Darstellung der Verhältnisse in Mecklenburg

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Aus dem Institut für Hygiene und Umweltmedizin
(Direktor: Prof. Dr. med. Axel Kramer)
der Medizinischen Fakultät
der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Die unterschiedliche Entwicklung von Zahnmedizin und Hygiene
Darstellung der Verhältnisse in Mecklenburg-Strelitz im 19. Jahrhundert und
sich anschließende Entwicklungstendenzen in Deutschland
Inaugural - Dissertation
zur
Erlangung des akademischen
Grades
Doktor der Zahnmedizin
(Dr. med. dent.)
der
Medizinischen Fakultät
der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald
2007
vorgelegt von:
Rajko Lippert
geb. am: 22. März 1969
in Neustrelitz
Dekan:
Prof. Dr. rer. nat. Heyo K. Kroemer
1. Gutachter:
Prof. Dr. med. Axel Kramer
2. Gutachter:
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Alfons J. Erle
Ort, Raum:
Hörsaal Neue Zahnklinik
Tag der Disputation:
7. Mai 2007
2
Inhaltsverzeichnis
Seite
Inhaltsverzeichnis
3
Abkürzungsverzeichnis
6
1
Gegenstand der Untersuchung, Quellen und Methode
7
1.1
Gegenstand der Untersuchung und Quellen
7
1.2
Methode
12
2
Mecklenburg-Strelitz, Einführung in die Landesgeschichte
13
2.1
Die strukturelle und gesellschaftliche Entwicklung vom Beginn
des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
2.2
13
Der Staatsaufbau und die innenpolitischen Machtverhältnisse
Im 19. Jahrhundert
17
2.3
Die Bevölkerungsstruktur im 19. Jahrhundert
21
3
Stand und Entwicklung der Zahnheilkunde
im 19. Jahrhundert
24
3.1
Chirurgische Behandlungen und Instrumente
24
3.2
Prothetische Versorgung
29
3.3
Konservierende Zahnheilkunde
33
3.4
Behandlung der Parodontose
38
3.5
Kieferorthopädische Behandlungsmethoden
39
3.6
Die zahnärztliche Bohrmaschine
40
3.7
Abhandlungen zur Hygiene in der zahnmedizinischen
Literatur bis etwa 1869
4
43
Kritische Analyse zur Entwicklung des
Medizinalwesens in Mecklenburg-Strelitz während
46
des 19. Jahrhunderts mit Quellenbewertung
3
4.1
Die Organisation des Medizinalwesens in MecklenburgStrelitz im 19. Jahrhundert
4.1.1
46
Die Entwicklung des Medizinalwesens bis zur Schaffung der
Medizinalexaminationskommission 1812
4.1.2
46
Das Medizinalwesen bis zum Erlass der Medizinalordnung
im Jahre 1840
4.1.2.1
50
Die Medizinalexaminationskommission und
das Medizinalkollegium
50
4.1.3
Die Medizinalordnung von 1840
56
4.1.3.1
Vorgeschichte
56
4.1.3.2
Inhalt und Auslegung der Medizinalordnung
57
4.1.3.2.1
Das Medizinalkollegium
58
4.1.3.2.2
Die Districtsphysici
59
4.1.3.2.3
Die Ärzte
60
4.1.3.2.4
Die Wundärzte
61
4.1.3.2.5
Die Operateure und Zahnärzte
63
4.1.3.2.6
Die übrigen Medizinalpersonen und Bestimmungen
der Medizinalordnung
4.2
66
Vergleich der Stellung der Zahnärzte in den
Medizinalordnungen von Mecklenburg-Strelitz und
Mecklenburg-Schwerin
4.3
67
Die Auswirkungen des Beitritts zum Norddeutschen Bund
1867 sowie der Reichseinigung 1871 auf die amtliche
Regelung der Zahnheilkunde
5
69
Entwicklungstendenzen von Zahnmedizin und Hygiene
bis zur Gegenwart
73
5.1
Die Zeit von 1869 – 1949
74
5.2
Die Hygienevorschriften in der Zahnheilkunde in der BRD
1949 bis 1989 und für die Praxishygiene wichtige
Standardwerke
75
4
5.3
Die Hygienevorschriften in der Zahnmedizin in der
ehemaligen DDR
5.4
78
Die Entwicklung nach der Vereinigung der beiden deutschen
Staaten
5.4.1
79
Gesetzliche Grundlagen, Medizinproduktegesetz und
Infektionsschutzgesetz
5.4.2
79
Richtlinien und Empfehlungen: Richtlinie des RKI,
Leitlinie
der
DGKH,
Arbeitskreises
für
Empfehlungen
Hygiene
in
der
des
Deutschen
Zahnarztpraxis,
Empfehlungen des Arbeitskreises Krankenhaushygiene der
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
6
Fachgesellschaften und weitere Normen
81
Zusammenfassung
88
Anlagen
A
Öffentlich verzeichnete niedergelassene Zahnärzte in
Mecklenburg-Strelitz
B
90
Anforderungen des Hygieneleitfades des Deutschen
Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis Eine tabellarische Übersicht der Entwicklung seit 1989
93
Primärliteratur
102
Sekundärliteratur
107
Abbildungsverzeichnis
110
Eidesstattliche Erklärung
111
Lebenslauf
112
Danksagung
113
5
Abkürzungsverzeichnis
Aufl.
BfArM
BGA
BGB
BGBl
BGBl. I
BGR
BRD
BSeuchG
DAHZ
DDR
DGHM
DGKH
DGSV
FL
Ghzg.
Hrsg.
HygMed
HZA
Hzg.
IfSG
k.A.
Kap.
km
LAGA
LGGEV
LHAS
MPG
MSt-KFK
MSt-MK
NB
NZ
O
o.D.
o.J.
o.O.
o.P.
RKI
S.K.H.
SBZ
SGB
SOP
StArNZ
StK-MSt
TDI
UVV
WA 1/WA 2
ZA
Auflage
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Bundesgesundheitsamt
Bürgerliches Gesetzbuch
Bundesgesundheitsblatt
Bundesgesetzblatt Teil I
Berufsgenossenschaftliche Regeln
Bundesrepublik Deutschland
Bundesseuchengesetz
Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnarztpraxis
Deutsche Demokratische Republik
Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e.V.
Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V.
Deutsche Gesellschaft für Sterilgutversorgung e.V.
Friedland
Großherzog
Herausgeber
Hygiene & Medizin
Hofzahnarzt
Herzog
Infektionsschutzgesetz
keine Angabe
Kapitel
Kilometer
Länderarbeitsgemeinschaft Abfall
Landesgrundgesetzlicher Erbvergleich (1755)
Landeshauptarchiv Schwerin
Medizinproduktegesetz
Mecklenburg-Strelitzsches Kammer- und Forstkollegium
Mecklenburg-Strelitzsches Medizinialkollegium
Neubrandenburg
Neustrelitz
Operateur
ohne Datierung
ohne Jahr
ohne Ort
ohne Paginierung
Robert-Koch-Institut
Seine Königliche Hoheit (Prädikat des Großherzogs und des Thronfolgers)
Sowjetische Besatzungszone (1945-1949)
Sozialgesetzbuch
Standard Operating Procedure
Stadtarchiv Neustrelitz
Staatskalender für Mecklenburg-Strelitz
Thermodesinfektor
Unfallverhütungsvorschrift
Wundarzt I. Klasse / Wundarzt II. Klasse
Zahnarzt
6
1
Gegenstand der Untersuchung, Quellen und Methode
1.1
Gegenstand der Untersuchung und Quellen
Gegenstand der Untersuchung sind die Entwicklung der Zahnheilkunde und
ihre gesetzliche Regelung in Mecklenburg-Strelitz im 19. Jahrhundert und der
Wissenstand der Hygiene in dieser Zeit. Davon ausgehend sollen die zeitlich
daran
anschließende
Entwicklung
und
Entwicklungstendenzen
von
Zahnmedizin und Hygiene in Deutschland bis in die heutige Zeit betrachtet
werden.
Dabei
sind
die
Organisation
der
Zahnheilkunde
und
die
Medizinalgesetzgebung von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang
wird die Eingliederung der Zahnärzte in den Kreis der Medizinalpersonen
sowie die Gliederung und Organisation des Medizinalwesens genauer
betrachtet und ein Vergleich zu anderen deutschen Staaten, insbesondere zu
Mecklenburg-Schwerin, angestellt. Es soll weiterhin untersucht werden,
inwieweit der Wissensstand der Hygiene in der Zahnheilkunde insbesondere
durch amtliche Vorgaben oder Empfehlungen umgesetzt wurde und wie sich
diese Umsetzung bis in die heutige Zeit fortsetzt.
Während des 19. Jahrhunderts hat sich die Medizinalgesetzgebung des
Landes Mecklenburg-Strelitz, des Norddeutschen Bundes und des Deutschen
Reiches auf dem Gebiet der Zahnheilkunde in vielfacher Hinsicht verändert. In
diesem Abschnitt soll hinsichtlich der gesetzlichen Regelung zwar das
gesamte 19. Jahrhundert betrachtet werden, der Schwerpunkt aber umfasst
den Zeitraum, in dem die Landesregierung von Mecklenburg-Strelitz selbst
befugt war, Zahnärzte zu konzessionieren, also bis zur Einführung der
Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund im Jahre 1869. Die
Betrachtung der weiteren Entwicklungstendenzen von Zahnmedizin und
Hygiene erstreckt sich bis in die Gegenwart.
7
Werner Hasselfeld legte 1934 1 bei der Medizinischen Fakultät der Universität
Rostock seine Inaugural-Dissertation „Die Entwicklung der Zahnheilkunde in
Mecklenburg und ihre amtliche Regelung“ vor, und bei derselben Fakultät
reichte Reinhard Schilf 1967 seine Dissertation über die Zahnbehandler
Norddeutschlands 2 ein. Auch in der Zeitschrift „Stomatologie der DDR“ findet
sich ein Artikel über „Die Entwicklung der stomatologischen Betreuung in
Mecklenburg bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts“ von L. Bruhn und A.
Gerber (1974). 3 Aber die Dissertation von W. Hasselfeld befasst sich fast
ausschließlich mit der Regelung in Mecklenburg-Schwerin, die Publikation von
L. Bruhn und A. Gerber auch nur mit Mecklenburg-Schwerin, obwohl beide
Arbeiten den Anspruch erheben, das gesamte Land
Dissertation
von
R.
Schilf
werden
allerdings
zu erfassen. In der
einige
Zahnärzte
aus
Mecklenburg-Strelitz in die Betrachtung einbezogen.
Daher stellt sich die vorliegende Arbeit vor allem das Ziel, diese Lücke in der
medizin-historischen Forschung durch eine Darstellung der Verhältnisse in
Mecklenburg-Strelitz schließen zu helfen. Ein Anliegen soll es sein, bei
Fokussierung auf das 19. Jahrhundert und mit Ausblick bis in die Gegenwart
über
den
Stand
Behandlungsmethoden
der
Zahnheilkunde
und
die
zeitgenössischen
zu informieren, parallel dazu den Wissenstand der
Hygiene aufzuführen, die Gesetze und Vorschriften zur Ausübung der
Zahnheilkunde unter Berücksichtigung der hygienischen Anforderungen
darzustellen und in die allgemeine Medizinalgesetzgebung einzuordnen,
konzessionierte Zahnärzte zu ermitteln und davon einige vorzustellen sowie
die Politik der Landesregierung bei Prüfungszulassungen und Konzessionen in
verschiedenen Zeitabschnitten zu beleuchten.
1
Hasselfeld, W.: Die Entwicklung der Zahnheilkunde in Mecklenburg und ihre amtliche
Regelung, Diss.med.dent., Rostock 1934.
2
Schilf, R.: Die Zahnärzte Norddeutschlands, Diss.med.dent., Rostock 1967.
3
Bruhn, L. und Gerber, A.: Die Entwicklung der stomatologischen Betreuung in Mecklenburg
bis zum Ausgang des 19. Jahrhundert. In: Stomatologie der DDR 24 (1974), Berlin 1974, 8592.
8
Über diese Zielsetzungen hinaus soll dann, ausgehend von dem für das 19.
Jahrhundert in Mecklenburg-Strelitz festgestellten Stand der Entwicklung der
Zahnheilkunde, ihrer Regelung durch die Medizinalgesetzgebung und der
Umsetzung des damals vorhandenen Wissens zur Hygiene, untersucht
werden, wie sich die Hygiene in der zahnärztlichen Praxis bis heute
weiterentwickelt hat und welche Schlüsse daraus für die gegenwärtige
Medizinalgesetzgebung gezogen werden können. Für diese Untersuchung
wurden Gesetzes- und Verordnungstexte, Abhandlungen zur Geschichte der
Zahnmedizin und wissenschaftliche Publikationen insbesondere zur Hygiene
in der Zahnheilkunde sowohl aus der Zeit der ehemaligen DDR als auch der
BRD bis zur Gegenwart verwendet.
Durch das Fehlen von neueren Veröffentlichungen zur Zahnheilkunde in
Mecklenburg-Strelitz wurden hierfür fast ausschließlich ältere Primärquellen
und amtliche, zeitgenössische Publikationen verwendet.
Der Aktenbestand des früheren Mecklenburg-Strelitzer Landesarchivs befindet
sich seit der Aufhebung der Landesteilung in Mecklenburg-Schwerin und
Mecklenburg-Strelitz im Jahre 1934 im Landeshauptarchiv in Schwerin. Hier
liegen die Akten der ehemaligen Herzoglichen bzw. ab 1815 Großherzoglichen
Landesregierung und ihrer 1908 geschaffenen Ministerien bzw. deren
Vorgängerinstitutionen
und
Behörden.
Für
die
Zeit
vor
1812
sind
ausschließlich die Akten der Landesregierung bezüglich der Beantragung und
Erteilung von Konzessionen in diesem Archivbestand aussagekräftig. Von
1812 bis 1818 steht der Bestand der durch landesherrliche Verordnung 4 vom
22.
April
Verfügung.
1812
geschaffenen
Wegen
der
Medizinal-Examinations-Kommission
Erweiterung
des
Aufgabengebietes
ging
zur
mit
Verordnung vom 24. Februar 1818 5 aus dieser Kommission das MedizinalKollegium hervor. Die Akten und Berichtshefte der Medizinal-ExaminationsKommission ab dem Jahr 1812 und des Medizinal-Kollegiums ab 1818, soweit
diese erhalten sind, gehen fortlaufend ineinander über. Das MedizinalKollegium bestand bis 1908. Danach wurden seine Aufgaben durch das
4
5
Neue Strelitzische Anzeigen, 21 (1812), Neustrelitz 1812, 20.5.1812.
Stadtarchiv Neustrelitz: Rep. I /81, Verschiedene Verordnungen 1817-1860.
9
Ministerium für Geistliche-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, das
durch Verordnung vom 16. Dezember 1908 entstanden war, übernommen. 6
Der gesamte Bestand an Medizinalia bis 1766-1907 umfasst 3,8 laufende
Meter. 7 Ausgehend von den in amtlichen Publikationen genannten Namen von
Zahnärzten, insbesondere Hofzahnärzten, ist zu vermuten, dass es - wie bei
anderen den Mecklenburg-Strelitzer Bestand betreffenden Unterlagen - bei der
Umlagerung der Akten von Neustrelitz nach Schwerin 1934 und der teilweisen
Auslagerung während des 2. Weltkrieges zum Verlust einzelner Blätter oder
Bestände gekommen ist. So fehlen zum Beispiel die Berichte des
Medizinalkollegiums für die Zeit nach 1837, einige andere im Findbuch
verzeichnete Bestände erwiesen sich als leere Aktendeckel.
Den Benutzerunterlagen zufolge wurde seit der Verlagerung nach Schwerin
und der Neusignatur nach 1945 eine die Zahnärzte betreffende Akte durch
Reinhard Schilf für seine Dissertation eingesehen. Bei allen anderen benutzten
Beständen war der Verfasser dieser Arbeit der erste Benutzer. 8
Neben den Akten der Regierungsbehörden konnten deren Veröffentlichungen
in den entsprechenden Organen ermittelt werden:
-
im
Großherzoglich
Gesetzgebung
und
Mecklenburg-Strelitz´schen
Staatsverwaltung,
Anzeiger
herausgegeben
von
für
der
Regierungsregistratur in Neustrelitz, bzw. der Officiellen Beilage zu den
Neuen Strelitzischen Anzeigen bzw. den Mecklenburg-Strelitzischen
Anzeigen,
-
im
Herzoglich/Großherzoglich
Staatskalender
bzw.
dem
Mecklenburgischen
Hof-
und
Hof-
Staatshandbuch
und
des
Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz 9 ,
6
Röpcke, A.(Hrsg.): Die Bestände des Landeshauptarchivs Schwerin. Band 1: Urkunden und
Aktenbestände 1158-1945, Schwerin 1999, 311.
7
ebd., 312.
8
Zu jeder einzelnen Akte gehört ein Benutzerverzeichnis. Jeder Benutzer ist verpflichtet, sich
in dieses Verzeichnis einzutragen.
9
Der Herzoglich Mecklenburg-Strelitzsche Staatskalender (StK-MSt) erschien in Neustrelitz ab
1792 und unter diesem Titel bis 1815. Ein Jahrgang 1807 war nicht auffindbar. Ab 1816 bis
1872 erschien er als Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzischer Staatskalender, ab 1873 bis
1898 unter Hof- und Staatshandbuch des Grossherzogtums Mecklenburg-Strelitz, 1899-1909
unter Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzscher Staatskalender.
10
-
in den Neuen Strelitzischen Anzeigen und der Neustrelitzer Zeitung.
Außerdem
konnten
einige
Annoncen
von
Zahnärzten
und
anderen
Zahnbehandlern 10 in Zeitungen gefunden werden.
Der Erschließungsgrad der Akten insbesondere im Landeshauptarchiv
Schwerin und die damit verbundene Zugänglichkeit der Bestände sind
unterschiedlich. Für die Bestände der Landesregierung liegen Findbücher vor.
Ein guter Zugriff ist gewährleistet. Für einige nachgeordnete Behörden,
insbesondere
des
Fürstentums
Ratzeburg,
existieren
nur
Schlagwortverzeichnisse, so dass die Nutzung erschwert ist. Andere Bestände
sind völlig unsortiert und nicht zugänglich. Hierzu zählt u. a. der Bestand des
Militärkollegiums. 11
Der Bestand der übrigen genutzten Archive und Bibliotheken im Stadtarchiv
Neustrelitz, im Karbe-Wagner-Archiv Neustrelitz, in der Mecklenburgischen
Landesbibliothek Schwerin und in der Deutschen Staatsbibliothek Berlin ist
lückenhaft.
Das
gesamte
zugängliche
Archivmaterial
zur
Thematik
konnte
im
Landeshauptarchiv Schwerin und im Stadtarchiv in Neustrelitz eingesehen
werden.
Sämtliche verwendete Literatur und die genutzten Quellen sind im Quellenund Literaturverzeichnis im Anhang aufgelistet. Abbildungen sind laufend
nummeriert und die Herkunft im Abbildungsverzeichnis nachgewiesen.
10
Die Bezeichnung „Zahnbehandler“ oder „Behandler“ war im 19. Jahrhundert nicht üblich.
Der Verfasser dieser Arbeit benutzt diese Bezeichnungen aus praktischen Erwägungen für die
mit der Behandlung von Zähnen befassten Personen, ungeachtet ihrer Ausbildung.
Insbesondere soll nicht der Anschein erweckt werden, dass die für die jüdischen Zahnärzte
während des NS-Regimes 1939 eingeführte diskriminierende Bezeichnung „Zahnbehandler“
hiermit in Zusammenhang gebracht werden kann.
11
Schütt, C.: Familiengeschichtliche Quellen in den Mecklenburg-Strelitzer Beständen des
Mecklenburgischen Landeshauptarchivs Schwerin. In: Familiengeschichte in Norddeutschland,
41. Jg., 3 (1992), Berlin 1992, 119.
11
1.2
Methode
Anhand der archivarischen Quellen und Landesverordnungen werden die
während des 19. Jahrhunderts immer weiter steigenden gesetzlichen
Anforderungen an die mit der Zahnbehandlung betrauten Medizinalpersonen
in Mecklenburg-Strelitz und ihre Ausbildung insbesondere bis zum Jahre 1869
analysiert. Es wird weiterhin nach Nachweisen gesucht, ob der Stand der
Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert in Deutschland mit dem in MecklenburgStrelitz vergleichbar gewesen ist. Der Stand der Zahnheilkunde im 19.
Jahrhundert und der Erkenntnisstand auf dem Gebiet der Hygiene im 19. und
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden anhand von medizinischhistorischen
Darstellungen
Erkenntnisgewinn
auf
beleuchtet.
dem
Gebiet
Ebenso
der
wird
Hygiene
geprüft,
ob
der
Eingang
in
die
zahnmedizinische Praxis genommen hat. Die sich daran anschließende und
bis in die Gegenwart fortdauernde Entwicklung zunächst in den beiden
deutschen Staaten und danach im vereinigten Deutschland wird anhand der
Gesetzgebung und von Standardwerken untersucht und festgestellt, wie sich
die Hygieneanforderungen an die zahnmedizinische Praxis entwickelt haben.
12
2
Mecklenburg-Strelitz, Einführung in die Landesgeschichte
2.1
Die strukturelle und gesellschaftliche Entwicklung vom Beginn des
18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
Das Duodezfürstentum Mecklenburg-Strelitz 12 entstand im Jahre 1701. Es
ging nach dem Erbfolgestreit zwischen dem Herzog Friedrich Wilhelm von
Mecklenburg-Schwerin (1675-1713) 13 und dessen Onkel Adolph Friedrich
(1658-1708)
aus
Teilen
der
Herzogtümer
Mecklenburg-Güstrow
und
Mecklenburg-Schwerin hervor. Adolph Friedrich war der Schwiegersohn des
Herzogs Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow (1633-1695), der 1695
ohne männlichen Erben starb und ihn zum Nachfolger auf dem Güstrower
Thron bestimmte. Da das Land nach der letzten Teilung in Schwerin und
Güstrow bei Aussterben einer Linie wieder vereinigt werden sollte, kam es
zum Streit. Die beiden gegnerischen Parteien einigten sich im Hamburger
Erbvergleich vom 8. März 1701 auf die Teilung des Landes in MecklenburgStrelitz und Mecklenburg-Schwerin. Seit dem gliederte sich MecklenburgStrelitz 14 in zwei territorial voneinander getrennt liegende Teile: das Herzogtum
Strelitz, bestehend aus der Herrschaft Stargard, den Komtureien Mirow und
Nemerow, den Städten Neubrandenburg, Friedland, Woldegk, Wesenberg,
Stargard und Fürstenberg und der Residenz Strelitz (bzw. dazu ab 1733
Neustrelitz) einerseits und das Fürstentum Ratzeburg östlich der Hansestadt
12
Vgl. Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte
einer Region, Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001; Erstling, F., Saß, F., Schulze, E., und Witzke,
H. (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region Band 2, Friedland 2002;
Landesheimatverband Mecklenburg (Hrsg.): Vom Anfang und Ende Mecklenburg-Strelitzer
Geschichte, Friedland 2003; Lippert, R.: Das Großherzogliche Haus Mecklenburg-Strelitz,
Reutlingen 1994; Wilke, T.: Vaterlandskunde der Freistaaten Mecklenburg-Schwerin und
Mecklenburg-Strelitz, Güstrow o. J.; Vitense, O.: Geschichte von Mecklenburg, Gotha 1920;
Mayer, A.: Geschichte des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz von 1816-1890, Neustrelitz
1890.
13
angegeben sind jeweils die Lebenszeiten.
14
Mecklenburg-Strelitz ist seit 1994 in fast den historischen Grenzen von 1701 ein Landkreis
in Mecklenburg- Vorpommern.
13
Lübeck 15 andererseits. (Abb. 1) Die übrigen Landesteile bildeten seitdem das
Herzogtum Mecklenburg-Schwerin.
Abb. 1: Mecklenburg um die Jahrhundertwende 18./19. Jahrhundert.
An
der
territorialen
Gliederung
und
seiner
Struktur
sowie
am
Gesamtflächenbestand des Landes Mecklenburg-Strelitz hat sich zwischen
1701 und 1933 16 keine größere Veränderung vollzogen. Die Bevölkerungszahl
in Mecklenburg-Strelitz schwankte von 1701 und 1918 um ca. 70.000 bis
105.000 Einwohner.
Mecklenburg-Strelitz war in der gesamten Zeit als selbständiger Staat ein
Agrarstaat mit nur wenigen Manufakturen. Die Landbevölkerung und die
Ackerbürger der Kleinstädte bildeten die Mehrheit der Einwohner. Die einzigen
größeren Städte waren die 1733 gegründete Residenzstadt Neustrelitz und die
15
Lippert (1994), 3.
Im Jahre 1933 erfolgten die Auflösung von Mecklenburg-Strelitz und die Bildung des Gaues
Mecklenburg durch die Nationalsozialisten, die zum 1.1.1934 in Kraft traten.
16
14
1248 gegründete Stadt Neubrandenburg. Die übrigen Stadtgründungen im
Stargarder Land fallen in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts und sind
Kleinstädte mit einigen hundert bis wenigen tausend Einwohnern.
Trotz der Landesteilung blieben die beiden mecklenburgischen Staaten im 18.
Jahrhundert miteinander verbunden. Sie hatten einen gemeinsamen Landtag,
eine gemeinsame Kirchen- und Gerichtsordnung. Allerdings standen die
gemeinsam unterhaltenen staatlichen Institutionen mehrfach vor ihrer
Abschaffung, z.B. im Jahre 1748, als der Landtag 17 , bestehend aus der
Ritterschaft und den Stadtvertretern, die von den Herzögen angestrebte
vollständige staatliche Teilung ablehnte. 18
Die Entwicklung der Staatsorganisation vollzog sich in den beiden Teilstaaten
im 18. und 19. Jahrhundert ähnlich. Doch sowohl wegen der unterschiedlichen
Landesgröße und den damit verbundenen Notwendigkeiten der Infrastruktur
als auch wegen der unterschiedlichen Bevölkerungsanzahl konnten nicht alle
Neuerungen,
die
in
Mecklenburg-Schwerin
eingeführt
wurden,
sofort
übernommen werden. Das geschah zum Teil erst Jahrzehnte später - wie
zum Beispiel im Falle des Ministeriensystems der Landesregierung. In
Mecklenburg-Strelitz fehlte gänzlich eine mittlere Verwaltungsebene. Die
einzelnen Städte bzw. das dem Landesherrn gehörende Domanium 19 und die
ritterschaftlichen Güter unterstanden der Landesregierung unmittelbar. Die
Wirtschaft in Mecklenburg-Strelitz war im 18. Jahrhundert lange Zeit kaum
entwickelt. Die Landbevölkerung war arm.
Die geringe wirtschaftliche Bedeutung und militärische Stärke sowie der in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geringe diplomatische Einfluss des
Herzogs im deutschen Raum und in Europa machten das Land und seine
Bevölkerung zum Spielball der kriegführenden Mächte, wie z.B. während des
17
die sog. Union der Landstände.
die Auseinandersetzungskonvention auf Initiative Schwerins.
19
Das Domanium war persönliches Eigentum des Landesherrn und wurde in Domanialämter
unterteilt. Es umfasste etwa die Hälfte des Landesteils Strelitz bzw. Stargard und das
Fürstentum Ratzeburg.
18
15
Nordischen Krieges (1700-1721). Einquartierungen und Plünderungen durch
Truppenteile waren die Regel. Keine Militärmacht respektierte die Grenzen
des Herzogtums. Auch später, am Beginn des 19. Jahrhunderts, litt das Land
unter europäischen Auseinandersetzungen. Die napoleonischen Kriege 18061815 waren eine schwere wirtschaftliche Belastung. Zunächst versuchte der
Herzog neutral zu bleiben. Dennoch wurde Mecklenburg-Strelitz am
31.10.1806 von französischen Truppen besetzt. Doch trotz der militärischen
Niederlage wurde der Herzog nicht des Landes verwiesen. Seine Regierung
übte weiterhin die Exekutive aus. Im Jahre 1808 erfolgte der Anschluss an den
Rheinbund.
Die Bundesakte des Wiener Kongresses vom 28. Juni 1815 erhob die
regierenden Herzöge von Mecklenburg zu Großherzögen. Während der
Regierungszeit
des
Großherzogs
Georg
(bis
1860)
wurden
die
Staatsschulden reduziert, entstand 1820 in Mirow ein Lehrerseminar 20 ,
erfolgten die Aufhebung der Leibeigenschaft (1820) und die Einführung der
Schulpflicht (1826). Ebenso förderte Georg den Ausbau der Infrastruktur,
zunächst durch den Bau von Chausseen, später auch von Eisenbahnlinien.
Auf
kirchlichem
Gebiet
unterstützte
er
die
evangelisch-lutherische
Landeskirche. Die Ereignisse der Revolution von 1848/1849 in Berlin waren für
Mecklenburg-Strelitz wegen der engen wirtschaftlichen und politischen
Anlehnung 21 an das benachbarte Königreich von existenzieller Bedeutung,
wenngleich sich die Unruhen im Lande selbst in Grenzen hielten. Die
begonnenen
Reformen,
wie
der
Versuch
der
Einführung
einer
parlamentarischen Ordnung und einer Verfassung (Staatsgrundgesetz vom
3.8.1849) für ganz Mecklenburg, wurden durch die Strelitzer Regierung 1849
boykottiert. Denn hätte sie das Staatsgrundgesetz unterzeichnet, hätte dies die
Abschaffung des Ständeparlamentes sowie die Aufhebung der Landesteilung
und damit das Ende der politischen Existenz des Großherzogtums bedeutet.
20
Vgl. Bellmann, J.: Die Volksschulen. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.),
Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001,
497-502.
21
Mecklenburg-Strelitz gewährte u. a. die Thronfolge Preußens bei Aussterben des
Gesamthauses Mecklenburg.
16
Nach dem Tode Georgs 1860 folgte sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm
(1819-1904, reg. 1860-1904) auf dem Thron. Er war bereits im Alter von 37
Jahren durch einen Unfall fast völlig erblindet. Friedrich Wilhelm, war einer der
konservativsten und reichsten Fürsten Deutschlands. 22 Er hatte durch Studium
und Heirat eine starke Bindung an Hannover und Großbritannien. Wegen der
Militärpolitik Preußens kühlten sich die politischen Beziehungen zwischen
Berlin und Neustrelitz ab. Mittels demonstrativer Boykotthandlungen versuchte
die Mecklenburg-Strelitzer Regierung, die Bündnisverpflichtungen von 1815 23
und ab 1867 (gegenüber dem Norddeutschen Bund) 24 zu unterlaufen, z. B.
durch zu späte Mobilmachung. Doch dieses Vorgehen konnte die politische
Entwicklung
nicht
aufhalten.
Obwohl
Mecklenburg-Strelitz
formal
ein
souveräner Staat blieb, büßten der Großherzog und seine Regierung ihre
außenpolitische
Macht
vollständig
ein. 25
Die
Gesetzgebung
des
Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches ließ auch
innenpolitisch nur geringen Gestaltungsspielraum. Die Regierung war zum
großen Teil lediglich eine verwaltende Behörde. Unter den Nachfolgern
Friedrich Wilhelms, Adolph Friedrich V. (reg. 1904-1914) und insbesondere
während des I. Weltkrieges unter Adolf Friedrich VI. (reg. 1914-1918) wurde
auch ein großer Teil der Verwaltungstätigkeit durch übergeordnete Stellen des
Deutschen Reiches in Hamburg wahrgenommen.
2.2
Der Staatsaufbau und die innenpolitischen Machtverhältnisse im
19. Jahrhundert
Der Staatsaufbau in Mecklenburg-Strelitz hat sich in seinen Grundzügen im
Laufe des 19. Jahrhunderts nicht geändert. Die Gerichtsbarkeit, große Teile
22
Er hinterließ bei seinem Tode 1904 ein Vermögen von ca. 67 Millionen Mark durch
sparsame Haushaltspolitik und geschickte Geldanlage.
23
Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815. In: documentArchiv.de (Hrsg.), URL:
http://www.documentArchiv.de/nzjh/dtba.html, Stand: 15.09.2006.
24
Verfassung des Norddeutschen Bundes (16.04.1867) § 64. In: documentArchiv.de (Hrsg.),
URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/ndbd/verfndbd.html, Stand: 15.09.2006.
25
Vgl. Lippert, R.: Das Fürstenhaus von Mecklenburg-Strelitz. In: Landkreis MecklenburgStrelitz (Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region Band 1, Friedland,
2. Aufl., 2001, 171-191.
17
des Gesetzgebungsverfahrens sowie die Kirchenordnung und der Landtag
waren Bestandteil der durch den Hamburger Vergleich von 1701 und den
Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 geschaffenen gemeinsamen
Ordnung mit Mecklenburg-Schwerin.
An der Spitze des Staates stand der Herzog bzw. ab 1815 der Großherzog. Im
19. Jahrhundert gab es drei Großherzöge:
Großherzog Carl (1741-1816) regierte von 1794 bis 1816,
Großherzog Georg (1779-1860) regierte von 1816 bis 1860 und
Großherzog Friedrich Wilhelm (1819-1904) regierte von 1860-1904.
Der Großherzog war in einer Person Staatsoberhaupt, Kirchenoberhaupt und
Oberbefehlshaber
des
Militärkontingents
(ca.
1.100
Mann).
Das
Großherzogtum bestand aus zwei territorial getrennten Landesteilen:
- dem Herzogtum Strelitz, bestehend aus der Herrschaft Stargard sowie
den Johanniterkomtureien Mirow und Nemerow mit einer Fläche von ca.
2.550 km2 und
-
dem Fürstentum Ratzeburg mit einer Fläche von 379,5 km2.
Das Fürstentum Ratzeburg war nicht der ständestaatlichen Verfassung
unterworfen und hatte eine Sonderstellung innerhalb des Staates. Es besaß
bis 1814 eine eigene - fast autonome - Regierung und durchlief eine andere
wirtschaftliche und soziale Entwicklung als das Strelitzer Herzogtum. Es
gliederte sich in 18 Domainalpachthöfe, drei Allodialgüter und zuletzt zwei
Amtsbezirke. Wegen dieser Sonderstellung wird es in der weiteren
Untersuchung nur gelegentlich beachtet.
Dem Großherzog direkt unterstellt waren die obersten Landesbehörden. Sie
existierten jeweils sowohl in Neustrelitz als auch in Ratzeburg. Die
Ratzeburger Verwaltung wurde 1814 aufgelöst. 26 Oberste Behörde war die
26
Schütt (1992),114.
18
aus drei Staatsministern bestehende Großherzogliche Landesregierung. Die
Mitglieder der Regierung waren zumeist Beamte oder Juristen, die bereits eine
Laufbahn in der Verwaltung oder im Justizwesen absolviert hatten. Der
Landesregierung oblagen die Außenpolitik,
das Gesetzgebungsverfahren,
Justizhoheit und die innere Verwaltung. Außerdem gab es als oberste
Behörden die sog. Kammer, zuständig für Wirtschafts-, Finanz-, Domänen und Forstverwaltung sowie die Justizkanzlei. Dem Großherzog waren zudem
das für Kirchen- und Schulwesen zuständige Konsistorium (ab 1850), die
bevollmächtigten Minister (Botschafter) und Gesandten an anderen Höfen und
das Ordenskanzleramt direkt unterstellt.
Die
Landesregierung
schlug
dem
Großherzog
die
Schaffung
von
Fachkollegien, Kommissionen oder Departements als fachliche Berater vor,
deren Aufgaben in speziellen Ordnungen geregelt wurden. So hatten die
Kollegien außer der fachlichen Beratung der Regierung einen Verwaltungsund Aufsichtsauftrag wahrzunehmen. Zu den Ordnungen kamen Verträge mit
anderen deutschen Staaten oder ausländischen Regierungen, die nicht ohne
Einfluss auf die Arbeit der verschiedenen Gremien blieben, beispielsweise
beim Militärdepartment.
Die Kollegien, Kommissionen und Departments
wurden durch Verfügung des Großherzogs geschaffen oder aufgelöst. Er
unterstellte
Versorgung
sie
und
der
Landesregierung,
finanzielle
entschied
Ausstattung.
Die
über
ihre
Kollegien
materielle
waren
der
Landesregierung berichtspflichtig und ihrem Fachgebiet entsprechend einem
bestimmten Personenkreis gegenüber weisungsberechtigt.
Der Landesregierung unterstellt waren außer den sie beratenden Kollegien die
Bürgermeister der Städte und Vorsteher der Flecken, die Domanialämter und
das so genannte Kabinettsamt. Zwischen der obersten Verwaltungsebene, der
Landesregierung, und der untersten Ebene, den Bürgermeistern und
Amtsvorstehern, gab es keine mittlere Verwaltungsebene.
Außer den vier Domanialämtern und dem Kabinettsamt bestanden noch drei
ritterschaftliche Ämter. Die Ritterschaft wurde durch die Besitzer der
landtagsfähigen mecklenburgischen Güter gebildet. Die Gutsbesitzer übten die
19
unmittelbare Herrschaft über die in ihrem Gutsbezirk wohnenden Personen
aus und waren Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit.
Der
Hamburger
Erbvergleich
von
1701
hatte
Mecklenburg
zwar
in
Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz geteilt, aber das gemeinsame
Ständeparlament,
die
„Union
der
Landstände“,
festgeschrieben.
Der
Landesgrundgesetzliche Erbvergleich von 1755 bestätigte diese Ordnung und
schuf die gesetzliche Grundlage für die Machtverteilung in Mecklenburg. Es
war möglich, dass besondere Landtage nur für einen Landesteil abgehalten
wurden. Das Parlament konnte Gesetzesvorlagen einbringen, aber auch
Vorlagen der Regierungen und der Regenten billigen oder blockieren. Wurden
Gesetze und Verordnungen innenpolitischer Natur durch die Landesherren
ohne Beratung mit den Ständen erlassen, so waren diese Verfügungen für die
Ritterschaft nicht bindend. Auf diese Weise konnte die Ritterschaft sich jeder
Reform verweigern und ihre unmittelbare Macht konservieren. Ebenso konnte
ein Großherzog Verordnungen auch für den anderen Landesteil treffen, wenn
er in „hausvertragsmäßiger Kommunikation“ mit dem jeweils anderen
Regenten darüber Einigkeit erzielt hatte.
Eine Ausnahme in dieser Gewaltenteilung zwischen Landesherrn und Ständen
bildete das Fürstentum Ratzeburg. Es war vollständig Bestandteil des
Strelitzer Domaniums. Die Macht des Großherzogs und seiner Regierung war
dort nicht eingeschränkt. In unmittelbarer Nähe der großen Hansestädte
Lübeck und Hamburg, weit entfernt von der Landesregierung, vollzog sich hier
insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht eine Sonderentwicklung.
Der
Staatsaufbau
in
Mecklenburg-Strelitz
im
19.
Jahrhundert
war
gekennzeichnet durch einen monarchisch-repräsentativen Staat, in dem sich
der Monarch, die Gutsbesitzer und das Bürgertum die innenpolitische Macht in
ungleichem Verhältnis teilten. Die Landesregierung beriet den Monarchen und
ließ sich ihrerseits durch ihr untergeordnete Kollegien, Kommissionen und
Departments beraten. Diese wiederum hatten sowohl beratende Funktion bei
der Landesregierung als auch verwaltende und Aufsichtsfunktion über die
20
ihren Fachbereich betreffenden Belange im Lande, soweit nicht Interessen der
Ritterschaft berührt wurden.
2.3
Die Bevölkerungsstruktur im 19. Jahrhundert
Die Bevölkerungszahlen - insbesondere die der Städte - waren im Laufe des
Jahrhunderts
Schwankungen
unterworfen.
Nach
der
vorgelegten
Bevölkerungsstatistik 27 lebten im Jahre 1848 im Herzogtum Strelitz 80.374 und
im Fürstentum Ratzeburg 15.918 Personen 28 , im Herbst 1860 im Herzogtum
Strelitz 82.175 und im Fürstentum Ratzeburg 16.885 Personen 29 und am
1.12.1875 im Herzogtum Strelitz 79.330 und im Fürstentum Ratzeburg 16.343
Personen. 30
Die Bevölkerung des Herzogtums Strelitz lebte in drei verschiedenen sozialen
Zonen:
-
in den größeren Städten Neustrelitz und Neubrandenburg. 31 Neustrelitz
- als Haupt- und Residenzstadt - war der Sitz von Regierung,
Verwaltung
und
Handelsbürgertum
Behörden,
geprägte
Neubrandenburg
Stadt.
Im
Jahr
eine
1829
vom
zählte
Neubrandenburg ca. 6.000, Neustrelitz ca. 5.000 Einwohner. Bis zum
1.12.1875 wuchs die Einwohnerzahl beider Städte auf
insgesamt
16.020.
27
Die Zahlenangaben zur Bevölkerungsstatistik wurden jeweils im Jahrgang des zweiten
Folgejahres im Hof- und Staatshandbuch des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz
veröffentlicht, z. T. mit 10-Jahres-Übersicht.
28
StK-MSt, 1860, 190.
29
StK-MSt, 1862, 192.
30
StK-MSt, 1877, 5. Teil, 10.
31
Vgl. Die Städte. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge
zur Geschichte einer Region, Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001, 253-319.
21
-
in kleineren Städten, zu denen Friedland, Woldegk, Fürstenberg,
Wesenberg, Stargard und Strelitz gehörten. 32 Diese Orte wiesen 1875
jeweils eine Bevölkerungszahl zwischen ca. 1.500 und 5.000 auf und
hatten zusammen 16.750 Einwohner, vorwiegend
Handwerker und
Ackerbürger, die vor den Stadttoren Äcker, Wälder und Scheunen
besaßen und bewirtschafteten. In diese Kategorie fällt auch der als
„Nebenresidenz“ des Fürstenhauses dienende Flecken Mirow, der erst
1920 zur Stadt erhoben wurde.
-
auf dem Lande. Dieser Teil der Bevölkerung lebte entweder im
Domanium oder auf einem Gebiet, das zum Kabinettsamt oder zu
einem Rittergut gehörte. 1875 waren das 30.843, 983 beziehungsweise
14.734
Einwohner. 33
Die
Größe
der
Orte
und
die
soziale
Zusammensetzung der Bevölkerung waren sehr verschieden. Zum Teil
handelte es sich nur eine kleine Ansammlung von Häusern, z.B. um
eine Glashütte, zum Teil um Gutsdörfer.
Insgesamt wohnten 1875 ca. 58,7% der Bevölkerung auf dem Land und 41,3%
in den Städten.
Georg
im
Nach Aufhebung der Leibeigenschaft durch Großherzog
Jahre
1820
setzte
eine
nur
geringe
Landflucht
und
Auswanderungsbewegung ein. Die größere Bevölkerungswanderung vom
Land in die Städte - und hier vor allem nach Neustrelitz, das seine
Bevölkerungszahl von 1800 bis 1875 etwa verdoppelte - begann erst am Ende
der sechziger und Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts.
Mecklenburg-Strelitz war derjenige Bundesstaat des Norddeutschen Bundes
und
später
des
Deutschen
Reiches,
der
mit
31
Einwohnern
je
Quadratkilometer (1875) am dünnsten besiedelt war.
Die Bevölkerung war überwiegend evangelisch-lutherischen Glaubens und
gehörte der Mecklenburgischen Landeskirche an. In Mecklenburg-Strelitz gab
32
Vgl. Die Städte. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge
zur Geschichte einer Region, Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001, 253-319.
33
StK-MSt, 1877, 5. Teil, 10.
22
es zwei jüdische Gemeinden, und zwar in Strelitz und Fürstenberg. 1825
hatten sie zusammen 686 Mitglieder 34 und unterstanden dem besonderen
Schutz des Landesherrn. Den aus ihren Reihen stammenden Zahnärzten
wurden sogenannte „Schutzbriefe“ ausgestellt. 35
34
StK-MSt, 1827, 149.
Vgl. Witzke, H.: Die Juden in Mecklenburg-Strelitz. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz
(Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1, Friedland, 2.
Aufl., 2001, 485-496.
35
23
3
Stand und Entwicklung der Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert bildete sich die zahnärztliche Tätigkeit in Abgrenzung zu
anderen medizinischen und handwerklichen Berufen als eigenständiger Beruf
heraus. Stärker als in den vorangegangenen Jahrhunderten entwickelten sich
auch Behandlungsmethoden, Instrumente und Material.
3.1
Chirurgische Behandlungen und Instrumente
Der Schmerz führte die Patienten zu den Zahnbehandlern. Ihn schnell und
möglichst ohne große Kosten zu bekämpfen, war Ziel der Behandlung. Die
effektivste Art, den Schmerz zu besiegen, war die Extraktion erkrankter Zähne.
Das Bedürfnis nach einem ästhetischen Gebiss war zu damaliger Zeit nicht
sehr stark ausgebildet. Die zahnärztliche Chirurgie war die am häufigsten von
den Zahnärzten ausgeübte Disziplin der Zahnheilkunde bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts.
Eine Stunden dauernde Entfernung der Karies mit Handbohrern und
Exkavatoren oder das Legen einer Füllung - insbesondere mit Gold - konnten
große Teile der Bevölkerung nicht bezahlen.
Das Ziehen schadhafter Zähne war im 19. Jahrhundert nicht nur den
Zahnärzten, sondern auch den Ärzten und Wundärzten gestattet. 36 Es wurde
aber
auch
von
„Zahnbrechern“
ausgeübt. 37
Erst
nach
Erlass
der
Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund 1869 entwickelte sich
hauptsächlich aus Zahnkünstlern und Zahntechnikern der Dentistenstand. 38
Auch den Dentisten war die Durchführung der Zahnextraktion erlaubt.
36
Vgl. Medizinalordnung für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin vom 18. Februar
1830; Medizinal-Ordnung für das Herzogthum Mecklenburg-Strelitz vom 3. Juni 1840.
37
Hoffmann-Axthelm, W.: Die Geschichte der Zahnheilkunde. Berlin, 2. Auflage,1985, 369.
38
Bachmann, A.: Zahnkünstler, Dentisten und die Zahnkünstler-Innung in Berlin (1884-1924).
In: Zahnarzt & Praxis 6 (2003), 6-10.
24
Die bedeutendsten Instrumente für die Entfernung von Zähnen waren zur
Jahrhundertwende 18./19. Jh. der Pelikan 39 , der Überwurf, die Zahnzange, der
Schlüssel und der Geißfuß. 40 Hinzu kam die Wurzelschraube, die 1803 zuerst
von Serre (1759-1830) erwähnt worden ist. 41 Mit ihr konnte man ein
Schraubengewinde in einen Wurzelrest eindrehen und so die Extraktion
vornehmen.
Pelikan, Überwurf und die damals gebräuchlichen Zahnzangen waren sehr
problematische Instrumente, die den anatomischen Gegebenheiten wenig
angepasst waren und bei rabiater Nutzung oft zu Beschädigungen der
Nachbarzähne und des Zahnfleisches führten.
Die Zahnzangen wurden insbesondere in den vierziger Jahren des 19.
Jahrhunderts durch den englischen Zahnarzt John Tomes (1815-1895) in ihrer
Form der Anatomie des Zahnes angepasst, d. h. der Zahnarzt benutzte
möglichst für jede Zahngruppe des Ober- und Unterkiefers eine spezielle
Zange. Durch diese Vervollkommnung der Extraktionsinstrumentarien wurde
erreicht, dass das Ziehen der Zähne etwas weniger schmerzhaft als mit dem
Pelikan wurde und Komplikationen während und nach Extraktionen seltener
auftraten. Vor allem aber erleichterten die verbesserten Instrumente die Arbeit
des Zahnarztes.
Obwohl die narkotisierende Wirkung von Lachgas und auch von Ether bereits
vor dem 19. Jahrhundert bekannt war, hielt die Anwendung dieser Mittel erst
in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts Einzug in die Medizin und die
Zahnheilkunde.
So fand die erste Ethernarkose im Januar 1842 in Rochester statt, als einer
jungen Frau ein Zahn entfernt wurde. 42 Der amerikanische Zahnarzt Horace
Wells (1815-1848) ließ sich am 11. Dezember 1844 mit Lachgas betäuben. Er
empfand keinen Schmerz, als ihm sein Kollege John M. Riggs (1811-1885)
39
Der Pelikan erhielt seinen Namen vermutlich wegen seiner Ähnlichkeit mit der Schnabelform
des Tieres. Vgl. Sudhoff, K.: Geschichte der Zahnheilkunde. Leipzig, 2. Auflage, 1926.
40
Hoffmann-Axthelm (1985), 369.
41
ebd., 370.
42
ebd., 376.
25
einen Molaren zog, spürte aber, dass ihm ein Zahn extrahiert wurde. Ebenso
wurden etwas später - 1846 - von William Morton (1819-1868) Versuche mit
Schwefelether unternommen. 43
Für die Inhalation der Betäubungsmittel
wurden Atemmasken hergestellt.
Auch die in Frankreich von Eugéne Souberain (1793-1858) im Jahre 1831
entdeckte narkotisierende Wirkung des Chloroforms fand in Medizin und
Zahnmedizin Anwendung.
Bei allen genannten Narkosearten dauerte die Wirkung nur wenige Minuten,
doch die Lachgasnarkose hatte gegenüber den anderen Betäubungsverfahren
den Vorteil, dass bei ihrer Anwendung eine geringere Zahl von Todesfällen
vorkam. Der Zahnarzt Grohnwald inserierte 1869 in der Neustrelitzer Zeitung:
„Zahnextraktionen werden unter Anwendung des Nitrogenprotoxyd schmerzlos
ausgeführt.“ 44
Neben der Narkose suchte man nach Mitteln und Wegen für eine
Lokalanästhesie. Eine der Methoden war die Unterkühlung. Mit verschiedenen
Apparaten, meist einer Art Kältebeutel oder Schlauch, wurde das Gebiet um
den zu extrahierenden Zahn stark abgekühlt. Radikaler ging der Engländer
Benjamin Richardson (1828-1896) vor. 1866 erfand er eine Spritze, mit der
Ether auf die gewünschte Stelle appliziert und so eine enorme Abkühlung
dieses Bereichs erreicht wurde. Alle bis zu dieser Zeit genutzten Methoden
waren äußerlich anzuwenden. Es erfolgte keine Injektion und ein aseptisches
Vorgehen war daher nicht unabdingbar.
Drei Sachverhalte veränderten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das
Vorgehen bei der Schmerzstillung:
•
die Erfindung der Hohlnadel 1853 45 ,
•
die Erkenntnis, dass Krankheitserreger durch Desinfektion (1847 mit
Chlorkalklösung durch Semmelweis) und Antiseptik (1867 Methode der
43
Stroemgren, H.L.: Die Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert. Kopenhagen 1945, 107.
Neustrelitzer Zeitung Nr. 75 (1869), Neustrelitz, 7.7.1869, 3.
45
durch Alexander Wood (1817-1884) in Edinburgh, Stroemgren (1945), 133.
44
26
Wundreinigung mit Karbolspray nach Lister) abgetötet werden können 46
und
•
die Entdeckung der schmerzstillenden Wirkung des Extrakts aus den
Blättern des südamerikanischen Koka-Strauchs 1870 durch französische
Ärzte.
Mit der subkutanen Injektion konnte das schmerzstillende Mittel direkt in das
Operationsgebiet
injiziert
werden.
Von
der
ersten
zahnärztlichen
Leitungsanästhesie des Nervus mandibularis wurde am 1. Dezember 1880
aus den USA berichtet. Kokain rief jedoch - wenn auch nicht bei der
Zahnbehandlung - Vergiftungserscheinungen hervor, sodass in vielen
Publikationen am Ende des 19. Jahrhunderts vor dem Einsatz des Kokains
gewarnt wurde. Viele Behandler wandten sich daraufhin von Injektionen ab
und kehrten zu Ether bzw. Chloroform zurück. Erst mit der Entdeckung des
Novocain-Suprarenin 1905 wurde dieser Prozess wieder umgekehrt.
Die Erkenntnisse Listers führten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zur
schrittweisen Einführung der Antiseptik und Aseptik in den zahnärztlichen
Alltag. Die Zahnzangen konnten nun sterilisiert werden und stellten so für den
Patienten keine Infektionsquelle mehr dar. Die Füllungstherapie wurde
sicherer, nachdem die rotierenden Instrumente keine Unreinheiten mehr in die
Kavität
brachten.
Damit
konnten
erstmals
Pulpa-
und
Wurzelkanalbehandlungen erfolgreich durchgeführt werden. Die Umsetzung
speziell der Maßnahmen der Antiseptik in der Zahnheilkunde dauerte jedoch
mehrere Jahrzehnte. 47
Bereits vor dem 19. Jahrhundert war versucht worden, Zähne von Mensch zu
Mensch zu transplantieren. 48 Doch die in Unkenntnis immunologischer
46
Weuffen, W., Oberdoerster, F. und Kramer, A.: Krankenhaushygiene. Leipzig, 2. Aufl., 1981,
30.
47
Stroemgren (1945), 201 und 202.
48
Transplantation eines Zahnes nach Extraktion bei einem anderen, lebenden Menschen
(homolog) bzw. die Verwendung von Leichenzähnen kamen vor. Vgl. Hoffmann-Axthelm
(1985), 261 und 265.
27
Abwehrreaktionen,
Krankheitsübertragung
durch
Bakterien
und
steriler
Arbeitsweise vorgenommenen Transplantationen führten zu Infektionen. Nach
der Einführung der Antiseptik und der Anästhesie erlebte die Replantation und
Transplantation von Zähnen eine Renaissance. 49
Replantationen wurden vor allem nach Unfällen, aber auch nach Extraktion
von Zähnen mit Parodontitis apicalis chronica vorgenommen. Der Zahn wurde
extrahiert, gereinigt, aufgebohrt, die gegebenenfalls entzündete Wurzelspitze
abgesägt und mit Goldkappen versehen. Danach wurde der Zahn in dieselbe
Alveole wiedereingesetzt.
Die Methode der Transplantation eines Zahnes in die Alveole eines gerade
verlorenen oder extrahierten Zahnes wurde unter anderem von William
Morrison
(1824-1896)
zwischen
1874
und
1896
angewandt.
Die
Infektionsrisiken schienen nach der Vorbehandlung des Transplantats gering,
jedoch warnte man vor der „Organspende“ von z.B. tuberkulösen Personen. 50
Im ausgehenden 19. Jahrhundert verbreitete sich schließlich auch die
Implantation von künstlichen Zähnen. Hierzu war es erforderlich, in den Kiefer
eine Alveole zu bohren und den künstlichen Zahn zu implantieren. Das
Infektionsrisiko konnte hierbei kaum größer sein als bei der Transplantation.
Der amerikanische Zahnarzt Low zeigte 1888 im Selbstversuch die
Implantation eines künstlichen Zahnes mit einer offenen Platinwurzel und einer
Porzellankrone an die Stelle, an der ihm vor 15 Jahren der obere erste Molar
extrahiert worden war. 51
Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) sowie in den Kriegen Preußens
gegen
Österreich
traumatischer
(1866)
und
Frankreich
Kieferbrüche
(1870)
durch
kam
eine
Vielzahl
Kieferschussbruch-
oder
Säbelhiebverletzungen vor. Ihre Behandlung führte zur Weiterentwicklung der
Schienungsmethoden.
Zunächst
wurden
zumeist
interdentale
Kautschukschienen zum Fixieren der Bruchteile verwendet. Die Schienen
49
Stroemgren (1945), 213.
ebd., 213-216.
51
ebd., 215.
50
28
wurden mit Ligaturen an den Zähnen befestigt. Später kamen dentale
Kautschukschienen, Drahtschienungen und interdentale Kieferverbände auf. 52
3.2
Prothetische Versorgung
Am Ausgang des 18. Jahrhunderts wurden als Zahnersatz vielfach
handgeschnitzte Prothesen z. B. aus einer Elfenbeinbasis mit Tier- oder
Menschenzähnen verwendet. 53
Vor allem zu Beginn
des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse an der
Zahnersatzkunde besonders stark zu. Die Methode der Zahnerhaltung war
noch sehr unvollkommen. Deshalb war die Extraktionstherapie die sichere
Alternative zur zahnerhaltenden Behandlung. Hinzu kam, dass anfangs für die
Herstellung von Prothesen allein handwerkliches Geschick und Überlegung
ausschlaggebend für einen Behandlungserfolg gewesen sind. Eine fundierte
theoretische Ausbildung der Zahnärzte wurde erst im Laufe des 19.
Jahrhunderts durchgesetzt.
Für die Prothesen wurden vor allem Material von Tieren (Nilpferd, Elfenbein,
Walross, Kuh) und menschliche Zähne verwendet. Tierzähne haben den
Nachteil,
dass
Zahnfarbspektrum
die
Zahnfarbe
übereinstimmt
nur
und
schlecht
mit
dem
menschlichen
eine langjährige Haltbarkeit nicht
gegeben ist. Wesentlich haltbarer waren Menschenzähne. Während im 18.
Jahrhundert ärmere Leute ihre Zähne verkauften, damit für reiche Patienten
Prothesen mit Menschenzähnen angefertigt werden konnten, kam dies im 19.
Jahrhundert nicht mehr so häufig vor. 54 In der Regel verwandte man die
Zähne von Toten für die Herstellung von Prothesen. Auf den Schlachtfeldern
der napoleonischen Kriege war die Beschaffung von Leichenzähnen junger
Soldaten kein Problem. In Friedenszeiten wurde diese Art von „Organspende“
52
Diepgen, P.: Geschichte der Medizin, II. Band: 2. Hälfte. Berlin, 2. Auflage, 1965, 260.
Stroemgren (1945), 11.
54
ebd., 12.
53
29
vor allem durch Krankenanstalten praktiziert 55 , auch ein Umstand, der zur
Übertragung
von
Infektionskrankheiten
führen
musste.
Hygienische
Erkenntnisse, die in die zahnärztliche Praxis hätten einfließen können, fehlten.
Der Ersatz durch Leichenzähne war bis in die zweite Hälfte des
19.Jahrhunderts verbreitet. 56 Mit dem Aufstreben des Bürgertums und seiner
wachsenden Rolle in der Gesellschaft stieg der Bedarf an Zahnersatz. Auch
die hygienischen Unzulänglichkeiten und die quantitativ beschränkten
Reserven des bisher verwendeten Materials führten zur Suche nach
Alternativen.
Im 17. Jahrhundert war es in Frankreich gelungen, Weichporzellan
herzustellen. Im Jahre 1708 wurde durch
Johann Böttger (1682-1719) im
Auftrage des Polenkönigs und sächsischen Kurfürsten August II. (1670-1733)
weißes Porzellan erstmals in Europa hergestellt. Den ersten Versuch,
Prothesenzähne und Prothesenbasis aus Porzellan herzustellen, unternahm
der französische Apotheker Alexis Duchateau (1714-1792) im Jahre 1776 mit
Hilfe eines Porzellanfabrikanten. 57
Der Nachteil des Porzellans besteht darin, dass es nicht sehr bruchfest ist und
dem z. T. enormen Kaudruck nicht standhält. Das war umso gefährlicher, da
als Prothesenbasis dasselbe Porzellan verwendet wurde. Die Basis konnte
zerbrechen
und
es
klirrte
im
Mund
beim
Kauen
und
Sprechen.
Porzellanprothesen waren demzufolge nur für die Ästhetik, nicht aber für die
Nahrungsaufnahme geeignet. Hinzu kam, dass Porzellan beim Brand
schrumpft,
die
Abformmaterialien
unzureichend
waren,
eine
gute
Passgenauigkeit der Prothesen dadurch nur schwer zu erreichen war und die
Zahnaufstellung freihändig vorgenommen wurde. Die Prothesen besaßen nicht
die erforderliche Innen- und Außenventilwirkung, sondern wurden vielfach
durch eine für die Schleimhaut nicht ungefährliche Federkonstruktion gegen
die Kiefer gedrückt. 58 Der Okkludator war erst eine Erfindung des 19.
55
Stroemgren (1945), 13 und 15.
ebd., 14-15.
57
Besombes, A.: Die Zahnmedizin vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. In: Illustrierte
Geschichte der Medizin Band 6, Augsburg 2000, 2975-3001.
58
Ring, M.E.: Geschichte der Zahnmedizin. Köln 1997, 211.
56
30
Jahrhunderts. 59
So konkurrierten Leichenzähne und Porzellanzähne als
Zahnersatzmaterial, nachdem Tierzähne sich als unzureichend erwiesen
hatten.
Erst die Weiterentwicklung der Mineralzähne verdrängte die Leichenzähne.
Diese Entwicklung bestand darin, dass die Zähne einzeln hergestellt und an
einer Silber- oder Goldbasis mit Schrauben oder Metallstiften befestigt wurden.
Im Jahre 1837 brachte der Engländer Ash Rohrzähne auf den Markt. Über ein
an der Okklusalfläche bzw. bei Frontzähnen an der Palatinalfläche
beginnendes Röhrchen war die Befestigung des Prothesenzahnes an der
Basis möglich.
Als Prothesenbasis dienten am Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem
Elfenbein oder Nilpferdzähne, die mit großem handwerklichem Geschick
geschnitzt und an das Prothesenlager angepasst wurden. Ebenso fanden
gestanzte Platten aus Gold und Platin Anwendung, die sehr kostspielig waren
und sich deshalb nicht durchsetzen konnten. Edward Hudson (1772-1833)
stellte 1820 in Philadelphia erstmals Prothesenbasen aus Zinn her. Das hohe
Gewicht der Zinnbasis ließ die Verwendung nur im Unterkiefer zu. Ebenso
wurde versucht, Aluminium (Berthé 1858) oder Zelluloid 60 (Mac Intosh 1859) 61
als Prothesenbasis zu verwenden.
Der Halt der Prothesenbasis am Prothesenlager hängt entscheidend von der
Passgenauigkeit
ab.
Bereits
Philipp
Pfaff
(1713-1766)
hatte
das
Prothesenlager mit Siegelwachs, dessen Hauptbestandteil Bienenwachs war,
abgeformt und den Abdruck mit Gips ausgegossen. Um 1840 wurde der
Gipsabdruck eingeführt und 1856 erfand Charles Stent (1807-1885) eine
Kompositionsmasse für die Abdrucknahme. Die Adhäsion der Prothese konnte
durch die genauere Anpassung der Basis an das Prothesenlager entscheidend
verbessert werden. Im Jahre 1864 beschrieb der Zahnarzt Johann Joseph
Schrott (1822-1899) erstmals eine Methode des Funktionsabdrucks. Nach
59
Hoffmann-Axthelm (1985), 300.
Hergestellt aus Nitrozellulose und Kampfer. Anfangs häufig verwendet, konnte es sich
wegen fehlender dauerhafter Mundbeständigkeit nicht durchsetzen.
61
Besombes (2000), 2993.
60
31
Wachsabdrücken wurden individuelle Löffel gestanzt. Die Löffel wurden mit
Guttapercha beschickt und der Patient musste Funktionsbewegungen
durchführen. 62
Für die Befestigung von partiellen Prothesen am Restzahnbestand wurden
Bandkonstruktionen durch gebogene und gegossene Klammern abgelöst.
Charles Goodyear (1800-1860) entdeckte 1839 in den USA, dass durch
Erhitzen eines Schwefel-Kautschuk-Gemisches die Qualität der Vulkanisation
erheblich verbessert werden konnte. Er führte diesen Kautschuk als
Prothesenbasis in die Zahnheilkunde ein (US-Patent für Charles Goodyear,
3.3.1855). 63
Die Herstellung von Zahnersatz wurde dadurch erheblich
erleichtert. Ebenso erleichterte die Vervollkommnung der Artikulatoren die
Aufstellung von Prothesenzähnen. Der Okkludator wurde bereits 1805 von
Jean Baptiste Gariot geschildert. Den ersten brauchbaren Artikulator stellte im
Jahre 1864 William Bonwill (1833-1899) vor (Abb. 2). 64
Abb. 2: Der Bonwill-Artikulator
Am Ausgang der 19. Jahrhunderts wurden Prothesen vor allem aus
vulkanisiertem Kautschuk und Mineralzähnen hergestellt.
62
Hoffmann-Axthelm (1985), 293-296 und 300; Stroemgren (1945), 31-32.
Stroemgren (1945), 27.
64
Hoffmann-Axthelm (1985), 301-302.
63
32
Der Zahnersatz nach der Extraktion von Zähnen machte einen großen Teil der
Arbeit des Zahnarztes im 19. Jahrhundert aus. Gleichwohl wurden auch
Kronen, insbesondere Stiftzahnkronen, gefertigt. Als Stiftmaterial wurden
Hickoryholz, aber auch Metalle verwendet, für die Kronen nahm man Gold. In
den USA begann man ab 1841 auch Porzellan für Vollkronen zu verwenden. 65
3.3
Konservierende Zahnheilkunde
Das Füllen schadhafter Zähne, insbesondere im Seitenzahnbereich, war im 18.
Jahrhundert nicht sehr weit verbreitet. Die Behandlung erstreckte sich
weitgehend auf das Entfernen von erkrankten Zähnen und deren Ersatz durch
Prothesen. 66 Hinzu kam, dass vor der Einführung rotierender Instrumente im
19. Jahrhundert die Entfernung der Karies mit Exkavatoren und Feilen eine
mühsame Arbeit war und Patient und Behandler viel Geduld abverlangte.
Zudem
fehlte
aufgrund
der
am
Anfang
des
19.
Jahrhunderts
oft
unzureichenden Ausbildung der Zahnbehandler die technische Qualifikation
zur Zahnerhaltung. Da es außerdem mit der Extraktionstherapie eine andere
Erfolg versprechende Methode der Schmerzbehandlung gab und das
ästhetische Empfinden weiter Bevölkerungsschichten wenig ausgeprägt war,
bestand meist auch nicht die Notwendigkeit der Zahnerhaltung. Die
unzureichenden Möglichkeiten der vollständigen Entfernung der Karies
eröffneten zudem nur eine geringe Aussicht auf dauerhafte Schmerzfreiheit.
Die Karies an den Frontzähnen wurde mangels eines haftenden Füllmaterials
durch Feilen behandelt. 67 Es wurde versucht, den vestibulären Schmelz
möglichst zu erhalten und von oral die Karies auszufeilen, wobei die
Frontzähne nicht soweit abgefeilt werden sollten, dass sie keinen Kontakt mehr
miteinander hatten. Dadurch wurde das Zusammenrücken der Zähne nach
65
Stroemgren (1945), 34.
Stroemgren (1945), 44.
67
Stroemgren (1945), 45-47.
66
33
dem Feilen vermieden. Die entstehenden Hohlräume mussten nach jeder
Nahrungsaufnahme gereinigt werden.
Der amerikanische Zahnarzt Robert Arthur (1819-1880) vertrat die Auffassung,
dass das Füllen der Zähne weniger erfolgreich sei als das Feilen. Er war der
Ansicht, dass das Feilen der Seitenzähne ebenso erfolgreich sein konnte wie
das der Frontzähne, wenn die Kavität nur genügend geglättet und damit ein
Anhaften von Speiseresten vermieden wird. Dies sollte aber nur dann
geschehen, wenn die Kavität noch nicht allzu tief war, denn dann sollte es
gefüllt werden. 68
Als Füllungsmaterialen standen im 19. Jahrhundert zur Verfügung:
•
Gold, Zinn und Platin insbesondere als Folien,
•
Silber,
•
Blei, das ab 1815 z. B. in Preußen nicht mehr für Zahnfüllungen verwendet
werden durfte,
•
Zemente,
•
Elfenbein, Walrosszahn, Nilpferdzahn und andere Tierzähne.
Das Füllen einer Kavität mit tierischen Materialien nannte man Fournieren.
Callman Jacob Linderer (1771-1840) schilderte in seinem 1834 in Berlin
erschienenen Buch „Lehre von den gesamten Zahnoperationen“ 69 seine
Methode des Fournierens so: Nach dem kreisrunden Entfernen der Karies wird
ein Gewinde in die Kavitätenwände geschnitten, ebenso ein passendes
Gewinde an einem Stift aus Walrosszahn hergestellt und der Stift
eingeschraubt. Der überstehende Anteil des Stifts wird mit einer Feile entfernt.
Wenn die Kavität zu klein ist, um ein Gewinde zu schneiden, kann die Haftung
durch Presspassung erreicht werden. Er beschrieb auch die Methode, einen
Abdruck von der Kavität anzufertigen und den Stift danach herzustellen, eine
dem heutigen Insert-Verfahren 70 ähnliche Technologie.
68
Stroemgren (1945), 47.
Linderer, C.J.: Lehre von den gesamten Zahnoperationen. Berlin 1834.
70
Das heutige Insert-Verfahren, bei dem mit diamantierten Ultraschall-Ansätzen präpariert und
danach konfektionierte Keramikinlays eingeklebt werden, funktioniert im Wesentlichen nach
ähnlichem Prinzip.
69
34
Das Füllen oder Plombieren der Zähne erfolgte am Anfang des 19.
Jahrhunderts
oft
mit
Blei
(Plumbum),
bis
dies
wegen
seiner
gesundheitsschädigenden Wirkung untersagt wurde. Bereits kurz nach dem
Legen der Füllung oxidierte das Füllungsmaterial, färbte sich schwarz und
wurde unansehnlich. 71 Auch aus diesen Gründen ging man zu Zinn-, Goldund Platinfolien über, die zusammengerollt und unter Druck mit einem Stopfer
in die Kavitäten eingebracht wurden. 72 Die Kavität musste unter sich gehend,
d.h. so gestaltet werden, dass die Fläche am Boden etwas größer als an der
Okklusionsfläche war, um das Material zu verankern. Etwas Materialüberstand
okklusal gewährleistete das Einpressen des Füllmaterials durch den Kaudruck.
Im Jahre 1840 entdeckte der amerikanische Zahnarzt Amos Westcott (18151873) durch einen Zufall die Kohäsivität des Blattgoldes 73 und machte sie sich
zunutze, indem er nicht wie bisher das Blattgold zu Rollen und Kugeln formte,
bevor er sie in die Kavität einbrachte, sondern das Blattgold Schicht für Schicht
einpresste. 1861 wurde von William Atkinson (1815-1891) ein Hammer zum
Kondensieren der Goldfüllung eingeführt. 74 Die Wahl des Materials richtete
sich damals wie heute nach dem Geldbeutel des Patienten.
Von größter Bedeutung für das Einbringen der Füllungen aus Metallfolien war
die Trockenheit im Mund. Zwischen die einzelnen Schichten des Materials
durfte kein Speichel gelangen. Mit Servietten, Watte und der 1854 von Robert
Arthur (1819-1880) erfundenen Spuckpumpe - die vielfach modifiziert worden
ist - versuchten die Zahnärzte das Arbeitsfeld trocken zu halten. 75 Die
Einführung des Kofferdams 1864 durch Sanford Barnum (1838-1885) stellte für
die Füllungstherapie eine wesentliche Erleichterung dar (Abb.3). 76 In den
Kofferdam, ein elastisches Gummituch, werden Perforationen gestanzt und es
wird über die zu behandelnden und deren benachbarten Zähne positioniert.
Mit Zahnseide oder speziellen Kofferdamklammern wird der Spanngummi an
71
Stroemgren (1945), 54.
Hoffmann-Axthelm (1985), 326-327.
73
Stroemgren (1945), 265.
74
Hoffmann-Axthelm (1985), 326.
75
Stroemgren (1945), 57.
76
Hoffmann-Axthelm(1985), 327.
72
35
den Zahnhälsen befestigt. Der Speichel beeinträchtigt die Behandlung nun
nicht mehr.
Die Kavitäten im Frontzahnbereich, die durch Feilen nicht zu behandeln waren,
aber bei denen eine unter sich gehende Kavitätenform gestaltet werden
konnte, wurden auf die gleiche Weise gefüllt. War dies nicht möglich, blieb im
sichtbaren Bereich nur die Möglichkeit des Kaschierens der Kavität mit hellen
Wachs- oder Harzmassen, deren Haltbarkeit nicht von Dauer war.
Abb. 3: Anlegen von Kofferdam
Das Legen einer Goldfüllung nach den oben beschriebenen Methoden dauerte
sehr lange und erforderte viel Geduld von Zahnarzt und Patient. Bis zu sechs
Stunden konnte eine derartige „Goldoperation“ in Anspruch nehmen. Während
des Füllens musste stets auf die Trockenheit der Kavität geachtet werden. Es
war nur zu verständlich, dass die Zahnärzte nach einer Möglichkeit suchten,
diese Arbeit zu erleichtern.
Für einige Zeit wurde Darcet´s Metall zum Füllen von Frontzähnen verwendet.
Im Jahre 1806 hatte wahrscheinlich Joseph Fox (1766-1816) als erster dieses
Metall empfohlen. Der französische Zahnarzt Louis Regnart (1780-1847)
beschrieb dessen Zusammensetzung mit acht Teilen Wismut, fünf Teilen Blei,
drei Teilen Zinn und einem zehnprozentigen Quecksilberzusatz. Es schmolz
36
bei einer Temperatur zwischen 79 und 100 oC. Die Verarbeitung erfolgte,
indem man die Legierung in den Zahn presste und mit einem heißen Stopfer
zum Schmelzen brachte. Die hohe Temperatur in der Kavität führte beim
Applizieren zu schmerzhaften Pulpairritationen und Pulpaentzündungen, so
dass diese Methode rasch aufgegeben wurde.
Neben diesen metallischen Füllungsmaterialen
wurden im 19. Jahrhundert
auch Zemente zur Füllung von Zähnen entwickelt. 1858 empfahl der Dresdner
Leibzahnarzt Rostaing einen Zinkoxydphosphatzement, den er zusammen mit
seinem Sohn, dem Chemiker Charles Rostaing, entwickelt hatte, der aber auch
zu Pulpairritationen führte. 1874 wurde durch den britischen Zahnarzt Thomas
Fletcher (1840-1903) „Artificial Dentine“ (künstliches Zahnbein) eingeführt. Es
war ein Zinkoxydsulfatzement der als Unterfüllungs- und provisorisches
Füllmaterial
diente.
Zu
Beginn
des
20.
Jahrhunderts
setzten
sich
Silikatzemente als Füllungsmaterial für die Frontzähne durch.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden bereits Amalgame für die
Füllung von Zähnen verwendet. 77 Sie bestanden vor allem aus Silber, Zinn und
Quecksilber. Anfangs wurde Silber von Silbermünzen abgefeilt und mit
Quecksilber verrieben. Auch Zusätze von Gold anstelle von Zinn zu diesem
Gemisch waren gebräuchlich. Ebenso gab es Amalgame aus Gold, Silber,
Zinn und Quecksilber (z.B. Ash Nr.1 Gold Amalgam). Das Kupferamalgam
wurde 1859 durch den mecklenburg-schwerin´schen Hofzahnarzt Georg
Wilhelm Lippold (1809-1885) aus Güstrow eingeführt. 78
Der Zahnarzt Grohnwald aus Berlin bot im Juni 1869 in der Neustrelitzer
Zeitung das „Füllen cariöser Zähne mit Gold, Amalgamen und künstlichem
Zahnbein“ an. 79 Der Hof-Chirurgus Lisch aus Neustrelitz offerierte ebenfalls in
einer Anzeige im Januar 1871 Füllungen mit Gold, Amalgam und künstlichem
77
Amalgam ist eine Mischung mehrerer Stoffe, z.B. die Legierung mehrerer Metalle. Die
gegenwärtig im Gebrauch befindlichen Non-Gamma-2-Amalgame bestehen aus ca. 52
Gewichtsprozenten flüssigem Quecksilber welches mit einem Pulver (ca. 48 Gewichtsprozent)
bestehend seinerseits aus ca. 70% Ag, 18% Sn, 12 % Cu bestehen. Die Bestandteile variieren
je nach Hersteller.
78
Hoffmann-Axthelm (1985), 329.
79
Neustrelitzer Zeitung Nr. 75 (1869), Neustrelitz, 7.7.1869, 3.
37
Zahnbein. 80 Die von den Zahnärzten in Mecklenburg-Strelitz angewandten
Füllungsmaterialen unterschieden sich offenbar nicht von denen, die im
übrigen Europa und in Nordamerika Anwendung fanden.
Am Ende des 19. Jahrhunderts kamen gebrannte Porzellanfüllungen auf (1897
Newell
Sill
Jenkins,
geb.
1840,
gest.
1919).
Die
gebräuchlichsten
Füllungsmaterialien blieben jedoch Gold, Amalgam und Zement.
3.4
Behandlung der Parodontose
Zur Behandlung der im 19. Jahrhundert meist als „Alveolarpyorrhoe“
bezeichneten Krankheit gab es grundsätzlich zwei verschiedene Methoden.
Bei beiden erfolgte zunächst eine gründliche Reinigung der Zähne,
insbesondere von dem als Weinstein bezeichnetem Zahnstein. Neben dem
Zahnstein erkannte man allgemeine Krankheiten, wie z.B. Rheuma und
Skorbut, Zahnfehlstellungen und Quecksilberintoxikationen als Ursache der
Parodontose.
Nach
der
Zahnreinigung
erfolgte
das
Einsetzen
eines
Stützapparates (Schienen oder Ligaturen), um die gelockerten Zähne zu
fixieren. Zu sehr gelockerte Zähne sollten extrahiert werden.
Gleichzeitig
wurden
adstringierende
Mundwässer
verordnet,
um
das
Zahnfleisch, das sich durch den Zahnstein vom Zahn entfernt hatte, wieder
heranzuziehen. Außerdem beschrieb bereits C. J. Linderer 1834, dass eine
Zahnstellung herzustellen sei, durch die beim Zusammenbiss keine Reize für
den gelockerten Zahn entstehen. 81 Andere vertraten die Ansicht, dass
gesunde Zähne von selbst wieder fest würden und die Ligaturen schädlich für
die noch festen Zähne wären (Leonhard Koecker 1785-1850). 82 Operative
Methoden schilderte Anton Buzer in seinem 1867 erschienen „Handbuch der
Zahnheilkunde“ 83 : „Ist das Wackeln von Schlaffheit des Zahnfleisches
80
Neustrelitzer Zeitung Nr. 12 (1871), Neustrelitz, 27.1.1871, 4.
Stroemgren (1945), 180.
82
ebd., 181.
83
Buzer, A.: Handbuch der Zahnheilkunde. Berlin 1867.
81
38
begleitet, so bewähren sich Scarificationen des letzteren als ein vortreffliches
Mittel, doch müsse diese am äussersten Rande, da wo das Zahnfleisch um
den Hals liegt, vorgenommen werden. Auch oberflächliche Cauterisationen mit
dem
Ferrum
caudens
thuen
gute
Dienste.“ 84
Diese
Methode
der
systematischen Therapie der Entzündung des Zahnfleisches wurde erstmals
im Jahre 1878 durch den amerikanischen Zahnarzt John M. Riggs (18111885), der sich seit 1856 mit der Behandlung der Parodontose beschäftigte,
publiziert. Nach der Entfernung der Konkremente erfolgte die Politur der
Zahnkronen und Zahnwurzeln. 85
Zu einer umfassenden Klärung der Ursachen der Parodontose kam es erst im
20. Jahrhundert u.a. durch Oskar Weski (1879-1952). Er sah die Ursache der
Krankheit im Zusammenwirken des klinisch-anatomischen, des funktionellen
und des allgemeinen Befundes des Patienten, der sogenannten „Weski-Trias“.
Aus diesem Ursachenzusammenhang resultierte die Therapie-Trias von
Lokalbehandlung, Entlastungsbehandlung und allgemeinen Heilmaßnahmen. 86
3.5
Kieferorthopädische Behandlungsmethoden
Fehlstellungen der Zähne versuchten die Zahnärzte des 18. Jahrhunderts mit
drastischen Mitteln zu beheben. Pierre Fauchard (1678-1761) favorisierte das
Richten der Zähne mittels Pelikan. 87 Auch einfache kieferorthopädische
Geräte 88 waren bereits im 18. Jahrhundert entwickelt worden. Am Anfang des
19. Jahrhunderts waren im Wesentlichen zwei Methoden gebräuchlich: Das
operative Richten der Zähne ad hoc mit Instrumenten oder das Richten mittels
Ligaturen. Friedrich Christoph Kneisel (1797-1887) verwarf die Ligaturen, da
die Druck- und Zugwirkungen auf richtig stehende Zähne im Einzelnen zu groß
waren. Er erfand eine Art Metallschiene, die über den Kiefer gelegt wurde, der
84
Stroemgren (1945), 183.
Hoffmann-Axthelm (1985), 358.
86
ebd., 359.
87
Stroemgren (1945), 220.
88
Wie z.B. die schiefe Ebene.
85
39
richtig geformt war. So war der gesamte Unterkiefer mit dieser Metallkapsel
bedeckt. Mittels eines Metallspatels konnte ein oberer Frontzahn durch täglich
mehrfaches Spateln überstellt werden, ohne Gefahr zu laufen, dass die
unteren Schneidezähne Schaden nahmen. 89
In der Neustrelitzer Zeitung -
letzte Ausgabe des August 1851 - inseriert der Zahnarzt Block, dass er bei
Kneisel seine dentistisch-technische Fertigkeit erworben habe. 90
In der Folgezeit wurden diverse Apparaturen zur Richtung der Zähne
ersonnen. Nach der Entdeckung des Kautschuks wurden Kautschukplatten mit
Metalldrähten u. a. als Dehnplatten benutzt (z. B. Norman Kingsley, 18291913). 91 Ebenso waren Drahtkonstruktionen mit Bändern um die Molaren als
Ansatzpunkte gebräuchlich (John Farrar, 1839-1913). 92 In leichten Fällen war
die erzieherische Anweisung zu bestimmter Druckausübung mit dem Finger
ausreichend, in schweren Fällen - z.B. bei verlagerten Zähnen oder starken
Engständen - war damals wie heute ein operatives Eingreifen unumgänglich.
Auf dem 9. Internationalen Medizinischen Kongress in Washington 1887 stellte
Edward Angle (1855-1930) erstmals sein System der Klassifizierung der
Zahnstellungen in Bezug auf die Zahnregulierung vor. Ausgehend von diesen
Klassifizierungen und der Molarenkonstanz entwickelte Angle Konstruktionen
mit Metallbändern an den Molaren, die als Anker dienten und über die Zähne
bewegt und reguliert werden konnten. So wurde auch eine Erweiterung des
Kieferbogens ermöglicht. 93
3.6
Die zahnärztliche Bohrmaschine
Schon im 1. Jahrhundert (u. Z.) setzte man in der Medizin Bohrer zum
Trepanieren des Schädels ein. Es wurde auch schon über einen Arzt
Archigenes (98-115) berichtet, dass der einen dunklen, schmerzenden Zahn
89
Hoffmann-Axthelm (1985), 209.
Neustrelitzer Zeitung Nr. 100 (1851), Neustrelitz, 31.8.1851, 406.
91
Hoffmann-Axthelm (1985), 414.
92
ebd., 416.
93
Hoffmann-Axthelm (1985), 418-419.
90
40
mit einem kleinen Trepanbohrer anbohrte und so einem Patienten Linderung
der Zahnschmerzen verschafft haben soll. 94
Der Prager Zahnarzt Franz Nessel (1803-1876) schrieb 1855, dass das
Anbohren mit einer starken Reibeahle vorgenommen werden sollte. 95 Aus
derartigen Reibeahlen entwickelten sich Handbohrer, deren Bohrspitze einen
Bart- oder Rosenkopf besaß und fest mit einem Handgriff verbunden war. Die
Arbeit mit diesen Handbohrern, bei denen die Drehbewegung der Hand direkt
auf den Bohrerkopf übertragen wurde, war kraftaufwendig und führte schnell
zur Ermüdung.
Dem Erfindungsreichtum der Zahnärzte war dann eine Vielzahl einfacher
mechanischer Kleingeräte, die die Rotation meist über Schnüre, Saiten und
kleine Getriebe übertrugen, zu verdanken. Bereits 1803 stellte Heinrich
Lautenschläger (gest. 1843) eine spezielle Kleinbohrmaschine vor, mit der sich
Wurzelkanäle erweitern ließen, um eine Wurzelschraube zur leichteren
Extraktion einbringen zu können. Mechanische Handbohrmaschinen, bei
denen die Rotation des Bohrers durch den Behandler sowohl ein- als auch
beidhändig erzeugt wurde, gab es in diversen Varianten.
Alle diese
Instrumente hatten jedoch den Nachteil, dass sie per Hand betrieben werden
mussten.
1864 wurde in England das Patent für eine Maschine erteilt, die mit Federkraft
die Rotationsbewegung für den Bohrer erzeugen konnte. Diese „Erado“
genannte Maschine (Abb. 4) von George Harrington (1812-1895) wurde wie
ein Blechspielzeug aufgezogen, die Drehzahl ließ jedoch schnell nach, schon
nach 2 min musste sie erneut aufgezogen werden.
96
George Washingtons (1732-1799) Zahnarzt, John Greenwood (1760-1819),
soll aus einem Spinnrad eine zahnärztliche Maschine, die mit dem Fuß
angetrieben wurde, konstruiert haben. Auf ähnlicher Basis - Erzeugung der
94
Hoffmann-Axthelm (1985), 335.
Stroemgren (1945), 74.
96
Stroemgren (1945), 86.
95
41
Rotation mittels fußgetriebenem Schwungrad und Übertragung auf den Bohrer
über eine bewegliche Welle - kamen ab Anfang der siebziger Jahre des 19.
Jahrhunderts erste Maschinen auf den Dentalmarkt.
Abb. 4: Harringtons „Erado“
U. a. wurde 1871 die „Dental Engine“ (Abb. 5) von James Morrison (18291917) vorgestellt. Etwa Mitte der achtziger Jahre waren diese Art Maschinen
bei den meisten Behandlern im Gebrauch.
Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts übten immer mehr Zahnärzte ihre
Tätigkeit als niedergelassener Zahnarzt mit einem festen Praxissitz aus. Hierzu
trug weniger eine gesetzliche Regelung bei als vielmehr das Aufkommen
schwerer Behandlungsstühle und Anästhesieapparaturen sowie der Umstand,
dass das Instrumentarium des Zahnarztes einen immer größeren Umfang
einnahm. Einige der Schwungradmaschinen besaßen z.B. Umlenkrollen, die
an einer Raumdecke befestigt werden mussten.
Der elektrische Antrieb wurde durch George F. Green, der Versuche schon
1856-1859 unternommen hatte, erstmals im Jahre 1872 für eine zahnärztliche
Bohrmaschine verwendet und öffentlich demonstriert. 97
97
Hoffmann-Axthelm (1985), 346.
42
Abb. 5: Darstellung aus der Patentschrift für Morrisons Bohrmaschine 1871
Obgleich die Akkumulatoren immer leistungsfähiger und billiger wurden,
konnten sich die batteriebetriebenen Motoren in der zahnärztlichen Praxis nicht
durchsetzen. Erst als am Ausgang des 19., bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts
ein funktionierendes Stromnetz entstand, arbeiteten immer mehr Zahnärzte mit
elektrischen Motoren.
3.7
Abhandlungen zur Hygiene in der zahnmedizinischen Literatur bis
etwa 1869
Über die Reinigung und Reinhaltung der Behandlungsräume und des
zahnärztlichen Instrumentariums wurde im 19. Jahrhundert nur wenig
43
publiziert. Verbindliche Vorschriften fehlten gänzlich, auch wenn man
annehmen muss, dass der dauerhafte Behandlungserfolg z. B. beim
Einbringen von Goldhämmerfüllungen nur durch einen gewissen Grad an
Sauberkeit gewährleistet werden konnte. Der französische Zahnarzt J.C.F.
Maury (gest. 1840) schrieb in seinem 1833 bereits in wiederholter Auflage
erschienen Werk „Traite complet de l´art du Dentiste“ über erforderliche
Maßnahmen zur Sauberkeit bei der zahnärztlichen Behandlung: „Ein
Waschbecken ist notwendig in dem Operationszimmer des Zahnarztes, so
dass er sich die Hände so oft als er nötig hat, waschen kann, und zwar in
Anwesenheit seiner Patienten.“ 98 Zu dieser Zeit übten viele deutsche
Zahnärzte ihre Kunst auch als Reisende zwischen mehreren Städten aus. Sie
mieteten Zimmer, in denen sie ihre Behandlungen durchführten. Ein definitives
Operationszimmer, wie es Maury beschreibt, wird es in den meisten Fällen
nicht gegeben haben. In Mecklenburg-Strelitz praktizierten die ortsansässigen
Zahnärzte
wahrscheinlich
vorwiegend
in
ihrer
eigenen
Wohnung. 99
Wahrscheinlich wurde dafür ein gesonderter Raum benutzt. In der Regel
verließen sie aber jedes Jahr die Stadt ihrer Niederlassung für einen
bestimmten Zeitraum, zogen über Land oder gingen für einige Wochen ihrer
Tätigkeit in den Städten des Nachbarlandes nach. 100 Man legte großen Wert
darauf, dem Patienten, der ja auch Kunde war, ein behagliches und
angenehmes Umfeld zu bieten, um ihm seine Angst vor der Behandlung nicht
zu
vergrößern.
Samtbezogene
Behandlungsstühle,
stoffbespannte
Instrumententische wie sie noch bis zum Ende des 19. Jahrhundert angeboten
wurden, trugen sicher ebenso dazu bei wie die für die Zahnärzte dieser Zeit
typische Bekleidung mit einem langen, dunklen Rock aus Wolle oder Samt. 101
Das Händewaschen vor der zahnärztlichen Behandlung diente nicht nur der
98
Stroemgren (1945), 194-195.
Zum Beispiel bittet der Hofzahnarzt Wolffson 1827 den Großherzog, ihm die Genehmigung
zur häuslichen Niederlassung zu erteilen. Landeshauptarchiv Schwerin, 4.11-9 MecklenburgStrelitzsches Medizinialkollegium, Nr. 208, Akte Louis Jacoby Wolffson, Blatt 18.
100
Dies ist u. a. nachgewiesen beim Hofzahnarzt Fritze. Er bat den Großherzog 1841 um
finanzielle Unterstützung für Geschäftsreisen ins Umland und die Nachbarländer, damit er
seine defizitäre Praxis in Neustrelitz nicht aufgeben muss. Ab Weihnachten 1841 wurden ihm
jährlich 100 Thaler Gold gewährt unter der Bedingung, dass er seinen wesentlichen Wohnort
in Neustrelitz belässt. LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Fritze, C.W., Blatt 14 und 16.
101
Stroemgren (1945), 200.
99
44
Sauberkeit, sondern sollte auch zur „Behaglichkeit“ des Patienten beitragen.
Die zahnärztlichen Instrumente aber wurden beim nächsten Patienten nach
nur oberflächlicher Reinigung erneut eingesetzt.
Die um die Mitte des 19. Jahrhunderts z. B. durch Ignaz Semmelweis (18181865)
gewonnenen
Erkenntnisse
der
Infektionsprophylaxe
1847
und
antiseptischen Wundbehandlung 1867 durch Joseph Lister (1827-1912) wären
geeignet gewesen, die wahrscheinlich verbesserungswürdigen hygienischen
Verhältnisse bei der zahnärztlichen Behandlung wesentlich zu reformieren.
Dass dies aber nur sehr langsam geschah und keine verbindlichen
Regelungen für die zahnärztliche Praxis festgeschrieben wurden, mag daran
gelegen haben, dass die Sterblichkeit als Folge von zahnärztlichen
Behandlungen im Vergleich zu anderen Fachgebieten der Medizin gering war.
Aber auch in den anderen medizinischen Bereichen wurde das neue Wissen
nur zögerlich durchgesetzt. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 fanden
zwar die Chloroformnarkose und die Morphininjektion breitere Anwendung. Bei
der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beschränkte man sich aber auf
allgemeinhygienische
Maßnahmen.
Das
therapeutische
Vorgehen
der
Militärchirurgen unterschied sich nicht von dem in vorangegangenen
Feldzügen.
102
Dass die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund von 1869 jeder
Person Zahnbehandlungen vorzunehmen gestattete, trug wahrscheinlich dazu
bei, dass die zahnärztliche Praxis nicht von dem Wissenszuwachs auf dem
Gebiet der Hygiene profitierte. Eine medizinische Vorbildung war für die
Zulassung zur gewerblichen Zahnbehandlung nicht mehr erforderlich. Dies
hemmte
die
Umsetzung
der
bereits
vorhandenen
Erkenntnisse
der
Infektionsprophylaxe in die zahnärztliche Praxis. In die meisten Gebiete der
Medizin hielt die Anwendung der Antiseptik in den folgenden Jahrzehnten
Einzug.
102
Mette, A. und Winter, I.: Geschichte der Medizin. Berlin 1968, 478.
45
4
Kritische Analyse zur Entwicklung des Medizinalwesens in
Mecklenburg-Strelitz während des 19. Jahrhunderts mit
Quellenbewertung
4.1
Die Organisation des Medizinalwesens in MecklenburgStrelitz im 19. Jahrhundert
4.1.1
Die Entwicklung des Medizinalwesens bis zur Schaffung
der Medizinalexaminationskommission 1812
Schon vor der Landesteilung von 1701 gab es erste Versuche zur Regelung
des
Medizinalwesens
und
der
gesetzlichen
Legitimation
von
Medizinalpersonen. U.a. wurde im Jahr 1516 eine Polizeiverordnung zur
Verwaltung von Hospital- und Armenhausgütern erlassen. 103
Durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), der große Armut und zahlreiche
Krankheiten mit sich brachte, war die Bevölkerung stark dezimiert worden.
Etwa zur gleichen Zeit wie in anderen deutschen Staaten stieg deshalb auch in
Mecklenburg das Interesse an einer Regelung des Medizinalwesens. 104 Es
gab nur sehr wenige Ärzte. Die Heilkunst lag vor allem in der Hand von
Badern, Marktschreiern und Quacksalbern. Die Zahnbehandlung wurde
nahezu ausschließlich von letzteren betrieben. 105
Im Jahre 1683 wurde die erste Medizinal- und Apothekerordnung für
Mecklenburg erlassen. 106 Nach der Ablegen einer Prüfung vor dem
Leibmedikus 107 des Herzogs konnte das Privileg zur Ausübung der Medizin
oder der Wundarzneikunst erlangt werden. Anderen Personen wurde jegliche
medizinische Tätigkeit verboten. 108 Zahnbehandlung und Zahnärzte wurden in
103
Hasselfeld (1934), 8.
Bruhn und Gerber (1974), 85.
105
Hasselfeld (1934), 10.
106
Schilf (1967), 12. Durch Herzog Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow.
107
Der Leibmedikus oder Leibarzt war der persönliche Arzt z.B. eines Herrschers, hier der des
Herzogs von Mecklenburg-Güstrow.
108
Bruhn und Gerber (1974), 86.
104
46
dieser Ordnung nicht erwähnt. 109 Sie war der Versuch, die Bevölkerung vor
Marktschreiern, Quacksalbern und medizinischen Laien zu schützen. Ein
geordnetes Medizinalwesen wurde dadurch jedoch nicht geschaffen. Das in
Brandenburg wenige Jahre später erlassene Medizinaledikt von 1685 110 verbot
nicht nur die Quacksalberei. Vielmehr wurde damit ein Collegium Medico
geschaffen, vor dem sich sämtliche Medizinalpersonen einer Prüfung zu
unterwerfen hatten und das die Aufsicht über das Medizinalwesen führte. 111
Dieses erste brandenburgische Medizinaledikt wurde zwar etwas später
erlassen als die erste mecklenburgische Medizinalordnung, reichte aber
wesentlich weiter.
Die mecklenburgische Medizinal- und Apothekerordnung von 1683 galt bis zur
Einführung der Medizinalverordnung im Jahre 1751. Sie hatte Geltung auch in
Mecklenburg-Strelitz, denn nach der Landesteilung wurde dort keine eigene
Medizinalordnung erlassen. Wie bereits erwähnt - konnten Gesetze, die für
Mecklenburg-Schwerin verabschiedet worden waren, unter bestimmten
Bedingungen
auch
in
Mecklenburg-Strelitz
angewandt
werden.
In
Mecklenburg-Schwerin wurde mit der Medizinalverordnung vom 20. Juli 1751
die Errichtung von Kreisphysikaten angeordnet. Zur Überwachung des
Medizinalwesens wurde das Land in Kreise eingeteilt. Für jeden Kreis wurde
ein Kreisphysicus (Kreisarzt) ernannt, der in diesem Bereich auf die Einhaltung
der Medizinalgesetze achtete. 112 Weiterhin wurde festgelegt, dass die Prüfung
von Badern, Barbieren, Chirurgen, Hebammen und Apothekern vor dem
Kreisphysikus zu erfolgen hatte. 113
Im Jahre 1786 wurden erstmalig zwei Verordnungen in Mecklenburg-Schwerin
erlassen, die die Zahnärzte betrafen. Die erste, datiert vom 29. September
1786, verbietet die Tätigkeit „fremder“ Zahnärzte. Es heißt hier: „ Die die
Jahrmärkte besuchenden fremden Zahnärzte sollen zur Verhütung der daraus
für die Gesundheit besorglichen schädlichen Folgen und oft sehr unglücklichen
Operationen nicht ferner geduldet werden.“. Mit der Verordnung wird
109
Hasselfeld (1934), 9.
Bachmann (2003), 6. Churfürstlich Brandenburgisches Medizinaledikt vom 12.11.1685.
111
Schwanke, P.: Zahnärztliche Medizinalgesetze in Preußen. Berlin 1896, 6.
112
Bruhn und Gerber (1974), 86.
113
Hasselfeld (1934), 10.
110
47
zwischen
fremden,
nicht
privilegierten
und
privilegierten
Zahnärzten
unterschieden. Am 29. Dezember 1786 wurde in einer zweiten Verordnung
bestimmt: „Die privilegierten Zahnärzte können zwar ihr Metier in Reinigung
und Conservierung der Zähne geruhig ausüben; jedoch sollen dadurch
einheimische bewährte Wundärzte von solchem Geschäfte keineswegs
ausgeschlossen sein. Und jene sind verpflichtet, in solchen Zahnkrankheiten,
die den Gebrauch innerlicher Arzneymittel erfordern, sowie in anderen
bedenklichen Fällen die Kranken an einen geschickten Arzt zu verweisen.“. 114
Mit
dieser
Bestimmung
sollten
die
ebenfalls
auf
dem
Gebiet
der
Zahnbehandlung tätigen Wundärzte in ihrer Arbeit nicht eingeschränkt werden.
In Mecklenburg-Strelitz kam es zur Ernennung von Ärzten zu Amts-, Distrikts oder Stadtphysici. 115 Es mangelte aber an einer Prüfungsbehörde für
Medizinalpersonen,
sodass
ungeprüfte
Behandler
umherreisten.
Im
Landeshauptarchiv in Schwerin liegt - zugeordnet dem Bestand des
Mecklenburg-Strelitzer
Medizinalkollegiums
-
eine
landesherrlichen Verbots der Quacksalberei 1766-1811.
Akte
116
wegen
des
Sie enthält eine nur
sehr kleine Sammlung polizeilicher Vorgänge und Anzeigen gegen Pfuscher.
Es fehlten also eine Medizinalaufsicht und eine Prüfungsbehörde. Daher
konnten medizinische Laien ihre Dienste anbieten, woraus Gefahren für die
Gesundheit der Bevölkerung resultierten. Dieser Zustand musste beendet
werden. Der Missstand war den Ärzten im Lande schon lange bekannt und sie
versuchten in eigener Regie Abhilfe zu schaffen. Ab 1795 wurde die Prüfung
von Medizinalpersonen von dem Herzoglichen Leibmedikus Dr. med.
Hieronymi 117 , dem Leibchirurgus Rose und dem Stadt- und Distriktsphysicus
Dr. med. Wildberg übernommen, wobei sich dies zunächst nicht auf die
Zahnärzte erstreckte. 118 Wer diese drei Personen befugte, ist dem Bericht
Hieronymis nicht zu entnehmen. 119 Die Prüfungen wurden in Gegenwart von
114
Hasselfeld (1934), 11.
Mecklenburg-Schwerin war fast fünfmal so groß wie Mecklenburg-Strelitz. Vermutlich kam
es deshalb nicht zur Bezeichnung „Kreis“.
116
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 12, Acta wegen landesherrlichen Verbots gegen Quacksalberei
1766-1811. (Ein teilweiser Kriegsverlust kann nicht ausgeschlossen werden.)
117
Leibarzt des Hzg. (ab 1815 Ghzg.) Carl von Mecklenburg-Strelitz (1741-1816).
118
Zahnärzte wurden erst ab 1815 geprüft.
119
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13, 2-3.
115
48
städtischen Beamten und des Amts- oder Stadtphysikus öffentlich in Rats- und
Gerichtsstuben, aber auch in Privatwohnungen abgenommen. Eine gesetzlich
vorgeschriebene Prüfung für Medizinalpersonen gab es nicht. Doch ist aus
dem Bericht zu schließen, dass die jeweilige Stadt- oder Gemeindeverwaltung
einzelne Prüfungen in Auftrag gab, um die medizinische Versorgung zu
sichern. So wurden z.B. der Mirower Amtsphysicus Dr. med. Stoy und der
herzogliche Leibmedikus Dr. med. Hieronymi mit der Prüfung des nachmaligen
Apothekers in Mirow beauftragt. Ab 1804 nahm auch der Hofmedicus Dr. med.
Götze an den Prüfungen teil. Die Abnahme der Prüfungen erfolgte
unentgeltlich und war, wie Hieronymi schrieb „mit mancherlei Verdruß
verbunden, aber auch unzureichend, weil die wenigsten Medicinalpersonen
des ganzen Landes derselben unterworfen waren.“ 120
Die hier erwähnten Ärzte wurden im Jahre 1810 bei der Landesregierung
vorstellig und schlugen vor, die Prüfungen zur allgemeinen Pflicht zu machen,
den
Examinatoren
ihre
Kosten
zu
ersetzen,
sie
gesetzlich
vor
Unannehmlichkeiten zu schützen und ein Medizinalkollegium zu bilden. Sie
erhielten
den
Auftrag,
einen
Bericht
über
„die
Notwendigkeit
eines
medizinischen Collegiums“ zu erarbeiten. Die Einsicht in die das Thema
betreffenden, damals bereits historischen Akten veranlassten Hieronymi zu
folgender Feststellung: „Aus diesen Akten ergab sich, daß sowohl von
Strelitzer als auch Schweriner Seite die Notwendigkeit eines medizinischen
Collegiums zur Handhabung einer guten medizinischen Polizei und einer
Polizei der Medizin anerkannt war, daß man von beiden Seiten Entwürfe zur
Einrichtung eines solchen hatte machen lassen, daß aber deswegen kein Plan
ausgeführt wurde, weil die Mittel zur Ausführung fehlten.“ Der daraufhin
ausgefertigte Bericht enthielt erste Ansätze für ein Verfahren zur Bildung eines
medizinischen
Kollegiums.
In
der
Folge
kam
es
zur
Bildung
der
Medizinalexaminationskommission. Hieronymi bemerkt hierzu: „Alles dieses
und noch mehr die klare Einsicht von der um diese Zeit um sich greifenden
Lehrglauben und durch überhand nehmende Quacksalberei wirklich von Tag
zu Tage schlechter werdende Medicinalverfassung bewirkten zwar nicht die
120
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13, 2-3.
49
förmliche Errichtung eines Collegii medici, wie man sich dieses zu denken hat,
wenn man ausgebreiteten Nutzen davon erwarten will, weil bei dem besten
Willen in diesen bedrängten Zeiten die zu einem solchen nötigen Kosten nicht
bestritten werden konnten, aber doch soviel, daß im Jahr 1812 eine
medizinische Examinationskommission angeordnet und das Vorhandensein
einer solchen in dem 21ten Stück der Neuen Strelitz´schen Anzeigen vom Jahr
1812 öffentlich bekannt gemacht wurde.“ 121
4.1.2
Das Medizinalwesen bis zum Erlass der Medizinalordnung
im Jahre 1840
4.1.2.1
Die Medizinalexaminationskommission und das
Medizinalkollegium
In
der
Verordnung
vom
22.
April
1812
zur
Schaffung
der
Medizinalexaminationskommission begründet Herzog Carl (Abb. 6) sein
Vorgehen damit, dass die Bevölkerung bisher dazu verleitet worden sei, sich
„ungeprüften und ungeschickten Ärzten und Chirurgen“ anzuvertrauen. In der
Verordnung heißt es weiter: „Wir setzen und verordnen demnach hiermit: daß
hinfüro keine Medicinal-Person, sie sei promoviert oder nicht, bei Vermeidung
nachdrücklicher willkürlicher Strafe sich in unseren Landen niederlassen und
praktizieren solle, bevor dieselbe sich nicht vor Unserer Regierung hieselbst
hinlänglich legitimieret hat, darauf von der Examinations-Commission geprüft
und tüchtig befunden, und hiernächst aus Unserer Regierung auf die Praxis
förmlich concessionieret worden.“
122
Die bisherigen Examinatoren wurden durch den Herzog zu „Commissarien“
der
neugeschaffenen
Landeshauptstadt
Institution
Neustrelitz
bestimmt,
hatte.
Die
die
ihren
finanzielle
Sitz
in
der
Ausstattung
der
Kommission war wegen der angespannten politischen Lage denkbar schlecht,
die
121
122
Kommission
daher
auf
Spenden
angewiesen.
So
wird
der
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13, 2-3.
Neue Strelitzische Anzeigen, 21 (1812), Neustrelitz 1812, 1.
50
Medizinalexaminationskommission mit Schreiben vom 1.7.1812 z.B. mitgeteilt:
„Der ehemalige Ministerresident und Kammerherr Graf á Ponte Leon hinterläßt
dem Herzog seine letzte Pension (Sterbequartal) von 22 ½ Louis d´or zur
Disposition.“. Der Herzog bestimmte dieses Vermächtnis der hiesigen
„Medicinal-Comission“ zur Beschaffung von Instrumenten zu gemeinnützigen
Zwecken, z. B. einen „Rettungskasten für Ertrunkene.“ 123 Für die materielle
Ausstattung der Kommission - z. B. mit Schreibmaterial - musste die
Landesregierung
sorgen.
Die
erste
Anordnung
hierfür
datiert
vom
9.12.1812. 124 Schon aus dem Schreiben bezüglich der Spende des Grafen á
Ponte Leon und aus dem angeordneten Unterstellungsverhältnis geht hervor,
dass
es
sich
bei
dieser
Examinationskommission
bereits
um
eine
Regierungsbehörde handelte. Es ist dort von einer „Medicinal-Comission“ die
Rede, also einer Bezeichnung, die die Tätigkeit der Institution nicht nur auf die
Prüfung von Medizinalpersonen beschränkt. Das Ungewöhnliche an der
Entstehung dieser Regierungsbehörde in einem Feudalstaat ist aber, dass sie
aus dem Engagement einzelner Ärzte entstand.
Abb. 6: Carl, Regierender Herzog (ab 1815 Großherzog) von MecklenburgStrelitz (1741- 1816)
123
124
LHAS, 4.11-6 Mecklenburg-Strelitzsches Kammer-und Forstkollegium, Nr. 6323, Blatt 663.
LHAS, 4.11-6 MSt-KFK, Nr. 6323, Blatt 1128.
51
Es stellt sich zunächst die Frage, ob Zahnärzte zu den Medizinalpersonen
gezählt wurden und sich demzufolge einer Prüfung vor dieser Kommission zu
unterziehen hatten. In jedem Fall zählten die Ärzte, Wundärzte erster und
zweiter Klasse, die Hebammen und die Apotheker zu diesem Personenkreis.
Im Hof- und Staatskalender wurden Zahnärzte von 1800 bis 1806 bzw. 1808
bis 1811 zwar im Verzeichnis der Hofchargen aufgeführt, fanden im Kapitel
über Medizinalpersonen aber keine Erwähnung. 125 In den Jahren 1812 bis
1815 sind weder bei den Hofchargen noch bei den Medizinalpersonen
Zahnärzte verzeichnet. 126 Nachdem am 23. Oktober 1815 127 die erste
erfolgreiche
Prüfung
von
zwei
Zahnärzten
Medizinalexaminationskommission in Neustrelitz erfolgt war
vor
128
der
, wurden ab
dem Jahrgang 1816 Zahnärzte als Medizinalpersonen im Hof- und
Staatskalender verzeichnet. Eine Übersicht zu allen im jeweiligen Jahrgang
des Hof- und Staatskalender des 19. Jahrhunderts ermittelbaren Zahnärzten
folgt im Anhang.
Die Medizinalexaminationskommission hatte offiziell nur die Aufgabe, die
Medizinalpersonen zu prüfen. Die Akten geben jedoch immer wieder Hinweise
darauf, dass der Kommission auch andere das Medizinalwesen betreffende
Aufgaben zugeordnet wurden oder sie sich selbst aus eigenem Antrieb dafür
anbot. Bereits am 1. Juli 1812 129 , als die Kommission unter Nutzung des
Vermächtnisses des Kammerherrn Graf á Ponte Leon mit der Beschaffung von
„Instrumenten zu gemeinnützigen Zwecken“ beauftragt wurde, ging dies über
den gesetzlichen Auftrag hinaus. Vom eigenen Engagement zeugt auch ein
Schreiben an die Landesregierung vom 19. Januar 1817, in dem die
Medizinalexaminationskommission aus
Sorge um die Gesundheit der
Bevölkerung darum bat, die Schutzblatternimpfung gesetzlich einzuführen. 130
Die Kommission übernahm also Aufgaben, die kraft der Verordnung vom 22.
April 1812 eigentlich nicht in den dort festgelegten, eng umrissenen
125
StK-MSt, Jg. 1800-1806, 1808-1811.
StK-MSt, Jg. 1812 -1815.
127
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 4. Heft 1815/16, Lfd. Nr. 21.
128
Schilf (1967), 26.
129
LHAS, 4.11-6 MSt-KFK, Nr. 6323, Blatt 663.
130
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 5. Heft 1816/17, Lfd. Nr. 11.
126
52
Tätigkeitsbereich gehörten. Da diese Zuständigkeit nicht geregelt war, wurde
die Änderung der Verordnung erforderlich. Am 24. Februar 1818 erließ
Großherzog Georg im Einvernehmen mit der Ritter- und Landschaft die
Erweiterung der Verordnung (Abb. 7).
Abb. 7: Deckblatt der „Erneuerten und erweiterten Verordnung“ vom 24.2.1818
Dort heißt es:
„....dass in Unserem hiesigen Herzogthum keinem Arzte, keinem Wundarzte
und keiner Hebamme die Ausübung der Praxis, oder einem Apotheker die
53
Erwerbung und Anlegung einer Apotheke eher gestattet seyn solle, bis dass
solche von der vorgedachten Commission, welcher Wir nunmehro den Namen
„Medicinal-Collegii“ beilegen, geprüft und als geschickt befunden worden, und
dass demnächst keine anderweitige oder nochmalige Examination abseiten
eines eigentlichen Physici statt haben solle. Gleichwie nun sämmtliche
Obrigkeiten und Polizeybehörden in Unsern hiesigen Landen, so wie auch alle
angehenden Ärzte, Wundärzte, Hebammen und Apotheker sich hiernach zu
richten und zu achten haben, so sollen dennoch dadurch die etwanigen
Gerechtsame der Ortsbehörden, rücksichtlich der Cognition über die
Receptionsfähigkeit
der
Chirurgen,
Hebammen
und
Apotheker,
nicht
beeinträchtiget, sondern von dem Medicinal-Collegio nur solche Personen zum
Examen zugelassen und ihren die Befugnis zur Treibung der chirurgischen
Praxis, Ausübung der Hebammen-Kunst, oder des Apothekergewerbes
ertheilet werden, welche durch Vorweisung von Scheinen der Obrigkeit des
Orts, woselbst sie sich niederlassen wollen, darthun, dass sie durch Gesetz
oder Herkommen vorgeschriebenen Bedingungen der Aufnahme erfüllt und
die Erlaubniß zur Niederlassung erhalten haben.“
Zwei Punkte fallen bei der Erneuerung der Verordnung auf: Zum einen wird
auf
Zahnärzte kein Bezug genommen, obwohl bereits Zahnärzte vor der
Medizinalexaminationskommission geprüft wurden. Zum anderen wird hier
erstmals die Zulassung von Chirurgen, Apothekern und Hebammen zur
Prüfung beschränkt, indem eine örtliche Genehmigung zur Niederlassung
vorgelegt werden muss. Erstmals gab das Medizinalkollegium 1830 auch
einen Bericht über die Notwendigkeit der Niederlassung für einen Zahnarzt
ab. 131 Aus dieser auch auf Zahnärzte angewendeten Verfahrensweise bei der
Niederlassung
lässt
sich
ableiten,
dass
Zahnärzte
sehr
wohl
als
Medizinalpersonen zu verstehen waren, etwa auf der Stufe der Chirurgen
angesiedelt, so wie es die spätere Medizinalordnung ausführt.
Völlig fehlen in der Verordnung Aussagen über die theoretische und praktische
Ausbildung als Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung und über den
131
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 18. Heft 1829/30, Lfd. Nr. 27.
54
Prüfungsinhalt selbst. Ebenso fehlt eine gesetzliche Festlegung der Aufgaben
und Befugnisse des Medizinalkollegiums und der Medizinalpersonen.
Am 25. Mai 1818 wird ein „...Reskript....betreffend die Einführung einer
Taxordnung für die gesamten Medizinal-Personen“ 132 erlassen, am 24.
Dezember 1818 ein Reskript betreffend den Entwurf der Instruktion für die fünf
Physicate, in die das Domanium eingeteilt werden sollte, und die Bestallungen
der Physici. 133
Das Tagesgeschäft des Medizinalkollegiums bestand darin, so lässt sich aus
den Tagebuchlisten schließen, Hebammen 134 , Barbiergesellen, Chirurgen,
Wundärzte und Apotheker zu prüfen, die Anstellung von Lehrlingen bei ihnen
zu kontrollieren, Impfgenehmigungen für Chirurgen 135 zu erteilen, Gutachten
für die Justiz anzufertigen 136 oder Kurkostenrechnungen zu überprüfen.
Im Jahre 1823 wurden die Befugnisse des Medizinalkollegiums erneut
erweitert, wenn auch ohne gesetzliche Regelung. Es war jetzt auch für
Tierärzte zuständig. 1823 wurde der erste Tierarzt in Mecklenburg-Strelitz
zugelassen. 137 Im Jahr 1829 findet sich ein Tagebucheintrag über die Prüfung
auffälliger Arzneien und die Zulassung von Apparaturen. 138 Die fehlende
gesetzliche Regelung, den Zuständigkeitsbereich des Medizinalkollegiums
betreffend, und die spätere Zuweisung weiterer Aufgaben an das Kollegium
lässt vermuten, dass der Zuständigkeitsbereich vom Gesetzgeber absichtlich
offen gehalten wurde.
Da in Mecklenburg-Strelitz das Studium der Medizin nicht möglich war,
erübrigten sich Vorschriften, die die Ausbildung regelten.
132
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 6. Heft, 1817/18, Lfd. Nr. 37.
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 7. Heft, 1818/19, Lfd. Nr. 12.
134
Die Kosten für die Prüfung einer Hebamme trug abweichend von den anderen Medizinalpersonen diejenige Gemeinde oder Stadt, die die Prüfung in Auftrag gab.
135
Das Impfen war eigentlich den Ärzten vorbehalten, da es aber nicht genügend Ärzte gab,
um die Impfungen zügig vorzunehmen wurden Genehmigungen auch an Chirurgen erteilt.
136
Sowohl Gutachten in Sachen angeblich Irrer als auch Begutachtung von Körperverletzungen mit Todesfolge.
137
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 11. Heft, 1822/23.
138
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 17. Heft, 1828/29. Als Beispiel wird hier die
„Geburtshülfliche Apparatur“ genannt.
133
55
4.1.3
Die Medizinalordnung von 1840
4.1.3.1
Vorgeschichte
Bereits im Jahre 1821 schrieb ein Dr. Bornemann, Arzt aus Goldberg in
Mecklenburg-Schwerin: „Das erste und dringendste Bedürfnis ist die
Organisation eines Medizinal-Kollegiums, ohne dieses müssen alle Versuche
der
Errichtung
einer
Medizinal-Verfassung
mangelhaft
seyn.“ 139
In
Mecklenburg-Strelitz existierte mit der Medizinal-Examinationskommission in
Neustrelitz bereits seit 1812 eine Behörde zur Prüfung von Ärzten,
Wundärzten, Hebammen, Apothekern usw.. In Mecklenburg-Schwerin war
diese Prüfung jedoch nicht vor einer zentralen Behörde, sondern vor dem
jeweiligen Kreisphysicus abzulegen. 140
In seinem Artikel führt Dr. Bornemann außerdem aus: „ In den letzten Jahren
haben fast alle kleinern Staaten Deutschlands ihre bis dahin sehr
mangelhaften Medizinal-Ordnungen theils verbessert, theils neu organisiert, da
die Wichtigkeit dieses Theils der Staatsverfassung immer mehr erkannt wurde,
und die frühere Vernachlässigung bedeutende Nachteile für das allgemeine
Wohl der Unterthanen entwickelt hatte. Es ist auch nicht zu verkennen, dass
durch die Nichtberücksichtigung dieses Zweiges der Staatsverwaltung
erhebliche Lücken in ihr entstehen müssen, und diese, welche die Erfahrung
darbot und darbietet, in Verbindung mit den großen Fortschritten der neuern
Zeit in der medizinischen Wissenschaft, besonders der Staats-Arzneikunde,
mußten das dringende Bedürfnis einer Revision und Organisation der
Medizinal-Ordnung den einzelnen Staatsverwaltungen sehr fühlbar machen.“
Weiterhin spricht sich Dr. Bornemann dafür aus, dass „.....dieser Zweig der
Staatsverwaltung nur von Ärzten organisirt und fortdauernd geleitet werden
kann.“
139
Bornemann: Ueber das Bedürfniß einer Medizinal-Ordnung in Mecklenburg. In:
Freimüthiges Abendblatt, 150 (1821), Schwerin, o.P., 16.11. 1821.
140
Hasselfeld (1934), 10.
56
Die Fortschritte in der Medizin, die Notwendigkeit des Gesundheitsschutzes für
die Bevölkerung und die Sicherung eines Standards in der Behandlung, aber
auch der Schutz der Ärzte vor der umherziehenden Konkurrenz der
Quacksalber - die trotz mehrfachen Verbots ihr Unwesen trieben - machten
eine straffere Organisation des Medizinalwesens erforderlich. In MecklenburgStrelitz hatten die Ärzte dies bereits früh erkannt und 1812 die Schaffung der
Examinationskommission und 1818 des Medizinalkollegiums erwirkt. In
Mecklenburg-Schwerin
Medizinalverfassung
blieb
des
die
Landes
auf
gesetzliche
Regelung
der
dem
von
Die
Stand
1751.
Medizinalverordnung des Herzogs Christian Ludwig wurde lediglich ergänzt:
•
durch die Verordnung von 1774 über Chirurgen und Bader,
•
die Zirkularverordnung von 1781 gegen ungeprüfte Behandler und
•
die Verordnungen über Zahnärzte aus dem Jahr 1786. 141
Trotz der durch die Ärzteschaft des Landes geforderten Neuorganisation des
Medizinalwesens
kam
Mecklenburg-Strelitz
es
sogar
in
Mecklenburg-Schwerin
erst
1840
zur
erst
1830 142 ,
Verabschiedung
in
einer
Medizinalordnung. Im benachbarten Preußen, dessen Politik auf beide
mecklenburgische Staaten einen bedeutenden Einfluss hatte, war bereits 1825
eine Medizinal-Verordnung erlassen worden.
4.1.3.2
Inhalt und Auslegung der Medizinalordnung
In der Officiellen Beilage Nr. 11 zum 23. Stück der Mecklenburg-Strelitz´schen
Anzeigen vom 3. Juni 1840 wurde die „Verordnung zur Publication der
Medizinal-Ordnung für das Herzogthum Mecklenburg-Strelitz“ veröffentlicht. 143
Sie galt nur für das Herzogtum Strelitz (nicht für das Fürstentum Ratzeburg)
und umfasste zwölf Kapitel mit 40 Paragraphen und einer Anlage.
141
Hasselfeld (1934), 11.
Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt (Regierungsblatt), 11
(1830) Schwerin,18.2.1830.
143
Officielle Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen, 23 (1840), Neustrelitz
3.6.1840, 49-74.
142
57
4.1.3.2.1
Das Medizinalkollegium
Das erste Kapitel (11 Paragraphen, vier Anlagen) widmet sich dem
Medizinalkollegium. Es führt „....unter der Leitung der Großherzoglichen
Landes-Regierung, die Aufsicht über das gesamte Medicinalwesen, es ist in
Medicinalsachen technisch rathende Behörde, und prüft die Districts- und
Stadtphysici, Aerzte, Wundaerzte, Hebammen und Apotheker.“ 144
In der
Verordnung über die Bildung des Medizinalkollegiums 1818 waren die
Aufgaben und Geschäfte nur sehr grob umrissen. Hier nun findet sich eine
ausführliche Auflistung der Aufgaben, die das Kollegium wahrzunehmen hat.
Dazu gehören (§2 Geschäfte):
•
der Regierung Vorschläge zur Abhilfe von Mängeln bei der öffentlichen
Gesundheitspflege zu unterbreiten und Instruktionen und Verordnungen
an Medizinalpersonen zu machen, der Regierung Bericht über den
Gesundheits- und Krankheitsstand und eine eventuelle erhöhte
Sterblichkeit und deren Gründe zu erstatten;
•
der Regierung beim Auftreten von endemischen oder epidemischen
Krankheiten
und Viehseuchen Maßnahmen zur Abwendung und
Minderung zu empfehlen;
•
die Medizinalpersonen streng zu prüfen und nötigenfalls an die
Befolgung ihrer Pflichten zu erinnern, die Apotheken zu visitieren und
bei Vergehen und Verstößen gegen die Medizinalordnung „...den
competenten Behörden Rüge und Abstellung anzuzeigen.“
Dem
Medizinalkollegium
gehörten
drei
Ärzte
an,
es
wurde
der
Landesregierung unterstellt und den sonstigen Behörden und den Gerichten
gleichgestellt.
Mit der Medizinalordnung waren die Aufgaben des Medizinalkollegiums, die
bisher gewohnheitsmäßig oder durch Regierungsauftrag ausgeführt wurden,
144
§ 1 Wirkungskreis des Medizinalkollegiums.
58
gesetzlich festgelegt worden. Gleichzeitig stellte es dadurch, dass nur Ärzte 145
die Tätigkeit im Kollegium ausübten, eine Art Selbstverwaltung der Heilberufe
dar.
4.1.3.2.2
Die Distriktsphysici
Das zweite Kapitel (§ 12 bis § 16) befasst sich mit den Distriktsphysici, ihrer
Anstellung, Vereidigung und ihren Pflichten.
Zu den Pflichten in ihrem Physikatsbezirk gehörte (§ 13):
•
die Organisation der Kuhpockenimpfung,
•
den Medizinalpersonen mit Rat zur Seite zu stehen und sie vor Fehlern
zu warnen.
Weiterhin hatten sie darauf zu achten,
•
dass sich nur approbierte Medizinalpersonen mit der Ausübung der
Heilkunst befassen und diese die Grenzen ihrer Befugnisse nicht
überschreiten,
•
dass Pfuscher und Quacksalber sowie der unerlaubte Handel mit
Arzneien und Giften nicht geduldet wird,
•
dass die Medizinalpersonen, von denen sie ein Verzeichnis anzulegen
hatten, die Vorschriften der Medizinalordnung befolgen und
•
dass die Medizinalpersonen sich gut benehmen.
Außerdem hatten die Distriktsphysici die Apothekerlehrlinge zu prüfen, die
Apotheken in ihrem Bezirk zu besuchen, alles zu beobachten, was auf das
öffentliche Gesundheitswohl in ihrem Bezirk Einfluss hat und strafbare
Handlungen anzuzeigen. Der Distriktsphysicus hatte bei auftretenden
gefährlichen epidemischen Krankheiten und Viehseuchen Meldung zu
145
In der Regel waren die Mitglieder des Medizinalkollegiums praktizierende Ärzte. Z.B. wurde
der Wesenberger Arzt Dr. med. Carl Peters am 17.11.1843 Amtschirurg für Mirow (Officielle
Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen, Neustrelitz 1843, 138), 1845 wird er
weiterhin auch als Arzt in Wesenberg aufgeführt (StK-MSt 1845, 94) und am 12.8.1856 wird er
von Großherzog Georg zum dritten ordentlichen Mitglied des Medizinalkollegiums ernannt
(Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzischer Officieller Anzeiger für Gesetzgebung und
Staatsverwaltung, Neustrelitz 1856, 95-96).
59
erstatten, an Ort und Stelle Maßnahmen zur Vorbeugung und Minderung der
Krankheit in Zusammenarbeit mit den Ortsbehörden zu veranlassen.
Der § 16 der Medizinalordnung legte in sechs Absätzen die Zuständigkeit der
Distriktsphysici
und
die
Verfahrensweise
bei
gerichtsmedizinischen
Untersuchungen fest. Der siebente Absatz des § 16 bestimmte die besondere
Verantwortung des Distriktsphysicus für die unentgeltliche Behandlung der
Armen und die unentgeltliche Schutzblatternimpfung. Die Regelung der
kostenlosen Behandlung der Armen galt jedoch nur für das Domanium. Das
Honorar hierfür war in der Besoldung des Distriktsphysicus bereits enthalten.
Der Distriktsphysicus war somit die eigentliche Stütze der öffentlichen
Gesundheitsfürsorge, verantwortlich für die Medizinalpersonen in seinem
Distrikt und die Einhaltung der Medizinalordnung, für die Impfungen und die
Versorgung der Armen, die sich sonst keinen Arzt leisten konnten.
4.1.3.2.3
Die Ärzte
Das dritte Kapitel regelt die Anstellung und Verpflichtungen der Ärzte (§§ 1720).
Als Voraussetzung für das Betreiben einer medizinischen Praxis in
Mecklenburg-Strelitz galten die folgenden Kriterien: Nach Erlangung des
Schul-Maturitäts-Zeugnis 146 folgte in der Regel das vierjährige Studium der
Medizin an einer Akademie mit einer Prüfung und nach Vorlage der
Dissertation die Promotion zum Dr. med.. Auf Anordnung der Landesregierung
nahm das Medizinalkollegium eine erneute Prüfung vor. Danach konnte die
Regierung die Konzession für das Betreiben einer medizinischen Praxis
erteilen.
Die Medizinalordnung schrieb hinsichtlich der durch das Medizinalkollegium
vorzunehmenden Prüfung den Umfang vor, der alle Zweige der Arznei- und
Wundarzneiwissenschaft sowie der Geburtshilfe erfassen sollte. Je nach dem
Ergebnis der Prüfung konnte die Regierung eine unbeschränkte Konzession
erteilen oder eine Konzession, die die Chirurgie oder die Geburtshilfe
146
vergleichbar dem Abitur.
60
ausnahm. Ebenso wie die Mitglieder des Medizinalkollegiums und die
Distriktsphysici wurde auch der Arzt vor der Landesregierung vereidigt.
An dieser Stelle wird in der Medizinalordnung das Recht der Untertanen
erwähnt, sich von jedem Arzt behandeln lassen zu dürfen, der von seiner
zuständigen Behörde approbiert worden ist. Gleiches wird in § 21 für
Wundärzte und im § 26 für Zahnärzte verfügt.
Zu den Verpflichtungen des Arztes führte die Medizinalordnung in § 18 u.a.
aus:
•
zu jeder Zeit Armen und Reichen gleich auf Erfordern Hilfe zu
gewähren,
•
auf Wunsch des Patienten oder in zweifelhaften Fällen andere Ärzte
hinzuzuziehen,
•
die Schweigepflicht einzuhalten,
•
strafbare Handlungen, Verstöße gegen die Medizinalordnung und
epidemische Krankheiten oder Viehseuchen dem Distriktsphysicus und
der Ortsbehörde anzuzeigen.
4.1.3.2.4
Die Wundärzte
Das vierte und fünfte Kapitel der Medizinalordnung befasst sich mit den
Wundärzten und Chirurgen. Die Wundärzte wurden in Wundärzte erster und
zweiter Klasse unterteilt. Die Begriffe „Wundarzt“ und „Chirurg“ wurden zum
Teil synonym verwendet, wobei mit „Chirurg“ in der Regel nur ein Wundarzt
zweiter Klasse gemeint war. Der gesetzliche Wortlaut war in dieser Hinsicht
auslegungsfähig. Im folgenden, die Zahnbehandler betreffenden Text, wird nur
auf „Wundärzte“ Bezug genommen. Wundärzte erster Klasse konnten auch
Amtschirurgen werden.
Das Medizinalkollegium bestimmte die Auslegung der Medizinalordnung im
Einzelfall.
61
Voraussetzung für die Ausübung des Berufs als Wundarzt erster Klasse waren
eine genügende Schulbildung und ein dreijähriges Studium an einer
Universität oder chirurgischen Schule. Die Prüfung des Wundarztes erster
Klasse führte das Medizinalkollegium in Neustrelitz durch, nachdem die
Ortsbehörde des zukünftigen Wohnortes die Niederlassung befürwortet hatte.
Wundärzte erster Klasse konnten außerdem Zusatzprüfungen in Geburtshilfe
und gerichtlicher Arzneikunde vor dem Medizinalkollegium ablegen und damit
auch als Geburtshelfer fungieren oder zum Amtschirurgen berufen werden.
Die Pflichten und Einschränkungen in der Tätigkeit des Wundarztes erster
Klasse waren u.a. wie folgt festgelegt:
•
Beschränkung auf chirurgische Kuren und die Anwendung innerlicher,
nicht heftiger Arzneimittel nur dann, wenn die Heilung des örtlichen
Übels damit bewirkt wird oder in Ausnahmefällen,
•
Vornahme von Impfungen, falls das Medizinalkollegium dazu einen
Auftrag erteilt hat,
•
Versorgung der Kranken ohne Unterschied des Standes,
•
Überweisung
oder
Hinzuziehung
eines
Arztes
bei
gefahrvollen
Operationen,
•
Mitführen
eines
„möglichst“
vollständigen
und
brauchbaren
Instrumentariums (§ 23),
•
Einhaltung der Schweigepflicht,
•
Meldung über ihm zur Kenntnis gelangtes Ausbrechen ansteckender
Krankheiten, über gewaltsame Todesfälle und tödliche Verletzungen an
den Distriktsphysicus.
Über
die
Wundärzte
zweiter
Klasse
oder
Chirurgen
wurde
in
der
Medizinalordnung sehr viel weniger ausgesagt als über die der ersten Klasse.
Sie mussten sich der ortsansässigen Bader- oder Barbierzunft anschließen.
Als
Voraussetzungen
für
die
Zulassung
zur
Prüfung
vor
dem
Medizinalkollegium wurde im § 25 der Medizinalordnung nur ausgeführt, dass
genügend Zeugnisse über den erhaltenen Unterricht in der niederen Chirurgie
62
und der Erlaubnisschein der zuständigen Ortsbehörde zur Niederlassung
vorliegen müssen. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass es der
zunftmäßigen Erlernung des Faches nicht bedarf.
Die Tätigkeit des Wundarztes zweiter Klasse wurde gesetzlich auf folgende
Tätigkeiten beschränkt:
•
Leichdörner und Nägel schneiden,
•
Ader lassen, schröpfen, Blutegel setzen,
•
Zähne ausziehen,
•
Zugpflaster und Fontanelle anlegen sowie Klistiere setzen.
Alle inneren und äußeren Kuren waren dem Wundarzt zweiter Klasse
untersagt. Der Chirurg oder Wundarzt zweiter Klasse war damit ausschließlich
zu den o. g. Tätigkeiten befugt, alle anderen Tätigkeiten waren ihm nicht
gestattet.
4.1.3.2.5
Die Operateure und Zahnärzte
Das sechste Kapitel der Medizinalordnung befasst sich im § 26 mit den
Operateuren und Zahnärzten:
„Die Befugniß zu chirurgischen Operationen jeder Art, insbesondere auch zur
Ausübung der Zahn-Heilkunst, soll in hiesigen Landen in der Regel nur
denjenigen, welche als Ärzte und Wundärzte von dem Medicinal-Collegio
geprüft, zu dergleichen Leistungen für tüchtig befunden und die Concession
erhalten haben, gestattet werden.
Die Zahnärzte sollen keine Medicamente gegen Zahn-Krankheiten selbst
anfertigen und verabreichen, sondern dieselben aus den Apotheken
entnehmen.“
In diesen wenigen Zeilen waren die Voraussetzungen für die Ausübung der
Zahnheilkunde zusammengefasst. Die erste Bedingung war die Prüfung als
63
Arzt oder Wundarzt. Die Medizinalordnung ließ an dieser Stelle offen, ob es
sich um die Prüfung zum Wundarzt erster oder zweiter Klasse handelt, sodass
es
mehrmals
zu
Auseinandersetzungen
über
die
Auslegung
der
Medizinalordnung kam.
Streng nach der Medizinalordnung musste es sich um die Prüfung zum
Wundarzt erster Klasse handeln, was auch der wahlweise möglichen Prüfung
zum Arzt näher kam. Dieser Auffassung war auch das Medizinalkollegium. 147
Das Ausziehen der Zähne war als Aufgabe der Wundärzte zweiter Klasse
ausgewiesen. Das legt den Schluss nahe, dass die weitergehende
Zahnbehandlung dem höher gestellten Wundarzt erster Klasse zukam, zumal
bei der Beschreibung der Tätigkeit des Chirurgen oder Wundarztes zweiter
Klasse genau definiert war, was er tun durfte und was nicht, und dabei die
weitergehende Zahnbehandlung nicht aufgeführt wurde.
Der Einschub „...in der Regel...“ ließ aber Ausnahmen zu, die im Einzelfall vom
Medizinalkollegium und der Landesregierung entschieden wurden. Das
Medizinalkollegium hatte denjenigen Wundarzt oder Arzt, der auch als
Zahnarzt tätig sein wollte, zu prüfen, ob er die Fähigkeit zur Ausübung der
Zahnheilkunde besaß.
Der Gesetzestext sah also – auch wenn Ausnahmen gestattet waren - vor,
dass
der
Zahnarzt
Medizinalkollegium
auch
war
im
Wundarzt
Übrigen
oder
der
Arzt
sein
Auffassung,
musste.
dass
Das
mittels
ausschließlicher Tätigkeit als Zahnarzt der Lebensunterhalt einer Familie nicht
bestritten werden konnte. Schon deshalb drang es auf die Zulassung als
Wundarzt. Eine genauere Regelung über den Inhalt der Prüfung von
Zahnärzten vor dem Medizinalkollegium gab es nicht. Der Gesetzgeber hielt
diese Regelung wohl wegen des seltenen Vorgangs für entbehrlich. Im Zweifel
hatte das Medizinalkollegium die Kompetenz, selbst Festlegungen zu treffen
oder auf eine anderweitige Problemlösung zu dringen, zumal kein Zahnarzt
dem Kollegium angehörte.
147
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Völlner, W., Reskript vom 2.7.1850.
64
Am Beispiel des Wilhelm Völlner aus Neustrelitz aus den Jahren 1850/1851
zeigt sich, wie schwer sich das Medizinalkollegium seine Entscheidung über
dessen Antrag machte:
Am
9. Januar 1850 beantragte Wilhelm Völlner die Konzession zur
praktischen Ausübung der Zahnheilkunde. Die eigentliche Behandlung von
Zahnkrankheiten wollte er unter Aufsicht eines Arztes durchführen. Er wies
bereits darauf hin, dass er kein Wundarzt oder Arzt sei, dass jedoch der Text
der Medizinalordnung Ausnahmen zulasse. Bereits am 19. Januar 1850
erwidert das Medizinalkollegium, dass es eine Prüfung „als bloßer Techniker,
oder Zahnarbeiter“ für überflüssig halte und dafür außerdem nicht zuständig
ist. Da Völlner seinen Antrag mit „W. Völlner, Zahnarzt“ unterzeichnet hatte,
kassierte das Medizinalkollegium die Titelführung umgehend: „Der pp. Völlner
…….kann bei dem Mangel der nöthigen ärztlichen Kenntnisse auf das
Prädicat eines Zahnarztes keine Ansprüche machen,..“ Dies Beispiel zeigt,
welchen Wert das Medizinalkollegium auf eine ärztliche Ausbildung der
Zahnärzte legte. Völlner aber übersprang auf diese Antwort hin mit seinem
nächsten Brief gleich zwei Behördenebenen und wandte sich im August 1850
direkt an den Großherzog. Er bat ihn, ihn als Zahnarzt von der Prüfungspflicht
zu befreien und eine Konzession zu erteilen oder aber das Medizinalkollegium
zu veranlassen, ihn ausnahmsweise als Wundarzt II. Klasse zu prüfen. Er
begründete dies mit der Notwendigkeit eines Zahnarztes in Neustrelitz, da von
den beiden Zahnärzten vor Ort einer seine Praxis aufgegeben habe und der
andere als Militärarzt stark in Anspruch genommen sei. Außerdem habe er die
schriftliche Erlaubnis des Magistrats von Neustrelitz, sich hier als Zahnarzt
niederlassen zu dürfen. Der Brief ging über die Landesregierung wieder an
das Medizinalkollegium. Völlner beantragte nunmehr am 10. Januar 1851 die
Prüfungszulassung,
das
Kollegium
sprach
sich
auch
wegen
des
Zahnärztemangels am 31. Januar 1851 im Falle Völlner für eine Ausnahme
aus und nahm ihn am 22. April 1851 ins Examen. Zwar galten die Fragen aller
vier Prüfer vorwiegend Problemen der Zahnheilkunde, doch die chirurgischen
Kenntnisse des Prüflings bewerteten sie als „wie vorauszusehen war“
mangelhaft und für einen Wundarzt II. Klasse „nicht genügend“. Weiter aber
65
heißt es im Schreiben vom 8. Mai 1851 an die Landesregierung: „ …,
hingegen hat er in dem engeren Fache der technischen und operativen
Zahnheilkunst eine recht lobenswerte Tüchtigkeit dargetan und namentlich im
Anfertigen und Einsetzen künstlicher Zähne und Gebisse, so wie im Ausziehen
schadhafter Zähne solche Beweise von Sachkenntnis und Geschicklichkeit
gegeben, daß ihm das Collegium das Zeugnis der Befähigung zu den
gedachten Operationen nicht versagen kann.“ So wurde ihm am 11. August
1851 die Konzession zum Reinigen und Ausziehen der Zähne sowie zum
Anfertigen und Einsetzen künstlicher Zähne und Gebisse - aber mit dem
Hinweis, dass er sich der Heilung der eigentlichen Zahnkrankheiten zu
enthalten habe - erteilt. 148
4.1.3.2.6
Die übrigen Medizinalpersonen und Bestimmungen der
Medizinalordnung
Zu den übrigen Medizinalpersonen im Sinne der Medizinalordnung zählen
Geburtshelfer (7. Kap., §§ 27,28), Hebammen (8. Kap., §§ 29-31), Apotheker
(9. Kap., §§ 32-36) und Tierärzte (10. Kap., §§ 37,38).
Geburtshelfer waren Ärzte oder Chirurgen erster Klasse, für die eine
zusätzliche Prüfung vor dem Medizinalkollegium verbindlich war. An dieser
Stelle wurde in der Medizinalordnung der Begriff „Chirurgen erster Klasse“
verwendet, der vordem nicht erläutert wurde. Diese Tatsache unterstreicht die
synonyme Verwendung der Bezeichnungen „Wundarzt“ und „Chirurg“.
Hebammen mussten Zeugnisse über erhaltenen Unterricht vorweisen und
wurden vom Medizinalkollegium geprüft.
148
LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Völlner, W., Blatt 50, 291, 3050 (1850) und Blatt 152,
385, 1493, 2499 (1851).
66
4.2
Vergleich der Stellung der Zahnärzte in den Medizinalordnungen
von Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin
Die Medizinalordnung für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin wurde
am 18. Februar 1830 durch den Großherzog Friedrich Franz II. erlassen. 149
Sie galt ohne Unterschied in allen Landesteilen von Mecklenburg-Schwerin
und setzte die Medizinalordnung vom 20. Juli 1751 außer Kraft. Ähnlich wie in
Mecklenburg-Strelitz im Jahre 1812 wurde eine Medizinalkommission - mit Sitz
in Rostock - gebildet, die die Kreis- und Stadtphysici, Ärzte, Wundärzte,
Augenärzte,
Zahnärzte,
Geburtsärzte
und
Apotheker
prüfte
und
der
Landesregierung beratend zur Seite stand.
Hinsichtlich der Medizinalpersonen, die sich mit der Behandlung von
Zahnkrankheiten befassten, unterscheidet auch die Medizinalordnung von
Mecklenburg-Schwerin die Bader oder Wundärzte zweiter Klasse und die
Operateure.
Bader
unterlagen
keiner
Niederlassungsbeschränkung,
unterstanden der Aufsicht des Kreisphysicus und mussten von der
Ortsbehörde vereidigt werden. Zur Ader lassen, Blutegel setzen, Zähne
ausziehen, Blasenpflaster und Fontanelle ansetzen durften sie nur nach
Anweisung durch einen Arzt. Die innere und äußere Behandlung war ihnen in
Mecklenburg-Schwerin ebenso untersagt wie in Mecklenburg-Strelitz.
Obgleich im ersten Kapitel über die Medizinalkommission in Rostock erwähnt
wird, dass Zahnärzte von ihr zu prüfen sind 150 , enthält die Medizinalordnung
kein gesondertes Kapitel über die Zahnärzte, sondern nur eines über
Operateure. Das sechste Kapitel lautet:
„Fortan wird in hiesigen Landen keinem Oculisten, Dentisten oder sonstigen
Operateurs die Ausübung respect. der Augenheilkunde, Zahnarzneikunst und
Operationen gestattet, wenn selbige nicht zuvor vor der Medicinal-Commission
über die erforderlichen anatomisch-chirurgischen Kenntnisse geprüft, tüchtig
149
Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt (Regierungsblatt), 11
(1830) Schwerin,18.2.1830.
150
Neue Medizinalordnung nebst Verordnung wegen Organisation der Medicinal-Comission,
Schwerin 1830, Erstes Kapitel, § 1.
67
befunden worden und die Concession der Regierung erhalten haben. Diese
Concession ist öffentlich bekannt zu machen.
Die Operateurs haben sich an die Grenzen der ihnen ertheilten Concession zu
halten.“
Ein wesentlicher Unterschied zur Strelitzer Medizinalordnung war also das
Fehlen jeglicher Bedingungen für die Zulassung zur Prüfung. Während in
Mecklenburg-Strelitz an den Zahnarzt die Prüfungsmaßstäbe mindestens
eines Wundarztes erster Klasse gelegt wurden und ein dreijähriges Studium
an einer Universität oder chirurgischen Schule Voraussetzung war, hatte in
Mecklenburg-Schwerin jeder, der sich berufen fühlte, die Möglichkeit, vor der
Medizinalkommission sein Glück zu versuchen. Durch die rechtliche
Gleichstellung der Wundärzte erster Klasse - theoretisch auch der Ärzte - mit
den Zahnärzten waren die Zahnbehandler in Mecklenburg-Strelitz in allen
Prüfungsvoraussetzungen
und
Niederlassungsbeschränkungen
den
Wundärzten gleichgestellt. In Mecklenburg-Schwerin fehlte dieser Ansatz
vollkommen. Hier schrieb erst die Prüfungsordnung für Zahnärzte vom
11. August 1863 vor, dass der Zahnarzt die Tertiareife 151 besitzen und zwei
Jahre bei einem Zahnarzt gearbeitet haben musste. 152 Erst mit Einführung der
Prüfungsordnung für den Norddeutschen Bund im Jahre 1869 wurden auch
Mecklenburg-Schwerin
die
Universitätsstudium verlangt.
Primarreife
und
ein
viersemestriges
153
Dank seiner Universität mit medizinischer Fakultät in Rostock gehörte
Mecklenburg-Schwerin zu den Staaten des Norddeutschen Bundes und später
des Deutschen Reiches, die ab 1869 zur Durchführung der Prüfung für
Zahnärzte befugt waren.
Erfolgreich abgelegte zahnärztliche Prüfungen vor der Medizinalkommission in
Rostock 154
wurden
durch
die
Mecklenburg-Strelitzer
Landesregierung
151
entspricht heute etwa der 8. Klasse.
Hasselfeld (1934), 15.
153
Bruhn und Gerber (1974), 91.
154
z.B. im Jahr 1853 Konzession für den Zahnarzt Ludwig Verhein aus St.Petersburg, der die
Prüfung in Rostock abgelegt hatte. LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Ludwig Verhein,
Dispensation vom 4.11.1853.
152
68
anerkannt. Diesen Absolventen wurde stets eine Freistellung (Dispens) von
der in Mecklenburg-Strelitz vorgeschriebenen Prüfung gewährt. Auch mussten
sie nicht die Erfüllung der strengen Voraussetzungen nachweisen, die die
Mecklenburg-Strelitzer Ordnung verlangte.
Die Prüfung in anderen deutschen Staaten zu absolvieren - und damit die
strengen Vorschriften der Mecklenburg-Strelitzer Medizinalgesetzgebung zu
umgehen - kam regelmäßig vor. Die Anerkennung z.B. preußischer
Prüfungen 155 erfolgte ebenso unbürokratisch wie die Anerkennung der
Schweriner
Prüfungen.
Dadurch
wurde
die
Zuständigkeit
des
Medizinalkollegiums in Neustrelitz für die Prüfung der Zahnärzte nur selten
bemüht.
4.3
Die Auswirkungen des Beitritts zum Norddeutschen Bund 1867
und der Reichseinigung 1871 auf die amtliche Regelung der
Zahnheilkunde
Im Jahre 1867 entstand im Anschluss an den Preußisch-Österreichischen
Krieg (1866) der Norddeutsche Bund unter Führung Preußens. Er trat an die
Stelle des 1815 auf dem Wiener Kongress gebildeten Deutschen Bundes. Ihm
gehörten 22 nördlich der Mainlinie liegende deutsche Staaten an. Mit dem
Beitritt zum Norddeutschen Bund gingen Teile der bisher von den
Einzelstaaten ausgeübten Gesetzgebungsverfahren auf den Bund über, der
eine
Vereinheitlichung
des
Rechtswesens
einleitete,
obgleich
alle
Bundesstaaten ihre eigene Regierung behielten. 1870 schlossen sich auch
Bayern, Baden und Württemberg dem Bund an, aus dem 1871 das Deutsche
Kaiserreich hervorging.
Die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21. Juni 1869 156 , die
auch für die beiden mecklenburgischen Staaten galt und die alte Zunftregelung
155
z.B. am 16.5.1840 Konzession zur Niederlassung und Ausübung der zahnärztlichen Praxis
für den Zahnarzt Fritze aus Berlin, der die Prüfung in Stettin abgelegt hatte. Officielle Beilage
zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen 22 (1840), Neustrelitz, 27.5.1840, 44.
156
Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, 1869, 245.
69
aufhob, wertete die Heilkunde als Gewerbe und setzte die sog. „Kurierfreiheit“
durch. Vermutlich bewog den Gesetzgeber auch die nur geringe Zahl der
zugelassenen Zahnbehandler bei gleichzeitig steigendem Bedarf zu diesem
Schritt. Jetzt konnte jeder als Zahnbehandler auftreten, durfte sich jedoch nicht
Zahnarzt nennen, wenn er keine Approbation besaß. 157 Der § 29 der
Gewerbeordnung legte fest, dass nur, wer einen Befähigungsnachweis als
Zahnarzt besaß und approbiert war, sich auch Zahnarzt nennen durfte. 158
Personen, die bis zum Tage der Verkündung der Gewerbeordnung als
Zahnärzte zugelassen waren, galten fortan als approbiert für das gesamte
Gebiet des Norddeutschen Bundes. Die Gewerbeordnung hob die in
Mecklenburg-Strelitz seit 1840 bestehende Niederlassungsbeschränkung für
Zahnärzte auf, die bis dahin der Zustimmung der jeweiligen Ortsbehörde
bedurften. Nur wenig später, am 25. September 1869, wurde eine
Prüfungsordnung für Zahnärzte für den Norddeutschen Bund erlassen. Sie
wurde im Oktober 1869 in Mecklenburg veröffentlicht trat damit in Kraft.
Diese Veränderung der Medizinalgesetzgebung für die Zahnärzte führte in der
Folge
zur
Ausbildung
eines
zahlenmäßig
starken
Berufsstandes
nichtapprobierter Zahnbehandler. 159 Sie spezialisierten sich insbesondere auf
die handwerkliche Zahnheilkunde und nannten sich gegen Ende des 19. bzw.
Anfang des 20. Jahrunderts „Dentisten“. 160 In Mecklenburg-Strelitz wurde 1886
bis 1888 kein approbierter Zahnarzt mehr im Staatskalender verzeichnet, 1890
bis 1892 überhaupt kein Zahnbehandler. Im Jahr 1900 wird für den
Thronfolger Erbgroßherzog Adolph Friedrich (1848-1914) erstmals ein
„Hofdentist“ erwähnt. 161 Die Zahl der Dentisten und Zahnkünstler wuchs rasch
an, die Zahnärzte waren in der Minderheit. In vielen Orten nahmen Dentisten
die Mehrzahl der Zahnbehandlungen vor. 162
157
Bruhn und Gerber (1974), 92.
Im gleichen Zusammenhang wurde die Approbation für Apotheker, Ärzte, Wundärzte,
Augenärzte und Tierärzte sowie Geburtshelfer geregelt.
159
Bachmann (2003), 6.
160
ebd., 6-8.
161
s. Anlage A.
162
Es gab z.B. in Berlin im Jahr 1902 mehr nichtapprobierte Zahnbehandler (464) als
approbierte Zahnärzte (270). Bachmann (2003), 6-8.
In Deutschland wurden im Jahr 1909 etwa 3000 Zahnärzte und 4500 Behandler ohne Studium
gezählt. Hoffmann-Axthelm (1985), 467.
158
70
Andererseits kam es in dieser Zeit zu einer Weiterentwicklung der
zahnärztlichen Ausbildung, die Anzahl der Studenten stieg. Im Jahre 1884
wurde das erste deutsche zahnärztliche Institut in Berlin eröffnet 163 , dem
weitere Neugründungen in Deutschland folgten. Bereits 1878 forderte C.
Sauer die Aufhebung der Gewerbefreiheit und fürchtete eine Verflachung der
Wissenschaft durch die „Nichtwisser“. 164 1896 forderte der Marburger Zahnarzt
Julius Witzel (1863-1914), den Dentistenstand in der akademischen
Zahnheilkunde aufgehen zu lassen. 165 Dies jedoch erfolgte nicht. Am Anfang
des
20.
Jahrhunderts
wurden
Dentisten
auch
zur
Behandlung
der
Kassenpatienten zugelassen und stellten eine erhebliche Konkurrenz für die
approbierten Zahnärzte dar. 166 Zwischen den Berufsgruppen gab es heftige
Auseinandersetzungen
Zahnärzten
erhobenen
um Titel und Ausbildungsniveau. Die von den
fachlichen
Einwendungen
wurden
von
den
Dentistenverbänden bekämpft. Nach dem I. Weltkrieg kam es zur weiteren
Differenzierung zwischen den reinen im Labor tätigen Zahntechnikern und den
Dentisten. 167 Zwar griffen die Dentisten, Teile des zahnärztlichen Wissens auf,
jedoch in bewusster Abgrenzung zur akademischen Zahnheilkunde wurde auf
die praktischen Tätigkeiten besonderes Augenmerk gelegt. 168
Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland vermehrt
Hygieneinstitute an den Universitäten gegründet (z. B. 1876 München, 1878
Leipzig, 1888 Greifswald). 1883
wurde
Hygiene
an
den
deutschen
Universitäten Pflichtfach. Die zahnärztliche Ausbildung erfolgte zu diesem
Zeitpunkt an Instituten außerhalb der Medizinischen Fakultät. In Berlin z.B.
wurden Studenten der Zahnmedizin erst ab 1909 bei der Medizinischen
Fakultät immatrikuliert. 169
163
Blankenstein, F.: Baugeschichte des Zahnärztlichen Instituts. In: 110 Jahre Zahnärztliches
Institut Berlin 1884-1994, Festschrift, Berlin 1994, 17-48.
164
Schilf (1967), 46.
165
Lauer, H.H., Zur Geschichte der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität
Marburg, Marburg, o.J., n.p., http://web.uni-marburg.de/zahnmedizin//history/lauer.htm, Stand
v. 14.10.2006.
166
Bachmann (2003), 8.
167
ebd.
168
ebd., 10.
169
Blankenstein, F.: Institutschronik. In: 110 Jahre Zahnärztliches Institut Berlin 1884-1994,
Festschrift, Berlin 1994, 53.
71
Nach der Etablierung des Dentistenstandes erhielt die Mehrzahl der mit der
Zahnbehandlung betrauten Personen keine akademische Ausbildung mehr.
Die Ausbildung der approbierten Zahnärzte begann erst ab etwa 1909, vierzig
Jahre nach Erlass der Gewerbeordnung, wieder mit der akademischen
medizinischen Ausbildung zusammenzuwachsen.
Das Schutzbedürfnis der Bevölkerung, das vordem als ein wichtiger Grund für
den Erlass von Regelungen galt, musste von 1869 an hinter wirtschaftlichen
Aspekten zurückstehen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch die mit der
Gewerbeordnung von 1869 eingeführten Änderungen die weitere Entwicklung
der Behandlung von Zahnkrankheiten für lange Zeit von der Entwicklung der
Medizin abgekoppelt worden ist.
72
5
Entwicklungstendenzen von Zahnmedizin und Hygiene bis zur
Gegenwart
Die Zahnheilkunde hat im Vergleich zu den anderen Bereichen der Medizin
einige Besonderheiten. Sie betreffen zum einem das Milieu der Mundhöhle, in
dem der Zahnarzt vorwiegend tätig ist. Die Mundhöhle eines gesunden
Patienten ist mit aeroben und anaeroben Bakterien sowie mit hefeähnlichen
Pilzen besiedelt. Diese residente Flora ist relativ konstant, haftet primär an den
Oberflächen und wird sekundär an den Speichel abgegeben. Systemische
Erkrankungen und Erkrankungen der Mundhöhle verändern die Standortflora.
Die Mundhygiene hat entscheidenden Einfluss auf die Koloniezahl 170 in der
Mundhöhle. Durch die mikrobielle Besiedlung stellt auch der gesunde Patient
eine potentielle Infektionsquelle dar. Eine weitere Besonderheit liegt in der
zum Teil schwer dekontaminierbaren apparativen Ausstattung des Zahnarztes,
insbesondere der Handstücke, Winkelstücke sowie der Turbine. Außerdem hat
der Zahnarzt täglich eine große Anzahl verschiedener Patienten mit einer
teilweise unbekannten Infektionsanamnese zu behandeln. Und schließlich
kommen nicht vorhersehbare Notbehandlungen hinzu, bei denen eine
hygienisierende Vorbereitung auf den Eingriff in kürzester Zeit durchgeführt
werden muss.
Im 19. Jahrhundert machte die Zahnmedizin sowohl in technischer Hinsicht als
auch bei den zahnärztlichen Therapien durch die neuen Erkenntnisse über
Ätiologie und Pathogenese der oralen Erkrankungen große Fortschritte. Die
Erkenntnisse der Hygiene und die durch ihre Anwendung erreichbaren
Verbesserungen
sowohl
der
Therapien
als
auch
der
Zustände
in
zahnärztlichen Einrichtungen fanden jedoch erst sehr spät ihren Niederschlag
in
den
Vorschriften
über
Hygienemaßnahmen
in
zahnärztlichen
Arbeitsbereichen.
170
Kramer, A., Exner, M., Heeg, P., Hingst, V., Rosin, M., Wahl, G.: Antiseptik in der
Mundhöhle. In: Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P., Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M., Weuffen,
W. (Hrsg.): Klinische Antiseptik, Berlin Heidelberg New York 1993, 257-260.
73
5.1 Die Zeit von 1869 - 1949
Für das Militärpersonal hatte Preußen schon 1834 Vorkehrungen zur
Seuchenprophylaxe getroffen. Auf den Chirurgenkongressen 1876-1877
wurde die Forderung erhoben, bei der medizinischen Versorgung der
Soldaten, die verstärkt Schmutz ausgesetzt waren, die antiseptische
Behandlung nach Lister verbindlich einzuführen. 171 1876 wurden in München,
1878 in Leipzig und 1888 in Greifswald ein Hygiene-Institut gegründet. 1883
wurde Hygiene an den deutschen Universitäten Pflichtfach. 172
In der Folge dominierte allerdings die Bakteriologie zunehmend die
wissenschaftliche Arbeit. Ihre Ergebnisse beeinflussten zwar die Hygiene,
jedoch war der Einfluss auf die ärztliche Arbeit beschränkt. Die institutionelle
Trennung von Mikrobiologie und Hygiene erfolgte erst in den ersten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. 173
Das Tragen von Gesichtsmasken beim Operieren wurde 1897 durch Johann
von Mikulicz eingeführt. Die Verwendung von Gummihandschuhen bei
Operationen wurde zuerst etwa 1904 von William Halstedt beschrieben. 174
Am 30. Juni 1900 wurde das Reichsseuchengesetz erlassen, 1938 folgte die
Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Diese regelte für über
20 Infektionskrankheiten die Pflicht zur Anzeige, die Ursachenermittlung und
Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung und Ansteckungsverhütung.
Trotz der Fortschritte in der Forschung auf dem Gebiet der Hygiene und dem
Erlass gesetzlicher Regelungen zur Umsetzung von Hygienestrategien kam es
nicht zum Erlass spezieller Verordnungen für die Hygiene bei der
zahnärztlichen
Behandlung.
Behandlungsräumen
des
Es
ist
anzunehmen,
Zahnarztes
eine
dass
gewisse
man
in
den
Sauberkeit
als
selbstverständlich ansah. Invasives Vorgehen im Kieferbereich, wie z.B.
171
Mette und Winter (1968), 478.
Harig, G. und Schneck, P.: Geschichte der Medizin, Berlin 1990, 183.
173
ebd., 184.
174
Hoffmann, J.N.: Die Sepsis. In: Viszeralchirurgie, 39. Jg., Stuttgart 2004, 142-149.
172
74
Zystenoperationen, gehörte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts in der Regel
ohnehin nicht zum Behandlungsspektrum des Zahnarztes oder Dentisten. 175
5.2
Die Hygienevorschriften in der Zahnheilkunde in der BRD 1949 bis
1989 und für die Praxishygiene wichtige Standardwerke
Das Bundesseuchengesetz entstand 1961 aus den oben genannten
Rechtsvorschriften
und
Infektionskrankheiten.
Ärzte
gewährleistete
und
die
Laboratorien
Bekämpfung
waren
gegenüber
der
dem
Gesundheitsamt verpflichtet, bestimmte Infektionskrankheiten oder einen
Verdacht darauf sowie Todesfälle zu melden. Vom Gesundheitsamt wurden
auf dieser Grundlage Ermittlungen eingeleitet und Maßnahmen gegen die
Ausbreitung und zur Verhütung getroffen.
Für Maßnahmen zur Desinfektion in Zahnarztpraxen, die behördlich
angeordnet wurden und die mit dem Auftreten meldepflichtiger Krankheiten in
Zusammenhang
standen,
waren
die
in
einer
Liste
des
Bundesgesundheitsamtes genannten Desinfektionsmittel zu verwenden. Die
erste Liste des Bundesgesundheitsamtes erschien 1963 176 , inzwischen liegt
die 14. Ausgabe der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten
Desinfektionsmittel und –verfahren vor. 177
Die
Unfallverhütungsvorschrift
(UVV)
der
Berufsgenossenschaft
für
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (herausgegeben ab 1983), seit 2004
als Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR) bezeichnet, legte Maßnahmen
zum Arbeits- und Infektionsschutz der Mitarbeiter in Einrichtungen des
Gesundheitswesens fest. Der Geltungsbereich umfasst auch Zahnarztpraxen.
175
Hoffmann-Axthelm (1985), 399.
Bundesgesundheitsamt (BGA), Liste gemäß § 41 Bundesseuchengesetz, 1963. In:
Bundesgesundheitsblatt (BGBl) 7, 1964, 8.
177
Liste der vom Robert-Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und verfahren (Stand 31.05.2002) gemäß § 18 Infektionsschutzgesetz, HygMed 28.Jg. 2003, 172194.
176
75
Sie enthält u. a. Ausführungen zu den Beschäftigungsvoraussetzungen, den
arbeitsmedizinischen
Vorsorgeuntersuchungen,
zur
Immunisierung
des
Personals, der Erstellung des Hygieneplans, zu den Anforderungen an die
Wasserarmaturen und zum Tragen von Schmuck. 178
Damit gab es zwar während dieses Zeitraums eine Hygienevorschrift für die
zahnmedizinische
Behandlung
und
Einrichtung
in
Bezug
auf
den
Personalschutz, sie war aber keine gesetzliche Grundlage. Wahrscheinlich
ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Regeln der Hygiene, die insgesamt
für Einrichtungen des Gesundheitswesens bestanden, genügten und spezielle
Vorschriften für Zahnarztpraxen nicht erforderlich seien. Durch diesen Mangel,
d.h.
die
nicht
an
die
zahnmedizinische
Praxis
angepassten
Hygienemaßnahmen und die uneinheitliche, unsystematische und nicht
handlungsrelevante
Regelung
für
Zahnarztpraxen,
Hygieneverhalten der Zahnärzte negativ beeinflusst.
wurde
das
179
Die BGA- Richtlinie für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von
Krankenhausinfektionen
vorgelegt.
180
(jetzt
RKI-Richtlinie)
wurde
erstmals
1976
1989 erfolgte die Umbenennung in die jetzige Richtlinie der
Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert
Koch-Institut (RKI) Berlin (die sogenannte RKI-Richtlinie). Diese Richtlinie ist
weder ein Gesetz noch eine Verwaltungsvorschrift. In Verbindung mit einem
Anhörungsverfahren der Bundesländer und der Fachverbände stellt sie eine
Empfehlung nach einem Konsens besonders qualifizierter Fachleute dar und
gibt damit den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wieder. Die
Empfehlungen beziehen sich auf die Prävention nosokomialer Infektionen
einschließlich deren Surveillance, auf das Ausbruchmanagement sowie auf
betrieblich-organisatorische und funktionell-bauliche Voraussetzungen zur
Infektionsprävention. 1990 wurde von der Kommission erstmals eine spezielle
178
Heeg, P. und Setz, J.: Praxishygiene. Stuttgart 1994, 34.
Bergler, R. und Borneff, M.: Barrieren bei der Durchsetzung von Hygieneanforderungen in
der Zahnarztpraxis In: Zentralblatt für Bakteriologie Mikrobiologie und Hygiene B 183, Stuttgart
1986, 153-178.
180
Bundesgesundheitsamt (Hrsg.): Richtlinie für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung
von Krankenhaus-Infektionen, Stuttgart 1976.
179
76
Empfehlung zur Hygiene in der Zahnmedizin erarbeitet. Außerdem war ein Teil
der
allgemeinen
Zahnarztpraxis
Empfehlungen
übertragbar.
Händedesinfektion
und
der
Hierzu
RKI-Kommission
zählen
Händereinigung,
die
zur
direkt
in
die
Empfehlungen
zur
Aufbereitung
von
Medizinprodukten, zu Injektionen und Punktionen, zu Baustoffen und
Ausstattungsmaterialien, zur Schutzkleidung, zur Verhütung der Übertragung
von HIV, zu Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen
invasiven Eingriffen, zur Surveillance in Einrichtungen für das ambulante
Operieren, zu hygienischen Untersuchungen und zur Reinigung und
Desinfektion von Flächen.
1989 erschien die erste Ausgabe des Hygieneleitfadens des Deutschen
Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis (DAHZ), 2003 bereits die 6.
Ausgabe. 181 Diese in der aktuellen Ausgabe 43 Seiten umfassende Broschüre
ist eine zusammenfassende Empfehlung zu den spezifischen Anforderungen
an den Infektions- und Arbeitsschutz in der Zahnarztpraxis und konkretisiert
und präzisiert die gesetzlichen Anforderungen an die Krankenhaus- und
Praxishygiene.
Als
Lehrbuch
oder
Nachschlagewerk
zur
Infektionsprävention
in
Zahnarztpraxen wurde 1985 vom mhp-Verlag Wiesbaden eine 147 Seiten
umfassende
Monografie
von
R.R.
Runnels,
„Praxishygiene
–
eine
Herausforderung für den Zahnarzt“ 182 , veröffentlicht. Dabei handelt es sich um
die Übersetzung und Bearbeitung der zuvor in den USA erschienenen
Ausgabe. In dieser Monografie werden von der Planung der Zahnarztpraxis bis
hin zur Kontrolle der antimikrobiellen Maßnahmen und Verfahren die
Anforderungen umfassend und praxisrelevant dargestellt.
181
182
Eine Ergänzungslieferung zur 6.Ausgabe erschien 2006.
Runnels, R. R.: Praxishygiene- eine Herausforderung für den Zahnarzt. Wiesbaden 1985.
77
5.3
Die Hygienevorschriften in der Zahnmedizin in der ehemaligen DDR
Im Unterschied zur BRD hatte in der DDR die Rahmenhygieneordnung für
Einrichtungen des Gesundheitswesens (1974) Gesetzescharakter. Auf ihrer
Basis wurden die so genannten Hygienekataloge mit empfehlendem Charakter
erstellt, unter anderem auch für die Stomatologie (Zahn-, Mund und
Kieferheilkunde). Die Rahmenhygieneordnung für ambulante und stationäre
Gesundheitseinrichtungen erschien letztmalig mit Stand vom 2. Januar 1990
in einer 78 Seiten umfassenden Ausgabe im Staatsverlag der DDR. Als
monografische Ergänzung dazu wurde das Buch „Krankenhaushygiene“ 1977
in der 1. Auflage (Hrsg. W. Weuffen und F. Oberdoerster, Barth-Verlag
Leipzig) und 1981 in 2. Auflage (Hrsg. W. Weuffen, F. Oberdoerster und A.
Kramer) jeweils mit dem speziellen Kapitel „Infektiöser Hospitalismus in der
Stomatologie und seine Bekämpfung“ (H. Prickler) herausgegeben. Darin wird
die Praxishygiene auf 13 Seiten prägnant und nutzerfreundlich beschrieben.
1990 erschien mit einem Umfang von 280 Seiten die erste umfassende
Monografie zum „Infektionsschutz und Krankenhaushygiene in zahnärztlichen
Einrichtungen“ (Hrsg. A. Kramer, P. Heeg, K. Neumann und H. Prickler, Verlag
Volk und Gesundheit, Berlin). In diesem Buch wird nicht nur der
Infektionsschutz
umwelthygienischer
behandelt,
sondern
Anforderungen
wie
auch
Anforderungen.
Gesamtkomplex
Innenraumklima,
Farbgebung, Schutz vor Lärm und mechanischen
hygienisch-bauliche
der
Weitere
Beleuchtung,
Schwingungen sowie
Inhalte
sind
Fragen
der
Ernährungshygiene, der Gesundheitserziehung und Patientenaufklärung, der
Schutz der Gesundheit vor Schadstoffen im Arbeitsbereich sowie die
Entnahme und der Versand von mikrobiologischem Untersuchungsmaterial.
78
5.4
Die Entwicklung nach der Vereinigung der beiden deutschen
Staaten
5.4.1
Gesetzliche
Grundlagen,
Medizinproduktegesetz 183
und
Infektionsschutzgesetz
Im Medizinproduktegesetz (MPG) werden seit 1994 die Anforderungen an die
elektrische,
die
Funktions-
und
die
hygienische
Sicherheit
von
Medizinprodukten definiert. Danach ist nicht nur der Hersteller, der ein
Medizinprodukt in Verkehr bringt, für die Gewährleistung der erforderlichen
Eigenschaften und dessen sicheren Gebrauch verantwortlich. Auch der
Anwender trägt Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz, die
hygienisch sichere Wiederaufbereitung sowie die Wartung und Kontrolle.
Daher dürfen Medizinprodukte nur von Personen angewendet werden, die
über die erforderliche Ausbildung, Kenntnis und Erfahrung verfügen und die in
die Handhabung der Medizinprodukte nachweislich eingewiesen worden sind.
Die Aufbereitung (Reinigung, Desinfektion und Sterilisation) ist unter
Beachtung der Herstellerangaben mit validierten Verfahren durchzuführen.
Zwischenfälle sind an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) zu melden. Das BfArM sammelt Informationen über Risiken,
Fehlfunktionen usw. von Medizinprodukten. Das MPG enthält Bußgeld- und
Strafvorschriften. Verstöße können mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren
geahndet werden. Das gilt vor allem für den Betrieb und die Inbetriebnahme
von Medizingeräten, die keine CE-Kennzeichnung besitzen oder von denen
eine Gefährdung ausgeht. Die Regelungen des Medizinproduktegesetzes
gelten in allen Belangen auch für die Zahnarztpraxis. Für jedes Medizinprodukt
ist auf der Basis einer Risikoklassifizierung gemäß der gemeinsamen
Empfehlung des Robert-Koch-Institutes und des BfArM „Anforderung an die
Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ 184 eine Standard
Operating Procedure (SOP) zur Aufbereitung der im Gebrauch befindlichen
183
184
Gesetz über Medizinprodukte, Bundesgesetzblatt Teil I (1994), 1963.
BGBl 44, Berlin und Heidelberg 2001, 1115-1126.
79
Medizinprodukte zu erarbeiten. Um zu gewährleisten, dass das medizinische
Personal im niedergelassenen Bereich über das erforderliche Wissen verfügt,
wurde 2003 als gemeinsame Initiative von DGSV (Deutsche Gesellschaft für
Sterilgutversorgung
e.V.),
DGKH
(Deutsche
Gesellschaft
für
Krankenhaushygiene e.V.) und dem Berufsverband Deutscher Hygieniker das
Curriculum
zum Erwerb der Sachkunde für die Instandhaltung von
Medizinprodukten eingeführt. 185 Der Erwerb der Sachkunde in einem 40
Unterrichtsstunden umfassenden Lehrgang mit anschließender Prüfung ist
ausdrücklich
auch
für
Zahnarzthelferinnen,
die
bei
niedergelassenen
Zahnärzten tätig sind, vorgesehen.
Die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der Berufsgenossenschaften werden
fortlaufend aktualisiert. Sie beruhen auf § 15 Sozialgesetzbuch III vom 7.
August 1996 in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der
gesetzlichen Krankenversicherung
vom 14. November 2003. 186 Danach
erlassen die Berufsgenossenschaften als Unfallversicherungsträger die
Unfallverhütungsvorschriften als verbindliches Recht. Die aktuelle Version
„Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) stammt vom 1. Januar 2004.
Weitere hygienerelevante Anforderungen an die Zahnarztpraxis ergeben sich
aus
dem
Arbeitsschutzgesetz
(zuletzt
geändert
2004) 187 ,
der
Gefahrstoffverordnung 2004 188 und der Biostoff-Verordnung (zuletzt geändert
2004). 189
2001 wurde das Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) durch das Gesetz zur
Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen
(Infektionsschutzgesetz - IfSG) 190 abgelöst. Ziel des Infektionsschutzgesetzes
185
HygMed 28 Jg., 2003, 408.
BGBl. I (2003), 2190.
187
Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der
Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit vom 07.08.1996.
BGBl. I (1996), 1246, zuletzt geändert am 30. Juli 2004, BGBl. I (2004), 1950.
188
Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen vom 25.2.2004, BGBl. I (2004), 328.
189
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen
Arbeitsstoffen vom 25.11.2003. BGBl. I (2003) 2342.
190
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen vom 20.
Juli 2000. BGBl. I (2000), 1045.
186
80
ist es, den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern.
Ärzte müssen bestimmte ausgewählte Krankheiten, Laboratorien bestimmte
ausgewählte Erreger melden. Das Gesetz regelt - unter Nutzung der
Erfahrungen
mit
dem
bisherigen
Bundes-Seuchengesetz
-
die
Zusammenarbeit der Bundesbehörden, der Länder, der Ärzte, Krankenhäuser
und wissenschaftlichen Einrichtungen neu.
Die
Eigenverantwortung
Gemeinschaftseinrichtungen,
von
von
Trägern
und
Lebensmittelbetrieben,
Leitern
von
Gesundheits-
einrichtungen sowie jedes einzelnen Bürgers bei der Prävention übertragbarer
Krankheiten wird durch das Gesetz verstärkt, Information und Beratung stehen
vor Kontrolle. Außerdem sieht es den Ausbau des RKI in Berlin zum
epidemiologischen
Zentrum
vor.
Die
wissenschaftlich-epidemiologische
Erfassung des Infektionsgeschehens in der Bundesrepublik ermöglicht ein
noch schnelleres und konsequenteres Handeln.
5.4.2 Richtlinien und Empfehlungen: Richtlinie des RKI, Leitlinie der
DGKH, Empfehlungen des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in
der
Zahnarztpraxis,
Krankenhaushygiene
Wissenschaftlichen
Empfehlungen
der
des
Arbeitskreises
Arbeitsgemeinschaft
Medizinischen
Fachgesellschaften
der
und
weitere Normen
1998 wurde erstmals von der Kommission Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention beim RKI eine Empfehlung zu „Anforderungen an die
Hygiene in der Zahnmedizin“ erarbeitet. 191 Sie beinhaltet den Gesamtkomplex
der Infektionsprävention in der Zahnarztpraxis und behandelt folgende
Schwerpunkte:
191
BGBl 41, Berlin und Heidelberg 1998, 363-369.
81
•
Darstellung des Infektionsrisikos
•
Hygienemaßnahmen am Patienten (Anamnese, Antiseptik) und für das
Behandlungsteam
(Händehygiene,
Impfschutz,
Schutz
vor
Kontamination und Verletzung, Postexpositionsprophylaxe)
•
Aufbereitung von Medizinprodukten
•
Desinfektion von Abformmaterialien, Zahnersatz, Flächen und Mobiliar
•
Prävention wasserübertragbarer Infektionen
•
Wäscheaufbereitung
•
Entsorgung
•
Bauliche Anforderungen
•
Verantwortlichkeit,
Qualitätsmanagement
und
rechtliche
Rahmenbedingungen.
Diese Empfehlung wurde 2006 überarbeitet. 192
Folgende aktuelle RKI- Empfehlungen sind auch für die Zahnarztpraxis von
Bedeutung 193 :
•
Händehygiene (2000)
•
Anforderung an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von
Flächen (2004)
•
Anforderung an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten
(2001)
•
Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven
Eingriffen (2000)
•
Surveillance (Erfassung und Bewertung) von nosokomialen Infektionen,
(2001)
•
Surveillance in Einrichtungen für das ambulante Operieren (2003)
192
BGBl 49, Berlin und Heidelberg 2006, 375-394.
Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.
Lieferung 2 (Dez. 2004), Berlin 2004.
193
82
•
Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten
Staphylococcus aureus-Stämmen in Krankenhäusern und anderen
medizinischen Einrichtungen (1999)
•
Verhütung
und
Kontrolle
der
Weiterverbreitung
transmissibler
spongiformer Enzephalopathien (TSE) (1998).
Außerdem haben folgende weitere Richtlinien und Normen Bedeutung für die
Zahnarztpraxis:
•
Postexpositionelle
Prophylaxe
der
HIV-Infektion
(Deutsch-
Österreichische Empfehlungen 2004)
•
LAGA 194 -Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen
des Gesundheitsdienstes (2002) 195
•
Normen zum Betrieb und zur Ausstattung von Sterilisatoren (DIN EN
285 und DIN EN 13060).
Folgende Leitlinien der DGKH 196 haben unmittelbare Bedeutung für die
Zahnarztpraxis:
•
Indikationen
und
Wirkstoffauswahl
zur
prophylaktischen
und
therapeutischen Mundhöhlenantiseptik (Oktober 2001)
•
Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und
Desinfektionsprozesse (2006).
Die Leitlinien des Arbeitskreises Krankenhaushygiene der Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die unter
194
Länderarbeitsgemeinschaft Abfall.
Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (Hrsg.): Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung
von Abfällen des Gesundheitsdienstes. Saarbrücken 2002.
196
http://www.dgkh.de/.
195
83
Mitwirkung der DGKH erarbeitet wurden, behandeln folgende z. T. auch für die
Zahnarztpraxis relevanten Themen:
•
Trennung von OP-Bereichen 197
•
Aufbereitung von Medizinprodukten in Krankenhaus und Praxis 198
•
OP-Kleidung und Patientenabdeckung 199
•
Raumlufttechnische Anlagen 200
•
Maßnahmen beim Auftreten multiresistenter Erreger (MRE) 201
•
Anforderungen
an
Handschuhe
zur
Infektionsprophylaxe
im
Gesundheitswesen 202
•
Atemschutz bei aerogen übertragbaren Infektionen 203
•
Händedesinfektion und Händehygiene 204
•
Hygienische
Anforderungen
an
Hausreinigung
und
Flächendesinfektion 205
•
Prävention blutübertragbarer Virusinfektionen 206
•
Gewinnung, Lagerung und Transport von Proben zur mikrobiologischen
Infektionsdiagnostik 207
•
Prophylaxe der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung in Krankenhaus und
Praxis 208
Die verstärkte Zuwendung zur Infektionsprävention in der Zahnarztpraxis in
Gesetzen, Richtlinien und Empfehlungen findet auch darin ihren Niederschlag,
dass dieses Thema in Monografien und Standardwerken stärker als vor 1990
Berücksichtigung findet. Das betrifft folgende Publikationen:
197
Hygiene in Klinik und Praxis, 2004, 47ff.
ebd., 71ff.
199
ebd., 83ff.
200
ebd., 135ff.
201
ebd., 121ff.
202
ebd., 191ff.
203
ebd., 238ff.
204
HygMed 28.Jg., 2003, 129-133.
205
Hygiene in Klinik und Praxis, 2004, 224ff.
206
ebd., 175ff.
207
ebd., 109ff.
208
ebd., 156ff.
198
84
•
Borneff, M: Infektionsprobleme der zahnärztlichen Tätigkeit und ihre
Prophylaxe, HVA, Heidelberg 1993 (182 Seiten)
•
Borneff, M.: Hygiene für Zahnmediziner. Ein Leitfaden für Zahnärzte
und Studenten, Thieme Stuttgart 1994 (259 Seiten)
•
Kramer, A., Exner, M., Heeg, P., Hingst, V., Rosin, M., Wahl, G. (1993):
Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P.,
Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M., Weuffen,W., Klinische Antiseptik,
Springer, Berlin Heidelberg New York Paris Tokyo, 257-277
•
Rahn, R.: Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Wendt, M. und
Werner, H.P. (Hrsg.), Möglichkeiten und Perspektiven der klinischen
Antiseptik, mhp-Verlag, Wiesbaden 1995, 84-87
•
Sümnig,
W.,
Voigt,
M.
und
Kramer,
A.:
Zahn-,
Mund
und
Kieferheilkunde. In: Kramer, A., Heeg, P. und Botzenhart, K. (Hrsg.):
Krankenhaus- und Praxishygiene, Urban Fischer, München Jena 2001,
612-625.
1986 stellten R. Bergler und M. Borneff 209 mehrere Barrieren bei der
Durchsetzung von Hygieneanforderungen in der Zahnarztpraxis fest:
•
Wissensbarrieren durch mangelhafte Nutzung von Fortbildung,
keine einheitlichen Hygiene-Standards und daraus resultierend
Führungsbarrieren und Impfbarrieren
•
Problembarrieren durch unbequeme Hygienemaßnahmen
•
Wahrscheinlichkeitsbarrieren durch das seltene Auftreten von
Risikofällen und daraus resultierend wiederum Impfbarrieren.
Die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung wurde daraufhin zwar nicht
erhoben, wohl aber eine auf die Überwindung der Wissensbarriere gerichtete
209
Bergler und Borneff (1986), 153-178.
85
attraktive Zielsetzung für den Behandler angeregt. Wahrscheinlich wurde
davon ausgegangen, dass es wegen der sich aus dem Bürgerlichen
Gesetzbuch ergebenden Verantwortung des Arztes für seine Patienten, seine
Mitarbeiter, sich selbst und die Gesundheit seiner Familie ohnehin ein
entwickeltes
Hygienebewusstsein
gibt,
so
dass
Regelungen nicht erforderlich sind. Wenn aber
weitere
gesetzliche
konkrete gesetzliche
Vorschriften fehlen, keine Kontrolle stattfindet und kein Rahmen für die
Anforderungen an die Hygiene existiert, hängt die Beachtung und Einhaltung
hygienischer Standards von der Ausbildung der Behandler und ihrer
Mitarbeiter sowie von deren Bereitschaft ab, ihr Wissen in der Alltagspraxis
auch konsequent anzuwenden und sich weiterzubilden. Eine wissenschaftliche
Ausbildung in der Hygiene sichert die Voraussetzung, dass der Zahnarzt in
seiner Praxis die Hygiene als bedeutsam ansieht, sich auf diesem Gebiet
fortbildet und seine Mitarbeiter anleiten kann.
Die Wissensbarriere erweist
sich als entscheidendes Hemmnis im Hygieneverhalten der Zahnärzte. Von
einer Impfbarriere kann heute nicht mehr gesprochen werden. Betrug die
Durchimpfungsrate (Hepatitis B) der Zahnärzte in der BRD 1986 nur 57,5%, so
werden heute in der Regel alle Studenten der Zahnmedizin geimpft. Auch die
BGR sehen eine Impfung der Mitarbeiter in Zahnarztpraxen vor.
Unverständliches
und
Widersprüchliches,
das
eine
einheitliche
Meinungsbildung hemmte und das Hygieneverhalten in der Praxis der BRD
noch vor 20 Jahren negativ beeinflusste, ist insbesondere mittels der
Empfehlungen
des
Deutschen
Arbeitskreises
für
Hygiene
in
der
Zahnarztpraxis (DAHZ) (s. Anlage B, Anforderungen des Hygieneleitfadens)
und der RKI-Richtlinien beseitigt, sodass die Wissensbarriere als überwunden
gelten kann. Die Überwindung dieser Barriere war die Voraussetzung für die
Akzeptanz und Umsetzung auch unbequemer Hygienemaßnahmen in der
täglichen Praxis. Erleichtert wurde diese Überwindung der Problembarriere
aber auch durch verbesserte und an das zahnmedizinische Instrumentarium
angepasste Aufbereitungstechnik.
86
Erst durch diese Fortschritte in der jüngsten Vergangenheit beginnen sich die
zeitlich versetzte Entwicklung von Zahnheilkunde und die Umsetzung
hygienischer
Erkenntnisse
in
der
zahnärztlichen
Praxis
aneinander
anzugleichen. Die Wahrscheinlichkeitsbarriere bleibt bestehen, aber die
geringe
Anzahl
Wissensbarriere
von
Risikofällen
stellt
durch
kein
Hemmnis
mehr
für
die
die
Aufhebung
der
Umsetzung
von
wie
das
Hygienemaßnahmen dar.
Da
jedoch
viele
Medizinproduktegesetz,
gesetzliche
Bestimmungen,
Übergangsregelungen
und
z.B.
Bestandsgarantien
beinhalten, ist die zeitlich versetzte Entwicklung noch nicht beendet.
87
6
Zusammenfassung
Im 19. Jahrhundert nahmen die Therapiemöglichkeiten der Zahnärzte ernorm
zu. Der technische Fortschritt ermöglichte eine verstärkte Zuwendung zur
restaurativen, konservierenden Zahnheilkunde. Gleichzeitig wuchsen in
Deutschland die Anforderungen an die Ausbildung der Zahnärzte. Obwohl es
in Mecklenburg-Strelitz keine universitäre Ausbildung gab, waren die
gesetzlichen Anforderungen für eine Zulassung zur zahnärztlichen Tätigkeit
und die Erteilung der Konzession als Zahnarzt höher als in anderen deutschen
Staaten - zumindest bis zur Einführung der Gewerbeordnung 1869. Diese
zielte vor allem auf die Deckung der steigenden Behandlungsnachfrage, auf
größere wirtschaftliche Freiheiten und sah Zahnmedizin als Gewerbe an.
Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts erhöhte sich auch der wissenschaftliche
Erkenntnisstand in der Bakteriologie und der Hygiene erheblich. Das schlug
sich zunächst in der ärztlichen, später auch in der zahnärztlichen Tätigkeit
nieder. Allerdings verzögerte die Gewerbefreiheit, die eine Ausübung der
Zahnbehandlung
durch
medizinische
Laien
erlaubte,
die
verbindliche
Umsetzung dieser Erkenntnisse um mehrere Jahrzehnte.
Auf der einen Seite kam es zu einer immer vollkommeneren universitären
Ausbildung von Zahnärzten an Universitäten, wie z.B. in Berlin ab 1884 oder
Rostock ab 1907, auf der anderen Seite entwickelte sich die handwerklich und
zahntechnisch-prothetisch ausgerichtete Ausbildung der Dentisten. Mehrfach
wurde die Vereinheitlichung des Berufsstandes mit dem Ziel der Einführung
der Zahnbehandlung als ausschließlich medizinische Disziplin gefordert.
Dieser Forderung wurde man in der Sowjetischen Besatzungszone mit der
neuen Approbationsordnung vom 1. August 1949 gerecht, in Westdeutschland
geschah das erst im Jahr 1952. Andere Länder folgten wesentlich später (z.B.
Österreich 1995). In der DDR wie auch der BRD erhielten die bereits tätigen
Dentisten eine akademische Zusatzausbildung und wurden so den Zahnärzten
gleichgestellt. So wurde nach etwa 80 Jahren ein einheitlicher Berufsstand der
mit der zahnmedizinischen Behandlung befassten Personen erreicht.
88
Die Gesetzgebung zur Infektionsprophylaxe und zum Schutz vor Seuchen war
zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der allgemeinen Medizin schon relativ
umfassend. Die Zahnmedizin wurde als zum Gesundheitswesen gehörend
angesehen. Eine verbindliche Richtlinie oder Verordnung, die den oben
beschriebenen Besonderheiten der zahnärztlichen Behandlung Rechnung
trug, wurde nicht erlassen, obgleich die Gesetzgebung in beiden deutschen
Staaten
zum
Schutz
der
Allgemeinheit
Regelungsbedarf
für
die
Gesundheitseinrichtungen insgesamt sah.
So kam es, dass Richtlinien, die Erkenntnisse und Fortschritte auf dem Gebiet
der Hygiene für die zahnmedizinischen Einrichtungen einführten, erst
wesentlich später erlassen wurden. In der DDR geschah das erstmals auf
Basis der Rahmenhygieneordnung 1974, in der BRD erst Ende der 80er Jahre
des 20. Jahrhunderts. Der „Hygieneleitfaden“ erschien erstmals 1989 und eine
spezielle RKI-Richtlinie 1998.
Zu einem entscheidenden Zeitpunkt ihrer Entwicklung war die Zahnmedizin
durch den Gesetzgeber, der wirtschaftliche Aspekte und eine schnelle
Deckung des wachsenden Bedarfs den Vorrang vor der medizinischen
Ausbildung gab, von der Entwicklung der Medizin und der Hygiene
abgekoppelt worden. Die 1869 eingeführte Gewerbe- und Kurierfreiheit
machte die Zahnmedizin zum Gewerbe, nur die Bezeichnung „Zahnarzt“ blieb
gesetzlich geschützt. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis die Hygiene den
Stellenwert in der Zahnmedizin einnehmen konnte, den sie in der allgemeinen
Medizin schon lange hatte. Dieser Rückstand wird nun durch eine ständige
Überarbeitung der Hygienerichtlinien und die Anpassung an den medizinischtechnischen Fortschritt aufgeholt.
Nur durch die Beibehaltung und die Weiterentwicklung der universitären und in
die Medizin integrierten Ausbildung der Zahnärzte sowie deren Weiter- und
Fortbildung kann gewährleistet werden, dass auch in Zukunft die zahnärztliche
Behandlung genauso sicher ist wie ärztliche - zum Schutz von Patient,
Zahnarzt und Praxispersonal.
89
Anlage A
Öffentlich verzeichnete niedergelassene Zahnärzte in Mecklenburg-Strelitz 210
Zahnärzte als Hofchargen / Hofbedienstete
1800
1801
1802
1803
1804
1805
1806
1808
1809
1810
1811
1812-15
Seligmann Michael HZA/O; Salomon, Wolf HZA/O;
Schneider, Johann Zahn- und Augenarzt
Seligmann Michael HZA/O zu Altstrelitz
Seligmann Michael HZA/O Altstrelitz
Seligmann Michael HZA/O
Seligmann Michael HZA/O
Seligmann Michael, Zahnarzt und Operateur HZA
Seligmann Michael
Seligmann Michael
Seligmann Michael
Seligmann Michael
Seligmann Michael
kein Eintrag
Ab 1816 Zahnärzte als Medizinalpersonen
1816
1817
1818
1819
1820
1821
1822
1823
1824
1825
1826
1827
1828
1829
1830
1831
1832
1833
1834
1835
1836
1837
1838
210
Louis Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacobi; Michael Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby, M. Seligmann
L. Jacoby, Michael Seligmann
L. Jacoby Wolffsohn HZA, M. Seligmann
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ)
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ)
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ)
L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ)
StK-MSt, 1800-1806 und 1808-1900.
90
1839
1840
1841
1842
1843
1844
1845
1846
1847
1848
1849
1850
1851
1852
1853
1854
1855
1856
1857
1858
1859
1860
1861
1862
1863
1864
1865
1866
1867
1868
1869
1870
1871
1872
1873
1874
1875
1876
1877
1878
1879
1880
1881
1882
kein Eintrag
kein Eintrag
Hofzahnarzt Fritze (NZ)
Hofzahnarzt Fritze (NZ)
Hofzahnarzt Fritze (NZ)
Hofzahnarzt Fritze (NZ)
HZA Carl Wilhelm Fritze (NZ)
HZA C.W. Fritze (NZ), HZA S.K.H. des Erbgroßherzogs E.T.
Pagel, Unterarzt (WA)
HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA E.T. Pagel (NZ), Ludwig Verhein (NZ)
HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA E.T. Pagel (NZ)
HZA E.T. Pagel (NZ), Joseph Wilhelm Sachs (NZ)
Wilhelm Enterlein (NB), HZA Pagel, ZA Sachs, (NZ)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB) WA2
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein WA2, Stoll, Moritz WA1 (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein WA2, M. Stoll WA1 (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein WA2, M. Stoll WA1, Georg
Ludwig Wilh. Hirsekorn WA (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel, Ludwig Warnekros (NZ), W. Enterlein,
G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein,
G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein,
91
1883
1884
1885
1886
1887
1888
1889
1890
1891
1892
1893
1894
1895
1896
1897
1898
1899
1900
G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein,
G. Hirsekorn (NB)
HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein,
G. Hirsekorn (NB)
L. Warnekros (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB)
W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB)
W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB)
W. Enterlein (NB)
Franz Meincke, Rudolph Ausfeld (NZ)
kein Eintrag
kein Eintrag
kein Eintrag
Otto Schreckhaase (NB)
Otto Schreckhaase (NB)
Otto Schreckhaase (NB)
Otto Schreckhaase (NB), Paul Jacobs (NZ), Carl Degner (FL)
M. Kausch (NZ), O. Schreckhaase (NB), C. Degner (FL)
M. Kausch (NZ), O. Schreckhaase; Erich Krüger (NB),
C. Degner (FL)
M. Kausch (NZ), O. Schreckhaase; Erich Krüger (NB),
C. Degner (FL)
M. Kausch, Alfred Stahl (NZ); O. Schreckhaase; E. Krüger (NB),
C. Degner (FL); Hofdentist S.K.H. des Erbgroßherzogs Karl
Reibeholz
92
Anlage B
Anforderungen des Hygieneleitfades des Deutschen Arbeitskreises Hygiene
in der Zahnarztpraxis - Eine tabellarische Übersicht der Entwicklung seit
1989 211
I.
Flächen- und Gerätedesinfektion
Jahr der ersten
Anforderung bzw.
Aktualisierung
Sprühen/ Wischen/ Sprühen (mit einem DGHM- anerkannten
1989
Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen, im
1992
1 m Radius um den Patientenmund und kontaminierte Flächen nach
1996
der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort
Sprühen/ Wischen (mit einem DGHM- anerkannten HBV-/HIV- wirksamem
1999
Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen, mit
einer Ausdehnung von 2 m um den Patientenmund, kontaminierte Flächen nach
der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort
Sprühen/ Wischen (mit einem DGHM- anerkannten HBV-/HCV-/HIV-
2001
wirksamem Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen,
mit einer Ausdehnung von 2 m um den Patientenmund, kontaminierte Flächen
nach der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort
Sprühen/ Wischen (mit einem DGHM- anerkannten HBV-/HCV-/HIV-
2003
wirksames Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen,
mit einer Ausdehnung von 2 m um den Patientenmund, kontaminierte Flächen
nach der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort: Wischen/ Sprühen /
Wischen (Zellstoff, Flächendesinfektionsmittel)
Bei Behandlung von Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko: Wischdesinfektion
der Fußböden (mit einem wässrigen, DGHM- anerkannten HBV-/HCV-/HIVwirksames Flächendesinfektionsmittel)
211
Die Empfehlungen des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis (Hrsg.),
Norderstedt/Kiel, 1. Ausgabe, 1989.
Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnarztpraxis (Hrsg.): Hygieneleitfaden,
Norderstedt/Kiel, 2. Ausgabe 1992 bis 6. Ausgabe (Ergänzung) 2006.
93
II.
Instrumentenwartung, Wiederaufbereitung und Lagerung
II. 1.
Instrumente für allgemeine und konservierende Behandlung
(verschiedene Bezeichnungen)
Jahr der ersten
Anforderung bzw.
Aktualisierung
Nach der Benutzung:
1989
- Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Instrumentendesinfektionsmittel, sofort
1992
oder im Thermodesinfektor (TDI), ebenfalls sofort
- Reinigung, Sterilisation
- Lagerung in hygienisch gewarteten Schubladen, Schränken, Behältern
Handinstrumente für nichtinvasive Maßnahmen
1996
- Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Instrumentendesinfektionsmittel, sofort
1999
oder im TDI
- Reinigung, Sterilisation
- Lagerung rekontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
Handinstrumente für allgemeine, präventive, restaurative oder kieferorthopädische
2000
(nichtinvasive) Maßnahmen
2001
- Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Instrumentendesinfektionsmittel, sofort
2003
oder im TDI
- Reinigung, Sterilisation
- Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
Handinstrumente für allgemeine, präventive, restaurative oder kieferorthopädische
2006
(nichtinvasive) Maßnahmen
werden als semikritische Medizinprodukte (A) ohne besondere
Anforderungen an die Aufbereitung eingestuft:
- Desinfektion/Reinigung (TDI), danach wird die Sterilisation (optional)
empfohlen und die Lagerung unverpackt auf Trays o. dgl. oder verpackt in
Sterilgutverpackung
- Erfolgt keine Aufbereitung im TDI, ist die Sterilisation obligatorisch.
94
II. 2.
Rotierende Instrumente, Hand und Winkelstücke, Turbinen
(verschiedene Bezeichnungen)
Jahr der ersten
Anforderung bzw.
Aktualisierung
Nach der Benutzung:
1989
- Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Flächendesinfektionsmittel,
oder im Thermodesinfektor (TDI)
- Reinigung, Sterilisation
- Lagerung in hygienisch gewarteten Köchern, Schalen, Schubladen oder Ständern
Rotierende Instrumente:
1992
- Desinfektion sofort in Desinfektions- und Reinigungslösung mit
Korrosionsschutz oder thermisches Desinfektionsverfahren nach max.
5 h Trockenlagerung
- Reinigung, Sterilisation
- Lagerung in hygienisch gewarteten Ständern oder Schalen
Handstücke und Turbinen:
- Sprüh/Wischdesinfektion oder thermisches Desinfektionsverfahren nach max.
5 h Trockenlagerung
- Reinigung (mit Spezialspray)
- Dampfsterilisation unverpackt, für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung
- Lagerung in hygienisch gewarteten Köchern, Schalen o. dgl. bzw.
in Sterilgutverpackung
Rotierende Instrumente:
1996
- Desinfektion sofort in Desinfektions- und Reinigungslösung mit
Korrosionsschutz oder thermisches Desinfektionsverfahren nach max.
6 h Trockenlagerung
- Reinigung, Sterilisation
- Lagerung rekontaminationsgeschützt
Handstücke und Turbinen:
- Außenreinigung und Desinfektion als Sprüh/ Wischdesinfektion
- Innenreinigung, Ölung (mit Spezialspray)
- Dampfsterilisation (optional), für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung
- Lagerung rekontaminationsgeschützt bzw. in Sterilgutverpackung
95
Rotierende Instrumente:
1999
- chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren oder thermisches
Desinfektionsverfahren
- Reinigung, Sterilisation
- Lagerung kontaminationsgeschützt
Handstücke und Turbinen:
a) mit Aufbereitungsautomat:
- thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren, Ölung
- Sterilisation (optional)
- Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
b) ohne Aufbereitungsautomat:
- Sprüh/Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem, DGHM- zertifiziertem
HBV-/HCV-/HIV- wirksamen Flächendesinfektionsmittel
- Reinigung, Ölung (Pflegespray)
- Dampfsterilisation unverpackt, für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung
- Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
Rotierende oder oszillierende Instrumente:
2001
- Thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren
- Reinigung, Sterilisation
- kontaminationsgeschützte Lagerung
Handstücke und Turbinen:
a) mit Aufbereitungsautomat:
- thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren, Ölung
- Sterilisation (optional)
- Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
b) ohne Aufbereitungsautomat:
- Sprüh/Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem, DGHM- zertifiziertem
HBV-/HCV-/HIV- wirksamen Flächendesinfektionsmittel
- Reinigung, Ölung (Pflegespray)
- Dampfsterilisation unverpackt, für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung
- Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
Rotierende und oszillierende Instrumente:
2003
- Thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren (ggf. Vorreinigung)
- Sterilisation
- kontaminationsgeschützte Lagerung
Handstücke und Turbinen:
a) mit Aufbereitungsautomat:
- thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren, Ölung
96
- Kontrolle auf Unversehrtheit, Funktionstüchtigkeit
- Sterilisation (optional)
- Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
b) ohne Aufbereitungsautomat:
- Sprüh/Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem, DGHM- zertifiziertem
HBV-/HCV-/HIV- wirksamen Flächendesinfektionsmittel
- Reinigung, Ölung (Pflegespray)
- Kontrolle auf Unversehrtheit, Funktionstüchtigkeit
- Dampfsterilisation für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung
- Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung
Rotierende oder oszillierende Instrumente und die Übertragungsinstrumente
2006
werden als semikritische Medizinprodukte (B) mit erhöhten Anforderungen
an die Aufbereitung eingestuft:
Rotierende oder oszillierende Instrumente:
- Thermisches (oder chemisches) Reinigungs- und Desinfektionsverfahren,
Reinigung, Sterilisation
- Lagerung unverpackt in Ständern, Schalen oder verpackt in Sterilgutverpackungen
Übertragungsinstrumente:
- Thermisches (oder chemisches) Reinigungs- und Desinfektionsverfahren
und Pflege der Innenteile (Ölung) oder
Außenreinigung und –desinfektion (Wischdesinfektion mit geeignetem
alkoholbasiertem Flächendesinfektionsmittel), Innenreinigung und –pflege (Ölung),
- Dampfsterilisation unverpackt
Bei Instrumenten mit Austritt von Flüssigkeiten und oder Luft oder Partikeln:
- Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem Flächendesinfektionsmittel,
- thermisches Reinigungs- und Desinfektionsverfahren und
- optional Dampfsterilisation
97
II. 3.
Chirurgische (invasive) und endodontische Instrumente sowie
chirurgische Hand- und Winkelstücke, Turbinen (verschiedene
Bezeichnungen)
Jahr der ersten
Anforderung bzw.
Aktualisierung
- Desinfektion, sofort oder (nach max. 5 h Trockenlagerung) in
den Thermodesinfektor (TDI)
1989
1992
- Reinigung, Sterilisation in Sterilgutverpackung
- Lagerung in Sterilgutverpackung
Chirurgische, parodontologische und endodontische Instrumente
1996
- Desinfektion, sofort oder (nach max. 6 h Trockenlagerung) thermisches
Desinfektions- und Reinigungsverfahren
- Reinigung, Sterilisation in Sterilgutverpackung
- Lagerung in Sterilgutverpackung
Chirurgische, parodontologische und endodontische Instrumente
1999
- Desinfektion, sofort oder thermisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren
2001
- Reinigung, Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung
- Lagerung in Sterilgutverpackung
Chirurgische, parodontologische und endodontische Instrumente
2003
- Desinfektion, sofort oder thermisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren
- Kontrolle, Nachreinigung, Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung
- Lagerung in Sterilgutverpackung
Instrumente und Hilfsmittel für chirurgische, parodontologische oder
2006
endodontische (invasive) Maßnahmen werden als kritische
Medizinprodukte (A) ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung
eingestuft:
- Thermisches oder chemisches Reinigungs- und Desinfektionsverfahren
- Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung, Lagerung in Sterilgutverpackung
Rotierende, oszillierende Instrumente und deren Übertragungsinstrumente
werden als kritische Medizinprodukte (B) mit erhöhten Anforderungen an
die Aufbereitung (nur durch Fachpersonal) eingestuft:
2006
a) Instrumente und Übertragungsinstrumente,
Aufbereitung mittels Aufbereitungsgerät:
98
- Thermisches oder chemisches Reinigungs- und Desinfektionsverfahren
(Übertragungsinstrumente: Pflege/Ölung)
- Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung, Lagerung in Sterilgutverpackung
b) Übertragungsinstrumente (Aufbereitung auch ohne Aufbereitungsgerät möglich):
- Außenreinigung und Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem Flächendesinfektionsmittel,
- Innenreinigung und Pflege (Ölung)
- Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung, Lagerung in Sterilgutverpackung
99
III. Händehygiene und das Tragen von Handschuhen
1989
Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung:
-
hygienische Händedesinfektion
-
bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko wird das Tragen von
Handschuhen empfohlen, Mehrfachnutzung nach hygienischer
Händedesinfektion möglich
-
bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten wird das Tragen von
sterilen Handschuhen empfohlen
Chirurgische Behandlung:
-
chirurgische Händedesinfektion
-
Tragen von sterilen Handschuhen
1992
Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung:
-
hygienische Händedesinfektion
-
bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko oder möglichem Kontakt mit
infektiösen Sekreten wird das Tragen von Handschuhen empfohlen,
Mehrfachnutzung nach hygienischer Händedesinfektion möglich, der
Vorzug ist jedoch der Einmalnutzung zu geben
-
bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten ist das Tragen von
sterilen Handschuhen erforderlich
Chirurgische Behandlung:
-
chirurgische Händedesinfektion
-
Tragen von sterilen Handschuhen
1996
Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung:
-
hygienische Händedesinfektion
100
-
bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko oder möglichem Kontakt mit Blut,
infektiösen Sekreten wird das Tragen von Handschuhen empfohlen,
Wechsel nach jedem Patienten empfohlen
-
bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten ist das Tragen von
sterilen Handschuhen erforderlich
Chirurgische Behandlung:
-
chirurgische Händedesinfektion
-
Tragen von sterilen Handschuhen
Reinigungsarbeiten:
-
Tragen fester, flüssigkeitsdichter Handschuhe
1999, 2001, 2003
Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung:
-
hygienische Händedesinfektion
-
bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko oder möglichem Kontakt mit Blut,
Körperflüssigkeiten oder infektiösen Sekreten wird das Tragen von
Handschuhen empfohlen, Wechsel nach jedem Patienten empfohlen
-
bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten ist das Tragen von
sterilen Handschuhen erforderlich
Chirurgische Behandlung:
-
chirurgische Händedesinfektion
-
Tragen von sterilen Handschuhen
Reinigungsarbeiten:
-
Tragen fester, flüssigkeitsdichter Handschuhe
101
Primärliteratur
I. Ungedruckte Quellen
Landeshauptarchiv Schwerin:
4.11-6 Mecklenburg-Strelitzsches Kammer- und Forstkollegium Nr. 6323
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 4. Heft 1815/16
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 5. Heft 1816/17
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 6. Heft, 1817/18
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 7. Heft, 1818/19
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 11. Heft, 1822/23
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 17. Heft, 1828/29
4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 18. Heft, 1829/30
4.11-9 MSt-MK, Nr. 12, Acta wegen landesherrlichen Verbots gegen
Quacksalberei 1766-1811
4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Fritze, C.W.
4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Louis Jacoby Wolffson
4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Völlner, W.
4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Ludwig Verhein
Stadtarchiv Neustrelitz:
Rep. I /81, Verschiedene Verordnungen 1817-1860
II. Gedruckte Quellen
Bergler, R. und Borneff, M.: Barrieren bei der Durchsetzung von
Hygieneanforderungen in der Zahnarztpraxis. In: Zentralblatt für
102
Bakteriologie Mikrobiologie und Hygiene B 183, G. Fischer, Stuttgart
1986, 153-178
Borneff, M: Infektionsprobleme der zahnärztlichen Tätigkeit und ihre
Prophylaxe. Heidelberger Verlagsanstalt, Heidelberg 1993
Bornemann: Ueber das Bedürfniß einer Medizinal-Ordnung in
Mecklenburg. In: Freimüthiges Abendblatt, 150 (1821), Schwerin,
o.P., 16.11. 1821
Buzer, A.: Handbuch der Zahnheilkunde. Berlin 1867
Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (Hrsg.):
Indikationen und Wirkstoffauswahl zur prophylaktischen und
therapeutischen Mundhöhlenantiseptik. Greifswald 2001
Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (Hrsg.):
Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und
Desinfektionsprozesse für thermostabile Medizinprodukte und zu
Grundsätzen der Geräteauswahl. Greifswald 2006
Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnarztpraxis (Hrsg.):
Hygieneleitfaden. Eigenverlag, Norderstedt/Kiel, 2. Ausgabe 1992 bis
6. Ausgabe (Ergänzung) 2006
Die Empfehlungen des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der
Zahnarztpraxis (Hrsg.), Eigenverlag, Norderstedt/Kiel, 1. Ausgabe,
1989
Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzischer Officieller Anzeiger für
Gesetzgebung und Staatsverwaltung. Neustrelitz 1856, 95-96
Hoffmann, J.N.: Die Sepsis. In: Viszeralchirurgie 2004; 39 Jg.,
Thieme, Stuttgart 2004, 142-149
Heeg, P. und Setz, J.: Praxishygiene. Thieme, Stuttgart 1994
Kramer, A., Exner, M., Heeg, P., Hingst, V., Rosin, M. und Wahl, G.:
Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P.,
Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M. und Weuffen, W. (Hrsg.): Klinische
Antiseptik. Springer, Berlin Heidelberg New York Paris Tokyo 1993,
257-260
Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P., Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M.
und Weuffen, W. (Hrsg.): Klinische Antiseptik. Springer, Berlin
Heidelberg New York Paris Tokyo 1993
103
Kramer, A., Heeg, P., Neumann, K. und Prickler, H.: Infektionsschutz
und Krankenhaushygiene in zahnärztlichen Einrichtungen. Volk und
Gesundheit, Berlin 1990
Linderer, C.J.: Lehre von den gesamten Zahnoperationen. Berlin
1834
Neustrelitzer Zeitung Nr. 100 (1851), Neustrelitz, 31.8.1851
Neustrelitzer Zeitung Nr. 12 (1871), Neustrelitz, 27.1.1871
Neustrelitzer Zeitung Nr. 75 (1869), Neustrelitz, 7.7.1869
Prickler, H.: Infektiöser Hospitalismus in der Stomatologie und seine
Bekämpfung. In: Weuffen, W., Oberdoerster, F. und Kramer, A.
(Hrsg.): Krankenhaushygiene. Barth Leipzig, 2. Aufl., 1981, 369-381
Rahn, R.: Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Wendt, M. und
Werner, H. P. (Hrsg.): Möglichkeiten und Perspektiven der klinischen
Antiseptik. mhp-Verlag, Wiesbaden 1995, 84-87
Runnels, R. R.: Praxishygiene- eine Herausforderung für den Zahnarzt. 1.
Aufl., mhp-Verlag, Wiesbaden, 1985
Staatskalender Mecklenburg-Strelitz für die Jahre 1800-1806 und
1808-1900, Spalding Neustrelitz
Sümnig, W., Voigt, M. und Kramer, A.: Zahn-, Mund und
Kieferheilkunde. In: Kramer, A., Heeg, P. und Botzenhart, K. (Hrsg.):
Krankenhaus- und Praxishygiene. Urban Fischer, München Jena
2001, 612-625
Weuffen, W., Oberdoerster, F.: Krankenhaushygiene. 1. Aufl., Barth,
Leipzig 1977
Weuffen, W., Oberdoerster, F. und Kramer, A.: Krankenhaushygiene.
2.Aufl., Barth, Leipzig 1981
III. Gesetze, Verordnungen, Richtlinien
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hrsg.):
Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR). Hamburg 2004
104
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hrsg.):
Unfallverhütungsvorschrift (UVV). Hamburg 1983
Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes. 1869, 245
Bundesgesundheitsamt (BGA): Liste gemäß § 41 Bundesseuchengesetz,
1963. In: Bundesgesundheitsblatt 7, 1964
Bundesgesundheitsamt (Hrsg.): Richtlinie für die Erkennung, Verhütung und
Bekämpfung von Krankenhaus-Infektionen. Stuttgart 1976
Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815. In: documentArchiv.de (Hrsg.), URL:
http://www.documentArchiv.de/nzjh/dtba.html, Stand: 15.09.2006
Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur
Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten
bei der Arbeit vom 07.08.1996. In: BGBl. I (1996), 1246, zuletzt geändert am
30. Juli 2004, BGBl. I (2004), 1950
Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG) vom 2. August
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109
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Mecklenburg um die Jahrhundertwende 18./19. Jahrhundert.
Aus: Lippert (1994), 111.
Abb. 2:
Der Bonwill-Artikulator.
Aus: Hoffmann-Axthelm (1985), 301.
Abb. 3:
Anlegen von Kofferdam.
Aus: Hoffmann-Axthelm (1985), 327.
Abb. 4:
Harringtons „Erado“ .
Aus: Stroemgren (1945), 87.
Abb. 5:
Darstellung aus der Patentschrift für Morrisons Bohrmaschine
1871.
Aus: Hoffmann-Axthelm (1985), 342.
Abb. 6:
Carl, Regierender Herzog (ab
Mecklenburg-Strelitz (1741- 1816).
Aus: Lippert (1994), 13.
Abb. 7:
Deckblatt der „Erneuerten und erweiterten Verordnung“ vom
24.2.1818.
Aus: StArNZ, Rep. I /81, Verschiedene Verordnungen 18171860.
1815
Großherzog)
von
110
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig verfasst
und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.
Die Dissertation ist bisher an keiner anderen Fakultät vorgelegt worden.
Ich erkläre, dass ich bisher kein Promotionsverfahren erfolglos beendet habe
und dass eine Aberkennung eines bereits erworbenen Doktorgrades nicht
vorliegt.
111
Lebensl auf
Name:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Rajko Lippert
22. März 1969
Neustrelitz / Mecklenburg
Eltern:
Prof.Dr.med. Hans Lippert, Chirurg;
Karin Lippert, geb. Henning, Ökonom,
(verstorben 1992)
Wohnort:
13156 Berlin-Pankow
Eisenblätterstraße 23
Familienstand:
ledig
Schulausbildung:
1975-1979: 13. Allgemeinbildende Polytechnische
Oberschule Greifswald
1979-1985: 7. Allgemeinbildende Polytechnische
Oberschule Berlin-Marzahn
1985-1987: Einstein-Gymnasium Berlin-Marzahn
Abitur: 1987
1987-1990, Nationale Volksarmee
Wehrdienst:
Vorpraktikum:
Studium:
Staatsexamen:
Zahnärztliche
Approbation:
Tätigkeiten:
Sept./ Okt. 1987, Febr.-Aug. 1990,
Charité Berlin, Klinik für Orthopädie
Zahnmedizin ab1990 an der
Humboldt-Universität zu Berlin
Wintersemester 1996/1997 an der
Humboldt-Universität zu Berlin
1997
1997 -1999 Vorbereitungsassistent in der
Zahnarztpraxis MR Dr. Leistner in Frankfurt (O.)
1999 Praxisvertretung in Frankfurt (O.) und
Zahnärztlicher Nachtnotdienst am Krankenhaus im
Friedrichshain (Leitung PD Dr. H. Prickler)
Seit 2000 Niederlassung als Zahnarzt in der
Gemeinschaftspraxis Rajko Lippert & Olaf Winter,
Berlin-Pankow
112
Danksagung
Sehr herzlich möchte ich Herrn Prof. Dr. med. Axel Kramer nicht nur für die
Anregung und die freundliche Überlassung des Themas danken, sondern
insbesondere für seine geduldige Betreuung.
Ein besonderer Dank gilt meinem Vater, der meine Arbeit nicht nur interessiert
begleitete, sondern mich auch stets zum zielstrebigen Vorgehen ermutigte.
113
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