Universität Potsdam/ Institut für Slawistik Einführung in die slawische Sprachwissenschaft Dozenten: Prof. Dr. Peter Kosta, M.A. Nadine Thielemann, Dr. Lilia Schürcks Protokollanten: Bartek Wardecki, Marko Große Thema: Russisch, Polnisch, Tschechisch WS 2005/06 Protokoll vom 14.12.05 I. Die Russische Sprache 1. Allgemeines gehört neben Weißrussisch und Ukrainisch zu den ostslawischen Sprachen ist Erstsprache für etwa 150 Millionen Sprecher und Zweitsprache für ca. 42 Mio. Sprecher der nichtrussischen Bevölkerung auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR • • Es gibt drei Dialektgruppen: Nordrussisch, Mittelrussisch, Südrussisch Hochrussisch basiert auf dem in Moskau gesprochenen Mittelrussisch Das russische Alphabet wird in kyrillischen Lettern geschrieben 2. Sprachsystem • Im Russischen gibt es: keine bestimmten und unbestimmten Artikel drei grammatische Geschlechter (Genera): Maskulinum, Femininum, Neutrum sechs Fälle (Kasus): NOM, GEN, DAT, AKK, Instrumental, Präpositiv zwei Numeri: Singular, Plural o Adjektive weisen K-N-G-Kongruenz auf, d.h. sie stimmen in Genus, Kasus und Numerus mit dem Substantiv überein. • Das Verb kommt in den Tempora Präsens, Präteritum, Futur vor. • Die Wortstellung ist durch das sehr ausgeprägte Flexionssystem relativ frei. • Wortbildung erfolgt hauptsächlich durch Derivation (Ableitung mit Prä- und Suffixen). • Es gibt keine Opposition von langen und kurzen Vokalen 3. Geschichte • Erste Zeugnisse in russischer Sprache sind aus dem 10. Jahrhundert. o Bis zum 14. Jh. wird das Altostslawische als gemeinsame Grundlage für das russische, Ukrainische und Weißrussische angenommen. o Literatursprache war das Altkirchenslawische. • Das gesprochene Russisch war in dieser Zeit einfacher als die Schriftsprache. • Die sog. „Europäisierung Russlands“ im 18. Jh. bewirkte einschneidende Veränderungen der Sprache: o Peter der Große ließ das russische Schriftsystem reformieren, wodurch der Einfluss wodurch der Einfluss des Griechischen, Polnischen und Kirchenslawischen auf die russische Sprache schwand. o Seitdem enthält es viele Lehnwörter aus dem Niederländischen, Deutschen, Englischen, Französischen und Italienischen. • Es entwickelte sich eine Schriftsprache, die eine Mischung aus Altkirchenslawisch und Umgangssprache mit westlichen Sprachelementen war. 1 • • Durch Nikolaj M. Karamsin erste Versuche die Trennung der unterschiedlichen Sprachformen zu überwinden. Mit dem Werk Alexander S. Puschkins entwickelte sich im 19. Jh. eine Literatursprache, die als einheitliche Norm anerkannt wurde. II. Die polnische Sprache 1. Geschichte (Auszug) Polnisch ist die drittgrößte slawische Sprache und wird in Polen und weltweit von ca. 39 Mio. Menschen gesprochen. Wie alle anderen slawischen Sprachen entstand sie im 10. Jahrhundert, wurde aber erst in älteren Zentren Gnesen-Polen und Krakau praktiziert. Überlieferungen des Polnischen stammen allerdings erst aus dem 14. Jahrhundert. 2. Sprachsystem • Das Lautsystem besteht aus fünf Vokalen: a, e, i, o und u. - Im Unterschied zum Deutschen, wird nicht zwischen kurz oder lang unterschieden. - Es ist ein Mittelwert zwischen den kurzen und langen Vokalen der deutschen Sprache. - Daneben stellen die nasalierten Laute „ę“ und „ą“ eine Besonderheit dar, die ähnlich dem des Französischen ist. • Das Polnische besitzt ein angepasstes lateinisches Alphabet, wobei einige Laute keine Grapheme besitzen und durch Doppelgrapheme Ausdruck finden. Zum Beispiel: „sz“ (dt. „sch“) und „cz“ (dt. „tsch). Außerdem „ż“ und „ś“ (Ursprung aus dem Tschechischen). • Eine polnische Besonderheit stellt „ł“ da, vergleichbar mit dem englischen „w“. Weitere Merkmale der polnischen Sprache: - es gibt sieben Fälle (der siebte Fall ist der Vokativ für die direkte Anrede) - zwei Numeri - drei Genusangaben im Singular (M,F,N) - zwei im Plural (männlich und belebt/unbelebt) Es werden folgende Kategorien angewandt: - die Person - die Tempora - das Modi - das Genera - die Aspekte • Während bei anderen slawischen Sprachen die Betonung beweglich ist, wird im Polnischen auf der vorletzten Silbe betont. • Die Verben werden reflektiert nach: - der Person - dem Numerus - dem Genus 2 • • Einfach ist die Vergangenheitsform: Es gibt nämlich nur EINE (mit unvollendetem und vollendetem Aspekt). Und noch eine weitere Einfachheit: Im Polnischen gibt es eine (fast) FREIE WORTSTELLUNG. III. Die tschechische Sprache 1. Geschichte (Auszug) • Cirka 10. Mio. Menschen benutzen die tschechische Sprache, die geschichtlich zu den westslawischen Sprachen gehört. Diese Menschen haben kaum Verständnisprobleme mit den Slowaken. • Bis zum 19. Jahrhundert benutzten beide Sprachen das Tschechische als Schriftsprache. Der Unterschied heute: Während das Slowakische einen älteren Lautstand hat, besitzt das Tschechische ein älteres Flexionssystem. • Zwei wichtige Entwicklungen fanden im 11. Jahrhundert statt: 1. Die Latinisierung Böhmens, Mährens und der Slowakei. 2. Es entwickelten sich regionale, slawische Dialekte zu eigenständigen Sprachen. - Der böhmische Kirchenreformer Jan Hus standardisierte die tsch. Orthographie, welche später von der Sekte „Böhmische Brüder“ stabilisiert und weiterentwickelt wurde. Ab 1593 wurde sie zur Standardsprache und, abgesehen vom Wortschatz, veränderte sich das Tschechische (und das Slowakische) bis heute nicht. 2. Sprachsystem • • Das Tschechische besitzt ein besonderes Intonationsmuster im Satz. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe und es fehlen Elisionen (Lautauslassungen aus Gründen des Wortklanges). Es fällt eine Häufung des Gebrauchs des stimmhaften „r“ und „l“ auf. Gebraucht werden lateinische Buchstaben. Merkmale dieser Sprache: - Bei Hauptwörtern gibt es sieben Fälle - bei Verben drei Personen - insgesamt drei Zeiten (Vergangenheit, Präsens, Futur) - drei Modi (Indikativ, Imperativ, Konjunktiv) 3