PDF 1,5MB - Deutschland und Europa

Werbung
Reihe für Politik, Geschichte, Deutsch, Geographie, Kunst
Heft 41 · Dezember 2000
Die Donau
Lebensader
Kulturräume
Erkundungen
Landeszentrale
für politische Bildung
Baden-Württemberg
zurück
Inhalt
Heft 41 · Dezember 2000
Die Donau
Lebensader, Kulturräume, Erkundungen
Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Herausgeber:
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg,
Direktor Siegfried Schiele
Geleitwort des Ministeriums für Kultus,
Jugend und Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Redaktion:
Dr. Walter-Siegfried Kircher (verantw.)
Dietrich Rolbetzki
Autorinnen und Autoren dieses Heftes . . . . . . . . .
2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Anschrift der Redaktion:
70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38,
Telefon (07 11) 16 40 99-43/-45, Telefax (07 11) 16 40 99-77
I.
Die Donau und die Landschaften
ihres Einzugsgebietes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
II.
»Ströme machen urbar das Land« . . . . . . . . .
6
III.
Schauplatz europäischer Geschichte . . .
1. Die Donau: ein römischer Grenzfluss . . .
2. Christianisierung im Donauraum . . . . . .
3. »1100 Jahre in Europa«: die Ungarn . . .
4. Großreiche an der Donau . . . . . . . . . . .
a) Die Donaumonarchie . . . . . . . . . . . . .
b) Unter dem Banner des Propheten
ins Innere Europas . . . . . . . . . . . . . .
5. Ulmer Schachteln und Donauschwaben
6. Linz und Mauthausen: Repräsentationsarchitektur und Menschenvernichtung . .
a) Linz: die »Heimatstadt« Adolf Hitlers .
b) Das Konzentrationslager Mauthausen
Beirat:
Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart,
Günter Gerstberger
Dr. Almut Satrapa-Schill
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport,
Klaus Happold, Ministerialrat
Prof. Dr. Lothar Burchardt,
Universität Konstanz
Dietrich Rolbetzki,
Oberstudienrat, Filderstadt
Lothar Schaechterle,
Studiendirektor, Stetten i. R.
Landeszentrale für politische Bildung,
Dr. Walter-Siegfried Kircher
Deutschland & Europa
erscheint zweimal im Jahr
Jahresbezugspreis DM 12,–
Satz:
Vaihinger Satz + Druck GmbH
71665 Vaihingen
Druck:
Reclam Graphischer Betrieb GmbH
71254 Ditzingen
Auflage: 12 000
Titelbild:
l. o.: Bregquelle
r. o.: Zusammenfluss von Breg und Brigach
m. l.: Wachau
m. r.: Budapest, Kettenbrücke
Fotos: Dietrich Rolbetzki
l. u.: Eisernes Tor © Herold, Gerbrunn
r. u.: Donaudelta © Focus, Hamburg (Foto: H. Silvester)
Abb. S. 1: Staatsbibliothek Berlin, Fotostelle
Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung
der Redaktion
Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus,
Jugend und Sport, der Stiftung für Bildung und Behindertenförderung und der Robert Bosch Stiftung.
....
....
....
....
....
....
9
9
11
13
17
17
. . . . 20
. . . . 23
. . . . 26
. . . . 26
. . . . 28
IV.
An der Donau: Kunst- und
Literaturlandschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
1. Inszenierte Geschichte: Melk und Walhalla . . 30
2. Mit Dichtern die Donau hinunter . . . . . . . . . . 32
V.
Den Strom entlang . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Ulm und Neu-Ulm:
Einstimmung auf zwei Donaustädte . . . . .
2. Die Donau im Sattel »erfahren«:
mit dem Rad von Passau nach Budapest
3. Wachau und Donauknie:
zu Orten der Geschichte . . . . . . . . . . . . .
4. Die Donau kommt nach Wien . . . . . . . . .
5. Budapest: »Königin der Donau« . . . . . . .
6. Das Donaudelta: Reise in ein Paradies? . .
. . . 35
. . . 35
. . . 37
...
...
...
...
39
42
44
46
Die Donau – Gesamtdarstellungen und Bildbände . . . 47
Neues aus der Landeszentrale . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Die Hefte werden nur in geringer Anzahl an die Schulen
verteilt. Zusätzliche Exemplare können bei der Landeszentrale für politische Bildung, Redaktionssekretariat
Deutschland und Europa, Fax (0711) 16 40 99-77, oder
schriftlich nachgefordert werden.
»Fluss im Herzen Europas«, »Der übernationale Fluss«, »Der mythische Strom«, »Der
Strom der Superlative«, »Der Strom ohne Ende,« – dies sind nur einige der zahllosen
Etiketten, die dem zweitlängsten Fluss Europas anhaften.
Trotz strittiger Verhältnisse über Anfang und Ende sind sich die Geologen einig, dass
der Strom von der offiziellen Bregquelle bei Furtwangen bis zum Mündungsdelta in
Rumänien 2888 Kilometer fließt, sein Einzugsbereich ungefähr 817 000 km Quadratkilometer umfasst, er jährlich 203 Milliarden Kubikmeter Wasser ins Schwarze Meer
sendet und das Donaudelta durch Ablagerungen im Jahr etwa fünfzig Meter ins
Schwarze Meer hinauswächst. Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer durchquert
die Donau einen großen Teil Europas, und verbindet mehr Völker und Kulturen als
irgendein anderer Fluss der Erde. Gründe genug, der Donau ein eigenes Heft zu
widmen. Es handelt sich um das zweite »Flussheft« nach der »Oder« in der
vorliegenden Reihe D&E (vgl. Heft 33/1996).
Schon ihr Verlauf von Europas Mitte nach Osten macht die Donau zum wichtigen
Verkehrsweg. Seit der Fertigstellung des Rhein-Main-Donaukanals ist sogar die Fahrt
von der Nordsee bis ans Schwarze Meer möglich. Ein Kapitel des vorliegenden Heftes
stellt denn auch die Bedeutung des Stromes in Vergangenheit und Gegenwart dar.
Breiten Raum nimmt daneben die Geschichte ein, die sich an seinen Ufern abgespielt
hat: von den Zeiten der Römer über die »Schwabenzüge« bis hin zu den Verbrechen
des nationalsozialistischen Deutschland in Mauthausen bei Linz.
Das Stichwort »Donau« lässt viele an Johann Strauß’ populärsten Walzer »An der
schönen blauen Donau« denken, – unzählige Künstler und Dichter hat der Strom
angeregt, nur wenige literarische Beispiele können hier präsentiert werden. Der
schwäbische Dichter Friedrich Hölderlin liebte die Vorstellung, die Donau fließe
umgekehrt, vom Schwarzen Meer zum Schwarzwald (»Ich mein, er müsse kommen
von Osten«). Wir wollen bei den Erkundungen und Reiseberichten entlang der Donau,
die abschließend zu einzelnen Städten und Landschaften bis hin zum Delta führen,
den natürlichen west-östlichen Weg gehen.
Ein Heft hat nur beschränkten Raum und so konnten viele Themen nicht aufgenommen werden: Anregung zu weiterer Beschäftigung mit dieser europäischen
Lebensader.
Siegfried Schiele
Direktor der Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg
Vorwort des Herausgebers
1
Geleitwort des Ministeriums
2
Am Beispiel der Donaulandschaft wird in besonderer Weise die geographische und kulturelle Vielfalt Europas sichtbar. Mit dieser Region verknüpfen sich historische Ereignisse und
Prozesse, welche die Entwicklung der abendländischen Zivilisation und der politisch-staatlichen Ordnung Europas bis in unsere Gegenwart nachhaltig geprägt haben.
An der Donau – bedeutender Verkehrs- und Handelsweg – siedelten im Wandel der
Geschichte zahlreiche Stämme und Völker; Orient und Okzident prallten hier aufeinander.
Die Nibelungen zogen an ihren Ufern in den Untergang; für die Donauschwaben war der
Fluss der von Hoffnungen auf eine bessere Zukunft bestimmte Weg in eine neue Heimat. In
diesem Teil Europas errichteten die Habsburger einen Staat, der, auch unter der Bezeichnung »Donaumonarchie« in die Geschichte eingegangen, eine bedeutende politische und
geistige Rolle spielte.
Das Thema dieses Heftes eröffnet zahlreiche didaktisch interessante Perspektiven für einen
motivierenden, gerade auch fächerübergreifenden Unterricht. Die Verknüpfung projektbezogener Beiträge von Fächern wie Geschichte, Deutsch, Bildender Kunst und Erdkunde können Schülerinnen und Schülern ein plastisches Tableau geschichtlicher, kultureller Wirkungszusammenhänge vermitteln. Dazu bietet diese Publikation zahlreiche Materialien.
Autorinnen und Autoren
Klaus Happold
Ministerialrat
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
Baden-Württemberg
Dr. Heinrich Bock, StD i.R., Biberach a.d. Riß
IV.2. Mit Dichtern die Donau hinunter: Der Nibelungen Not
Dr. Dietmar Gohl, Leonberg
I. Die Donau und die Landschaften ihres Einzugsgebietes / V.3. Die Donau kommt nach Wien /
V.5. Budapest: »Königin der Donau« / Karte »Die Donau: Flusseinzugsgebiet, Staaten und Landschaften«, Umschlagseite 4
Wolf-Rüdiger Größl, StD, Staatliches Seminar für Schulpädagogik (Gymnasien) Esslingen
III.6. b) Das Konzentrationslager Mauthausen
Jakob Huff, StD, Blaustein
III.5. Ulmer Schachteln und Donauschwaben / V.1. Ulm und Neu Ulm: Einstimmung auf zwei
Donaustädte
Erika Kern, StR a.D., und Helmuth Kern, Professor, Staatliches Seminar für Schulpädagogik
(Gymnasien) Esslingen; beide Neckartenzlingen
III.6. a) Linz: die »Heimatstadt« Adolf Hitlers / IV.1. Inszenierte Geschichte: Melk und Walhalla
Dr. Martin Kramer, OStR, Nagold
III.1. Die Donau: ein römischer Grenzfluss / III.2. Christianisierung im Donauraum /
III.4. a) Die Donaumonarchie
Sibylle Kußmaul, Historikerin, Berlin
V.6. Das Donaudelta: Reise in ein Paradies?
Dirk Lundberg, StR, Karlsruhe
V.2. Die Donau im Sattel »erfahren«: mit dem Rad von Passau nach Budapest
Dietrich Rolbetzki, OStR, Filderstadt
Federführung / Einführung / II. »Ströme machen urbar das Land« / III.3. »1100 Jahre in Europa«: die
Ungarn / III.4. b) Unter dem Banner des Propheten ins Innere Europas / IV.2. Mit Dichtern die Donau
hinunter / V.4. Wachau und Donauknie: zu Orten der Geschichte
Leiter des Projekts DEUTSCHLAN
D & EUROPA: Dr. Walter-Siegfried Kircher
Mitarbeiter der Werkstattseminare »Die Donau – ein europäischer Kulturraum«
am 26. April 1997 in Urach
vom 17.–18. Oktober 1997 in Fridingen
vom 20.–21. März 1998 in Fridingen
am 17. Oktober 1998 in Stuttgart
alle oben genannten Autorinnen und Autoren
3
Die Donau
Lebensader – Kulturräume – Erkundungen
Einleitung
Von Dietrich Rolbetzki
Man nennet aber diesen den Ister.
Schön wohnt er. Es brennet der Säulen Laub,
Und reget sich. Wild stehn
Sie aufgerichtet, untereinander; darob
Ein zweites Maß, springt vor
Von Felsen das Dach. So wundert
Mich nicht, dass er
Den Herkules zu Gaste geladen,
Fernglänzend, am Olympos drunten,
Da der, sich Schatten zu suchen
Vom heißen Isthmos kam,
Denn voll des Mutes waren
Daselbst sie, es bedarf aber, der Geister wegen,
Der Kühlung auch. Darum zog jener lieber
An die Wasserquellen hieher und gelben Ufer,
Hoch duftend oben, und schwarz
Vom Fichtenwald, wo in den Tiefen
Ein Jäger gern lustwandelt
Mittags, und Wachstum hörbar ist
An harzigen Bäumen des Isters,
Der scheinet aber fast
Rückwärts zu gehen und
Ich mein, er müsse kommen
Von Osten.
Friedrich Hölderlin, »Der Ister«
»Ister« – wie die Griechen des Altertums – nennt Friedrich
Hölderlin die Donau, den zweitlängsten Strom Europas. Damit huldigt er seinem geliebten Arkadien, dessen Seefahrer
kaum mehr als den Unterlauf des Flusses kannten. Auf der
Ister-Donau ist er wohl oft in Gedanken nach Hellas enteilt,
auf ihren Wassern stromauf – noch heute werden, einzigartig, ihre Flusskilometer von der Mündung an bei Sulina gezählt – sah er griechischen Geist nach Deutschland ziehen.
Von jeher verband der Strom Menschen und Kulturen,
wohnten und wohnen doch an den Ufern von Danubius (Römer), Donau (Deutsche), Dunaj (Tschechen), Duna (Ungarn),
Dunav (Serben), Dunaw (Bulgaren), Dunǎrea (Rumänen), Dunai (Russen und Ukrainer) mehr Völker mit unterschiedlichen
Sprachen, Brauchtum und Religionen als an irgendeinem anderen Fluss der Welt. Er war – wie es schon Hölderlin sieht –
Weg nach Europa (für Magyaren und Osmanen etwa) und
Weg aus Europa hinaus (für die Kreuzfahrer zum Beispiel).
Menschen trennte er freilich auch und brachte sie doch wieder zusammen, denn niemand am Strom blieb von dem unberührt, was seine Nachbarn unternahmen.
Das vorliegende Heft betrachtet die Donau vor allem unter
europäischen Gesichtspunkten:
– Kapitel I stellt den Fluss und die Landschaften seines
Einzugsgebietes vor,
– Kapitel II seine Bedeutung und Nutzung in Vergangenheit und Gegenwart.
– Ein ausführliches Kapitel III ist der Donau als Schauplatz
europäischer Geschichte gewidmet. Grenze war sie
Römern, Habsburgern und Osmanen. Auch Glaube
und Überzeugungen schufen Sperrlinien: die Christianisierung – von Rom aus oder Byzanz –, in jüngster Vergangenheit der Kommunismus. Grenze ist die Donau heute
noch, doch haben die Barrieren das Trennende verloren.
Immer wieder drangen fremde Völker in den Donauraum
ein, wurden sesshaft wie die Ungarn, die aus der Geschichte europäischer Freiheitskämpfe nicht mehr wegzudenken sind, oder hinterließen, wie die Türken, kulturelle Spuren und z. T. bis heute ungelöste Fragen.
Mit dem Osmanischen und dem Habsburgischen Reich
sah der Donauraum zwei Staatsgründungen, wie es sie in
Europa nie wieder geben sollte. Der Fluss bot dabei nicht
nur den Raum für die Entstehung großflächiger Staaten,
er gab auch ihrer Ausbreitung Richtung und verband die
unterschiedlichen Reichsteile miteinander. Als aber in
den unterworfenen Völkern das Gefühl der Eigenständigkeit erwachte, da war die Zeit übernationaler Großstaaten abgelaufen. Sie lösten sich in einem langen,
schmerzhaften und den Frieden Europas und der Welt
gefährdenden Prozess wieder auf. Verschwanden sie
auch von der Landkarte, so blieben doch Probleme, die
bis in die Gegenwart nachwirken. Nach den »Türkenkriegen« zwischen dem aufstrebenden Habsburg und dem
noch immer mächtigen Osmanenreich zogen vor allem
von Ulm aus Deutsche auf der Donau in eine neue Heimat, der sie ihre eigene und unverwechselbare Prägung
gaben. Die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg
wurden zuerst an ihnen gerächt. Die Überlebenden
mussten zurück in die Heimat der Vorfahren, die längst
fremd geworden war.
Nach Hitlers Willen sollte Linz, die Stadt seiner Jugend,
noch spätere Generationen an ihn erinnern. Die Arbeiter,
die das in die Wirklichkeit umzusetzen hatten, waren
Sklaven: Insassen des Konzentrationslagers Mauthausen.
– Kapitel IV stellt die Donau als Kunst- und Literaturlandschaft vor. Die Walhalla bei Regensburg und das Benediktinerstift Melk sind »inszenierte Geschichte«. Aber der
Strom hat nicht nur Baumeister angeregt, sondern auch
Dichter, mit denen es die »Donau abwärts« geht.
– Kapitel V schließlich vermittelt persönliche Reiseerfahrungen.
Vieles kann in diesem Heft nur angedeutet werden: zu weiterem Studium und eigenen Erkundungen.
4
Landschaften
I. Die Donau und die Landschaften
ihres Einzugsgebietes
Von Dietmar Gohl
Die Donau ist nach der Wolga der zweitlängste Strom Europas mit dem zweitgrößten Einzugsgebiet und der einzige, der den Kontinent von West nach Ost durchfließt. Der
Name ist keltisch: »danu« bedeutet »die Schnelle«. Der
Donauraum umfasst Regionen und Staaten unterschiedlichster Prägung.
In Donaueschingen vereinigen sich die Schwarzwaldbäche Breg und Brigach zur Donau. Offizielle Donauquelle
ist die Bregquelle bei Furtwangen, obwohl im Schlosspark
von Donaueschingen der Quell eines winzigen Nebenbächleins der Brigach als »Donauquelle« mit gewaltiger
steinerner Prunkfassung nebst Gedicht gefeiert wird. Unweit östlich beginnt das wildromantische Durchbruchstal
der – in geologischer Vorzeit mächtigen – Donau durch die
Donaudurchbruch bei Beuren
Foto: Dietrich Rolbetzki
weißen Felsen der Schwäbischen Alb, wobei das durchlässige Kalkgestein bei Immendingen und Fridingen zur
zeitweisen Versickerung des Flüsschens führt, die größte
Flussschwinde Mitteleuropas. Das verlorene Wasser tritt
nach 60 Stunden unterirdischen Laufs im Aachtopf zutage. Diese stärkste Karstquelle Deutschlands speist die
zum Bodensee fließende Radolfzeller Ache (Einzugsgebiet des Rheins). Die Donau wird erst bei Ulm zum ansehnlichen Fluss, nachdem sie die Iller, den ersten der
wasserreichen Alpenflüsse, aufgenommen hat, wodurch
sich die Wasserführung von 46 auf 116 m3/s erhöht und
damit der des Neckars im Odenwald entspricht. Östlich
von Ulm wird Donauwasser zur Trinkwasserversorgung
der Stuttgarter Region entnommen und mit Grundwasser
aus dem Donauried gemischt: Drei Pipelines führen nach
Stuttgart. Diese »Landeswasserversorgung« ist der zweitgrößte Fernwasserverband Mitteleuropas. Auch an der
Lechmündung wird der Donauaue Grundwasser entnommen: Fernleitung in den Nürnberger Ballungsraum. Oberhalb von Kelheim hat die Donau das Weltenburger Durchbruchstal sehr fremdenverkehrsattraktiv in die Fränkische Alb eingeschnitten. Die Donauzuflüsse vor allem
aus den Alpen (Lech, Isar, Inn) führen dazu, dass der
Strom beim Verlassen Deutschlands mit 1400 m3/s so
wasserreich ist wie der Rhein bei Mainz. Passau ist die
am stärksten überschwemmungsgefährdete Stadt an der
Donau: Bis zu acht Meter über Normalhochwasser steigt
dort die Flut, wenn die Hochwasserwellen von Inn und
Donau gleichzeitig eintreffen.
Besonders fruchtbare Agrarlandschaften an der deutschen Donau sind wegen der Lössauflage der Dungau
um Straubing, die Kornkammer Bayerns, und die Hallertau unterhalb von Ingolstadt, größtes deutsches Hopfenanbaugebiet. Regionen mit hoher Industriedichte sind das
Gebiet Schwenningen-Tuttlingen, das Brenztal um Heidenheim und die Ballungsräume München, Augsburg
und Ingolstadt.
Zwischen Regensburg und Wien hat die Donau malerische Engtäler in das böhmische Mittelgebirgsmassiv eingeschnitten; besonders anmutig ist die Wachau. Das
Wiener Becken liegt zwischen den Ausläufern der Alpen
(Wienerwald, Leithagebirge) und den Kleinen Karpaten bei
Bratislava, die ineinander übergehen. Zur Wirtschaft Österreichs, die sich an den Flüssen konzentriert, sind zwei
intensive Agrargebiete erwähnenswert: die Weinbauregion Wachau und die Kornkammer Marchfeld, die sich in
das tschechische Mähren bis Olmütz hineinzieht. Im
Marchfeld fördert Österreich Erdöl und Erdgas. Gebiete
mit hoher Industriedichte sind die Ballungsräume von
Wien und Linz-Wels-Steyr, auch das Inntal um Innsbruck und das Murtal oberhalb von Graz. Die Wasserkraftwerke in Österreich an allen seinen Flüssen liefern
68 % des in diesem Staat erzeugten Stroms.
Der Donauraum unterhalb von Wien weist höhere Sommertemperaturen und geringere Niederschläge als Mitteleuropa auf. Auf seinem Weg nach Budapest hat der Strom
5
Passau: Rathausplatz unter Wasser (Mai 1999)
Foto: dpa
die Kleine Ungarische Tiefebene (Kis Alföld) gequert, die sich auf der slowakischen Seite an den Flüssen
Waag und Gran fortsetzt und den romantischen Durchbruch durch das ungarische Mittelgebirge am Donauknie geschaffen. Die 2330 m3/s Mittelwasser in Budapest
entsprechen dem des Rheins in Holland. Das trockene
Klima der Großen Ungarischen Tiefebene (Nagy Alföld)
mit nur 600 mm Niederschlag lässt die Donau bis Paks,
wo das ungarische Atomkraftwerk steht, um drei Prozent
schrumpfen. Doch bei dem weiteren Lauf durch Ostslawonien und die Wojwodina (Ausläufer des Alföds)
kommt der größte Zuwachs zustande: durch die Alpenflüsse Drau und Save und durch die Theiß. Die Save als
wasserreichster Nebenfluss überhaupt entwässert nicht
nur die Alpenkette der Karawanken, sondern auch die
ebenso stark beregneten Dinarischen Gebirgszüge, wobei die berühmte Drina ihr größter Zubringer ist. Die Theiß
als längster Donauzufluss mit einem riesigen Einzugsgebiet weist trotzdem kaum mehr Wasser auf als der Inn,
denn sie sammelt nicht nur die hohen Abflüsse der Karpaten, sondern auch die sehr niedrigen des Alfölds. So
wälzt die Donau unterhalb von Belgrad 5500 m3/s und
dazu den Abfluss der serbischen Morava durch den gewaltigsten ihrer Gebirgsdurchbrüche, das Eiserne Tor in
den Südkarpaten (siehe Titelbild). Diese 120 km lange
Schlucht mit ihrem fels- und kataraktreichen Stromlauf,
der die Schifffahrt früher zu einem gefährlichen Abenteuer
werden ließ, wurde durch den 32 Meter hohen und bis zu
2300 Meter breiten Aufstau für das Wasserkraftwerk Djerdap gebändigt. Die 1971 fertig gestellte rumänisch-jugoslawische Gemeinschaftsanlage bietet in zwei Staustufen
eine gigantische Elektrizitätsleistung von 2100 Megawatt.
Schließlich nimmt die Donau noch mehrere rumänische
Karpatenflüsse von Norden – als wasserreichsten den
Pruth – und von Süden wasserärmere bulgarische Balkanflüsse auf und wächst so bis zum Delta auf 6900 m3/s
an. Diese Zuflüsse und die Donau selbst ermöglichen in
den sehr trockenen Flachländern der Walachei und der
bulgarischen Platte – in der Dobrudscha beträgt der Jahresniederschlag nur 400 mm – Feldbau mit künstlicher
Bewässerung. Hier wie auch in den ungarischen und kroatisch-serbischen Tiefländern ziehen sich unendliche
Mais- und Weizenfelder hin. Auch in der Puszta, der einstigen Steppe an der ungarischen Theiß, wird heute Bewässerung mit Kanälen und Grundwasserbrunnen betrieben, zum Teil für Reisanbau im nördlichsten Reisgebiet
der Welt. Regionen mit hoher Industriedichte findet man in
Südosteuropa vor allem im Nordwesten: im slowakischen
Waagtal um Bystrica, im Budapester Ballungsraum, zwischen Plattensee und Donau, sonst nur um Belgrad und
im Bukarester Großraum. Im letzteren liegt bei Ploies˛ti das
größte Erdölfeld Rumäniens. Hier stand die älteste Raffinerie der Welt. In Siebenbürgen wird vor allem Erdgas gefördert. In Galat˛i und Brǎila befinden sich Schiffswerften
und die größten Stahlwerke, am ukrainischen Ufer die
größten Häfen des Stromes. In Sulina endet die Donau offiziell. Der Sulina-Arm des Deltas führt zwar nur zehn Prozent des Wassers, ist aber der Hauptschifffahrtsweg zum
Schwarzen Meer. Der Chilja-Arm (ukrainisch Kilija) ist mit
60 % der wasserreichste Mündungszweig.
Literaturhinweise
Die Donau und ihr Einzugsgebiet. Eine hydrologische Monographie. Regionale Zusammenarbeit der Donauländer 1986
Rod Heikell: Die Donau. Donaueschingen – Schwarzes Meer.
Edition Maritim, Hamburg 1993
6
Ströme machen
urbar das Land
II. »Ströme machen urbar das Land« 1
Von Dietrich Rolbetzki
Da Wasser für das Entstehen und Bestehen menschlicher
Siedlungen von größter Wichtigkeit ist, ließen sich schon
in frühester Zeit Menschen an der Donau nieder (siehe
Kap. V. 4.). Aber der Strom gab nicht nur das Wasser zum
Leben 2 und zur Bewässerung der Felder, er diente auch
der Müll- und Abwasserentsorgung und verband die Siedlungen miteinander.
Von alters her waren Flüsse die natürlichsten Verkehrswege. Man brauchte sie nicht erst anzulegen, musste dafür aber ihren Verlauf hinnehmen; zudem lauerten auf den
Reisenden vielfältige Gefahren wie Untiefen, Stromschnellen, Riffe und Strudel, zu manchen Jahreszeiten
musste jeder Schiffsverkehr ruhen und bevor es Dampfund Motorschiffe gab, war die Fahrt stromauf mehr als
mühsam und beschwerlich.
Die Donau von heute ist freilich wesentlich ruhiger und
zahmer als in früheren Zeiten: Tückische Hindernisse wurden beseitigt, Staudämme errichtet, das Flussbett vertieft, der Lauf reguliert.
Mit Einbäumen begann in der Steinzeit die Schifffahrt auf
der Donau. Zu Beginn unserer Zeitrechnung war das vorn
und hinten gewölbte Bretterschiff mit leicht schrägen Seitenwänden in Gebrauch, die Römer setzten flache Ruderschiffe mit dem Steuer auf der rechten Seite ein. Auch Flöße waren wohl schon früh auf der Donau unterwegs.
Da die Fahrt stromauf bis ins 19. Jahrhundert sehr
schwierig war, fuhren viele Schiffe nur stromab und wurden – der Bedarf an Brenn- und Bauholz war groß – am
Zielort zerlegt und verkauft. Die Mannschaft wanderte auf
Schusters Rappen an den Ausgangsort zurück.
Stromauf zogen anfangs Menschen die Schiffe, seit dem
15. Jahrhundert wurden Pferde eingesetzt. Einem Vorreiter, der einen trittsicheren Pfad suchte, folgten bis zu 60
Tiere, die einen Schiffskonvoi zogen, der meist aus drei
bis vier großen Schiffen und weiteren Hilfsfahrzeugen bestand und eine Länge bis zu 600 m haben konnte. Mehr
als 20 km/Tag schaffte man nicht und brauchte so für die
Strecke Wien-Linz zwischen zwei und drei Wochen (heute
ein bis zwei Tage). Noch heute kann man in Österreich
diese »Treppelwege« sehen, die jetzt teilweise als Radwege dienen.
1830 begann auf der Donau das Zeitalter der Dampfer.
Die »Erste Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft« entwickelte sich in wenigen Jahrzehnten zur größten Flussreederei der Welt. Zwischen 1869 und 1896 gab es in Österreich auch die Kettenschifffahrt: An einer in der Fahrrinne
liegenden Kette zogen sich die Schiffe vorwärts. Im 20.
Jahrhundert verdrängten allmählich (Diesel-)Motorschiffe
die Dampfer. Mitte der 50er Jahre ging man von der Zugzur Schubschifffahrt über: Die Schiffe wurden nicht mehr
gezogen, sondern geschoben, was Kraft und Personal –
und damit Kosten – sparte. Daneben gab es »Selbstfahrer« mit eigenem Ruder. Seit kurzem befahren auch FlussSee-Schiffe, vom Schwarzen Meer kommend, den Unterlauf der Donau.
Flussschifffahrt einst ... (Ausschnitt aus der Trajanssäule in Rom)
Foto: Bildarchiv Museum für Antike Schifffahrt, Mainz
... und heute
Foto: Dietrich Rolbetzki
Befördert wurden und werden auf dem Strom Menschen
und Waren: im Mittelalter vor allem Holz, Erz, Salz und
Wein, heute Baustoffe und Steine, Kohle, Erze, Schrott
und Getreide. Eisenbahn und Motorisierung haben der
Flussschifffahrt sehr zugesetzt. Die Schiffe sind zwar umweltfreundlicher, aber auch langsamer und erreichen nur
die Orte am Strom. So gibt es die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft seit einigen Jahren nicht mehr. Und der
Personentransport beschränkt sich heute neben einem
Städteschnellverkehr zwischen Budapest, Bratislava und
Wien auf kurze Ausflugsfahrten (z. B. von Regensburg und
Passau aus), Tagesausflüge (etwa von Wien, Linz und
Passau aus) und auf Kreuzfahrten mit luxuriösen Schiffen,
die u. a. von Nürnberg nach Budapest führen.
Der 1992 fertig gestellte Rhein-Main-Donau-Kanal verbindet die von Kelheim bis Sulina auf 2414 km schiffbare
Donau nun mit dem Atlantik, womit ein Binnenschifffahrtsweg von 3500 km Länge entstanden ist. Der Bau
des Kanals – eine Verbindung zwischen Donau und Rhein
hatte im 8. Jahrhundert schon Karl der Große geplant –
verschlang 4,7 Mrd. DM3 und war heftig umstritten. Wäh-
7
rend sich die bayerische Landesregierung von ihm eine
Entlastung von Bahn und Straße, neue Industrieansiedlungen in einem strukturschwachen Gebiet, Erweiterung
des Handels und Ausbau von Binnenhäfen erhoffte, lehnten ihn Naturschützer wegen der gewaltigen Eingriffe in
die Landschaft, vor allem im Altmühltal, und der Folgen
für die Umwelt wie etwa die Senkung des Grundwasserspiegels ab.
Bis heute haben sich die großen wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt. Für die Länder Osteuropas sind der
Seeweg über das Schwarze Meer und der Lkw-Transport
weiterhin attraktiver und auch in Deutschland sind Bahn
und Lastwagen schneller und billiger. Zudem friert in
strengen Wintern der Kanal zu und angesichts der über
hundert Brücken mit einer Durchfahrtshöhe von sechs
Metern4 sind auch dem Containertransport Grenzen gesetzt. Kreuzfahrtschiffen und Wassersportlern allerdings
hat der Kanal neue Möglichkeiten eröffnet.
Da die Donau viele Staaten durchquert oder berührt, war
eine Verständigung über die freie Handelsschifffahrt
wichtig. Eine erste internationale Regelung brachte 1856
der Friede von Paris, der den Krimkrieg beendete. Zwei
Kommissionen, zuständig für die »Seedonau« bis Brǎila
bzw. den übrigen Strom bis Ulm, sorgten für die Durchführung der Bestimmungen und überwachten sie. Im Versailler Vertrag wurde die Donau ab Ulm flussabwärts internationalisiert. Ein in Paris 1921 unterzeichneter Vertrag
setzte eine Europäische Donaukommission für die »Seedonau« und eine Internationale Donaukommission für die
Donau von Brǎila bis Ulm ein. Ihre Arbeit beendete der
Zweite Weltkrieg. 1948 schlossen die Sowjetunion, die
Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, Bulgarien, Rumänien, Jugoslawien, Ungarn und die Tschechoslowakei5
einen Vertrag um »die freie Schifffahrt auf der Donau (...)
zu sichern«6. Die Mitglieder dieser »Belgrader Konvention« verpflichteten sich den Strom in »schiffbarem Zustand zu erhalten« und die Schifffahrt »nicht zu behindern
oder zu stören«7. Eine Donaukommission8 überwacht die
Durchführung der Bestimmungen.
Von der Schifffahrt auf der Donau profitierten viele Ansiedlungen am Strom, Wien etwa, wo sich schon in alten
Zeiten zwei wichtige Verkehrswege kreuzten, die Donau
und die Bernsteinstraße. Schon im 12. Jahrhundert war
die Stadt ein bedeutendes Handelszentrum. Heute finden
sich wichtige Industriezentren Österreichs an der Donau
(siehe Kapitel I.). Und es ist kein Zufall, dass neben Wien
auch andere Städte am großen Strom Hauptstädte wurden: Bratislava, Budapest, Belgrad.
Schifffahrt, Häfen, Werften, Fischfang boten Arbeitsplätze. Im Fluss bzw. Flusssand fanden sich Perlen und Gold.
Die Donau bot auch dem Weinbau an ihren Ufern günstige Bedingungen.
Für die Ernährung der Bevölkerung spielten die Donaufische einst eine wichtige Rolle und der Fluss war schon in
der Antike für seinen Fischreichtum berühmt. In den
Flussauen und Auwäldern gab es Vögel und Wild. Die unberührten Landschaften am Strom sind fast alle den Regulierungen zur Verbesserung der Schifffahrt zum Opfer
gefallen; die Wasserverschmutzung hat die Berufsfischerei aussterben lassen.
Der Rhein-Main-Donau-Kanal
© Globus 9773
8
Von der Schifffahrt auf der Donau versuchten viele geistliche und weltliche Herren zu profitieren, indem sie immer
neue Zoll- und Mautstellen errichten ließen (siehe Kapitel V.4.). Im 12. Jahrhundert etwa gab es allein zwischen
Linz und Wien 77 davon. Wer am Flussufer Land besaß,
hatte oft auch das »Strandrecht«: Auf Grund gelaufene
Schiffe gehörten ihm.
Da die Donau zum Teil eine recht starke Strömung hat, lag
die Nutzung ihrer Wasserkraft nahe. Anfangs übernahmen das Schiffsmühlen: Zwischen zwei verankerten Kähnen befand sich ein breites Wasserrad; das Mahlwerk war
auf einem der Schiffe oder an Land. Bei Hochwasser oder
Eisgang konnte man die Schiffsmühlen zerlegen und in Sicherheit bringen. Im 20. Jahrhundert traten moderne Mühlen an ihre Seite, zunächst mit Dampf betriebene.
Mit der Ausbreitung der Elektrizität erhielt die Wasserkraft
eine noch viel größere Bedeutung. Zwischen 1953 und
1959 entstand in Ybbs-Persenbeug das erste österreichische Donaukraftwerk9.
Bis heute folgten weitere acht. 1971 wurde am Eisernen Tor (siehe Kapitel I) gemeinsam von Jugoslawien und
Rumänien das größte Donau-Wasserkraftwerk in Betrieb
genommen. Ein gigantisches Gemeinschaftsunternehmen bei Gabčikovo (östlich von Bratislava bis ins Donauknie) planten seit 1977 auch die Tschechoslowakei und Ungarn. Angesichts der durch Donauumleitungen
und Staustufen zu erwartenden Umweltschäden erzwang
in den 80er Jahren eine mächtige Protestbewegung
den ungarischen Rückzug aus dem Projekt. So wurde
1992 nur das slowakische Kraftwerk fertig gestellt (siehe
Kapitel I.).
Die Kraftwerke sind alle etwa gleich gebaut: Sie bestehen
aus einem Staudamm, dem Krafthaus mit Turbinen, Generatoren, Transformatoren und der Schleusenanlage. Sie
erzeugen nicht nur Strom, sondern kommen auch der
Schifffahrt zugute, dienen dem Schutz vor Hochwasser
und haben den durch die Flussregulierungen gesunkenen
Grundwasserspiegel wieder gehoben; auch die Trinkwasserversorgung profitiert von ihnen.
Wenn sich Donaueschingen und Furtwangen darum streiten, wer die echte Donauquelle besitze, dann stehen dahinter nicht nur wissenschaftliche Gründe, sondern
durchaus handfeste materielle Interessen, denn der
Fremdenverkehr bringt Einnahmen. Nicht nur die Donauquellen, auch viele einmalige Landschaften ziehen Touristen an. Im Strom kann man auch immer noch baden.
Das Leben an der Donau hat aber seinen Preis. Starker
Regen, Schneeschmelze oder Eisstau nach großer Kälte
und plötzlich einsetzendem Tauwetter haben immer wieder katastrophale Hochwasser gebracht. 1342 starben in
der Wiener Gegend über 6000 Menschen, 1954 war Linz
zu 20 % überschwemmt.
Die Flussregulierungen und die für die Kraftwerke errichteten Staudämme haben diese Gefahr gemindert, andererseits aber auch den Grundwasserspiegel verändert,
Nebenarme abgeschnitten und Auenlandschaften zerstört. Zusammen mit der Industrie haben sie die Donau in
weiten Teilen »ökologisch schwer geschädigt« (Karl-Markus Gauß). Eines der »größten Umweltdesaster der letzten
Jahrzehnte« (Der Spiegel) verursachten die zyanidhaltigen
Abwässer einer rumänischen Goldtrennungsanlage, die
nach einem Dammbruch im Februar 2000 in die Theiß und
dann in die Donau gelangten und zu einem großen Fischsterben führten.
Die NATO-Luftangriffe 1999 gegen die jugoslawische Infrastruktur haben nicht nur Brücken zerstört und damit die
Donau teilweise unpassierbar gemacht. Schadstoffe aus
zerbombten Erdölraffinerien, Treibstoffdepots und Chemiefabriken sind in den Fluss gelangt.
Seit Jahren sind Umweltschützer aktiv. Große Proteste
der Bevölkerung und wohl auch Geldmangel haben bisher
verhindert die Donau in Niederbayern zwischen Straubing
und Vilshofen durch Ausbau das ganze Jahr über schiffbar zu machen. Das hätte den längsten auf deutschem
Boden noch frei fließenden Donaulauf mit seinen »unberührte(n) Auenwälder(n) und Feuchtwiesen, in denen nahezu drei Viertel aller deutschen Brutvogelarten und 29
stark gefährdete Pflanzenarten vorkommen«10, zerstört.
Österreichische Naturschützer haben den Bau des Wasserkraftwerkes bei Hainburg verhindert und damit den
umfangreichsten Auwald Mitteleuropas gerettet, der seit
1996 als »Naturpark Donau-Auen« geschützt ist.
Mit dem Ende der kommunistischen Diktatur in Rumänien
ist die Zerstörung des Donaudeltas durch intensive landwirtschaftliche Nutzung gestoppt. 1990 hat man große
Teile zum Biosphärenreservat erklärt und damit begonnen, die vorherigen Veränderungen wieder rückgängig zu
machen.
Anmerkungen
1
Friedrich Hölderlin, »Der Ister«
Zur heutigen Trinkwassernutzung siehe Kapitel I.
3
Nimmt man den Ausbau von Main und Donau seit 1921 hinzu, als die Rhein-Main-Donau AG gegründet wurde, kommt
man auf 6 Mrd. DM. Betrieb und Unterhalt kosteten 1996
ca. 250 Mio. DM.
4
Rhein: im Durchschnitt neun Meter
5
Österreich trat 1959 bei, Deutschland 1999.
6/7
In: Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom
16. Februar 1960.
8
Vertreter der Verkehrsverwaltung der Bundesrepublik
Deutschland nehmen seit 1957 an ihren Sitzungen teil.
9
An kleineren Flüssen gab es in Österreich schon seit 1886
Wasserkraftwerke.
10
Stuttgarter Zeitung Nr. 139, 20. 6.1995, S. 3
2
Literaturhinweis
Reimund Hinkel: Wien an der Donau. Der große Strom, seine Beziehungen zur Stadt und die Entwicklung der Schiffahrt im
Wandel der Zeiten, Wien 1995
9
Schauplatz
europäischer Geschichte
III. Schauplatz europäischer Geschichte
1. Die Donau:
ein römischer Grenzfluss
Von Martin Kramer
Obere Donau
17/16
15–12
13–9
7/6
6
9
v. Chr. Noricum wird Klientelfürstentum
v. Chr. Zentralalpen und Alpenvorland bis zur Donau
v. Chr. Pannonien; Vorstoß zur Elbe
v. Chr. Siegesdenkmal bei Monaco
n. Chr. Aufstand in Pannonien
n. Chr. Niederlage im Teutoburger Wald
Die obere Donau wurde unter Augustus Reichsgrenze.
In den Jahren 15–12 v. Chr. unterwarfen die Stiefsöhne des
Augustus Tiberius (von Gallien aus) und Drusus (von
Süden durch das Tal der Etsch) in einer groß angelegten
Zangenbewegung die Zentralalpen und das Alpenvorland
bis zur oberen Donau: Die Provinz Raetien wurde geschaffen. Sie war als südliche Aufmarschbasis gegen die Germanen vorgesehen. Tiberius entdeckte auf seinem Feldzug die Donauquellen in den Bergen des Schwarzwaldes.
Bereits 17/16 v. Chr. war das Königreich Noricum kampflos römisches Klientelfürstentum geworden. Parallel dazu
(13– 9 v. Chr.) unterwarf Agrippa (nach dessen Tod 12
v. Chr. Tiberius) die Pannonier an der mittleren Donau (Provinz 10 bzw. 33 n. Chr.). Auch dieser Vorstoß verfolgte weiter gehende strategische Ziele. Im Jahrhundert zuvor war
Rom in einen erbitterten Kleinkrieg mit illyrischen Korsaren
verstrickt worden, die die adriatische Seefahrt permanent
bedrohten. Aus der militärisch gesicherten pannonischen
Ebene heraus wurde das schwer zugängliche gebirgige
balkanische Binnenland bis zur Adriaküste befriedet und
zugleich die Verbindung zwischen oberer und unterer Donau hergestellt. Nach einem Aufstand in Pannonien und
der vernichtenden Niederlage im Teutoburger Wald wurde
die Eroberung Germaniens aufgegeben. Die römischen
Legionen zogen sich hinter Rhein und Donau zurück.
Untere Donau
146
80/70
44
46
107
v. Chr. Provinz Makedonien
v. Chr. Vorstöße zur unteren Donau
n. Chr. Provinz Mösien
n. Chr. Provinz Thrakien
n. Chr. Provinz Dacien
Die untere Donau war als Grenze bereits ins Auge gefasst
worden, als Makedonien Provinz wurde (146 v. Chr.). Zwischen 80 und 70 v. Chr. erreichten mehrere makedonische
Statthalter im Kampf mit den Thrakern den Unterlauf der
Donau. Aber erst nach den Bürgerkriegswirren gelang es,
zunächst ein thrakisches Klientelfürstentum (etwa dem
heutigen Bulgarien entsprechend) zu errichten. Unter den
Nachfolgern des Augustus wurden die Provinzen Mösien
(44 n. Chr.) und Thrakien (46 n. Chr.) eingerichtet. Rom hatte damit die Herrschaft über den Balkan gesichert und die
untere Donau zur Reichsgrenze gemacht. Zu Beginn des
2. Jahrhunderts errichtete Trajan die Provinz Dacien als
weit über die Donau hinaus nach Norden vorgeschobenen
Vorposten. Mit 60 000 Soldaten, die im Donauraum zusammengezogen worden waren, überschritt Trajan beim
heutigen Turnu Serverin die Donau auf einer über einen
Kilometer langen Holzbrücke, die auf 20 steinernen Pfeilern ruhte. Überreste sind heute noch am Donauufer zu
sehen.
»Nasser« Limes
1. Jahrhundert: Sicherung der Donaugrenze durch
Holz-Erde-Lager/Kastelle
2. Jahrhundert: Aus- und Neubau von Grenzkastellen
aus Stein
3. Jahrhundert: Nach Aufgabe des obergermanisch/rätischen Limes Reorganisation und Ausbau
des Donau-Limes
4. Jahrhundert: Verstärkung der bestehenden Anlagen,
Neuanlage von Wachtürmen und Kleinkastellen
Abhängig vom Bedrohungspotenzial wurde die Donaugrenze seit der Mitte des 1. Jahrhunderts durch Legionslager, Kastelle und Straßen befestigt. So befindet sich beispielsweise auf der Strecke zwischen Oberstimm und
Linz weder Lager noch Kastell, weil auf der gegenüberliegenden Seite Wälder und Sumpfgebiete lagen bzw. durch
Verträge germanische »Pufferstaaten« gebildet wurden.
Dagegen wurde im strategisch wichtigen Wiener Becken
ein Legionslager in Carnuntum und wenig später auch ein
Reiterlager in Vindobona (Wien) angelegt. Hier verlief die
alte Bernsteinstraße von der Ostsee nach Süden, die eine
ideale Einbruchslinie bildete.
Erst Ende der 60er-Jahre wurden in Carnuntum (zwischen
Deutsch-Altenburg und Petronell in Niederösterreich) systematische Ausgrabungen vorgenommen, die zeigten,
dass das Legionslager zunächst als einfaches Holz-ErdeLager angelegt worden war: tiefer Graben, Erdwall, Innenbauten und Tore aus Holz. Im Laufe der Zeit entwickelte
sich Carnuntum zu einem militärischen und politischen
Zentrum. Im Heerlager war die gesamte XIV. Legion stationiert (ca. 6000 Fußsoldaten und 120 Reiter), in der Garnisons- und Zivilstadt dürften bis zu 50 000 Bewohner gelebt haben: Rom an der Donau. Unter Trajan zu Beginn
des 2. Jahrhunderts wurde entlang der Donau eine dichte
Kette von steinernen Grenzkastellen angelegt. In Bulgarien wird seit einigen Jahren das Donau-Kastell Iatrus bei
Swischtow freigelegt. Diese Grabung ist vor allem deshalb interessant, weil Iatrus nach der Aufgabe der DonauGrenze auch als Siedlung aufgegeben wurde. Deshalb
ist es als Gesamtanlage – wenn auch in Ruinen – noch
vorhanden und nicht wie zahlreiche andere Kastelle und
Legionslager unter späteren Siedlungen verschwunden.
10
An der oberen Donau war Regensburg das einzige Legionslager der Provinz Rätien (Ausdehnung ca. 25 ha).
Teile des Nordtores, der Porta Prätoria zur Donau hin, und
große Teile der Umfassungsmauer sind noch erhalten.
Augustus und seine Nachfolger arrondierten die Grenzen
des Römischen Reiches, indem sie sie an die geographisch günstigen, natürlichen Grenzen von Rhein und Donau (im Osten an den Euphrat) heranschoben. Zum Schutz
der offenen »Germanenflanke« zwischen Rhein und Donau
planten und errichteten sie den Limes, der einen Teil des
Neckars mit einbezog, aber sonst ohne Rücksicht auf
landschaftliche Gegebenheiten Rhein und Donau verband.
Romanisierung
Nach Eroberung und Besetzung ermöglichte der stetige
Ausbau der Donaugrenze eine ruhige innere Entwicklung.
Ausgangspunkt dieser »Romanisierung« waren die Legionslager und Garnisonsstädte. Zunächst blieben die eroberten Gebiete Besatzungsland. Der Provinzstatus und
damit eine zivile Verwaltung folgte oft erst Jahre später.
Die Besatzungstruppen stammten vorwiegend aus weit
entfernten, neu eingerichteten Provinzen. In Noricum waren z. B. Britannier, Bataver und Legionäre aus Kleinasien
stationiert. Auf zahllosen Grabsteinen sind nicht nur Name
und militärische Einheit überliefert, sondern auch persönliche Ruhmestaten. Ein batavischer Reiter rühmt sich: »Ich
bin der Mann, berühmt an den Ufern Pannoniens, tapfer
und der erste unter tausend Batavern, der unter den Augen Hadrians es fertig brachte, die breiten Gewässer der
Donau in voller Rüstung zu durchschwimmen.«
Die Legionäre brachten die römische Lebensweise mit,
aber auch ihre eigenen Kulte, Moden und Traditionen. Dem
Militär folgten römische Kolonisten, die sich ihre Gutshöfe
und Landsitze bauten und das Land erschlossen.
Im 2. und 3. Jahrhundert standen die illyrischen und pannonischen Legionen, inzwischen zum großen Teil aus Einheimischen rekrutiert, im Ruf besonders einsatzfreudig
und schlagkräftig zu sein. Wann immer das Reich in Not
geriet, wurden sie gerufen. Schließlich griffen sie direkt in
die Reichspolitik ein und riefen mehrere Kaiser aus: die
Soldatenkaiser, die oft aus diesen Provinzen stammten.
Ihre Regierungszeit war meist kurz und kaum einer starb
eines natürlichen Todes, aber dennoch gelang es ihnen
immer wieder das krisengeschüttelte Reich zu stabilisieren
und vor allem die Donaugrenze gegen die Welt der Barbaren zu sichern.
Die Römer fanden an der Donau eine gut funktionierende
Schifffahrt vor. Aus der schriftlichen Überlieferung und
Reliefdarstellungen weiß man, dass die Donau durch eine
Kriegsflottille gesichert und kontrolliert wurde. Es handelte sich um kleine, schnelle und wendige, meist mit zwei
Ruderdecks ausgestattete Schiffe. Auch für Transporte
wurde der Fluss benutzt: für Truppen, Baumaterial und
Nachschubgüter. 1994 wurden beim Kastell Oberstimm in
Österreich zwei Patrouillenboote freigelegt: 15 Meter lang,
für 25 Mann Besatzung, aus der Zeit zwischen 90 und 112
n. Chr. Diese Schiffe werden in einem aufwendigen und
langwierigen Verfahren im neu eröffneten Mainzer »Museum für Antike Schifffahrt« konserviert. Dort sind auch
zahlreiche Funde der Rheinflotte ausgestellt, sowie Nachbauten in Originalgröße.
Niedergang
176 n. Chr.
Markomannen, Quaden und Sarmaten
durchbrechen die Donaugrenze im Wiener
Becken
260/70 n. Chr. Aufgabe des obergermanisch-rätischen
Limes. Sarmaten u. Goten fallen in die
Provinz Mösien ein.
Ende 4. Jh.
Ansiedlung von Ost- und Westgoten in
Pannonien und Thrakien. Reichsteilung
Ende 5. Jh. Untergang Westroms
Fast ein halbes Jahrtausend hielt die Rhein-Donaugrenze,
auch nachdem die römischen Truppen den obergermanischen und rätischen Limes aufgaben und sich hinter die
beiden Grenzflüsse zurückzogen. Sie war die vielleicht
längste und beständigste Grenze Europas – und eine, die
noch lange nachwirkte. Die Gebiete diesseits nahmen teil
an der zivilisatorischen Entwicklung und am Wohlstand
des Römischen Reiches. Jenseits dieser Strukturgrenze
stagnierte die Entwicklung jahrhundertelang bzw. blieb
abhängig von der römischen Hochkultur, erkennbar an
den reichen Importen römischer Erzeugnisse, denen keine gleichwertigen einheimischen Produkte entgegenstanden. Die allmähliche Auflösung der Donaugrenze erfolgte
im 3. Jahrhundert unter dem Druck der Barbaren und aufgrund einer krisenhaften ökologischen und ökonomischen Entwicklung im Inneren des Römischen Reiches.
Die Erschöpfung der Böden durch intensive Landwirtschaft und der Raubbau am Wald für Bauten aller Art,
Heizmaterial und Produktion von Eisen, Ton und Glas
führte zu einer schweren Agrarkrise.
Die Einfälle der Germanen trugen dazu bei, das militärische Sicherungssystem zu durchlöchern. Kastelle wurden
eingenommen und zerstört, Garnisonsstädte verfielen,
aber auch die Truppenstärke wurde kontinuierlich reduziert. Die romanische Bevölkerung verlor zunehmend den
Rückhalt. Aufgegeben von der zentralen Reichsverwaltung und ohne Schutz des Militärs blieben Städte und
Dörfer sich selbst überlassen. Und nun zeigte sich, dass
es einen Unterschied zwischen Romanen und einheimischer Bevölkerung nach wie vor gab. Ein Teil der Romanen, vor allem Angehörige der Oberschicht, zog sich über
die Alpen in die Sicherheit des Kernreiches zurück oder
wurde vertrieben. Zurück blieb eine ausgedünnte einheimisch-romanische Mischbevölkerung, die sich mit den
eindringenden Barbaren arrangieren musste.
Literaturhinweise
Wolfgang Czysz: Die Römer in Bayern. Stuttgart 1995
Kurt Genser: Der Donaulimes in Österreich. Winnenden 1990
Hans-Peter Kuhnen (Hrsg.): Gestürmt – Geräumt – Vergessen?
Der Limesfall und das Ende der Römerherrschaft in Südwestdeutschland. Stuttgart 1992
Dieter Maier/Erich Lessing: Die Donau. München 1982
Ulmer Museum (Hrsg.): Römer an Donau und Iller. Sigmaringen
1996
Leo Weber: Als die Römer kamen. Landsberg 1975
Michael W. Weithmann: Balkan-Chronik. 2000 Jahre zwischen
Orient und Occident. Regensburg 1995
11
2. Christianisierung
im Donauraum
Von Martin Kramer
64 n. Chr.
ca. 64/65
303–305
312
380
476
716
Christenverfolgung unter Nero (54–68)
Tod des Petrus und Paulus in Rom
Christenverfolgung unter Diokletian (284–305)
»Bekehrung« Konstantins (306/312–337)
Toleranzedikt des Theodosius (375–395)
Ende Westroms
Beginn der Mission des Winfried-Bonifatius
Trotz mehrerer Verfolgungswellen – die schlimmste, zugleich aber auch die letzte, fand unter Diokletian statt –
hatte sich das Christentum zu Beginn des 4. Jahrhunderts
vor allem in der Osthälfte des Römischen Reiches ausgebreitet. In Kleinasien bekannte sich fast die Hälfte der Bevölkerung dazu. In der Westhälfte des Reiches hingegen
konnte das Christentum nur in wenigen Gebieten, vor allem in den Städten, Fuß fassen.
Von der Prinzipatszeit bis in die Spätantike waren die römischen Städte Umschlagplatz für Handel und Gewerbe
und zugleich kulturelles Zentrum. Sie waren die Träger der
heIlenistischen Mischkultur, während das Land noch stark
an regionalen, vorrömischen Kulturen orientiert war.
Deshalb entstanden christliche Stadtgemeinden umgeben von ländlichen Gebieten mit den verschiedensten
Kulten. Vor allem unter Legionären und Hilfstruppen an
Donau und Rhein verbreitete sich der aus Persien stammende Kult des Sonnengottes Mithras. Zahlreiche Mithrasheiligtümer lassen sich in den Kastellen und Legionslagern entlang der Donau und des Limes nachweisen,
ebenso Abbildungen des Sol invictus, Jupitersäulen und
Darstellungen verschiedener anderer Götter.
Frühe christliche Zentren an der Donau sollen während
der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts in Singidunum (Belgrad),
Carnuntum, (zwischen Deutsch-Altenburg und Petronell
in Niederösterreich), Lauriacum (Lorch) und Castra Regina
(Regensburg) entstanden sein. Versuche, die Größe dieser Gemeinden und das Zahlenverhältnis zu den Nichtchristen bestimmen zu wollen, bleiben allerdings hypothetisch, weil es kaum schriftliche Quellen gibt und die archäologischen Befunde äußerst dürftig sind.
In Carnuntum, dem größten Legionslager an der Donau,
konnte bisher keine Kirche nachgewiesen werden. Auch
Grabsteine mit christlichen Inschriften fehlen. In Aalen,
dem größten Reiterkastell nördlich der Alpen, wurde die
erste Kirche erst nach der Aufgabe des Limes gebaut.
Wahrscheinlich waren Berufssoldaten, ob nun Legionäre
mit römischem Bürgerrecht oder Hilfstruppen, die es erst
durch ihren 25-jährigen Dienst erwerben wollten, für die
christliche Botschaft nicht sehr empfänglich.
Überliefert sind zwei Heiligenlegenden aus jener Zeit, die
zeigen, dass das Christentum nur von Einzelnen oder kleinen Gruppen übernommen wurde. 304, während der diokletianischen Verfolgung, soll der Kanzleibeamte Florian
in Lauriacum (Lorch) den Märtyrertod gestorben sein. Man
stürzte ihn mit einem um den Nacken gebundenen Mühlstein von einer Brücke in die Enns.
Albrecht Altdorfer, Die Bergung der Leiche des Hl. Florian,
um 1520
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Gm 315
Als die Grenze an der Donau Mitte des 4. Jahrhunderts
bereits brüchig geworden war und die römischen Truppen
sich ins Hinterland zurückzogen, tauchte in den Provinzen
Pannonien und Ufernoricum ein Römer unbekannter Herkunft namens Severinus auf. Er wanderte an der Donau
von einer Stadt zur anderen und avancierte nicht nur zu
einer moralischen Autorität, die zur Unterstützung der Armen aufrief und das Horten von Getreide anprangerte,
sondern auch zu einer lokalen politischen Größe, die nach
dem Zusammenbruch des Hunnenreiches mit den untereinander rivalisierenden Barbaren-Königen und Stammeshäuptlingen verhandelte. In Passau soll er der Legende nach eine kleine Mönchszelle gegründet haben.
Dieses spärliche provinzialrömische Christentum, das
sich in den ersten vier Jahrhunderten südlich der Donau
im Gefolge der Romanisierung entwickelt hatte, ging
durch die germanische Völkerwanderung (4./5. Jahrhundert) und die awarisch-slawische Landnahme (um 600)
völlig unter. Erst nach über zwei Jahrhunderten setzten
christliche Missionare wieder ihren Fuß in die ehemaligen
römischen Provinzen. Der gesamte Balkan wurde im 9.
und 10. Jahrhundert in Konkurrenz zu römischen Missionaren, die von der Adriaküste und vom germanischen
Westen aus operierten, von Byzanz aus für das Christentum gewonnen. Die Brüder Konstantin und Methodius
drangen seit 863 über Bulgarien und Serbien bis nach
Mähren vor. Sie entwickelten eine an der Volkssprache
12
orientierte Schriftsprache, das Kirchenslawisch, in das Bibel und Schriften der Kirchenväter übersetzt wurden, im
Gegensatz zur römischen Kirche, die in Gottesdienst und
Schrift am Lateinischen festhielt.
In Pannonien stieß Methodius nach dem Tod seines Bruders 870 auf die kirchenpolitischen Ansprüche des Erzbistums Salzburg, das für die Missionierung und kirchliche Erschließung des Alpenraums zuständig war und sich
gegen die griechische Konkurrenz durchsetzte.
In den folgenden Jahrhunderten entstand an der Drina,
die einst die Grenze zwischen westlicher und östlicher
Reichshälfte markiert hatte, eine neue Strukturgrenze, die
bis in die Gegenwart hinein besteht. Sie trennt lateinischkatholische und griechisch-orthodoxe Christen und seit
der Osmanenzeit auch Christentum und Islam. An der
oberen Donau wurde das Herzogtum Baiern zum missionarischen Ausgangspunkt des frühmittelalterlichen Christentums. Regensburg wurde zum ersten christlichen Zentrum. Träger der Mission war das Mönchtum, das unter
dem Schutz und im Auftrag der adligen Grundherren Klöster als geistliche Brückenköpfe und landwirtschaftliche
Musterbetriebe gründete. Erst danach folgte der Auf- und
Ausbau der Kirchenorganisation: Kirchen und Kapellen
wurden gebaut, Bistümer eingerichtet und abgegrenzt.
Von Regensburg aus wurde flussaufwärts, am Donaudurchbruch, bereits zu Beginn des 7. Jahrhunderts das
bairische »Urkloster« Weltenburg gegründet. Flussabwärts stifteten ein Jahrhundert später die Agilolfinger das
Kloster Niederalteich. Zur gleichen Zeit entstand das Donaubistum Passau, abhängig von Salzburg. Von Passau
aus wurden bis zum Ausgang des 10. Jahrhunderts die
Gebiete donauabwärts bis nach Pannonien missioniert
und kirchlich erschlossen (siehe oben). Die Übernahme
des Christentums durch die bäuerliche Bevölkerung –
Städte gab es in den ehemaligen Donauprovinzen des
untergegangenen Römischen Reiches im Unterschied
zum italischen Kernland nicht mehr – war eine Frage der
Gefolgschaftstreue, keine Glaubensentscheidung.
Massenübertritte und Massentaufen in Flüssen waren
nicht selten. Oft blieb die Übernahme des Christentums
deshalb ein dünner Firnis, unter dem heidnische Riten
und Götter als Volksbräuche weiterlebten.
Der Übertritt heidnischer Herrscher oder ganzer Völker
zum Christentum war nicht nur ein religiöser, sondern
auch ein politischer und kultureller Akt. Vielleicht noch
schwerer aber wog die kulturelle Attraktivität des Christentums, denn die christliche Kirche »repräsentierte mit
ihrer systematischen Theologie und Hierarchie ein letztes
Stück antiker Strukturen« (Imanuel Geiss, S. 21). Sie bewahrte und überlieferte die letzten Reste der zertrümmerten und weitgehend untergegangenen griechisch-römischen Kultur. Christentum bedeutete Schriftlichkeit, die
Kirche zivilisierte das halbbarbarische Europa bis weit ins
Mittelalter hinein: »Europas Weg in die Moderne führte
nur durch das Nadelöhr der Kirche und ihres Lateins.«
(Geiss, S. 21)
Literaturhinweise
Carl Andresen: Geschichte des Christentums I. Von den Anfängen bis zur Hochscholastik. Stuttgart usw. 1975
Peter Brown: Die Entstehung des christlichen Europa. München
1999
Imanuel Geiss: Europa – Vielfalt und Einheit. Eine historische Erklärung. Mannheim 1993
Adolf v. Harnack: Die Mission und Ausbreitung des Christentums
in den ersten drei Jahrhunderten. 4. Auflage, Leipzig 1924
Christina Lutter/Helmut Reinitz (Hrsg.): Römer und Barbaren. Ein
Lesebuch zur deutschen Geschichte von der Spätantike bis
800, München 1997
Bernd Moeller: Geschichte des Christentums in Grundzügen.
6. Auflage, Göttingen 1996
Friedhelm Winkelmann: Geschichte des frühen Christentums.
München 1996
Kloster Weltenburg
Foto: Helga Glasner
13
3. »1100 Jahre in Europa«: die Ungarn
Von Dietrich Rolbetzki
Budapest 1896, Hösök tér/Heldenplatz. Ein Volk erinnert
sich seiner Herkunft. Tausend Jahre zuvor hatten seine
Vorfahren, vom östlichsten Rand Europas kommend, das
Tiefland an Donau und Theiß in Besitz genommen. Eine
Ausstellung, später an ihrer Stelle ein Denkmal, um seinen
Sockel herum zu Pferd die sieben Stammesfürsten aus
der Zeit der Landnahme, allen voran ihr Anführer Árpád,
entschlossen und Furcht erregend.
Budapest 1989, Hösök tér/Heldenplatz. Ein Volk trauert.
Vor dem Denkmal, mit der rot-weiß-grünen Nationalfahne
bedeckt, die Särge mit den sterblichen Überresten Imre
Nagys, Ministerpräsident während des Aufstands 1956,
und seiner vier Schicksalsgefährten. Drei Jahrzehnte zuvor hingerichtet und verscharrt werden sie nun in einem
würdevollen Staatsakt rehabilitiert. Der Redner: ein (Reform-)Kommunist, Mitglied der Partei, die die Toten auf
dem Gewissen hat und sich nun vor ihnen verbeugt.
Knapper und anschaulicher als in diesen Momentaufnahmen lässt sich Ungarns Geschichte kaum darstellen:
fremde Eroberer, die zu Europäern wurden, und Unterdrückte, die sich immer wieder leidenschaftlich für ihre
und auch die Freiheit Europas erhoben haben.
»Geißel Gottes«?
Wie jener Árpád aus Bronze haben wohl die Vorfahren der
heutigen Ungarn um 896 von den Karpatenhöhen in das
Tiefland an der Donau hinunter geschaut: ein Steppenreitervolk, dessen Heimat zwischen Wolga und Ural gelegen
hatte. Sie suchten nicht nur neue Weiden, sondern waren
vor allem auf der Flucht vor Völkern, gegen die sie in byzantinischem Auftrag gekämpft und verloren hatten. Anführer der sieben verbündeten Stämme war Árpád, ein
Magyar, später wurde das ganze Volk so genannt; die Bezeichnung »Ungar« kommt von den türkischen Onoguren,
denen die Magyaren auf ihrer Westwanderung vorübergehend angehört hatten. Die Eroberung des Tieflands an der
Donau und Siebenbürgens lief wohl recht friedlich ab und
Neuankömmlinge und Eingesessene – eine Mischung aus
Skythen, Kelten, Römern, Germanen, Hunnen, Awaren
und Slawen – verschmolzen allmählich miteinander.
Bei ihrer Ankunft waren die Ungarn Halbnomaden: Ein Teil
lebte vom Ackerbau, der andere von Viehzucht und Beutezügen. Von Byzanz bis Spanien war kaum ein Europäer
vor den magyarischen Reitern sicher. Aber die Drangsalierten organisierten Gegenwehr und 955 schlug der deutsche König Otto I. die Ungarn bei Augsburg vernichtend.
herbei und gab mit seiner Taufe ein Beispiel. Sein Sohn Stephan I. (997–1038), getauft auf den Namen des Patrons von
Passau, heiratete die bayerische Herzogstochter Gisela,
Schwester des späteren Kaisers Heinrich II.
Stephan brach mit der Vergangenheit und wurde Staatsgründer:
– Im Jahre 1000 fand seine Königskrönung statt; die Krone erhielt er mit Billigung des deutschen Kaisers Otto
III. vom Papst. Ungarn hatte sich damit für Europa entschieden, geriet aber nicht in ein Lehensverhältnis zum
Kaiser.
– 1001 erbat er von Otto III. die Errichtung eines Erzbistums an seinem Regierungssitz Esztergom (Gran). Die
ungarische Kirche unterstand damit nur Rom.
– Die Stammes- und Sippenverbände wurden zerschlagen und Ungarn ein Staat nach westeuropäischem
Vorbild. Dabei kam Stephan zugute, dass mit seiner
Frau zahlreiche Deutsche – Priester, Ritter, Beamte –
ins Land gekommen waren.
Unter Stephans Nachfolgern wurde der ungarische Staat
größer (seit etwa 1100 gehörte Kroatien dazu) und wuchs
immer enger mit Europa zusammen. Dennoch blieb wegen
der Herkunft aus der Fremde und der nichtindoeuropäischen Sprache ein Gefühl der Isolierung, ein »Einsamkeitskomplex« (Paul Lendvai).
Der Ansturm der Mongolen 1241/42 verwüstete weite Teile
des Landes und forderte viele Menschenleben. Béla IV.
(1235–1270) leitete den Wiederaufbau ein, ließ Burgen
gründen, Städte befestigen und Siedler aus Mitteleuropa
holen. Er gilt als »zweiter Staatsgründer«.
Ein Jahrhundert später näherte sich aus dem Südosten Europas ein neuer Feind: die Türken. Dass Ungarn ihnen zunächst nicht erlag, hat es v. a. dem äußerst begabten Heerführer János Hunyádi zu verdanken. 1456 konnte er sie bei
Belgrad zum Stehen bringen: Die Ungarn wurden damit zum
»Beschützer des Christentums« (Paul Lendvai). Das mittäg-
Schutzschild des Abendlandes
Die Niederlage führte zu einem »Umdenk- und Lernprozess« (Laura Conti): Die Magyaren wurden sesshaft, Teil Europas und behielten doch ihre Identität. Großfürst Géza
(992–997) rief Priester des Erzbistums Passau zur Mission
Budapest, Heldenplatz:
Standbilder der ungarischen Stammesfürsten von 896
Foto: Dietrich Rolbetzki
14
liche Glockenläuten im katholischen Europa bis heute geht
auf eine päpstliche Anordnung zurück: vor der Schlacht als
Bitte an Gott, danach als Ausdruck der Freude.
Unter seinem Sohn Mátyás I. (Matthias I.) erlebte das Land
eine neue Blütezeit. Er eroberte Mähren, Schlesien, die
Lausitz, die Steiermark, Kärnten und Niederösterreich mit
Wien. Ungarn war nun mächtigstes Reich in Mitteleuropa.
Was Matthias I. geschaffen hatte, ging nach seinem Tod
schnell wieder verloren. Auseinandersetzungen um den
Thron, Kämpfe zwischen den Adelsfamilien und Bauernaufstände »trieben das Land binnen kurzem an den Rand
des Abgrunds« (Paul Lendvai).
Mohács: Auf
dem Schlachtfeld von 1526
(6 km südlich
der Stadt) erinnern Holzplastiken an die
Katastrophe
Foto: Dietrich
Rolbetzki
Unter fremden Herren
Alle zwei Jahre werden im Park des Schlosses von Nagyvázsony, nahe Veszprém, Reiterspiele aufgeführt, bei denen
unter dem Jubel der Zuschauer die Ungarn Türken besiegen. Die Ruinen der Burg des legendären Türkenbezwingers
Pál Kinizsi liegen nur ein paar hundert Meter entfernt. Doch
die Festspiele feiern nur Anfangs- und Augenblickserfolge.
1526 schlug die Armee Sultan Suleimans II. bei Mohács an
der Donau das »schlecht ausgebildete und dilettantisch geführte« (Paul Lendvai) ungarische Heer vernichtend.
Mohács war eine »nationale Katastrophe« (Paul Lendvai).
Für Jahrhunderte verloren die Ungarn ihre Selbstständigkeit. Ihr Land war die nächsten 150 Jahre dreigeteilt:
– Habsburg, dem durch einen Erbvertrag (siehe Kapitel
VI.4.a)) nach dem Tod Ludwigs II. in der Schlacht von
Mohács das ganze Land zugefallen war, regierte den
Westen (»Königliches Ungarn«) mit harter Hand und rekatholisierte ihn, nachdem sich zunächst der Protestantismus rasch ausgebreitet hatte; die Deutschen tendierten zu Luther, die Ungarn zu Calvin.
– Zentralungarn wurde Teil des Osmanischen Reiches und
hatte besonders zu leiden unter der Fremdherrschaft. Es
herrschte allerdings weitgehend religiöse Freiheit. Islamische Kultur kam ins Land (siehe Kapitel III.4.b)).
GRAN (Esztergom)
– Das Fürstentum Siebenbürgen erlangte unter dem
Schutz der türkischen Sultane eine gewisse Eigenständigkeit. Es war wohlhabender als die anderen beiden
Reichsteile, entwickelte sich zum »Zufluchtsort der ungarischen Kultur und Staatsidee« (Paul Lendvai) und
trug damit zum Überleben der Nation entscheidend bei.
1683 siegte eine europäische Streitmacht bei Wien über
die Türken. Erst jetzt konnten die Habsburger ihr gesamtes
Erbe antreten. Der Friede von Karlowitz beendete 1699 die
Herrschaft des Osmanischen Reiches über Ungarn.
Die Magyaren hatten freilich nur den Herrn gewechselt.
Die Militärverwaltung war streng, die Steuern hoch
und die Protestanten wurden gewaltsam rekatholisiert.
Nur Wien treu ergebene ungarische Magnaten behielten Besitz
und Privilegien, kaiserliche Offiziere wurden mit Grundbesitz
belohnt. In den verwüsteten und entvölkerten Gebieten wurden deutsche (siehe
Kapitel III.5.) und slawische Kolonisten angesiedelt, wodurch die
Ungarn zur Minderheit
wurden (1787 unter 40
Prozent).
• KRONSTADT
(Brasso)
Ungarn zur Zeit der
Türkenherrschaft
Zeichnung:
Peter Steinheisser
15
Reformen, nicht Umsturz wollte Széchenyi, doch erfasste
die Pariser Februarrevolution 1848 auch Ungarn. Mitte
März kam es in Pest zu einer Demonstration, auf der
Pressefreiheit, ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung und der Abzug der österreichischen Truppen gefordert wurden. Wien stimmte zu.
Lajos Kossuth (1802–94)
auf einer ungarischen
Briefmarke (1953)
Der Kuruzzenaufstand auf ungarischen Briefmarken (1953)
So brach denn 1703 unter der Führung von Fürst Ferenc
II. Rákóczi der Aufstand der Kuruzzen (»Rebellen«) gegen
die habsburgische Herrschaft aus. Der Freiheitskampf endete 1711 mit einer Niederlage, denn Österreich war übermächtig, die Führung wenig fähig und Hilfe von außen,
von Frankreich oder Russland, blieb weitgehend aus.
Dass Wien die Vorrechte des ungarischen Adels (u. a.
Steuerfreiheit, uneingeschränkte Verfügung über die Leibeigenen) nicht antastete und die praktisch in der Hand der
Stände liegende Exekutivgewalt auf Komitatsebene (Verwaltungsbezirke) bestehen ließ, sollte sich während der
Kriege um Schlesien Mitte des 18. Jahrhunderts auszahlen. Als Maria Theresia die Ungarn 1741 persönlich um
Beistand bat, retteten sie Österreich.
Die Angst um die Vorrechte und vor einer Revolution ließen auch im Zeitalter Napoleons keine nennenswerte Opposition gegen Habsburg aufkommen.
Zu dieser Zeit war Latein die Amtssprache Ungarns, doch
nun forderte eine nationale Erneuerungsbewegung es
durch Ungarisch zu ersetzen, was 1844 geschah. An ihrer
Spitze standen Adelige wie Graf István Széchenyi
(1791–1860).
Graf István Széchenyi (1791–1860)
Ölgemälde von Barabás Miklós (1848)
Aus: Magyar Nemzeti Múzeum.
(Hg): Fodor István, Budapest 1992
Ein ungarisches Parlament wurde gewählt, eine Regierung gebildet und Reformen durchgeführt. Doch nach
dem Sieg der Gegenrevolution in Österreich wurde Ungarn eine reaktionäre Verfassung aufgezwungen. Daraufhin erklärten die Ungarn im Frühjahr 1849 ihr Land für unabhängig. Lajos Kossuth (1802–94), von Anfang an der
führende Kopf der ungarischen Revolution, wurde
Reichsverweser. Österreichische und russische Truppen
zwangen die Ungarn ins Habsburger Reich zurück. Von
den Reformen bleib nur die Bauernbefreiung.
»Kakanien«: Ungarn im Zeitalter des Dualismus
Fast zwei Jahrzehnte später musste Wien die Ungarn zu
gleichberechtigten Partnern machen. Die Niederlage von
1866 und der damit verbundene »Hinauswurf« aus
Deutschland machte Kaiser Franz Joseph I. zum »Ausgleich« von 1867 bereit und der ungarische Politiker Ferenc Deák (1803–76) nutzte die Gunst der Stunde. Das Ergebnis (siehe auch Kapitel III.4.a)): ein Herrscher, drei gemeinsame Ministerien (für Außenpolitik, Armee und gemeinsame Finanzen), aber zwei Regierungen und zwei
Parlamente. Die Ungarn, die nicht einmal die Mehrheit in
ihrer Reichshälfte stellten, waren die Gewinner, die anderen Nationalitäten gingen leer aus und sahen sich bald
starker Magyarisierung ausgesetzt. Dahinter verbargen
sich ungarische Ängste, in der Mehrheit unterzugehen,
Sendungsbewusstsein und Überheblichkeit.
Vom »Ausgleich« profitierte auch Ungarns Wirtschaft. Motor der Industrialisierung wurde der Eisenbahnbau. Das
Land wandelte sich vom reinen Agrarstaat »zu einem
agroindustriellen Staat« (Paul Lendvai). Die Verstädterung
schritt voran und Budapest wurde zur siebtgrößten europäischen Metropole (siehe Kapitel V.5.).
Die Gesellschaft blieb dennoch feudal geprägt. Kirche
und Großgrundbesitzer verfügten über mehr als ein Drittel
des Landes und hatten die politische Macht. Neben dem
Adel entstand ein Großbürgertum, das Banken und Industrie kontrollierte und dessen Mitglieder oft geadelt wurden. Während die reichsten Magnaten in unvorstellbarem
Luxus schwelgten, gab es auf dem Lande unzählige arme
Bauern und Tagelöhner.
16
Endlich frei: Ungarn zwischen den Weltkriegen
Die Niederlage 1918 bedeutete das Ende der Donaumonarchie. Am 31. Oktober übernahm in Budapest ein Nationalrat die Regierungsgeschäfte und rief wenig später die
Republik aus.
Der ungarische Reichsteil zerfiel, das soziale Elend
wuchs; vorübergehend versuchten linke Sozialisten und
Kommunisten 1919 eine Räterepublik zu errichten. Soldaten der von einer Gegenregierung aufgestellten neuen ungarischen Nationalarmee unter Miklós Horthy de Nagybánya (1868–1957) machten dem Experiment ein Ende.
1920 wählte das ungarische Parlament Horthy zum
Reichsverweser; man wollte die Monarchie, nicht aber die
Habsburger. Ungarn war damit ein Königreich ohne König. Zwei Versuche des letzten österreichisch-ungarischen Kaisers Karl I. seinen Thron in Budapest einzunehmen scheiterten 1921 kläglich und führten zur Absetzung
des Hauses Habsburg.
Im Frieden von Trianon 1920 verlor Ungarn zwei Drittel
seines Gebietes. Millionen Magyaren mussten nun unter
fremder Herrschaft leben. Hohe Reparationen waren zu
zahlen, nur ein kleines Berufsheer ohne schwere Waffen
erlaubt. Die Revision dieses Vertrages bildete fortan das
Ziel der ungarischen Außenpolitik. Trianon verhinderte
auch eine Demokratisierung, denn es entfachte den Nationalismus und beflügelte die Reaktionäre um Horthy.
Horthy regierte autoritär, das Parlament hatte wenig zu
sagen. Der Großgrundbesitz war immer noch einseitig
verteilt, was zu sozialen Spannungen führte. Abgeschnitten von vielen Rohstoffquellen und traditionellen Märkten
und belastet durch die Zahlungen an die Sieger kam die
Wirtschaft nur mühsam wieder auf die Beine. Und dann
kam schon die große Krise von 1929. Nur französische
Unterstützung konnte den Zusammenbruch der Staatsfinanzen verhindern.
In den dreißiger Jahren geriet Ungarn immer mehr ins
»Schlepptau des Deutschen Reiches« (Jörg K. Hoensch),
denn nur im Bündnis mit Berlin schien eine Revision
des Vertrages von Trianon möglich. Die neuen Freunde
zeigten sich großzügig und überließen aus ihrer Beute
zwischen 1938 und 1941 den Ungarn Teile ihres ehemaligen Territoriums. Der Preis: Teilnahme am Überfall auf
die Sowjetunion und Beteiligung an der Entrechtung und
Ermordung der Juden. Als sich die Ungarn kurz vor Kriegsende von den Deutschen absetzen wollten, besetzte
die Wehrmacht 1944 das Land. Eine im Dezember gegründete Gegenregierung erklärte dem Deutschen Reich den
Krieg. Nun kämpften Ungarn auf beiden Seiten der Front,
bis am 4. April 1945 endgültig die Waffen schwiegen.
Die »fröhlichste Baracke im Lager«:
Ungarn unter dem Sozialismus
Von den Deutschen befreit, geriet Ungarn – wieder auf die
Grenzen von 1939 zurückgeführt – in neue Knechtschaft.
Die mit sowjetischer Hilfe an die Macht gelangten Kommunisten formten das Land nach dem Vorbild der UdSSR
um. Von der Kirchenverfolgung bis zu blutigen »Säuberungen« erlebte Ungarn auch alle Schrecken der Stalinzeit.
1956 war das Maß voll. Chruschtschows Abrechnung mit
Stalin führte zum Aufstand, der Demokratie und Unabhängigkeit bringen sollte. Die Rote Armee schlug ihn nieder.
Eine neue, moskauhörige Regierung unter János Kádár
(1912–89) lenkte das Land an die Seite der Sowjetunion
zurück, bescherte ihm dann aber nach wenigen Jahren etwas größere Freiheiten und einen höheren Lebensstandard, was Ungarn den Ruf der »fröhlichsten Baracke« im
Ostblock eintrug.
Das Ende dieses »Gulaschkommunismus« kam in der
zweiten Hälfte der 80er Jahre. Gorbatschows Reformkurs,
dazu eine sich anbahnende Wirtschaftskrise, ließen auch
in der ungarischen KP Reformkräfte heranwachsen, die
mit dem am 2. Mai 1989 beginnenden Abbau des »Eisernen Vorhangs« entlang der Grenze zu Österreich das
Ende des Ostblocks einleiteten.
Und wieder frei
Weil kommunistische Reformer mit der Vergangenheit gebrochen hatten, erfolgte der schwierige Übergang zur Demokratie und Marktwirtschaft in Absprache mit der Opposition. Ungarn trat aus dem Warschauer Pakt aus und vereinbarte mit der UdSSR den Abzug ihrer Soldaten. Dafür
wurde es Mitglied des Europarats und der NATO und
strebt heute die Mitgliedschaft in der EU an. So ist Ungarn
wieder, in jener Gemeinschaft angekommen, der es sich
zugehörig fühlt.
Literaturhinweise
Die Außenminister von Österreich und Ungarn, Alois Mock
und Gyula Horn, durchschneiden am 2. Mai 1989 ein Stück
des »Eisernen Vorhangs«.
Foto: dpa
Zoltán Halasz: Ungarn, 3. Auflage, Budapest 1983
Jörg K. Hoensch: Geschichte Ungarns. 1867–1983,
Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1984
István Lázár: Kleine Geschichte Ungarns. Wien 1990
Paul Lendvai: Die Ungarn. Ein Jahrtausend Sieger
in Niederlagen. München 1999
Gyula Németh: Ungarn. 2. Auflage, Budapest 1983
Michael W. Weithmann: Balkan-Chronik. 2000 Jahre
zwischen Orient und Okzident. 2. Auflage,
Regensburg/Graz/Wien/Köln 1997
17
4. Großreiche an der Donau
Maria von
Ungarn
© Archiv
für Kunst
und Geschichte
Von Martin Kramer
a) Die Donaumonarchie
Der Staat, den die Habsburger in langen Jahrhunderten
im Südosten Europas schufen, war ein sehr heterogenes,
multikulturelles Gebilde, das außer der Dynastie nur noch
die Donau als einigende Klammer besaß.
Der Anfang
1253–78
König Ottokar II. v. Böhmen
1254–73
Interregnum
1273–91
König Rudolf von Habsburg
1278
Schlacht auf dem Marchfeld. Niederlage u. Tod
Ottokars
1273 wurde Graf Rudolf von Habsburg von den Großen
des Reiches in Frankfurt zum König gewählt. Der herrschende Adel hatte mehr an seine eigenen Machtinteressen gedacht und einen Habenichts ohne nennenswerte
Hausmacht auf den Thron gehoben. Rudolf entpuppte
sich jedoch als tatkräftiger Monarch und zielstrebiger
Hausmachtpolitiker.
Er begann im Reich aufzuräumen, setzte den darniederliegenden Landfrieden mit Waffengewalt durch und verschaffte sich die fehlende Hausmacht, ohne die die Krone
des Heiligen Römischen Reiches ein bloßer Zierrat war.
Fündig wurde er dort, wo die Machtverhältnisse noch
nicht zementiert waren: im Südosten, außerhalb der
Reichsgrenzen. Er verlangte von seinem Gegenspieler Ottokar II. die Herausgabe der usurpierten BabenbergerHerzogtümer an der mittleren Donau zwischen Linz und
Wien und er bekam sie nach Niederlage und Schlachtentod Ottokars, 1278 auf dem Marchfeld. Damit legte er den
Grundstein für die spätere Donaumonarchie.
1526 verlor Ludwig II. in der Schlacht bei Mohács im
Kampf gegen die Osmanen Leben und Land. Schwager
Ferdinand, inzwischen Herr über das österreichische
Kernland, erbte wenigstens den Anspruch auf die ungarische Krone. Drei Jahre später belagerten türkischen Truppen Wien. Die Hartnäckigkeit der Verteidiger Wiens und
das schlechte Herbstwetter bewogen die Türken allerdings dazu, die Belagerung aufzugeben und sich hinter
die nahe gelegene Grenze zurückzuziehen. Das Zentrum
Ungarns, die Donau-Theiss-Tiefebene, blieb fast anderthalb Jahrhunderte fest in türkischer Hand. Nur einen
schmalen Streifen, von der Slowakei bis zur Adria reichend, beherrschten die Habsburger (siehe Kapitel III.3.).
Die Entscheidung
1683
1687
1717
1718
Großwesir Kara Mustafa belagert Wien
Prinz Eugen v. Savoyen wird Oberbefehlshaber
der kaiserlichen Armee
Eroberung Belgrads
Friede von Passarowitz. Ungarn wird
habsburgisch
Die Grundlagen
1493–1519 Kaiser Maximilian I.
1515
Heirats- und Erbverträge Habsburgs
mit Böhmen und Mähren
1526
Schlacht bei Mohács. Ungarn wird
osmanisch
1529
Erste Belagerung Wiens durch die Osmanen.
Die Wiener Doppelhochzeit von 1515 begründete die Donaumonarchie wenigstens dem Anspruch nach. Maximilian I. verheiratete seine Enkelin Maria mit Ludwig, dem
Sohn des ungarischen Königs, dessen Schwester Anna
gleichzeitig Maximilians Enkel Ferdinand das Jawort gab.
Die 10-jährige Maria wurde in Innsbruck auf ihre Rolle als
Königin von Ungarn vorbereitet. Im Frühjahr 1521 fuhr sie
in einem reich geschmückten Donauschiff von Linz nach
Wien und weiter nach Buda, wo sich Ludwig wegen der
akuten Türkengefahr aufhielt.
Im Sommer 1683 standen die Türken mit 250000 Mann
erneut vor Wien. Kaiser Leopold I. hatte fluchtartig die
Stadt verlassen und sich donauaufwärts in Passau in Sicherheit gebracht. Rund 20000 Wiener waren ihm in Panik
gefolgt. Die zurückgebliebenen Verteidiger Wiens wurden
durch Hunger und Seuchen dezimiert.
Überraschend brachen die Türken die Belagerung ab,
als in ihrem Rücken das rund 80000 Mann starke Entsatzheer unter dem Befehl des polnischen Königs Johann
Sobieski aufmarschierte. Es brachte den desorientierten
Türken eine vernichtende Niederlage bei und bannte
damit die Türkengefahr ein für alle Mal. Mehr noch:
Die Gegenoffensive begann und jetzt erst nahm die
»Donaumonarchie« Konturen an. Innerhalb von wenigen
Jahren wurde Belgrad den Türken entrissen. In vorderster
Linie der »edle Ritter« Prinz Eugen, der als kaiserlicher
Feldherr die Osmanen ein halbes Jahrhundert lang imm
er weiter nach Südosten zurückdrängte. Der kleingewachsene savoyische Prinz gewann die entscheidenden
18
Schlachten und handelte die Friedensbedingungen aus.
Er sicherte Österreich nach dem Sieg über das Osmanische Reich außer Ungarn den größeren Teil von Serbien,
einen Teil Bosniens und die kleine Walachei und für ein
Jahrzehnt bis zum Frieden von Rastatt 1714 dehnte er
Österreich entlang der Donau nach Westen aus und besetzte Bayern. Prinz Eugen machte Österreich zur »Donaumonarchie« und für zwei Jahrhunderte zu einer der
unbestrittenen Großmächte Europas.
Öffnung nach Europa
1740–80 Kaiserin Maria Theresia
1780–90 Joseph II. (seit 1765 Mitregent seiner Mutter
in Österreich)
1806
Franz II. verzichtet auf die deutsche Krone.
Ende des HI. Römischen Reiches Deutscher
Nation
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die »Donaumonarchie« ein bunt zusammengewürfeltes Gebilde, das nur
durch die gemeinsame Dynastie zusammengehalten
wurde. Sie umfasste über ein Dutzend ethnischer Gruppen in verschiedenen Stadien ihrer nationalen Entwicklung, zwar eine Großmacht, aber eine gegenüber Westeuropa zurückgebliebene. Maria Theresia leitete eine Politik
der vorsichtigen Modernisierung ein. Frühzeitig von ihrem
Sohn Joseph unterstützt und, seitdem er 1765 als Mitregent eingesetzt worden war, regelrecht getrieben.
Als Joseph nach dem Tod seiner Mutter 1780 Alleinherrscher wurde, versuchte er in atemberaubendem Tempo
innerhalb eines Jahrzehnts aus dem amorphen Vielvölkerstaat einen zentralisierten, bürokratischen Einheitsstaat
zu schmieden. Innerhalb kürzester Zeit machte er sich dadurch alle gesellschaftlichen und politisch relevanten
Gruppen zu erbitterten Feinden: den Adel, vor allem den
ungarischen, die Kirche und selbst die durch seine Reformen begünstigten Bauern.
Einen Teil seiner Reformen musste bereits Joseph selbst
zurücknehmen. Auch unter dem Eindruck der revolutionären Entwicklung in Frankreich wurden sie unter seinem
Nachfolger vollständig rückgängig gemacht. Dennoch
war Josephs radikaler Reformismus nicht umsonst gewesen. Wien, immerhin die zweitgrößte Stadt des Kontinents, entwickelte sich sehr schnell zu einem Zentrum der
europäischen Aufklärungskultur.
Stagnation und Fortschritt
1814/15
1815
1809–48
1815–66
Wiener Kongress. Neuordnung Europas
Heilige Allianz
Ära Metternich
Deutscher Bund
Wohl kaum ein Politiker wurde so sehr mit den Schattenseiten des Ancien régime identifiziert wie Österreichs
Staatskanzler Metternich. Er stand für die europaweite Unterdrückung jeder liberalen und nationalen Bewegung, für die rücksichtslose Knebelung der Meinungsfreiheit.
Dabei verfolgte er im Dienste seines Monarchen nur ein
Ziel: in der »Donaumonarchie« Sicherheit und inneren
Frieden zu garantieren. Er setzte die vom russischen Zaren aus dem Geist christlicher Romantik ins Leben gerufene »Heilige Allianz« der Fürsten in nüchterne, praktikable
Politik um. Sie stemmte sich gegen alle modernen Tendenzen der Gegenwart, gegen Parlamentarismus und
Selbstbestimmungsrecht der Völker. Andererseits konstituierte sie ein europäisches Friedens- und Sicherheitssystem, wie es seit dem Westfälischen Frieden nicht
mehr bestanden hatte. Es bewahrte Europa das ganze
19. Jahrhundert hindurch vor dem großen Waffengang
und zerbrach erst im Ersten Weltkrieg. Der Preis für diesen Frieden hieß Unfreiheit, von Metternichs Gegnern
als Friedhofsruhe empfunden. Vor allem aber wurde die
von Joseph II. eingeleitete Öffnung nach Europa nicht
fortgeführt. Österreich zog sich auf sein altes Kerngebiet
an der mittleren Donau zurück, orientierte sich zum Balkan hin.
Untergang
1848/49
1848–1916
1863
1866
1867
1871
1914
Revolutionen in Europa
Kaiser Franz Joseph I.
Fürstentag in Frankfurt
Preußisch-Österreichischer Krieg
Ausgleich Österreich Ungarn
Franz Joseph König von Ungarn
Zweites Deutsches Kaiserreich
Beginn des Ersten Weltkrieges
Mitten in den Revolutionswirren von 1848 trat der 18-jährige Erzherzog Franz Joseph auf Betreiben seiner Mutter
Sophie die Nachfolge seines regierungsunfähigen Vaters
an. Mit Hilfe seiner eigenen und der russischen Armee
unterdrückte er die Revolution und suchte den Status quo
zu bewahren und doch einen modernen Zentralstaat zu
schaffen.
Der Schwerpunkt seiner frühen Aktivitäten lag in der Bewahrung der österreichischen Führungsrolle im Deutschen Bund und der Integration seines gemischt nationalen Staates in ein Großdeutschland. Diese Deutschlandpolitik scheiterte auf dem Fürstentag zu Frankfurt 1863 an
der ablehnenden Haltung Preußens. Es war der letzte Versuch, die Donaumonarchie nach Westen hin zu orientieren. Der preußische Sieg bei Königgrätz 1866 schloss Österreich aus dem Deutschen Bund aus und verlagerte das
Machtzentrum der Doppelmonarchie endgültig in den Donauraum.
Mit dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn im
Jahr 1867 (siehe Kapitel III.3.) begann eine lange Friedenszeit, gekennzeichnet durch wirtschaftlichen Aufschwung und bürgerliche Sicherheit, allerdings auf Kosten der kleineren Nationalitäten im Vielvölkerstaat.
Die Reichsteilung in einen westlichen, von Österreich dominierten und einen östlichen, von Ungarn dominierten
Teil, nach dem Grenzflüsschen Leitha Cis- und Transleithanien genannt, war ein mühsam austarierter Kompromiss. Dieser Dualismus hielt bis zum Ende der Monarchie
1918, obwohl niemand mit ihm zufrieden war und die
unterdrückten Minderheiten, die seit der Annexion Bos-
19
plant, direkt an der serbischen Grenze. Sie wurden kommandiert von Franz Ferdinand persönlich. Dort trafen ihn
und seine Gemahlin die Kugeln eines Attentäters tödlich.
Generalstabschef Conrad von Hötzendorf sah endlich
seine Stunde gekommen. Seitdem er im Amt war, hatte er
sich dafür eingesetzt, die internen Nationalitätenprobleme
der »Donaumonarchie« durch einen Präventivkrieg gegen
Serbien und Italien gewaltsam zu lösen. Die österreichische Kriegserklärung an Serbien läutete das Ende der Donaumonarchie ein, zugleich aber auch das Ende des alten
Europa.
Franz Joseph I. im Alter von 18 Jahren
Zeitgenöss. Lithographie © ZEIT-Archiv
niens 1908 zusammengenommen eine Mehrheit ausmachten, verbissen um mehr Autonomie stritten.
1854 heiratete Franz Joseph I. seine bayerische Cousine
Elisabeth. Populär beim Volk als »Sisi«, am Hof jedoch
bald als »hübsches Dummerl« verrufen, gebar sie pflichtgemäß den erwünschten Thronfolger – und ging ihre eigenen Wege, auch politisch. Sie hatte entscheidenden Anteil
am Ausgleich von 1867. Persönlicher und politischer Höhepunkt ihres Lebens war die feierliche Krönung zur Königin von Ungarn in Budapest. Bis heute ist Erzsébet dort
eine schwärmerisch verehrte Kultfigur geblieben. Ihr gewaltsamer Tod 1898 auf der Genfer Uferpromenade entrückte sie vollends ins Reich des Mythos.
Kronprinz Rudolf verkörperte einen verbreiteten deutschösterreichischen Typus: Obwohl überzeugter Repräsentant der Monarchie, wollte er ihre völlig verkrusteten und
erstarrten Strukturen aufbrechen, nicht um sie zu zerstören, sondern um sie zu retten. Politisch kaltgestellt, ohne
reale Macht, blieb ihm jedoch die politische Reformarbeit
verwehrt. Er sympathisierte mit den Liberalen und veröffentlichte seine oppositionellen Ideen in der nationalen
und internationalen Presse unter einem Pseudonym.
Ende Januar 1889 erschoss der 30-Jährige sich und seine Geliebte, die 17-jährige Baroness Vetsera, im Jagdschlösschen Mayerling. Der Skandal erschütterte die ohnehin krisengeschüttelte k.u.k. Monarchie bis in ihre
Grundfesten. Zeitgenossen deuteten den Tod des Kronprinzen als ein Mentekel des Untergangs. Nach Rudolfs
Tod regierte Franz Joseph in der Hofburg weiter, bis
schließlich nur noch er selbst die auseinanderdriftende
Monarchie zusammenhielt. Die Nationalitätenprobleme
verlangten nach einer Lösung. Thronfolger Franz Ferdinand, Neffe des Kaisers, forderte deshalb schon seit Jahren eine Föderalisierung der »Donaumonarchie«, die insbesondere dem slawischen Bevölkerungsteil mehr Autonomie bringen sollte. Vor allem bei den Ungarn und den
großserbischen Nationalisten war er deshalb verhasst.
Im Sommer 1914 waren – wohl auch zur Einschüchterung
der Serben – österreichische Manöver an der Drina ge-
Kaiserin Elisabeth 1865
Fotografie von Emil Rabending
© Historisches Museum der Stadt Wien
Literaturhinweise
Rolf Bauer: Österreich. Ein Jahrtausend Geschichte im Herzen
Europas. München 1994
Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen. München 1989
Robert A. Kann: Geschichte des Habsburgerreiches 1526–1918.
Graz 1977
Walter Pohl/Brigitte Vacha: Die Welt der Babenberger. Graz 1995
Roman Sandgruber: Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Wien
1995
Brigitte Vacha (Hrsg.): Die Habsburger. Eine europäische Familiengeschichte. Graz 1992
Adam Wandruzka/Peter Urbanitsch: Die Habsburgermonarchie
1848–1918 (6 Bde.).Wien 1973ff.
Erich Zöllner: Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur
Gegenwart. 8. Auflage 1990
20
b) Unter dem Banner des Propheten
ins Innere Europas
Von Dietrich Rolbetzki
Wie die Ungarn kamen die Türken als Eroberer und versetzten zunächst die Völker Europas in Angst und Schrecken. Aber anders als die Ungarn hielten sie an ihrer Religion fest und wuchsen nicht in die europäische Kultur hinein. Über Jahrhunderte waren sie die Herren Südosteuropas und hinterließen mannigfache Spuren. Am Ende
aber wurden sie wieder fast ganz aus Europa hinausgedrängt. Die moderne Türkei schwankt heute zwischen der
engeren Verbindung mit Europa und der Hinwendung
nach Asien.
Von Mittelasien nach Anatolien
Nomadische Turkvölker aus Mittelasien kamen bei ihrem
Vordringen nach Westen mit persischer und arabischer
Kultur in Berührung und nahmen den Islam an. Der Stamm
der Seldschuken – ihrem Anführer wurde nach der Eroberung Bagdads im 11. Jahrhundert der Titel »Sultan« (»Herrscher über die Gläubigen«) vom Kalifen (Nachfolger Mohammeds) verliehen – errichtete in Anatolien einen Staat,
den die Mongolen im 13. Jahrhundert wieder zerstörten.
Seine Nachfolge traten zahlreiche Kleinfürstentümer an.
Vom asiatischen Kleinstaat
zur europäischen Großmacht
Eines dieser kleinen Fürstentümer, das osmanische um
Bursa, benannt nach dem Stammesführer Osman
(1281?–1326), stieg im Laufe der nächsten Jahrhunderte zu
einer Großmacht auf. Osman eroberte neue Gebiete, weil
er den Islam ausbreiten und seine Krieger mit Beute versorgen wollte. Er förderte auch die Landwirtschaft und damit das Sesshaftwerden und nahm den Titel »Sultan« an.
Bürgerkriege und Thronkämpfe im Byzantinischen Reich
in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts brachten die Osmanen nach Europa. Zunächst wurden sie als Hilfstruppen herbeigerufen, 1354 aber kamen sie unaufgefordert,
eroberten Adrianopel und machten es zum neuen Mittelpunkt ihres Staates. Byzanz war jetzt vom westlichen Europa abgeschnitten, musste den Osmanen Tribut zahlen
und erhielt dafür Getreide.
1389 wurden die Serben auf dem Amselfeld (Kosovo polje) geschlagen, wenig später wurde Bulgarien türkische
Provinz und die Walachei tributpflichtig.
Die osmanischen Erfolge erklären sich aus einer straffen
Führung, der Notwendigkeit Beute zu machen, um Militär
und Verwaltung zu versorgen und dem Drang den Islam
auszubreiten. Dabei profitierten die Türken davon, dass
der Balkan politisch zersplittert war, wirtschaftlich am Boden lag (Pest) und die Bauern von großen Grundbesitzern
ausgebeutet wurden. Gegen die Türken aufgebotene europäische Heere, Ausdruck eines Gefühls kollektiver Bedrohung, erlitten Niederlagen.
1453 ließ Mehmet II., »der Eroberer«, seine Soldaten zum
Sturm auf Konstantinopel antreten. Europa aber ließ die
Stadt am Goldenen Horn in ihren letzten schweren Stunden allein. Als Istanbul (istan polis = in der Stadt) war sie
fortan bis 1923 die neue Hauptstadt des Osmanischen
Reiches, das sich endgültig als Großmacht etabliert hatte.
Nichts schien in den folgenden Jahrzehnten die Osmanen
daran zu hindern ihre Herrschaft weiter auszudehnen: auf
dem Balkan, in Vorderasien und Nordafrika. In Kairo geriet
der letzte Kalif in türkische Gefangenschaft und soll seine
Würde als geistliches Oberhaupt der Sunniten auf Sultan
Selim I. übertragen haben.
Der Griff nach dem »Goldenen Apfel«:
die Türken vor Wien
Die neuen Eroberungen gaben Sultan Suleiman II. (1520–
1566), »dem Prächtigen«, die Mittel zum Vorstoß auf Wien
an die Hand, den »Goldenen Apfel«, wie die Stadt seit langem in osmanischen Militärkreisen genannt wurde: 1521
fiel Belgrad, 1526 wurden die Ungarn bei Mohács an der
Donau geschlagen, 1529 war erstmals die österreichische
Kaiserstadt bedroht.
Zwar scheiterte die Eroberung Wiens, doch war das Osmanische Reich unter Suleiman II. »stärkste militärische
und politische Macht der Erde« (Josef Matuz) geworden.
Innerhalb seiner Grenzen wohnten mehr Völker als in
irgendeinem anderen damaligen Staat. Ihnen gegenüber
waren die Osmanen, sieht man von der Eroberungszeit
und bei Widerstand ab, recht tolerant: Juden und Christen
mussten nur die Herrschaft des Islam anerkennen und die
Kopfsteuer zahlen (deshalb blieb der Balkan im Wesentlichen christlich); auch die Roma wurden nicht verfolgt.
Regiert wurde dieses Reich von einem Sultan mit unumschränkter Macht, der seit dem 15. Jahrhundert durch
Erbfolge ins Amt gelangte. Dem Großwesir unterstand die
Verwaltung, der Diwan war Beraterrunde und oberstes
Gericht. Ein Gegengewicht gegen die Macht des Sultans
bildete die Geistlichkeit. Bei der Besetzung von Ämtern
Sultan Suleiman II.
(1520–1566).
Aus: Varga Domokos:
Magyarország
Virágzása ... (o. J.)
21
kurze Zeit die Nordgrenze ihres Reiches, die durch eine
Reihe von Sperrfestungen am südlichen Flussufer gesichert wurde.
In den folgenden drei Jahrhunderten wurde der Fluss
überschritten und lag nun innerhalb des Osmanischen
Reiches. Er bildete auch das Rückgrat des Vorstoßes auf
Wien und diente dem Transport von Nachschub.
Solange sie innerhalb ihres Reiches dahinströmte, benutzten die Türken die Donau immer auch als »Straße« für
Handel und Verkehr. Als im 19. und 20. Jahrhundert ihr
Kolonialbesitz in Südosteuropa Stück um Stück verloren
ging, wurde der Fluss für den Kontinent wieder zum übernationalen Handels- und Verkehrsweg.
Jahrhunderte des Niedergangs
Der europäische Teil des Osmanisches Reiches
im 17. Jahrhundert
Zeichnung: Peter Steinheisser
spielten Herkunft und Nationalität jahrhundertelang keine
Rolle. Das eroberte Land wurde in Militärbezirke aufgeteilt
und von Paschas regiert bzw. ausgebeutet. Solange die
Bewohner gehorchten und Steuern zahlten, hatten sie ihre
Ruhe. So arrangierten sie sich mit den Eroberern.
Die Donau im Osmanischen Reich
Ende des 14. Jahrhunderts hatten die Türken den Unterlauf der Donau erreicht. Doch der Strom bildete nur für
Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts leiteten eine
Reihe unfähiger Herrscher, Korruption und Ämterkauf,
wirtschaftliche Probleme, militärische Misserfolge und zunehmende Stärke der Armeen des christlichen Europa den
Niedergang des Osmanischen Reiches ein.
1683 raffte man sich in Istanbul noch einmal zu einem
Kraftakt auf: Kara Mustafa befehligte den zweiten Angriff
auf Wien. Der Feldzug endete mit einer schweren Niederlage (siehe Kapitel III.4.a)).
Das Gesetz des Handelns ging nun an Habsburg über,
das in den Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen
Reich zur Großmacht aufstieg.
Zwischen 1684 und 1699 (Friede von Karlowitz) verloren
die Türken mit Ungarn, Siebenbürgen, dem größten Teil
Kroatiens und Slawoniens fast die Hälfte ihrer europäischen Besitzungen und außerdem die wirtschaftlich wertvollsten. Russland erkämpfte sich im 18. Jahrhundert den
Zugang zum Schwarzen Meer und fasste auch auf dem
Balkan Fuß.
Schlacht am Kahlenberg. Gemälde
von Franz Gaffels
© Historisches
Museum der Stadt
Wien.
22
Pécs (Ungarn): Innerstädtische Pfarrkirche
auf dem Széchenyi tér,
erbaut 1585 als Moschee. Auf dem Denkmal Türkenbezwinger
János Hunyadi.
Foto: Dietrich Rolbetzki
Abschied von der Donau
Ungeniert rissen dann im 19. Jahrhundert europäische
Großmächte türkische Gebiete an sich. Der »kranke Mann
am Bosporus« blieb nur am Leben, weil kein Staat im Falle seines Dahinscheidens dem anderen große Vorteile
gönnen mochte. Neue Ideen aus dem Westen und der
Mitte Europas leiteten das »nationale Erwachen« der
Balkanvölker ein. Russland propagierte die Vereinigung
aller Slawen unter seiner Führung und stand, wie auch andere Großmächte, zum Eingreifen auf dem Balkan bereit.
Als Erste erkämpften die Serben 1817 ihre Autonomie.
1830 wurde Griechenland unabhängig; 1878 folgten Serbien, Montenegro und Rumänien. Zur Ruhe kam der Balkan dadurch freilich nicht: Die neuen Staaten waren instabil und voller ungelöster Probleme und das dahinsiechende Osmanische Reich, 1908 auch noch von innen erschüttert durch die sich an die Macht putschende Reformbewegung der »Jungtürken«, weckte allerorten neue
Begehrlichkeiten. Österreich-Ungarn nutzte die Gunst der
Stunde, drängte Bulgarien zur Unabhängigkeit und annektierte selbst Bosnien und die Herzegowina. In den
Balkankriegen 1912/13 konnte das Osmanische Reich
gerade noch einen Zipfel Europas für sich retten, der der
Türkei bis heute geblieben ist.
die große Trommel, das Becken, Triangel und die Piccoloflöte, Preußen auch den Schellenbaum, der zum Wahrzeichen seines Militärs wurde. Und während ihr Reich in die
Defensive ging, eroberten die Türken die Opernbühnen ihrer Gegner, z. B. mit Mozarts »Die Entführung aus dem
Serail« (1782).
Den Türken verdankt Europa auch mehr als nur den Kaffee. »Wo immer man gewürzte Hackfleischwürstchen
über glimmender Holzkohle grillt und Fleisch in bunten
Gemüsetöpfen gart, ist Balkan.«: eine Küche, die den
»unverwechselbaren Hauch des Orients« (Marion
Schwedt) aufweist, und den haben die Türken eingebracht.
Im Bewusstsein der unterworfenen Völker hat die Türkenherrschaft tiefe Narben hinterlassen. Die Serben sehen
sich seit der Schlacht auf dem Amselfeld in der Rolle von
Opfern und Märtyrern für Europa; in Ungarn wirkt das
Trauma des ewigen Verlierers nach.
In den Ländern des ehemaligen Osmanisches Reiches
blieben türkische Minderheiten zurück, die immer wieder
für ihr Mutterland büßen mussten. 1922 wurden sie aus
Griechenland vertrieben. Ende der 80er-Jahre führten
Zwangsbulgarisierungen zu einer weiteren Fluchtwelle.
Als einstige Kolonialmacht hat es die Türkei bis heute
schwer mit ihren ehemaligen Kolonien. Misstrauen und
Feindschaft sind vielfach geblieben.
Was blieb vom Halbmond in Europa?
Die sichtbarsten Spuren sind heute noch Moscheen und
Minarette, Bäder und Grabmäler. Einflüsse türkischer Architektur lassen sich auch in der heimischen Baukunst
nachweisen, etwa in Bulgarien. Millionen Menschen in Albanien und Bosnien folgen täglich dem Ruf des Muezzins
und verneigen sich gen Mekka: Moslems, deren Vorfahren
unter der Türkenherrschaft zum Islam übergetreten sind.
Die Musik Südosteuropas weist orientalische Anklänge
auf, doch ist nicht sicher, ob das eine Folge der langen
Besetzung ist. Von den Musikkapellen der Janitscharen
übernahmen europäische Orchester im 18. Jahrhundert
Literaturhinweise
Wolfgang Gust: Das Imperium der Sultane. Eine Geschichte des
Osmanischen Reichs. München/Wien 1995
Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 3. Auflage, Darmstadt 1996
Alan Palmer: Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches.
München 1997
Michael W. Weithmann: Balkan-Chronik. 2000 Jahre zwischen
Orient und Okzident. 2. Auflage, Regensburg/Graz/Wien/Köln
1997
23
5. Ulmer Schachteln und
Donauschwaben
Von Jakob Huff
»Ulmer Schachteln« und »Kelheimer Pletten« beförderten vor allem im 18. Jahrhundert rund 200 000 meist
deutsche Kolonisten in den Südosten des von den Habsburgern beherrschten und nach den Türkenkriegen in weiten Teilen entvölkerten Königreichs Ungarn. Dort fanden
sie in sechs Hauptsiedlungsgebieten – dem Bergland im
Donauknie, der Schwäbischen Türkei, in Syrmien/Slawonien, der Batschka, dem Banat und dem Sathmar-Theißgebiet – in über 1000 Städten und Gemeinden und oft unter beträchtlichen Mühen (»Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot«) letztendlich doch eine
neue Heimat. Diese Orte und Gebiete wurden für rund
eine Million Donauschwaben (gegenwärtig etwas mehr als
1,5 Millionen) die »alte« Heimat, weil der von Hitler und
den Nationalsozialisten entfesselte Zweite Weltkrieg und
das Verhalten der Sieger sie zur Flucht und Vertreibung
zwangen. Nur gut 500 000 Menschen versuchten, oft unter beispiellosen Entsagungen, der räumlichen Verpflanzung und geistig-kulturellen Entwurzelung vor allem in
Ungarn und Rumänien zu widerstehen. Doch der Exodus
hält an und auch die Suche nach einer neuen Heimat,
hauptsächlich in Deutschland.
Das verlorene »a«
Im Wintersemester 1965/66 saß ich mit etwa 20 Studentinnen und Studenten in einem landesgeschichtlichen
Proseminar von Professor Decker-Hauff in Tübingen. Am
Ende der ersten Sitzung ging der Professor die Namensliste der Seminarteilnehmer durch. Als ich an der Reihe
war, verblüffte er mich mit einem: »Donauschwabe, gell?«
und lokalisierte mich als schwäbischen Namensvetter,
dessen Vorfahren auf dem Weg nach Südosteuropa wohl
das »a« aus dem Namen abhanden gekommen war. Es
stimmte tatsächlich. Mein Geburtsort ist Bukin, ein 1941
knapp 4000 Menschen zählender und zu 90 % von Deutschen bewohnter Ort an der Donau etwa 60 km oberhalb
von Neusatz/Novisad gelegen. Tiefere Wurzeln konnte ich
in meinem Geburtsort nicht schlagen, weil ich mit vielen
anderen Donauschwaben das Schicksal und die Folgen
der Vertreibung teile; eine gewisse Prägung besteht jedoch darin, dass ich den Dialekt meines Geburtsortes
noch vor anderen Dialekten und Sprachen gelernt habe.
Meine schwäbischen Wurzeln sprossen dagegen erst seit
1947 mit der Einschulung in der einklassigen Zwergschule
in Bühlenhausen auf der Schwäbischen Alb. Eine gut zweieinhalbjährige Odyssee hatte mich und einen Teil meiner
Familie mütterlicherseits aus der Batschka – über Ungarn,
die Tschechoslowakei, Schlesien – in die SBZ nach Salzwedel und von dort auf abenteuerliche Weise über zwei
Zonengrenzen hinweg im Mai 1947 nach Süddeutschland
zu den Amerikanern gebracht. Zunächst bei Bauern in Treffensbuch auf der Schwäbischen Alb einquartiert zog ich
1951 mit meiner Mutter nach Ulm, das für sie Wohn- und
Arbeitsort, für mich aber zur eigentlichen »Heimat« wurde.
Mit meinen donauschwäbischen Wurzeln und deren
historischen Bedingungen wurde ich umständehalber
mehrfach in meinem Leben konfrontiert. Besondere Situationen waren beispielsweise: die Rolle als »Reigschmeckter« auf der Alb oder die Suche nach meiner Familie väterlicherseits infolge der Anträge auf Lastenausgleich, die viele Todesurkunden erbrachte – z. B. die meines Vaters, gefallen an der Ostfront, meines Großvaters,
erschossen auf einem Marsch in ein serbisches »Lager«,
von Onkel und Tante mit Kindern, vermisst oder im »Lager« verhungert etc. Nur meine Großmutter konnte sich
lebend nach Wien zu ihrer Schwester und deren Familie
durchschlagen. Sie ist wieder eingebürgerte Österreicherin geworden, was unsere historischen Vorfahren ja eigentlich schon einmal gewesen sind.
Spurensuche
Der Raum um Donau, Theiß und Karpaten verzeichnet
eine sehr wechselvolle Siedlungsgeschichte. Völker und
Volksgruppen kamen, gingen, wurden vertrieben, erobert,
assimiliert, beherrscht und wieder befreit. Germanen, Römer, Hunnen, Awaren, Slawen, Ungarn, Türken, Deutsche
u. a. m. haben ihre Spuren hinterlassen.
Die Ansiedlung von Menschen in diesem Raum ist eng
verbunden mit der historischen Rolle der Habsburger, die
in einer feudalistischen Welt seit dem 15. bzw. 16. Jahrhundert gleichzeitig als Kaiser an der Spitze des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation standen und u. a.
als Könige die Herrschaft über Ungarn und ein Gemisch
aus vielen Völkern innehatten.
Mit der erfolgreichen Zurückdrängung der Türken (Prinz
Eugen) begann der eigentliche Prozess der »Landnahme«
durch die Vorfahren der später so genannten Donauschwaben, im Verein mit ungarischen, slawischen und
anderen Siedlern. Kaiser und feudale Grundherren begannen schon nach 1686 die ersten befreiten, oft fast menschenleeren Gebiete zu besiedeln, denn die Abgaben an
den Lehensherrn bildeten eine wesentliche Grundlage
des ganzen Systems.
So intensivierte sich ein vielschichtiger, etwa 150 Jahre
(1686–1829) währender Prozess der Besiedlung und Kolonisation von Gebieten, die der teilweise verwilderten Natur und vor allem dem Wasser zur wirtschaftlichen Nutzung abgerungen werden mussten. Die Besiedlung von
Städten, hauptsächlich in Ungarn, ist nur ein Teilaspekt,
die Kolonisation des Landes durch Bauern und Handwerker ein parallel dazu verlaufender, ergänzender Vorgang.
Das persönliche und wirtschaftliche Wohl der Siedler hing
zudem sehr davon ab, ob private Grundherren (ungarische und deutsche Adelige) oder der Kaiser (Kameralherrschaft) die Siedlungstätigkeit betrieben.
So reichten die Formen der Abhängigkeit von einer annähernden Leibeigenschaft bis hin zur »persönlichen Freiheit« im Rahmen der kaiserlichen Grundherrschaft.
Aus dem Zuzug von Menschen sind drei Phasen besonders hervorzuheben (drei große »Schwabenzüge«:
1722–1727, 1763–1773, 1782–1787), in denen Menschen
meist aus Süddeutschland (ein Drittel war fränkischer,
pfälzischer, ein Drittel bayerischer, österreichischer, sudetendeutscher und ein Viertel schwäbischer, elsässischer,
24
Aufteilung der östlichen Donaumonarchie und Dreiteilung
der Donauschwaben
Städte und Gemeinden mit 2000 und mehr Donauschwaben
»lnsellandschaft«
Skizze: Jakob Huff
Donauschwäbische Siedlungsgebiete
I.
Bergland im Donauknie
II. Schwäbische Türkei
III. Syrmien-Slawonien-Kroatien
IV. Batschka
V. Banat
VI. Sathmar-Theißgebiet
badensischer Herkunft) oft angeworben und in großer Zahl
planmäßig, mit einer Erstausstattung für Hof und Feld versehen, angesiedelt wurden.
Der relativ starke Bevölkerungsdruck in südwestdeutschen Gebieten ließ viele Menschen daran denken, als
Kolonisten die Chance wahrzunehmen, ihre wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu verbessern, mit der
Aussicht, als freie Bauern in Erbpacht die zurückgebliebenen Ge-biete erschließen zu können. Obwohl sich die
Siedler i.d.R. verpflichten mussten, fünf bzw. sieben Freijahre und weitere fünf Jahre unter Entrichtung von Zehnt
und Neunt sesshaft zu bleiben, verlieren sich die Spuren
der meisten ersten Siedler der ländlichen Gebiete. Harte
Arbeit, ein früher Tod, Seuchen und die Hoffnung auf ein
leichteres Leben an einem anderen Ort waren die Hauptgründe dafür.
Doch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Ansiedlung der Menschen in diesen Gebieten allmählich
zu einer Erfolgsgeschichte für sie persönlich und vornehmlich für Ungarn, das von der entstehenden Kornkammer vor allem wirtschaftlich profitierte. Die Siedlungen mit überwiegend deutscher Bevölkerung bildeten
ein Archipel in einer zunehmend von Nationalismus geprägten Umwelt. Dieser Herausforderung konnte 1848
und danach noch mit Mühe begegnet werden. Die Donauschwaben entwickelten in dieser Zeit ihre unverkennbare kulturelle Eigenart mit vielfältigen lokalen und regionalen Ausprägungen hinsichtlich Dialekt, Brauchtum, reli-
giöser Verankerung im Rahmen dessen, was politisch
möglich war.
Revolution und Nationalismus
In ihrem Selbstverständnis empfanden sich die Donauschwaben zunehmend als Verteidiger ihrer kulturellen Eigenart und ihrer wirtschaftlichen Erfolge. Es ging ihnen um
Freiheit, um Recht und Ordnung in Stadt und Land; nationale Forderungen kamen ihnen in ihrer Streulage erst gar
nicht in den Sinn, obwohl sie sich diesen andauernd ausgesetzt sahen. Die Niederschlagung der Revolution von
1848 und die reaktionäre Zeit danach brachte für die politisch macht- und sorglosen Donauschwaben eher günstige
Entwicklungsmöglichkeiten. Mit der Schwächung der Donaumonarchie und dem Ausgleich mit Ungarn 1867 kamen
sie unter den Druck der Magyarisierung, dem im Laufe der
Zeit vor allem viele deutsche Stadtbewohner nachgaben.
Die Donauschwaben waren mehrheitlich ein konservatives und eher unpolitisches Bauernvolk, das sich, anders
als die Siebenbürger Sachsen, erst viel später organisierte, um in den entstehenden Nationalstaaten als Minderheiten überdauern zu können. So wurden beispielsweise
1906 die Ungarländische Deutsche Volkspartei und 1920
der Schwäbisch-Deutsche Kulturbund in Jugoslawien gegründet sowie nach der Jahrhundertwende ein Presseund Genossenschaftswesen entwickelt.
25
Auswanderung und Erster Weltkrieg
Die Magyarisierung und die gestiegene Bevölkerungszahl brachten vor dem Ersten Weltkrieg rund 150 000
Donauschwaben dazu vor allem nach Nordamerika auszuwandern. Mit ihren Nachkömmlingen und den Auswanderern nach 1945 bilden sie heute etwa ein Drittel aller
Menschen mit einem donauschwäbischen Hintergrund. Im
Ersten Weltkrieg dienten die schwäbischen Soldaten im
k.u.k. Heer und bei der ungarischen Landwehr. Er brachte
das Ende des habsburgischen Vielvölkerstaates und die
Aufteilung des donauschwäbischen Siedlungsgebietes
unter den neuen Vaterländern Ungarn, Jugoslawien und
Rumänien. Andererseits wurde aber der Existenz dieser
deutschen Volksgruppe und ihren Problemen (Minderheitenschutz) national (in Deutschland) und international
(im Völkerbund) eine gewisse Beachtung geschenkt. Die
Entwicklung des Schulwesens und die kulturelle Arbeit im
Allgemeinen verstärkten das donauschwäbische Element
und das Selbstbewusstsein der Menschen.
Das »Reich« und die Donauschwaben
Das Mutterland Deutschland erstarkte als mögliche neue
Hilfs- und Schutzmacht zusehends. Und sehr bald wurden auch die volksdeutschen Menschen und ihre Einrichtungen zu nationalsozialistischen Zwecken gebraucht und
dann auch missbraucht. Nicht alle waren mit dieser Einmischung einverstanden, auch nicht mit Hitlers Umsiedlungsplänen. Doch ein Bauernvolk, das Recht und Ordnung liebt, gehorcht. Und so gerieten die Donauschwaben endgültig zwischen die Mahlsteine von Rassismus, Ideologie und Machtpolitik. Nur wenige wollten
oder konnten widerstehen und die oft mühsam behauptete Heimat und Eigenständigkeit halten. Das Ende war für
viele Donauschwaben tragisch. Es folgten: Evakuierung,
Zwangsverschleppung – auch in die UdSSR –, Entrechtung, Enteignung, Vertreibung, Internierung und Ermordung in Arbeitslagern.
Bei der Frage nach Schuld und Verantwortung darf nicht
vergessen werden, dass Hitler und die Nazis die Schleusen für die Flut geöffnet haben, in der die »Inselwelt« der
Donauschwaben letztlich unterging. Der einzelne geschädigte Mensch empfand jedes Leid, gleich ob es ihm nun im
Namen des Rassismus, einer Ideologie, einer »ethnischen«
Säuberung oder infolge persönlicher Rache zugefügt wurde, wenn er es denn physisch überlebte, als Unrecht.
zusammen nicht ganz die Hälfte von rund 1,5 Millionen
Menschen. Die meisten haben sich durch persönliches
Bemühen und auch mit Hilfe des Lastenausgleiches zumindest äußerlich schnell integriert. Sie leisteten ihren
Beitrag zum Wiederaufbau Deutschlands. Viele der älteren Heimatvertriebenen müssen mit dem Trauma der Entwurzelung leben.
Eine große Zahl Donauschwaben hat in der»alten« Heimat
nicht nur die neue Heimat gefunden, sondern versucht
auch, durch nationale Institutionen und Organisationen
und durch internationale Kontakte ihr kulturelles Erbe zu
bewahren. Dies ist einerseits eine historische Notwendigkeit, wird aber künftig immer schwieriger aufrechtzuerhalten und umzusetzen sein.
Literaturhinweise
Innenministerium Baden-Württemberg (Hg.): Die Donauschwaben, Deutsche Siedlung in Südosteuropa. Sigmaringen 1987
Annemarie Roeder: Deutsche, Schwaben, Donauschwaben.
Marburg 1998
Ingomar Senz: Die Geschichte der Donauschwaben. 2. Auflage,
München 1994
Die neue Heimat
Nach 1945 waren neben den Donauschwaben in aller
Welt besonders die katholische und evangelische Kirche,
das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen bemüht,
die materielle und seelische Not zu lindern. Heute leben
die Donauschwaben in der Zerstreuung, auch wenn sich
in manchen Ländern Siedlungsschwerpunkte feststellen
lassen: In Nord- und Südamerika, Australien, in Ungarn
(noch rund 270 000 – hier waren die Vertreibungsmaßnahmen nicht so umfangreich und brutal wie in anderen osteuropäischen Ländern), in Österreich und Deutschland
Donauschwaben-Denkmal in Ulm
Foto: Jakob Huff
26
6. Linz und Mauthausen:
Repräsentationsarchitektur
und Menschenvernichtung
a) Linz: die »Heimatstadt« Adolf Hitlers
Von Erika und Helmuth Kern
Berlin lag längst in Trümmern,
aber noch im Bunker unter der Reichskanzlei
saß er immer wieder vor den Linzer Modellbauten,
seinem Lieblingsprojekt.
Peter Reichel: Der Schöne Schein des Dritten Reiches
Seit 1939 gehörte Linz zu den fünf »Führerstädten«, die
zum Vorbild künftiger nationalsozialistischer Architektur
umgestaltet werden sollten. Die »Jugendstadt des Führers« sollte zum »europäischen Kunstzentrum« werden,
Wien, die »Phäakenstadt«1, damit übertrumpfend. Gewaltige Kriegsgewinne waren zur Finanzierung des »deutschen
Budapest« vorgesehen. Schon während des Krieges sollte
massenhafter Kunstraub in den besetzten Gebieten die
Südlicher Abschnitt mit
Ausschnitt Donauuferbebauung, verbreiterter
Landstraße und linker
Achse. Plan der Neugestaltung (April 1944).
Ausstattung des »Führermuseums« sicherstellen. Aus den
Granitsteinbrüchen des nahe gelegenen Mauthausen (siehe 6.b)), aus denen vor 1938 die meisten in Wien verarbeiteten Pflastersteine stammten, wurde das Baumaterial für
»Hitropolis«2 unter unvorstellbaren Leiden gebrochen.
1945 waren die Vorstellungen der Neugestaltung von Linz
jäh zu Ende, was blieb, waren Modelle und Pläne.
Zwei repräsentative Stadtzentren sollten das neugestaltete Linz bestimmen: am Donauufer ein monumentales über
zwei Kilometer sich erstreckendes Verwaltungsforum, um
die Macht des Staates zu repräsentieren: Partei, Wehrmacht, Wissenschaft, Freizeit. Südlich an die Innenstadt
anschließend, zwischen der Blumau und dem Niernharter
Rücken, die neue »Kunstmetropole« Linz, in der typischen
Achsenplanung nationalsozialistischer Großprojekte. Die
ehemalige »Landstraße« sollte auf 36 m verbreitert werden und die beiden Zentren miteinander verbinden. Sie
sollte damit zur Hauptverkehrsachse werden, östlich dazu
verliefen parallel zwei zusätzliche Ringstraßen. Alle drei
Hauptverkehrsachsen sollten über drei neu zu gestaltende Stadtbrücken nach Urfahr verlaufen. Am diesseitigen
Donauufer waren die über 450 m langen Gauanlagen geplant, mit einer Gaufesthalle für 35 000 Besucher. Die Anlage sollte einen Aufmarschplatz für 100 000 Menschen
umschließen, das Ganze sollte ein 167 m hoher Glockenturm (mit dem Grabmal der Eltern Hitlers) überragen, der
Donauturm, höher als der Stephansdom (137 m).
Modell der Uferbebauung, Blick nach Urfahr: Im Hintergrund
(v.l.n.r.) Stadthaus mit Hochhaus für Kreisleitung, Gauanlage mit
Donauturm und Gauhalle, Ausstellungsgelände. Vorne: Basar,
KdF-Hotel, Stahlhängebrücke, Verwaltungsgebäude der Herman-Göring-Werke, Technische Hochschule.
Das Modell der Uferbebauung; rechtes Ufer: Hitlers Alterssitz,
Brückenkopfgebäude, Nibelungenbrücke, Hotel Donauhof, Basar, KdF-Hotel, Stahlhängebrücke. Linkes Ufer: Rathausanlage
mit Stadthaus, Hochhaus für Kreisleitung und Kepplerdenkmal.
Nibelungenbrücke, Gauanlage mit Donauturm (jeweils v.l.n.r.)
27
Auf dem Spatzenberg über Urfahr sollte die Adolf-HitlerSchule, eine nationalsozialistische Erziehungsanstalt (NAPOLA), stehen3. Hermann Giesler (1898–1987), zuletzt freischaffender Architekt in Düsseldorf, wurde 1940 von
Hitler mit der Neugestaltung von Linz beauftragt. Seit 1924
bereits aktives Mitglied der nationalsozialistischenBewegung, hatte er die Ordensburg in Sonthofen geplant, war
1937 zum Professor und stellvertretenden Leiter der Bauabteilung der DAF und 1939 zum Generalbaurat der
»Hauptstadt der Bewegung« ernannt worden. 1944/45 wurde er Leiter der »OT-Einsatzgruppe Deutschland VI« (Organisation Todt), zuständig für Bayern und die Donau-Gaue,
und Generalbevollmächtigter für das dortige Bauwesen.4
Neugestaltung von Linz – Linzer Achse mit Opernplatz, Prachtstraße »In den Lauben« und Verkehrsplatz. Im Vordergrund links
das Kunstmuseum
Linz sollte die schönste Donaumetropole werden. Hitler
entwarf Teile der Donauuferbebauung, auch die Linzer
Achse mit ihrer 60 m breiten Prachtstraße »In den Lauben« war nach seinen Wünschen und Skizzen geplant. An
deren nördlichem Ende sollte im Osten das »Führermuseum« stehen, gedacht als Gegenstück zu den Uffizien in
Florenz. Der »Sonderauftrag Linz« diente zur Beschaffung
von Kunstwerken, die den Grundstock für eine der größten Kunstgalerien der Welt bilden sollte, Schwerpunkt der
Sammlung: die so genannte »germanische Klassik«. Dafür
wurde im besetzten Europa hemmungslos beschlagnahmt und geplündert, meist waren es Werke aus jüdischem Besitz. Die am stärksten vom Kunstraub betroffenen Staaten waren Polen und Frankreich und ab September 1943 ltalien. ln den besetzten Zonen im Westen, in
Frankreich, Belgien und Holland, wurde nichtjüdischen
Besitzern gegenüber der Schein des legalen Kaufs gewahrt, im Osten wurde einfach requiriert.
Am 26. Juni 1939 erließ Hitler den »Sonderauftrag Linz«,
der Linz zur Hauptstadt der Künste machen sollte.
Kunst-Einkäufer war Hans Posse, ein ehemaliger Dresdner Museumsdirektor, nach seinem Tod 1942 H. Voss. Zunehmend gewann dann allerdings der »Fotograf des Füh-
Ostansicht des Kunstmuseums am Opernplatz
rers«, Heinrich Hoffmann, als Kunstberater Hitlers an EinfIuss, bis zuletzt Martin Bormann 1944 alleiniger Berater in
Sachen Kunst für Linz wurde.
In den Luftschutzräumen unter dem Münchner »Führerbau« wurden zunächst die Kunstwerke deponiert, als
dann der Platz nicht mehr ausreichte, wurde SchIoss
Neuschwanstein zusätzlich belegt. 1944, nach der alliierten Invasion in Frankreich, wurden die gehorteten Kunstschätze nach Alt-Aussee (Bayern) gebracht. Nach Kriegsende entdeckten die Alliierten im dortigen Salzbergwerk
10 000 Gemälde, die Hälfte davon alte Meister. Infamer
Zug der Aktion: SolIte der Feind siegen, mussten die Werke allesamt vernichtet werden. Der Plan wurde nicht ausgeführt. Viele Kunstwerke sind jedoch bis heute verschwunden.6
Neben der Linzer Gemäldegalerie, dem »Führermuseum«,
sollten noch ein »Pantheon der Bildhauerkunst« sowie eine
Sammlung für Kunsthandwerk und Münzen entstehen. In
der der Gemäldegalerie gegenüber liegenden Bibliothek
sollten eine Million Bände Platz finden, als Gegenstück zur
Wiener Urania gedacht. Und was in Bayreuth Wagner war,
das sollte für Linz der von Hitler ebenfalls geschätzte Linzer
Komponist Anton Bruckner werden: In der Brucknerhalle
mit Brucknerorchester und Brucknerchor sollten die jährlichen Festspiele zelebriert werden. Dazu Schauspielhaus,
Operettenhaus, Künstlerhaus und Freiluftausstellungsgelände bis hin zu einem Uraufführungskino der Ufa – sie sollten nationalsozialistisch geprägte Kunst und Kultur auf
dem »idealsten Bummel der Welt« erleben lassen.
Mitte Februar 1945 war das Modell fertig gestellt und
Giesler übergab es Hitler in der Berliner Reichskanzlei,
dort wurde es allen Besuchern gezeigt. Das Linzer Modell
scheint für Hitler in den letzten Wochen vor seinem
Selbstmord zum Linz-Traum geworden zu sein, zum Ort
der Flucht.7
Anmerkungen/Literaturhinweise
1
2
3
4
5
6
7
Bezeichnung Hitlers für Wien, das er verachtete. Die Phäaken
waren in der »Odyssee« ein Seefahrervolk, das Odysseus half
nach Ithaka zu kommen.
lngo Sarlay: Hitropolis, in: Bazon Brock, Achim Preiß: Kunst
auf Befehl?, Klinkhardt & Biermann, München, 1990, S. 187
(Alle Bilder sind diesem Buch entnommen.)
Ingo Sarlay: Hitropolis, S. 187–199
CaroIine Schönemann: 50 Biographien, in: 1945 Krieg-Zerstörung-Aufbau: Architektur und Stadtplanung 1940–1960:
Schriftenreihe der Akademie der Künste, Henschel Verlag,
Berlin, 1995, S. 367
Ingo Sarlay: Hitropolis, S. 188
lngo Sarlay: Hitropolis, S. 195
Reinhard Merker: Die bildenden Künste im Nationalsozialismus, DuMont Köln, 1983, S. 177
Alle Abbildungen: Stadtbauamt Linz
28
Das Konzentrationslager Mauthausen war ein ganzer
Komplex bestehend aus einem Haupt- und 62 Nebenlagern und Außenkommandos, der offiziell am 8. August
1938 eröffnet wurde. Nach der Annexion Österreichs verkündete am 28. März 1938 Gauleiter August Eigruber,
»wegen seiner Verdienste [!] um den Nationalsozialismus
werde Oberösterreich ein Konzentrationslager bekommen«1, und er kündigte an, dass darin alle Gegner und
»Verräter« eingesperrt würden.
Bereits am 7. April 1938 wurde der Linzer Stadtverwaltung
mitgeteilt, »dass in Mauthausen ein staatliches Konzentrationslager für 3000 bis 5000 Leute errichtet werden soll.«2
Am 16. Mai 1938 nahm dann die SS mit 30 Zivilarbeitern
die Produktion in den Steinbrüchen auf und am 26. August
trafen die ersten 600 Häftlinge, zumeist Kriminelle, aus
Dachau in Mauthausen ein. Mit weiteren 480 Häftlingen,
die bis November aus Sachsenhausen kamen, errichteten
sie bis 1939 im späteren Hauptlager 19 Baracken, in denen auf je 52,6 m x 8,2 m 300 Häftlinge »leben« sollten,
dazu die Versorgungsgebäude und die SS-Unterkünfte.
Die Steine mussten sie unter lebensgefährlichen Bedingungen aus dem nahe gelegenen Steinbruch über »eine
unebene Stiege mit 186 Stufen heraufschleppen«.3
Ab Mai 1939 wurden die ersten politischen Häftlinge nach
Mauthausen gebracht; »das Lager für weibliche Häftlinge
wurde am 5. Oktober 1943 eingerichtet.«4 Erster Kommandant des Lagers wurde SS-Sturmbannführer Franz Ziereis.
Die SS hatte sich für das Lager Mauthausen wegen des
abbauwürdigen Granits entschieden. Bereits im Juni 1938
verhandelte der »Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt« Albert Speer über die Lieferung von Baumaterial für einen Zeitraum von zehn Jahren. »Millionen von
Quadern, Gehsteigkanten, Grundbausteinen, Treppenstufen, Granitsockel [...], viele Tausende Waggonladungen
von Pflastersteinen und Granitwürfeln wurden in den Jahren 1938 bis Herbst 1943 in Mauthausen und den Gusener
Steinbrüchen [unter ständiger Lebensgefahr] erzeugt.«5
Todesstiege Sommer 1941
Todesstiege heute
b) Das Konzentrationslager
Mauthausen
Von Wolf-Rüdiger Größl
Aus: Katalog Mauthausen
Foto: Wolf-Rüdiger Größl
Ihre heute gleichmäßig und normal hohen Stufen waren zur Zeit des Konzentrationslagers willkürlich aneinandergereihte, ungleich große
Felsbrocken der verschiedensten Formen. Die oft einen halben Meter hohen Felsbrocken erforderten beim Steigen größte Kraftanstrengung. Die SS vergnügte sich unter anderem damit, die letzten Reihen der abwärts gehenden Kolonne durch Fußtritte und Kolbenhiebe
zum Ausgleiten zu bringen, so dass sie im Sturze, ihre Vordermänner mitreißend, in einem wüsten Haufen die Stufen hinunterkollerten. Am
Ende eines Arbeitstages, wenn der Aufmarsch ins Lager mit einem Stein auf der Schulter begann, trieben die den Abschluss bildenden
SS-Leute Nachzügler mit Schlägen und Tritten an. Wer nicht mitkonnte, endete auf dieser Todesstiege.
(Text der Gedenktafel)
29
Ab 1941/42 entschloss sich dann Himmler, auch das Lager Mauthausen für den verstärkten Rüstungsbedarf
nutzbar zu machen, weil Österreich wegen seiner damals
noch luftgeschützten Lage zum Schwerpunkt der deutschen Rüstung gemacht wurde (Steyr, Linz, Wels, St. Valentin). Dennoch waren 1942 erst etwa acht Prozent der
Häftlinge im Rüstungsbereich tätig. Pläne, die im Zusammenhang mit der »Neugestaltung der Gauhauptstadt
Linz« zu einer Großziegelei in einem Außenlager bei Bachmanning in Oberösterreich führen sollten, wurden 1942
auf Anordnung Speers eingestellt. 1943 schufteten von
den rund 12 000 Häftlingen 8000 in den Steinbrüchen,
4000 in den verschiedensten Werkstätten des Lagerkomplexes.
Mauthausen unterschied sich von allen anderen Konzentrationslagern: Es war das einzige Lager der Stufe III. 1941
war in einem Erlass Reinhard Heydrichs, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, eine Klassifizierung der bestehenden Lager vorgenommen worden. Heydrich hatte darin Folgendes bestimmt6: Für »alle wenig belasteten und
bedingt besserungsfähigen Schutzhäftlinge, außerdem
für Sonderfälle und Einzelhaft« die Lagerstufe I (Dachau,
Sachsenhausen, Auschwitz-Stammlager); »für besonders
schonungsbedürftige, ältere, kaum arbeitsfähige Häftlinge« sowie für prominente Häftlinge die Lagerstufe Ia im
Lager Dachau; »schwer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge« Lagerstufe II (Buchenwald, Flossenbürg, Neuengamme, Auschwitz
II Birkenau, das dann aber Vernichtungslager wurde); »für
schwerbelastete, unverbesserliche auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, d.h. kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge« die Lagerstufe III (Mauthausen und
Unterkunft Gusen).
»Als einziges Konzentrationslager im gesamten Reichsgebiet blieb dieses Lager das, was es vorher war: eine Liquidationsstätte ohne Gerichtsurteil für politische Gegner! So
z. B. sind bei einem durchschnittlichen Gesamtstand von
etwa 10 000 Häftlingen im Jahre 1942 im KL [Mauthausen] etwa 13 000 Neuzugänge registriert worden und im
gleichen Zeitraum wurden 14 293 Gefangene als ›verstorben‹ gemeldet. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres 1943 sind im KLM mindestens 5147 Tote registriert
worden!«7 Ab Frühjahr 1943 begann auf Forderung Speers
der verstärkte Einsatz für die Kriegswirtschaft – hauptsächlich in den Nebenlagern – und aus Mauthausen wurde ein »Lagernetz« mit Zehntausenden von Arbeitssklaven aus ganz Europa.
Auch in Mauthausen missbrauchten die SS-Ärzte viele
hundert Häftlinge für Menschen verachtende, pseudowissenschaftliche Versuche; alle Opfer wurden dabei getötet.8 Zahlreiche Häftlinge wurden von der Gestapo mit
dem Vermerk »Rückkehr unerwünscht« (RU) eingeliefert;
ihnen und vielen Kranken wurde eine »Sonderbehandlung« zuteil. Entweder wurden sie »auf der Flucht« erschossen oder mittels Herzinjektionen ermordet. Hunderte von Häftlingen wurden v. a. im Winter bis zu 30 Minuten
lang mit eiskaltem Wasser abgespritzt, so dass sie einem
Herzschlag erlagen, andere wurden erschlagen, Hunderte
wurden vergast und in einem der drei Krematorien verbrannt; so wurden mehr als 27 500 Menschen ermordet.
Ein besonders dunkles Kapitel ist die so genannte »Mühlviertler Hasenjagd« im Februar 1945. Am 2. 2. 1945 bra-
chen etwa 570 sowjetische Kriegsgefangene aus dem Lager aus. Sie gehörten zu den so genannten »K-Gefangenen«, die auf Grund eines Erlasses des OKW vom 2. 3.
1944 (»Keitel-Verordnung«) erschossen werden sollten.
An der Fahndung nach den Flüchtlingen beteiligten sich
alle Behörden und Dienststellen von Partei und Wehrmacht, aber auch die Bevölkerung und v. a. die Hitlerjugend, so dass eine regelrechte Treibjagd, »Hasenjagd«
genannt, einsetzte, in deren Verlauf bis auf vielleicht 17
Häftlinge, die entkommen konnten, alle Flüchtlinge getötet wurden.9
Als die Amerikaner am 5. Mai 1945 das KL Mauthausen
befreiten, fanden sie ungefähr 30 000 Frauen und Männer
in einem erbärmlichen Zustand vor. Bis dahin hatten wohl
113 575 Menschen in Mauthausen und seinen Nebenlagern den Tod gefunden.10
Mauthausen mit seinen Außenstellen war ein Sklavenbetrieb und zugleich ein Vernichtungslager und »wer heute
durch das sanfte Donautal des oberösterreichischen
Mühlviertels fährt, kann sich nicht vorstellen, dass hier in
den Jahren 1938 bis 1945 massenweise Menschen in die
Postenkette getrieben ›auf der Flucht‹ erschossen, Verfolgte über die steilen Hänge der Granitsteinbrüche hinuntergestürzt oder in den Gaskammern vergiftet wurden,
dass die Krematorien-Anlagen in Mauthausen, Gusen,
Ebensee, Melk und Schloss Hartheim Tag und Nacht
brannten«, schreibt ein ehemaliger Gefangener des Lagers.11 Schloss Hartheim war zudem unter Franz Stangl,
dem späteren Kommandanten des Vernichtungslagers
Treblinka, ein Zentrum des »Euthanasie-Programms«,
sein Personal wurde später dem KL Mauthausen unterstellt.
Heute mahnen die Wachtürme oberhalb der Ortschaft
Mauthausen als steinerne Reste, sich der Vergangenheit
stets zu erinnern, damit solche Verbrechen gegen die
Menschlichkeit nie wieder begangen werden.
Anmerkungen / Literaturhinweise
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Klaus Drobisch / Günther Wieland: System der NS Konzentrationslager 1933–1939, Akademie Verlag, Berlin 1993,
S. 272
Zit. in: ebenda, S. 274
Ebenda S. 274
Gudrun Schwarz: Die nationalsozialistischen Lager,
Frankfurt 1996, S. 207
Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers
Mauthausen. Dokumentation, Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen, Wien 1974, S. 6
Das Folgende nach H. Maršálek, Mauthausen, S. 22
Ebenda, S. 9
Vgl. dazu: H. Maršálek, Mauthausen, S. 142–144
Eine genaue Angabe ist nicht möglich, da die »K-Häftlinge«
ohne Häftlingsnummer waren
Vgl. G. Schwarz, System, S. 208 und H. Maršálek, Mauthausen, S. 115–119
H. Maršálek, Mauthausen, S. IX
30
Kunst- und Literaturlandschaften
IV. An der Donau: Kunst- und Literaturlandschaften
Stift MeIk: Stiftsbibliothek
Foto: Katalog der Jübiläumsausstellung 1989, S. 279
Stift MeIk (1701–1739)
Foto: Österreich Information, Taufkirchen
1. Inszenierte Geschichte
Der Bauherr Berthold Dietmayr (1670–1739), seit 1700 Abt in
Melk. Zahlreiche Ämter: Dekan der theologischen Fakultät, Rektor der Universität Wien, Mitglied im ständigen Ausschuss des
Landtags. 1728 kaiserliche Ernennung zum Wirklichen Geheimrat. Unter ihm wirtschaftliche, künstlerische, wissenschaftliche
Blütezeit des Stifts.
Europäisches barockes Lebensgefühl. Bezugspunkte glanzvoller repräsentativer Selbstdarstellung: Kaiserhaus, Papsttum
und Wissenschaften – Kaisersaal, Kirche und Bibliothek. Monumentale Deckenmalerei als zentrale Aufgabe der Kunst. Schein
und Wirklichkeit fließen ineinander. Lehrstücke von monumentalen Ausmaßen überhöhen die jeweilige Funktion der Räume: z. B.
der große Bibliothekssaal: In Wolken triumphiert die göttliche
Weisheit, umgeben von den vier Kardinaltugenden, über den Personifikationen der Wissenschaften und Künste.
Von Erika und Helmuth Kern
»Wie ein Torwächter steht am Eingang zur Wachau das Benediktiner-Stift Melk. Auf einer 50 m hohen Felsnase über der Donau erhebt sich die palastartige Anlage, deren Schauseite, die Westfront,
dem Strom zugewandt ist. Die über 300 m lange Südfront wird überragt von der mächtigen Kuppel und dem Turmpaar der Stiftskirche.
Das Meisterwerk Josef Prandtauers ist eine der glanzvollsten
Schöpfungen europäischen Barocks.« (Günter Treffet: Das Zeitalter
des Barock. Edition Christina Brandstätter. Wien. 1990. S. 18)
Das Klostermuseum. Schatzhaus sakraler Kunst: Reliquien,
Kunsthandwerk
Mythos Melk, als »der zentrale Ort des frühen Österreich«:
Grenzburg der Ungarn. 975 vom ersten Markgrafen Leopold I. erobert. Hauptburg. Kanonikerstift und Begräbnisstätte der Babenberger bis Anfang des 12. Jahrhunderts.
Besucher von Melk: Jährlich 400 000–450 000! Unterschiedliche
Beweggründe: Aussichtspunkt. Glaube. Kunst. Wissenschaft.
Benediktinerkloster seit 1089 ohne Unterbrechung. Seit 1122
direkt dem Papst unterstellt, bistumsunabhängig. Heute 36 Mönche.
1998: sensationeller Fund: im Falz einer mittelalterlichen Handschrift Entdeckung von weiteren Fragmenten des Nibelungenlieds
Die Bibliothek umfasst in zwölf Räumen etwa 100 000 Bände:
davon sind 1 800 Handschriften – vom frühen 9. Jahrhundert an
(Beda Venerabilis) und 750 Inkunabeln (Frühdrucke bis 1500), in
gesondertem Raum verwahrt: 1700 Werke des 16. Jahrhunderts,
4500 des 17. Jahrhunderts, 18 000 des 18. Jahrhunderts, thematisch geordnet. Im großen Bibliotheksraum allein über 16 000
Bände: Bibelausgaben, Theologie, Jurisprudenz, Erd- und Himmelskunde, Geschichte, barocke Lexika. In den anderen Räumen
Literatur. Altphilologie, Naturwissenschaften.
Grab des Hl. Koloman seit 1014. Jerusalempilger, der Spionage
für die Ungarn verdächtigt. 1012 in Stockerau bei Wien gehängt:
Wunder nach seinem Tode machten ihn berühmt, nach Melk gebracht und begraben wurde er Landesheiliger. Der Legende nach
durch ihn Beendigung der Türkenkriege.
Das Stiftsgymnasium: Im 14. Jahrhundert Unterricht für »weltliche« Schüler, als Gegenleistung für Singen beim Gottesdienst.
1778 öffentliches Gymnasium. 1938 Schließung durch NS-Regime. 1945 Wiedereröffnung als humanistisches Gymnasium (161
Schüler), 1967 Einführung der Koedukation und des neusprachlichen Zweigs. 1976 Einführung des Oberstufenrealgymnasiums
mit Instrumentalmusik. Differenziertes Angebot in vier Zweigen:
gymnasiale Oberstufe: humanistisch, neusprachlich und Oberstufenrealgymnasium: musisch und realistisch (Biologie, Umweltkunde, Physik, Chemie). Sprachenbetont: Englisch (Kl. 1). Latein
(Kl. 3); Wahl des Oberstufenzweigs zu Beginn der Klasse 5, ab
Klasse 6 Wahlpflichtfächer wie Italienisch, Spanisch, Russisch.
Abschluss in Klasse 8 mit Reifeprüfung. Schulträger ist der jeweilige Abt. Staatlich anerkannte private Schule mit einem Schulgeld
von ÖS 700,- pro Monat, Ermäßigung für sozial benachteiligte
Schüler (Stand 1998).
31
Walhalla: Griechenland an der Donau (1830–1842)
Für »rühmlichst ausgezeichnete Teutsche«. Plan Ludwigs I.
von Bayern (1786–1868) als Ehrentempel ab 1807. Im Innern: der
Bauherr in römischer Toga, Sitzfigur, überlebensgroß, idealisiert,
nachdenkliche Pose: aufgestellt am 104. Geburtstag des Königs
(1890) aus dem besten Marmor Italiens, aus Carrara.
Innen im umlaufenden Relieffries Illustration folgender Geschichtstheorie: Einwanderung vom Kaukasus her, Querung des
Ister, Kämpfe mit den einheimischen wilden Tieren.
Schilderung von Kultur, Kunst und Politik der »Germanen«, Einfall
in Italien, Völkerschlacht von Adrianopel (Edirne, 378) – Sieg der
germanischen Volksstämme, Eroberung Roms und Bekehrung
zum Christentum durch Bonifatius (auf Gedenktafel).
Einweihung am 18. Oktober 1842, dem 29. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig. Architekt: Hofbaumeister Leo von Klenze,
der München klassizistisch gestaltete.
Heute sind 126 Bildnisbüsten aufgestellt; zuletzt kamen die
Gründerin des Ordens der Armen Schulschwestern, Maria Theresia Gerhartinger (1797–1879), zum 50-jährigen Bestehen der
Bundesrepublik Deutschland Konrad Adenauer und dann Johannes Brahms hinzu: Beschluss der Bayerischen Staatsregierung,
heute für Walhalla zuständig.
Der Name: Vorschlag von Johannes von Müller, Schweizer Historiker im Dienste Preußens. Der Name erinnert an das Elysium
des Nordens: Gefilde der Seligen und Ort der Unsterblichkeit.
Bereits während der Bauzeit (18. Oktober 1830 bis 18. Oktober
1842) touristischer Magnet, über den man in England, Frankreich
und Spanien schreibt. Heute zählt man jährlich mehr als 200 000
Besucher internationaler Herkunft.
Die Lage: freie Natur in Anlehnung an den englischen Garten,
Sinnbild freiheitlicher Gesinnung. Hoch über der Donau, die
nach romantischer Vorstellung zum gemeinsamen Ursprung aller
germanischen Völker in Zentralasien fließt: von dort seien diese donauaufwärts gezogen. Vertreter dieser Theorie: Friedrich
Schlegel, Johannes von Müller und Joseph Görres. Von Müller,
der den König in Auswahl der Walhallarepräsentanten beriet,
Fotos: E. + H. Kern
wurde 1808 vom Bildhauer Schadow für die Walhalla in Marmor
porträtiert. Görres dagegen bekam erst 1931 Walhallaehren,
Schlegel gar nicht.
Vorbild für die äußere Form ist der Parthenon. Das Innere ist
christlichem Kirchenbau entlehnt.
Ludwig I. am 18. Oktober 1842: »Möchte Walhalla förderlich
sein der Erstarkung und Vermehrung Deutschen Sinnes! Möchten alle Deutschen, welchen Stammes sie auch seien, immer fühlen, dass sie ein gemeinsames Vaterland haben, ein Vaterland,
auf das sie stolz sein können: und jeder trage bei, soviel er vermag, zu dessen Verherrlichung.«
Seit 1945 kamen ins deutsche Pantheon: Max Reger (1948),
Adalbert Stifter (1954) und Joseph Freiherr von Eichendorff
(1957). Wilhelm Conrad Röntgen (1959), Max von Pettenkofer
(1962), die »erste deutsche Unternehmerpersönlichkeit« Jakob
Fugger (1967), Jean Paul (1973) und Richard Strauß, Carl Maria
von Weber (1978), Gregor Johann Mendel (1983) und Albert Einstein (1990).
Bei der Eröffnung sind 96 Büsten aufgestellt und 64 Namenstafeln angebracht. Maßstab für die Auswahl: »teutsche Zunge« und bedeutende Leistung in Politik, Künsten und Wissenschaften in Friedens- und Kriegszeiten. Einendes Band ist die
germanische Sprachfamilie, einbezogen auch Schweizer, Niederländer, Briten, Schweden, Balten. Sie sollen als Vorbilder wirksam sein.
Kunst als Erzieherin des Volkes – Walhalla als Gedenkmuseum. Aufklärung – Grundsatz der Gleichheit: »Kein Stand ist
ausgeschlossen, auch das weibliche Geschlecht nicht«, so Ludwig I. in »Walhallas Genossen« zur Einweihung. Deswegen auch
Gleichheit in Größe, Stil und Material der Bildnisbüsten.
»Bei Regensburg läßt er erbaun/ Eine marmorne Schädelstätte,/Und er hat höchstselbst für jeden Kopf/ Verfertigt die Etikette//
Walhallagenosse, ein Meisterwerk./ Worin er jedweden Mannes/
Verdienste, Charakter und Taten gerühmt,/von Teut bis Schinderhannes, spottete Heinrich Heine. Im Pantheon sucht man ihn
vergeblich.
32
2. Mit Dichtern die Donau
hinunter
Von Heinrich Bock · Textauswahl: D. Rolbetzki
Donaueschingen: »von wo an die Sache
Donau genannt wird« (Péter Esterházy)
»Dort saß ich dann und blickte auf das Wasser, wie es sich
mischte, ... dies ist das der Breg, dies ist sicherlich das
der Brigach, und dort!, das dort ist schon die Donau. ...
Ab und zu warf ich Blätter ins Wasser und brachte meine
Hoffnung zum Ausdruck, dass sie nun bis ins Schwarze
Meer schwimmen würden.«
Péter Esterházy: Donau abwärts, 2. Auflage Salzburg/
Wien 1993, S. 30
Péter Esterházy, geboren 1950 in Budapest, gilt als »Enfant terrible der ungarischen Literaturszene« (Rolf Scheller). Sein Roman »Donau abwärts« (1991) schildert eine
turbulente Donaureise.
Am Zusammenfluss von Brigach und Breg
Foto: Dietrich Rolbetzki
Von Passau nach Esztergom:
Der Nibelungen Not
»Dergleichen elendes Zeug« würde er in seiner Bibliothek
nicht dulden, empörte sich Friedrich der Große. Goethe
dagegen bescheinigte dem ersten Teil des Nibelungenliedes (Siegfrieds Ermordung) »mehr Prunk«, dem zweiten
(Untergang der Burgunden) »mehr Kraft« und meinte, die
Kenntnis dieses Gedichts gehöre »zu einer Bildungsstufe
der Nation«.
Wer heute dem Zug der Nibelungen vom Rhein zur Donau
folgen möchte, rüstet sich am besten mit einer zweisprachigen Textausgabe und einem der zahlreichen literarischen Reiseführer aus. Zwar ist der Verlauf des Reisewegs der historischen Burgunden von Xanten und Worms
bis an die Donau (»unz an die Tuonouwe«) wenig gesichert, weil man annimmt, dass die Ortskenntnis des Autors, der die 39 Aventiuren um 1200 wahrscheinlich in
Passau aufschrieb, zu wünschen übrig ließ. Zuverlässiger
informiert wird man bei den im zweiten Teil des Epos genannten und weitgehend an der Realität orientierten
Schauplätzen im donauländischen Raum zwischen Passau, Wien und dem ungarischen Esztergom.
Im bayerischen Pförring (»ze Vergen«) soll Kriemhild auf ihrem Weg zu König Etzel im Hunnenland über die Donau
gesetzt sein. Bei Großmehring (»ze Moeringen«) zog dreizehn Jahre später das Nibelungenheer durch die Donaufurt. Im Passauer Rathaussaal wird auf einem Kolossalgemälde aus dem späten 19. Jahrhundert der Einzug Kriemhilds in die Dreiflüssestadt und der Empfang durch Bischof
Pilgrim, ihren Onkel, dargestellt: ein Gemälde, das »nichts
von dem düsteren Wesen des Nibelungenliedes« enthält,
sondern eher an die Kulissen des 1924 entstandenen
»grandiosen Ausstattungsfilm[s] von Fritz Lang« erinnert
(Claudio Magris). In Pöchlarn, das sich heute werbewirksam und marktkonform »das Herz des Nibelungengaus«
nennt, macht ein Denkmal aus dem Jahre 1987 darauf aufmerksam, dass hier Markgraf Rüdiger von Bechelaren das
Nibelungenheer empfangen haben soll. Es will den »europaweiten Friedensgedanken« versinnbildlichen und die
Verbundenheit aller im Nibelungenlied erwähnten Städte
dokumentieren. Unterhalb des Benediktinerklosters Melk,
am Fuß des Felsens, weist eine Tafel auf eine weitere Station der Reise Kriemhilds nach Ungarn hin. Bis Tulln reitet
ihr König Etzel in Begleitung Dietrichs von Bern entgegen.
In Wien wird siebzehn Tage lang die Hochzeit gefeiert, und
reich beschenkt reitet man »froh am Donauufer entlang,
stromab bis zum hunnischen Land«. In Gran (Esztergom),
hoch oben über der Donau in der Etzelburg, vermutet man
heute den Schauplatz des Nibelungen-Untergangs: »hie
hat daz maere ein ende: daz ist der Nibelunge not«.
Kein anderer mittelalterlich »ritterlich-höfischer Roman«
(Helmut de Boor) hat die Deutschen bei ihrer Suche nach
Identität immer wieder so beschäftigt wie das in der Mitte
des 18. Jahrhunderts wieder entdeckte Nibelungenlied.
Seine Bibliographie umfasst etwa 500 Titel: 64 vollständige Übersetzungen, Romane, Erzählungen, Balladen, allein 123 Schauspiele, mehrere Opern, Operetten, Hörspiele, Filme, Comics. Vom Anfang des 19. Jahrhunderts
bis heute spiegelt sich seine Rezeptions- und Wirkungsgeschichte aber auch in ideologischen Fehldeutungen
und nationalpolitischer Geschichtsklitterung. Das angeblich »durch und durch deutsche, heimische Gedicht« wurde zu einem »Hauptbuch bei der Erziehung der deutschen
Jugend« (August Wilhelm Schlegel): »Kein anderes Lied
mag ein vaterländisches Herz so zu rühren und ergreifen,
so ergötzen und stärken als dieses« (Friedrich Heinrich
von der Hagen, 1907). Der »Brockhaus« nannte es 1835
»das deutsche Nationalepos, das bedeutendste Denkmal
der mittelhochdeutschen Poesie«.
Nach der gescheiterten Revolution von 1848 interpretierte man es als »Urbild reiner echter Deutschheit, Evangelium der Treue, Spiegel noch immer gültiger Hoheit der
Gesittung«. Siegfried wurde zum »Inbild deutschen Heldentums«, der im Rhein versenkte Nibelungenhort das
»versunkene, noch zu hebende Deutschtum« (Helmut
Brackert, 1971). Aber Heinrich Heine dichtete 1849: »Es
ist dasselbe Heldenlos, / Es sind dieselben alten Mären, /
Die Namen sind verändert bloß, / Doch sinds dieselben
›Helden lobebären‹.«
33
Unter den zahlreichen Nachdichtungen hat Richard Wagners Bühnenfestspiel »Der Ring des Nibelungen« (entstanden 1849–1874), mit dem auch 1876 das Bayreuther
Festspielhaus eröffnet wurde, zum Fortleben des aus verschiedenen Sagenstoffen der Völkerwanderungszeit bestehenden Epos entscheidend beigetragen. Das »Götterdämmerungspathos« (Thomas Nipperdey) des dritten
Teils wurde zu einem Menetekel germanischer Untergangssehnsucht: »... Wir stiegen auf in Kampfgewittern, /
Der Heldentod ist unser Recht: / Die Erde soll im Kern erzittern, / Wann fällt ihr tapferstes Geschlecht: / Brach Etzels Haus in Glut zusammen, / als er die Nibelungen
zwang, / So soll Europa stehn in Flammen / bei der Germanen Untergang!« (Felix Dahn, 1859)
Der Historienmaler Julius Schnorr von Carolsfeld gestaltete 1847 seinen Nibelungenzyklus in der Münchner Residenz. Friedrich Hebbel wollte in seinem »deutschen Trauerspiel in drei Abteilungen« (»Die Nibelungen«, 1862) den
»dramatischen Schatz des Nibelungen-Liedes für die reale Bühne flüssig machen«. Im Deutsch-Französischen
Krieg (1870) wurde die »teutsche Ilias« (Johannes von
Müller) zur »Feld- und Zeltpoesie« manipuliert: »Damit
kann man Armeen aus der Erde stampfen ..., wenn es den
gallischen Mordbrennern, der römischen Anmaßung zu
wehren gilt« (Karl Simrock).
Nach der Reichsgründung fanden sich Auszüge in jedem
Schullesebuch. Man wollte den nationalen Gedanken des
neu etablierten Staates pädagogisch stärken helfen. Nibelungen-Balladen von Ludwig Uhland, Friedrich Rückert,
Börries von Münchhausen und Agnes Miegel wurden in
den Schulen auswendig gelernt. Das Interesse verlagerte
sich zunehmend auf die Siegfried-Figur, die als Verkörperung jener »Nibelungentreue« galt, die Kaiser Wilhelm II.
am Beginn des Ersten Weltkriegs beschwor. Eine ganze
Generation des deutschen Bürgertums nannte ihre Söhne
»Siegfried«. Das Vaterland sollte an der »Siegfried-Linie«
verteidigt werden. Die Ermordung Siegfrieds musste als
Erklärungsmodell für die deutsche Niederlage 1918 und
zur Konkretisierung der »Dolchstoßlegende« herhalten:
»Wie Siegfried unter dem hinterlistigen Speerwurf des
grimmigen Hagen so stürzte unsere ermattete Front«.
Im NS-Staat wurde das Nibelungenlied als »Urkunde« im
Dienst der »nationalen Erneuerung« und zur Legitimation
des »bedingungslosen Einsatzes für den Führer« missbraucht: »Die Gestalten Siegfrieds und Dietrichs von Bern,
Hagens und Gunthers leben heute wieder unter uns«. Den
Höhepunkt propagandistischer Vereinnahmung bildete der
berüchtigte »Appell an die Wehrmacht« am 30. Januar 1943,
in dem »Reichsmarschall« Hermann Göring den Untergang
der 6. deutschen Armee in Stalingrad zum »größten Heroenkampf unserer Geschichte« umfälschte und »trotz allem
Deutschlands Sieg« versprach: »Auch sie standen in einer
Halle voll Feuer und Brand, löschten den Durst mit dem eigenen Blut, aber sie kämpften bis zum Letzten.«
Heute sehen Literaturwissenschaftler die Bedeutung des
Nibelungenliedes vor allem in der Darstellung gesellschaftlicher Spannungen und Widersprüche: »ein bedrückend negatives Gesellschaftsbild«, in dem Mord, Betrug,
Hass, Rache, Machtgier und Hinterlist, aber auch Leid
und Trauer »die Handlung von Anfang bis Schluss« bestimmen (Joachim Bumke, 1990). In einer Szenenfolge
von Heiner Müller, »Germania Tod in Berlin« (1971), stür-
zen sich die Nibelungen mit dem Schlachtruf »Die Hunnen
kommen!« auf ihren Feind und zerstückeln sich am Ende
gegenseitig. Die Geschehnisse im Nibelungenlied erwecken aber auch als »Bestandsaufnahme der deutschen
Seele« weiterhin das Interesse vieler Leser. In dem in zahlreichen Auflagen verbreiteten Roman »Disteln für Hagen«
(1966) von Joachim Fernau wird Deutschlands Vergangenheit und Gegenwart aus den Charakteren der Nibelungenhelden zu erklären versucht. Daneben setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass diese »Bibel deutschen Wesens« (Renate Schostack) ganze Generationen
mit ihrem »blutrünstigen Stoff vergiftet« habe (Erich Kuby).
Die Demontage der Nibelungen als »Götzen und Götter
der Moderne« (Wilhelm Emrich) hat spätestens in den
60er Jahren mit einer Neuverfilmung begonnen, als der
Hammerwerfer Uwe Beyer die Rolle Siegfrieds spielte –
»ein Unternehmen zwischen Märchen und Comic Strip«
(Karl Heinz Bohrer).
Donaufahrt mit einer Nixe: »Undine«
[Undine, ihr Ehemann und die Freundin Bertalda] waren
die ersten Tage ihrer Donaufahrt hindurch außerordentlich
vergnügt gewesen. Es ward auch alles immer besser und
schöner, sowie sie den stolzen flutenden Strom weiter
hinunterschifften. [...] [Als Bertalda ihr Halsband gedankenverloren über die Bordwand hielt,] griff plötzlich eine
große Hand aus der Donau herauf, erfaßte das Halsband
und fuhr damit unter die Fluten. Bertalda schrie laut auf
und ein höhnisches Gelächter schallte aus den Tiefen des
Stroms drein. Nun hielt sich des Ritters Zorn nicht länger.
Aufspringend schalt er in die Gewässer hinein, verwünschte alle, die sich in seine Verwandtschaft und sein
Leben drängen wollten, und forderte sie auf, Nix oder Sirene, sich vor sein blankes Schwert zu stellen. Bertalda
weinte indes um den verlorenen, ihr so innig lieben
Schmuck und goß mit ihren Tränen Öl in des Ritters Zorn,
während Undine ihre Hand über den Schiffsbord in die
Wellen getaucht hielt, in einem fort sacht vor sich hinmurmelnd und nur manchmal ihr seltsam heimliches Geflüster
unterbrechend, indem sie bittend zu ihrem Eheherrn
sprach: »Mein Herzlichlieber, hier schilt mich nicht, schilt
alles, was du willst, aber hier mich nicht! Du weißt ja.« –
[...] Da brachte sie mit der feuchten Hand, die sie unter
den Wogen gehalten hatte, ein wunderschönes Korallenhalsband hervor, so herrlich blitzend, daß allen davon die
Augen fast geblendet wurden. »Nimm hin«, sagte sie, es
Bertalden freundlich hinhaltend, »das hab ich dir zum Ersatz bringen lassen und sei nicht weiter betrübt, du armes
Kind.« – Aber der Ritter sprang dazwischen. Er riß den
schönen Schmuck Undinen aus der Hand, schleuderte
ihn wieder in den Fluss und schrie wutentbrannt: »So hast
du denn immer Verbindung mit ihnen? Bleib bei ihnen in
aller Hexen Namen mit all deinen Geschenken und laß uns
Menschen zufrieden. Gauklerin du!« – Starren, aber tränenüberströmenden Blickes sah ihn die arme Undine an
[...] Endlich sagte sie ganz matt: »Ach, holder Freund, ach,
lebe wohl! Sie sollen dir nichts tun; nur bleibe treu, daß ich
sie dir abwehren kann. Ach, aber fort muß ich, muß fort
auf diese ganze junge Lebenszeit. O weh, o weh, was hast
du angerichtet! O weh, o weh!«
34
Und über den Rand der Barke schwand sie hinaus. – Stieg
sie hinüber in die Flut, verströmte sie darin, man wußt’ es
nicht, es war wie beides und wie keins. Bald aber war sie in
die Donau ganz verronnen; nur flüsterten noch kleine Wellchen schluchzend um den Kahn und fast vernehmlich war’s,
als sprächen sie: O weh, o weh! Ach bleibe treu! O weh!
Friedrich de la Motte Fouqué: Undine, Stuttgart 1983,
S. 78 ff.
»Undine« (1811) ist die Geschichte einer Wasserfrau, die
sich in einen Menschen verliebt und dadurch eine Seele
bekommt. Als er aber nach ihrem Verschwinden ihre
Freundin heiratet, tötet sie ihn für seine Untreue.
Im ungarischen Tiefland
[...]
Das meerglatte Tiefland ist’s, das ich erwähle:
Hier bin ich zu Hause, hier bin ich so froh;
Im Anblick der Ebne erstarkt mir die Seele –
Ein Adler, der plötzlich dem Kerker entfloh.
Hier trägt mein Gedanke mich bis an die Sterne,
Hier flieg’ ich mit Wolken in endlosem Kreis,
Hier lächelt mein Tiefland mir zu aus der Ferne
Vom Strande der Donau bis weit an die Theiß.
Hier weiden, vom Zauber Morganas umsponnen,
Unzählige Herden mit Schellengeläut’;
Die doppelten Tröge langschwengliger Bronnen,
Sie laden zur Tränke, im Rasen zerstreut.
Hinjagender Rosse aufpochende Hufe
Durchbrausen die Lüfte mit dröhnendem Schall,
Dazwischen der Treiber verworrene Rufe –
Gewieher, Gestampfe und Peitschengeknall.
Entlegene Weiler in üppigem Kranze
Umwoget der Weizen vom Windhauch gewiegt,
Der mit des Smaragdes lebendigem Glanze
Die friedliche Gegend so traulich umschmiegt.
Wildgänse, die kommen in Scharen gezogen
Und schwärmen im Riede mit Anbruch der Nacht;
Doch kaum sie gekommen, sind rasch sie entflogen,
Wenn flüsternd im Schilfe ein Lüftchen erwacht.
Die Schenke mit ihrer geborstenen Esse
Steht mitten der Heide in einsamer Haft;
Rossdiebe, sie ziehen vorbei hier zur Messe
Und zechen heimkehrend den funkelnden Saft.
Und neben der Schenke in sandigem Grunde
Ergrünen Zwergpappeln, ein Wäldchen gar dicht;
Hier nisten die Falken in schattiger Runde,
Hier stören mutwillige Buben sie nicht.
Hier blühen und wuchern in buntester Mischung
Reihgräser und Disteln zusammengedrängt,
Drin suchen Eidechsen sich Schutz und Erfrischung,
Wenn mittags die Sonne die Fluren versengt.
Und fern, wo der Himmel die Erde umschlossen,
Erglänzen Obstbäume in bläulichem Schein,
Dahinter Stadttürme in Neben zerflossen;
Wie schimmernder Säulen verschwommene Reihn.
[...]
Sándor Peto씵 fi; Das Tiefland. In: Sándor Peto씵 fi.
Gedichte, Leipzig o.J.
Sándor Peto씵 fi (1823–1849) war nicht nur einer der bedeutendsten ungarischen Lyriker, sondern auch geistiger
Wegbereiter der Revolution von 1848, für die er sich als
Abgeordneter und Soldat einsetzte. Er fiel für Ungarns
Freiheit im Kampf gegen die Russen.
Am Delta
In der Stille dieses Frühlingsabends tönte die Sirene eines
Dampfers mit ihrem schneidenden Pfiff durch die Luft und
weckte den jungen Mann aus seinen Gedanken. Gleichzeitig traf ihn eine Wolke von Rosen- und Nelkenduft.
Adrian bog in den großen Promenadenweg ein, der am
Rand des Plateaus entlang läuft und den Hafen und die
Donau beherrscht. Einen Augenblick blieb er stehen, um
die Tausende von elektrischen Lampen zu betrachten, die
auf den im Hafen verankerten Booten brannten, und seine
Brust dehnte sich in einer unwiderstehlichen Reiselust:
»Herrgott! Wie schön muss das sein, sich auf einem dieser Schiffe zu befinden, die auf den Meeren gleiten und
andere Ufer entdecken, andere Welten!...«
Betrübt, seinen Wunsch nicht erfüllen zu können, setzte er
mit gesenktem Kopf seinen Weg fort [...]
Sie lief über den Steg und sprang in die Barke wie eine
Hindin. Als ich ihr folgte, hörte ich hinter mir einen Schiffer
jene Worte sagen, an die ich mich in all meinem Unglück
stets erinnert habe:
»Welch schönes Wild!«
Ich berichtete Kyra diese Worte und fragte nach ihrer Bedeutung.
»Ach, das sind Dummköpfe!«, sagte sie.
Es wehte ein schwacher Westwind, und wir genossen
zum ersten Mal das Entzücken dieses sanften Dahingleitens; das Segel war kaum geschwellt. Als wir uns vom
Ufer entfernten, begann unser Boot unvermittelt auf den
kleinen Wellen der Strömung zu tanzen. Kyra hatte Angst
und rief:
»Nicht in die Mitte des Flusses! ... Den Hafen entlang!«
Der Araber drehte das Steuer, wir näherten uns wieder
dem Ufer. Unser Haus erschien oben auf der Böschung in
seiner verlassenen Trübseligkeit, daneben das Gasthaus
mit den offenen Fenstern unsrer Zimmer. Langsam fuhr
das Boot daran vorüber, auch an dem Ameisenschwarm
des Hafens, an den zahllosen Seglern, Transportschiffen
und Brückenkähnen, und wir befanden uns am andern
Ende, als die Schaluppe auf einen einsamen Steg zuhielt
und anlegte.
Panait Istrati: Kyra Kyralina, Fischer Taschenbuch Verlag,
Frankfurt a.M. 1984, S. 14 und S. 81.
Der Rumäne Panait Istrati (1884–1935) schildert in seinem
1924 erschienenen Erstlingswerk die Lebensgeschichte
des Jahrmarkthändlers Stavro, der in einem Haus an der
Donau aufgewachsen ist.
Literaturhinweise
Susanne Schaber: Literaturreisen. Die Donau von Passau bis
Wien, Stuttgart/Dresden 1993.
35
Den Strom entlang
V. Den Strom entlang
1. Ulm und Neu-Ulm:
Einstimmung
auf zwei Donaustädte
Von Jakob Huff
»Historisch trennt sie unsere beiden Bundesländer. Wir
Menschen erleben sie dagegen als verbindendes Element. Wir sollten sehr viel bewusster mit der Donau leben.
Das internationale Donaufestival (1998) wird dazu einen
Anstoß geben.«
Beate Merk, Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm
»Sie prägt unsere Städte Ulm und Neu-Ulm. Und sie verbindet uns mit Süd-Ost-Europa – viel mehr als wir heute
annehmen und erahnen können.«
Ivo Gönner, Oberbürgermeister von Ulm
Eine Annäherung
»I ben Ulmer«, würde ich ohne zu überlegen jedem
(Schwaben) antworten, der mich nach meiner Herkunft
fragte, und das nicht nur, weil ich seit Jahrzehnten in Ulm
lebe und arbeite, sondern weil ich in Ulm heimisch geworden bin, obwohl ich da nicht geboren bin. Das habe ich
genauso empfunden und gesagt, als ich eineinhalb Jahrzehnte in Neu-Ulm wohnte. Denn die damalige Entscheidung für den bayerischen Wohnort war weitgehend von
wirtschaftlichen und praktischen Überlegungen bestimmt
gewesen. Und die Rückkehr ins baden-württembergische
Ulm war ebenso ein ganz rational begründeter Entschluss
aufgrund wirtschaftlicher und familiärer Gegebenheiten,
Blick über Ulm nach Neu-Ulm
der mir aber, ehrlich gesagt, viel leichter fiel, auch weil er
mich von der eigentlich unsinnigen, aber immer wieder
von Freunden ironisch provozierten Rechtfertigung meines Daseins in Neu-Ulm befreite. Genauso haben sich
Neu-Ulmer Bekannte und Schulfreunde manchmal auch
ungefragt zu ihrer Heimatstadt bekannt, im besten Falle
wohl um ihre eindeutige Verwurzelung zu bekennen und
schlechtestenfalls, um sich so aus einem bestimmten
Grund unmissverständlich abzugrenzen. Und für Ulmer ist
in einem solchen Falle sowieso klar, dass jenseits der Donau der Balkan beginnt. Die zuweilen liebevolle und zuweilen ruppige Pflege des Mit- und Gegeneinander gehört für mich zu beiden Städten und zu vielen ihrer Menschen.
Meine Verbundenheit mit der Stadt, ihrer Umgebung und
vielen Bewohnern empfinde ich sehr stark. Vor allem,
wenn ich länger verreist war, ist es immer wieder ein
»spannender« Moment die Stadt und das gewaltige Münster zu erblicken. Und je nachdem aus welcher Himmelsrichtung man sich der Stadt nähert, sieht man entweder
erst nur die Spitze des Münsterturms oder das ganze
Bauwerk, das sich weit über die Stadt erhebt. Am effektvollsten, für mich aber am unfreundlichsten, ist die Annäherung von Norden her, wenn ich mit dem Auto durch den
Tunnel des Zigeunerfelsens auf die Stadt zufahre. Dann
hat mich gefühlsmäßig sofort der Alltag wieder.
Im Alltag sind die beiden Städte für mich und wohl die
meisten Bewohner diesseits und jenseits der Donau eine
Einheit, und der Grenzfluss ist außerhalb der Hauptverkehrszeiten über eine der sechs Straßen, Eisenbahn- und
Fußgängerbrücken, die beide Städte miteinander verbinden, schnell überquert. Die hübschen bayerischen Grenzschilder wurden aus Jux oder aus Prinzip so oft beseitigt,
dass der Freistaat Bayern wohl aus Kostengründen seit
Foto: Gerhard Kolb
36
längerem im Stadtbereich keine mehr anbringen lässt. Für
manch einen unbedarften Fremden liegt Ulm sowieso in
Bayern. Und so falsch ist die Vermutung auch gar nicht,
zumindest nicht was Teile ulmischen Besitzes – beispielsweise die Kläranlage – auf Neu-Ulmer Flur anbelangt. Andere Objekte, wie das Freibad und die Eislaufanlage, betreiben beide Städte aufgrund vertraglicher Vereinbarungen gemeinsam. Früher war in dieser Hinsicht sowieso alles einfacher, weil es Neu-Ulm noch gar nicht gab, und die
Donau im Territorium der Reichsstadt Ulm keine Grenze
darstellte, wiewohl die Stadtbefestigung die Stadt auch
zur Donau hin schützen sollte.
Eine Gründungsidee
Die Anfänge der Stadtgründung haben viel mit Ideen wie
Sicherheit und Kontrolle zu tun. Ursprünglich bestimmt
auf der Suche nach einem sicheren Platz in einem vom
Wasser beherrschten, sumpfigen Gelände, in dem vor allem Ulmen wuchsen. Der mittelalterliche Chronist Felix Fabri erklärt so (1488) den Namen der Stadt. Den Platz fand
man auf dem heute so genannten Weinhof. Von dort aus
ließ sich auch der etwas flussabwärts gelegene Donauübergang gut kontrollieren. Die erste bekannte urkundliche
Erwähnung vom 22. 07. 854 weist Ulm als Kaiserpfalz aus;
die Stadtwerdung dürfte wohl in der Stauferzeit (1274)
rechtlich abgeschlossen gewesen sein. Ulm, die aufblühende Reichsstadt, hat sich natürlich mit Mauern umgeben und die Stadtbefestigungen im Laufe der Jahrhunderte erneuert, erweitert, angepasst. Es ist gewiss kein Zufall,
dass das Militär in der Stadt eine wichtige Rolle gespielt
hat. Aber nur historisch besonders Interessierte wissen,
dass Ulm mit der Bundesfestung im 19. Jahrhundert die
größte Festungsanlage Europas bekam, um die deutsche
Westgrenze mit abzusichern. Einen Teil der Festung, das
Fort Oberer Kuhberg, benutzten die Nazis 1933–35 als KZ,
um Gegner aus Württemberg in »Schutzhaft« zu nehmen.
Eine Dokumentations- und Gedenkstätte erinnert heute
daran. Wer denkt schon an solche Dinge, wenn er auf der
Stadtmauer einen Spaziergang macht und auf die Stadt,
die Donau und Neu-Ulm blickt?
Ulm auf dem rechten Ufer wurde zwischen 1802 und 1810
ausgegrenzt, nachdem Ulm die letzten vier Jahre dieser
napoleonischen Zeit zu Bayern gehört hatte und am 18. 5.
1810 wieder zu Württemberg kam. Die damalige Gemütslage beschreibt das folgende Gedicht aus dem Jahre
1812:
»Doch standat iezt d’Gwerber fast älle still,
ma hot koin Verdeast und koi Geld;
iezt schoidet ja d’Donau de beschte Froind,
dös isch a verzipfelte Weltl«
Die ersten nennenswerten städtischen Bauten waren
dann Militär-, Zoll-, Polizei- und Verwaltungsgebäude.
Die neu angelegte Gemeinde entwickelte sich rasch, wurde in den Donau übergreifenden Ring der Bundesfestung
mit einbezogen und erhielt 1869 das Stadtrecht. Ulm ist
so ein neues, junges Gegenüber zugewachsen, und die
beiden zusammen bieten gegenwärtig etwa 170 000 Einwohnern Lebensraum. Mehr Platz für wirtschaftliche
Erweiterung hat inzwischen jedoch der Konkurrent NeuUlm.
Ein wirtschaftliches Zentrum
Die geographische Lage an der Donau, kurz nach Einmündung der IIIer, am Südrand der Alb machte Ulm zu einer wichtigen Etappe von Überlandwegen, Donauschifffahrt (von West nach Ost) und von Fernhandelsstraßen
(von Süd nach Nord). Handel und Gewerbe (Wolle, Barchent, Holz, Schiffbau, Transport auf der Donau) brachten
Ulm Reichtum (»Ulmer Geld regiert die Welt«) und machten es zu einem überregionalen Machtfaktor im 15. Jahrhundert. Die Umbrüche der Neuzeit brachten für Ulm den
allmählichen Abstieg von einer mittelalterlichen deutschen Großstadt mit etwa 20 000 Einwohnern zu einer
ziemlich unbedeutenden Kleinstadt mit etwas mehr als
der Hälfte der Einwohner. Festungsbau, Eisenbahnbau,
die Industrialisierung (Magirus, Telefunken) nach 1900 und
der Wiederaufbau nach 1945 ließen Ulm wieder zu einer
Großstadt werden, der Strukturprobleme und Globalisierung der Wirtschaft wie vielen anderen deutschen Städten
heute Probleme bereiten. Beiden Städten gemeinsam ist,
dass man eine erstaunliche Weltoffenheit neben ausgeprägtem Krämergeist findet.
Ein kulturelles Zentrum
Dass Ulm ein lokaler, regionaler und teilweise überregionaler kultureller Mittelpunkt ist, bezeugen historische
Denkmäler (allen voran das Ulmer Münster), Museen, die
Universität, Verlage, Theater, Schulen, Wirtshäuser, Feste.
Neu-Ulm hat sein Edwin-Scharff-Haus, dem Ulm unbedingt ein Congress Centrum entgegensetzen musste. Einstein ist zumindest in Ulm geboren. Geniale Leistungen
sind nirgendwo an der Tagesordnung, und Provinzialität
ist auch nicht nur eine Frage des Geldes.
Ein politisches Zentrum
Ulm blickt auf eine lange Geschichte als Reichsstadt mit
feudalen Strukturen zurück. Patriziat und Zünfte brachten
1397 im Ringen um die Herrschaft den Großen Schwörbrief zustande. Mit diesem wurde die Ulmer Bürgerschaft
auf einen langen Weg zur Demokratie gebracht. Mit seiner
Schwörrede, einem jährlichen Rechenschaftsbericht, und
dem abschließenden Eid bekräftigt der Oberbürgermeister demokratische Grundsätze und dass er auch für Arme
und Reiche gleichermaßen da sei. Solch einer Tradition
hat das bayerische Neu-Ulm nichts Vergleichbares entgegenzusetzen. Doch gelegentlich tagen die beiden Stadträte gemeinsam, um ihre verschiedenen Standpunkte
darzulegen, und auch der Neujahrsempfang wird im
Wechsel von beiden Städten gemeinsam abgehalten.
Ökonomische Zwänge ebnen in letzter Zeit erstaunlich
vielen gemeinsamen Vorhaben den Weg.
Literaturhinweise
H. E. Specker, Geschichte, in: Der Stadtkreis Ulm, Amtliche
Kreisbeschreibung, Ulm 1977
Barbara Treu (Hg.): Stadt Neu-Ulm 1869–1994, Neu-Ulm 1994
37
2. Die Donau im Sattel
»erfahren«: mit dem Rad
von Passau nach Budapest
Von Dirk Lundberg
Auszüge aus dem Reisetagebuch
6.8.1997 »Tschuldigung, haben sie vielleicht einen Dosenöffner für uns?« Der dreizehnjährige Georg steht mit
einer Raviolidose vor unserem Zelt. Seit letzter Woche ist
er mit seinem Vater auf dem Donauradwanderweg unterwegs und zeigt uns stolz auf seinem Tacho, wie viele Kilometer er bereits in den Beinen hat. Wir tauschen Erfahrungen aus, fachsimpeln über Straßenzustände, Fahrradtechnik und Kartenmaterial. Heute seien sie 80 Kilometer
gefahren, aber gemütlich, ohne zu hetzen. Dabei hatten
sie noch genügend Zeit, um morgens die Raubritterburg
Aggstein zu besuchen. An die ausgedehnte Mittagspause
in einem der zahlreichen Radlertreffs erinnert sich Georg
besonders gern, vor allem wegen der österreichischen
Mehlspeisen. Den Dosenöffner hat in der Zwischenzeit die
rüstige, grauhaarige Dame gebracht, die mit ihrer Freundin bereits zum vierten Mal an der Donau unterwegs ist,
weil sie immer wieder neue reizvolle Entdeckungen machen. Dazu bedarf es offenbar nicht der neuesten technischen Ausrüstung: Die beiden Damen sind mit den guten
alten Drei-Gang-Rädern unterwegs – und mit Packtaschen, Zelt, Schlafsack und Isomatten auf dem Gepäckträger. Abends sehen wir das fidele Team in einem »Buschenschank« (Heurigenlokal) wieder, in dem wir uns an
einer »Brettl-Jausn« und Grünem Veltliner inmitten fruchtig duftender Marillenplantagen laben...
9.8.1997 Entgegen der empfohlenen Route unseres
Fahrradführers haben wir uns auf die Ratschläge des neuseeländischen Kunststudenten aus Bratislava verlassen
und sind eine nagelneue, schnurgerade Nebenstraße von
Pama nach Deutsch Jahrndorf regelrecht entlanggeschwebt – wieso kommt der Wind bei unserer Tour entgegen jeder Radlerweisheit fast immer von hinten? Egal, hohen Gang rein und genießen. In Nickelsdorf, kurz vor dem
Grenzübergang nach Ungarn, letzter Halt an einem »Tante-Emma-Laden«, der leider geschlossen ist. SamstagNachmittag, 28 Grad im Schatten, wir drücken uns die
Nasen am Schaufenster platt. Jetzt ein kühles Getränk...
Wir lassen unfeine Bemerkungen über Ladenschlussgesetze fallen und greifen nach den Fahrradflaschen mit
dem lauwarmen Mineralwasser. Plötzlich hören wir eine
freundliche Stimme – der ältere Herr in Freizeitshorts und
Unterhemd erscheint an der Ladentür: Er habe uns vom
Garten aus gesehen, fahre selber Fahrrad und wisse, was
ein »g’scheiter Durst« sei. Er führt uns in seinen unbeleuchteten Laden und fordert uns auf, ordentlich zuzugreifen. Dazu gibt’s noch reichlich Tipps für herrliche
Schleichwege vor und nach der Grenze...
10.8.1997 Wir sind mit Muskelkraft nach Ungarn gekommen! Der junge Mann mit der Schirmmütze salutiert, geht
dann zum Schlagbaum, öffnet ihn langsam und mit wichtiger Miene für uns zwei Radler. Er freut sich sichtlich über
unsere ersten Versuche in ungarischer Minimalkommunikation. Die nun folgenden Kilometer saugen wir alle neuen
Eindrücke auf wie ein Schwamm, tauschen Beobachtungen aus, entziffern die ersten ungarischen Verkehrsschilder und Werbeplakate. Mosonmagyaróvár rangiert in der
inoffiziellen Rangliste der schönsten Zungenbrecher ganz
weit oben. Gespannt warten wir auf die ersten Sprachkontakte mit Einheimischen.
In dem kleinen, malerischen Ort Halászi überqueren wir
die Mosoni Duna, einen Nebenarm der Donau. Die »Kleine
Donau« fließt in sanften Bögen bis Gyo씵 r, um in Venek wieder in das Bett ihrer berühmten Schwester aufgenommen
zu werden. Das von beiden Donauarmen eingeschlossene
Gebiet ist die Kleine Schüttinsel, die wegen ihrer riesigen
Sonnenblumenfelder einen herrlichen Anblick bietet. Es
beginnt nun bereits zu dämmern und wir sollten uns nach
einem Nachtlager umsehen, Sprachbarriere hin oder her.
»Excuse me!«, hören wir eine Stimme hinter uns. Damit haben wir nun überhaupt nicht gerechnet. »Can I help you?«
Der junge Mann hat von der anderen Straßenseite aus beobachtet, wie wir über die weitere Planung beratschlagen.
Es wird uns mal wieder leichter gemacht, als wir geahnt
haben. Wir sind begeistert von der Offenheit und dem unaufdringlichen Interesse der Menschen, mit denen wir seit
der Grenze zu tun haben. Wo wollt ihr übernachten? Lieber
Camping, Hotel oder privat? Habt ihr schon zu Abend gegessen? ... Die Straße führt uns durch die fruchtbare Ebene der Schüttinsel an Feldern vorbei, die hin und wieder
von kleinen Wäldern begrenzt werden. Hier lässt es sich
herrlich radeln auf kleinen, unbefahrenen Straßen ohne
jede Steigung. Wir zählen neun Störche und fragen uns, ob
sich Rückschlüsse auf demographische Entwicklungen
mit der hiesigen Sagenwelt vertragen.
11.8.1997 Montags Ruhetag. Ratlos stehen wir vor dem
hohen Bretterzaun, der das frisch renovierte und gerade
erst fertig gestellte Museum von Tata umgibt. Sollen wir
unsere Reise extra einen Tag unterbrechen, um morgen
wiederzukommen? Wieder hilft uns die freundliche Offenheit eines Einheimischen: Ob wir das Museum besichtigen wollten? Dann werde er mal den Direktor rausklingeln. Ein kurzes Gespräch, ein Zeichen, wir mögen unsere Räder mit in den Hof nehmen und schon bekommen
wir eine Sonderführung durch das Ungarndeutsche Museum. Es entpuppt sich als Fundgrube interessanter Zeitdokumente, von Geräten aus Haushalt und Landwirtschaft über Kleidung, Schriftgut und Fotodokumentationen, begleitet von ausführlichen Texten und Karten zur
Geschichte der ungarndeutschen Minderheit ...
12.8.1997 Es ist Mittagszeit, seit Stunden brennt die
Sonne auf die Ausläufer des Gerecse-Gebirges. Wir haben die einzige ernsthafte Steigung unserer Tour in den
frühen, noch angenehm kühlen Vormittagsstunden bewältigt und den phantastischen Blick über das Donautal bis
weit in die Slowakei hinein genossen. Jetzt suchen wir in
der winzigen Ortschaft Bajot nach der kleinen Schotterstraße, die laut Reiseführer an einer idyllisch gelegenen
Klosterschule vorbei Richtung Esztergom führen soll. Der
Ort ist so klein und abgelegen, dass es keine Hinweisschilder für den Ortsfremden gibt. Also wenden wir uns an
eine junge Frau, die gerade die Wäsche ihres kleinen Sohnes zum Trocknen hinterm Haus aufhängt. Sie quittiert unsere radebrechenden Versuche in ungarischer Sprache
38
mit einem Lächeln und einem Achselzucken, vermittelt
uns dann an einen alten, hageren Mann mit zerfurchtem
Gesicht, der gerade sein Fahrrad die Straße entlangschiebt. lstván spricht noch ein paar Brocken Deutsch
und zeigt sich sofort interessiert und hilfsbereit. Er strahlt
solche Herzlichkeit und Wärme aus, dass unser Gespräch
sich nicht in der ausführlichen Wegbeschreibung erschöpft – wir erfahren von seiner Familie, seiner Vergangenheit im Krieg, seinen Erfahrungen mit Deutschen und
Russen. Es sind nur wenige Wörter, die uns gemeinsam
zur Verfügung stehen, der Rest wird mit Händen und Füßen, mit Mimik und Gestik kompensiert. Schließlich verabschieden wir uns voneinander mit großer Herzlichkeit
und radeln weiter. Schon nach wenigen hundert Metern
taucht an der Dorfstraße das einzige Café des Ortes.
Kaum haben wir unsere Gläser ausgetrunken, stellt die
Bedienung zu unserer großen Überraschung zwei weitere
Gläser Limonade auf den Tisch; wir sehen uns verdutzt
an, versuchen den Irrtum zu erklären. Die junge Frau winkt
ab, ihrer Gestik mehr als ihren Worten entnehmen wir,
dass ein alter Mann die Getränke bereits an der Theke für
uns bezahlt habe ...
14.8.1997 »Húskészítmények Szalonnafélék« steht auf
der linken Seite der Hauswand. Rechts daneben lesen wir
in verzierten Lettern: »Rauchfleisch, Speck geräuchert ...«.
Wir sind in Pilisvörösvár, am Ausläufer des Pilis-Gebirges,
ungefähr 20 Kilometer vor den Toren Budapests. Unsere
Zimmerwirtin, Frau Wippelhauser, erklärt uns, dass noch
viele im Ort »schwobisch« sprächen, besonders die Älteren. Bei den Jüngeren stehe Englisch hoch im Kurs, aber
selbstverständlich lernten die Kinder der deutschstämmigen Familien am örtlichen Gymnasium ab der ersten Klasse Deutsch. Ein Rundgang durch das Schulgebäude, in
dem Frau Wippelhauser als Hausmeisterin und »gute Seele« tätig ist, versetzt uns in Staunen: Jeder Raum verfügt
über einen Tageslichtprojektor, der Computersaal ist mit
30 nagelneuen PCs ausgestattet, die neu ausgebaute
Pausenhalle dient gleichzeitig als Theaterraum mit Bühne
und moderner Lautsprecher- und Scheinwerferanlage. Finanziert werde das meiste von der deutschen Bundesregierung, erklärt Frau Wippelhauser. An der Schule büffeln
deutschstämmige und ungarische Schüler gemeinsam,
schreiben ihre Abiturarbeiten über deutsche Literaturklassiker. Edith, die Tochter des Hauses, erzählt uns, dass viele Ungarndeutsche bereits in die Bundesrepublik ausgesiedelt seien. Für ihre Freunde und sie komme das nicht in
Frage, schließlich lebten hier alle Freunde und Verwandten, hier fühle sie sich zu Hause. Tagsüber arbeitet Edith in
einem deutschen Industriebetrieb in Budapest, wo ihr ihre
soliden Deutschkenntnisse sehr zugute kommen. Abends
tanzt sie zweimal in der Woche in einer ungarndeutschen
Folkloregruppe, verbringt die Abende im Kulturzentrum
des Ortes. Nein, die Heimat zu verlassen komme für sie
überhaupt nicht in Frage ...
Tipps und Hinweise zur Tour
Der Donauradweg ist unter Radwanderern seit langem als
Klassiker bekannt. Besonders der ausgesprochen familienfreundliche Abschnitt Passau – Wien wurde Anfang der
neunziger Jahre in den Sommermonaten sehr stark frequentiert – zu stark, wie manche meinten. Seit drei Jahren
sind die Besucherzahlen allerdings wieder stark rückläufig
– sehr zum Leidwesen der Gastronomiebetriebe.
Aus unserer Sicht ist davon abzuraten, Unterkünfte im
Voraus zu bestellen und eine unumstößliche Route festzulegen. Man ist ohne Vorbuchung viel flexibler und offener
für interessante Hinweise und Ideen und muss sich nicht
von einem vorgegebenen Terminkalender gängeln lassen.
Auch die Unvorhersehbarkeit des Wetters spricht gegen
eine Pauschalbuchung.
Der Donauradweg ist in Österreich so gut ausgeschildert,
dass man ihn theoretisch auch ohne Reiseführer fahren kann. Allerdings empfiehlt sich ein Radwanderführer
mit guten Begleitkarten, um die zahlreichen lohnenden
Abstecher bzw. Tourenvarianten in die Reiseplanung
miteinbeziehen zu können. Die Hauptroute führt in Österreich zum größten Teil auf Fahrradwegen entlang der
Donau und ist daher auch besonders für Familien mit
Kindern geeignet. In Ungarn verläuft die Route auf meist
verkehrsarmen Landstraßen, die ungefähr dem Flusslauf
folgen. In größeren Städten ist man dabei, das Radwegnetz auszubauen, es entspricht aber noch nicht westlichen Standards.
Der Donauradweg ist durchaus mit einem ganz einfachen
Fahrrad zu fahren, neueste Technik ist also nicht nötig.
Auch braucht man sich für die Tour keinesfalls wochenlang körperlich vorzubereiten – auch schwach trainierte
Radler können die Strecke in vernünftigen Etappen bewältigen. Empfehlenswert ist eine gepolsterte Fahrradhose, die einem das Sitzen im Sattel erheblich erleichtert.
Wer bis Budapest fährt, sollte sich mit den Ausspracheregeln des Ungarischen und einem Minimum an Vokabeln
vertraut machen, nicht nur weil es der Verständigung dient
und Spaß macht, sondern auch weil jeder noch so ungelenke Gehversuch in der Landessprache sehr positiv und
erfreut zur Kenntnis genommen wird.
Als sehr praktisch und gut handhabbar haben sich die
Donauradweg-Reiseführer von bikline erwiesen: Sie verfügen über sehr exakte Wegbeschreibungen, genaue
Landkarten und zahlreiche Routenvarianten. Die Ausführungen zu den historisch-kulturell interessanten Besichtigungszielen links und rechts des Weges fallen dagegen
etwas dürftig aus; hier empfiehlt sich in jedem Falle eine
Ergänzung.
Wer sich dazu entschließt, das Donautal bis Budapest radelnd zu »erfahren«, dem sei abschließend geraten, einen
Teil des Rückwegs per Schiff zu bestreiten: Das Schnellboot, das zwischen Wien und Budapest zweimal täglich
verkehrt, transportiert auch Fahrräder. Die meisten Radler
beenden ihre Tour mit einem Aufenthalt in Wien, um dann
in einem Zug(e) nach Hause zu fahren.
39
Die Burgherren wachten nicht nur über den Verkehr
auf dem Fluss (eine der Deutungen des Namens
»Wachau« führt ihn auf »wacta« = Wachtposten zurück), sie verdienten auch an ihm. 1438 erhielt ein Georg
Scheck das Mautrecht für donauaufwärts fahrende
Von Dietrich Rolbetzki
Schiffe, musste dafür aber
den Schiffsweg erhalten,
am Ufer liegt noch das
6
8
9
1 WILLENDORF
ehemalige Mauthaus (heute Forsthof).
2 SPITZ
2
Wie Melk am Anfang, so
4
3 MELK
steht die Doppelstadt4 MAUTERN
L
Krems-Stein 쩽 am Aus7
E
T
5 RUINE AGGSTEIN
10
gang der Wachau: VerER
I
V
6 KREMS-STEIN
kehrsknotenpunkt,
EinLD
A
kaufsund
Schulzentrum
7 STIFT GÖTTWEIG
W
5
1
und Kulturstadt.
8 WEIßENKIRCHEN
LD
A
Heute erstrecken sich
9 DÜRNSTEIN
W
Krems und Stein bis an die
R
E
10 "TEUFELSMAUER"
IN
Donau, aber ihre Anfänge
E
ST
im 10./11. Jahrhundert laL
E
U
K
gen nicht am Strom
DONA
N
3
(Hochwasser!). Einst erDU
hob sich hoch über dem
heutigen Krems die älteste
Pfarrkirche der Stadt. Jetzt
steht dort die spätgotische
Die Wachau
Zeichnung: Peter Steinheisser
Piaristenkirche »Zu unserer lieben Frau«.
Auch Steins Anfänge befinden sich auf einem Hügel, verZwischen Melk und Krems-Stein in Niederösterreich
mutlich dort, wo heute die Frauenbergkirche steht, die
zwängt sich die Donau auf etwa 35 km Länge zwischen
jetzt der Erinnerung an die Toten zweier Weltkriege dient.
den Höhen des Waldviertels im Norden und denen des
Der Handel mit Wein, Getreide, Salz und Eisen machte
Dunkelsteiner Waldes im Süden hindurch und hat eine
Krems und Stein, wo die Güter verladen wurden, reich. Da
Landschaft von seltenem Reiz geschaffen: die Wachau.
sich die beiden Orte – hier der Handel, dort der Versand –
Von einem festen Standort aus – etwa Weißenkirchen –
wirtschaftlich ergänzten, bildeten sie schon 1250 eine
lässt sie sich in zwei bis drei Tagen »erfahren«.
Bürgergemeinde mit einem Stadtrichter, seit 1416 mit eiFrüh schon lebten Menschen an der Donau (siehe Kapinem Bürgermeister und seit 1463 mit einem gemeinsatel II.). 1908 wurde in Willendorf 쩸 eine nur wenige Zentimen Wappen: einem doppelköpfigen Adler in Gold auf
meter große Kalkstein-Plastik aus der Altsteinzeit (vor etwa
schwarzem Grund.
25 000 Jahren) gefunden. Diese »Venus von Willendorf« ist
Die Steiner Landstraße in Stein ist mit ihren 113 Häusern
wohl ein Fruchtbarkeitssymbol. An der Fundstelle befindet
»einer der schönsten Straßenzüge Österreichs« (Erika
sich heute eine große Nachbildung. Das Original kann man
Schüler). Die ehemaligen Salzstadel (Häuser Nr. 27 und
im Wiener Naturhistorischen Museum besichtigen.
Früh war die Donau auch schon Verkehrsweg und immer
wieder – so für die Römer – Grenze. Ein Museum in
Spitz 쩹 (an der Straße nach Mühldorf) informiert über die
Schifffahrt auf dem Fluss. Die Stadt Melk 쩺 am westlichen
Zugang zur Wachau bot sich durch ihre Lage zum Siedeln
an. Nur wenige Meter liegen zwischen der Donau und der
Anhöhe, auf der sich das Stift Melk (siehe Kapitel IV.1.) erhebt. Die Römer (siehe Kapitel III.1.) bauten hier ein Kastell; später waren die Magyaren da und die Babenberger –
Markgrafen der Ostmark – machten den Ort zu ihrem
Hauptsitz und zur Begräbnisstätte ihres Geschlechts.
Mautern 쩻 war eine der wichtigsten römischen Siedlungen in Niederösterreich. Erhalten aus dieser Zeit sind noch
Reste der ehemaligen Befestigung, ein Stück Straße am
Ortsende von Mauternbach und zahlreiche Funde, die das
Römermuseum in der Margarethenkapelle aufbewahrt.
Gegenüber von Willendorf am südlichen Donauufer erheKrems-Stein, vom südlichen Donauufer aus gesehen
ben sich auf einem Felsen, 300 Meter über dem Strom,
Foto: Peter Steinheisser
die Ruinen der einst gewaltigen Burg Aggstein 쩼.
3. Wachau und Donauknie:
zu Orten der Geschichte
40
29) erinnern noch an den einstigen Handel mit Salz. Ein
»Kleinod« (Dr. Gabriele Rüttnauer) ist auch der große Passauerhof (Haus Nr. 76), im Mittelalter Verwaltungssitz des
Bistums Passau. 42 Klöster besaßen in der Wachau Weingüter mit Wirtschafts- und Lagergebäuden, so begehrt
war der Wein dieser Landschaft.
Das kaiserliche Mauthaus (Haus Nr. 84) »mit seiner
prachtvoll bemalten Renaissancefassade« (Erika Schüler)
legt Zeugnis davon ab, wie wichtig Handel und Donauschifffahrt als Einnahmequelle waren.
Immer wieder haben Kriege die Gegend heimgesucht.
Dann drängte das aufstrebende Wien beide Orte in den
Hintergrund. Weil die Eisenbahnlinie von Salzburg nach
Wien das Donautal wegen seiner Enge umging, gerieten
Krems und Stein auch verkehrstechnisch ins Abseits.
Gegenüber der Doppelstadt erhebt sich auf einem aus
den Donauauen aufragenden Berg Stift Göttweig 쩾.
1083 gründete der Passauer Bischof Altmann hier ein Augustiner-Kloster (Besitz in der Wachau war schon wegen
des Weins wichtig), das nach seinem Tod aus dem Südschwarzwald herbeigerufene Benediktinermönche übernahmen. Was anfangs noch burgartigen Charakter hatte –
die Zeiten waren unfriedlich –, entwickelte sich mehr und
mehr zu einer eher an ein Schloss erinnernden weitläufigen Anlage, die Göttweig den Beinamen »Österreichisches Escorial« eintrug. Das Stiftsgebäude mit Kaiserstiege und Kaiserzimmer verstärkt diesen Eindruck noch. Hier
werden Reichtum und weltliche Macht sichtbar, auch
Prunk, kaum mönchische Ideale.
Von friedlosen Zeiten kündet auch Weißenkirchen 햹, an
den Hängen des Waldviertels gelegen. Beherrschendes
Bauwerk ist die Pfarrkirche Maria Himmelfahrt; man gelangt zu ihr vom Teisenhoferhof (Wachaumuseum) über
eine schindelgedeckte Stiege. Die hohen Wehrmauern
und Türme, mit denen sie befestigt ist, wurden 1531 errichtet, nachdem die Türken erstmals Wien bedroht hatten (siehe Kapitel III.4.).
Dürnstein 햺 ist der meistbesuchte Ort der Wachau und
das verdankt er gewiss auch Richard Löwenherz.
Dass dieser hier im 12. Jahrhundert »Urlaub« gemacht
habe, damit wirbt der niederösterreichische Fremdenverkehrsverband heutige Besucher, stellt dann aber richtig,
der englische König habe »bei Wasser und Brot« in der
Dürnstein: Blick von der Festung auf Stadt und Donau
Foto: Peter Steinheisser
Burg hoch über der Stadt gedarbt, während heutige Gäste in den noblen Hotels »erlesene Schmankerln« erwarten
dürfen.
Ende 1192 fiel Richard Löwenherz auf der Rückreise von
einem Kreuzzug in die Hände des Babenberger Herzogs
Leopold V. und kam für kurze Zeit in die Feste Dürnstein,
bevor er Kaiser Heinrich VI. übergeben wurde, der ihn auf
Burg Trifels in der Pfalz einkerkerte. 1194 kam er gegen
Zahlung eines riesigen Lösegeldes (etwa 28 t Silber) wieder frei. Ein österreichischer Herzog, ein deutscher Kaiser
und ein französischer König hatten dieses »Kidnapping«
vereinbart und teilten dann das Lösegeld. Der Kaiser
brachte seinen Anteil in Kriegen durch, Leopold V. dagegen legte seine Beute gut an: in neuen Münzen, einer verbesserten Wiener Stadtmauer und in der neu gegründeten
Wiener Neustadt.
Burg Dürnstein ist längst verfallen. Geschichte dient heute vor allem dem Fremdenverkehr wie die anrührende
Sage von dem wohl nie existierenden Sänger Blondel, der
von Burg zu Burg gezogen sein soll, um durch Absingen
eines bestimmten Liedes seinen Herrn Richard Löwenherz zu finden. In Dürnstein habe er endlich Erfolg gehabt,
weshalb hier ein Hotel seinen Namen trägt.
Immer wieder hat die Donau die Phantasie der Menschen
angeregt. Zwischen Spitz und Schwallenbach ist eine
Felsformation, die wie der Überrest einer riesigen Sperrmauer wirkt: die »Teufelsmauer« 햻. Eine Sage versucht
sie zu erklären. Der Teufel, so erzählte man sich, habe hier
eine Staumauer errichten wollen, sei aber durch einen
krähenden Hahn an der Vollendung gehindert worden. An
das daraufhin von ihm getötete Tier erinnert der von einem Pfeil durchbohrte Wetterhahn auf dem Kirchturm von
St. Johann im Mauertal am gegenüberliegenden Ufer.
Bei Esztergom in Ungarn durchbricht die Donau das
Nordungarische Mittelgebirge und bahnt sich ihren Weg
zwischen dem Börzsönygebirge im Norden und dem Visegrader- und Pilisgebirge im Süden hindurch. Sie fließt dabei erst nach Süden, dann nach Osten, dann nach Norden, um schließlich bei Visegrad endgültig die Südrichtung zu wählen, wobei sie sich in zwei Arme aufteilt, die
die Insel Szentendre umschließen; kurz vor Budapest vereinigen sie sich wieder. Der Strom, der dieses Donauknie
geschaffen hat, ist breiter als noch in der Wachau, die
Uferlandschaft lässt mehr Raum für Siedlungen, historische Bauten sind wegen vieler Kriege selten.
Visegrad (»hohe Burg«) 햽 ist ein slawischer Name und
Hinweis auf die wechselvolle Geschichte der Gegend. Eine
römische Befestigung diente später auch den Slawen als
Schutz, die sich hier angesiedelt hatten. Die Ungarn begannen nach dem Mongoleneinfall im 13. Jahrhundert mit
dem Bau einer Burg zwischen Donau und steil aufragendem Berg. Später entstand die 350 m höher gelegene
Hochburg. Eine Mauer verband beide mit der am Ufer (an
der heutigen Schiffsanlegestelle) errichteten Wasserbastei.
1316 verlegte der ungarische König Karl von Anjou seine
Residenz nach Visegrad und ließ die untere Burg zu einen
Palast umbauen, der Ende des 15. Jahrhunderts im Renaissancestil umgestaltet wurde und eines der schönsten
Bauwerke seiner Zeit gewesen sein soll.
Während der Kämpfe mit den Türken wurde er zerstört.
Die bisherigen Ausgrabungen an der Straße Fo씵 utca zeigen nur einen Bruchteil der Anlage.
41
DONAU
12
ESZTERGOM
(Gran)
GE
R
I
B
GE
S
I
PIL
11
VISEGRÁD
SZENTENDRE 13
Das Donauknie
Zeichnung: Peter Steinheisser
Weitere 600 m in Richtung Osten und etwas erhöht liegt
der »Salomonturm«, ein Wohnturm der unteren Burg, heute Museum.
Zur Hochburg gelangt man mit dem Auto oder zu Fuß (in
etwa einer halben Stunde; der Weg beginnt hinter der katholischen Kirche). Die Burg – 1702 von den Habsburgern
gesprengt – ist heute gut restauriert. Eine Ausstellung
zeigt die Geschichte der Anlage und wie Adelige und einfache Leute in früheren Zeiten jagten und fischten.
Esztergom (Gran): Kathedrale
Visegrad: Burgruine mit Blick auf die Donau
Foto: Peter Steinheisser
Etwa 23 Kilometer sind es von Visegrad nach Esztergom 햾, einer der ältesten Städte Ungarns. Fürst Géza
(siehe Kapitel III.3.) bestimmte den Ort um 973 zu seiner
Residenz. Sein Sohn Stephan wurde hier um 1000 zum
ersten ungarischen König gekrönt. Hier stand der erste
Königspalast Ungarns und, weil Esztergom Sitz des Erzbischofs wurde, die erste Hauptkathedrale. Im 13. Jahrhundert wurde die Residenz nach Buda verlegt, das geistliche
Oberhaupt der ungarischen Kirche aber blieb in der Stadt.
Esztergoms Wahrzeichen ist die wuchtige klassizistische
Kathedrale auf dem Burgberg hoch über der Donau. »Von
der kalten und toten Monumentalität eines Zenotaphs
(Grabmals)« strahlt sie »eine eisige zeitliche [...] Übermacht« (Claudio Magris) aus.
Foto: Peter Steinheisser
Auch innen ist der Eindruck Größe und Wucht. Die
Schatzkammer zeigt wertvolle sakrale Gegenstände. In
der Krypta finden sich Reste der St.-Adalbert-Kathedrale,
die einst hier stand. Hier unten hat auch Kardinal Mindszenty – Kirchenoberhaupt nach 1945 und von den Kommunisten verfolgt – seine letzte Ruhestätte gefunden. Von
der Kuppel aus hat man einen herrlichen Blick auf die Donau (die Brücke mit der Inschrift »Die Brücke verbindet«,
die in die Slowakei hinüberführte, wurde 1945 gesprengt),
den Burgberg (Überreste des alten Königspalastes) und
die Stadt.
Etwa 25 Kilometer von Visegrad entfernt in Richtung Budapest liegt Szentendre 햿, ein »Montmartre« (Claudio
Magris) mit vielen Galerien und Ateliers, mit malerischen
Gässchen und Häusern, wie man das in Ungarn sonst
kaum findet.
Literaturhinweise
Felix Czeike / Walther Brauneis: Wien und Umgebung. DuMont
Kunst-Reiseführer, 12. Auflage, Köln 1993
Ingrid Fleischmann-Niederbacher / Erika Schüler: Die Wachau, 3.
Auflage, Innsbruck / Rum 1991
Michael Herl: Ungarn. Polyglott-Reiseführer, München 1996
Gabriele Rüttnauer: Wachau. Polyglott-Reiseführer, München
1995/96
Roman Sandgruber: Wirtschaftswunder durch Lösegeld. In: Damals, 9/1996, S. 24 ff.
Edgar Schütz: Bildatlas Niederösterreich. Wachau, Hamburg
1999
42
4. Die Donau kommt
nach Wien1
Von Dietmar Gohl
Das alljährlich stattfindende Donauinselfest (zwischen den beiden
parallelen Flussläufen), dahinter das »Vienna International Center«
Foto: Prof. Dr. Elisabeth Lichtenberger
Wien besitzt eine Besonderheit, die sonst in keiner Großoder Weltstadt zu finden ist: eine 21 Kilometer lange Erholungsinsel zwischen den beiden Donausträngen, zentral gelegen und mit U- und S-Bahn bequem erreichbar.
Bis zu 200 000 Menschen tummeln sich hier an schönen
Sommersonntagen. Wien liegt nun wirklich und endgültig
an der Donau und die Donau mitten in Wien. Das war
jahrhundertelang nicht so.
Wien ist ein alter Siedlungsplatz im Westteil des Wiener
Beckens, wo die Alpen im Wienerwald auslaufen und die
Donau sich einst in ein breites Netz von verschlungenen
Armen verzweigte. Der Name des Ortes und des Wienflusses stammt vom keltischen Stamm der Wienden,
deren Siedlung Vindomina am Leopoldsberg schon für
350 v. Chr. belegt ist. Die Römer errichteten ab 15 v. Chr.
ihr Militärlager Vindobona etwas südlich davon am westlichsten Donauarm auf der 10 m höheren Talterrasse, die
vor Hochwasser schützt. Nach ihrem Rückzug im 5. Jahrhundert wurde die Siedlung Handelsstadt und im 12.
Jahrhundert Herzogssitz Österreichs.
Als die Bedeutung der Stadt als Zentrum des habsburgischen Reiches ständig wuchs, war eine Stadtausdehnung
wegen der wilden Donau nur nach Westen möglich. Es
gab außer der Brücke über den Wienfluss erst seit dem
15. Jahrhundert eine einzige Holzbrücke über den westlichen Donauarm, die »Schwedenbrücke«, die nach starken Hochwassern und Eisdriften stets erneuert werden
musste. Diese Brücke führte zum Barfüßerkloster, in dessen Nähe im Jahre 1625 die Juden ihr Ghetto errichten
durften. Es lag inmitten des kaiserlichen Jagdgebietes der
Praterinsel. Die im Westen entstandenen »Vorstädte« und
»Vororte« wurden im 19. Jahrhundert nach Wien eingemeindet, so dass die Stadt amphitheatralisch die Berghänge des Wienerwaldes hinaufwuchs. Zum Strom hin
aber kehrte das kaiserliche Wien seine Schmuddelseite:
Hier waren Lagerhallen, Fabriken und Eisenbahnanlagen
entstanden.
Doch auch die Dörfer östlich des Stromes wuchsen beträchtlich, Floridsdorf sogar zu einer Kleinstadt: Erreichbar aber waren sie nur mit der Floridsdorfer Donaufähre.
So entschloss sich die kaiserliche Reichsverwaltung, den
Wildstrom mittels einer großen Donauregulierung zu
bändigen. In einer ersten Phase (1869/70) wurde der
Südwestarm mit Steinmauern begradigt – der »Donaukanal« war entstanden.
In der Hauptphase bis 1874 schüttete man die meisten
Flussarme zu und schuf mit einem großen geraden
Durchstich – auch als Schifffahrtsstraße – die neue Donau.
Einen Teil des früheren Hauptarmes ließ man isoliert als
»Alte Donau« bestehen. Gleichzeitig entstanden erstmalig
zwei Straßenbrücken, die Floridsdorfer Brücke und die
Reichsbrücke, dazu zwei Eisenbahnbrücken. 1904 wurde
Floridsdorf eingemeindet. Doch große Teile des heutigen
Stadtgebiets lagen noch außerhalb. Auf dem Nordteil der
neuen Insel dehnte sich die Wiener Mülldeponie immer
weiter aus. Auch war die Hochwassergefahr wegen des
verkürzten Donaulaufs noch verschärft worden.
Nach 1945 schuf die Stadtverwaltung mit Erfolg neue Verhältnisse: Die Donaustadt wurde 1954 als XXII. Wiener
Bezirk eingemeindet. Anstelle der Mülldeponie entstand
1964 für die Internationale Gartenbauausstellung der Donaupark samt Donauturm und später daneben das »Vienna International Center«, bestehend aus der UNO-City mit
ihren gläsernen Bürotürmen (1979), worin mehrere internationale Organisationen ihren Sitz haben, und aus einem
großen Tagungs-, Ausstellungs- und Konzertsaal-Komplex (1987). Diese neue städtebauliche Dominante im Osten liegt in der Sichtachse über die Reichsbrücke zur historischen Dominante des Stephansdomes. Sozusagen als
dritte Phase der Donauregulierung wurde 1984 der
Hochwasserentlastungskanal, »Neue Donau« genannt,
fertig gestellt und erfüllt seinen Zweck. So entstand zwischen beiden Flusssträngen die Donauinsel für Freizeitzwecke, die zusammen mit dem UNO- und Tagungskomplex dem Donauareal zur Integration in den Stadtkörper
verhalf.
Anmerkung
1
In der Reihe »Deutschland und Europa« ist im November 1999
das Heft 39 »Wien – Europäische Metropole im Wandel« erschienen.
Literaturhinweise
Raimund Hinkel: Wien an der Donau. 1. Auflage, Wien 1995
Elisabeth Lichtenberger: Wien – zwischen extremer Grenz- und
Mittelpunktslage. In: Der Bürger im Staat, 47. Jg. H. 2, S. 80 ff.,
Stuttgart 1997
43
44
5. Budapest –
»Königin der Donau«
Von Dietmar Gohl
Budapest
Foto: Dietrich Rolbetzki
Stadt und Name Budapest sind jung: Vor 1872 gab es sie
noch nicht. Grund dafür ist die lange Fremdherrschaft
(siehe Kap. III.3. und 4.). In den Jahren nach 1840 ging ein
nationales Aufbegehren durch das wirtschaftlich erstarkende Land (siehe Kapitel III.3.). Graf Széchenyi erwirkte
und leitete den Bau der ersten Donaubrücke zwischen
Buda und Pest und regte auch den Bau des Nationalmuseums an.
Nach dem »Ausgleich« mit Österreich von 1867 (siehe Kapitel III.3. und 4.a)) wurden 1872 Buda und Pest vereinigt.
Die ungarische Königskrone aus römischen und byzantinischen
Teilen stammt aus dem 11. und 12. Jahrhundert und befindet
sich im Parlamentsgebäude.
Foto: MTI Hámar Szabolcs
In der noch kleinen Stadt waren Bauten im habsburgischen Barockstil vorherrschend. Nun führte ein nahezu
rauschhafter Bauboom zur völligen Überprägung des
Stadtbildes im Historismusstil, meist in Neugotik, als
Kulisse für das große nationale Ereignis der 1000-JahrFeier der Landnahme durch die ungarischen Stämme, des
Milleniums 1896. Damals entstanden weitere Donaubrücken; der »Große Ring«, heute die mittlere der drei Ringstraßen, und Radialstraßen durchzogen nun Pest, den am
stärksten wachsenden Stadtteil. Die prächtigste Radiale,
die Andrássy-Allee, benannt nach dem Freiheitskämpfer
von 1849 und ersten ungarischen Ministerpräsidenten
von 1867, wurde bestückt u. a. mit der Stephans-Basilika
und der Staatsoper.
Diese Allee führt zum eindrucksvollsten Komplex von
1896, der im und am alten Stadtwäldchen errichtet wurde:
Hier gruppieren sich der Heldenplatz mit dem grandiosen
Milleniumsdenkmal als Symbol des ungarischen Nationalbewusstseins, mehrere Museen, das »Schloss aller
Schlösser« (Nachbildung der Burg des Türkenbezwingers
Hunyád), der Zoo und das »Gundel«, das bekannteste aller ungarischen Nobelrestaurants. Unter der Andrássy
útca verkehrt seit 1896 die zweitälteste U-Bahnlinie Europas. An der Donau prunkt unübersehbar das erst 1900
fertig gestellte Parlamentsgebäude, mit 268 m Länge
und 96 m Kuppelhöhe das größte der Welt.
Um 1900 brachte auch der Jugendstil einige Bauten in
diese neue Stadt, entworfen von Ödön Lechner, geschmückt mit bunten Elementen aus der ungarischen und
orientalischen Volkskunst: Postsparkassenamt, Kunstgewerbemuseum, Geologisches Institut der Universität.
Auch die Musikhochschule, gegründet vom ungarischen
Komponisten Franz Liszt, ist ein Jugendstilbau.
Buda, der ältere Stadtteil an der bergigen Donauseite,
bietet Überraschungen aus der alten Geschichte. Außer
den gemütlichen Gässchen mit Barockschmuck finden
sich mit dem Rittersaal auf der Burg und mit der Matthiaskirche auch zwei Reste aus dem Mittelalter – alles andere
war den Zerstörungen im Kampf gegen die Türken und
die deutsche Wehrmacht anheim gefallen. Die Matthiaskirche war die Krönungsstätte der ungarischen Könige,
auch »Sissi« wurde hier 1867 von ihren geliebten Ungarn
umjubelt, wobei Franz Liszt seine Krönungsmesse uraufführte. Das mauerumgebene Burgviertel überragt als malerische Kulisse die repräsentativen Donaupromenaden
und Brücken um 60 m, woraus ein unter den europäischen Metropolen einzigartiges Stadtbild resultiert. Am
Gellértberg und am Burgberg trifft man auf Reste der hoch
entwickelten Badekultur aus der Zeit, als die osmanischen Paschas auf der Burg regierten: Rác-Bad, RudasBad und Király-Bad sind türkische Kuppelbauten.
Das im Jugendstil erbaute Gellértbad ist heute das größte
der zwölf Thermalbäder und Budapest mit seinen 123
Heilquellen die bedeutendste Bäderstadt der Welt.
Schon die keltischen Evarisker hatten hier eine Siedlung
namens Ak Ink (»reichlich Wasser«). Später nutzten die
Römer an gleicher Stelle – im heutigen Ortsteil Óbuda
(Altbuda) – die Quellen. Dort bestand von 9 v. Chr. bis 400
n. Chr. die große römische Militär- und Zivilstadt Aquincum als Zentrum der Provinz Pannonia. Heute kann man
dort u. a. zwei Amphitheater, ein Römerbad und eine Villa
mit Fresko- und Mosaikbildern besichtigen.
45
Zwischen Buda/ Óbuda und Pest liegt der größte und
schönste Park, die Margareteninsel, mit jahrhundertealten
Bäumen und Klosterruinen, Schwimmbädern und Hotels.
Schon in sozialistischer Zeit entstanden Nachtlokale und
große amerikanische Luxushotels und unweit der Stadt
wird seit 1986 auf dem neuen Hungaro-Ring bei Mogyoród im August das Formel-I-Rennen um den »Großen
Preis von Ungarn« ausgetragen.
1996 stand Budapest im Zeichen der 1100-Jahrfeier der
Ankunft der Ungarn in Europa (siehe Kapitel III.3.). Seit
Jahrhunderten eine europäische Stadt bereitet Budapest
sich nun darauf vor, Weltstadt zu werden.
Museum und Ausgrabungen (mit Jupiter-Säule) der Römerstadt
Aquincum
Foto: Ungarischer Diafilmbetrieb
46
Fotos: Sibylle Kußmaul
6. Das Donaudelta:
Reise in ein Paradies?
Von Sibylle Kußmaul
Da waren wir nun also, am Ziel einer längeren Reise,
damals 1989, entsprechend ungeduldig, neugierig und
zugleich vielleicht sogar etwas betrübt über das nahende
Ende einer Fahrt die Donau hinunter in einer Zille, einem
jener Holzboote, mit denen sich seit alters her die Menschen auf der Donau fortbewegten. Unsere Zille war
sieben Meter lang, eigens in Auftrag gegeben für diese
Reise, die einen nachhaltigen, unvergleichlichen Eindruck
hinterließ und eine noch heute tatsächlich empfundene
Verbundenheit zur Donau. Vier Wochen lang, manche
von uns sogar acht, näherten wir uns beharrlich dem
Delta, paddelten etwa 50 Flusskilometer pro Tag. »Wir«,
das waren sieben 20-Jährige, die schon viele Flusskilometer auf der Donau verbracht hatten und die zur Krönung aller vorangegangenen Fahrten auf dem oberen
Flusslauf diese Reise bis ans Schwarze Meer angetreten
hatten.
Das Delta versetzte uns in Staunen, obwohl wir großartige
Natur in den Wochen zuvor bereits häufig erlebt hatten. Auf
die große Ruhe und Gelassenheit der stillen Seitenarme,
der plötzlich sich auftuenden Seen und der trockengelegten Ebenen seitlich des Hauptkanals waren wir bestens
vorbereitet. Vielmehr, das hatten wir so erwartet. Es entsprach unserem Rhythmus, der sich dem ruhig dahinziehenden Fluss angepasst hatte. Dagegen hatte die kommerzielle Nutzung des Flusses, wo immer sie auftrat entlang der Donau, uns immer wieder einen Schock versetzt,
besonders in Rumänien, und so konnten wir auch dem
Hauptkanal »Braţul Sulina« sehr wenig abgewinnen in seiner ganzen geradlinigen Hässlichkeit, permanent begleitet
von mächtigen Strommasten, die die alten, hölzernen Masten mit ihren vielen Porzellanköpfen in den Schatten stellten. Wir waren also in einer sehr privilegierten Situation, da
ein großer Teil der Deltabesucher vor allem diesen Hauptkanal von Sulina nach Tulcea zu Gesicht bekommt, vielleicht garniert mit einem der größeren Seen, der mit einem
großen motorisierten Boot zu erreichen ist. Obwohl es mit
der Ruhe der Tiere, dem Status der Naturschutzgebiete im
Delta nicht mehr weit her wäre, würden alle Besucher sich
ins Delta verstreuen ... doch dieser Gedanke ist nicht realistisch, kann nicht zu Ende gedacht werden, denn das Delta macht es niemandem leicht, eine totale Einverleibung
durch Touristen erscheint nicht wirklich möglich. Was hat
uns also so beeindruckt? Vielleicht waren es die Erzählungen, die Berichte aus einer fernen Region, die noch vor
zehn Jahren weiter entfernt schien als etwa Reiseziele wie
Australien und Neuseeland. Es war wohl der Mythos Delta, den wir erleben durften und den wir nähren konnten in
den Wochen zuvor.
Über die Donau in Bulgarien gab es nur wenige Berichte,
über die Donau in Rumänien praktisch keine – bis auf Artikel zum Delta. Damit war dieses Gebiet das für uns am
klarsten zu fassende. Irgendwie hatten wir ein Gefühl zu
wissen, was uns erwartet, nämlich eine großartige Pflanzen- und Tierwelt, wenige Dörfer entlang der Kanäle und
versprengte Bewohner. Doch sämtliche Berichte über das
Delta schmälern ihren Informationsgehalt durch das Eingeständnis, diese äußerst komplexe Flusslandschaft nicht
wirklich erfassen zu können. Das wird sich wohl auch hier
wiederholen. Die Größenangaben für das DeIta schwanken zum Teil erheblich. 1000 Quadratkilometer hin oder
her – tagtäglich ändert das Delta sein Gesicht. Was in der
Tat so nachhaltig beeindruckt ist das Wissen, nur erste
Eindrücke vom Delta mitbekommen zu haben. Dieses
Wissen war vom ersten Paddelschlag an in unseren Köpfen, als wir endlich, nach unmäßig langen Verhandlungen
mit den Behörden, Tulcea, unser Eingangstor zum Delta,
passieren durften. Nach allem, was über die ehemaligen
Ostblockländer bekannt ist, dürfte die Willkür der Beamten, zumindest den Touristen aus dem Westen gegenüber,
heutzutage nicht mehr bestehen. Ein Visum für das Delta
kann jetzt bereits in Deutschland bei den Konsulaten erworben werden. Wir schafften es damals erst nach eineinhalb Tagen, die Genehmigung für das Delta zu bekommen. Auch so wurden Mythen gemacht.
In Tulcea trafen wir auf eine Gruppe junger Studenten aus
der DDR, die uns eine detaillierte Karte schenkten. Ohne
sie hätten wir es wohl kaum gewagt, von einem der drei
großen Kanäle abzubiegen. Im Westen gab es keine Karten vom Delta und noch heute ist im Buchhandel eine solche Karte schwer erhältlich.
Begierig, endlich eintauchen zu können in die versprochene Traumlandschaft, wegzukommen von Tulcea, langten
wir in die Paddel. Weg von Tulcea, Symbol für vergeudete
47
Zeit, wo sogar Cafés und Restaurants waren, Schokolade
und andere Luxuswaren, wo es eine gepflegte Uferpromenade gab. Wir konnten bereits Seeluft riechen, das Klima
war äußerst angenehm, mediterran. In Erinnerung blieb
nur klares und gleichzeitig sehr warmes Licht, obwohl die
Fotos beweisen, dass es auch dunkle, schwere Wolken
gab, gedämpfte Sonne.
Mit der Karte bewaffnet wagten wir uns in einen Seitenarm,
der sich bald verengte. Links und rechts dicht bewachsene Ufer mit Schilf, blühenden Gräsern, alten, knorrigen
Bäumen. Das Wasser war bedeckt mit einem hellgrünen
Linsenteppich, der sich nach uns sofort wieder zusammenschob. An den Ufern saßen riesige Unken in allen
Braun- und Grüntönen und einmal sahen wir eine Schlange, die nach einem noch nicht lange zurückliegenden
Krötenmahl träge und schwer in der Sonne lag mit diesem
signifikanten Knubbel irgendwo auf ihrer Länge und sich so
zögerlich trollte, dass wir sie immerhin ein paar Sekunden
begutachten konnten. Ein wenig seltsam war diese natürliche Übermacht schon, die sich immer dichter an den
Bootsrand drängte, der ein gewisses Gefühl von Sicherheit
vermittelte und eine Grenze bildete zum Schilf, das das
Boot immer dichter umschloss.
Einmal verließ doch einer das Boot, musste uns anschieben, weil wir auf eine Wurzel gefahren waren. Vermutlich angelockt durch die interessante Wellenbewegung,
schlängelte sich prompt eine Schlange auf uns zu, worauf
der Rest der Gruppe den siebten Mann mit vereinten Kräften ins Boot rettete. Es roch nach fauliger Luft und Blutegel
gab es offensichtlich auch. Als uns beinahe der Mut verließ
angesichts dieser aufregenden, aber auch ungewohnten
Enge, öffnete sich mit einem Mal der Blick auf einen wunderschönen, lichtüberfluteten See, auf dem wir sogar andere Menschen in Booten entdeckten, Fischer vermutlich.
Auf unserer Fahrt zurück zum Sulinaarm paddelten wir
auch an schilfgedeckten Hütten und Unterständen vorbei,
vor denen Gejagtes hing. Hier wohnten wohl Menschen,
die uns auch nicht begegnen wollten. Es wird erzählt, es
gebe eine ganze Reihe von Bewohnern im Delta, geflohen
vor dem rumänischen Staat oder wem auch immer. Letztlich sind alle Bewohner des Deltas Geflohene, meist Religionsflüchtlinge früherer Jahrhunderte, wie die Lipovenen,
die aus Russland als Erste kamen.
Wir übernachteten am Rande einer großen trockengelegten Ebene am Sulinakanal. Von einem Strommast aus
konnte man das Schwarze Meer bereits erahnen.
Über dem See hatten wir am Mittag einen Schwarm rosaroter Pelikane gesehen. Wir waren zufrieden. Wir hatten
unser Abenteuer mit der Natur mit einem großen Finale beschlossen, die Donau in all ihren Facetten noch
einmal erlebt drei Tage lang. Es war Zeit, nach
Sulina zu fahren, dort das Kilometerschild »0« zu passieren und die Zille im Hafen am Schwarzen Meer abzuliefern, von wo ein Transfer sie zurückbringen sollte nach
Biberach. An einer schönen alten Kirche legten wir an
und entluden das Boot. Zurück nach Tulcea ging es mit
dem Schnellboot. Die Landschaft flog an uns vorüber in
einer unangenehmen Geschwindigkeit. Es blieb der
Wunsch, wiederzukommen und viel Zeit mitzubringen, um
dieses Delta genauer kennen zu lernen.
Reisehinweise
Konsulate
– Visa-Konsulat-Abteilung, Matterhornstraße 79,
14129 Berlin, Telefon 0 30/803 3018 (-19).
– Visa-Konsulat-Abteilung, Legionsweg 14, 53117
Bonn, Telefon 02 28/6 83 81 60.
– Rumänisches Generalkonsulat, Dachauer Straße 17,
80335 München, Telefon 0 89/55 33 07/08.
Ein Visum für Rumänien ist auch direkt an der Grenze
erhältlich. Dieses Touristenvisum hat drei Monate Gültigkeit und kostet DM 90,-. Ermäßigung für organisierte
Gruppenreisen.
Hotels gibt es in allen größeren Orten im Delta. Privatunterkünfte werden auch in den kleineren Dörfern angeboten.
Literaturhinweise
Stephan Hoffstadt/Edgar Zippel: Rumänien, (Aragon) Moers
1996. Hier finden sich wertvolle praktikable Tipps für Unterkünfte, Restaurants, Bootsverleihe u.a.
Die Donau – Gesamtdarstellungen und Bildbände
Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz (Hrsg.): Flüsse im Herzen Europas.
Rhein – Elbe – Donau, Berlin 1993.
Claudio Magris: Donau. Biographie eines Flusses, dtv 1991.
Thomas A. Merk / Andreas Riedmüller: Die Donau. Von der Quelle bis zur Mündung. Eine Bildreise, Hamburg 1994.
Inge Morath: Donau, Salzburg / Wien 1995.
Gerda Rob: Die Donau. Von der Quelle bis zur Mündung, Künzelsau o. J.
Michael W. Weithmann: Die Donau. Ein europäischer Fluss und seine 3000-jährige Geschichte, Regensburg 2000
Die Donau: Flusseinzugsgebiet, Staaten und Landschaften
48
Neues aus der Landeszentrale
Medienpaket gegen rechts
Schulen, Jugendhäuser, Sozialarbeiter und alle, die sich aktiv am Kampf gegen den Rechtsextremismus
beteiligen wollen und dafür Unterstützung suchen, können bei der Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg (LpB) ein »Medienpaket gegen rechts« mit praxisnahen Informations- und
Aufklärungsmaterialien bekommen. Es umfasst Informationen zu den Themen Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Asyl. Bestellungen werden unter Fax (0711) 164099-77 und E-mail
[email protected] entgegengenommen.
Das Angebot umfasst Listen und Verzeichnisse über
• Literatur und Unterrichtsmaterial
• Internet@dressen
• Jugendbücher
• Referentinnen und Referenten (»Wer worüber«)
• Medien
Besonders Interessierte können außerdem bestellen
• »Argumentationstraining gegen Stammtischparolen – Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und
Selbstlernen« (Praxisband von Klaus-Peter Hufer)
• »Werte in der politischen Bildung« (Fachbuch, herausgegeben von Gotthard Breit und Siegfried Schiele)
• »Die Türkei vor den Toren Europas« (Heft 1/2000 der LpB-Zeitschrift »Der Bürger im Staat«)
• »Türken bei uns« (Heft 3/2000 der LpB-Zeitschrift »Politik & Unterricht«)
gegen
rechts
Am besten per Fax (0711) 16 40 99 77
Landeszentrale für politische Bildung
Stabsstelle Marketing / Frau Weber
Stafflenbergstr. 38
70184 Stuttgart
Bestellung
Bitte schicken Sie mir kostenfrei aus dem »Medienpaket gegen rechts«
Listen und Verzeichnisse
Zeitschriften-Hefte
______ Stk.
»Literatur und Unterrichtsmaterial«
______ Stk.
______ Stk.
»Referentinnen und Referenten«
(Wer worüber)
»Die Türkei vor den Toren Europas«
(Bürger im Staat, Heft 1/2000)
______ Stk.
»Türken bei uns«
(Politik & Unterricht, Heft 3/2000)
______ Stk.
»Internet@dressen«
______ Stk.
»Medien«
______ Stk.
»Jugendbücher«
Bücher (nur Einzelexemplare möglich)
❏ Breit/Schiele (Hrsg.):
Werte in der politischen Bildung«
❏ Hufer: Argumentationstraining
gegen Stammtischparolen
Lieferadresse:
Name
Straße
PLZ / Ort
Unterschrift
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart
Telefax 07 11/164099-77
[email protected]
www.lpb.bwue.de
Telefon (07 11) 16 40 99-0
Durchwahlnummern
Direktor: Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -60
Referentin des Direktors: Sabine Keitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -62
Stabsstelle Marketing:
Leiter: Werner Fichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -63
Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . . . . -64
Abteilung I Verwaltung (Günter Georgi)
Fachreferate
I/1
Grundsatzfragen: Günter Georgi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -10
Controlling: Christine Windeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -11
I/2
Haushalt und Organisation: Jörg Harms . . . . . . . . . . . . . . -12
I/3
Personal: Gudrun Gebauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -13
I/4
Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich . . . -14
I/5** Haus auf der Alb: Erika Höhne . . . . . . . . . . (0 71 25) 152 -109
Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor)
Fachreferate
II/1
Medien: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -20
II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse . . (0 71 25) 152 -140
II/3
Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . -20
II/4* Schülerwettbewerb:
Reinhard Gaßmann . . . . .-25, Monika Greiner . . . . . . . . . -26
II/5
Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . . . . -22
II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . . . . (0 71 25) 152 -136
Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug)
Fachreferate
III/1** Landeskunde/Landespolitik:
Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
III/2
Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III/3** Zukunft und Entwicklung:
Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Steffen Vogel . . . . . . . . . .
III/6** Europa: Dr. Karlheinz Dürr . . . . . . . . . . . . . . (0 71 25) 152
III/7* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)
Fachreferate
IV/1 Wissenschaftliche Publikationen
Redaktion »Der Bürger im Staat«:
Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV/2 Redaktion »Politik und Unterricht«: Otto Bauschert . . . . .
IV/3 Redaktion »Deutschland und Europa«:
Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . . . . .
Anschriften
Hauptsitz in Stuttgart (s. links)
* 70178 Stuttgart, Sophienstraße 28-30,
Telefax (07 11) 16 40 99-55
** Haus auf der Alb
72574 Bad Urach, Hanner Steige 1,
Tel. (0 71 25) 152-0, Telefax (0 71 25) 152-100
Außenstelle Freiburg
Friedrichring 29, 79098 Freiburg,
Telefon (07 61) 20 77 30, Telefax (07 61) 2 07 73 99
Außenstelle Heidelberg
Friedrich-Ebert-Anlage 22-24, 69117 Heidelberg,
Telefon (0 62 21) 60 78-0, Telefax (0 62 21) 60 78-22
Außenstelle Stuttgart
Sophienstraße 28-30, 70178 Stuttgart,
Telefon (07 11) 16 40 99-51, Telefax (07 11) 16 40 99-55
Außenstelle Tübingen
Herrenberger Straße 36, 72070 Tübingen
Tel. (0 70 71) 2 00 29 96, Telefax (0 70 71) 2 00 29 93
Bibliothek Bad Urach
Bibliothek/Mediothek Haus auf der Alb, Bad Urach
Gordana Schumann, Telefon (07125) 152-121
Dienstag 13.00 –17.30 Uhr
Mittwoch 13.00 –16.00 Uhr
LpB-Shop Stuttgart
Stafflenbergstraße 38
Ulrike Weber, Telefon (07 11) 16 40 99-66
Montag
9 – 12 Uhr und 14 –17 Uhr
Dienstag
9 – 12 Uhr
Donnerstag 9 – 12 Uhr und 14 –17 Uhr
Nachfragen
-134
-32
-139
-146
-35
-147
-31
-40
-42
-43
-44
Abteilung V Regionale Arbeit (Dr. Ernst Lüdemann)
Fachreferate / Außenstellen
V/1
Freiburg: Dr. Michael Wehner . . . . . . . . . . . (07 61) 2 07 73 77
V/2
Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann . . . . . . . . . (0 62 21) 60 78-14
V/3* Stuttgart: Dr. Iris Häuser . . . . . . . . . . . . . . . (07 11) 16 40 99-52
V/3* Stuttgart: Peter Trummer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -50
V/4
Tübingen: Rolf Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 70 71) 2 00 29 96
»Der Bürger im Staat«
Ulrike Hirsch, Telefon (07 11) 16 40 99-41
E-Mail: [email protected]
»Deutschland und Europa«
Sylvia Rösch, Telefon (07 11) 16 40 99-45
E-Mail: [email protected]
»Politik und Unterricht«
Sylvia Rösch, Telefon (07 11) 16 40 99-45
E-Mail: [email protected]
Publikationen (außer Zeitschriften):
Ulrike Weber, Telefon (07 11) 16 40 99-66
E-Mail: [email protected]
Bestellungen
bitte schriftlich an die o.g. Sachbearbeiterinnen:
Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax (07 11) 16 40 99-77
oder online: http://www.lpb.bwue.de
Thema des nächsten Hefts:
Katalonien
Reclam Graphischer Betrieb GmbH · 71254 Ditzingen
Zugehörige Unterlagen
Herunterladen