STAUDEN & BLUMENZWIEBELN Während sich Narzissen und Tulpen schon lange als Kombinationspartner durchgesetzt haben, bleibt die Verwendung von Kleinblumenzwiebeln den Experten vorbehalten. Ganz zu Unrecht, denn viele Arten sind einfach in der Handhabung und versprechen aufregende Effekte. S eptember und Oktober sind die klassischen Monate für die Blumenzwiebelpflanzung. Das gilt nicht nur für die großen Arten, sondern auch für die so genannten Kleinblumenzwiebeln, einer heterogenen Pflanzengruppe aus Zwiebel- und Knollenpflanzen (Siehe dazu S. 27 und DEGA 37, S. 43). Der Einsatz von Geophyten bringt in den Folgejahren zwei ganz entscheidende Vorteile: Auf der einen Seite beginnt das Frühjahr für den Kunden früher, auf der anderen Seite füllen die Frühjahrsblüher die Lücken, die einziehende Stauden im Herbst hinterlassen. Vorbildliche Landschaften Neben vielen verstreuten Verbreitungsgebieten gibt es zwei Verbreitungsschwerpunkte für hier zu Lande verwendbare Kleinblumenzwiebeln, die damit als Vorbilder für die Pflanzenverwendung angenommen werden dürfen. Das ist einmal der Laubwald der gemäßigten Zone, und das sind andererseits die Hochgebirgsregionen der gesamten nördlichen Halbkugel mit den Schwerpunkten auf den südosteuropäischen und vorder- beziehungsweise mittelasiatischen Gebirgen. In beide Fällen haben die Pflanzen vergleichbare Strategien entwickelt, ungünstigen Perioden durch Nährstoffspeicherung im Bodenbereich und Reduktion der Wachstumsaktivität zu entgehen. Sie nutzen 10 Kleinblumenzwiebeln So klein und doch so wirksam die günstigste Zeit für oberirdisches Wachstum, Nährstoffproduktion und Blüte und verlagern die überschüssigen Nährstoffe danach zurück in das unterirdische Überdauerungsorgan. Das kann als Zwiebel, Knolle oder Rhizom ausgebildet sein. Rückzug ist in den genannten Lebensräumen eine verbreitete Strategie. Es gibt aber durchaus auch ausdauernde, krautige Pflanzen (zum Beispiel Gräser und Farne). Hier ergeben sich bereits natürliche Pflanzenkombinationen, die sich auch auf den Garten übertragen lassen. Gespür für die Kombination Aber nicht nur natürliche Kombinationen lassen sich auf die Pflanzenverwendung übertragen. Mit etwas Erfahrung lässt sich vorhersagen, welche Pflanzen miteinander harmonieren. Besonderen Raum nimmt dabei die Verwendung einziehender Stauden ein. Sie sind ideale Kombinationspart- aus "Deutscher Gartenbau – DEGA" 3 9 / 2002 ner. Dabei ist es besonders wichtig, dem Zeitpunkt zwischen Welke der Geophyten und Austrieb der Stauden Beachtung zu schenken. So können selbst Zwiebelgewächse, die alleine für längere Zeit unansehnlich wirken, durch ansprechende Stauden ersetzt werden. Besonders leicht ist das bei früh blühenden Arten, denn zur Blütezeit befinden sich die meisten Stauden mit ihren Vegetationspunkten noch in Bodennähe. Schwieriger ist die Verwendung som- www.dega.de Chionodoxa luciliae Crocus vernus glänztauch auf sonnigen Flächen Chionodoxa luciliae ist dauerhaft und breitet sich zügig aus (Berggarten Hannover) mer- und herbstblühender Zwiebeln. Deren Raumbedarf in der Mitte des Jahres muss bei der Planung berücksichtigt werden. Eine Kombination ist nur mit verträglichen Partnern angezeigt, sonst werden die Sommerblüher auf Dauer verdrängt. Dieselbe Gefahr besteht übrigens bei Frühblühern in Kombination mit nicht einziehenden Arten oder Stauden und Gräsern, die ihr Herz mit einem festen Mantel aus abgestorbenen Pflanzenteilen schützen oder bodennah ein dichtes, für Geophyten undurchdringliches Netz aus Knospen bilden. Flexible Gesellen Am zufriedenstellendsten ist das Ergebnis bei Arten, die sich durch Aussaat, Brutzwiebeln (oder Bulbillen) und Rhizome verbreiten. Diese beginnen bereits im Jahr der ersten Samenreife durch die Anlage zu wandern und erobern sich zusagende Plätze. Schon bald www.dega.de ist es gleichgültig, ob die Mutterpflanzen verschwunden sind, wenn die nachfolgenden Generationen in naher oder ferner Umgebung größere Flächen besiedelt haben. Für öffentliche Anlagen und pflegeleichte Gärten sind Arten wie Chionodoxa luciliae, Crocus tommasinianus, C. vernus, Galanthus nivalis, Ranunculus ficaria und Scilla siberica am besten geeignet. Dabei ist der Einsatz von Kleinblumenzwiebeln mit einer Baumpflanzung zu vergleichen: Schön sind sie schon am Anfang, aber die volle Schönheit entwickelt sich erst nach Jahrzehnten durch die Ausbreitung. Nicht allen Arten gefällt der Umzug aus der Gärtnerei (oder Scilla siberica im Moos unter Bäumen der Wildnis!) in den neuen Garten. Arten wie Anemone nemorosa, Corydalis cava und Eranthis hyemalis haben Anlaufschwierigkeiten und beginnen ihren Verbreitungsfeldzug oft erst nach mehreren Standjahren. Dann kann es aber auch sehr schnell gehen. Viele Arten legen eine erstaunliche Flexibilität in Sachen Standortwahl an den Tag. Sie gedeihen auf trockenen und feuchten, sonnigen und schattigen Stellen, was vornehmlich daran liegen dürfte, dass sie die fast konkurrenzlose Zeit nutzen und sich den Rest des Jahres aus dem Konkurrenzkampf mit den Nachbarn zurückziehen. Bedingungen, die denen des Herkunfts- Nicht allen Arten gefällt der Umzug aus der Gärtnerei in die NEUE Anlage aus "Deutscher Gartenbau – DEGA" 39 / 2002 biotops entsprechen, werden aber bevorzugt angenommen. Hier sind die Bestände zumeist am besten ausgeprägt. Aber auch da gibt es Ausnahmen: Eranthis hyemalis, eine Hochgebirgspflanze, die im türkischen Taurusgebirge in voller Sonne gedeiht, hat sich im östlichen Deutschland (zum Beispiel Rautal bei Jena) in trockenen Laubwäldern etabliert. Die Waldarten Die Arten der Laubwälder eignen sich vortrefflich für schattige Pflanzungen und am besten in Gesellschaft der Arten, mit denen sie von Natur aus das Biotop teilen. Anemone nemorosa, Arum maculatum, A. italicum, Corydalis cava, Erythronium dens-canis, Galanthus nivalis, Ranunculus ficaria lassen sich vortrefflich miteinander aber auch mit sommergrünen Farnen, Aruncus dioicus, Polygonatum multiflorum, P. odoratum oder auch mit Hosta kombinieren. 11 STAUDEN & BLUMENZWIEBELN Galanthus elwesii verträgt mehr Sonne Weiße Form von Anemone blanda Hyacinthus orientalis ähnelt schon nach kurzer Zeit der Wildform Zur Blütezeit der frühen Zwiebeln beginnen die Pflanzen gerade erst mit dem Austrieb. Alle genannten Pflanzen bieten den Kleinblumenzwiebeln im Frühling Raum zum Wachsen und decken sie am Ende ihrer Vegetationsperiode, wenn die Pflanzen unansehnlich werden, mit dem eigenen Austrieb ab. Hyacinthoides hispanica ist ein wichtiger Blickpunkt Das Scharbockskraut lässt sich in seiner Wuchskraft ohnehinkaum bremsen und verbreitet sich durch Bulbillen in den Blattachseln rasch. Zierlich dürfen die Kombinationspartner nicht beschaffen sein. Das häufig im Handel statt einheimischer Schneeglöckchen verkaufte Galanthus woronowii gedeiht auch in Deutschland, verlangt aber Lehmböden mit guter Wasserspeicherkapazität und einen das gesamte Jahr über feuchten Standort. Auch Chionodoxa gigantea, C. luciliae, C. tommasinianus, Ornithogalum umbellatum, 12 Puschkinia scilloides var. libanotica, Scilla bifolia, S. siberica und S. mischtschenkoana haben wenig Probleme mit Staudenpartnern, die im Winter einziehen. Neben den bereits genannten Schattenarten kommen Aconitum, Anemone japonica, Brunnera, Hemerocallis, Molinia, Rodgersia, am Gehölzrand als Partner in Frage. Im feuchten Bereich erfüllen zusätzlich Galanthus woronowii und Leucojum vernum in Partnerschaft mit Eupatorium, Lythrum, Rheum diesen Zweck. Päonien sind gute Gesellschafter für Krokusse, aber auch für andere Geophyten. Sonnige Standorte Die Gartenstandorte, die mehr Sonne bekommen, bieten den Geophyten der Offen- und Hochgebirgsstandorte einen idealen Lebensraum. Hier wachsen Kleinblumenzwiebeln ebenfalls zusammen mit einziehenden Stauden, die später im Jahr den Platz der Zwiebeln einnehmen oder mit verträglichen Partnern, deren Pflanzendecke sie durchstoßen. So haben sich zum Beispiel polsterartig wachsende Sedum-Arten als gute Zwiebelpartner bewährt. Pflegeleichte Pflanzen wie Crocus flavus, C. vernus, Muscari azureum, M. botryoides, Narcissus cylamineus ‘February Gold’, Tulipa sylvestris, T. tarda und T. urumiensis vermehren sich von alleine und schaffen so in der sonnigen Freifläche die vom aus "Deutscher Gartenbau – DEGA" 3 9 / 2002 Gehölzrand gewohnten Farbeffekte. Viel Farbe kommt auch von Muscari armeniacum. Da die Pflanze aber mit Hilfe von Samen und Brutzwiebeln zum Wuchern neigt, wollen Standort und Partner wohl bedacht sein. Erstaunlich robust ist auch Iris bucharica, die selbst auf sommertrockenem Sandboden durch Ausläufer stabile Horste bildet. Pflegebedürftiger sind die Zwergiris, wie Iris danfordiae und I. reticulata. An zusagendem Standort vergrößern sich die Bestände besonders bei I. reticulata durch Aussaat. Eine erstaunliche Entdeckung der warmen Rabatte sind Hyazinthen (Hyacinthus orientalis). Die züchterisch stark entfremdeten Kulturformen entwickeln sich nach relativ kurzer Zeit im Garten zu der Grundform ähnlichen Typen zurück. Sie blühen dann meist in Rosa oder kräftig Blau und weisen weniger Blüten auf, die mit einem größeren Abstand zueinander stehen. In Gruppen gepflanzt, avancieren sie aber durchaus zu einem echten Highlight. Als einziehende Partner im Beet eignen sich zum Beispiel Asphodeline, Aster, die „wilde“ Campanula rapunculoides, www.dega.de leichtesten Arten, aber auch diese lohnt es sich nur zu pflanzen, wenn die Pflanzung in den folgenden Jahren entsprechend betreut wird. Auch Anemone blanda steht gerne alleine. In ihrer Heimat wächst sie in dichten Herden zum Beispiel in trockenen Schotterbetten am Rand der Gebirgsflüsse. Im Garten gedeiht sie ebenfalls in Steinanlagen und im Traufbereich von Gehölzen. Zu den konkurrenzschwachen Arten gehören auch viele der als Liebhaberpflanzen angebotenen Zwiebelgewächse (zum Beispiel aus der Gattung Fritillaria). Ganz besonders unter den Hochgebirgspflanzen sind Arten, die im Garten nur bei besonderer Vorbereitung des Standorts und einer Minimierung der Konkurrenz überleben. Delphinium, Eryngium, Irisbarbata-Hybriden, Molinia, Lupinus, Pennisetum und Sedum telephinum. Die Zwiebeln werden in unmittelbarer Nachbarschaft der Beetpflanzen angesiedelt und können sich von dort selbst ihren Weg suchen. Konkurrenzschwach Einige Arten sind für Kombinationen gar nicht geeignet. Sie bevorzugen Plätze, die sie nur mit den Gehölzen teilen, zu dessen Füßen sie wachsen. Dazu gehören die Alpenveilchen (Cyclamen). Sie leben von der Tatsache, dass laubtragende Bäume und Sträucher erst im späten Frühjahr den Wasserhaushalt an ihrer Basis durch Wasserentzug und -abschirmung wesentlich beeinträchtigen, und sammeln ihre Kraft ebenfalls in der Zeit davor. Neben dem Lebensraum „Stammbereich“ wachsen Cyclamen auch zwischen Steinen, am Fuß und in den Fugen schattiger Trockenmauern oder in Felsspalten. Wichtig ist immer eins: Guter Wasserabzug muss gewährleistet sein, sonst faulen die Knollen. Sommertrockenheit wirkt sich günstig aus. C. hederifolium und C. coum sind die pflege- www.dega.de Ein zweites Feuerwerk Keine Frage, dass der Einsatz von Frühlingsgeophyten besonders wichtig und besonders eindrucksvoll ist. Nach den grauen Monaten sind die bunten Pflanzungen dazu angetan, die Menschen aus dem Winterschlaf zu wecken. Aber auch Herbstblüher haben ihren Charme. Zum letzten Mal vor dem Winter entfaltet die Pflanzung Farbenfreude, und zwischen etlichen schon abgeblühten und braun gewordenen Staudenstielen erscheinen zusammen mit der Herbstfärbung der Gehölze frische Farbtöne. Ganz vorne in der Auswahl rangiert die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale, C. bornmuelleri, C. speciosum). Zur Blütezeit stehen die Kelche in dichten Büscheln und blattlos direkt über der Erde. Dann brauchen sie wenig Platz. Im Frühjahr bilden die Pflanzen aber kräftige Horste, was bei jeder Partnerschaft berücksichtigt werden muss. Gut geeignet sind duldsame Polsterstauden, die auch etwas Schatten vertragen, und in näherer Umgebung Stauden, die die einziehenden Blätter im Sommer verdecken. Neben den Herbstzeitlosen sind die Krokusse wichtige Herbstblüher. Crocus kotschyanus, C. sativus und C. speciosus sind die wichtigsten Arten, um dem Garten im Herbst noch einmal Farbe zu verleihen. Sie werden im Sommer gepflanzt. Hier liegt der Schwerpunkt der Partnerschaft auf dem Prädikat „duldsam“, wie es Sedum oder Arabis procurrens zugesprochen werden kann. Ferner blüht Sternbergia lutea im Herbst (Siehe DEGA 37, S. 44). Bei der Partnerschaft im Beet steht nicht in erster Linie die Abstimmung der Blütenfarbe im Mittelpunkt. Nur wenn die Pflanzen parallel blühen, ist auf harmonische Farbkombinationen zu achten (zum Beispiel bei Frühjahrsblühern wie Doronicum orientale und Primula juliae). Die Partnerschaft zwischen Stauden und Blumenzwiebeln beruht vielmehr auf den unterschiedlichen Wuchseigenschaften, die sich gegenseitig ergänzen müssen. Geophyten sind perfekte Lückenfüller in einer blütenarmen Zeit und als solche wichtiger Bestandteil jeder Pflanzung. Dass Blumenzwiebeln bei der Pflanzung trotzdem oft vergessen werden, hat einen wesentlichen Grund: Zwischen den Pflanzzeiten von Stauden und Blumenzwiebeln liegen oft mehrere Monate, und bis zum Herbst ist die Kundenbeziehung oft schon wieder abgewickelt. Eine Lösung könnte sein, zum Frühjahr blühende Geophyten im Topf anzubieten (am besten in einem strukturstabilen Behältnis, welches direkt mitgepflanzt wird). Dann steht der vermehrten Verwendung dieser Pflanzengruppe nichts mehr im Wege. Text und Bilder: Tjards Wendebourg KLEINBLUMENZWIEBELN Problemfall Naturentnahme A Auf die Frage, ob seine Zwiebeln aus Anbau oder Wildentnahme stammen, antwortete ein deutscher Blumenzwiebelgroßhändler vor ein paar Jahren: „Glauben Sie, dass einer sich die Mühe macht, die kleinen Dinger auszugraben?“ Dem Mann wurde im Laufe der nächsten Jahre Nachhilfe in Sachen Zwiebelhandel erteilt. Tatsächlich werden nämlich nach wie vor eine Reihe von Arten in der Natur ausgegraben und über die Niederlande in den Handel gebracht. Wer zum Beispiel Schneeglöckchen in einer Kleinpackungen mit der Aufschrift „Galanthus, einfach“ kauft, erhält mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht das bei uns eingebürgerte Galanthus nivalis, sondern G. woronowii aus Georgien oder (und) G. elwesii aus der Türkei. Kein Wunder, denn irgendwo müssen die 14 Mio. Zwiebeln, die jährlich mindestens aus den beiden Ländern zusammen eingeführt werden, ja bleiben. Die gleiche Problematik besteht bei Anemone blanda, Cyclamen coum, C. hederifolium, Eranthis hyemalis und Leucojum aestivum. Achten Sie deshalb bei der Bestellung auf den Hinweis „nur Kulturmaterial“ und reklamieren Sie beim Händler, wenn es sich um sichtbar falsch deklarierte Ware handelt. Im Zweifelsfall muss der Verkäufer für Galanthus und Cyclamen die Kopie eines CITES-Einfuhrzeugnisses vorweisen. Reklamation ist schon aus zwei Gründen wichtig: Erstens haben die Wildherkünfte es schwerer, sich in unseren Breitengraden zu aklimatisieren, und zweitens haben die falsch gelieferten Arten andere Standortansprüche oder legen ein anderes Wuchsverhalten an den Tag. Ganz besonders bei Schneeglöckchen, das sich ja verbreiten soll, ist das wichtig. tw aus "Deutscher Gartenbau – DEGA" 39 / 2002 13