Aus dem Institut für Hygiene und Umweltmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Axel Kramer) der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Die unterschiedliche Entwicklung von Zahnmedizin und Hygiene Darstellung der Verhältnisse in Mecklenburg-Strelitz im 19. Jahrhundert und sich anschließende Entwicklungstendenzen in Deutschland Inaugural - Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnmedizin (Dr. med. dent.) der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald 2007 vorgelegt von: Rajko Lippert geb. am: 22. März 1969 in Neustrelitz Dekan: Prof. Dr. rer. nat. Heyo K. Kroemer 1. Gutachter: Prof. Dr. med. Axel Kramer 2. Gutachter: Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Alfons J. Erle Ort, Raum: Hörsaal Neue Zahnklinik Tag der Disputation: 7. Mai 2007 2 Inhaltsverzeichnis Seite Inhaltsverzeichnis 3 Abkürzungsverzeichnis 6 1 Gegenstand der Untersuchung, Quellen und Methode 7 1.1 Gegenstand der Untersuchung und Quellen 7 1.2 Methode 12 2 Mecklenburg-Strelitz, Einführung in die Landesgeschichte 13 2.1 Die strukturelle und gesellschaftliche Entwicklung vom Beginn des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts 2.2 13 Der Staatsaufbau und die innenpolitischen Machtverhältnisse Im 19. Jahrhundert 17 2.3 Die Bevölkerungsstruktur im 19. Jahrhundert 21 3 Stand und Entwicklung der Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert 24 3.1 Chirurgische Behandlungen und Instrumente 24 3.2 Prothetische Versorgung 29 3.3 Konservierende Zahnheilkunde 33 3.4 Behandlung der Parodontose 38 3.5 Kieferorthopädische Behandlungsmethoden 39 3.6 Die zahnärztliche Bohrmaschine 40 3.7 Abhandlungen zur Hygiene in der zahnmedizinischen Literatur bis etwa 1869 4 43 Kritische Analyse zur Entwicklung des Medizinalwesens in Mecklenburg-Strelitz während 46 des 19. Jahrhunderts mit Quellenbewertung 3 4.1 Die Organisation des Medizinalwesens in MecklenburgStrelitz im 19. Jahrhundert 4.1.1 46 Die Entwicklung des Medizinalwesens bis zur Schaffung der Medizinalexaminationskommission 1812 4.1.2 46 Das Medizinalwesen bis zum Erlass der Medizinalordnung im Jahre 1840 4.1.2.1 50 Die Medizinalexaminationskommission und das Medizinalkollegium 50 4.1.3 Die Medizinalordnung von 1840 56 4.1.3.1 Vorgeschichte 56 4.1.3.2 Inhalt und Auslegung der Medizinalordnung 57 4.1.3.2.1 Das Medizinalkollegium 58 4.1.3.2.2 Die Districtsphysici 59 4.1.3.2.3 Die Ärzte 60 4.1.3.2.4 Die Wundärzte 61 4.1.3.2.5 Die Operateure und Zahnärzte 63 4.1.3.2.6 Die übrigen Medizinalpersonen und Bestimmungen der Medizinalordnung 4.2 66 Vergleich der Stellung der Zahnärzte in den Medizinalordnungen von Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin 4.3 67 Die Auswirkungen des Beitritts zum Norddeutschen Bund 1867 sowie der Reichseinigung 1871 auf die amtliche Regelung der Zahnheilkunde 5 69 Entwicklungstendenzen von Zahnmedizin und Hygiene bis zur Gegenwart 73 5.1 Die Zeit von 1869 – 1949 74 5.2 Die Hygienevorschriften in der Zahnheilkunde in der BRD 1949 bis 1989 und für die Praxishygiene wichtige Standardwerke 75 4 5.3 Die Hygienevorschriften in der Zahnmedizin in der ehemaligen DDR 5.4 78 Die Entwicklung nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 5.4.1 79 Gesetzliche Grundlagen, Medizinproduktegesetz und Infektionsschutzgesetz 5.4.2 79 Richtlinien und Empfehlungen: Richtlinie des RKI, Leitlinie der DGKH, Arbeitskreises für Empfehlungen Hygiene in der des Deutschen Zahnarztpraxis, Empfehlungen des Arbeitskreises Krankenhaushygiene der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen 6 Fachgesellschaften und weitere Normen 81 Zusammenfassung 88 Anlagen A Öffentlich verzeichnete niedergelassene Zahnärzte in Mecklenburg-Strelitz B 90 Anforderungen des Hygieneleitfades des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis Eine tabellarische Übersicht der Entwicklung seit 1989 93 Primärliteratur 102 Sekundärliteratur 107 Abbildungsverzeichnis 110 Eidesstattliche Erklärung 111 Lebenslauf 112 Danksagung 113 5 Abkürzungsverzeichnis Aufl. BfArM BGA BGB BGBl BGBl. I BGR BRD BSeuchG DAHZ DDR DGHM DGKH DGSV FL Ghzg. Hrsg. HygMed HZA Hzg. IfSG k.A. Kap. km LAGA LGGEV LHAS MPG MSt-KFK MSt-MK NB NZ O o.D. o.J. o.O. o.P. RKI S.K.H. SBZ SGB SOP StArNZ StK-MSt TDI UVV WA 1/WA 2 ZA Auflage Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Bundesgesundheitsamt Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesundheitsblatt Bundesgesetzblatt Teil I Berufsgenossenschaftliche Regeln Bundesrepublik Deutschland Bundesseuchengesetz Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnarztpraxis Deutsche Demokratische Republik Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e.V. Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. Deutsche Gesellschaft für Sterilgutversorgung e.V. Friedland Großherzog Herausgeber Hygiene & Medizin Hofzahnarzt Herzog Infektionsschutzgesetz keine Angabe Kapitel Kilometer Länderarbeitsgemeinschaft Abfall Landesgrundgesetzlicher Erbvergleich (1755) Landeshauptarchiv Schwerin Medizinproduktegesetz Mecklenburg-Strelitzsches Kammer- und Forstkollegium Mecklenburg-Strelitzsches Medizinialkollegium Neubrandenburg Neustrelitz Operateur ohne Datierung ohne Jahr ohne Ort ohne Paginierung Robert-Koch-Institut Seine Königliche Hoheit (Prädikat des Großherzogs und des Thronfolgers) Sowjetische Besatzungszone (1945-1949) Sozialgesetzbuch Standard Operating Procedure Stadtarchiv Neustrelitz Staatskalender für Mecklenburg-Strelitz Thermodesinfektor Unfallverhütungsvorschrift Wundarzt I. Klasse / Wundarzt II. Klasse Zahnarzt 6 1 Gegenstand der Untersuchung, Quellen und Methode 1.1 Gegenstand der Untersuchung und Quellen Gegenstand der Untersuchung sind die Entwicklung der Zahnheilkunde und ihre gesetzliche Regelung in Mecklenburg-Strelitz im 19. Jahrhundert und der Wissenstand der Hygiene in dieser Zeit. Davon ausgehend sollen die zeitlich daran anschließende Entwicklung und Entwicklungstendenzen von Zahnmedizin und Hygiene in Deutschland bis in die heutige Zeit betrachtet werden. Dabei sind die Organisation der Zahnheilkunde und die Medizinalgesetzgebung von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird die Eingliederung der Zahnärzte in den Kreis der Medizinalpersonen sowie die Gliederung und Organisation des Medizinalwesens genauer betrachtet und ein Vergleich zu anderen deutschen Staaten, insbesondere zu Mecklenburg-Schwerin, angestellt. Es soll weiterhin untersucht werden, inwieweit der Wissensstand der Hygiene in der Zahnheilkunde insbesondere durch amtliche Vorgaben oder Empfehlungen umgesetzt wurde und wie sich diese Umsetzung bis in die heutige Zeit fortsetzt. Während des 19. Jahrhunderts hat sich die Medizinalgesetzgebung des Landes Mecklenburg-Strelitz, des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches auf dem Gebiet der Zahnheilkunde in vielfacher Hinsicht verändert. In diesem Abschnitt soll hinsichtlich der gesetzlichen Regelung zwar das gesamte 19. Jahrhundert betrachtet werden, der Schwerpunkt aber umfasst den Zeitraum, in dem die Landesregierung von Mecklenburg-Strelitz selbst befugt war, Zahnärzte zu konzessionieren, also bis zur Einführung der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund im Jahre 1869. Die Betrachtung der weiteren Entwicklungstendenzen von Zahnmedizin und Hygiene erstreckt sich bis in die Gegenwart. 7 Werner Hasselfeld legte 1934 1 bei der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock seine Inaugural-Dissertation „Die Entwicklung der Zahnheilkunde in Mecklenburg und ihre amtliche Regelung“ vor, und bei derselben Fakultät reichte Reinhard Schilf 1967 seine Dissertation über die Zahnbehandler Norddeutschlands 2 ein. Auch in der Zeitschrift „Stomatologie der DDR“ findet sich ein Artikel über „Die Entwicklung der stomatologischen Betreuung in Mecklenburg bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts“ von L. Bruhn und A. Gerber (1974). 3 Aber die Dissertation von W. Hasselfeld befasst sich fast ausschließlich mit der Regelung in Mecklenburg-Schwerin, die Publikation von L. Bruhn und A. Gerber auch nur mit Mecklenburg-Schwerin, obwohl beide Arbeiten den Anspruch erheben, das gesamte Land Dissertation von R. Schilf werden allerdings zu erfassen. In der einige Zahnärzte aus Mecklenburg-Strelitz in die Betrachtung einbezogen. Daher stellt sich die vorliegende Arbeit vor allem das Ziel, diese Lücke in der medizin-historischen Forschung durch eine Darstellung der Verhältnisse in Mecklenburg-Strelitz schließen zu helfen. Ein Anliegen soll es sein, bei Fokussierung auf das 19. Jahrhundert und mit Ausblick bis in die Gegenwart über den Stand Behandlungsmethoden der Zahnheilkunde und die zeitgenössischen zu informieren, parallel dazu den Wissenstand der Hygiene aufzuführen, die Gesetze und Vorschriften zur Ausübung der Zahnheilkunde unter Berücksichtigung der hygienischen Anforderungen darzustellen und in die allgemeine Medizinalgesetzgebung einzuordnen, konzessionierte Zahnärzte zu ermitteln und davon einige vorzustellen sowie die Politik der Landesregierung bei Prüfungszulassungen und Konzessionen in verschiedenen Zeitabschnitten zu beleuchten. 1 Hasselfeld, W.: Die Entwicklung der Zahnheilkunde in Mecklenburg und ihre amtliche Regelung, Diss.med.dent., Rostock 1934. 2 Schilf, R.: Die Zahnärzte Norddeutschlands, Diss.med.dent., Rostock 1967. 3 Bruhn, L. und Gerber, A.: Die Entwicklung der stomatologischen Betreuung in Mecklenburg bis zum Ausgang des 19. Jahrhundert. In: Stomatologie der DDR 24 (1974), Berlin 1974, 8592. 8 Über diese Zielsetzungen hinaus soll dann, ausgehend von dem für das 19. Jahrhundert in Mecklenburg-Strelitz festgestellten Stand der Entwicklung der Zahnheilkunde, ihrer Regelung durch die Medizinalgesetzgebung und der Umsetzung des damals vorhandenen Wissens zur Hygiene, untersucht werden, wie sich die Hygiene in der zahnärztlichen Praxis bis heute weiterentwickelt hat und welche Schlüsse daraus für die gegenwärtige Medizinalgesetzgebung gezogen werden können. Für diese Untersuchung wurden Gesetzes- und Verordnungstexte, Abhandlungen zur Geschichte der Zahnmedizin und wissenschaftliche Publikationen insbesondere zur Hygiene in der Zahnheilkunde sowohl aus der Zeit der ehemaligen DDR als auch der BRD bis zur Gegenwart verwendet. Durch das Fehlen von neueren Veröffentlichungen zur Zahnheilkunde in Mecklenburg-Strelitz wurden hierfür fast ausschließlich ältere Primärquellen und amtliche, zeitgenössische Publikationen verwendet. Der Aktenbestand des früheren Mecklenburg-Strelitzer Landesarchivs befindet sich seit der Aufhebung der Landesteilung in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im Jahre 1934 im Landeshauptarchiv in Schwerin. Hier liegen die Akten der ehemaligen Herzoglichen bzw. ab 1815 Großherzoglichen Landesregierung und ihrer 1908 geschaffenen Ministerien bzw. deren Vorgängerinstitutionen und Behörden. Für die Zeit vor 1812 sind ausschließlich die Akten der Landesregierung bezüglich der Beantragung und Erteilung von Konzessionen in diesem Archivbestand aussagekräftig. Von 1812 bis 1818 steht der Bestand der durch landesherrliche Verordnung 4 vom 22. April Verfügung. 1812 geschaffenen Wegen der Medizinal-Examinations-Kommission Erweiterung des Aufgabengebietes ging zur mit Verordnung vom 24. Februar 1818 5 aus dieser Kommission das MedizinalKollegium hervor. Die Akten und Berichtshefte der Medizinal-ExaminationsKommission ab dem Jahr 1812 und des Medizinal-Kollegiums ab 1818, soweit diese erhalten sind, gehen fortlaufend ineinander über. Das MedizinalKollegium bestand bis 1908. Danach wurden seine Aufgaben durch das 4 5 Neue Strelitzische Anzeigen, 21 (1812), Neustrelitz 1812, 20.5.1812. Stadtarchiv Neustrelitz: Rep. I /81, Verschiedene Verordnungen 1817-1860. 9 Ministerium für Geistliche-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, das durch Verordnung vom 16. Dezember 1908 entstanden war, übernommen. 6 Der gesamte Bestand an Medizinalia bis 1766-1907 umfasst 3,8 laufende Meter. 7 Ausgehend von den in amtlichen Publikationen genannten Namen von Zahnärzten, insbesondere Hofzahnärzten, ist zu vermuten, dass es - wie bei anderen den Mecklenburg-Strelitzer Bestand betreffenden Unterlagen - bei der Umlagerung der Akten von Neustrelitz nach Schwerin 1934 und der teilweisen Auslagerung während des 2. Weltkrieges zum Verlust einzelner Blätter oder Bestände gekommen ist. So fehlen zum Beispiel die Berichte des Medizinalkollegiums für die Zeit nach 1837, einige andere im Findbuch verzeichnete Bestände erwiesen sich als leere Aktendeckel. Den Benutzerunterlagen zufolge wurde seit der Verlagerung nach Schwerin und der Neusignatur nach 1945 eine die Zahnärzte betreffende Akte durch Reinhard Schilf für seine Dissertation eingesehen. Bei allen anderen benutzten Beständen war der Verfasser dieser Arbeit der erste Benutzer. 8 Neben den Akten der Regierungsbehörden konnten deren Veröffentlichungen in den entsprechenden Organen ermittelt werden: - im Großherzoglich Gesetzgebung und Mecklenburg-Strelitz´schen Staatsverwaltung, Anzeiger herausgegeben von für der Regierungsregistratur in Neustrelitz, bzw. der Officiellen Beilage zu den Neuen Strelitzischen Anzeigen bzw. den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen, - im Herzoglich/Großherzoglich Staatskalender bzw. dem Mecklenburgischen Hof- und Hof- Staatshandbuch und des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz 9 , 6 Röpcke, A.(Hrsg.): Die Bestände des Landeshauptarchivs Schwerin. Band 1: Urkunden und Aktenbestände 1158-1945, Schwerin 1999, 311. 7 ebd., 312. 8 Zu jeder einzelnen Akte gehört ein Benutzerverzeichnis. Jeder Benutzer ist verpflichtet, sich in dieses Verzeichnis einzutragen. 9 Der Herzoglich Mecklenburg-Strelitzsche Staatskalender (StK-MSt) erschien in Neustrelitz ab 1792 und unter diesem Titel bis 1815. Ein Jahrgang 1807 war nicht auffindbar. Ab 1816 bis 1872 erschien er als Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzischer Staatskalender, ab 1873 bis 1898 unter Hof- und Staatshandbuch des Grossherzogtums Mecklenburg-Strelitz, 1899-1909 unter Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzscher Staatskalender. 10 - in den Neuen Strelitzischen Anzeigen und der Neustrelitzer Zeitung. Außerdem konnten einige Annoncen von Zahnärzten und anderen Zahnbehandlern 10 in Zeitungen gefunden werden. Der Erschließungsgrad der Akten insbesondere im Landeshauptarchiv Schwerin und die damit verbundene Zugänglichkeit der Bestände sind unterschiedlich. Für die Bestände der Landesregierung liegen Findbücher vor. Ein guter Zugriff ist gewährleistet. Für einige nachgeordnete Behörden, insbesondere des Fürstentums Ratzeburg, existieren nur Schlagwortverzeichnisse, so dass die Nutzung erschwert ist. Andere Bestände sind völlig unsortiert und nicht zugänglich. Hierzu zählt u. a. der Bestand des Militärkollegiums. 11 Der Bestand der übrigen genutzten Archive und Bibliotheken im Stadtarchiv Neustrelitz, im Karbe-Wagner-Archiv Neustrelitz, in der Mecklenburgischen Landesbibliothek Schwerin und in der Deutschen Staatsbibliothek Berlin ist lückenhaft. Das gesamte zugängliche Archivmaterial zur Thematik konnte im Landeshauptarchiv Schwerin und im Stadtarchiv in Neustrelitz eingesehen werden. Sämtliche verwendete Literatur und die genutzten Quellen sind im Quellenund Literaturverzeichnis im Anhang aufgelistet. Abbildungen sind laufend nummeriert und die Herkunft im Abbildungsverzeichnis nachgewiesen. 10 Die Bezeichnung „Zahnbehandler“ oder „Behandler“ war im 19. Jahrhundert nicht üblich. Der Verfasser dieser Arbeit benutzt diese Bezeichnungen aus praktischen Erwägungen für die mit der Behandlung von Zähnen befassten Personen, ungeachtet ihrer Ausbildung. Insbesondere soll nicht der Anschein erweckt werden, dass die für die jüdischen Zahnärzte während des NS-Regimes 1939 eingeführte diskriminierende Bezeichnung „Zahnbehandler“ hiermit in Zusammenhang gebracht werden kann. 11 Schütt, C.: Familiengeschichtliche Quellen in den Mecklenburg-Strelitzer Beständen des Mecklenburgischen Landeshauptarchivs Schwerin. In: Familiengeschichte in Norddeutschland, 41. Jg., 3 (1992), Berlin 1992, 119. 11 1.2 Methode Anhand der archivarischen Quellen und Landesverordnungen werden die während des 19. Jahrhunderts immer weiter steigenden gesetzlichen Anforderungen an die mit der Zahnbehandlung betrauten Medizinalpersonen in Mecklenburg-Strelitz und ihre Ausbildung insbesondere bis zum Jahre 1869 analysiert. Es wird weiterhin nach Nachweisen gesucht, ob der Stand der Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert in Deutschland mit dem in MecklenburgStrelitz vergleichbar gewesen ist. Der Stand der Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert und der Erkenntnisstand auf dem Gebiet der Hygiene im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden anhand von medizinischhistorischen Darstellungen Erkenntnisgewinn auf beleuchtet. dem Gebiet Ebenso der wird Hygiene geprüft, ob der Eingang in die zahnmedizinische Praxis genommen hat. Die sich daran anschließende und bis in die Gegenwart fortdauernde Entwicklung zunächst in den beiden deutschen Staaten und danach im vereinigten Deutschland wird anhand der Gesetzgebung und von Standardwerken untersucht und festgestellt, wie sich die Hygieneanforderungen an die zahnmedizinische Praxis entwickelt haben. 12 2 Mecklenburg-Strelitz, Einführung in die Landesgeschichte 2.1 Die strukturelle und gesellschaftliche Entwicklung vom Beginn des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Das Duodezfürstentum Mecklenburg-Strelitz 12 entstand im Jahre 1701. Es ging nach dem Erbfolgestreit zwischen dem Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin (1675-1713) 13 und dessen Onkel Adolph Friedrich (1658-1708) aus Teilen der Herzogtümer Mecklenburg-Güstrow und Mecklenburg-Schwerin hervor. Adolph Friedrich war der Schwiegersohn des Herzogs Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow (1633-1695), der 1695 ohne männlichen Erben starb und ihn zum Nachfolger auf dem Güstrower Thron bestimmte. Da das Land nach der letzten Teilung in Schwerin und Güstrow bei Aussterben einer Linie wieder vereinigt werden sollte, kam es zum Streit. Die beiden gegnerischen Parteien einigten sich im Hamburger Erbvergleich vom 8. März 1701 auf die Teilung des Landes in MecklenburgStrelitz und Mecklenburg-Schwerin. Seit dem gliederte sich MecklenburgStrelitz 14 in zwei territorial voneinander getrennt liegende Teile: das Herzogtum Strelitz, bestehend aus der Herrschaft Stargard, den Komtureien Mirow und Nemerow, den Städten Neubrandenburg, Friedland, Woldegk, Wesenberg, Stargard und Fürstenberg und der Residenz Strelitz (bzw. dazu ab 1733 Neustrelitz) einerseits und das Fürstentum Ratzeburg östlich der Hansestadt 12 Vgl. Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001; Erstling, F., Saß, F., Schulze, E., und Witzke, H. (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region Band 2, Friedland 2002; Landesheimatverband Mecklenburg (Hrsg.): Vom Anfang und Ende Mecklenburg-Strelitzer Geschichte, Friedland 2003; Lippert, R.: Das Großherzogliche Haus Mecklenburg-Strelitz, Reutlingen 1994; Wilke, T.: Vaterlandskunde der Freistaaten Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, Güstrow o. J.; Vitense, O.: Geschichte von Mecklenburg, Gotha 1920; Mayer, A.: Geschichte des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz von 1816-1890, Neustrelitz 1890. 13 angegeben sind jeweils die Lebenszeiten. 14 Mecklenburg-Strelitz ist seit 1994 in fast den historischen Grenzen von 1701 ein Landkreis in Mecklenburg- Vorpommern. 13 Lübeck 15 andererseits. (Abb. 1) Die übrigen Landesteile bildeten seitdem das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin. Abb. 1: Mecklenburg um die Jahrhundertwende 18./19. Jahrhundert. An der territorialen Gliederung und seiner Struktur sowie am Gesamtflächenbestand des Landes Mecklenburg-Strelitz hat sich zwischen 1701 und 1933 16 keine größere Veränderung vollzogen. Die Bevölkerungszahl in Mecklenburg-Strelitz schwankte von 1701 und 1918 um ca. 70.000 bis 105.000 Einwohner. Mecklenburg-Strelitz war in der gesamten Zeit als selbständiger Staat ein Agrarstaat mit nur wenigen Manufakturen. Die Landbevölkerung und die Ackerbürger der Kleinstädte bildeten die Mehrheit der Einwohner. Die einzigen größeren Städte waren die 1733 gegründete Residenzstadt Neustrelitz und die 15 Lippert (1994), 3. Im Jahre 1933 erfolgten die Auflösung von Mecklenburg-Strelitz und die Bildung des Gaues Mecklenburg durch die Nationalsozialisten, die zum 1.1.1934 in Kraft traten. 16 14 1248 gegründete Stadt Neubrandenburg. Die übrigen Stadtgründungen im Stargarder Land fallen in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts und sind Kleinstädte mit einigen hundert bis wenigen tausend Einwohnern. Trotz der Landesteilung blieben die beiden mecklenburgischen Staaten im 18. Jahrhundert miteinander verbunden. Sie hatten einen gemeinsamen Landtag, eine gemeinsame Kirchen- und Gerichtsordnung. Allerdings standen die gemeinsam unterhaltenen staatlichen Institutionen mehrfach vor ihrer Abschaffung, z.B. im Jahre 1748, als der Landtag 17 , bestehend aus der Ritterschaft und den Stadtvertretern, die von den Herzögen angestrebte vollständige staatliche Teilung ablehnte. 18 Die Entwicklung der Staatsorganisation vollzog sich in den beiden Teilstaaten im 18. und 19. Jahrhundert ähnlich. Doch sowohl wegen der unterschiedlichen Landesgröße und den damit verbundenen Notwendigkeiten der Infrastruktur als auch wegen der unterschiedlichen Bevölkerungsanzahl konnten nicht alle Neuerungen, die in Mecklenburg-Schwerin eingeführt wurden, sofort übernommen werden. Das geschah zum Teil erst Jahrzehnte später - wie zum Beispiel im Falle des Ministeriensystems der Landesregierung. In Mecklenburg-Strelitz fehlte gänzlich eine mittlere Verwaltungsebene. Die einzelnen Städte bzw. das dem Landesherrn gehörende Domanium 19 und die ritterschaftlichen Güter unterstanden der Landesregierung unmittelbar. Die Wirtschaft in Mecklenburg-Strelitz war im 18. Jahrhundert lange Zeit kaum entwickelt. Die Landbevölkerung war arm. Die geringe wirtschaftliche Bedeutung und militärische Stärke sowie der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geringe diplomatische Einfluss des Herzogs im deutschen Raum und in Europa machten das Land und seine Bevölkerung zum Spielball der kriegführenden Mächte, wie z.B. während des 17 die sog. Union der Landstände. die Auseinandersetzungskonvention auf Initiative Schwerins. 19 Das Domanium war persönliches Eigentum des Landesherrn und wurde in Domanialämter unterteilt. Es umfasste etwa die Hälfte des Landesteils Strelitz bzw. Stargard und das Fürstentum Ratzeburg. 18 15 Nordischen Krieges (1700-1721). Einquartierungen und Plünderungen durch Truppenteile waren die Regel. Keine Militärmacht respektierte die Grenzen des Herzogtums. Auch später, am Beginn des 19. Jahrhunderts, litt das Land unter europäischen Auseinandersetzungen. Die napoleonischen Kriege 18061815 waren eine schwere wirtschaftliche Belastung. Zunächst versuchte der Herzog neutral zu bleiben. Dennoch wurde Mecklenburg-Strelitz am 31.10.1806 von französischen Truppen besetzt. Doch trotz der militärischen Niederlage wurde der Herzog nicht des Landes verwiesen. Seine Regierung übte weiterhin die Exekutive aus. Im Jahre 1808 erfolgte der Anschluss an den Rheinbund. Die Bundesakte des Wiener Kongresses vom 28. Juni 1815 erhob die regierenden Herzöge von Mecklenburg zu Großherzögen. Während der Regierungszeit des Großherzogs Georg (bis 1860) wurden die Staatsschulden reduziert, entstand 1820 in Mirow ein Lehrerseminar 20 , erfolgten die Aufhebung der Leibeigenschaft (1820) und die Einführung der Schulpflicht (1826). Ebenso förderte Georg den Ausbau der Infrastruktur, zunächst durch den Bau von Chausseen, später auch von Eisenbahnlinien. Auf kirchlichem Gebiet unterstützte er die evangelisch-lutherische Landeskirche. Die Ereignisse der Revolution von 1848/1849 in Berlin waren für Mecklenburg-Strelitz wegen der engen wirtschaftlichen und politischen Anlehnung 21 an das benachbarte Königreich von existenzieller Bedeutung, wenngleich sich die Unruhen im Lande selbst in Grenzen hielten. Die begonnenen Reformen, wie der Versuch der Einführung einer parlamentarischen Ordnung und einer Verfassung (Staatsgrundgesetz vom 3.8.1849) für ganz Mecklenburg, wurden durch die Strelitzer Regierung 1849 boykottiert. Denn hätte sie das Staatsgrundgesetz unterzeichnet, hätte dies die Abschaffung des Ständeparlamentes sowie die Aufhebung der Landesteilung und damit das Ende der politischen Existenz des Großherzogtums bedeutet. 20 Vgl. Bellmann, J.: Die Volksschulen. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001, 497-502. 21 Mecklenburg-Strelitz gewährte u. a. die Thronfolge Preußens bei Aussterben des Gesamthauses Mecklenburg. 16 Nach dem Tode Georgs 1860 folgte sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm (1819-1904, reg. 1860-1904) auf dem Thron. Er war bereits im Alter von 37 Jahren durch einen Unfall fast völlig erblindet. Friedrich Wilhelm, war einer der konservativsten und reichsten Fürsten Deutschlands. 22 Er hatte durch Studium und Heirat eine starke Bindung an Hannover und Großbritannien. Wegen der Militärpolitik Preußens kühlten sich die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Neustrelitz ab. Mittels demonstrativer Boykotthandlungen versuchte die Mecklenburg-Strelitzer Regierung, die Bündnisverpflichtungen von 1815 23 und ab 1867 (gegenüber dem Norddeutschen Bund) 24 zu unterlaufen, z. B. durch zu späte Mobilmachung. Doch dieses Vorgehen konnte die politische Entwicklung nicht aufhalten. Obwohl Mecklenburg-Strelitz formal ein souveräner Staat blieb, büßten der Großherzog und seine Regierung ihre außenpolitische Macht vollständig ein. 25 Die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches ließ auch innenpolitisch nur geringen Gestaltungsspielraum. Die Regierung war zum großen Teil lediglich eine verwaltende Behörde. Unter den Nachfolgern Friedrich Wilhelms, Adolph Friedrich V. (reg. 1904-1914) und insbesondere während des I. Weltkrieges unter Adolf Friedrich VI. (reg. 1914-1918) wurde auch ein großer Teil der Verwaltungstätigkeit durch übergeordnete Stellen des Deutschen Reiches in Hamburg wahrgenommen. 2.2 Der Staatsaufbau und die innenpolitischen Machtverhältnisse im 19. Jahrhundert Der Staatsaufbau in Mecklenburg-Strelitz hat sich in seinen Grundzügen im Laufe des 19. Jahrhunderts nicht geändert. Die Gerichtsbarkeit, große Teile 22 Er hinterließ bei seinem Tode 1904 ein Vermögen von ca. 67 Millionen Mark durch sparsame Haushaltspolitik und geschickte Geldanlage. 23 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815. In: documentArchiv.de (Hrsg.), URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/dtba.html, Stand: 15.09.2006. 24 Verfassung des Norddeutschen Bundes (16.04.1867) § 64. In: documentArchiv.de (Hrsg.), URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/ndbd/verfndbd.html, Stand: 15.09.2006. 25 Vgl. Lippert, R.: Das Fürstenhaus von Mecklenburg-Strelitz. In: Landkreis MecklenburgStrelitz (Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001, 171-191. 17 des Gesetzgebungsverfahrens sowie die Kirchenordnung und der Landtag waren Bestandteil der durch den Hamburger Vergleich von 1701 und den Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 geschaffenen gemeinsamen Ordnung mit Mecklenburg-Schwerin. An der Spitze des Staates stand der Herzog bzw. ab 1815 der Großherzog. Im 19. Jahrhundert gab es drei Großherzöge: Großherzog Carl (1741-1816) regierte von 1794 bis 1816, Großherzog Georg (1779-1860) regierte von 1816 bis 1860 und Großherzog Friedrich Wilhelm (1819-1904) regierte von 1860-1904. Der Großherzog war in einer Person Staatsoberhaupt, Kirchenoberhaupt und Oberbefehlshaber des Militärkontingents (ca. 1.100 Mann). Das Großherzogtum bestand aus zwei territorial getrennten Landesteilen: - dem Herzogtum Strelitz, bestehend aus der Herrschaft Stargard sowie den Johanniterkomtureien Mirow und Nemerow mit einer Fläche von ca. 2.550 km2 und - dem Fürstentum Ratzeburg mit einer Fläche von 379,5 km2. Das Fürstentum Ratzeburg war nicht der ständestaatlichen Verfassung unterworfen und hatte eine Sonderstellung innerhalb des Staates. Es besaß bis 1814 eine eigene - fast autonome - Regierung und durchlief eine andere wirtschaftliche und soziale Entwicklung als das Strelitzer Herzogtum. Es gliederte sich in 18 Domainalpachthöfe, drei Allodialgüter und zuletzt zwei Amtsbezirke. Wegen dieser Sonderstellung wird es in der weiteren Untersuchung nur gelegentlich beachtet. Dem Großherzog direkt unterstellt waren die obersten Landesbehörden. Sie existierten jeweils sowohl in Neustrelitz als auch in Ratzeburg. Die Ratzeburger Verwaltung wurde 1814 aufgelöst. 26 Oberste Behörde war die 26 Schütt (1992),114. 18 aus drei Staatsministern bestehende Großherzogliche Landesregierung. Die Mitglieder der Regierung waren zumeist Beamte oder Juristen, die bereits eine Laufbahn in der Verwaltung oder im Justizwesen absolviert hatten. Der Landesregierung oblagen die Außenpolitik, das Gesetzgebungsverfahren, Justizhoheit und die innere Verwaltung. Außerdem gab es als oberste Behörden die sog. Kammer, zuständig für Wirtschafts-, Finanz-, Domänen und Forstverwaltung sowie die Justizkanzlei. Dem Großherzog waren zudem das für Kirchen- und Schulwesen zuständige Konsistorium (ab 1850), die bevollmächtigten Minister (Botschafter) und Gesandten an anderen Höfen und das Ordenskanzleramt direkt unterstellt. Die Landesregierung schlug dem Großherzog die Schaffung von Fachkollegien, Kommissionen oder Departements als fachliche Berater vor, deren Aufgaben in speziellen Ordnungen geregelt wurden. So hatten die Kollegien außer der fachlichen Beratung der Regierung einen Verwaltungsund Aufsichtsauftrag wahrzunehmen. Zu den Ordnungen kamen Verträge mit anderen deutschen Staaten oder ausländischen Regierungen, die nicht ohne Einfluss auf die Arbeit der verschiedenen Gremien blieben, beispielsweise beim Militärdepartment. Die Kollegien, Kommissionen und Departments wurden durch Verfügung des Großherzogs geschaffen oder aufgelöst. Er unterstellte Versorgung sie und der Landesregierung, finanzielle entschied Ausstattung. Die über ihre Kollegien materielle waren der Landesregierung berichtspflichtig und ihrem Fachgebiet entsprechend einem bestimmten Personenkreis gegenüber weisungsberechtigt. Der Landesregierung unterstellt waren außer den sie beratenden Kollegien die Bürgermeister der Städte und Vorsteher der Flecken, die Domanialämter und das so genannte Kabinettsamt. Zwischen der obersten Verwaltungsebene, der Landesregierung, und der untersten Ebene, den Bürgermeistern und Amtsvorstehern, gab es keine mittlere Verwaltungsebene. Außer den vier Domanialämtern und dem Kabinettsamt bestanden noch drei ritterschaftliche Ämter. Die Ritterschaft wurde durch die Besitzer der landtagsfähigen mecklenburgischen Güter gebildet. Die Gutsbesitzer übten die 19 unmittelbare Herrschaft über die in ihrem Gutsbezirk wohnenden Personen aus und waren Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit. Der Hamburger Erbvergleich von 1701 hatte Mecklenburg zwar in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz geteilt, aber das gemeinsame Ständeparlament, die „Union der Landstände“, festgeschrieben. Der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich von 1755 bestätigte diese Ordnung und schuf die gesetzliche Grundlage für die Machtverteilung in Mecklenburg. Es war möglich, dass besondere Landtage nur für einen Landesteil abgehalten wurden. Das Parlament konnte Gesetzesvorlagen einbringen, aber auch Vorlagen der Regierungen und der Regenten billigen oder blockieren. Wurden Gesetze und Verordnungen innenpolitischer Natur durch die Landesherren ohne Beratung mit den Ständen erlassen, so waren diese Verfügungen für die Ritterschaft nicht bindend. Auf diese Weise konnte die Ritterschaft sich jeder Reform verweigern und ihre unmittelbare Macht konservieren. Ebenso konnte ein Großherzog Verordnungen auch für den anderen Landesteil treffen, wenn er in „hausvertragsmäßiger Kommunikation“ mit dem jeweils anderen Regenten darüber Einigkeit erzielt hatte. Eine Ausnahme in dieser Gewaltenteilung zwischen Landesherrn und Ständen bildete das Fürstentum Ratzeburg. Es war vollständig Bestandteil des Strelitzer Domaniums. Die Macht des Großherzogs und seiner Regierung war dort nicht eingeschränkt. In unmittelbarer Nähe der großen Hansestädte Lübeck und Hamburg, weit entfernt von der Landesregierung, vollzog sich hier insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht eine Sonderentwicklung. Der Staatsaufbau in Mecklenburg-Strelitz im 19. Jahrhundert war gekennzeichnet durch einen monarchisch-repräsentativen Staat, in dem sich der Monarch, die Gutsbesitzer und das Bürgertum die innenpolitische Macht in ungleichem Verhältnis teilten. Die Landesregierung beriet den Monarchen und ließ sich ihrerseits durch ihr untergeordnete Kollegien, Kommissionen und Departments beraten. Diese wiederum hatten sowohl beratende Funktion bei der Landesregierung als auch verwaltende und Aufsichtsfunktion über die 20 ihren Fachbereich betreffenden Belange im Lande, soweit nicht Interessen der Ritterschaft berührt wurden. 2.3 Die Bevölkerungsstruktur im 19. Jahrhundert Die Bevölkerungszahlen - insbesondere die der Städte - waren im Laufe des Jahrhunderts Schwankungen unterworfen. Nach der vorgelegten Bevölkerungsstatistik 27 lebten im Jahre 1848 im Herzogtum Strelitz 80.374 und im Fürstentum Ratzeburg 15.918 Personen 28 , im Herbst 1860 im Herzogtum Strelitz 82.175 und im Fürstentum Ratzeburg 16.885 Personen 29 und am 1.12.1875 im Herzogtum Strelitz 79.330 und im Fürstentum Ratzeburg 16.343 Personen. 30 Die Bevölkerung des Herzogtums Strelitz lebte in drei verschiedenen sozialen Zonen: - in den größeren Städten Neustrelitz und Neubrandenburg. 31 Neustrelitz - als Haupt- und Residenzstadt - war der Sitz von Regierung, Verwaltung und Handelsbürgertum Behörden, geprägte Neubrandenburg Stadt. Im Jahr eine 1829 vom zählte Neubrandenburg ca. 6.000, Neustrelitz ca. 5.000 Einwohner. Bis zum 1.12.1875 wuchs die Einwohnerzahl beider Städte auf insgesamt 16.020. 27 Die Zahlenangaben zur Bevölkerungsstatistik wurden jeweils im Jahrgang des zweiten Folgejahres im Hof- und Staatshandbuch des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz veröffentlicht, z. T. mit 10-Jahres-Übersicht. 28 StK-MSt, 1860, 190. 29 StK-MSt, 1862, 192. 30 StK-MSt, 1877, 5. Teil, 10. 31 Vgl. Die Städte. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001, 253-319. 21 - in kleineren Städten, zu denen Friedland, Woldegk, Fürstenberg, Wesenberg, Stargard und Strelitz gehörten. 32 Diese Orte wiesen 1875 jeweils eine Bevölkerungszahl zwischen ca. 1.500 und 5.000 auf und hatten zusammen 16.750 Einwohner, vorwiegend Handwerker und Ackerbürger, die vor den Stadttoren Äcker, Wälder und Scheunen besaßen und bewirtschafteten. In diese Kategorie fällt auch der als „Nebenresidenz“ des Fürstenhauses dienende Flecken Mirow, der erst 1920 zur Stadt erhoben wurde. - auf dem Lande. Dieser Teil der Bevölkerung lebte entweder im Domanium oder auf einem Gebiet, das zum Kabinettsamt oder zu einem Rittergut gehörte. 1875 waren das 30.843, 983 beziehungsweise 14.734 Einwohner. 33 Die Größe der Orte und die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung waren sehr verschieden. Zum Teil handelte es sich nur eine kleine Ansammlung von Häusern, z.B. um eine Glashütte, zum Teil um Gutsdörfer. Insgesamt wohnten 1875 ca. 58,7% der Bevölkerung auf dem Land und 41,3% in den Städten. Georg im Nach Aufhebung der Leibeigenschaft durch Großherzog Jahre 1820 setzte eine nur geringe Landflucht und Auswanderungsbewegung ein. Die größere Bevölkerungswanderung vom Land in die Städte - und hier vor allem nach Neustrelitz, das seine Bevölkerungszahl von 1800 bis 1875 etwa verdoppelte - begann erst am Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Mecklenburg-Strelitz war derjenige Bundesstaat des Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches, der mit 31 Einwohnern je Quadratkilometer (1875) am dünnsten besiedelt war. Die Bevölkerung war überwiegend evangelisch-lutherischen Glaubens und gehörte der Mecklenburgischen Landeskirche an. In Mecklenburg-Strelitz gab 32 Vgl. Die Städte. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001, 253-319. 33 StK-MSt, 1877, 5. Teil, 10. 22 es zwei jüdische Gemeinden, und zwar in Strelitz und Fürstenberg. 1825 hatten sie zusammen 686 Mitglieder 34 und unterstanden dem besonderen Schutz des Landesherrn. Den aus ihren Reihen stammenden Zahnärzten wurden sogenannte „Schutzbriefe“ ausgestellt. 35 34 StK-MSt, 1827, 149. Vgl. Witzke, H.: Die Juden in Mecklenburg-Strelitz. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1, Friedland, 2. Aufl., 2001, 485-496. 35 23 3 Stand und Entwicklung der Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert Im 19. Jahrhundert bildete sich die zahnärztliche Tätigkeit in Abgrenzung zu anderen medizinischen und handwerklichen Berufen als eigenständiger Beruf heraus. Stärker als in den vorangegangenen Jahrhunderten entwickelten sich auch Behandlungsmethoden, Instrumente und Material. 3.1 Chirurgische Behandlungen und Instrumente Der Schmerz führte die Patienten zu den Zahnbehandlern. Ihn schnell und möglichst ohne große Kosten zu bekämpfen, war Ziel der Behandlung. Die effektivste Art, den Schmerz zu besiegen, war die Extraktion erkrankter Zähne. Das Bedürfnis nach einem ästhetischen Gebiss war zu damaliger Zeit nicht sehr stark ausgebildet. Die zahnärztliche Chirurgie war die am häufigsten von den Zahnärzten ausgeübte Disziplin der Zahnheilkunde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Eine Stunden dauernde Entfernung der Karies mit Handbohrern und Exkavatoren oder das Legen einer Füllung - insbesondere mit Gold - konnten große Teile der Bevölkerung nicht bezahlen. Das Ziehen schadhafter Zähne war im 19. Jahrhundert nicht nur den Zahnärzten, sondern auch den Ärzten und Wundärzten gestattet. 36 Es wurde aber auch von „Zahnbrechern“ ausgeübt. 37 Erst nach Erlass der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund 1869 entwickelte sich hauptsächlich aus Zahnkünstlern und Zahntechnikern der Dentistenstand. 38 Auch den Dentisten war die Durchführung der Zahnextraktion erlaubt. 36 Vgl. Medizinalordnung für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin vom 18. Februar 1830; Medizinal-Ordnung für das Herzogthum Mecklenburg-Strelitz vom 3. Juni 1840. 37 Hoffmann-Axthelm, W.: Die Geschichte der Zahnheilkunde. Berlin, 2. Auflage,1985, 369. 38 Bachmann, A.: Zahnkünstler, Dentisten und die Zahnkünstler-Innung in Berlin (1884-1924). In: Zahnarzt & Praxis 6 (2003), 6-10. 24 Die bedeutendsten Instrumente für die Entfernung von Zähnen waren zur Jahrhundertwende 18./19. Jh. der Pelikan 39 , der Überwurf, die Zahnzange, der Schlüssel und der Geißfuß. 40 Hinzu kam die Wurzelschraube, die 1803 zuerst von Serre (1759-1830) erwähnt worden ist. 41 Mit ihr konnte man ein Schraubengewinde in einen Wurzelrest eindrehen und so die Extraktion vornehmen. Pelikan, Überwurf und die damals gebräuchlichen Zahnzangen waren sehr problematische Instrumente, die den anatomischen Gegebenheiten wenig angepasst waren und bei rabiater Nutzung oft zu Beschädigungen der Nachbarzähne und des Zahnfleisches führten. Die Zahnzangen wurden insbesondere in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts durch den englischen Zahnarzt John Tomes (1815-1895) in ihrer Form der Anatomie des Zahnes angepasst, d. h. der Zahnarzt benutzte möglichst für jede Zahngruppe des Ober- und Unterkiefers eine spezielle Zange. Durch diese Vervollkommnung der Extraktionsinstrumentarien wurde erreicht, dass das Ziehen der Zähne etwas weniger schmerzhaft als mit dem Pelikan wurde und Komplikationen während und nach Extraktionen seltener auftraten. Vor allem aber erleichterten die verbesserten Instrumente die Arbeit des Zahnarztes. Obwohl die narkotisierende Wirkung von Lachgas und auch von Ether bereits vor dem 19. Jahrhundert bekannt war, hielt die Anwendung dieser Mittel erst in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts Einzug in die Medizin und die Zahnheilkunde. So fand die erste Ethernarkose im Januar 1842 in Rochester statt, als einer jungen Frau ein Zahn entfernt wurde. 42 Der amerikanische Zahnarzt Horace Wells (1815-1848) ließ sich am 11. Dezember 1844 mit Lachgas betäuben. Er empfand keinen Schmerz, als ihm sein Kollege John M. Riggs (1811-1885) 39 Der Pelikan erhielt seinen Namen vermutlich wegen seiner Ähnlichkeit mit der Schnabelform des Tieres. Vgl. Sudhoff, K.: Geschichte der Zahnheilkunde. Leipzig, 2. Auflage, 1926. 40 Hoffmann-Axthelm (1985), 369. 41 ebd., 370. 42 ebd., 376. 25 einen Molaren zog, spürte aber, dass ihm ein Zahn extrahiert wurde. Ebenso wurden etwas später - 1846 - von William Morton (1819-1868) Versuche mit Schwefelether unternommen. 43 Für die Inhalation der Betäubungsmittel wurden Atemmasken hergestellt. Auch die in Frankreich von Eugéne Souberain (1793-1858) im Jahre 1831 entdeckte narkotisierende Wirkung des Chloroforms fand in Medizin und Zahnmedizin Anwendung. Bei allen genannten Narkosearten dauerte die Wirkung nur wenige Minuten, doch die Lachgasnarkose hatte gegenüber den anderen Betäubungsverfahren den Vorteil, dass bei ihrer Anwendung eine geringere Zahl von Todesfällen vorkam. Der Zahnarzt Grohnwald inserierte 1869 in der Neustrelitzer Zeitung: „Zahnextraktionen werden unter Anwendung des Nitrogenprotoxyd schmerzlos ausgeführt.“ 44 Neben der Narkose suchte man nach Mitteln und Wegen für eine Lokalanästhesie. Eine der Methoden war die Unterkühlung. Mit verschiedenen Apparaten, meist einer Art Kältebeutel oder Schlauch, wurde das Gebiet um den zu extrahierenden Zahn stark abgekühlt. Radikaler ging der Engländer Benjamin Richardson (1828-1896) vor. 1866 erfand er eine Spritze, mit der Ether auf die gewünschte Stelle appliziert und so eine enorme Abkühlung dieses Bereichs erreicht wurde. Alle bis zu dieser Zeit genutzten Methoden waren äußerlich anzuwenden. Es erfolgte keine Injektion und ein aseptisches Vorgehen war daher nicht unabdingbar. Drei Sachverhalte veränderten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Vorgehen bei der Schmerzstillung: • die Erfindung der Hohlnadel 1853 45 , • die Erkenntnis, dass Krankheitserreger durch Desinfektion (1847 mit Chlorkalklösung durch Semmelweis) und Antiseptik (1867 Methode der 43 Stroemgren, H.L.: Die Zahnheilkunde im 19. Jahrhundert. Kopenhagen 1945, 107. Neustrelitzer Zeitung Nr. 75 (1869), Neustrelitz, 7.7.1869, 3. 45 durch Alexander Wood (1817-1884) in Edinburgh, Stroemgren (1945), 133. 44 26 Wundreinigung mit Karbolspray nach Lister) abgetötet werden können 46 und • die Entdeckung der schmerzstillenden Wirkung des Extrakts aus den Blättern des südamerikanischen Koka-Strauchs 1870 durch französische Ärzte. Mit der subkutanen Injektion konnte das schmerzstillende Mittel direkt in das Operationsgebiet injiziert werden. Von der ersten zahnärztlichen Leitungsanästhesie des Nervus mandibularis wurde am 1. Dezember 1880 aus den USA berichtet. Kokain rief jedoch - wenn auch nicht bei der Zahnbehandlung - Vergiftungserscheinungen hervor, sodass in vielen Publikationen am Ende des 19. Jahrhunderts vor dem Einsatz des Kokains gewarnt wurde. Viele Behandler wandten sich daraufhin von Injektionen ab und kehrten zu Ether bzw. Chloroform zurück. Erst mit der Entdeckung des Novocain-Suprarenin 1905 wurde dieser Prozess wieder umgekehrt. Die Erkenntnisse Listers führten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zur schrittweisen Einführung der Antiseptik und Aseptik in den zahnärztlichen Alltag. Die Zahnzangen konnten nun sterilisiert werden und stellten so für den Patienten keine Infektionsquelle mehr dar. Die Füllungstherapie wurde sicherer, nachdem die rotierenden Instrumente keine Unreinheiten mehr in die Kavität brachten. Damit konnten erstmals Pulpa- und Wurzelkanalbehandlungen erfolgreich durchgeführt werden. Die Umsetzung speziell der Maßnahmen der Antiseptik in der Zahnheilkunde dauerte jedoch mehrere Jahrzehnte. 47 Bereits vor dem 19. Jahrhundert war versucht worden, Zähne von Mensch zu Mensch zu transplantieren. 48 Doch die in Unkenntnis immunologischer 46 Weuffen, W., Oberdoerster, F. und Kramer, A.: Krankenhaushygiene. Leipzig, 2. Aufl., 1981, 30. 47 Stroemgren (1945), 201 und 202. 48 Transplantation eines Zahnes nach Extraktion bei einem anderen, lebenden Menschen (homolog) bzw. die Verwendung von Leichenzähnen kamen vor. Vgl. Hoffmann-Axthelm (1985), 261 und 265. 27 Abwehrreaktionen, Krankheitsübertragung durch Bakterien und steriler Arbeitsweise vorgenommenen Transplantationen führten zu Infektionen. Nach der Einführung der Antiseptik und der Anästhesie erlebte die Replantation und Transplantation von Zähnen eine Renaissance. 49 Replantationen wurden vor allem nach Unfällen, aber auch nach Extraktion von Zähnen mit Parodontitis apicalis chronica vorgenommen. Der Zahn wurde extrahiert, gereinigt, aufgebohrt, die gegebenenfalls entzündete Wurzelspitze abgesägt und mit Goldkappen versehen. Danach wurde der Zahn in dieselbe Alveole wiedereingesetzt. Die Methode der Transplantation eines Zahnes in die Alveole eines gerade verlorenen oder extrahierten Zahnes wurde unter anderem von William Morrison (1824-1896) zwischen 1874 und 1896 angewandt. Die Infektionsrisiken schienen nach der Vorbehandlung des Transplantats gering, jedoch warnte man vor der „Organspende“ von z.B. tuberkulösen Personen. 50 Im ausgehenden 19. Jahrhundert verbreitete sich schließlich auch die Implantation von künstlichen Zähnen. Hierzu war es erforderlich, in den Kiefer eine Alveole zu bohren und den künstlichen Zahn zu implantieren. Das Infektionsrisiko konnte hierbei kaum größer sein als bei der Transplantation. Der amerikanische Zahnarzt Low zeigte 1888 im Selbstversuch die Implantation eines künstlichen Zahnes mit einer offenen Platinwurzel und einer Porzellankrone an die Stelle, an der ihm vor 15 Jahren der obere erste Molar extrahiert worden war. 51 Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) sowie in den Kriegen Preußens gegen Österreich traumatischer (1866) und Frankreich Kieferbrüche (1870) durch kam eine Vielzahl Kieferschussbruch- oder Säbelhiebverletzungen vor. Ihre Behandlung führte zur Weiterentwicklung der Schienungsmethoden. Zunächst wurden zumeist interdentale Kautschukschienen zum Fixieren der Bruchteile verwendet. Die Schienen 49 Stroemgren (1945), 213. ebd., 213-216. 51 ebd., 215. 50 28 wurden mit Ligaturen an den Zähnen befestigt. Später kamen dentale Kautschukschienen, Drahtschienungen und interdentale Kieferverbände auf. 52 3.2 Prothetische Versorgung Am Ausgang des 18. Jahrhunderts wurden als Zahnersatz vielfach handgeschnitzte Prothesen z. B. aus einer Elfenbeinbasis mit Tier- oder Menschenzähnen verwendet. 53 Vor allem zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse an der Zahnersatzkunde besonders stark zu. Die Methode der Zahnerhaltung war noch sehr unvollkommen. Deshalb war die Extraktionstherapie die sichere Alternative zur zahnerhaltenden Behandlung. Hinzu kam, dass anfangs für die Herstellung von Prothesen allein handwerkliches Geschick und Überlegung ausschlaggebend für einen Behandlungserfolg gewesen sind. Eine fundierte theoretische Ausbildung der Zahnärzte wurde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durchgesetzt. Für die Prothesen wurden vor allem Material von Tieren (Nilpferd, Elfenbein, Walross, Kuh) und menschliche Zähne verwendet. Tierzähne haben den Nachteil, dass Zahnfarbspektrum die Zahnfarbe übereinstimmt nur und schlecht mit dem menschlichen eine langjährige Haltbarkeit nicht gegeben ist. Wesentlich haltbarer waren Menschenzähne. Während im 18. Jahrhundert ärmere Leute ihre Zähne verkauften, damit für reiche Patienten Prothesen mit Menschenzähnen angefertigt werden konnten, kam dies im 19. Jahrhundert nicht mehr so häufig vor. 54 In der Regel verwandte man die Zähne von Toten für die Herstellung von Prothesen. Auf den Schlachtfeldern der napoleonischen Kriege war die Beschaffung von Leichenzähnen junger Soldaten kein Problem. In Friedenszeiten wurde diese Art von „Organspende“ 52 Diepgen, P.: Geschichte der Medizin, II. Band: 2. Hälfte. Berlin, 2. Auflage, 1965, 260. Stroemgren (1945), 11. 54 ebd., 12. 53 29 vor allem durch Krankenanstalten praktiziert 55 , auch ein Umstand, der zur Übertragung von Infektionskrankheiten führen musste. Hygienische Erkenntnisse, die in die zahnärztliche Praxis hätten einfließen können, fehlten. Der Ersatz durch Leichenzähne war bis in die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts verbreitet. 56 Mit dem Aufstreben des Bürgertums und seiner wachsenden Rolle in der Gesellschaft stieg der Bedarf an Zahnersatz. Auch die hygienischen Unzulänglichkeiten und die quantitativ beschränkten Reserven des bisher verwendeten Materials führten zur Suche nach Alternativen. Im 17. Jahrhundert war es in Frankreich gelungen, Weichporzellan herzustellen. Im Jahre 1708 wurde durch Johann Böttger (1682-1719) im Auftrage des Polenkönigs und sächsischen Kurfürsten August II. (1670-1733) weißes Porzellan erstmals in Europa hergestellt. Den ersten Versuch, Prothesenzähne und Prothesenbasis aus Porzellan herzustellen, unternahm der französische Apotheker Alexis Duchateau (1714-1792) im Jahre 1776 mit Hilfe eines Porzellanfabrikanten. 57 Der Nachteil des Porzellans besteht darin, dass es nicht sehr bruchfest ist und dem z. T. enormen Kaudruck nicht standhält. Das war umso gefährlicher, da als Prothesenbasis dasselbe Porzellan verwendet wurde. Die Basis konnte zerbrechen und es klirrte im Mund beim Kauen und Sprechen. Porzellanprothesen waren demzufolge nur für die Ästhetik, nicht aber für die Nahrungsaufnahme geeignet. Hinzu kam, dass Porzellan beim Brand schrumpft, die Abformmaterialien unzureichend waren, eine gute Passgenauigkeit der Prothesen dadurch nur schwer zu erreichen war und die Zahnaufstellung freihändig vorgenommen wurde. Die Prothesen besaßen nicht die erforderliche Innen- und Außenventilwirkung, sondern wurden vielfach durch eine für die Schleimhaut nicht ungefährliche Federkonstruktion gegen die Kiefer gedrückt. 58 Der Okkludator war erst eine Erfindung des 19. 55 Stroemgren (1945), 13 und 15. ebd., 14-15. 57 Besombes, A.: Die Zahnmedizin vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. In: Illustrierte Geschichte der Medizin Band 6, Augsburg 2000, 2975-3001. 58 Ring, M.E.: Geschichte der Zahnmedizin. Köln 1997, 211. 56 30 Jahrhunderts. 59 So konkurrierten Leichenzähne und Porzellanzähne als Zahnersatzmaterial, nachdem Tierzähne sich als unzureichend erwiesen hatten. Erst die Weiterentwicklung der Mineralzähne verdrängte die Leichenzähne. Diese Entwicklung bestand darin, dass die Zähne einzeln hergestellt und an einer Silber- oder Goldbasis mit Schrauben oder Metallstiften befestigt wurden. Im Jahre 1837 brachte der Engländer Ash Rohrzähne auf den Markt. Über ein an der Okklusalfläche bzw. bei Frontzähnen an der Palatinalfläche beginnendes Röhrchen war die Befestigung des Prothesenzahnes an der Basis möglich. Als Prothesenbasis dienten am Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem Elfenbein oder Nilpferdzähne, die mit großem handwerklichem Geschick geschnitzt und an das Prothesenlager angepasst wurden. Ebenso fanden gestanzte Platten aus Gold und Platin Anwendung, die sehr kostspielig waren und sich deshalb nicht durchsetzen konnten. Edward Hudson (1772-1833) stellte 1820 in Philadelphia erstmals Prothesenbasen aus Zinn her. Das hohe Gewicht der Zinnbasis ließ die Verwendung nur im Unterkiefer zu. Ebenso wurde versucht, Aluminium (Berthé 1858) oder Zelluloid 60 (Mac Intosh 1859) 61 als Prothesenbasis zu verwenden. Der Halt der Prothesenbasis am Prothesenlager hängt entscheidend von der Passgenauigkeit ab. Bereits Philipp Pfaff (1713-1766) hatte das Prothesenlager mit Siegelwachs, dessen Hauptbestandteil Bienenwachs war, abgeformt und den Abdruck mit Gips ausgegossen. Um 1840 wurde der Gipsabdruck eingeführt und 1856 erfand Charles Stent (1807-1885) eine Kompositionsmasse für die Abdrucknahme. Die Adhäsion der Prothese konnte durch die genauere Anpassung der Basis an das Prothesenlager entscheidend verbessert werden. Im Jahre 1864 beschrieb der Zahnarzt Johann Joseph Schrott (1822-1899) erstmals eine Methode des Funktionsabdrucks. Nach 59 Hoffmann-Axthelm (1985), 300. Hergestellt aus Nitrozellulose und Kampfer. Anfangs häufig verwendet, konnte es sich wegen fehlender dauerhafter Mundbeständigkeit nicht durchsetzen. 61 Besombes (2000), 2993. 60 31 Wachsabdrücken wurden individuelle Löffel gestanzt. Die Löffel wurden mit Guttapercha beschickt und der Patient musste Funktionsbewegungen durchführen. 62 Für die Befestigung von partiellen Prothesen am Restzahnbestand wurden Bandkonstruktionen durch gebogene und gegossene Klammern abgelöst. Charles Goodyear (1800-1860) entdeckte 1839 in den USA, dass durch Erhitzen eines Schwefel-Kautschuk-Gemisches die Qualität der Vulkanisation erheblich verbessert werden konnte. Er führte diesen Kautschuk als Prothesenbasis in die Zahnheilkunde ein (US-Patent für Charles Goodyear, 3.3.1855). 63 Die Herstellung von Zahnersatz wurde dadurch erheblich erleichtert. Ebenso erleichterte die Vervollkommnung der Artikulatoren die Aufstellung von Prothesenzähnen. Der Okkludator wurde bereits 1805 von Jean Baptiste Gariot geschildert. Den ersten brauchbaren Artikulator stellte im Jahre 1864 William Bonwill (1833-1899) vor (Abb. 2). 64 Abb. 2: Der Bonwill-Artikulator Am Ausgang der 19. Jahrhunderts wurden Prothesen vor allem aus vulkanisiertem Kautschuk und Mineralzähnen hergestellt. 62 Hoffmann-Axthelm (1985), 293-296 und 300; Stroemgren (1945), 31-32. Stroemgren (1945), 27. 64 Hoffmann-Axthelm (1985), 301-302. 63 32 Der Zahnersatz nach der Extraktion von Zähnen machte einen großen Teil der Arbeit des Zahnarztes im 19. Jahrhundert aus. Gleichwohl wurden auch Kronen, insbesondere Stiftzahnkronen, gefertigt. Als Stiftmaterial wurden Hickoryholz, aber auch Metalle verwendet, für die Kronen nahm man Gold. In den USA begann man ab 1841 auch Porzellan für Vollkronen zu verwenden. 65 3.3 Konservierende Zahnheilkunde Das Füllen schadhafter Zähne, insbesondere im Seitenzahnbereich, war im 18. Jahrhundert nicht sehr weit verbreitet. Die Behandlung erstreckte sich weitgehend auf das Entfernen von erkrankten Zähnen und deren Ersatz durch Prothesen. 66 Hinzu kam, dass vor der Einführung rotierender Instrumente im 19. Jahrhundert die Entfernung der Karies mit Exkavatoren und Feilen eine mühsame Arbeit war und Patient und Behandler viel Geduld abverlangte. Zudem fehlte aufgrund der am Anfang des 19. Jahrhunderts oft unzureichenden Ausbildung der Zahnbehandler die technische Qualifikation zur Zahnerhaltung. Da es außerdem mit der Extraktionstherapie eine andere Erfolg versprechende Methode der Schmerzbehandlung gab und das ästhetische Empfinden weiter Bevölkerungsschichten wenig ausgeprägt war, bestand meist auch nicht die Notwendigkeit der Zahnerhaltung. Die unzureichenden Möglichkeiten der vollständigen Entfernung der Karies eröffneten zudem nur eine geringe Aussicht auf dauerhafte Schmerzfreiheit. Die Karies an den Frontzähnen wurde mangels eines haftenden Füllmaterials durch Feilen behandelt. 67 Es wurde versucht, den vestibulären Schmelz möglichst zu erhalten und von oral die Karies auszufeilen, wobei die Frontzähne nicht soweit abgefeilt werden sollten, dass sie keinen Kontakt mehr miteinander hatten. Dadurch wurde das Zusammenrücken der Zähne nach 65 Stroemgren (1945), 34. Stroemgren (1945), 44. 67 Stroemgren (1945), 45-47. 66 33 dem Feilen vermieden. Die entstehenden Hohlräume mussten nach jeder Nahrungsaufnahme gereinigt werden. Der amerikanische Zahnarzt Robert Arthur (1819-1880) vertrat die Auffassung, dass das Füllen der Zähne weniger erfolgreich sei als das Feilen. Er war der Ansicht, dass das Feilen der Seitenzähne ebenso erfolgreich sein konnte wie das der Frontzähne, wenn die Kavität nur genügend geglättet und damit ein Anhaften von Speiseresten vermieden wird. Dies sollte aber nur dann geschehen, wenn die Kavität noch nicht allzu tief war, denn dann sollte es gefüllt werden. 68 Als Füllungsmaterialen standen im 19. Jahrhundert zur Verfügung: • Gold, Zinn und Platin insbesondere als Folien, • Silber, • Blei, das ab 1815 z. B. in Preußen nicht mehr für Zahnfüllungen verwendet werden durfte, • Zemente, • Elfenbein, Walrosszahn, Nilpferdzahn und andere Tierzähne. Das Füllen einer Kavität mit tierischen Materialien nannte man Fournieren. Callman Jacob Linderer (1771-1840) schilderte in seinem 1834 in Berlin erschienenen Buch „Lehre von den gesamten Zahnoperationen“ 69 seine Methode des Fournierens so: Nach dem kreisrunden Entfernen der Karies wird ein Gewinde in die Kavitätenwände geschnitten, ebenso ein passendes Gewinde an einem Stift aus Walrosszahn hergestellt und der Stift eingeschraubt. Der überstehende Anteil des Stifts wird mit einer Feile entfernt. Wenn die Kavität zu klein ist, um ein Gewinde zu schneiden, kann die Haftung durch Presspassung erreicht werden. Er beschrieb auch die Methode, einen Abdruck von der Kavität anzufertigen und den Stift danach herzustellen, eine dem heutigen Insert-Verfahren 70 ähnliche Technologie. 68 Stroemgren (1945), 47. Linderer, C.J.: Lehre von den gesamten Zahnoperationen. Berlin 1834. 70 Das heutige Insert-Verfahren, bei dem mit diamantierten Ultraschall-Ansätzen präpariert und danach konfektionierte Keramikinlays eingeklebt werden, funktioniert im Wesentlichen nach ähnlichem Prinzip. 69 34 Das Füllen oder Plombieren der Zähne erfolgte am Anfang des 19. Jahrhunderts oft mit Blei (Plumbum), bis dies wegen seiner gesundheitsschädigenden Wirkung untersagt wurde. Bereits kurz nach dem Legen der Füllung oxidierte das Füllungsmaterial, färbte sich schwarz und wurde unansehnlich. 71 Auch aus diesen Gründen ging man zu Zinn-, Goldund Platinfolien über, die zusammengerollt und unter Druck mit einem Stopfer in die Kavitäten eingebracht wurden. 72 Die Kavität musste unter sich gehend, d.h. so gestaltet werden, dass die Fläche am Boden etwas größer als an der Okklusionsfläche war, um das Material zu verankern. Etwas Materialüberstand okklusal gewährleistete das Einpressen des Füllmaterials durch den Kaudruck. Im Jahre 1840 entdeckte der amerikanische Zahnarzt Amos Westcott (18151873) durch einen Zufall die Kohäsivität des Blattgoldes 73 und machte sie sich zunutze, indem er nicht wie bisher das Blattgold zu Rollen und Kugeln formte, bevor er sie in die Kavität einbrachte, sondern das Blattgold Schicht für Schicht einpresste. 1861 wurde von William Atkinson (1815-1891) ein Hammer zum Kondensieren der Goldfüllung eingeführt. 74 Die Wahl des Materials richtete sich damals wie heute nach dem Geldbeutel des Patienten. Von größter Bedeutung für das Einbringen der Füllungen aus Metallfolien war die Trockenheit im Mund. Zwischen die einzelnen Schichten des Materials durfte kein Speichel gelangen. Mit Servietten, Watte und der 1854 von Robert Arthur (1819-1880) erfundenen Spuckpumpe - die vielfach modifiziert worden ist - versuchten die Zahnärzte das Arbeitsfeld trocken zu halten. 75 Die Einführung des Kofferdams 1864 durch Sanford Barnum (1838-1885) stellte für die Füllungstherapie eine wesentliche Erleichterung dar (Abb.3). 76 In den Kofferdam, ein elastisches Gummituch, werden Perforationen gestanzt und es wird über die zu behandelnden und deren benachbarten Zähne positioniert. Mit Zahnseide oder speziellen Kofferdamklammern wird der Spanngummi an 71 Stroemgren (1945), 54. Hoffmann-Axthelm (1985), 326-327. 73 Stroemgren (1945), 265. 74 Hoffmann-Axthelm (1985), 326. 75 Stroemgren (1945), 57. 76 Hoffmann-Axthelm(1985), 327. 72 35 den Zahnhälsen befestigt. Der Speichel beeinträchtigt die Behandlung nun nicht mehr. Die Kavitäten im Frontzahnbereich, die durch Feilen nicht zu behandeln waren, aber bei denen eine unter sich gehende Kavitätenform gestaltet werden konnte, wurden auf die gleiche Weise gefüllt. War dies nicht möglich, blieb im sichtbaren Bereich nur die Möglichkeit des Kaschierens der Kavität mit hellen Wachs- oder Harzmassen, deren Haltbarkeit nicht von Dauer war. Abb. 3: Anlegen von Kofferdam Das Legen einer Goldfüllung nach den oben beschriebenen Methoden dauerte sehr lange und erforderte viel Geduld von Zahnarzt und Patient. Bis zu sechs Stunden konnte eine derartige „Goldoperation“ in Anspruch nehmen. Während des Füllens musste stets auf die Trockenheit der Kavität geachtet werden. Es war nur zu verständlich, dass die Zahnärzte nach einer Möglichkeit suchten, diese Arbeit zu erleichtern. Für einige Zeit wurde Darcet´s Metall zum Füllen von Frontzähnen verwendet. Im Jahre 1806 hatte wahrscheinlich Joseph Fox (1766-1816) als erster dieses Metall empfohlen. Der französische Zahnarzt Louis Regnart (1780-1847) beschrieb dessen Zusammensetzung mit acht Teilen Wismut, fünf Teilen Blei, drei Teilen Zinn und einem zehnprozentigen Quecksilberzusatz. Es schmolz 36 bei einer Temperatur zwischen 79 und 100 oC. Die Verarbeitung erfolgte, indem man die Legierung in den Zahn presste und mit einem heißen Stopfer zum Schmelzen brachte. Die hohe Temperatur in der Kavität führte beim Applizieren zu schmerzhaften Pulpairritationen und Pulpaentzündungen, so dass diese Methode rasch aufgegeben wurde. Neben diesen metallischen Füllungsmaterialen wurden im 19. Jahrhundert auch Zemente zur Füllung von Zähnen entwickelt. 1858 empfahl der Dresdner Leibzahnarzt Rostaing einen Zinkoxydphosphatzement, den er zusammen mit seinem Sohn, dem Chemiker Charles Rostaing, entwickelt hatte, der aber auch zu Pulpairritationen führte. 1874 wurde durch den britischen Zahnarzt Thomas Fletcher (1840-1903) „Artificial Dentine“ (künstliches Zahnbein) eingeführt. Es war ein Zinkoxydsulfatzement der als Unterfüllungs- und provisorisches Füllmaterial diente. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich Silikatzemente als Füllungsmaterial für die Frontzähne durch. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden bereits Amalgame für die Füllung von Zähnen verwendet. 77 Sie bestanden vor allem aus Silber, Zinn und Quecksilber. Anfangs wurde Silber von Silbermünzen abgefeilt und mit Quecksilber verrieben. Auch Zusätze von Gold anstelle von Zinn zu diesem Gemisch waren gebräuchlich. Ebenso gab es Amalgame aus Gold, Silber, Zinn und Quecksilber (z.B. Ash Nr.1 Gold Amalgam). Das Kupferamalgam wurde 1859 durch den mecklenburg-schwerin´schen Hofzahnarzt Georg Wilhelm Lippold (1809-1885) aus Güstrow eingeführt. 78 Der Zahnarzt Grohnwald aus Berlin bot im Juni 1869 in der Neustrelitzer Zeitung das „Füllen cariöser Zähne mit Gold, Amalgamen und künstlichem Zahnbein“ an. 79 Der Hof-Chirurgus Lisch aus Neustrelitz offerierte ebenfalls in einer Anzeige im Januar 1871 Füllungen mit Gold, Amalgam und künstlichem 77 Amalgam ist eine Mischung mehrerer Stoffe, z.B. die Legierung mehrerer Metalle. Die gegenwärtig im Gebrauch befindlichen Non-Gamma-2-Amalgame bestehen aus ca. 52 Gewichtsprozenten flüssigem Quecksilber welches mit einem Pulver (ca. 48 Gewichtsprozent) bestehend seinerseits aus ca. 70% Ag, 18% Sn, 12 % Cu bestehen. Die Bestandteile variieren je nach Hersteller. 78 Hoffmann-Axthelm (1985), 329. 79 Neustrelitzer Zeitung Nr. 75 (1869), Neustrelitz, 7.7.1869, 3. 37 Zahnbein. 80 Die von den Zahnärzten in Mecklenburg-Strelitz angewandten Füllungsmaterialen unterschieden sich offenbar nicht von denen, die im übrigen Europa und in Nordamerika Anwendung fanden. Am Ende des 19. Jahrhunderts kamen gebrannte Porzellanfüllungen auf (1897 Newell Sill Jenkins, geb. 1840, gest. 1919). Die gebräuchlichsten Füllungsmaterialien blieben jedoch Gold, Amalgam und Zement. 3.4 Behandlung der Parodontose Zur Behandlung der im 19. Jahrhundert meist als „Alveolarpyorrhoe“ bezeichneten Krankheit gab es grundsätzlich zwei verschiedene Methoden. Bei beiden erfolgte zunächst eine gründliche Reinigung der Zähne, insbesondere von dem als Weinstein bezeichnetem Zahnstein. Neben dem Zahnstein erkannte man allgemeine Krankheiten, wie z.B. Rheuma und Skorbut, Zahnfehlstellungen und Quecksilberintoxikationen als Ursache der Parodontose. Nach der Zahnreinigung erfolgte das Einsetzen eines Stützapparates (Schienen oder Ligaturen), um die gelockerten Zähne zu fixieren. Zu sehr gelockerte Zähne sollten extrahiert werden. Gleichzeitig wurden adstringierende Mundwässer verordnet, um das Zahnfleisch, das sich durch den Zahnstein vom Zahn entfernt hatte, wieder heranzuziehen. Außerdem beschrieb bereits C. J. Linderer 1834, dass eine Zahnstellung herzustellen sei, durch die beim Zusammenbiss keine Reize für den gelockerten Zahn entstehen. 81 Andere vertraten die Ansicht, dass gesunde Zähne von selbst wieder fest würden und die Ligaturen schädlich für die noch festen Zähne wären (Leonhard Koecker 1785-1850). 82 Operative Methoden schilderte Anton Buzer in seinem 1867 erschienen „Handbuch der Zahnheilkunde“ 83 : „Ist das Wackeln von Schlaffheit des Zahnfleisches 80 Neustrelitzer Zeitung Nr. 12 (1871), Neustrelitz, 27.1.1871, 4. Stroemgren (1945), 180. 82 ebd., 181. 83 Buzer, A.: Handbuch der Zahnheilkunde. Berlin 1867. 81 38 begleitet, so bewähren sich Scarificationen des letzteren als ein vortreffliches Mittel, doch müsse diese am äussersten Rande, da wo das Zahnfleisch um den Hals liegt, vorgenommen werden. Auch oberflächliche Cauterisationen mit dem Ferrum caudens thuen gute Dienste.“ 84 Diese Methode der systematischen Therapie der Entzündung des Zahnfleisches wurde erstmals im Jahre 1878 durch den amerikanischen Zahnarzt John M. Riggs (18111885), der sich seit 1856 mit der Behandlung der Parodontose beschäftigte, publiziert. Nach der Entfernung der Konkremente erfolgte die Politur der Zahnkronen und Zahnwurzeln. 85 Zu einer umfassenden Klärung der Ursachen der Parodontose kam es erst im 20. Jahrhundert u.a. durch Oskar Weski (1879-1952). Er sah die Ursache der Krankheit im Zusammenwirken des klinisch-anatomischen, des funktionellen und des allgemeinen Befundes des Patienten, der sogenannten „Weski-Trias“. Aus diesem Ursachenzusammenhang resultierte die Therapie-Trias von Lokalbehandlung, Entlastungsbehandlung und allgemeinen Heilmaßnahmen. 86 3.5 Kieferorthopädische Behandlungsmethoden Fehlstellungen der Zähne versuchten die Zahnärzte des 18. Jahrhunderts mit drastischen Mitteln zu beheben. Pierre Fauchard (1678-1761) favorisierte das Richten der Zähne mittels Pelikan. 87 Auch einfache kieferorthopädische Geräte 88 waren bereits im 18. Jahrhundert entwickelt worden. Am Anfang des 19. Jahrhunderts waren im Wesentlichen zwei Methoden gebräuchlich: Das operative Richten der Zähne ad hoc mit Instrumenten oder das Richten mittels Ligaturen. Friedrich Christoph Kneisel (1797-1887) verwarf die Ligaturen, da die Druck- und Zugwirkungen auf richtig stehende Zähne im Einzelnen zu groß waren. Er erfand eine Art Metallschiene, die über den Kiefer gelegt wurde, der 84 Stroemgren (1945), 183. Hoffmann-Axthelm (1985), 358. 86 ebd., 359. 87 Stroemgren (1945), 220. 88 Wie z.B. die schiefe Ebene. 85 39 richtig geformt war. So war der gesamte Unterkiefer mit dieser Metallkapsel bedeckt. Mittels eines Metallspatels konnte ein oberer Frontzahn durch täglich mehrfaches Spateln überstellt werden, ohne Gefahr zu laufen, dass die unteren Schneidezähne Schaden nahmen. 89 In der Neustrelitzer Zeitung - letzte Ausgabe des August 1851 - inseriert der Zahnarzt Block, dass er bei Kneisel seine dentistisch-technische Fertigkeit erworben habe. 90 In der Folgezeit wurden diverse Apparaturen zur Richtung der Zähne ersonnen. Nach der Entdeckung des Kautschuks wurden Kautschukplatten mit Metalldrähten u. a. als Dehnplatten benutzt (z. B. Norman Kingsley, 18291913). 91 Ebenso waren Drahtkonstruktionen mit Bändern um die Molaren als Ansatzpunkte gebräuchlich (John Farrar, 1839-1913). 92 In leichten Fällen war die erzieherische Anweisung zu bestimmter Druckausübung mit dem Finger ausreichend, in schweren Fällen - z.B. bei verlagerten Zähnen oder starken Engständen - war damals wie heute ein operatives Eingreifen unumgänglich. Auf dem 9. Internationalen Medizinischen Kongress in Washington 1887 stellte Edward Angle (1855-1930) erstmals sein System der Klassifizierung der Zahnstellungen in Bezug auf die Zahnregulierung vor. Ausgehend von diesen Klassifizierungen und der Molarenkonstanz entwickelte Angle Konstruktionen mit Metallbändern an den Molaren, die als Anker dienten und über die Zähne bewegt und reguliert werden konnten. So wurde auch eine Erweiterung des Kieferbogens ermöglicht. 93 3.6 Die zahnärztliche Bohrmaschine Schon im 1. Jahrhundert (u. Z.) setzte man in der Medizin Bohrer zum Trepanieren des Schädels ein. Es wurde auch schon über einen Arzt Archigenes (98-115) berichtet, dass der einen dunklen, schmerzenden Zahn 89 Hoffmann-Axthelm (1985), 209. Neustrelitzer Zeitung Nr. 100 (1851), Neustrelitz, 31.8.1851, 406. 91 Hoffmann-Axthelm (1985), 414. 92 ebd., 416. 93 Hoffmann-Axthelm (1985), 418-419. 90 40 mit einem kleinen Trepanbohrer anbohrte und so einem Patienten Linderung der Zahnschmerzen verschafft haben soll. 94 Der Prager Zahnarzt Franz Nessel (1803-1876) schrieb 1855, dass das Anbohren mit einer starken Reibeahle vorgenommen werden sollte. 95 Aus derartigen Reibeahlen entwickelten sich Handbohrer, deren Bohrspitze einen Bart- oder Rosenkopf besaß und fest mit einem Handgriff verbunden war. Die Arbeit mit diesen Handbohrern, bei denen die Drehbewegung der Hand direkt auf den Bohrerkopf übertragen wurde, war kraftaufwendig und führte schnell zur Ermüdung. Dem Erfindungsreichtum der Zahnärzte war dann eine Vielzahl einfacher mechanischer Kleingeräte, die die Rotation meist über Schnüre, Saiten und kleine Getriebe übertrugen, zu verdanken. Bereits 1803 stellte Heinrich Lautenschläger (gest. 1843) eine spezielle Kleinbohrmaschine vor, mit der sich Wurzelkanäle erweitern ließen, um eine Wurzelschraube zur leichteren Extraktion einbringen zu können. Mechanische Handbohrmaschinen, bei denen die Rotation des Bohrers durch den Behandler sowohl ein- als auch beidhändig erzeugt wurde, gab es in diversen Varianten. Alle diese Instrumente hatten jedoch den Nachteil, dass sie per Hand betrieben werden mussten. 1864 wurde in England das Patent für eine Maschine erteilt, die mit Federkraft die Rotationsbewegung für den Bohrer erzeugen konnte. Diese „Erado“ genannte Maschine (Abb. 4) von George Harrington (1812-1895) wurde wie ein Blechspielzeug aufgezogen, die Drehzahl ließ jedoch schnell nach, schon nach 2 min musste sie erneut aufgezogen werden. 96 George Washingtons (1732-1799) Zahnarzt, John Greenwood (1760-1819), soll aus einem Spinnrad eine zahnärztliche Maschine, die mit dem Fuß angetrieben wurde, konstruiert haben. Auf ähnlicher Basis - Erzeugung der 94 Hoffmann-Axthelm (1985), 335. Stroemgren (1945), 74. 96 Stroemgren (1945), 86. 95 41 Rotation mittels fußgetriebenem Schwungrad und Übertragung auf den Bohrer über eine bewegliche Welle - kamen ab Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts erste Maschinen auf den Dentalmarkt. Abb. 4: Harringtons „Erado“ U. a. wurde 1871 die „Dental Engine“ (Abb. 5) von James Morrison (18291917) vorgestellt. Etwa Mitte der achtziger Jahre waren diese Art Maschinen bei den meisten Behandlern im Gebrauch. Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts übten immer mehr Zahnärzte ihre Tätigkeit als niedergelassener Zahnarzt mit einem festen Praxissitz aus. Hierzu trug weniger eine gesetzliche Regelung bei als vielmehr das Aufkommen schwerer Behandlungsstühle und Anästhesieapparaturen sowie der Umstand, dass das Instrumentarium des Zahnarztes einen immer größeren Umfang einnahm. Einige der Schwungradmaschinen besaßen z.B. Umlenkrollen, die an einer Raumdecke befestigt werden mussten. Der elektrische Antrieb wurde durch George F. Green, der Versuche schon 1856-1859 unternommen hatte, erstmals im Jahre 1872 für eine zahnärztliche Bohrmaschine verwendet und öffentlich demonstriert. 97 97 Hoffmann-Axthelm (1985), 346. 42 Abb. 5: Darstellung aus der Patentschrift für Morrisons Bohrmaschine 1871 Obgleich die Akkumulatoren immer leistungsfähiger und billiger wurden, konnten sich die batteriebetriebenen Motoren in der zahnärztlichen Praxis nicht durchsetzen. Erst als am Ausgang des 19., bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts ein funktionierendes Stromnetz entstand, arbeiteten immer mehr Zahnärzte mit elektrischen Motoren. 3.7 Abhandlungen zur Hygiene in der zahnmedizinischen Literatur bis etwa 1869 Über die Reinigung und Reinhaltung der Behandlungsräume und des zahnärztlichen Instrumentariums wurde im 19. Jahrhundert nur wenig 43 publiziert. Verbindliche Vorschriften fehlten gänzlich, auch wenn man annehmen muss, dass der dauerhafte Behandlungserfolg z. B. beim Einbringen von Goldhämmerfüllungen nur durch einen gewissen Grad an Sauberkeit gewährleistet werden konnte. Der französische Zahnarzt J.C.F. Maury (gest. 1840) schrieb in seinem 1833 bereits in wiederholter Auflage erschienen Werk „Traite complet de l´art du Dentiste“ über erforderliche Maßnahmen zur Sauberkeit bei der zahnärztlichen Behandlung: „Ein Waschbecken ist notwendig in dem Operationszimmer des Zahnarztes, so dass er sich die Hände so oft als er nötig hat, waschen kann, und zwar in Anwesenheit seiner Patienten.“ 98 Zu dieser Zeit übten viele deutsche Zahnärzte ihre Kunst auch als Reisende zwischen mehreren Städten aus. Sie mieteten Zimmer, in denen sie ihre Behandlungen durchführten. Ein definitives Operationszimmer, wie es Maury beschreibt, wird es in den meisten Fällen nicht gegeben haben. In Mecklenburg-Strelitz praktizierten die ortsansässigen Zahnärzte wahrscheinlich vorwiegend in ihrer eigenen Wohnung. 99 Wahrscheinlich wurde dafür ein gesonderter Raum benutzt. In der Regel verließen sie aber jedes Jahr die Stadt ihrer Niederlassung für einen bestimmten Zeitraum, zogen über Land oder gingen für einige Wochen ihrer Tätigkeit in den Städten des Nachbarlandes nach. 100 Man legte großen Wert darauf, dem Patienten, der ja auch Kunde war, ein behagliches und angenehmes Umfeld zu bieten, um ihm seine Angst vor der Behandlung nicht zu vergrößern. Samtbezogene Behandlungsstühle, stoffbespannte Instrumententische wie sie noch bis zum Ende des 19. Jahrhundert angeboten wurden, trugen sicher ebenso dazu bei wie die für die Zahnärzte dieser Zeit typische Bekleidung mit einem langen, dunklen Rock aus Wolle oder Samt. 101 Das Händewaschen vor der zahnärztlichen Behandlung diente nicht nur der 98 Stroemgren (1945), 194-195. Zum Beispiel bittet der Hofzahnarzt Wolffson 1827 den Großherzog, ihm die Genehmigung zur häuslichen Niederlassung zu erteilen. Landeshauptarchiv Schwerin, 4.11-9 MecklenburgStrelitzsches Medizinialkollegium, Nr. 208, Akte Louis Jacoby Wolffson, Blatt 18. 100 Dies ist u. a. nachgewiesen beim Hofzahnarzt Fritze. Er bat den Großherzog 1841 um finanzielle Unterstützung für Geschäftsreisen ins Umland und die Nachbarländer, damit er seine defizitäre Praxis in Neustrelitz nicht aufgeben muss. Ab Weihnachten 1841 wurden ihm jährlich 100 Thaler Gold gewährt unter der Bedingung, dass er seinen wesentlichen Wohnort in Neustrelitz belässt. LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Fritze, C.W., Blatt 14 und 16. 101 Stroemgren (1945), 200. 99 44 Sauberkeit, sondern sollte auch zur „Behaglichkeit“ des Patienten beitragen. Die zahnärztlichen Instrumente aber wurden beim nächsten Patienten nach nur oberflächlicher Reinigung erneut eingesetzt. Die um die Mitte des 19. Jahrhunderts z. B. durch Ignaz Semmelweis (18181865) gewonnenen Erkenntnisse der Infektionsprophylaxe 1847 und antiseptischen Wundbehandlung 1867 durch Joseph Lister (1827-1912) wären geeignet gewesen, die wahrscheinlich verbesserungswürdigen hygienischen Verhältnisse bei der zahnärztlichen Behandlung wesentlich zu reformieren. Dass dies aber nur sehr langsam geschah und keine verbindlichen Regelungen für die zahnärztliche Praxis festgeschrieben wurden, mag daran gelegen haben, dass die Sterblichkeit als Folge von zahnärztlichen Behandlungen im Vergleich zu anderen Fachgebieten der Medizin gering war. Aber auch in den anderen medizinischen Bereichen wurde das neue Wissen nur zögerlich durchgesetzt. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 fanden zwar die Chloroformnarkose und die Morphininjektion breitere Anwendung. Bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beschränkte man sich aber auf allgemeinhygienische Maßnahmen. Das therapeutische Vorgehen der Militärchirurgen unterschied sich nicht von dem in vorangegangenen Feldzügen. 102 Dass die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund von 1869 jeder Person Zahnbehandlungen vorzunehmen gestattete, trug wahrscheinlich dazu bei, dass die zahnärztliche Praxis nicht von dem Wissenszuwachs auf dem Gebiet der Hygiene profitierte. Eine medizinische Vorbildung war für die Zulassung zur gewerblichen Zahnbehandlung nicht mehr erforderlich. Dies hemmte die Umsetzung der bereits vorhandenen Erkenntnisse der Infektionsprophylaxe in die zahnärztliche Praxis. In die meisten Gebiete der Medizin hielt die Anwendung der Antiseptik in den folgenden Jahrzehnten Einzug. 102 Mette, A. und Winter, I.: Geschichte der Medizin. Berlin 1968, 478. 45 4 Kritische Analyse zur Entwicklung des Medizinalwesens in Mecklenburg-Strelitz während des 19. Jahrhunderts mit Quellenbewertung 4.1 Die Organisation des Medizinalwesens in MecklenburgStrelitz im 19. Jahrhundert 4.1.1 Die Entwicklung des Medizinalwesens bis zur Schaffung der Medizinalexaminationskommission 1812 Schon vor der Landesteilung von 1701 gab es erste Versuche zur Regelung des Medizinalwesens und der gesetzlichen Legitimation von Medizinalpersonen. U.a. wurde im Jahr 1516 eine Polizeiverordnung zur Verwaltung von Hospital- und Armenhausgütern erlassen. 103 Durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), der große Armut und zahlreiche Krankheiten mit sich brachte, war die Bevölkerung stark dezimiert worden. Etwa zur gleichen Zeit wie in anderen deutschen Staaten stieg deshalb auch in Mecklenburg das Interesse an einer Regelung des Medizinalwesens. 104 Es gab nur sehr wenige Ärzte. Die Heilkunst lag vor allem in der Hand von Badern, Marktschreiern und Quacksalbern. Die Zahnbehandlung wurde nahezu ausschließlich von letzteren betrieben. 105 Im Jahre 1683 wurde die erste Medizinal- und Apothekerordnung für Mecklenburg erlassen. 106 Nach der Ablegen einer Prüfung vor dem Leibmedikus 107 des Herzogs konnte das Privileg zur Ausübung der Medizin oder der Wundarzneikunst erlangt werden. Anderen Personen wurde jegliche medizinische Tätigkeit verboten. 108 Zahnbehandlung und Zahnärzte wurden in 103 Hasselfeld (1934), 8. Bruhn und Gerber (1974), 85. 105 Hasselfeld (1934), 10. 106 Schilf (1967), 12. Durch Herzog Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow. 107 Der Leibmedikus oder Leibarzt war der persönliche Arzt z.B. eines Herrschers, hier der des Herzogs von Mecklenburg-Güstrow. 108 Bruhn und Gerber (1974), 86. 104 46 dieser Ordnung nicht erwähnt. 109 Sie war der Versuch, die Bevölkerung vor Marktschreiern, Quacksalbern und medizinischen Laien zu schützen. Ein geordnetes Medizinalwesen wurde dadurch jedoch nicht geschaffen. Das in Brandenburg wenige Jahre später erlassene Medizinaledikt von 1685 110 verbot nicht nur die Quacksalberei. Vielmehr wurde damit ein Collegium Medico geschaffen, vor dem sich sämtliche Medizinalpersonen einer Prüfung zu unterwerfen hatten und das die Aufsicht über das Medizinalwesen führte. 111 Dieses erste brandenburgische Medizinaledikt wurde zwar etwas später erlassen als die erste mecklenburgische Medizinalordnung, reichte aber wesentlich weiter. Die mecklenburgische Medizinal- und Apothekerordnung von 1683 galt bis zur Einführung der Medizinalverordnung im Jahre 1751. Sie hatte Geltung auch in Mecklenburg-Strelitz, denn nach der Landesteilung wurde dort keine eigene Medizinalordnung erlassen. Wie bereits erwähnt - konnten Gesetze, die für Mecklenburg-Schwerin verabschiedet worden waren, unter bestimmten Bedingungen auch in Mecklenburg-Strelitz angewandt werden. In Mecklenburg-Schwerin wurde mit der Medizinalverordnung vom 20. Juli 1751 die Errichtung von Kreisphysikaten angeordnet. Zur Überwachung des Medizinalwesens wurde das Land in Kreise eingeteilt. Für jeden Kreis wurde ein Kreisphysicus (Kreisarzt) ernannt, der in diesem Bereich auf die Einhaltung der Medizinalgesetze achtete. 112 Weiterhin wurde festgelegt, dass die Prüfung von Badern, Barbieren, Chirurgen, Hebammen und Apothekern vor dem Kreisphysikus zu erfolgen hatte. 113 Im Jahre 1786 wurden erstmalig zwei Verordnungen in Mecklenburg-Schwerin erlassen, die die Zahnärzte betrafen. Die erste, datiert vom 29. September 1786, verbietet die Tätigkeit „fremder“ Zahnärzte. Es heißt hier: „ Die die Jahrmärkte besuchenden fremden Zahnärzte sollen zur Verhütung der daraus für die Gesundheit besorglichen schädlichen Folgen und oft sehr unglücklichen Operationen nicht ferner geduldet werden.“. Mit der Verordnung wird 109 Hasselfeld (1934), 9. Bachmann (2003), 6. Churfürstlich Brandenburgisches Medizinaledikt vom 12.11.1685. 111 Schwanke, P.: Zahnärztliche Medizinalgesetze in Preußen. Berlin 1896, 6. 112 Bruhn und Gerber (1974), 86. 113 Hasselfeld (1934), 10. 110 47 zwischen fremden, nicht privilegierten und privilegierten Zahnärzten unterschieden. Am 29. Dezember 1786 wurde in einer zweiten Verordnung bestimmt: „Die privilegierten Zahnärzte können zwar ihr Metier in Reinigung und Conservierung der Zähne geruhig ausüben; jedoch sollen dadurch einheimische bewährte Wundärzte von solchem Geschäfte keineswegs ausgeschlossen sein. Und jene sind verpflichtet, in solchen Zahnkrankheiten, die den Gebrauch innerlicher Arzneymittel erfordern, sowie in anderen bedenklichen Fällen die Kranken an einen geschickten Arzt zu verweisen.“. 114 Mit dieser Bestimmung sollten die ebenfalls auf dem Gebiet der Zahnbehandlung tätigen Wundärzte in ihrer Arbeit nicht eingeschränkt werden. In Mecklenburg-Strelitz kam es zur Ernennung von Ärzten zu Amts-, Distrikts oder Stadtphysici. 115 Es mangelte aber an einer Prüfungsbehörde für Medizinalpersonen, sodass ungeprüfte Behandler umherreisten. Im Landeshauptarchiv in Schwerin liegt - zugeordnet dem Bestand des Mecklenburg-Strelitzer Medizinalkollegiums - eine landesherrlichen Verbots der Quacksalberei 1766-1811. Akte 116 wegen des Sie enthält eine nur sehr kleine Sammlung polizeilicher Vorgänge und Anzeigen gegen Pfuscher. Es fehlten also eine Medizinalaufsicht und eine Prüfungsbehörde. Daher konnten medizinische Laien ihre Dienste anbieten, woraus Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung resultierten. Dieser Zustand musste beendet werden. Der Missstand war den Ärzten im Lande schon lange bekannt und sie versuchten in eigener Regie Abhilfe zu schaffen. Ab 1795 wurde die Prüfung von Medizinalpersonen von dem Herzoglichen Leibmedikus Dr. med. Hieronymi 117 , dem Leibchirurgus Rose und dem Stadt- und Distriktsphysicus Dr. med. Wildberg übernommen, wobei sich dies zunächst nicht auf die Zahnärzte erstreckte. 118 Wer diese drei Personen befugte, ist dem Bericht Hieronymis nicht zu entnehmen. 119 Die Prüfungen wurden in Gegenwart von 114 Hasselfeld (1934), 11. Mecklenburg-Schwerin war fast fünfmal so groß wie Mecklenburg-Strelitz. Vermutlich kam es deshalb nicht zur Bezeichnung „Kreis“. 116 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 12, Acta wegen landesherrlichen Verbots gegen Quacksalberei 1766-1811. (Ein teilweiser Kriegsverlust kann nicht ausgeschlossen werden.) 117 Leibarzt des Hzg. (ab 1815 Ghzg.) Carl von Mecklenburg-Strelitz (1741-1816). 118 Zahnärzte wurden erst ab 1815 geprüft. 119 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13, 2-3. 115 48 städtischen Beamten und des Amts- oder Stadtphysikus öffentlich in Rats- und Gerichtsstuben, aber auch in Privatwohnungen abgenommen. Eine gesetzlich vorgeschriebene Prüfung für Medizinalpersonen gab es nicht. Doch ist aus dem Bericht zu schließen, dass die jeweilige Stadt- oder Gemeindeverwaltung einzelne Prüfungen in Auftrag gab, um die medizinische Versorgung zu sichern. So wurden z.B. der Mirower Amtsphysicus Dr. med. Stoy und der herzogliche Leibmedikus Dr. med. Hieronymi mit der Prüfung des nachmaligen Apothekers in Mirow beauftragt. Ab 1804 nahm auch der Hofmedicus Dr. med. Götze an den Prüfungen teil. Die Abnahme der Prüfungen erfolgte unentgeltlich und war, wie Hieronymi schrieb „mit mancherlei Verdruß verbunden, aber auch unzureichend, weil die wenigsten Medicinalpersonen des ganzen Landes derselben unterworfen waren.“ 120 Die hier erwähnten Ärzte wurden im Jahre 1810 bei der Landesregierung vorstellig und schlugen vor, die Prüfungen zur allgemeinen Pflicht zu machen, den Examinatoren ihre Kosten zu ersetzen, sie gesetzlich vor Unannehmlichkeiten zu schützen und ein Medizinalkollegium zu bilden. Sie erhielten den Auftrag, einen Bericht über „die Notwendigkeit eines medizinischen Collegiums“ zu erarbeiten. Die Einsicht in die das Thema betreffenden, damals bereits historischen Akten veranlassten Hieronymi zu folgender Feststellung: „Aus diesen Akten ergab sich, daß sowohl von Strelitzer als auch Schweriner Seite die Notwendigkeit eines medizinischen Collegiums zur Handhabung einer guten medizinischen Polizei und einer Polizei der Medizin anerkannt war, daß man von beiden Seiten Entwürfe zur Einrichtung eines solchen hatte machen lassen, daß aber deswegen kein Plan ausgeführt wurde, weil die Mittel zur Ausführung fehlten.“ Der daraufhin ausgefertigte Bericht enthielt erste Ansätze für ein Verfahren zur Bildung eines medizinischen Kollegiums. In der Folge kam es zur Bildung der Medizinalexaminationskommission. Hieronymi bemerkt hierzu: „Alles dieses und noch mehr die klare Einsicht von der um diese Zeit um sich greifenden Lehrglauben und durch überhand nehmende Quacksalberei wirklich von Tag zu Tage schlechter werdende Medicinalverfassung bewirkten zwar nicht die 120 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13, 2-3. 49 förmliche Errichtung eines Collegii medici, wie man sich dieses zu denken hat, wenn man ausgebreiteten Nutzen davon erwarten will, weil bei dem besten Willen in diesen bedrängten Zeiten die zu einem solchen nötigen Kosten nicht bestritten werden konnten, aber doch soviel, daß im Jahr 1812 eine medizinische Examinationskommission angeordnet und das Vorhandensein einer solchen in dem 21ten Stück der Neuen Strelitz´schen Anzeigen vom Jahr 1812 öffentlich bekannt gemacht wurde.“ 121 4.1.2 Das Medizinalwesen bis zum Erlass der Medizinalordnung im Jahre 1840 4.1.2.1 Die Medizinalexaminationskommission und das Medizinalkollegium In der Verordnung vom 22. April 1812 zur Schaffung der Medizinalexaminationskommission begründet Herzog Carl (Abb. 6) sein Vorgehen damit, dass die Bevölkerung bisher dazu verleitet worden sei, sich „ungeprüften und ungeschickten Ärzten und Chirurgen“ anzuvertrauen. In der Verordnung heißt es weiter: „Wir setzen und verordnen demnach hiermit: daß hinfüro keine Medicinal-Person, sie sei promoviert oder nicht, bei Vermeidung nachdrücklicher willkürlicher Strafe sich in unseren Landen niederlassen und praktizieren solle, bevor dieselbe sich nicht vor Unserer Regierung hieselbst hinlänglich legitimieret hat, darauf von der Examinations-Commission geprüft und tüchtig befunden, und hiernächst aus Unserer Regierung auf die Praxis förmlich concessionieret worden.“ 122 Die bisherigen Examinatoren wurden durch den Herzog zu „Commissarien“ der neugeschaffenen Landeshauptstadt Institution Neustrelitz bestimmt, hatte. Die die ihren finanzielle Sitz in der Ausstattung der Kommission war wegen der angespannten politischen Lage denkbar schlecht, die 121 122 Kommission daher auf Spenden angewiesen. So wird der LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13, 2-3. Neue Strelitzische Anzeigen, 21 (1812), Neustrelitz 1812, 1. 50 Medizinalexaminationskommission mit Schreiben vom 1.7.1812 z.B. mitgeteilt: „Der ehemalige Ministerresident und Kammerherr Graf á Ponte Leon hinterläßt dem Herzog seine letzte Pension (Sterbequartal) von 22 ½ Louis d´or zur Disposition.“. Der Herzog bestimmte dieses Vermächtnis der hiesigen „Medicinal-Comission“ zur Beschaffung von Instrumenten zu gemeinnützigen Zwecken, z. B. einen „Rettungskasten für Ertrunkene.“ 123 Für die materielle Ausstattung der Kommission - z. B. mit Schreibmaterial - musste die Landesregierung sorgen. Die erste Anordnung hierfür datiert vom 9.12.1812. 124 Schon aus dem Schreiben bezüglich der Spende des Grafen á Ponte Leon und aus dem angeordneten Unterstellungsverhältnis geht hervor, dass es sich bei dieser Examinationskommission bereits um eine Regierungsbehörde handelte. Es ist dort von einer „Medicinal-Comission“ die Rede, also einer Bezeichnung, die die Tätigkeit der Institution nicht nur auf die Prüfung von Medizinalpersonen beschränkt. Das Ungewöhnliche an der Entstehung dieser Regierungsbehörde in einem Feudalstaat ist aber, dass sie aus dem Engagement einzelner Ärzte entstand. Abb. 6: Carl, Regierender Herzog (ab 1815 Großherzog) von MecklenburgStrelitz (1741- 1816) 123 124 LHAS, 4.11-6 Mecklenburg-Strelitzsches Kammer-und Forstkollegium, Nr. 6323, Blatt 663. LHAS, 4.11-6 MSt-KFK, Nr. 6323, Blatt 1128. 51 Es stellt sich zunächst die Frage, ob Zahnärzte zu den Medizinalpersonen gezählt wurden und sich demzufolge einer Prüfung vor dieser Kommission zu unterziehen hatten. In jedem Fall zählten die Ärzte, Wundärzte erster und zweiter Klasse, die Hebammen und die Apotheker zu diesem Personenkreis. Im Hof- und Staatskalender wurden Zahnärzte von 1800 bis 1806 bzw. 1808 bis 1811 zwar im Verzeichnis der Hofchargen aufgeführt, fanden im Kapitel über Medizinalpersonen aber keine Erwähnung. 125 In den Jahren 1812 bis 1815 sind weder bei den Hofchargen noch bei den Medizinalpersonen Zahnärzte verzeichnet. 126 Nachdem am 23. Oktober 1815 127 die erste erfolgreiche Prüfung von zwei Zahnärzten Medizinalexaminationskommission in Neustrelitz erfolgt war vor 128 der , wurden ab dem Jahrgang 1816 Zahnärzte als Medizinalpersonen im Hof- und Staatskalender verzeichnet. Eine Übersicht zu allen im jeweiligen Jahrgang des Hof- und Staatskalender des 19. Jahrhunderts ermittelbaren Zahnärzten folgt im Anhang. Die Medizinalexaminationskommission hatte offiziell nur die Aufgabe, die Medizinalpersonen zu prüfen. Die Akten geben jedoch immer wieder Hinweise darauf, dass der Kommission auch andere das Medizinalwesen betreffende Aufgaben zugeordnet wurden oder sie sich selbst aus eigenem Antrieb dafür anbot. Bereits am 1. Juli 1812 129 , als die Kommission unter Nutzung des Vermächtnisses des Kammerherrn Graf á Ponte Leon mit der Beschaffung von „Instrumenten zu gemeinnützigen Zwecken“ beauftragt wurde, ging dies über den gesetzlichen Auftrag hinaus. Vom eigenen Engagement zeugt auch ein Schreiben an die Landesregierung vom 19. Januar 1817, in dem die Medizinalexaminationskommission aus Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung darum bat, die Schutzblatternimpfung gesetzlich einzuführen. 130 Die Kommission übernahm also Aufgaben, die kraft der Verordnung vom 22. April 1812 eigentlich nicht in den dort festgelegten, eng umrissenen 125 StK-MSt, Jg. 1800-1806, 1808-1811. StK-MSt, Jg. 1812 -1815. 127 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 4. Heft 1815/16, Lfd. Nr. 21. 128 Schilf (1967), 26. 129 LHAS, 4.11-6 MSt-KFK, Nr. 6323, Blatt 663. 130 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 5. Heft 1816/17, Lfd. Nr. 11. 126 52 Tätigkeitsbereich gehörten. Da diese Zuständigkeit nicht geregelt war, wurde die Änderung der Verordnung erforderlich. Am 24. Februar 1818 erließ Großherzog Georg im Einvernehmen mit der Ritter- und Landschaft die Erweiterung der Verordnung (Abb. 7). Abb. 7: Deckblatt der „Erneuerten und erweiterten Verordnung“ vom 24.2.1818 Dort heißt es: „....dass in Unserem hiesigen Herzogthum keinem Arzte, keinem Wundarzte und keiner Hebamme die Ausübung der Praxis, oder einem Apotheker die 53 Erwerbung und Anlegung einer Apotheke eher gestattet seyn solle, bis dass solche von der vorgedachten Commission, welcher Wir nunmehro den Namen „Medicinal-Collegii“ beilegen, geprüft und als geschickt befunden worden, und dass demnächst keine anderweitige oder nochmalige Examination abseiten eines eigentlichen Physici statt haben solle. Gleichwie nun sämmtliche Obrigkeiten und Polizeybehörden in Unsern hiesigen Landen, so wie auch alle angehenden Ärzte, Wundärzte, Hebammen und Apotheker sich hiernach zu richten und zu achten haben, so sollen dennoch dadurch die etwanigen Gerechtsame der Ortsbehörden, rücksichtlich der Cognition über die Receptionsfähigkeit der Chirurgen, Hebammen und Apotheker, nicht beeinträchtiget, sondern von dem Medicinal-Collegio nur solche Personen zum Examen zugelassen und ihren die Befugnis zur Treibung der chirurgischen Praxis, Ausübung der Hebammen-Kunst, oder des Apothekergewerbes ertheilet werden, welche durch Vorweisung von Scheinen der Obrigkeit des Orts, woselbst sie sich niederlassen wollen, darthun, dass sie durch Gesetz oder Herkommen vorgeschriebenen Bedingungen der Aufnahme erfüllt und die Erlaubniß zur Niederlassung erhalten haben.“ Zwei Punkte fallen bei der Erneuerung der Verordnung auf: Zum einen wird auf Zahnärzte kein Bezug genommen, obwohl bereits Zahnärzte vor der Medizinalexaminationskommission geprüft wurden. Zum anderen wird hier erstmals die Zulassung von Chirurgen, Apothekern und Hebammen zur Prüfung beschränkt, indem eine örtliche Genehmigung zur Niederlassung vorgelegt werden muss. Erstmals gab das Medizinalkollegium 1830 auch einen Bericht über die Notwendigkeit der Niederlassung für einen Zahnarzt ab. 131 Aus dieser auch auf Zahnärzte angewendeten Verfahrensweise bei der Niederlassung lässt sich ableiten, dass Zahnärzte sehr wohl als Medizinalpersonen zu verstehen waren, etwa auf der Stufe der Chirurgen angesiedelt, so wie es die spätere Medizinalordnung ausführt. Völlig fehlen in der Verordnung Aussagen über die theoretische und praktische Ausbildung als Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung und über den 131 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 18. Heft 1829/30, Lfd. Nr. 27. 54 Prüfungsinhalt selbst. Ebenso fehlt eine gesetzliche Festlegung der Aufgaben und Befugnisse des Medizinalkollegiums und der Medizinalpersonen. Am 25. Mai 1818 wird ein „...Reskript....betreffend die Einführung einer Taxordnung für die gesamten Medizinal-Personen“ 132 erlassen, am 24. Dezember 1818 ein Reskript betreffend den Entwurf der Instruktion für die fünf Physicate, in die das Domanium eingeteilt werden sollte, und die Bestallungen der Physici. 133 Das Tagesgeschäft des Medizinalkollegiums bestand darin, so lässt sich aus den Tagebuchlisten schließen, Hebammen 134 , Barbiergesellen, Chirurgen, Wundärzte und Apotheker zu prüfen, die Anstellung von Lehrlingen bei ihnen zu kontrollieren, Impfgenehmigungen für Chirurgen 135 zu erteilen, Gutachten für die Justiz anzufertigen 136 oder Kurkostenrechnungen zu überprüfen. Im Jahre 1823 wurden die Befugnisse des Medizinalkollegiums erneut erweitert, wenn auch ohne gesetzliche Regelung. Es war jetzt auch für Tierärzte zuständig. 1823 wurde der erste Tierarzt in Mecklenburg-Strelitz zugelassen. 137 Im Jahr 1829 findet sich ein Tagebucheintrag über die Prüfung auffälliger Arzneien und die Zulassung von Apparaturen. 138 Die fehlende gesetzliche Regelung, den Zuständigkeitsbereich des Medizinalkollegiums betreffend, und die spätere Zuweisung weiterer Aufgaben an das Kollegium lässt vermuten, dass der Zuständigkeitsbereich vom Gesetzgeber absichtlich offen gehalten wurde. Da in Mecklenburg-Strelitz das Studium der Medizin nicht möglich war, erübrigten sich Vorschriften, die die Ausbildung regelten. 132 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 6. Heft, 1817/18, Lfd. Nr. 37. LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 7. Heft, 1818/19, Lfd. Nr. 12. 134 Die Kosten für die Prüfung einer Hebamme trug abweichend von den anderen Medizinalpersonen diejenige Gemeinde oder Stadt, die die Prüfung in Auftrag gab. 135 Das Impfen war eigentlich den Ärzten vorbehalten, da es aber nicht genügend Ärzte gab, um die Impfungen zügig vorzunehmen wurden Genehmigungen auch an Chirurgen erteilt. 136 Sowohl Gutachten in Sachen angeblich Irrer als auch Begutachtung von Körperverletzungen mit Todesfolge. 137 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 11. Heft, 1822/23. 138 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 17. Heft, 1828/29. Als Beispiel wird hier die „Geburtshülfliche Apparatur“ genannt. 133 55 4.1.3 Die Medizinalordnung von 1840 4.1.3.1 Vorgeschichte Bereits im Jahre 1821 schrieb ein Dr. Bornemann, Arzt aus Goldberg in Mecklenburg-Schwerin: „Das erste und dringendste Bedürfnis ist die Organisation eines Medizinal-Kollegiums, ohne dieses müssen alle Versuche der Errichtung einer Medizinal-Verfassung mangelhaft seyn.“ 139 In Mecklenburg-Strelitz existierte mit der Medizinal-Examinationskommission in Neustrelitz bereits seit 1812 eine Behörde zur Prüfung von Ärzten, Wundärzten, Hebammen, Apothekern usw.. In Mecklenburg-Schwerin war diese Prüfung jedoch nicht vor einer zentralen Behörde, sondern vor dem jeweiligen Kreisphysicus abzulegen. 140 In seinem Artikel führt Dr. Bornemann außerdem aus: „ In den letzten Jahren haben fast alle kleinern Staaten Deutschlands ihre bis dahin sehr mangelhaften Medizinal-Ordnungen theils verbessert, theils neu organisiert, da die Wichtigkeit dieses Theils der Staatsverfassung immer mehr erkannt wurde, und die frühere Vernachlässigung bedeutende Nachteile für das allgemeine Wohl der Unterthanen entwickelt hatte. Es ist auch nicht zu verkennen, dass durch die Nichtberücksichtigung dieses Zweiges der Staatsverwaltung erhebliche Lücken in ihr entstehen müssen, und diese, welche die Erfahrung darbot und darbietet, in Verbindung mit den großen Fortschritten der neuern Zeit in der medizinischen Wissenschaft, besonders der Staats-Arzneikunde, mußten das dringende Bedürfnis einer Revision und Organisation der Medizinal-Ordnung den einzelnen Staatsverwaltungen sehr fühlbar machen.“ Weiterhin spricht sich Dr. Bornemann dafür aus, dass „.....dieser Zweig der Staatsverwaltung nur von Ärzten organisirt und fortdauernd geleitet werden kann.“ 139 Bornemann: Ueber das Bedürfniß einer Medizinal-Ordnung in Mecklenburg. In: Freimüthiges Abendblatt, 150 (1821), Schwerin, o.P., 16.11. 1821. 140 Hasselfeld (1934), 10. 56 Die Fortschritte in der Medizin, die Notwendigkeit des Gesundheitsschutzes für die Bevölkerung und die Sicherung eines Standards in der Behandlung, aber auch der Schutz der Ärzte vor der umherziehenden Konkurrenz der Quacksalber - die trotz mehrfachen Verbots ihr Unwesen trieben - machten eine straffere Organisation des Medizinalwesens erforderlich. In MecklenburgStrelitz hatten die Ärzte dies bereits früh erkannt und 1812 die Schaffung der Examinationskommission und 1818 des Medizinalkollegiums erwirkt. In Mecklenburg-Schwerin Medizinalverfassung blieb des die Landes auf gesetzliche Regelung der dem von Die Stand 1751. Medizinalverordnung des Herzogs Christian Ludwig wurde lediglich ergänzt: • durch die Verordnung von 1774 über Chirurgen und Bader, • die Zirkularverordnung von 1781 gegen ungeprüfte Behandler und • die Verordnungen über Zahnärzte aus dem Jahr 1786. 141 Trotz der durch die Ärzteschaft des Landes geforderten Neuorganisation des Medizinalwesens kam Mecklenburg-Strelitz es sogar in Mecklenburg-Schwerin erst 1840 zur erst 1830 142 , Verabschiedung in einer Medizinalordnung. Im benachbarten Preußen, dessen Politik auf beide mecklenburgische Staaten einen bedeutenden Einfluss hatte, war bereits 1825 eine Medizinal-Verordnung erlassen worden. 4.1.3.2 Inhalt und Auslegung der Medizinalordnung In der Officiellen Beilage Nr. 11 zum 23. Stück der Mecklenburg-Strelitz´schen Anzeigen vom 3. Juni 1840 wurde die „Verordnung zur Publication der Medizinal-Ordnung für das Herzogthum Mecklenburg-Strelitz“ veröffentlicht. 143 Sie galt nur für das Herzogtum Strelitz (nicht für das Fürstentum Ratzeburg) und umfasste zwölf Kapitel mit 40 Paragraphen und einer Anlage. 141 Hasselfeld (1934), 11. Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt (Regierungsblatt), 11 (1830) Schwerin,18.2.1830. 143 Officielle Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen, 23 (1840), Neustrelitz 3.6.1840, 49-74. 142 57 4.1.3.2.1 Das Medizinalkollegium Das erste Kapitel (11 Paragraphen, vier Anlagen) widmet sich dem Medizinalkollegium. Es führt „....unter der Leitung der Großherzoglichen Landes-Regierung, die Aufsicht über das gesamte Medicinalwesen, es ist in Medicinalsachen technisch rathende Behörde, und prüft die Districts- und Stadtphysici, Aerzte, Wundaerzte, Hebammen und Apotheker.“ 144 In der Verordnung über die Bildung des Medizinalkollegiums 1818 waren die Aufgaben und Geschäfte nur sehr grob umrissen. Hier nun findet sich eine ausführliche Auflistung der Aufgaben, die das Kollegium wahrzunehmen hat. Dazu gehören (§2 Geschäfte): • der Regierung Vorschläge zur Abhilfe von Mängeln bei der öffentlichen Gesundheitspflege zu unterbreiten und Instruktionen und Verordnungen an Medizinalpersonen zu machen, der Regierung Bericht über den Gesundheits- und Krankheitsstand und eine eventuelle erhöhte Sterblichkeit und deren Gründe zu erstatten; • der Regierung beim Auftreten von endemischen oder epidemischen Krankheiten und Viehseuchen Maßnahmen zur Abwendung und Minderung zu empfehlen; • die Medizinalpersonen streng zu prüfen und nötigenfalls an die Befolgung ihrer Pflichten zu erinnern, die Apotheken zu visitieren und bei Vergehen und Verstößen gegen die Medizinalordnung „...den competenten Behörden Rüge und Abstellung anzuzeigen.“ Dem Medizinalkollegium gehörten drei Ärzte an, es wurde der Landesregierung unterstellt und den sonstigen Behörden und den Gerichten gleichgestellt. Mit der Medizinalordnung waren die Aufgaben des Medizinalkollegiums, die bisher gewohnheitsmäßig oder durch Regierungsauftrag ausgeführt wurden, 144 § 1 Wirkungskreis des Medizinalkollegiums. 58 gesetzlich festgelegt worden. Gleichzeitig stellte es dadurch, dass nur Ärzte 145 die Tätigkeit im Kollegium ausübten, eine Art Selbstverwaltung der Heilberufe dar. 4.1.3.2.2 Die Distriktsphysici Das zweite Kapitel (§ 12 bis § 16) befasst sich mit den Distriktsphysici, ihrer Anstellung, Vereidigung und ihren Pflichten. Zu den Pflichten in ihrem Physikatsbezirk gehörte (§ 13): • die Organisation der Kuhpockenimpfung, • den Medizinalpersonen mit Rat zur Seite zu stehen und sie vor Fehlern zu warnen. Weiterhin hatten sie darauf zu achten, • dass sich nur approbierte Medizinalpersonen mit der Ausübung der Heilkunst befassen und diese die Grenzen ihrer Befugnisse nicht überschreiten, • dass Pfuscher und Quacksalber sowie der unerlaubte Handel mit Arzneien und Giften nicht geduldet wird, • dass die Medizinalpersonen, von denen sie ein Verzeichnis anzulegen hatten, die Vorschriften der Medizinalordnung befolgen und • dass die Medizinalpersonen sich gut benehmen. Außerdem hatten die Distriktsphysici die Apothekerlehrlinge zu prüfen, die Apotheken in ihrem Bezirk zu besuchen, alles zu beobachten, was auf das öffentliche Gesundheitswohl in ihrem Bezirk Einfluss hat und strafbare Handlungen anzuzeigen. Der Distriktsphysicus hatte bei auftretenden gefährlichen epidemischen Krankheiten und Viehseuchen Meldung zu 145 In der Regel waren die Mitglieder des Medizinalkollegiums praktizierende Ärzte. Z.B. wurde der Wesenberger Arzt Dr. med. Carl Peters am 17.11.1843 Amtschirurg für Mirow (Officielle Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen, Neustrelitz 1843, 138), 1845 wird er weiterhin auch als Arzt in Wesenberg aufgeführt (StK-MSt 1845, 94) und am 12.8.1856 wird er von Großherzog Georg zum dritten ordentlichen Mitglied des Medizinalkollegiums ernannt (Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzischer Officieller Anzeiger für Gesetzgebung und Staatsverwaltung, Neustrelitz 1856, 95-96). 59 erstatten, an Ort und Stelle Maßnahmen zur Vorbeugung und Minderung der Krankheit in Zusammenarbeit mit den Ortsbehörden zu veranlassen. Der § 16 der Medizinalordnung legte in sechs Absätzen die Zuständigkeit der Distriktsphysici und die Verfahrensweise bei gerichtsmedizinischen Untersuchungen fest. Der siebente Absatz des § 16 bestimmte die besondere Verantwortung des Distriktsphysicus für die unentgeltliche Behandlung der Armen und die unentgeltliche Schutzblatternimpfung. Die Regelung der kostenlosen Behandlung der Armen galt jedoch nur für das Domanium. Das Honorar hierfür war in der Besoldung des Distriktsphysicus bereits enthalten. Der Distriktsphysicus war somit die eigentliche Stütze der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, verantwortlich für die Medizinalpersonen in seinem Distrikt und die Einhaltung der Medizinalordnung, für die Impfungen und die Versorgung der Armen, die sich sonst keinen Arzt leisten konnten. 4.1.3.2.3 Die Ärzte Das dritte Kapitel regelt die Anstellung und Verpflichtungen der Ärzte (§§ 1720). Als Voraussetzung für das Betreiben einer medizinischen Praxis in Mecklenburg-Strelitz galten die folgenden Kriterien: Nach Erlangung des Schul-Maturitäts-Zeugnis 146 folgte in der Regel das vierjährige Studium der Medizin an einer Akademie mit einer Prüfung und nach Vorlage der Dissertation die Promotion zum Dr. med.. Auf Anordnung der Landesregierung nahm das Medizinalkollegium eine erneute Prüfung vor. Danach konnte die Regierung die Konzession für das Betreiben einer medizinischen Praxis erteilen. Die Medizinalordnung schrieb hinsichtlich der durch das Medizinalkollegium vorzunehmenden Prüfung den Umfang vor, der alle Zweige der Arznei- und Wundarzneiwissenschaft sowie der Geburtshilfe erfassen sollte. Je nach dem Ergebnis der Prüfung konnte die Regierung eine unbeschränkte Konzession erteilen oder eine Konzession, die die Chirurgie oder die Geburtshilfe 146 vergleichbar dem Abitur. 60 ausnahm. Ebenso wie die Mitglieder des Medizinalkollegiums und die Distriktsphysici wurde auch der Arzt vor der Landesregierung vereidigt. An dieser Stelle wird in der Medizinalordnung das Recht der Untertanen erwähnt, sich von jedem Arzt behandeln lassen zu dürfen, der von seiner zuständigen Behörde approbiert worden ist. Gleiches wird in § 21 für Wundärzte und im § 26 für Zahnärzte verfügt. Zu den Verpflichtungen des Arztes führte die Medizinalordnung in § 18 u.a. aus: • zu jeder Zeit Armen und Reichen gleich auf Erfordern Hilfe zu gewähren, • auf Wunsch des Patienten oder in zweifelhaften Fällen andere Ärzte hinzuzuziehen, • die Schweigepflicht einzuhalten, • strafbare Handlungen, Verstöße gegen die Medizinalordnung und epidemische Krankheiten oder Viehseuchen dem Distriktsphysicus und der Ortsbehörde anzuzeigen. 4.1.3.2.4 Die Wundärzte Das vierte und fünfte Kapitel der Medizinalordnung befasst sich mit den Wundärzten und Chirurgen. Die Wundärzte wurden in Wundärzte erster und zweiter Klasse unterteilt. Die Begriffe „Wundarzt“ und „Chirurg“ wurden zum Teil synonym verwendet, wobei mit „Chirurg“ in der Regel nur ein Wundarzt zweiter Klasse gemeint war. Der gesetzliche Wortlaut war in dieser Hinsicht auslegungsfähig. Im folgenden, die Zahnbehandler betreffenden Text, wird nur auf „Wundärzte“ Bezug genommen. Wundärzte erster Klasse konnten auch Amtschirurgen werden. Das Medizinalkollegium bestimmte die Auslegung der Medizinalordnung im Einzelfall. 61 Voraussetzung für die Ausübung des Berufs als Wundarzt erster Klasse waren eine genügende Schulbildung und ein dreijähriges Studium an einer Universität oder chirurgischen Schule. Die Prüfung des Wundarztes erster Klasse führte das Medizinalkollegium in Neustrelitz durch, nachdem die Ortsbehörde des zukünftigen Wohnortes die Niederlassung befürwortet hatte. Wundärzte erster Klasse konnten außerdem Zusatzprüfungen in Geburtshilfe und gerichtlicher Arzneikunde vor dem Medizinalkollegium ablegen und damit auch als Geburtshelfer fungieren oder zum Amtschirurgen berufen werden. Die Pflichten und Einschränkungen in der Tätigkeit des Wundarztes erster Klasse waren u.a. wie folgt festgelegt: • Beschränkung auf chirurgische Kuren und die Anwendung innerlicher, nicht heftiger Arzneimittel nur dann, wenn die Heilung des örtlichen Übels damit bewirkt wird oder in Ausnahmefällen, • Vornahme von Impfungen, falls das Medizinalkollegium dazu einen Auftrag erteilt hat, • Versorgung der Kranken ohne Unterschied des Standes, • Überweisung oder Hinzuziehung eines Arztes bei gefahrvollen Operationen, • Mitführen eines „möglichst“ vollständigen und brauchbaren Instrumentariums (§ 23), • Einhaltung der Schweigepflicht, • Meldung über ihm zur Kenntnis gelangtes Ausbrechen ansteckender Krankheiten, über gewaltsame Todesfälle und tödliche Verletzungen an den Distriktsphysicus. Über die Wundärzte zweiter Klasse oder Chirurgen wurde in der Medizinalordnung sehr viel weniger ausgesagt als über die der ersten Klasse. Sie mussten sich der ortsansässigen Bader- oder Barbierzunft anschließen. Als Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung vor dem Medizinalkollegium wurde im § 25 der Medizinalordnung nur ausgeführt, dass genügend Zeugnisse über den erhaltenen Unterricht in der niederen Chirurgie 62 und der Erlaubnisschein der zuständigen Ortsbehörde zur Niederlassung vorliegen müssen. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass es der zunftmäßigen Erlernung des Faches nicht bedarf. Die Tätigkeit des Wundarztes zweiter Klasse wurde gesetzlich auf folgende Tätigkeiten beschränkt: • Leichdörner und Nägel schneiden, • Ader lassen, schröpfen, Blutegel setzen, • Zähne ausziehen, • Zugpflaster und Fontanelle anlegen sowie Klistiere setzen. Alle inneren und äußeren Kuren waren dem Wundarzt zweiter Klasse untersagt. Der Chirurg oder Wundarzt zweiter Klasse war damit ausschließlich zu den o. g. Tätigkeiten befugt, alle anderen Tätigkeiten waren ihm nicht gestattet. 4.1.3.2.5 Die Operateure und Zahnärzte Das sechste Kapitel der Medizinalordnung befasst sich im § 26 mit den Operateuren und Zahnärzten: „Die Befugniß zu chirurgischen Operationen jeder Art, insbesondere auch zur Ausübung der Zahn-Heilkunst, soll in hiesigen Landen in der Regel nur denjenigen, welche als Ärzte und Wundärzte von dem Medicinal-Collegio geprüft, zu dergleichen Leistungen für tüchtig befunden und die Concession erhalten haben, gestattet werden. Die Zahnärzte sollen keine Medicamente gegen Zahn-Krankheiten selbst anfertigen und verabreichen, sondern dieselben aus den Apotheken entnehmen.“ In diesen wenigen Zeilen waren die Voraussetzungen für die Ausübung der Zahnheilkunde zusammengefasst. Die erste Bedingung war die Prüfung als 63 Arzt oder Wundarzt. Die Medizinalordnung ließ an dieser Stelle offen, ob es sich um die Prüfung zum Wundarzt erster oder zweiter Klasse handelt, sodass es mehrmals zu Auseinandersetzungen über die Auslegung der Medizinalordnung kam. Streng nach der Medizinalordnung musste es sich um die Prüfung zum Wundarzt erster Klasse handeln, was auch der wahlweise möglichen Prüfung zum Arzt näher kam. Dieser Auffassung war auch das Medizinalkollegium. 147 Das Ausziehen der Zähne war als Aufgabe der Wundärzte zweiter Klasse ausgewiesen. Das legt den Schluss nahe, dass die weitergehende Zahnbehandlung dem höher gestellten Wundarzt erster Klasse zukam, zumal bei der Beschreibung der Tätigkeit des Chirurgen oder Wundarztes zweiter Klasse genau definiert war, was er tun durfte und was nicht, und dabei die weitergehende Zahnbehandlung nicht aufgeführt wurde. Der Einschub „...in der Regel...“ ließ aber Ausnahmen zu, die im Einzelfall vom Medizinalkollegium und der Landesregierung entschieden wurden. Das Medizinalkollegium hatte denjenigen Wundarzt oder Arzt, der auch als Zahnarzt tätig sein wollte, zu prüfen, ob er die Fähigkeit zur Ausübung der Zahnheilkunde besaß. Der Gesetzestext sah also – auch wenn Ausnahmen gestattet waren - vor, dass der Zahnarzt Medizinalkollegium auch war im Wundarzt Übrigen oder der Arzt sein Auffassung, musste. dass Das mittels ausschließlicher Tätigkeit als Zahnarzt der Lebensunterhalt einer Familie nicht bestritten werden konnte. Schon deshalb drang es auf die Zulassung als Wundarzt. Eine genauere Regelung über den Inhalt der Prüfung von Zahnärzten vor dem Medizinalkollegium gab es nicht. Der Gesetzgeber hielt diese Regelung wohl wegen des seltenen Vorgangs für entbehrlich. Im Zweifel hatte das Medizinalkollegium die Kompetenz, selbst Festlegungen zu treffen oder auf eine anderweitige Problemlösung zu dringen, zumal kein Zahnarzt dem Kollegium angehörte. 147 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Völlner, W., Reskript vom 2.7.1850. 64 Am Beispiel des Wilhelm Völlner aus Neustrelitz aus den Jahren 1850/1851 zeigt sich, wie schwer sich das Medizinalkollegium seine Entscheidung über dessen Antrag machte: Am 9. Januar 1850 beantragte Wilhelm Völlner die Konzession zur praktischen Ausübung der Zahnheilkunde. Die eigentliche Behandlung von Zahnkrankheiten wollte er unter Aufsicht eines Arztes durchführen. Er wies bereits darauf hin, dass er kein Wundarzt oder Arzt sei, dass jedoch der Text der Medizinalordnung Ausnahmen zulasse. Bereits am 19. Januar 1850 erwidert das Medizinalkollegium, dass es eine Prüfung „als bloßer Techniker, oder Zahnarbeiter“ für überflüssig halte und dafür außerdem nicht zuständig ist. Da Völlner seinen Antrag mit „W. Völlner, Zahnarzt“ unterzeichnet hatte, kassierte das Medizinalkollegium die Titelführung umgehend: „Der pp. Völlner …….kann bei dem Mangel der nöthigen ärztlichen Kenntnisse auf das Prädicat eines Zahnarztes keine Ansprüche machen,..“ Dies Beispiel zeigt, welchen Wert das Medizinalkollegium auf eine ärztliche Ausbildung der Zahnärzte legte. Völlner aber übersprang auf diese Antwort hin mit seinem nächsten Brief gleich zwei Behördenebenen und wandte sich im August 1850 direkt an den Großherzog. Er bat ihn, ihn als Zahnarzt von der Prüfungspflicht zu befreien und eine Konzession zu erteilen oder aber das Medizinalkollegium zu veranlassen, ihn ausnahmsweise als Wundarzt II. Klasse zu prüfen. Er begründete dies mit der Notwendigkeit eines Zahnarztes in Neustrelitz, da von den beiden Zahnärzten vor Ort einer seine Praxis aufgegeben habe und der andere als Militärarzt stark in Anspruch genommen sei. Außerdem habe er die schriftliche Erlaubnis des Magistrats von Neustrelitz, sich hier als Zahnarzt niederlassen zu dürfen. Der Brief ging über die Landesregierung wieder an das Medizinalkollegium. Völlner beantragte nunmehr am 10. Januar 1851 die Prüfungszulassung, das Kollegium sprach sich auch wegen des Zahnärztemangels am 31. Januar 1851 im Falle Völlner für eine Ausnahme aus und nahm ihn am 22. April 1851 ins Examen. Zwar galten die Fragen aller vier Prüfer vorwiegend Problemen der Zahnheilkunde, doch die chirurgischen Kenntnisse des Prüflings bewerteten sie als „wie vorauszusehen war“ mangelhaft und für einen Wundarzt II. Klasse „nicht genügend“. Weiter aber 65 heißt es im Schreiben vom 8. Mai 1851 an die Landesregierung: „ …, hingegen hat er in dem engeren Fache der technischen und operativen Zahnheilkunst eine recht lobenswerte Tüchtigkeit dargetan und namentlich im Anfertigen und Einsetzen künstlicher Zähne und Gebisse, so wie im Ausziehen schadhafter Zähne solche Beweise von Sachkenntnis und Geschicklichkeit gegeben, daß ihm das Collegium das Zeugnis der Befähigung zu den gedachten Operationen nicht versagen kann.“ So wurde ihm am 11. August 1851 die Konzession zum Reinigen und Ausziehen der Zähne sowie zum Anfertigen und Einsetzen künstlicher Zähne und Gebisse - aber mit dem Hinweis, dass er sich der Heilung der eigentlichen Zahnkrankheiten zu enthalten habe - erteilt. 148 4.1.3.2.6 Die übrigen Medizinalpersonen und Bestimmungen der Medizinalordnung Zu den übrigen Medizinalpersonen im Sinne der Medizinalordnung zählen Geburtshelfer (7. Kap., §§ 27,28), Hebammen (8. Kap., §§ 29-31), Apotheker (9. Kap., §§ 32-36) und Tierärzte (10. Kap., §§ 37,38). Geburtshelfer waren Ärzte oder Chirurgen erster Klasse, für die eine zusätzliche Prüfung vor dem Medizinalkollegium verbindlich war. An dieser Stelle wurde in der Medizinalordnung der Begriff „Chirurgen erster Klasse“ verwendet, der vordem nicht erläutert wurde. Diese Tatsache unterstreicht die synonyme Verwendung der Bezeichnungen „Wundarzt“ und „Chirurg“. Hebammen mussten Zeugnisse über erhaltenen Unterricht vorweisen und wurden vom Medizinalkollegium geprüft. 148 LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Völlner, W., Blatt 50, 291, 3050 (1850) und Blatt 152, 385, 1493, 2499 (1851). 66 4.2 Vergleich der Stellung der Zahnärzte in den Medizinalordnungen von Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin Die Medizinalordnung für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin wurde am 18. Februar 1830 durch den Großherzog Friedrich Franz II. erlassen. 149 Sie galt ohne Unterschied in allen Landesteilen von Mecklenburg-Schwerin und setzte die Medizinalordnung vom 20. Juli 1751 außer Kraft. Ähnlich wie in Mecklenburg-Strelitz im Jahre 1812 wurde eine Medizinalkommission - mit Sitz in Rostock - gebildet, die die Kreis- und Stadtphysici, Ärzte, Wundärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Geburtsärzte und Apotheker prüfte und der Landesregierung beratend zur Seite stand. Hinsichtlich der Medizinalpersonen, die sich mit der Behandlung von Zahnkrankheiten befassten, unterscheidet auch die Medizinalordnung von Mecklenburg-Schwerin die Bader oder Wundärzte zweiter Klasse und die Operateure. Bader unterlagen keiner Niederlassungsbeschränkung, unterstanden der Aufsicht des Kreisphysicus und mussten von der Ortsbehörde vereidigt werden. Zur Ader lassen, Blutegel setzen, Zähne ausziehen, Blasenpflaster und Fontanelle ansetzen durften sie nur nach Anweisung durch einen Arzt. Die innere und äußere Behandlung war ihnen in Mecklenburg-Schwerin ebenso untersagt wie in Mecklenburg-Strelitz. Obgleich im ersten Kapitel über die Medizinalkommission in Rostock erwähnt wird, dass Zahnärzte von ihr zu prüfen sind 150 , enthält die Medizinalordnung kein gesondertes Kapitel über die Zahnärzte, sondern nur eines über Operateure. Das sechste Kapitel lautet: „Fortan wird in hiesigen Landen keinem Oculisten, Dentisten oder sonstigen Operateurs die Ausübung respect. der Augenheilkunde, Zahnarzneikunst und Operationen gestattet, wenn selbige nicht zuvor vor der Medicinal-Commission über die erforderlichen anatomisch-chirurgischen Kenntnisse geprüft, tüchtig 149 Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt (Regierungsblatt), 11 (1830) Schwerin,18.2.1830. 150 Neue Medizinalordnung nebst Verordnung wegen Organisation der Medicinal-Comission, Schwerin 1830, Erstes Kapitel, § 1. 67 befunden worden und die Concession der Regierung erhalten haben. Diese Concession ist öffentlich bekannt zu machen. Die Operateurs haben sich an die Grenzen der ihnen ertheilten Concession zu halten.“ Ein wesentlicher Unterschied zur Strelitzer Medizinalordnung war also das Fehlen jeglicher Bedingungen für die Zulassung zur Prüfung. Während in Mecklenburg-Strelitz an den Zahnarzt die Prüfungsmaßstäbe mindestens eines Wundarztes erster Klasse gelegt wurden und ein dreijähriges Studium an einer Universität oder chirurgischen Schule Voraussetzung war, hatte in Mecklenburg-Schwerin jeder, der sich berufen fühlte, die Möglichkeit, vor der Medizinalkommission sein Glück zu versuchen. Durch die rechtliche Gleichstellung der Wundärzte erster Klasse - theoretisch auch der Ärzte - mit den Zahnärzten waren die Zahnbehandler in Mecklenburg-Strelitz in allen Prüfungsvoraussetzungen und Niederlassungsbeschränkungen den Wundärzten gleichgestellt. In Mecklenburg-Schwerin fehlte dieser Ansatz vollkommen. Hier schrieb erst die Prüfungsordnung für Zahnärzte vom 11. August 1863 vor, dass der Zahnarzt die Tertiareife 151 besitzen und zwei Jahre bei einem Zahnarzt gearbeitet haben musste. 152 Erst mit Einführung der Prüfungsordnung für den Norddeutschen Bund im Jahre 1869 wurden auch Mecklenburg-Schwerin die Universitätsstudium verlangt. Primarreife und ein viersemestriges 153 Dank seiner Universität mit medizinischer Fakultät in Rostock gehörte Mecklenburg-Schwerin zu den Staaten des Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches, die ab 1869 zur Durchführung der Prüfung für Zahnärzte befugt waren. Erfolgreich abgelegte zahnärztliche Prüfungen vor der Medizinalkommission in Rostock 154 wurden durch die Mecklenburg-Strelitzer Landesregierung 151 entspricht heute etwa der 8. Klasse. Hasselfeld (1934), 15. 153 Bruhn und Gerber (1974), 91. 154 z.B. im Jahr 1853 Konzession für den Zahnarzt Ludwig Verhein aus St.Petersburg, der die Prüfung in Rostock abgelegt hatte. LHAS, 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Ludwig Verhein, Dispensation vom 4.11.1853. 152 68 anerkannt. Diesen Absolventen wurde stets eine Freistellung (Dispens) von der in Mecklenburg-Strelitz vorgeschriebenen Prüfung gewährt. Auch mussten sie nicht die Erfüllung der strengen Voraussetzungen nachweisen, die die Mecklenburg-Strelitzer Ordnung verlangte. Die Prüfung in anderen deutschen Staaten zu absolvieren - und damit die strengen Vorschriften der Mecklenburg-Strelitzer Medizinalgesetzgebung zu umgehen - kam regelmäßig vor. Die Anerkennung z.B. preußischer Prüfungen 155 erfolgte ebenso unbürokratisch wie die Anerkennung der Schweriner Prüfungen. Dadurch wurde die Zuständigkeit des Medizinalkollegiums in Neustrelitz für die Prüfung der Zahnärzte nur selten bemüht. 4.3 Die Auswirkungen des Beitritts zum Norddeutschen Bund 1867 und der Reichseinigung 1871 auf die amtliche Regelung der Zahnheilkunde Im Jahre 1867 entstand im Anschluss an den Preußisch-Österreichischen Krieg (1866) der Norddeutsche Bund unter Führung Preußens. Er trat an die Stelle des 1815 auf dem Wiener Kongress gebildeten Deutschen Bundes. Ihm gehörten 22 nördlich der Mainlinie liegende deutsche Staaten an. Mit dem Beitritt zum Norddeutschen Bund gingen Teile der bisher von den Einzelstaaten ausgeübten Gesetzgebungsverfahren auf den Bund über, der eine Vereinheitlichung des Rechtswesens einleitete, obgleich alle Bundesstaaten ihre eigene Regierung behielten. 1870 schlossen sich auch Bayern, Baden und Württemberg dem Bund an, aus dem 1871 das Deutsche Kaiserreich hervorging. Die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21. Juni 1869 156 , die auch für die beiden mecklenburgischen Staaten galt und die alte Zunftregelung 155 z.B. am 16.5.1840 Konzession zur Niederlassung und Ausübung der zahnärztlichen Praxis für den Zahnarzt Fritze aus Berlin, der die Prüfung in Stettin abgelegt hatte. Officielle Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen 22 (1840), Neustrelitz, 27.5.1840, 44. 156 Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, 1869, 245. 69 aufhob, wertete die Heilkunde als Gewerbe und setzte die sog. „Kurierfreiheit“ durch. Vermutlich bewog den Gesetzgeber auch die nur geringe Zahl der zugelassenen Zahnbehandler bei gleichzeitig steigendem Bedarf zu diesem Schritt. Jetzt konnte jeder als Zahnbehandler auftreten, durfte sich jedoch nicht Zahnarzt nennen, wenn er keine Approbation besaß. 157 Der § 29 der Gewerbeordnung legte fest, dass nur, wer einen Befähigungsnachweis als Zahnarzt besaß und approbiert war, sich auch Zahnarzt nennen durfte. 158 Personen, die bis zum Tage der Verkündung der Gewerbeordnung als Zahnärzte zugelassen waren, galten fortan als approbiert für das gesamte Gebiet des Norddeutschen Bundes. Die Gewerbeordnung hob die in Mecklenburg-Strelitz seit 1840 bestehende Niederlassungsbeschränkung für Zahnärzte auf, die bis dahin der Zustimmung der jeweiligen Ortsbehörde bedurften. Nur wenig später, am 25. September 1869, wurde eine Prüfungsordnung für Zahnärzte für den Norddeutschen Bund erlassen. Sie wurde im Oktober 1869 in Mecklenburg veröffentlicht trat damit in Kraft. Diese Veränderung der Medizinalgesetzgebung für die Zahnärzte führte in der Folge zur Ausbildung eines zahlenmäßig starken Berufsstandes nichtapprobierter Zahnbehandler. 159 Sie spezialisierten sich insbesondere auf die handwerkliche Zahnheilkunde und nannten sich gegen Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrunderts „Dentisten“. 160 In Mecklenburg-Strelitz wurde 1886 bis 1888 kein approbierter Zahnarzt mehr im Staatskalender verzeichnet, 1890 bis 1892 überhaupt kein Zahnbehandler. Im Jahr 1900 wird für den Thronfolger Erbgroßherzog Adolph Friedrich (1848-1914) erstmals ein „Hofdentist“ erwähnt. 161 Die Zahl der Dentisten und Zahnkünstler wuchs rasch an, die Zahnärzte waren in der Minderheit. In vielen Orten nahmen Dentisten die Mehrzahl der Zahnbehandlungen vor. 162 157 Bruhn und Gerber (1974), 92. Im gleichen Zusammenhang wurde die Approbation für Apotheker, Ärzte, Wundärzte, Augenärzte und Tierärzte sowie Geburtshelfer geregelt. 159 Bachmann (2003), 6. 160 ebd., 6-8. 161 s. Anlage A. 162 Es gab z.B. in Berlin im Jahr 1902 mehr nichtapprobierte Zahnbehandler (464) als approbierte Zahnärzte (270). Bachmann (2003), 6-8. In Deutschland wurden im Jahr 1909 etwa 3000 Zahnärzte und 4500 Behandler ohne Studium gezählt. Hoffmann-Axthelm (1985), 467. 158 70 Andererseits kam es in dieser Zeit zu einer Weiterentwicklung der zahnärztlichen Ausbildung, die Anzahl der Studenten stieg. Im Jahre 1884 wurde das erste deutsche zahnärztliche Institut in Berlin eröffnet 163 , dem weitere Neugründungen in Deutschland folgten. Bereits 1878 forderte C. Sauer die Aufhebung der Gewerbefreiheit und fürchtete eine Verflachung der Wissenschaft durch die „Nichtwisser“. 164 1896 forderte der Marburger Zahnarzt Julius Witzel (1863-1914), den Dentistenstand in der akademischen Zahnheilkunde aufgehen zu lassen. 165 Dies jedoch erfolgte nicht. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Dentisten auch zur Behandlung der Kassenpatienten zugelassen und stellten eine erhebliche Konkurrenz für die approbierten Zahnärzte dar. 166 Zwischen den Berufsgruppen gab es heftige Auseinandersetzungen Zahnärzten erhobenen um Titel und Ausbildungsniveau. Die von den fachlichen Einwendungen wurden von den Dentistenverbänden bekämpft. Nach dem I. Weltkrieg kam es zur weiteren Differenzierung zwischen den reinen im Labor tätigen Zahntechnikern und den Dentisten. 167 Zwar griffen die Dentisten, Teile des zahnärztlichen Wissens auf, jedoch in bewusster Abgrenzung zur akademischen Zahnheilkunde wurde auf die praktischen Tätigkeiten besonderes Augenmerk gelegt. 168 Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland vermehrt Hygieneinstitute an den Universitäten gegründet (z. B. 1876 München, 1878 Leipzig, 1888 Greifswald). 1883 wurde Hygiene an den deutschen Universitäten Pflichtfach. Die zahnärztliche Ausbildung erfolgte zu diesem Zeitpunkt an Instituten außerhalb der Medizinischen Fakultät. In Berlin z.B. wurden Studenten der Zahnmedizin erst ab 1909 bei der Medizinischen Fakultät immatrikuliert. 169 163 Blankenstein, F.: Baugeschichte des Zahnärztlichen Instituts. In: 110 Jahre Zahnärztliches Institut Berlin 1884-1994, Festschrift, Berlin 1994, 17-48. 164 Schilf (1967), 46. 165 Lauer, H.H., Zur Geschichte der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Marburg, Marburg, o.J., n.p., http://web.uni-marburg.de/zahnmedizin//history/lauer.htm, Stand v. 14.10.2006. 166 Bachmann (2003), 8. 167 ebd. 168 ebd., 10. 169 Blankenstein, F.: Institutschronik. In: 110 Jahre Zahnärztliches Institut Berlin 1884-1994, Festschrift, Berlin 1994, 53. 71 Nach der Etablierung des Dentistenstandes erhielt die Mehrzahl der mit der Zahnbehandlung betrauten Personen keine akademische Ausbildung mehr. Die Ausbildung der approbierten Zahnärzte begann erst ab etwa 1909, vierzig Jahre nach Erlass der Gewerbeordnung, wieder mit der akademischen medizinischen Ausbildung zusammenzuwachsen. Das Schutzbedürfnis der Bevölkerung, das vordem als ein wichtiger Grund für den Erlass von Regelungen galt, musste von 1869 an hinter wirtschaftlichen Aspekten zurückstehen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch die mit der Gewerbeordnung von 1869 eingeführten Änderungen die weitere Entwicklung der Behandlung von Zahnkrankheiten für lange Zeit von der Entwicklung der Medizin abgekoppelt worden ist. 72 5 Entwicklungstendenzen von Zahnmedizin und Hygiene bis zur Gegenwart Die Zahnheilkunde hat im Vergleich zu den anderen Bereichen der Medizin einige Besonderheiten. Sie betreffen zum einem das Milieu der Mundhöhle, in dem der Zahnarzt vorwiegend tätig ist. Die Mundhöhle eines gesunden Patienten ist mit aeroben und anaeroben Bakterien sowie mit hefeähnlichen Pilzen besiedelt. Diese residente Flora ist relativ konstant, haftet primär an den Oberflächen und wird sekundär an den Speichel abgegeben. Systemische Erkrankungen und Erkrankungen der Mundhöhle verändern die Standortflora. Die Mundhygiene hat entscheidenden Einfluss auf die Koloniezahl 170 in der Mundhöhle. Durch die mikrobielle Besiedlung stellt auch der gesunde Patient eine potentielle Infektionsquelle dar. Eine weitere Besonderheit liegt in der zum Teil schwer dekontaminierbaren apparativen Ausstattung des Zahnarztes, insbesondere der Handstücke, Winkelstücke sowie der Turbine. Außerdem hat der Zahnarzt täglich eine große Anzahl verschiedener Patienten mit einer teilweise unbekannten Infektionsanamnese zu behandeln. Und schließlich kommen nicht vorhersehbare Notbehandlungen hinzu, bei denen eine hygienisierende Vorbereitung auf den Eingriff in kürzester Zeit durchgeführt werden muss. Im 19. Jahrhundert machte die Zahnmedizin sowohl in technischer Hinsicht als auch bei den zahnärztlichen Therapien durch die neuen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese der oralen Erkrankungen große Fortschritte. Die Erkenntnisse der Hygiene und die durch ihre Anwendung erreichbaren Verbesserungen sowohl der Therapien als auch der Zustände in zahnärztlichen Einrichtungen fanden jedoch erst sehr spät ihren Niederschlag in den Vorschriften über Hygienemaßnahmen in zahnärztlichen Arbeitsbereichen. 170 Kramer, A., Exner, M., Heeg, P., Hingst, V., Rosin, M., Wahl, G.: Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P., Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M., Weuffen, W. (Hrsg.): Klinische Antiseptik, Berlin Heidelberg New York 1993, 257-260. 73 5.1 Die Zeit von 1869 - 1949 Für das Militärpersonal hatte Preußen schon 1834 Vorkehrungen zur Seuchenprophylaxe getroffen. Auf den Chirurgenkongressen 1876-1877 wurde die Forderung erhoben, bei der medizinischen Versorgung der Soldaten, die verstärkt Schmutz ausgesetzt waren, die antiseptische Behandlung nach Lister verbindlich einzuführen. 171 1876 wurden in München, 1878 in Leipzig und 1888 in Greifswald ein Hygiene-Institut gegründet. 1883 wurde Hygiene an den deutschen Universitäten Pflichtfach. 172 In der Folge dominierte allerdings die Bakteriologie zunehmend die wissenschaftliche Arbeit. Ihre Ergebnisse beeinflussten zwar die Hygiene, jedoch war der Einfluss auf die ärztliche Arbeit beschränkt. Die institutionelle Trennung von Mikrobiologie und Hygiene erfolgte erst in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. 173 Das Tragen von Gesichtsmasken beim Operieren wurde 1897 durch Johann von Mikulicz eingeführt. Die Verwendung von Gummihandschuhen bei Operationen wurde zuerst etwa 1904 von William Halstedt beschrieben. 174 Am 30. Juni 1900 wurde das Reichsseuchengesetz erlassen, 1938 folgte die Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Diese regelte für über 20 Infektionskrankheiten die Pflicht zur Anzeige, die Ursachenermittlung und Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung und Ansteckungsverhütung. Trotz der Fortschritte in der Forschung auf dem Gebiet der Hygiene und dem Erlass gesetzlicher Regelungen zur Umsetzung von Hygienestrategien kam es nicht zum Erlass spezieller Verordnungen für die Hygiene bei der zahnärztlichen Behandlung. Behandlungsräumen des Es ist anzunehmen, Zahnarztes eine dass gewisse man in den Sauberkeit als selbstverständlich ansah. Invasives Vorgehen im Kieferbereich, wie z.B. 171 Mette und Winter (1968), 478. Harig, G. und Schneck, P.: Geschichte der Medizin, Berlin 1990, 183. 173 ebd., 184. 174 Hoffmann, J.N.: Die Sepsis. In: Viszeralchirurgie, 39. Jg., Stuttgart 2004, 142-149. 172 74 Zystenoperationen, gehörte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts in der Regel ohnehin nicht zum Behandlungsspektrum des Zahnarztes oder Dentisten. 175 5.2 Die Hygienevorschriften in der Zahnheilkunde in der BRD 1949 bis 1989 und für die Praxishygiene wichtige Standardwerke Das Bundesseuchengesetz entstand 1961 aus den oben genannten Rechtsvorschriften und Infektionskrankheiten. Ärzte gewährleistete und die Laboratorien Bekämpfung waren gegenüber der dem Gesundheitsamt verpflichtet, bestimmte Infektionskrankheiten oder einen Verdacht darauf sowie Todesfälle zu melden. Vom Gesundheitsamt wurden auf dieser Grundlage Ermittlungen eingeleitet und Maßnahmen gegen die Ausbreitung und zur Verhütung getroffen. Für Maßnahmen zur Desinfektion in Zahnarztpraxen, die behördlich angeordnet wurden und die mit dem Auftreten meldepflichtiger Krankheiten in Zusammenhang standen, waren die in einer Liste des Bundesgesundheitsamtes genannten Desinfektionsmittel zu verwenden. Die erste Liste des Bundesgesundheitsamtes erschien 1963 176 , inzwischen liegt die 14. Ausgabe der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und –verfahren vor. 177 Die Unfallverhütungsvorschrift (UVV) der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (herausgegeben ab 1983), seit 2004 als Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR) bezeichnet, legte Maßnahmen zum Arbeits- und Infektionsschutz der Mitarbeiter in Einrichtungen des Gesundheitswesens fest. Der Geltungsbereich umfasst auch Zahnarztpraxen. 175 Hoffmann-Axthelm (1985), 399. Bundesgesundheitsamt (BGA), Liste gemäß § 41 Bundesseuchengesetz, 1963. In: Bundesgesundheitsblatt (BGBl) 7, 1964, 8. 177 Liste der vom Robert-Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und verfahren (Stand 31.05.2002) gemäß § 18 Infektionsschutzgesetz, HygMed 28.Jg. 2003, 172194. 176 75 Sie enthält u. a. Ausführungen zu den Beschäftigungsvoraussetzungen, den arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, zur Immunisierung des Personals, der Erstellung des Hygieneplans, zu den Anforderungen an die Wasserarmaturen und zum Tragen von Schmuck. 178 Damit gab es zwar während dieses Zeitraums eine Hygienevorschrift für die zahnmedizinische Behandlung und Einrichtung in Bezug auf den Personalschutz, sie war aber keine gesetzliche Grundlage. Wahrscheinlich ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Regeln der Hygiene, die insgesamt für Einrichtungen des Gesundheitswesens bestanden, genügten und spezielle Vorschriften für Zahnarztpraxen nicht erforderlich seien. Durch diesen Mangel, d.h. die nicht an die zahnmedizinische Praxis angepassten Hygienemaßnahmen und die uneinheitliche, unsystematische und nicht handlungsrelevante Regelung für Zahnarztpraxen, Hygieneverhalten der Zahnärzte negativ beeinflusst. wurde das 179 Die BGA- Richtlinie für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen vorgelegt. 180 (jetzt RKI-Richtlinie) wurde erstmals 1976 1989 erfolgte die Umbenennung in die jetzige Richtlinie der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut (RKI) Berlin (die sogenannte RKI-Richtlinie). Diese Richtlinie ist weder ein Gesetz noch eine Verwaltungsvorschrift. In Verbindung mit einem Anhörungsverfahren der Bundesländer und der Fachverbände stellt sie eine Empfehlung nach einem Konsens besonders qualifizierter Fachleute dar und gibt damit den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wieder. Die Empfehlungen beziehen sich auf die Prävention nosokomialer Infektionen einschließlich deren Surveillance, auf das Ausbruchmanagement sowie auf betrieblich-organisatorische und funktionell-bauliche Voraussetzungen zur Infektionsprävention. 1990 wurde von der Kommission erstmals eine spezielle 178 Heeg, P. und Setz, J.: Praxishygiene. Stuttgart 1994, 34. Bergler, R. und Borneff, M.: Barrieren bei der Durchsetzung von Hygieneanforderungen in der Zahnarztpraxis In: Zentralblatt für Bakteriologie Mikrobiologie und Hygiene B 183, Stuttgart 1986, 153-178. 180 Bundesgesundheitsamt (Hrsg.): Richtlinie für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhaus-Infektionen, Stuttgart 1976. 179 76 Empfehlung zur Hygiene in der Zahnmedizin erarbeitet. Außerdem war ein Teil der allgemeinen Zahnarztpraxis Empfehlungen übertragbar. Händedesinfektion und der Hierzu RKI-Kommission zählen Händereinigung, die zur direkt in die Empfehlungen zur Aufbereitung von Medizinprodukten, zu Injektionen und Punktionen, zu Baustoffen und Ausstattungsmaterialien, zur Schutzkleidung, zur Verhütung der Übertragung von HIV, zu Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen, zur Surveillance in Einrichtungen für das ambulante Operieren, zu hygienischen Untersuchungen und zur Reinigung und Desinfektion von Flächen. 1989 erschien die erste Ausgabe des Hygieneleitfadens des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis (DAHZ), 2003 bereits die 6. Ausgabe. 181 Diese in der aktuellen Ausgabe 43 Seiten umfassende Broschüre ist eine zusammenfassende Empfehlung zu den spezifischen Anforderungen an den Infektions- und Arbeitsschutz in der Zahnarztpraxis und konkretisiert und präzisiert die gesetzlichen Anforderungen an die Krankenhaus- und Praxishygiene. Als Lehrbuch oder Nachschlagewerk zur Infektionsprävention in Zahnarztpraxen wurde 1985 vom mhp-Verlag Wiesbaden eine 147 Seiten umfassende Monografie von R.R. Runnels, „Praxishygiene – eine Herausforderung für den Zahnarzt“ 182 , veröffentlicht. Dabei handelt es sich um die Übersetzung und Bearbeitung der zuvor in den USA erschienenen Ausgabe. In dieser Monografie werden von der Planung der Zahnarztpraxis bis hin zur Kontrolle der antimikrobiellen Maßnahmen und Verfahren die Anforderungen umfassend und praxisrelevant dargestellt. 181 182 Eine Ergänzungslieferung zur 6.Ausgabe erschien 2006. Runnels, R. R.: Praxishygiene- eine Herausforderung für den Zahnarzt. Wiesbaden 1985. 77 5.3 Die Hygienevorschriften in der Zahnmedizin in der ehemaligen DDR Im Unterschied zur BRD hatte in der DDR die Rahmenhygieneordnung für Einrichtungen des Gesundheitswesens (1974) Gesetzescharakter. Auf ihrer Basis wurden die so genannten Hygienekataloge mit empfehlendem Charakter erstellt, unter anderem auch für die Stomatologie (Zahn-, Mund und Kieferheilkunde). Die Rahmenhygieneordnung für ambulante und stationäre Gesundheitseinrichtungen erschien letztmalig mit Stand vom 2. Januar 1990 in einer 78 Seiten umfassenden Ausgabe im Staatsverlag der DDR. Als monografische Ergänzung dazu wurde das Buch „Krankenhaushygiene“ 1977 in der 1. Auflage (Hrsg. W. Weuffen und F. Oberdoerster, Barth-Verlag Leipzig) und 1981 in 2. Auflage (Hrsg. W. Weuffen, F. Oberdoerster und A. Kramer) jeweils mit dem speziellen Kapitel „Infektiöser Hospitalismus in der Stomatologie und seine Bekämpfung“ (H. Prickler) herausgegeben. Darin wird die Praxishygiene auf 13 Seiten prägnant und nutzerfreundlich beschrieben. 1990 erschien mit einem Umfang von 280 Seiten die erste umfassende Monografie zum „Infektionsschutz und Krankenhaushygiene in zahnärztlichen Einrichtungen“ (Hrsg. A. Kramer, P. Heeg, K. Neumann und H. Prickler, Verlag Volk und Gesundheit, Berlin). In diesem Buch wird nicht nur der Infektionsschutz umwelthygienischer behandelt, sondern Anforderungen wie auch Anforderungen. Gesamtkomplex Innenraumklima, Farbgebung, Schutz vor Lärm und mechanischen hygienisch-bauliche der Weitere Beleuchtung, Schwingungen sowie Inhalte sind Fragen der Ernährungshygiene, der Gesundheitserziehung und Patientenaufklärung, der Schutz der Gesundheit vor Schadstoffen im Arbeitsbereich sowie die Entnahme und der Versand von mikrobiologischem Untersuchungsmaterial. 78 5.4 Die Entwicklung nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 5.4.1 Gesetzliche Grundlagen, Medizinproduktegesetz 183 und Infektionsschutzgesetz Im Medizinproduktegesetz (MPG) werden seit 1994 die Anforderungen an die elektrische, die Funktions- und die hygienische Sicherheit von Medizinprodukten definiert. Danach ist nicht nur der Hersteller, der ein Medizinprodukt in Verkehr bringt, für die Gewährleistung der erforderlichen Eigenschaften und dessen sicheren Gebrauch verantwortlich. Auch der Anwender trägt Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz, die hygienisch sichere Wiederaufbereitung sowie die Wartung und Kontrolle. Daher dürfen Medizinprodukte nur von Personen angewendet werden, die über die erforderliche Ausbildung, Kenntnis und Erfahrung verfügen und die in die Handhabung der Medizinprodukte nachweislich eingewiesen worden sind. Die Aufbereitung (Reinigung, Desinfektion und Sterilisation) ist unter Beachtung der Herstellerangaben mit validierten Verfahren durchzuführen. Zwischenfälle sind an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden. Das BfArM sammelt Informationen über Risiken, Fehlfunktionen usw. von Medizinprodukten. Das MPG enthält Bußgeld- und Strafvorschriften. Verstöße können mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren geahndet werden. Das gilt vor allem für den Betrieb und die Inbetriebnahme von Medizingeräten, die keine CE-Kennzeichnung besitzen oder von denen eine Gefährdung ausgeht. Die Regelungen des Medizinproduktegesetzes gelten in allen Belangen auch für die Zahnarztpraxis. Für jedes Medizinprodukt ist auf der Basis einer Risikoklassifizierung gemäß der gemeinsamen Empfehlung des Robert-Koch-Institutes und des BfArM „Anforderung an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ 184 eine Standard Operating Procedure (SOP) zur Aufbereitung der im Gebrauch befindlichen 183 184 Gesetz über Medizinprodukte, Bundesgesetzblatt Teil I (1994), 1963. BGBl 44, Berlin und Heidelberg 2001, 1115-1126. 79 Medizinprodukte zu erarbeiten. Um zu gewährleisten, dass das medizinische Personal im niedergelassenen Bereich über das erforderliche Wissen verfügt, wurde 2003 als gemeinsame Initiative von DGSV (Deutsche Gesellschaft für Sterilgutversorgung e.V.), DGKH (Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V.) und dem Berufsverband Deutscher Hygieniker das Curriculum zum Erwerb der Sachkunde für die Instandhaltung von Medizinprodukten eingeführt. 185 Der Erwerb der Sachkunde in einem 40 Unterrichtsstunden umfassenden Lehrgang mit anschließender Prüfung ist ausdrücklich auch für Zahnarzthelferinnen, die bei niedergelassenen Zahnärzten tätig sind, vorgesehen. Die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der Berufsgenossenschaften werden fortlaufend aktualisiert. Sie beruhen auf § 15 Sozialgesetzbuch III vom 7. August 1996 in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003. 186 Danach erlassen die Berufsgenossenschaften als Unfallversicherungsträger die Unfallverhütungsvorschriften als verbindliches Recht. Die aktuelle Version „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1) stammt vom 1. Januar 2004. Weitere hygienerelevante Anforderungen an die Zahnarztpraxis ergeben sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (zuletzt geändert 2004) 187 , der Gefahrstoffverordnung 2004 188 und der Biostoff-Verordnung (zuletzt geändert 2004). 189 2001 wurde das Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) durch das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) 190 abgelöst. Ziel des Infektionsschutzgesetzes 185 HygMed 28 Jg., 2003, 408. BGBl. I (2003), 2190. 187 Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit vom 07.08.1996. BGBl. I (1996), 1246, zuletzt geändert am 30. Juli 2004, BGBl. I (2004), 1950. 188 Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen vom 25.2.2004, BGBl. I (2004), 328. 189 Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen vom 25.11.2003. BGBl. I (2003) 2342. 190 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen vom 20. Juli 2000. BGBl. I (2000), 1045. 186 80 ist es, den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern. Ärzte müssen bestimmte ausgewählte Krankheiten, Laboratorien bestimmte ausgewählte Erreger melden. Das Gesetz regelt - unter Nutzung der Erfahrungen mit dem bisherigen Bundes-Seuchengesetz - die Zusammenarbeit der Bundesbehörden, der Länder, der Ärzte, Krankenhäuser und wissenschaftlichen Einrichtungen neu. Die Eigenverantwortung Gemeinschaftseinrichtungen, von von Trägern und Lebensmittelbetrieben, Leitern von Gesundheits- einrichtungen sowie jedes einzelnen Bürgers bei der Prävention übertragbarer Krankheiten wird durch das Gesetz verstärkt, Information und Beratung stehen vor Kontrolle. Außerdem sieht es den Ausbau des RKI in Berlin zum epidemiologischen Zentrum vor. Die wissenschaftlich-epidemiologische Erfassung des Infektionsgeschehens in der Bundesrepublik ermöglicht ein noch schnelleres und konsequenteres Handeln. 5.4.2 Richtlinien und Empfehlungen: Richtlinie des RKI, Leitlinie der DGKH, Empfehlungen des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis, Krankenhaushygiene Wissenschaftlichen Empfehlungen der des Arbeitskreises Arbeitsgemeinschaft Medizinischen Fachgesellschaften der und weitere Normen 1998 wurde erstmals von der Kommission Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI eine Empfehlung zu „Anforderungen an die Hygiene in der Zahnmedizin“ erarbeitet. 191 Sie beinhaltet den Gesamtkomplex der Infektionsprävention in der Zahnarztpraxis und behandelt folgende Schwerpunkte: 191 BGBl 41, Berlin und Heidelberg 1998, 363-369. 81 • Darstellung des Infektionsrisikos • Hygienemaßnahmen am Patienten (Anamnese, Antiseptik) und für das Behandlungsteam (Händehygiene, Impfschutz, Schutz vor Kontamination und Verletzung, Postexpositionsprophylaxe) • Aufbereitung von Medizinprodukten • Desinfektion von Abformmaterialien, Zahnersatz, Flächen und Mobiliar • Prävention wasserübertragbarer Infektionen • Wäscheaufbereitung • Entsorgung • Bauliche Anforderungen • Verantwortlichkeit, Qualitätsmanagement und rechtliche Rahmenbedingungen. Diese Empfehlung wurde 2006 überarbeitet. 192 Folgende aktuelle RKI- Empfehlungen sind auch für die Zahnarztpraxis von Bedeutung 193 : • Händehygiene (2000) • Anforderung an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen (2004) • Anforderung an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (2001) • Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen (2000) • Surveillance (Erfassung und Bewertung) von nosokomialen Infektionen, (2001) • Surveillance in Einrichtungen für das ambulante Operieren (2003) 192 BGBl 49, Berlin und Heidelberg 2006, 375-394. Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Lieferung 2 (Dez. 2004), Berlin 2004. 193 82 • Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen (1999) • Verhütung und Kontrolle der Weiterverbreitung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) (1998). Außerdem haben folgende weitere Richtlinien und Normen Bedeutung für die Zahnarztpraxis: • Postexpositionelle Prophylaxe der HIV-Infektion (Deutsch- Österreichische Empfehlungen 2004) • LAGA 194 -Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen des Gesundheitsdienstes (2002) 195 • Normen zum Betrieb und zur Ausstattung von Sterilisatoren (DIN EN 285 und DIN EN 13060). Folgende Leitlinien der DGKH 196 haben unmittelbare Bedeutung für die Zahnarztpraxis: • Indikationen und Wirkstoffauswahl zur prophylaktischen und therapeutischen Mundhöhlenantiseptik (Oktober 2001) • Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und Desinfektionsprozesse (2006). Die Leitlinien des Arbeitskreises Krankenhaushygiene der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die unter 194 Länderarbeitsgemeinschaft Abfall. Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (Hrsg.): Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen des Gesundheitsdienstes. Saarbrücken 2002. 196 http://www.dgkh.de/. 195 83 Mitwirkung der DGKH erarbeitet wurden, behandeln folgende z. T. auch für die Zahnarztpraxis relevanten Themen: • Trennung von OP-Bereichen 197 • Aufbereitung von Medizinprodukten in Krankenhaus und Praxis 198 • OP-Kleidung und Patientenabdeckung 199 • Raumlufttechnische Anlagen 200 • Maßnahmen beim Auftreten multiresistenter Erreger (MRE) 201 • Anforderungen an Handschuhe zur Infektionsprophylaxe im Gesundheitswesen 202 • Atemschutz bei aerogen übertragbaren Infektionen 203 • Händedesinfektion und Händehygiene 204 • Hygienische Anforderungen an Hausreinigung und Flächendesinfektion 205 • Prävention blutübertragbarer Virusinfektionen 206 • Gewinnung, Lagerung und Transport von Proben zur mikrobiologischen Infektionsdiagnostik 207 • Prophylaxe der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung in Krankenhaus und Praxis 208 Die verstärkte Zuwendung zur Infektionsprävention in der Zahnarztpraxis in Gesetzen, Richtlinien und Empfehlungen findet auch darin ihren Niederschlag, dass dieses Thema in Monografien und Standardwerken stärker als vor 1990 Berücksichtigung findet. Das betrifft folgende Publikationen: 197 Hygiene in Klinik und Praxis, 2004, 47ff. ebd., 71ff. 199 ebd., 83ff. 200 ebd., 135ff. 201 ebd., 121ff. 202 ebd., 191ff. 203 ebd., 238ff. 204 HygMed 28.Jg., 2003, 129-133. 205 Hygiene in Klinik und Praxis, 2004, 224ff. 206 ebd., 175ff. 207 ebd., 109ff. 208 ebd., 156ff. 198 84 • Borneff, M: Infektionsprobleme der zahnärztlichen Tätigkeit und ihre Prophylaxe, HVA, Heidelberg 1993 (182 Seiten) • Borneff, M.: Hygiene für Zahnmediziner. Ein Leitfaden für Zahnärzte und Studenten, Thieme Stuttgart 1994 (259 Seiten) • Kramer, A., Exner, M., Heeg, P., Hingst, V., Rosin, M., Wahl, G. (1993): Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P., Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M., Weuffen,W., Klinische Antiseptik, Springer, Berlin Heidelberg New York Paris Tokyo, 257-277 • Rahn, R.: Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Wendt, M. und Werner, H.P. (Hrsg.), Möglichkeiten und Perspektiven der klinischen Antiseptik, mhp-Verlag, Wiesbaden 1995, 84-87 • Sümnig, W., Voigt, M. und Kramer, A.: Zahn-, Mund und Kieferheilkunde. In: Kramer, A., Heeg, P. und Botzenhart, K. (Hrsg.): Krankenhaus- und Praxishygiene, Urban Fischer, München Jena 2001, 612-625. 1986 stellten R. Bergler und M. Borneff 209 mehrere Barrieren bei der Durchsetzung von Hygieneanforderungen in der Zahnarztpraxis fest: • Wissensbarrieren durch mangelhafte Nutzung von Fortbildung, keine einheitlichen Hygiene-Standards und daraus resultierend Führungsbarrieren und Impfbarrieren • Problembarrieren durch unbequeme Hygienemaßnahmen • Wahrscheinlichkeitsbarrieren durch das seltene Auftreten von Risikofällen und daraus resultierend wiederum Impfbarrieren. Die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung wurde daraufhin zwar nicht erhoben, wohl aber eine auf die Überwindung der Wissensbarriere gerichtete 209 Bergler und Borneff (1986), 153-178. 85 attraktive Zielsetzung für den Behandler angeregt. Wahrscheinlich wurde davon ausgegangen, dass es wegen der sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergebenden Verantwortung des Arztes für seine Patienten, seine Mitarbeiter, sich selbst und die Gesundheit seiner Familie ohnehin ein entwickeltes Hygienebewusstsein gibt, so dass Regelungen nicht erforderlich sind. Wenn aber weitere gesetzliche konkrete gesetzliche Vorschriften fehlen, keine Kontrolle stattfindet und kein Rahmen für die Anforderungen an die Hygiene existiert, hängt die Beachtung und Einhaltung hygienischer Standards von der Ausbildung der Behandler und ihrer Mitarbeiter sowie von deren Bereitschaft ab, ihr Wissen in der Alltagspraxis auch konsequent anzuwenden und sich weiterzubilden. Eine wissenschaftliche Ausbildung in der Hygiene sichert die Voraussetzung, dass der Zahnarzt in seiner Praxis die Hygiene als bedeutsam ansieht, sich auf diesem Gebiet fortbildet und seine Mitarbeiter anleiten kann. Die Wissensbarriere erweist sich als entscheidendes Hemmnis im Hygieneverhalten der Zahnärzte. Von einer Impfbarriere kann heute nicht mehr gesprochen werden. Betrug die Durchimpfungsrate (Hepatitis B) der Zahnärzte in der BRD 1986 nur 57,5%, so werden heute in der Regel alle Studenten der Zahnmedizin geimpft. Auch die BGR sehen eine Impfung der Mitarbeiter in Zahnarztpraxen vor. Unverständliches und Widersprüchliches, das eine einheitliche Meinungsbildung hemmte und das Hygieneverhalten in der Praxis der BRD noch vor 20 Jahren negativ beeinflusste, ist insbesondere mittels der Empfehlungen des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis (DAHZ) (s. Anlage B, Anforderungen des Hygieneleitfadens) und der RKI-Richtlinien beseitigt, sodass die Wissensbarriere als überwunden gelten kann. Die Überwindung dieser Barriere war die Voraussetzung für die Akzeptanz und Umsetzung auch unbequemer Hygienemaßnahmen in der täglichen Praxis. Erleichtert wurde diese Überwindung der Problembarriere aber auch durch verbesserte und an das zahnmedizinische Instrumentarium angepasste Aufbereitungstechnik. 86 Erst durch diese Fortschritte in der jüngsten Vergangenheit beginnen sich die zeitlich versetzte Entwicklung von Zahnheilkunde und die Umsetzung hygienischer Erkenntnisse in der zahnärztlichen Praxis aneinander anzugleichen. Die Wahrscheinlichkeitsbarriere bleibt bestehen, aber die geringe Anzahl Wissensbarriere von Risikofällen stellt durch kein Hemmnis mehr für die die Aufhebung der Umsetzung von wie das Hygienemaßnahmen dar. Da jedoch viele Medizinproduktegesetz, gesetzliche Bestimmungen, Übergangsregelungen und z.B. Bestandsgarantien beinhalten, ist die zeitlich versetzte Entwicklung noch nicht beendet. 87 6 Zusammenfassung Im 19. Jahrhundert nahmen die Therapiemöglichkeiten der Zahnärzte ernorm zu. Der technische Fortschritt ermöglichte eine verstärkte Zuwendung zur restaurativen, konservierenden Zahnheilkunde. Gleichzeitig wuchsen in Deutschland die Anforderungen an die Ausbildung der Zahnärzte. Obwohl es in Mecklenburg-Strelitz keine universitäre Ausbildung gab, waren die gesetzlichen Anforderungen für eine Zulassung zur zahnärztlichen Tätigkeit und die Erteilung der Konzession als Zahnarzt höher als in anderen deutschen Staaten - zumindest bis zur Einführung der Gewerbeordnung 1869. Diese zielte vor allem auf die Deckung der steigenden Behandlungsnachfrage, auf größere wirtschaftliche Freiheiten und sah Zahnmedizin als Gewerbe an. Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts erhöhte sich auch der wissenschaftliche Erkenntnisstand in der Bakteriologie und der Hygiene erheblich. Das schlug sich zunächst in der ärztlichen, später auch in der zahnärztlichen Tätigkeit nieder. Allerdings verzögerte die Gewerbefreiheit, die eine Ausübung der Zahnbehandlung durch medizinische Laien erlaubte, die verbindliche Umsetzung dieser Erkenntnisse um mehrere Jahrzehnte. Auf der einen Seite kam es zu einer immer vollkommeneren universitären Ausbildung von Zahnärzten an Universitäten, wie z.B. in Berlin ab 1884 oder Rostock ab 1907, auf der anderen Seite entwickelte sich die handwerklich und zahntechnisch-prothetisch ausgerichtete Ausbildung der Dentisten. Mehrfach wurde die Vereinheitlichung des Berufsstandes mit dem Ziel der Einführung der Zahnbehandlung als ausschließlich medizinische Disziplin gefordert. Dieser Forderung wurde man in der Sowjetischen Besatzungszone mit der neuen Approbationsordnung vom 1. August 1949 gerecht, in Westdeutschland geschah das erst im Jahr 1952. Andere Länder folgten wesentlich später (z.B. Österreich 1995). In der DDR wie auch der BRD erhielten die bereits tätigen Dentisten eine akademische Zusatzausbildung und wurden so den Zahnärzten gleichgestellt. So wurde nach etwa 80 Jahren ein einheitlicher Berufsstand der mit der zahnmedizinischen Behandlung befassten Personen erreicht. 88 Die Gesetzgebung zur Infektionsprophylaxe und zum Schutz vor Seuchen war zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der allgemeinen Medizin schon relativ umfassend. Die Zahnmedizin wurde als zum Gesundheitswesen gehörend angesehen. Eine verbindliche Richtlinie oder Verordnung, die den oben beschriebenen Besonderheiten der zahnärztlichen Behandlung Rechnung trug, wurde nicht erlassen, obgleich die Gesetzgebung in beiden deutschen Staaten zum Schutz der Allgemeinheit Regelungsbedarf für die Gesundheitseinrichtungen insgesamt sah. So kam es, dass Richtlinien, die Erkenntnisse und Fortschritte auf dem Gebiet der Hygiene für die zahnmedizinischen Einrichtungen einführten, erst wesentlich später erlassen wurden. In der DDR geschah das erstmals auf Basis der Rahmenhygieneordnung 1974, in der BRD erst Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts. Der „Hygieneleitfaden“ erschien erstmals 1989 und eine spezielle RKI-Richtlinie 1998. Zu einem entscheidenden Zeitpunkt ihrer Entwicklung war die Zahnmedizin durch den Gesetzgeber, der wirtschaftliche Aspekte und eine schnelle Deckung des wachsenden Bedarfs den Vorrang vor der medizinischen Ausbildung gab, von der Entwicklung der Medizin und der Hygiene abgekoppelt worden. Die 1869 eingeführte Gewerbe- und Kurierfreiheit machte die Zahnmedizin zum Gewerbe, nur die Bezeichnung „Zahnarzt“ blieb gesetzlich geschützt. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis die Hygiene den Stellenwert in der Zahnmedizin einnehmen konnte, den sie in der allgemeinen Medizin schon lange hatte. Dieser Rückstand wird nun durch eine ständige Überarbeitung der Hygienerichtlinien und die Anpassung an den medizinischtechnischen Fortschritt aufgeholt. Nur durch die Beibehaltung und die Weiterentwicklung der universitären und in die Medizin integrierten Ausbildung der Zahnärzte sowie deren Weiter- und Fortbildung kann gewährleistet werden, dass auch in Zukunft die zahnärztliche Behandlung genauso sicher ist wie ärztliche - zum Schutz von Patient, Zahnarzt und Praxispersonal. 89 Anlage A Öffentlich verzeichnete niedergelassene Zahnärzte in Mecklenburg-Strelitz 210 Zahnärzte als Hofchargen / Hofbedienstete 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806 1808 1809 1810 1811 1812-15 Seligmann Michael HZA/O; Salomon, Wolf HZA/O; Schneider, Johann Zahn- und Augenarzt Seligmann Michael HZA/O zu Altstrelitz Seligmann Michael HZA/O Altstrelitz Seligmann Michael HZA/O Seligmann Michael HZA/O Seligmann Michael, Zahnarzt und Operateur HZA Seligmann Michael Seligmann Michael Seligmann Michael Seligmann Michael Seligmann Michael kein Eintrag Ab 1816 Zahnärzte als Medizinalpersonen 1816 1817 1818 1819 1820 1821 1822 1823 1824 1825 1826 1827 1828 1829 1830 1831 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 210 Louis Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacobi; Michael Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby, M. Seligmann L. Jacoby, Michael Seligmann L. Jacoby Wolffsohn HZA, M. Seligmann L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ), M. Seligmann Altstrelitz L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ) L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ) L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ) L. Jacoby Wolffsohn HZA (NZ) StK-MSt, 1800-1806 und 1808-1900. 90 1839 1840 1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850 1851 1852 1853 1854 1855 1856 1857 1858 1859 1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 kein Eintrag kein Eintrag Hofzahnarzt Fritze (NZ) Hofzahnarzt Fritze (NZ) Hofzahnarzt Fritze (NZ) Hofzahnarzt Fritze (NZ) HZA Carl Wilhelm Fritze (NZ) HZA C.W. Fritze (NZ), HZA S.K.H. des Erbgroßherzogs E.T. Pagel, Unterarzt (WA) HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ) HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ) HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ) HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ) HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ) HZA C.W. Fritze (NZ), HZA E.T. Pagel (NZ) HZA E.T. Pagel (NZ) HZA E.T. Pagel (NZ), Ludwig Verhein (NZ) HZA E.T. Pagel (NZ) HZA E.T. Pagel (NZ) HZA E.T. Pagel (NZ) HZA E.T. Pagel (NZ), Joseph Wilhelm Sachs (NZ) Wilhelm Enterlein (NB), HZA Pagel, ZA Sachs, (NZ) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB) WA2 HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein WA2, Stoll, Moritz WA1 (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein WA2, M. Stoll WA1 (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein WA2, M. Stoll WA1, Georg Ludwig Wilh. Hirsekorn WA (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, M. Stoll, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel, Ludwig Warnekros (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein, 91 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) HZA E. Pagel, ZA L. Warnekros (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) L. Warnekros (NZ), W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) W. Enterlein, G. Hirsekorn (NB) W. Enterlein (NB) Franz Meincke, Rudolph Ausfeld (NZ) kein Eintrag kein Eintrag kein Eintrag Otto Schreckhaase (NB) Otto Schreckhaase (NB) Otto Schreckhaase (NB) Otto Schreckhaase (NB), Paul Jacobs (NZ), Carl Degner (FL) M. Kausch (NZ), O. Schreckhaase (NB), C. Degner (FL) M. Kausch (NZ), O. Schreckhaase; Erich Krüger (NB), C. Degner (FL) M. Kausch (NZ), O. Schreckhaase; Erich Krüger (NB), C. Degner (FL) M. Kausch, Alfred Stahl (NZ); O. Schreckhaase; E. Krüger (NB), C. Degner (FL); Hofdentist S.K.H. des Erbgroßherzogs Karl Reibeholz 92 Anlage B Anforderungen des Hygieneleitfades des Deutschen Arbeitskreises Hygiene in der Zahnarztpraxis - Eine tabellarische Übersicht der Entwicklung seit 1989 211 I. Flächen- und Gerätedesinfektion Jahr der ersten Anforderung bzw. Aktualisierung Sprühen/ Wischen/ Sprühen (mit einem DGHM- anerkannten 1989 Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen, im 1992 1 m Radius um den Patientenmund und kontaminierte Flächen nach 1996 der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort Sprühen/ Wischen (mit einem DGHM- anerkannten HBV-/HIV- wirksamem 1999 Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen, mit einer Ausdehnung von 2 m um den Patientenmund, kontaminierte Flächen nach der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort Sprühen/ Wischen (mit einem DGHM- anerkannten HBV-/HCV-/HIV- 2001 wirksamem Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen, mit einer Ausdehnung von 2 m um den Patientenmund, kontaminierte Flächen nach der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort Sprühen/ Wischen (mit einem DGHM- anerkannten HBV-/HCV-/HIV- 2003 wirksames Flächendesinfektionsmittel auf alkoholischer Basis) der Flächen, mit einer Ausdehnung von 2 m um den Patientenmund, kontaminierte Flächen nach der Behandlung, bei sichtbarer Kontamination sofort: Wischen/ Sprühen / Wischen (Zellstoff, Flächendesinfektionsmittel) Bei Behandlung von Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko: Wischdesinfektion der Fußböden (mit einem wässrigen, DGHM- anerkannten HBV-/HCV-/HIVwirksames Flächendesinfektionsmittel) 211 Die Empfehlungen des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis (Hrsg.), Norderstedt/Kiel, 1. Ausgabe, 1989. Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnarztpraxis (Hrsg.): Hygieneleitfaden, Norderstedt/Kiel, 2. Ausgabe 1992 bis 6. Ausgabe (Ergänzung) 2006. 93 II. Instrumentenwartung, Wiederaufbereitung und Lagerung II. 1. Instrumente für allgemeine und konservierende Behandlung (verschiedene Bezeichnungen) Jahr der ersten Anforderung bzw. Aktualisierung Nach der Benutzung: 1989 - Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Instrumentendesinfektionsmittel, sofort 1992 oder im Thermodesinfektor (TDI), ebenfalls sofort - Reinigung, Sterilisation - Lagerung in hygienisch gewarteten Schubladen, Schränken, Behältern Handinstrumente für nichtinvasive Maßnahmen 1996 - Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Instrumentendesinfektionsmittel, sofort 1999 oder im TDI - Reinigung, Sterilisation - Lagerung rekontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung Handinstrumente für allgemeine, präventive, restaurative oder kieferorthopädische 2000 (nichtinvasive) Maßnahmen 2001 - Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Instrumentendesinfektionsmittel, sofort 2003 oder im TDI - Reinigung, Sterilisation - Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung Handinstrumente für allgemeine, präventive, restaurative oder kieferorthopädische 2006 (nichtinvasive) Maßnahmen werden als semikritische Medizinprodukte (A) ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung eingestuft: - Desinfektion/Reinigung (TDI), danach wird die Sterilisation (optional) empfohlen und die Lagerung unverpackt auf Trays o. dgl. oder verpackt in Sterilgutverpackung - Erfolgt keine Aufbereitung im TDI, ist die Sterilisation obligatorisch. 94 II. 2. Rotierende Instrumente, Hand und Winkelstücke, Turbinen (verschiedene Bezeichnungen) Jahr der ersten Anforderung bzw. Aktualisierung Nach der Benutzung: 1989 - Desinfektion mit DGHM- anerkanntem Flächendesinfektionsmittel, oder im Thermodesinfektor (TDI) - Reinigung, Sterilisation - Lagerung in hygienisch gewarteten Köchern, Schalen, Schubladen oder Ständern Rotierende Instrumente: 1992 - Desinfektion sofort in Desinfektions- und Reinigungslösung mit Korrosionsschutz oder thermisches Desinfektionsverfahren nach max. 5 h Trockenlagerung - Reinigung, Sterilisation - Lagerung in hygienisch gewarteten Ständern oder Schalen Handstücke und Turbinen: - Sprüh/Wischdesinfektion oder thermisches Desinfektionsverfahren nach max. 5 h Trockenlagerung - Reinigung (mit Spezialspray) - Dampfsterilisation unverpackt, für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung - Lagerung in hygienisch gewarteten Köchern, Schalen o. dgl. bzw. in Sterilgutverpackung Rotierende Instrumente: 1996 - Desinfektion sofort in Desinfektions- und Reinigungslösung mit Korrosionsschutz oder thermisches Desinfektionsverfahren nach max. 6 h Trockenlagerung - Reinigung, Sterilisation - Lagerung rekontaminationsgeschützt Handstücke und Turbinen: - Außenreinigung und Desinfektion als Sprüh/ Wischdesinfektion - Innenreinigung, Ölung (mit Spezialspray) - Dampfsterilisation (optional), für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung - Lagerung rekontaminationsgeschützt bzw. in Sterilgutverpackung 95 Rotierende Instrumente: 1999 - chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren oder thermisches Desinfektionsverfahren - Reinigung, Sterilisation - Lagerung kontaminationsgeschützt Handstücke und Turbinen: a) mit Aufbereitungsautomat: - thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren, Ölung - Sterilisation (optional) - Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung b) ohne Aufbereitungsautomat: - Sprüh/Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem, DGHM- zertifiziertem HBV-/HCV-/HIV- wirksamen Flächendesinfektionsmittel - Reinigung, Ölung (Pflegespray) - Dampfsterilisation unverpackt, für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung - Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung Rotierende oder oszillierende Instrumente: 2001 - Thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren - Reinigung, Sterilisation - kontaminationsgeschützte Lagerung Handstücke und Turbinen: a) mit Aufbereitungsautomat: - thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren, Ölung - Sterilisation (optional) - Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung b) ohne Aufbereitungsautomat: - Sprüh/Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem, DGHM- zertifiziertem HBV-/HCV-/HIV- wirksamen Flächendesinfektionsmittel - Reinigung, Ölung (Pflegespray) - Dampfsterilisation unverpackt, für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung - Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung Rotierende und oszillierende Instrumente: 2003 - Thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren (ggf. Vorreinigung) - Sterilisation - kontaminationsgeschützte Lagerung Handstücke und Turbinen: a) mit Aufbereitungsautomat: - thermisches oder chemisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren, Ölung 96 - Kontrolle auf Unversehrtheit, Funktionstüchtigkeit - Sterilisation (optional) - Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung b) ohne Aufbereitungsautomat: - Sprüh/Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem, DGHM- zertifiziertem HBV-/HCV-/HIV- wirksamen Flächendesinfektionsmittel - Reinigung, Ölung (Pflegespray) - Kontrolle auf Unversehrtheit, Funktionstüchtigkeit - Dampfsterilisation für invasive Maßnahmen in Sterilgutverpackung - Lagerung kontaminationsgeschützt oder in Sterilgutverpackung Rotierende oder oszillierende Instrumente und die Übertragungsinstrumente 2006 werden als semikritische Medizinprodukte (B) mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung eingestuft: Rotierende oder oszillierende Instrumente: - Thermisches (oder chemisches) Reinigungs- und Desinfektionsverfahren, Reinigung, Sterilisation - Lagerung unverpackt in Ständern, Schalen oder verpackt in Sterilgutverpackungen Übertragungsinstrumente: - Thermisches (oder chemisches) Reinigungs- und Desinfektionsverfahren und Pflege der Innenteile (Ölung) oder Außenreinigung und –desinfektion (Wischdesinfektion mit geeignetem alkoholbasiertem Flächendesinfektionsmittel), Innenreinigung und –pflege (Ölung), - Dampfsterilisation unverpackt Bei Instrumenten mit Austritt von Flüssigkeiten und oder Luft oder Partikeln: - Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem Flächendesinfektionsmittel, - thermisches Reinigungs- und Desinfektionsverfahren und - optional Dampfsterilisation 97 II. 3. Chirurgische (invasive) und endodontische Instrumente sowie chirurgische Hand- und Winkelstücke, Turbinen (verschiedene Bezeichnungen) Jahr der ersten Anforderung bzw. Aktualisierung - Desinfektion, sofort oder (nach max. 5 h Trockenlagerung) in den Thermodesinfektor (TDI) 1989 1992 - Reinigung, Sterilisation in Sterilgutverpackung - Lagerung in Sterilgutverpackung Chirurgische, parodontologische und endodontische Instrumente 1996 - Desinfektion, sofort oder (nach max. 6 h Trockenlagerung) thermisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren - Reinigung, Sterilisation in Sterilgutverpackung - Lagerung in Sterilgutverpackung Chirurgische, parodontologische und endodontische Instrumente 1999 - Desinfektion, sofort oder thermisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren 2001 - Reinigung, Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung - Lagerung in Sterilgutverpackung Chirurgische, parodontologische und endodontische Instrumente 2003 - Desinfektion, sofort oder thermisches Desinfektions- und Reinigungsverfahren - Kontrolle, Nachreinigung, Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung - Lagerung in Sterilgutverpackung Instrumente und Hilfsmittel für chirurgische, parodontologische oder 2006 endodontische (invasive) Maßnahmen werden als kritische Medizinprodukte (A) ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung eingestuft: - Thermisches oder chemisches Reinigungs- und Desinfektionsverfahren - Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung, Lagerung in Sterilgutverpackung Rotierende, oszillierende Instrumente und deren Übertragungsinstrumente werden als kritische Medizinprodukte (B) mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung (nur durch Fachpersonal) eingestuft: 2006 a) Instrumente und Übertragungsinstrumente, Aufbereitung mittels Aufbereitungsgerät: 98 - Thermisches oder chemisches Reinigungs- und Desinfektionsverfahren (Übertragungsinstrumente: Pflege/Ölung) - Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung, Lagerung in Sterilgutverpackung b) Übertragungsinstrumente (Aufbereitung auch ohne Aufbereitungsgerät möglich): - Außenreinigung und Wischdesinfektion mit alkoholbasiertem Flächendesinfektionsmittel, - Innenreinigung und Pflege (Ölung) - Dampfsterilisation in Sterilgutverpackung, Lagerung in Sterilgutverpackung 99 III. Händehygiene und das Tragen von Handschuhen 1989 Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung: - hygienische Händedesinfektion - bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko wird das Tragen von Handschuhen empfohlen, Mehrfachnutzung nach hygienischer Händedesinfektion möglich - bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten wird das Tragen von sterilen Handschuhen empfohlen Chirurgische Behandlung: - chirurgische Händedesinfektion - Tragen von sterilen Handschuhen 1992 Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung: - hygienische Händedesinfektion - bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko oder möglichem Kontakt mit infektiösen Sekreten wird das Tragen von Handschuhen empfohlen, Mehrfachnutzung nach hygienischer Händedesinfektion möglich, der Vorzug ist jedoch der Einmalnutzung zu geben - bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten ist das Tragen von sterilen Handschuhen erforderlich Chirurgische Behandlung: - chirurgische Händedesinfektion - Tragen von sterilen Handschuhen 1996 Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung: - hygienische Händedesinfektion 100 - bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko oder möglichem Kontakt mit Blut, infektiösen Sekreten wird das Tragen von Handschuhen empfohlen, Wechsel nach jedem Patienten empfohlen - bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten ist das Tragen von sterilen Handschuhen erforderlich Chirurgische Behandlung: - chirurgische Händedesinfektion - Tragen von sterilen Handschuhen Reinigungsarbeiten: - Tragen fester, flüssigkeitsdichter Handschuhe 1999, 2001, 2003 Arbeitsplatzvorbereitung und nichtchirurgische Behandlung: - hygienische Händedesinfektion - bei bekannt erhöhtem Infektionsrisiko oder möglichem Kontakt mit Blut, Körperflüssigkeiten oder infektiösen Sekreten wird das Tragen von Handschuhen empfohlen, Wechsel nach jedem Patienten empfohlen - bei HIV- und stark abwehrgeschwächten Patienten ist das Tragen von sterilen Handschuhen erforderlich Chirurgische Behandlung: - chirurgische Händedesinfektion - Tragen von sterilen Handschuhen Reinigungsarbeiten: - Tragen fester, flüssigkeitsdichter Handschuhe 101 Primärliteratur I. Ungedruckte Quellen Landeshauptarchiv Schwerin: 4.11-6 Mecklenburg-Strelitzsches Kammer- und Forstkollegium Nr. 6323 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 1. Heft 1812/13 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 4. Heft 1815/16 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 5. Heft 1816/17 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 6. Heft, 1817/18 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 7. Heft, 1818/19 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 11. Heft, 1822/23 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 17. Heft, 1828/29 4.11-9 MSt-MK, Nr. 1, Verhandlungen, 18. Heft, 1829/30 4.11-9 MSt-MK, Nr. 12, Acta wegen landesherrlichen Verbots gegen Quacksalberei 1766-1811 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Fritze, C.W. 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Louis Jacoby Wolffson 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Völlner, W. 4.11-9 MSt-MK, Nr. 208, Akte Ludwig Verhein Stadtarchiv Neustrelitz: Rep. I /81, Verschiedene Verordnungen 1817-1860 II. Gedruckte Quellen Bergler, R. und Borneff, M.: Barrieren bei der Durchsetzung von Hygieneanforderungen in der Zahnarztpraxis. In: Zentralblatt für 102 Bakteriologie Mikrobiologie und Hygiene B 183, G. Fischer, Stuttgart 1986, 153-178 Borneff, M: Infektionsprobleme der zahnärztlichen Tätigkeit und ihre Prophylaxe. Heidelberger Verlagsanstalt, Heidelberg 1993 Bornemann: Ueber das Bedürfniß einer Medizinal-Ordnung in Mecklenburg. In: Freimüthiges Abendblatt, 150 (1821), Schwerin, o.P., 16.11. 1821 Buzer, A.: Handbuch der Zahnheilkunde. Berlin 1867 Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (Hrsg.): Indikationen und Wirkstoffauswahl zur prophylaktischen und therapeutischen Mundhöhlenantiseptik. Greifswald 2001 Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (Hrsg.): Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und Desinfektionsprozesse für thermostabile Medizinprodukte und zu Grundsätzen der Geräteauswahl. Greifswald 2006 Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnarztpraxis (Hrsg.): Hygieneleitfaden. Eigenverlag, Norderstedt/Kiel, 2. Ausgabe 1992 bis 6. Ausgabe (Ergänzung) 2006 Die Empfehlungen des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnarztpraxis (Hrsg.), Eigenverlag, Norderstedt/Kiel, 1. Ausgabe, 1989 Großherzoglich Mecklenburg-Strelitzischer Officieller Anzeiger für Gesetzgebung und Staatsverwaltung. Neustrelitz 1856, 95-96 Hoffmann, J.N.: Die Sepsis. In: Viszeralchirurgie 2004; 39 Jg., Thieme, Stuttgart 2004, 142-149 Heeg, P. und Setz, J.: Praxishygiene. Thieme, Stuttgart 1994 Kramer, A., Exner, M., Heeg, P., Hingst, V., Rosin, M. und Wahl, G.: Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P., Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M. und Weuffen, W. (Hrsg.): Klinische Antiseptik. Springer, Berlin Heidelberg New York Paris Tokyo 1993, 257-260 Kramer, A., Gröschel, D., Heeg, P., Hingst, V., Lippert, H., Rotter, M. und Weuffen, W. (Hrsg.): Klinische Antiseptik. Springer, Berlin Heidelberg New York Paris Tokyo 1993 103 Kramer, A., Heeg, P., Neumann, K. und Prickler, H.: Infektionsschutz und Krankenhaushygiene in zahnärztlichen Einrichtungen. Volk und Gesundheit, Berlin 1990 Linderer, C.J.: Lehre von den gesamten Zahnoperationen. Berlin 1834 Neustrelitzer Zeitung Nr. 100 (1851), Neustrelitz, 31.8.1851 Neustrelitzer Zeitung Nr. 12 (1871), Neustrelitz, 27.1.1871 Neustrelitzer Zeitung Nr. 75 (1869), Neustrelitz, 7.7.1869 Prickler, H.: Infektiöser Hospitalismus in der Stomatologie und seine Bekämpfung. In: Weuffen, W., Oberdoerster, F. und Kramer, A. (Hrsg.): Krankenhaushygiene. Barth Leipzig, 2. Aufl., 1981, 369-381 Rahn, R.: Antiseptik in der Mundhöhle. In: Kramer, A., Wendt, M. und Werner, H. P. (Hrsg.): Möglichkeiten und Perspektiven der klinischen Antiseptik. mhp-Verlag, Wiesbaden 1995, 84-87 Runnels, R. R.: Praxishygiene- eine Herausforderung für den Zahnarzt. 1. Aufl., mhp-Verlag, Wiesbaden, 1985 Staatskalender Mecklenburg-Strelitz für die Jahre 1800-1806 und 1808-1900, Spalding Neustrelitz Sümnig, W., Voigt, M. und Kramer, A.: Zahn-, Mund und Kieferheilkunde. In: Kramer, A., Heeg, P. und Botzenhart, K. (Hrsg.): Krankenhaus- und Praxishygiene. Urban Fischer, München Jena 2001, 612-625 Weuffen, W., Oberdoerster, F.: Krankenhaushygiene. 1. Aufl., Barth, Leipzig 1977 Weuffen, W., Oberdoerster, F. und Kramer, A.: Krankenhaushygiene. 2.Aufl., Barth, Leipzig 1981 III. Gesetze, Verordnungen, Richtlinien Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hrsg.): Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR). Hamburg 2004 104 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hrsg.): Unfallverhütungsvorschrift (UVV). Hamburg 1983 Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes. 1869, 245 Bundesgesundheitsamt (BGA): Liste gemäß § 41 Bundesseuchengesetz, 1963. 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I (2000), 1045 Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (Hrsg.): Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen des Gesundheitsdienstes. Saarbrücken 2002 Medizinal-Ordnung für das Herzogthum Mecklenburg-Strelitz. In: Officielle Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen Nr. 23 (1840), Neustrelitz 1840, 49-74 Neue Medizinalordnung nebst Verordnung wegen Organisation der MedicinalComission. In: Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt (Regierungsblatt), Nr. 11 (1830), Schwerin 1830 Officielle Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen. Neustrelitz 1840 Officielle Beilage zu den Mecklenburg-Strelitzischen Anzeigen. Neustrelitz 1843 Rahmenhygieneordnung für ambulante und stationäre Gesundheitseinrichtungen. Staatsverlag der DDR, Berlin 1974 – 1990 105 Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Anforderungen an die Hygiene in der Zahnmedizin. In: BGBl 41, Springer, Berlin Heidelberg 1998, 363-369 Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Anforderungen an die Hygiene in der Zahnmedizin. In: BGBl 49, Springer, Berlin Heidelberg 2006, 375-394 Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Lieferung 2 (Dez. 2004), Berlin 2004 Robert-Koch-Institut und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte : Anforderung an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten. In: BGBl 44, Springer, Berlin Heidelberg 2001, 1115-1126 Sozialgesetzbuch III vom 7. August 1996 in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.November 2003. In: BGBl. I (2003), 2190 Verfassung des Norddeutschen Bundes (16.04.1867) § 64. In: documentArchiv.de (Hrsg.), URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/ndbd/verfndbd.html, Stand: 15.09.2006 Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen vom 25.11.2003. In: BGBl. I (2003) 2342 Verordnung vom 22.4.1812. In: Neue Strelitzische Anzeigen, 21 (1812), Neustrelitz 1812 Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen vom 25.2.2004. In: BGBl. I (2004), 328 Postexpositionelle Prophylaxe der HIV-Infektion, Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) der Österreichischen AIDS-Gesellschaft (ÖAG) und weiterer Fachgesellschaften (Hrsg.), 2004 106 Sekundärliteratur Bachmann, A.: Zahnkünstler, Dentisten und die Zahnkünstler-Innung in Berlin (1884-1924). In: Zahnarzt & Praxis 6 (2003), flohr verlag, Rottweil 2003, 6-10 Bellmann, J.: Die Volksschulen. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1. Verlag Druckerei Steffen, Friedland, 2. geänderte Auflage, 2001, 497-502 Besombes, A.: Die Zahnmedizin vom 18.Jahrhundert bis zur Gegenwart. In: Illustrierte Geschichte der Medizin. Band 6: Geschichte der Medizin, der Pharmazie, der Zahnheilkunde und der Tierheilkunde. 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April 2001 in Neustrelitz veranstaltet vom Landesheimatverband MecklenburgVorpommern e.V., Verlag Druckerei Steffen, Friedland 2003 Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.): Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1. Verlag Druckerei Steffen, Friedland, 2. geänderte Auflage, 2001 Lauer, H.H.: Zur Geschichte der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Marburg, Marburg, o.J., o.P., http://web.unimarburg.de/zahnmedizin//history/lauer.htm, Stand v. 14.10.2006 Lippert, R.: Das Fürstenhaus von Mecklenburg-Strelitz. In: Landkreis Mecklenburg-Strelitz (Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1. Verlag Druckerei Steffen, Friedland, 2. geänderte Auflage, 2001, 171-191 Lippert, R.: Das Großherzogliche Haus Mecklenburg-Strelitz. Verlag Suum Cuique, Reutlingen 1994 Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren (Stand 31.05.2002) gem. § 18 Infektionsschutzgesetz. 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Ejnar Munksgaard Verlag, Kopenhagen 1945 Sudhoff, K.: Geschichte der Zahnheilkunde. Barth, Leipzig, 2. Auflage,1926 Vitense, O.: Geschichte von Mecklenburg. Nachdruck der Ausg. v. Gotha, 3. Aufl., 1920, Verlag Weidlich/Flechsig, Würzburg, 2. Auflage des Nachdrucks, 1990 Wilke, T.: Vaterlandskunde der Freistaaten Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. Opitz & Co., Güstrow o. J. Witzke, H.: Die Juden in Mecklenburg-Strelitz. In: Landkreis MecklenburgStrelitz (Hrsg.), Mecklenburg-Strelitz Beiträge zur Geschichte einer Region, Band 1. Verlag Druckerei Steffen, Friedland, 2. geänderte Auflage, 2001, 485496 109 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Mecklenburg um die Jahrhundertwende 18./19. Jahrhundert. Aus: Lippert (1994), 111. Abb. 2: Der Bonwill-Artikulator. Aus: Hoffmann-Axthelm (1985), 301. Abb. 3: Anlegen von Kofferdam. Aus: Hoffmann-Axthelm (1985), 327. Abb. 4: Harringtons „Erado“ . Aus: Stroemgren (1945), 87. Abb. 5: Darstellung aus der Patentschrift für Morrisons Bohrmaschine 1871. Aus: Hoffmann-Axthelm (1985), 342. Abb. 6: Carl, Regierender Herzog (ab Mecklenburg-Strelitz (1741- 1816). Aus: Lippert (1994), 13. Abb. 7: Deckblatt der „Erneuerten und erweiterten Verordnung“ vom 24.2.1818. Aus: StArNZ, Rep. I /81, Verschiedene Verordnungen 18171860. 1815 Großherzog) von 110 Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Dissertation ist bisher an keiner anderen Fakultät vorgelegt worden. Ich erkläre, dass ich bisher kein Promotionsverfahren erfolglos beendet habe und dass eine Aberkennung eines bereits erworbenen Doktorgrades nicht vorliegt. 111 Lebensl auf Name: Geburtsdatum: Geburtsort: Rajko Lippert 22. März 1969 Neustrelitz / Mecklenburg Eltern: Prof.Dr.med. Hans Lippert, Chirurg; Karin Lippert, geb. Henning, Ökonom, (verstorben 1992) Wohnort: 13156 Berlin-Pankow Eisenblätterstraße 23 Familienstand: ledig Schulausbildung: 1975-1979: 13. Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule Greifswald 1979-1985: 7. Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule Berlin-Marzahn 1985-1987: Einstein-Gymnasium Berlin-Marzahn Abitur: 1987 1987-1990, Nationale Volksarmee Wehrdienst: Vorpraktikum: Studium: Staatsexamen: Zahnärztliche Approbation: Tätigkeiten: Sept./ Okt. 1987, Febr.-Aug. 1990, Charité Berlin, Klinik für Orthopädie Zahnmedizin ab1990 an der Humboldt-Universität zu Berlin Wintersemester 1996/1997 an der Humboldt-Universität zu Berlin 1997 1997 -1999 Vorbereitungsassistent in der Zahnarztpraxis MR Dr. Leistner in Frankfurt (O.) 1999 Praxisvertretung in Frankfurt (O.) und Zahnärztlicher Nachtnotdienst am Krankenhaus im Friedrichshain (Leitung PD Dr. H. Prickler) Seit 2000 Niederlassung als Zahnarzt in der Gemeinschaftspraxis Rajko Lippert & Olaf Winter, Berlin-Pankow 112 Danksagung Sehr herzlich möchte ich Herrn Prof. Dr. med. Axel Kramer nicht nur für die Anregung und die freundliche Überlassung des Themas danken, sondern insbesondere für seine geduldige Betreuung. Ein besonderer Dank gilt meinem Vater, der meine Arbeit nicht nur interessiert begleitete, sondern mich auch stets zum zielstrebigen Vorgehen ermutigte. 113