte Stadtmauer gleichzeitig die 47 Zur Stadtwerdung am Beispiel Ludwigsfelde siehe: Benke 2001a. 28 bauliche Stadtgrenze markierte. Außer Einfamilienhausgebieten entstanden zahlreiche Kleingarten- und Datschenanlagen an den Rändern um im weiteren Umfeld der Kleinstädte. (vgl. Kotsch 1995: 780) Einfamilienhausbau prägte die Ränder der Kleinstädte weitaus stärker als in den Mittel- und Großstädten der DDR. Neben der Bebauung von innerstädtischen Standorten und noch freien Grundstücken aus Parzellierungen der Zwischenkriegszeit am Stadtrand, kam es vor allem seit den 1970er Jahren verstärkt zu Neuanlagen von Einfamilienhausgebieten in den Kleinstädten, z.T. auch als „Komplexstandorte“ für Typenbauten für Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser. Der Großteil der kleineren Landstädte erfuhr kaum bauliche Investitionen und verfiel insbesondere in den historischen Zentren. Die Rüstungsindustrie, die seit den 1930er Jahren aufgebaut worden war, wurde nach 1945 für Reparationszwecke weitgehend demontiert, viele Standorte blieben jedoch mit veränderter Produktion erhalten. Die wirtschaftliche Struktur der Region wandelte sich außerhalb der traditionellen Ballungsgebiete nicht grundlegend. Nur wenige Städte entwickelten sich neu zu Industriestädten. Die DDR förderte im Brandenburger Gebiet insbesondere die industrielle Entwicklung des Berliner Umlandes und der Lausitz. Der periphere Raum an der Oder wurde in den 1950er und 60er Jahren durch die Anlage der Industriestädte Eisenhüttenstadt und Schwedt gefördert. Viele Städte gerieten dagegen in Brandenburg in den Windschatten des abgeschotteten Westberlins oder lagen an der ebenfalls nur sehr begrenzt durchlässigen Grenze zu Polen und verloren so ihre alten wirtschaftlichen Verknüpfungen. Auch für Vorpommern wirkten sich die zerschnittenen Verbindungen in den Stettiner Raum negativ aus. Zumindest in den ersten Jahrzehnten der DDR war die Förderung der drei Nordbezirke ein erklärtes Ziel der Raumordnungspolitik. Die drei Bezirkshauptstädte im heutigen Mecklenburg-Vorpommern wurden durch Industrieansiedlungen und Wohnungsbau erheblich aufgewertet. Die ehemalige Residenzstadt Schwerin und die Hansestadt Rostock wurden so erstmals - nach Ansätzen seit den 1930er Jahren - zu Industriezentren. Insbesondere Neubrandenburg, das 1933 mit 15.000 Einwohnern noch eine Kleinstadt war, wurde bis 1989 fast auf Großstadtformat vergrößert (zeitweise über 90.000 Einwohner). Weitere Orte mit mittelstädtischem Charakter (z.B. Güstrow, Wismar, Greifswald) erfuhren Ausweitungen. Die Masse der anderen Städte - meist binnenländische Kleinstädte unter 20.000 Einwohner blieb davon weitgehend unberührt. Durch die Abwanderung vom Land konzentrierte sich die Bevölkerung jedoch zunehmend in den Städten, auch in den kleinen und mittleren. Seit den 1970er und 80er Jahren ging das regionalpolitische Engagement der DDR für den strukturschwachen Norden zugunsten der Weiterentwicklung von vorhandenen Industriestandorten zurück, wo Arbeitskräfte und die kostenintensive Infrastruktur schon vorhanden waren. (vgl. Kehrer 1998: 57) Im Ganzen blieben die drei Nordbezirke wenig industrialisiert. Der Anteil der Industriebeschäftigten stieg jedoch von 1952 bis 1987 von 13,2 % auf immerhin 23 %. (vgl. Pelc 1995: 358) Auch in Brandenburg profitierten vor allem die mittleren und größeren Städte von den Bemühungen zur industriellen Entwicklung. Die Bezirkshauptstädte Potsdam und Frankfurt wurden bevorzugt ausgebaut, daneben erfuhren vor allem die Kreisstädte durchgehend stärkere Förderung. Die einzelnen kleinen Städte hatten gegenüber der Berliner Zentrale, den Bezirken und den Kreisen aber kaum Möglichkeiten zur eigenen Interessendurchsetzung. „Das zentralistische System der DDR mit der Beseitigung der Selbstverwaltung der Städte und damit der Unmöglichkeit freier Auseinandersetzung erwählter Vertreter lag lähmend über allen Städten.“ (Heinrich/Schich 1999: XLIX) Die Kleinstädte hatten in der Region traditionell vor allem Dienstleistungs- und Verwaltungsfunktionen für die umliegenden agrarischen Gebiete zu erfüllen. Durch die Ver29 waltungsumgliederung 1952 wurden viele Kreisstädte in ihrer traditionellen Rolle als Zentrum eines - zumeist etwas verkleinerten - Kreisgebietes bestätigt. Viele Kleinstädte wurden jedoch erstmals zu Kreisstädten ernannt, die niemals in ihrer Geschichte eine solche 48 administrative Rolle inne gehabt hatten, was ihnen einen neuen Aufstieg ermöglichte. Neben der Industrieansiedlung wurde die Rolle als Kreisstadt zum wichtigsten Faktor der Stadtentwicklung. (Hannemann 1999: 15) Insgesamt ist in Bezug auf die Entwicklungschancen während der DDR zwischen den großen Kleinstädten, meist über 10.000 Einwohner mit Kreisstadtstatus und den meist kleineren Kleinstädten ohne administrative Funktion und häufig unter 5.000 Einwohner, zu unterscheiden. Soweit die Städte Kreissitze wurden, bildeten sie das politisch-administrative Zentrum eines Kreises und übten Versorgungs-, Betreuungs- und Bildungsfunktionen für die Stadt- und Umlandbevölkerung aus. Sie waren zudem Standort der höheren Schulen, meist eines 49 Museums, des Kreiskulturhauses und weiterer Kultur- und Freizeiteinrichtungen. In vielen Kreisstädten wurden kleinere und mittlere Industriebetriebe angesiedelt. In binnenländischen Städten waren das zumeist kleinere Chemie-, Elektrotechnik- und Maschinenbaufabriken. (vgl. Pelc 1995: 358) Typisch sind auch die kleinen Textilfabriken. Daneben waren die Kleinstädte immer noch historisch gewachsene Zentren der landwirtschaftlichen Produktion und konnten teilweise von der Ansiedlung von LPG-Einrichtungen profitieren. Ländliche Industrien, z.B. Unternehmen der Baustoffindustrie und holzverarbeitende Betriebe, wurden 50 zumeist basierend auf Vorkriegsbestand - ausgebaut. In den meisten Kreisstädten war die Industrie ein bestimmender Faktor.51 Innerhalb der Gruppe der kleinstädtischen Kreisstädte im Nordosten zeigte der Anteil der in Industrie und Bauwesen Beschäftigten aber deutliche Unterschiede. Selbst in einigen Kreisstädten spielte die Landwirtschaft weiterhin eine große Rolle. Die meisten waren gemischt strukturiert (Verwaltung, Dienste, Industrie und 52 Landwirtschaft). Nur wenige sind als Industriestädte im engeren Sinne zu bezeichnen. Industrieneuansiedlungen der DDR, die ursprünglich nur der Ausschöpfung von Arbeitskräftereserven der Kleinstädte dienen sollten, konnten zuweilen eine Eigendynamik entwickeln und zu weiterem Stadtwachstum und neuem Arbeitskräftebedarf führen.53 Der ursprüngliche Anspruch auch aus kleineren Kreisstädten „sozialistische Städte“ und „Konzentrationspunkte der Arbeiterklasse“ zu gestalten blieb bei den Kreisstädten des Nordostens meist uneingelöst.54 Neben der Industriestruktur war auch die Umlandbedeutung der 48 49 50 51 52 53 54 Z.B. Teterow. Nur in seltenen Fällen blieben die neuen Kreissitze in ihrer Entwicklung hinter anderen Städten ihres Territoriums zurück, z.B. Zossen und Gransee gegenüber den Industriestädten Ludwigsfelde und Zehdenick. Bemerkenswert für Städte dieser Größe ist das Vorhandensein von Tierparks in einer ganzen Anzahl von Kreisstädten, z.B. in Jüterbog, Angermünde, Waren, Luckenwalde, Perleberg, Ueckermünde, Altentreptow. Als Beispiel für die typische Branchenstruktur soll hier die Kreisstadt Wittstock dienen: 1989 gab es sich hier u.a.: als wichtigster Betrieb der VEB Obertrikotagenwerk, sowie eine Ziegelei, der VEB Holzindustrie, VEB Metallurgieanlagenbau, ein Teil eines VEB Schlachthofes, PGH Bau und Brunnenbau, Forstwirtschaftsbetrieb, Teile eines VEG und zwei LPGs. (Enders 1997: 988) In den Bezirken Neubrandenburg und Schwerin schwankte der Industrieanteil in den Kreisstädten zwischen 25 und 35 %. Nur die Kreisstädte Röbel, Hagenow, Sternberg und Gadebusch hatten deutlich weniger Industriebeschäftigte (Benthien/Känel/Weber 1990: 447) Anhand der Volkszählung von 1981 zeigt sich z.B. die Kreisstadt Gransee mit 28,3 % der berufstätigen Bewohner im Bau- und Industriesektor als wenig industrialisiert, dafür spielte hier die Landwirtschaft mit 15,0 % eine ungewöhnlich große Rolle. Die Stadt Teterow ist mit 44,3 % im Bau/Industriesektor eher gemischt strukturiert, wie ein großer Teil der Kreisstädte. Eine ausgeprägte Industriestadt unter den Kreisstädten ist z.B. Teltow (61,2 %) (Zahlen nach: VBWGZ 1981). Z.B. die Textilfabrik in Wittstock. vgl. BLHA Rep. 401, Nr. 7466, Zusammenarbeit mit Industrieministerien, Material für Entscheidungsfindung zur Arbeitskräfteentwicklung im Kreis Wittstock. Potsdam 18.11.1975 Z.B. der ursprüngliche Anspruch für die Umgestaltung von Kyritz „Mit dieser aufgezeigten Entwicklung wird sich die in der Stadt befindliche Arbeiterklasse weiter erhöhen und einen Konzentrationspunkt darstellen. (...) Diese vorgesehene Entwicklung [...] würde bedeuten [...] nachzuweisen, in welch kurzen [sic!] Zeit und mit welch großen [sic] Erfolg aus dem rückständigen Gebieten des damaligen deutschen Reiches, aus Mecklenburg und Brandenburg soz. Städte und soz. Arbeits- und Lebensbedingungen für unsere Menschen ent- 30 einzelnen Kreisstädte je nach Funktionsausstattung unterschiedlich stark ausgeprägt und konnte vom engsten Umfeld bis über die Kreisgrenzen hinaus reichen. (vgl. für die drei Nordbezirke: Känel 1975: 56f) Wie überall in der DDR hatten im Nordosten insbesondere Kleinstädte ohne Kreisstadtstatus erhebliche Entwicklungsprobleme und verloren seit den 1950er Jahren in der Regel an Einwohnern. Auch diese Gruppe der Kleinstädte ohne administratives Zentrum bildete keineswegs einen einheitlichen Stadttyp: Zwischen kleinen, nicht industrialisierten kreisangehörigen Städten, die noch eine starke landwirtschaftliche Prägung besaßen und neuen industriellen Kleinstädten gab es erhebliche Differenzen in der Zusammensetzung der 55 Erwerbsbevölkerung. Ähnliche Unterschiede lassen sich im Bildungsniveau und in der Altersstruktur sowie in der Wohnungsausstattung, in der Eigentümerstruktur und im Gebäudealter ausmachen. Bei den wenigen Kleinstädten ohne administratives Zentrum, die gezielt weiterentwickelt wurden, handelte es sich vor allem um kleinere Industriestädte (z.B. Premnitz, Ludwigsfelde, Hennigsdorf, Zehdenick). Die Masse der kleinen Kleinstädte blieb abseits und stagnierte eher, wenngleich die DDR-Raumforschung von einer Bedeutungssteigerung durch Ausweitung des Industriebesatzes und der Umlandfunktion durch die Politik der DDR ausging. (vgl. für Bezirke Neubrandenburg und Schwerin: Benthien/Känel/ Weber 1990: 447) Soweit Industrie in diesen Orten ansiedelt wurde, handelte es sich um kleine Werke der Lebensmittel- und Leichtindustrie sowie Dienstleistungsbetriebe für die Landwirtschaft (Landtechnik, Molkerein, „Agrochemische Zentren“ etc.). Seit den 1970er Jahren ging die staatliche Planung hier nicht mehr von einer wesentlichen Steigerung des 56 Industriebesatzes aus. Durch die Förderung der ländlichen Entwicklung mit der Einrichtung von Maschinen-Traktoren-Stationen in den Dörfern wurde zeitweise sogar die traditionelle Rolle der kleinen Kleinstädte als zentrale Orte auf dem Lande beeinträchtigt. Die Umlandfunktionen der kleinen Kleinstädte blieben zwar zumeist erhalten (z.B. als Einkaufsund Schulstandort), gestaltete sich jedoch je nach Entfernung und Ausstattung der nächsten Kreisstadt oder der Ausstattung der dörflichen LPG-Standorte sehr unterschiedlich. Insgesamt konzentrierten sich zentrale Funktionen zunehmend in den Kreisstädten. Der Fremdenverkehr wurde an der Küste und an den großen Seen ein immer wichtigerer Wirtschaftsfaktor. Weiterhin eine bedeutende Rolle spielte das Militär (vgl. Schäfer 1992: 221), in Brandenburg stärker als im Norden. Standorte der sowjetischen Streitkräfte, der kasernierten Volkspolizei und dann der NVA hatten Investitionen für die Städte zur Folge, jedoch auch erhebliche Belastungen: durch Lärm, Manöverbelästigungen und die Beeinträchtigungen durch weitreichende Sperrgebiete und die Entstehung von völlig abgeschotteten Siedlungsbereichen für das Militär innerhalb oder am Rande der Städte. In den Nordbezirken waren Städte wie Stavenhagen und Goldberg und noch stärker Torgelow oder Eggesin sehr stark durch Militär geprägt. Im brandenburgischen Bereich sind hier zum einen die traditionellen Standorte z.B. um Neuruppin und Jüterbog zu nennen. Zum anderen entwickelten sich auch neue Standorte wie z.B. die Stadt Strausberg, die - nach Ansätzen während des Nationalsozialismus - durch den Sitz des Verteidigungsministeriums der DDR 55 56 standen sind.“ BLHA Rep. 401 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Potsdam. Nr. 11998, „Politisch-ökonomische Zielstellung und Begründung der Rekonstruktion des Stadtkerns der Kreisstadt Kyritz, 1968“ Als Beispiel aus den Werten der Volkszählung von 1981 sollen die Kleinstädte Gnoien (Kreis Teterow) und Greiffenberg (Kreis Angermünde) dienen. Sie besaßen mit 28,6 % bzw. 21,2 % nur einen geringen Anteil von Bewohnern im Industrie- und Bausektor. Mit 27,4 % bzw. 33,2 % hatten sie jedoch für Städte extrem hohe Anteile von Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft. Als anderes Extrem stehen dem reine Industriestädte wie Großräschen und Lauchhammer mit 65,7 % bzw. 73,5 % Industrie- und Baubeschäftigten und einem marginalen Anteil von landwirtschaftlich Tätigen gegenüber. (Zahlen nach: VBWGZ 1981). Für den Bezirk Potsdam: BLHA Rep. 403 Büro für Territorialplanung, Nr. 159, Beitrag des Büros für Territorialplanung Potsdam für das Forschungsthema der Staatlichen Plankommission „Die politischen, ökonomischen und sozialen Grundlagen für die planmäßige Entwicklung der Kleinstädte und Dörfer im Gesamtrahmen der Siedlungsstruktur - Teilbericht 1975. 31 und weiterer Militäreinrichtungen von 9.716 Einwohnern 1946 auf 28.544 Einwohner 1990 anwuchs. (Zahlen nach: Engel 2000) Kleinstädte in den nordostdeutschen Regionen: Fazit und Ausblick Die Kleinstädte des Nordostens nahmen im Laufe der Geschichte bei weitem nicht die Sonderrolle ein, die ihnen innerhalb Deutschlands gerne zugebilligt wird. In ihnen finden sich alle Facetten städtischer Geschichte, wenn auch in bescheidenerem Maßstab als in anderen Städtelandschaften. Die Diffamierung der nordostdeutschen Kleinstadt als rückständig und provinziell hat zumindest seit dem 18. Jahrhundert Tradition. Die genauere Betrachtung konnte zeigen, dass dieser Beurteilung nur sehr eingeschränkt gefolgt werden kann und zumeist selbst die kleinsten Städte die inneren Strukturen städtischer Entwicklung bewahrt haben und niemals nur - neben dem Dorf - eine weitere Siedlungsform auf dem Land waren. Die Städte des Nordostens werden in der Forschung immer mehr als ein wichtiger Bestandteil des wirtschaftlichen und sozialen Systems der Region begriffen und nicht mehr als unbedeutende „Ackerbürgerstädtchen“ mit wirtschaftlich und politisch passiver Bevölkerung abgetan. Trotz dieser Relativierung hatte das Städtewesen in Brandenburg, Mecklenburg und Vorpommern über Jahrhunderte unter erheblichen strukturellen Benachteiligungen zu leiden. Die historischen Strukturen, insbesondere die Sozialverfassung des Landes, die Beschneidung der Selbstverwaltung der Städte und die lange wirtschaftliche Stagnation der Region, haben die Entwicklung einer Städtelandschaft mit Groß- und Mittelstädten und wirtschaftlich starken Kleinstädten nicht begünstigt. Nach der Blüte des Mittelalters kam für die meisten Orte eine lange Phase des Niedergangs. Die rückständige wirtschaftliche Struktur und politische Verfassung haben die Stadtentwicklung seit dem Mittelalter vor allem in Mecklenburg behindert. Anders als in anderen deutschen Regionen blieb hier ein nachhaltiger Aufschwung durch landesherrliche Politik im 18. und die Industrialisierung im 19. Jahrhundert weitgehend aus, während Brandenburg zumindest partiell industrialisiert wurde. Die Konzentration auf die Küste und das Berliner Ballungsgebiet beeinträchtigte jedoch die Entwicklungsmöglichkeiten der peripheren kleinen Städte im gesamten Raum. Der Zweite Weltkrieg hat im Nordosten anders als in den meisten anderen Regionen auch viele Kleinstädte zerstört. Die Industrialisierungsmaßnahmen der DDR waren in den kleineren Städten aus heutiger Sicht ebenfalls meist nicht nachhaltig. Dieser Bilanz entgegenzusetzen ist die große Rolle, die die kleinen Städte als zentrale Orte in dem dünnbesiedelten Raum immer gespielt haben. Erfolgt die Bewertung, wie es oft geschieht, nur aus dem Blickwinkel von quantitativen Aspekten des Industriebesatzes und des Bevölkerungswachstums, wird sie der langandauernden Bedeutung der Kleinstadt nicht gerecht. Weitaus stärker als die ländliche Gesellschaft, die mehrfach völlig überformt wurde von freien Bauern zu Leibeigenen, über die Reformen des 19. Jahrhunderts zur Bodenreform und erneuten Kollektivierung in der DDR - stellen die kleinen Städte eine wesentliche Kontinuität in der Entwicklung der Region dar, wenngleich man gerade die Überformungen der sozialen und wirtschaftlichen Strukturen während der DDR auch in den Kleinstädten nicht unterschätzen darf. Umgestaltungen unzerstörter Kleinstädte gab es kaum, so dass sie auch baulich ein wichtiges kulturelles Erbe der Region repräsentieren. Brandenburg, Mecklenburg und Vorpommern besitzen im Vergleich zu den meisten anderen deutschen Territorien kein sehr enges Netz von Kleinstädten. Die Dominanz von Kleinstädten ist jedoch durch das weitgehende Fehlen von Groß- und Mittelstädten in allen historischen Phasen besonders stark ausgeprägt gewesen. Die Kleinstädte waren deshalb stets ein stabiles Element der Siedlungsstruktur. 32 Die historischen Krisen mit allen damit verbundenen Schwankungen und Schrumpfungen, sei es am Ausgang des Mittelalters, nach dem Dreißigjährigen Krieg, den Anpassungskrisen an die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts oder die Krisen der Weimarer Zeit, die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und schließlich die Vernachlässigungen der DDR-Zeit, hat das Städtesystem in seiner Substanz stets überstanden, da die Kleinstädte immer ihre zentrale Rolle im ländlichen Raum erfüllen konnten. Auch die Schrumpfungsprozesse der Kleinstädte in der Gegenwart sind vor diesem weiteren historischen Zusammenhang zu 57 bewerten, ohne dass man diese heutige Problematik bestreiten könnte. Der Nordosten war immer ein dünn besiedeltes Gebiet und in Zukunft wird die Dichte weiter sinken. Die Kleinstädte als Konzentrationspunkte des sozialen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens müssen deshalb nicht zwangsläufig an Berechtigung verlieren, eher im Gegenteil. Der Nordosten wird ein Land der Kleinstädte bleiben. Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den kleinen Städten sind in ihrer Entwicklung über die Jahrhunderte bislang leider nur in Ansätzen zu beschreiben. Die Betrachtung hat sowohl die Bedeutung der Kleinstädte insgesamt als auch die Vielgestaltigkeit dieses Stadttyps gezeigt. Keinesfalls können alle Kleinstädte dieser Region nur aufgrund der ähnlichen Größenstrukturen als eine gleichartige Siedlungsform betrachtet werden. Bei allen Gemeinsamkeiten besitzt jede Kleinstadtgeschichte ihre Individualität. Die jeweiligen Entwicklungsverläufe der kleinen Städte sind durch unterschiedliche regionale Lagen, rechtliche Ausstattungen (vor allem im Mittelalter und der Frühen Neuzeit) und verschiedenartige Konstellationen und Entscheidungen örtlicher Eliten (z.B. das Verhältnis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert) und ihre spezifische Bevölkerungsstruktur bestimmt. Häufig determinieren auch äußere Entscheidungen - im Absolutismus und insbesondere während der DDR - sehr stark die Entwicklungschancen der Städte. Für die Geschichtswissenschaft bleibt hier noch ein wichtiges Forschungsfeld, sowohl für Einzelstudien als auch für vergleichende Untersuchungen. Diese vielfältigen historischen Prägungen der Stadtkarrieren und kulturelle und mentale Traditionen der Kleinstädte bleiben auch für aktuelle Problemlagen einflussreich, weit über augenscheinlich erhaltenen baulichen Bestand hinaus. Die Bedeutung der Historie z.B. für das Verständnis bestehender Städtekonkurrenzen, städtischer Selbstbilder, heutiger Elitenkonstellationen und „lokal-regionaler Kulturen“ (Hannemann 1999: 16), die als Hemmnisse oder Potentiale von aktuellen Entwicklungen wirken können, hat sich im eingangs beschriebenen Forschungsprojekt zu den Zukunftschancen der Kleinstädte in Ostdeutschland deutlich gezeigt.58 Die Stadtgeschichtsforschung ist deshalb nicht als bloße chronistische oder museale Beschreibung der Vergangenheit, sondern als integraler Bestandteil jeder gegenwartsbezogenen Stadtforschung zu begreifen, die konkret die Analyse heutiger Strukturen unterstützt. 57 58 Wenn man beispielsweise die nach 1945 durch den Flüchtlingszustrom extrem erhöhten Bevölkerungszahlen der Kleinstädte mit einbezieht und den Vergleich mit den Einwohnerzahlen der Städte um 1930 wählt, relativiert sich die Dramatik der Schrumpfung zumindest partiell. Traditionelle Prägungen von Kleinstädten, sei es als Verwaltungs- und Beamtenstädte oder als Fremdenverkehrsorte, zeigen spezifische Auswirkungen auch auf die heutigen Handlungsmuster kleinstädtischer Eliten. Siehe dazu auch die Erkenntnisse des Forschungsprojektes: „Kleinstädte in Ostdeutschland - Zusammenfassung der Ergebnisse“ http://www2.rz.hu-berlin.de/stadtsoz/Forschung/ZF_Kleinstadt.pdf, S. 6. 33 Literatur: − Adamy, Kurt 1995: Die preußische Provinz Brandenburg im Deutschen Kaiserreich (1871 bis 1918), in: Materna/Ribbe 1995, S. 503-552. − Anderlik, Heidemarie 1987: Entstehung und frühe Entwicklung der havelländischen Kleinstädte, in: Wolfgang Ribbe (Hg.): Das Havelland im Mittelalter. Berlin: Duncker u. Humblot, S. 383-402. − Asmus, Ivo (Hg.) 1998: Geographische und historische Beiträge zur Landeskunde Pommerns. 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